Made in Germany. Made in Germany

german design standards Made in Germany Made in Germany Unsere Geschichte beginnt in England. Wir schreiben das Jahr 1887. Im britischen Parlament ...
Author: Franz Kerner
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Made in Germany

Made in Germany

Unsere Geschichte beginnt in England. Wir schreiben das Jahr 1887. Im britischen Parlament werden heftige Diskussionen über die Aufrechterhaltung der britischen Vorherrschaft in der industriellen Warenproduktion geführt. England sieht sich in den nationalen Binnenmärkten einer massiven Bedrohung durch das massenhafte Eindringen deutscher Produkte ausgesetzt. Die Mitglieder des Parlaments sind aufgefordert zu handeln und nach wirksamen Gegenmaßnahmen zu suchen. Anstatt mit der Erhebung höherer Schutzund Einfuhrzölle den Unmut der kontinentalen Handelspartner zu schüren, was zu negativen Reaktionen bezüglich der britischen Exportgüter hätte führen können, entschloss man sich auf den Nationalstolz der Briten im Kampf gegen die Deutschen zu setzen. Man war davon überzeugt, dass der Erfolg deutscher Güter im britischen Markt im Wesentlichen dadurch begünstigt wurde, dass die britischen Käufer nicht in jedem Fall über das Herkunftsland der von ihnen erworbenen Produkte informiert waren. Die britischen Parlamentarier waren schließlich mehrheitlich der Meinung, das Problem lösen zu können, indem ausländische Hersteller verpflichtet würden, ihre Erzeugnisse deutlich sichtbar mit einer Herkunftsbezeichnung zu versehen. Zu diesem Zweck wurde dann schließlich am 23. August 1887 mit dem „Merchandise Marks Act“ ein neues Wareneinfuhr-Gesetz für die Insel erlassen. Auf der Grundlage dieses Gesetzes konnten sämtliche ausländischen Produkte beschlagnahmt werden, die nicht mit einer Herkunftsbezeichnung „Made in…“ gekennzeichnet waren. Obwohl letztendlich von dem Gesetz ausnahmslos alle ausländischen Güter betroffen waren, wurde es eigentlich als eine „Lex Germania“ erlassen, weil die Briten in den deutschen Herstellern ihre größten und bedrohlichsten Konkurrenten erkannten. So haben es die Deutschen den Briten zu verdanken, dass alle in Deutschland hergestellten Produkte seit über 100 Jahren mit der englischen Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ gekennzeichnet werden. Was auf diese Weise als ein nationalistisch motivierter Diffamierungsakt deutscher Erzeugnisse begann, sollte schon bald bis in die Gegenwart hinein zum international anerkannten Markenzeichen für die besondere Qualität deutscher Produkte werden. Ganz sicher hätten sich die Briten von vornherein eine andere Maßnahme als die „Lex Germania“ überlegt, wenn sie die rasche Lern- und Entwicklungsfähigkeit der deutschen Industrie hätten voraussehen können. Schon als das Gesetz erlassen wurde, hatten sich die Produktionsverhältnisse in Deutschland dramatisch zum Besseren verändert. Hatten die Briten sich noch gegen eine Flut minderwertiger, englischen Originalen nachgeahmten Produkten durch einen Warnhinweis schützen wollen, so war man in Deutschland bereits auf dem besten Weg, neue Qualitätsstandards in der industriellen Produktion zu setzen. Mit dem rapide zunehmenden Übergang von der Manufaktur und dem bis dato hoch entwickelten Kunsthandwerk zur industriellen Massenproduktion war es in der so neu entstehenden Industriegesellschaft zu weitreichenden Orientierungsproblemen bezüglich der Qualität von industriell gefertigten

Our story begins in England in 1887. The British Parliament is fiercely discussing how to maintain British hegemony in the production of industrial goods. England is feeling exposed to a massive threat by the mass influx of German products coming onto the British domestic market. The Members of Parliament are called upon to act and to develop effective countermeasures. But to avoid provoking any resentment among their trading partners by raising protective import duties – something that might have lead to negative reactions toward British export goods in return – they decided to count on British national pride in their fight against the Germans. They were convinced that the success of German goods on the British market stemmed substantially from the fact that British buyers were not in all cases informed about the country of origin of the product they bought. The British Parliamentarians were convinced that they could solve the problem and finally agreed by majority to oblige foreign producers to attach a clearly visible declaration of country of origin to their products. For this purpose, they consequently enacted the “Merchandise Marks Act” on August 23, 1887, a new import law for the island. On the basis of this law, all foreign products not marked with a “Made in…” label of origin could be confiscated. Although, eventually, all foreign goods were affected by this law without exception, the law had actually been enacted as a “Lex Germania,” because the British had identified German manufacturers as their biggest and most threatening competitors. So it came to be that the Germans owe it to the British that, for over 100 years now, all products manufactured in Germany have been marked with the English declaration of origin “Made in Germany.” What had begun as a nationalistically motivated act of defamation against German products, was soon to acquire the status of an internationally renowned trademark for the distinctive quality of German products; a trademark that is still valid today. Right from the start, the British almost certainly would have opted for a different measure than the “Lex Germania” had they been able to foresee the quick learning and development capabilities of German industry. Even at the time of the law’s enactment, the conditions for production in Germany had improved dramatically. While the British had intended to protect themselves with a label of warning against a flood of inferior products that imitated English originals, Germany was already well on its way to setting new quality standards in industrial production. The rapidly accelerating transition from the manufacture and highly developed craftsmanship of the time to industrial mass production brought with it far-reaching problems of disorientation in the newly emerging industrial society with regard to the quality of industrially manufactured mass products. As a consequence, it was not unusual that sophisticated and individually commissioned products of high-quality craftsmanship were driven off the market and replaced by inferior, knocked-together industrial products that were made with little prior planning. In contrast to products made by a commissioned master craftsman, the durability and value of many

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Die so genannte „Ur-Leica“, gestaltet von Oskar Barnack, 1913. Die Kamera von Leica ließ, wie auch viele andere deutsche Produkte, die Bezeichnung „Made in Germany“ zu einem Sinnbild von Qualität und Zuverlässigkeit werden. The so-called “Ur-Leica,” designed by Oskar Barnack, 1913. The camera by Leica, alongside many other Germany products, turned the “Made in Germany” label into a symbol of quality and reliability. Leica 1 aus dem Jahre 1925, gestaltet von Oskar Barnack. Das Unternehmen Leica verkörpert bis heute international german design standards. The Leica 1, designed by Oskar Barnack, 1925. To this day, the Leica company continues to symbolise german design standards internationally.

Kleinmotorenfabrik der AEG in Berlin-Wedding, 1913. Zu diesem Zeitpunkt lief die industrielle Produktion in Deutschland auf Hochtouren, „Made in Germany“ war zu einem Qualitätssiegel geworden. AEG Small Motors Factory in Berlin-Wedding, 1913. By this time, industrial production in Germany was running at full speed, and “Made in Germany” had become a seal of quality.

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Massenprodukten gekommen. Nicht selten wurde dabei die ausgefeilte, individuell in Auftrag gegebene qualitativ hochwertige Handwerksarbeit durch minderwertigen, planlos hergestellten Industrie-Pfusch verdrängt. Anders als es noch bei der Beauftragung eines Handwerksmeisters der Fall war, war die dauerhafte Qualität und Wertigkeit zahlreicher Industriegüter nicht mehr berechenbar. Einer der Hauptgründe hierfür kann in einer weitgehend planlosen Verwendung von Materialien und Herstellungsprozessen gesehen werden. Von den negativen, unberechenbaren Auswirkungen dieses Geschehens waren sowohl die material-technische und funktionale Qualität als auch die formal-ästhetische Erscheinung der Produkte betroffen. In der noch relativ jungen und unerfahrenen Industriegesellschaft war zuvor ziemlich schnell das Bedürfnis nach dem Konsum verbilligter Massenprodukte entstanden, doch fehlten die Leitbilder und die notwendigen Erfahrungen dafür, mit den gegenüber dem Handwerk gewonnenen technischen Potenzialen für die serielle Massenfertigung auch neue Maßstäbe und Orientierungswerte zu schaffen. Stattdessen versuchte man in der industriellen Produktion so gut wie möglich, aber eben nicht gut genug, die bis dahin durch das Handwerk geprägten Produkt- und Geschmacksmuster nachzuahmen. Die nach diesem Prinzip hergestellten Produkte waren durch eine gewisse Beliebigkeit der Qualitätsgüte gekennzeichnet. Immer wieder wurden sorgfältig zu planende Problemlösungen durch zusammengewürfelten Pfusch ersetzt. Da aber auch die Käufer dieser Pfusch-Produkte ebenfalls noch unerfahren im Umgang mit der neuen Produktwelt waren, konnten auch sie nicht auf bewerte Qualitätsstandards in der Produktbewertung zurückgreifen. In der Regel war man bereit, sich naiv auf die verführerischen Versprechungen und verheißungsvollen Neuheiten der modernen Warenwelt einzulassen. Nicht selten jedoch wurden die gutgläubigen Käufer der neuen Produkte das Opfer minderwertiger Güter mit mangelhaften Gebrauchsfunktionen. Eine Ausnahme machten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur einige britische Industrieunternehmen mit ihren Erzeugnissen. Sie galten bis dahin als Qualitätsmaßstab für das neue Zeitalter. Dies ist wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Industrialisierung mit der Erfindung der Dampfmaschine in England begonnen hatte, wodurch die sich dort entwickelnde Industrie einen enormen Entwicklungsvorsprung erlangte. Immerhin setzte die Industrialisierung in Deutschland erst mit einer etwa hundertjährigen Verspätung gegenüber den Engländern ein. Die deutschen Unternehmen holten jedoch sehr schnell auf. Nicht zuletzt deshalb, weil man zeitsparend auf in England entwickelte Technik und Maschinen zurückgreifen konnte. Die Wartung und der dauerhafte Betrieb der Maschinen stellten sich allerdings sehr häufig als schwierig und unbefriedigend heraus, weil Ersatzteile nicht frei im Markt verfügbar, sondern selbst einfache Schrauben und Bolzen nur als Originale über den jeweiligen Hersteller zu beziehen waren. Jeder Hersteller ließ bei seinen Entwicklungen der eigenen Vorstellungskraft und den individuellen Vorlieben für die Beschaffenheit der Maße und Materialqualitäten freien Lauf. Vielleicht ist es unter anderem auf die Frustration im Umgang mit den nur schwierig zu wartenden Maschinen zurückzuführen, dass der Verein Deut-

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industrial goods had become no longer predictable. One of the main reasons for this can be traced to the largely unplanned use of materials and production processes. The negative and unpredictable consequences of this impacted upon both the material-technical and functional quality as well as on the formal-aesthetic appearance of the products. In what was still a relatively young and inexperienced industrial society, demand for cheaper-priced mass products had set in only shortly before but was quickly developing. Yet there were neither any guiding principles nor the necessary experience of how to use the technical advantages that industrial production potentially offered over individual craftsmanship, and set new standards and values for the world of mass production. In contrast, in industrial production the objective – often unmet – was to imitate as closely as possible the patterns of production and preferences that until then had been fashioned by craftsmanship. The products, which were made according to this principle of imitation, were characterised by a certain arbitrariness of quality. Solutions to problems, which should have been planned carefully, were replaced again and again by a cobbled together botch. However, since the buyers of these botch-products were also still inexperienced in dealing with the new world of consumer goods, they too could not reference any approved quality standards for evaluating the products. As a general rule, people were inclined to naively give in to the seductive promises and tempting novelties of the modern product age. And it was not unusual that people who in good faith bought the new products fell victim to inferior goods, deficient in usability and functionality. Exceptions to this, in the first half of the 19th century, were some British industrial companies and their manufactured products. Until then, these had been considered the quality benchmark for the new age. This probably can be ascribed to the fact that industrialisation, which set in with the invention of the steam engine, had started in England, giving newly-emerging English industry an enormous head start in development. After all, industrialisation in Germany had begun after a delay of about 100 years compared to the English. German companies, nevertheless, were soon to catch up. Not least because they could save a lot of time by resorting to techniques and machines that had been developed in England. Yet the maintenance and permanent operation of the machines often turned out to be difficult and unsatisfactory because replacement parts were not freely available on the market, but instead even simple screws and bolts had to be ordered as original parts from the respective manufacturers. Moreover, in developing their machines, each manufacturer would give free reign to their imagination and personal preferences with regard to consistency of dimensions and quality of materials. It can probably be traced back, among other things, to the frustration in handling and maintaining these difficult machines that the Verein Deutscher Ingenieure (VDI / Association of German Engineers), after its foundation in 1856, very quickly took on the role of a decisive authority on the standardised and systematic evaluation of material quality and manufacturing processes. Thus, it was expert boards that developed the first basic

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VW Käfer, das erste Modell „P1“, 1950. Kaum ein anderes Fahrzeug wird so mit „Made in Germany“ verbunden wie dieses freundliche Modell, das unverwüstlich war und für jedermann erschwinglich sein sollte. The first model “P1” VW Beetle, 1950. No other vehicle is more closely associated with “Made in Germany” than this friendly model, which was virtually indestructible and meant to be affordable by all.

Der VW Käfer ist ein Sinnbild des „Made in Germany“. Er war bald auch ein erfolgreicher Exportartikel. The VW Beetle is synonymous with “Made in Germany.” Soon the Beetle was also successfully being exported.

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Das Foto zeigt die Kleinen Werderinseln an der Ostseeküste, MecklenburgVorpommern The photo shows the Small Werder Islands on the Baltic Sea coast, Mecklenburg-Western Pomerania

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Work

Der Bereich „Work“ sieht sich mit rasanten Veränderungen konfrontiert. Der klassische Arbeitsplatz in Büro und Fabrik wandelt sich und durch moderne Kommunikationsmedien nähern sich die Bereiche Arbeit und Privatleben merklich einander an. Wie werden wir also in Zukunft arbeiten? Eine Frage, die der Gestaltung enorme Spielräume und Möglichkeiten eröffnet. Es geht darum, die Zukunft mit zu gestalten und wichtige Orientierungspunkte für die Arbeit der Zukunft zu schaffen. Historisch betrachtet, ist dies keine neue Herausforderung, denn german design hat sich schon immer intensiv mit den Arbeitsbedingungen des Menschen auseinander gesetzt. Peter Behrens etwa gelang es, durch seine Architektur die Fabrik der 1920er Jahre menschenwürdiger zu gestalten und auch für die Schaffenden des Bauhauses war die Gestaltung des Arbeitsplatzes und die Identität des arbeitenden Menschen ein sehr wichtiges Thema. Die Produkte im Kapitel „Work“ geben zeitgemäße und ästhetisch anspruchsvolle Antworten auf die Frage, was diesen Bereich heute sinnvoll definieren kann. Dabei sind klare Bekenntnisse der Unternehmen zu einer ökologisch verträglichen Fertigung oder zu einer bis ins letzte Detail durchdachten Ergonomie Ausdruck einer Gestaltung, die eindeutig Verantwortung übernehmen will. Mit viel Kreativität und Gespür für wichtige Details bekennt sich german design zu seinen Werten. Es wird dadurch zu einem Wegweiser für die Arbeitswelt von morgen.

The area of “Work” finds itself facing fast-paced changes. The classic office and factory workplace is in a period of transformation, and due to modern means of communication the areas of work and private life are moving markedly closer to one another. So how will we be living in the future? This is a question that offers tremendous scope and possibilities for design. It is, in effect, participating in the very design of the future and creating important points of reference for work in the future. Historically, this is not a new challenge, since german design has always been deeply concerned with people’s working conditions. Peter Behrens, for instance, succeeded in making the factory of the 1920s more humane with his architecture; for the creative minds of the Bauhaus too, the design of the workplace and the identity of the working people was also an important issue. The products in the chapter “Work” offer contemporary and aesthetically demanding answers to the question of what could make sense in defining this area today. The clear commitment by companies to ecologically sound production and to ergonomics, sophisticated down to the last detail, are an expression of design that clearly does want to take responsibility. With a lot of creativity and a keen sense of important detail, german design is committed to its own values. It thus becomes a reference point for the world of work in the future.

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Vielfach ausgezeichnet: die interstuhl-Unternehmenskommunikation. Winning many awards: the interstuhl communication concept.

Design? Darunter verstehen Schwaben die Kunst, auf konkrete, womöglich drängende, immer aber zeitgemäße Fragen überzeugende Antworten zu finden. Zum Beispiel Silver: Eine Antwort auf die Frage, wie ein Bürostuhl für das 21. Jahrhundert aussehen könnte. Eine Antwort freilich, die auf Visionen, Träume, Erwartungen und neue Wahrnehmungsgewohnheiten ebenso eingeht wie auf veränderte Anforderungen der Arbeitswelt. Solche Antworten findet nur, wer das Gespräch wagt und sich auf den Dialog einlässt. Deshalb sind Designkompetenz, Kommunikationskompetenz und Problemlösungskompetenz für interstuhl drei Facetten einer einzigen Haltung. Und für die Designqualität etwa von X&Y sprechen zwar auch die Auszeichnungen, die dieser Stuhl erhalten hat. Aber noch mehr die Tatsache, dass er in der Praxis, in unterschiedlichen Umgebungen und bei wechselnden Aufgabenstellungen problemlos funktioniert. Wie es der italienische Architekt und Designer A G Fronzoni einmal ausdrückte: „Es geht nicht darum, die Wünsche des Marktes zu erfüllen, sondern sie gegenstandslos werden zu lassen.“

Design? For the Swabians design is the art of coming up with convincing answers to concrete, maybe even vital, but above all current questions. For instance “Silver”: an answer to the question how office chairs for the 21st century could look like. Sure enough as much a response to dreams, visions, expectations, and habits of perception, as it is a response to the requirements of the work place. Only those who dare enter discussions and engage in dialogue can find such answers. Thus, at interstuhl the three aspects of skill in design, skill in communication, and skill in solving problems are three facets of one single approach. The design quality of X&Y, for instance, apart from winning many awards, actually speaks for itself. It is above all functional in practice, easily adapting to different environments and changing tasks at the work place. As the Italian architect and designer A G Fronzoni once said: “It is not a question of fulfilling the desires of the market, it is a question of making them insubstantial.”

Die zweite und die dritte Generation des inhabergeführten Familienunternehmens: Werner Link, Sohn des Firmengründers, sowie seine beiden Söhne Joachim und Helmut Link. The second and the third generation of the ownerrun family business: Werner Link, son of the company founder, together with his two sons Joachim and Helmut Link.

Silver Bürodrehstuhl | Office swivel chair .............................. interstuhl, Meßstetten-Tieringen .............................. Design: H. Teherani, H.-U. Bitsch, U. Nether

Interview

Gespräch mit Dieter Rams

Herr Prof. Rams, Sie haben mit Ihrer Gestaltung für das Unternehmen Braun die Ästhetik deutscher Produkte entscheidend geprägt. Wie würden Sie Ihre Arbeit für Braun beschreiben? Und: Welches Arbeitsklima herrschte in dieser Zeit für einen deutschen Designer? Der Begriff „Design“ war im (damaligen) Nachkriegsdeutschland noch unbekannt. Die Spezialausbildung Produktgestaltung befand sich noch im Aufbau (HfG, Ulm; Folkwang Schule, Essen). Die Gestaltung von Produkten wurde wahrgenommen von Technikern, Ingenieuren; weniger bzw. teilweise von Architekten, Künstlern, Grafikern und Autodidakten. Das Arbeitsklima musste – wie vieles – neu geschaffen werden. Meine (persönlichen) Anfänge bei Braun sind am besten beschrieben in einem Schreiben an Erwin Braun im Juni 1979 (veröffentlicht in meinem Buch „Weniger aber besser“, Verlag Jo Klatt Design+Design): „(…) Wie kam ich nun zu Braun? Das war zunächst purer Zufall. Ein Kollege im Büro hatte eine Anzeige gefunden – ich glaube, es war in der Frankfurter Rundschau –, in der Radio-Braun, wie man Braun damals in Frankfurt nannte, einen Architekten suchte. Ich kannte Braun überhaupt nicht. (…) Ich hatte also inzwischen eine ganze Menge zu tun und durfte mir Hilfe suchen. Im März 1956 kam Roland Weigend zu uns. Er arbeitet heute noch als Leiter der Modellbauwerkstatt in der Braun Produktgestaltung. Inzwischen war ich schon in die Nähe der Techniker gerückt und hatte ein Arbeitszimmer für mich bezogen. Kurze Zeit später stieß dann auch Gerd Müller zu uns, und wir drei bekamen dann zusammen einen neuen, größeren Raum, wo wir auch die ersten Einrichtungen für den Modellbau aufstellen konnten. Sie waren noch sehr bescheiden. Nebeneinander standen Hobelbank, Reißbrett und Drehbank. Mehr hatten wir nicht – außer dem schon erwähnten Gips. Die „Formgestaltung“, wie es damals hieß, war geboren. In dieser Umgebung entstand nun das Gerät, an dessen Design ich von Anfang an mitgearbeitet habe. Es war der SK 4, der „Schneewittchensarg“. Hier kam es auch zu der ersten direkten Zusammenarbeit mit Ulm, mit Hans Gugelot. (…) Ich werde oft gefragt, wie es uns Designern bei Braun gelang, uns eine eigene Kompetenz zu schaffen, die Ulmer langsam „abzulösen“, bis schließlich alle Designaufgaben in der Braun Produktgestaltung gelöst wurden. Das war ein ganz organischer Vorgang. (…) Lassen Sie mich abschließend und zusammenfassend sagen, dass ich mich natürlich keinesfalls als „Erfinder“ des Braun Design Konzepts verstehe. Aber auch nicht als den Ausführer von Ideen anderer. Es war vielleicht Zufall, dass ich mich bei Braun beworben habe. Aber ich meine, es kann kein Zufall sein, dass ich angenommen wurde und so lange blieb. Es gab damals etwas, was mich sehr faszinierte und was ich heute stark vermisse: eine wortlose Übereinstimmung der Ideen, der Pläne. Eine mitreißende Begeisterung. Ich konnte darauf so stark eingehen, weil ich, wie ich meine, immer schon „Braun Design“ gemacht habe – auch als ich noch gar nichts von Braun wusste.

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Interview with Dieter Rams

Professor Rams, your designs at the Braun company have been pivotal in shaping the aesthetics of German products. How would you describe your work with Braun, and the climate that German designers were working in at that time? The term “design” was still unknown (in the years) after the war in Germany. Special training in product design was still in the making (HfG, Ulm; Folkwang School, Essen). Product design was acknowledged by technicians and engineers; less so by architects, artists, illustrators and autodidacts. The working climate – like much else – had to be rebuilt. My (personal) beginnings at Braun are best described in a letter to Erwin Braun from June 1979 (published in my book “Less but Better,” Jo Klatt Design+Design Publishers): “(…) How did I come to Braun? Well, by pure coincidence. A colleague at the office had found a job advertisement – I think it was in the Frankfurter Rundschau – in which RadioBraun, as they were called in Frankfurt at that time, was looking for an architect. I did not know Braun at all. (…) At the time, I had a lot of work to do and was allowed to hire an assistant. In March 1956, Roland Weigend joined us. He still works today as director of the model construction workshop at Braun Product Design. Meanwhile I had moved closer to the technicians and had a studio of my own. Shortly after that Gerd Müller joined us, and so the three of us got a new, larger room together, where we were able to set up the first model construction devices. It was a very modest start. The planing bench, drawing board and lathe stood next to one another. That was all we had – and of course the plaster I mentioned earlier. “Form design,” as it was called at that time, was born. It was in this environment that the device was produced, the design of which I had been working on right from the start. That was the SK 4 – “Snow White’s Coffin.” This was also the time of the first collaborations with Ulm, with Hans Gugelot. (…) I have often been asked how, as designers at Braun, we were able to establish a competence of our own, and to slowly “replace” Ulm until finally all design tasks were undertaken by Braun Product Design. It was an entirely organic process. (…) Let me finally summarise by saying that of course I do not consider myself the “inventor” of the Braun Design Concept at all. Nor as someone who just completes other people’s ideas. Maybe it was coincidence that I applied to work at Braun. But I think it cannot be a coincidence that I was hired and stayed for that long. At that time, there was something that really fascinated me and it is something that I strongly miss today: an implicit correspondence of ideas, and of plans. An inspiring enthusiasm. It was possible for me to become so deeply involved because, I believe, I had been making “Braun Design” all along – even though I had not yet heard of Braun.

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Interview

Wenn man mich heute fragt, ob es mir damals bewusst war, dass ich an etwas mitarbeitete, was dann 10, 20 Jahre später als kulturgeschichtliche Pionierleistung bewertet werden würde, so muss ich sagen: Keinesfalls. Man kann sich nie von außen sehen, wenn man aktiv und engagiert mitten in einem Prozess drinsteckt. Natürlich habe ich gespürt, dass hier etwas Besonderes in Gang gekommen war. Wir hatten ja alle vor, alles ganz anders zu machen. Wir arbeiteten in einer Aufbruchstimmung, die uns selber mitriss. Wir hatten Pläne und Hoffnungen, die viel weiter reichten als das, was wir schließlich verwirklichen konnten. Und wenn es vielleicht auch etwas zu hochtrabend ist, es eine kulturelle Pionierleistung zu nennen – eine respektable Leistung war es sicherlich. (…)“

When today I am asked whether I knew at the time that I was working on something that 10 or 20 years later would come to be considered a pioneering achievement in cultural history, I must admit: Not at all. It is impossible to see oneself from the outside when one is actively and deeply involved at the centre of a process. Naturally, though, I felt that something very special had got under way. We all actually intended to make things very differently. We were working in an atmosphere of a new beginning, and this was tremendously exciting. We had plans and hopes, much larger and far-reaching than what we finally accomplished. And even though it is pompous to call it a pioneering achievement in culture, a respectable achievement it surely was. (…)”

In welcher Tradition haben Sie sich und Ihre Arbeit gesehen und was war/ist die Maxime Ihrer Produktgestaltung? In der des Bauhauses und der der HfG, Ulm – und besonders in der neueren Architektur in den USA (Mies van der Rohe, Walter Gropius, Skidmore, Owings and Merrill. Die Maxime damals und heute: 1 Gutes Design ist innovativ 2 Gutes Design macht ein Produkt brauchbar 3 Gutes Design ist ästhetisch 4 Gutes Design macht ein Produkt verständlich 5 Gutes Design ist ehrlich 6 Gutes Design ist unaufdringlich 7 Gutes Design ist langlebig 8 Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail 9 Gutes Design ist umweltfreundlich 10 Gutes Design ist so wenig Design wie möglich Weniger, aber besser – denn es konzentriert sich auf die wesentlichen Aspekte und überfrachtet die Produkte nicht mit Nebensächlichkeiten. Zurück zum Puren, zum Einfachen!

In what tradition do you see yourself and your work, and what is your maxim for designing products? In that of the Bauhaus and that of the HfG, Ulm – and especially in the more recent architecture in the USA (Mies van der Rohe, Walter Gropius, Skidmore, Owings and Merrill). My maxim both then and today: 1 Good design is innovative. 2 Good design makes a product useful. 3 Good design is aesthetic. 4 Good design makes a product understandable. 5 Good design is honest. 6 Good design is unobtrusive. 7 Good design is long-lasting. 8 Good design is thorough down to the last detail. 9 Good design is environmentally friendly. 10 Good design is as little design as possible. Less, but better – because it focuses on essentials and does not overload products with matters of no significance. Back to purity, back to simplicity!

Was sind in Ihren Augen german design standards – was impliziert german design? Der frühe soziale Aspekt im german design (Peter Behrens und die AEG, Bauhaus) – der sachlich-rationale Aspekt (Automobil-Design). Aber auch die Beschränkung auf das Wesentliche ohne Entfernung der Poesie! Allerdings werden diese „Standards“ im german design, nach innen als auch nach außen, schlecht bis überhaupt nicht nachhaltig kommuniziert – weder von so genannten designorientierten Großfirmen noch von den sich gegenseitig behindernden staatlichen oder halbstaatlichen Design-Institutionen.

In your opinion, what are german design standards – what does german design imply? The early social aspect of german design (Peter Behrens and the AEG, Bauhaus) – the objective rational aspect (automotive design). Further, the reduction to essentials without eliminating the poetry! However, these “standards” of german design, both inward and outward, are communicated badly – or even to no effect at all – both by large, so-called “design-oriented” companies, and by national or quasi-autonomous design institutions that tend to just hamper one another.

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Wie beurteilen Sie heutiges german design, welche Unternehmen fallen Ihnen positiv auf und wo haben andere möglicherweise versäumt zu handeln? Am german design sehe ich heute allzu viel Beliebigkeit im Vordergrund. Wirkliche Innovationen und herausragende Leistungen sind selten geworden. Zukunftsvisionen in Bildung, Wissenschaft, Kunst und insbesondere in unserer Alltagskultur stehen im Schatten flüchtigen Gegenwartskonsums. Zudem wird andererseits alles Mögliche im selben Maß mehr kompliziert wie es die Brauchbarkeit behindert. Es gibt sicher wie eh und je hier und da einige ermutigende Bemühungen von meist kleinen oder Mittelstandsunternehmen. Einzelne besonders hervorzuheben – außer den wenigen Insidern bekannten – fällt mir inzwischen immer schwerer.

Wie wichtig ist in Ihren Augen Design heute für die Gestaltung einer „globalen“ Zukunft? Seit es Kultur gibt, war den Menschen bewusst, dass zwischen der Art und Weise des Zusammenlebens und der Gestaltung der Lebensumgebung ein enger Zusammenhang besteht. Architektur, Design, aber auch die Gestaltung der Kommunikation sind Ausdruck der politisch-sozialen Wirklichkeit – und können diese umgekehrt auch beeinflussen und prägen. Deshalb: Die Aufgabe des Designs hat für mich nicht nur eine ethische und moralische, sondern auch eine umfassende, globale Dimension. Gutes Design hat Wert. Diese Haltung unterscheidet sich tief greifend von der heute weit verbreiteten, die im Design nur eine Art von Unterhaltungsprogramm sieht. Man muss – so diese Denke – Produkte, aber auch Musik, Architektur, Werbung, Fernsehshows – was auch immer – so in Form bringen, dass sie sich zuallererst, zumeist penetrant spektakulär aufdrängen. Erwartet uns das Einheitsdesign? Ich glaube eher, dass das Gegenteil eintreten wird. Design ist heute ein Schlagwort, mit dem vieles beschrieben wird – ein Blick in die Medien zeigt dies. Der Begriff „Design“ scheint immer mehr auszuufern. Die Designlandschaft in einem gemeinsamen Markt wird eher bunt sein als einheitlich, und die jetzt schon verwirrende Vielfalt von Formen, Farben, Reizen und Geräuschen wird zunehmen. Einer sinnlosen Reizüberflutung entgegenzuwirken, das Chaos zu lichten und die, wie ich meine, visuelle Umweltverschmutzung zu reduzieren, ist eine wichtige globale Aufgabe in Zukunft. Sie wird von wachsender und größerer Bedeutung sein. Langfristig durchsetzen kann sich in diesem Zusammenhang nur ein vernünftiges Design, das den technischen Stand und die ökologischen Herausforderungen der gesellschaftlichen Entwicklung reflektiert. *****

What do you think of german design today? Which companies have left you with a positive impression, and where have others perhaps failed to act? In german design today, I perceive way too much arbitrariness in the foreground. Real innovations and outstanding achievements have become rare. Visions of the future in education, science, art, and particularly in our everyday culture are obscured by a cloud of fleeting present consumption. On the other hand, all sorts of things have become ever more complicated, to the extent that usefulness has been obstructed. For sure there are, as there always have been, some encouraging efforts, usually by small and middle-sized companies. To single out and name any of them – apart from those known only to specialists – I find increasingly difficult. In your opinion, how important is design today in setting up a “global” future? Since the beginnings of culture, mankind has been conscious of the close relationship between living together and organising the living environment. Architecture, design, even the way communication is organised, are expressions of the socio-political reality, and yet can also affect and shape this reality. Therefore: In my opinion, the task of design does not only have an ethical and moral dimension, but also a comprehensive global dimension. Good design has value. This attitude differs dramatically from the one that is common today, which sees design just as a kind of entertainment programme. One must, according to this thinking, shape products – and also music, architecture, advertising, TV; just about anything – in such a way that they above all, mostly in a spectacularly impertinent manner, force themselves upon us. Is uniform design awaiting us? I tend to believe that the opposite will happen. Today, design is a buzzword, used to describe many things – one glance at the media is enough to realise that. The term “design” increasingly seems to be going out of bounds. The design landscape in our common market will be more varied than uniform, and the variety of forms, colours, stimuli and noise confusing us already today will increase further. To counteract this senseless overload of stimuli, to clear the chaos, and to reduce, as I understand it, the visual pollution of our environment, has become an important global issue for the future. In the future, it will be of growing and heightened importance. In this context, only meaningful design can prevail in the long run, design that reflects the state of technology and the ecological challenges in the development of society. *****

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