Lymphome Diagnostik Therapie Fallbeispiele Literatur 816

11 Lymphome 11.1 Diagnostik  – 756 11.2 Therapie  – 758 11.3 Fallbeispiele  – 760 11.4 Literatur  – 816 756 Kapitel 11 · Lymphome zz Einleitung ...
Author: Harald Dittmar
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Lymphome 11.1 Diagnostik  – 756 11.2 Therapie  – 758 11.3 Fallbeispiele  – 760 11.4 Literatur  – 816

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Kapitel 11 · Lymphome

zz Einleitung

Mehrere Teams [1], [2], [4], [22], [24], [26], [27] haben in Pilotstudien den PET-Status bereichert. Ebenso wurde die Systematik der PET-Anwendung bei Kindern und Jugendlichen mit Hodgkin-Erkrankung bei einem großen Untersuchungsgut evaluiert [17]. PET-Tracer haben hier SPECT-Tracern [15] den Rang abge­laufen. Non-Hodkin-Lymphome (NHL) und Hodgkin-Lymphome (HL)/Morbus Hodgkin (MH) werden als Modellfall für PET(/CT)-Studien angesehen, insbesondere zur Unterscheidung indolenter vs. aggressiver Verläufe [12], [29], [38]. Ältere Ansätze der Immunszintigraphie [3], [25] und 67Ga- bzw. Knochenszintigraphie spielen aus klinischer Sicht keine Rolle mehr, neuere Aspekte nur in der Forschung, ähnlich wie Zyklotron-abhängige 11C-Verbindungen, z. B. Thymidin [15]–[21]. zz Epidemiologie, Ätiologie und Inzidenz

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Für das HL wurde für 2005 in den USA eine Inzidenz von 7 350, für das NHL von 56 390 Neuerkrankungen (ca. 4 % aller neu auftretenden Krebserkrankungen) erwartet [13], letztere mit Tendenz zur extranodalen Manifestation. Das HL, das eine zweigipflige Altersverteilung aufweist, kann wirkungsvoll therapiert werden, die 10-Jahres-Überlebenszeit beträgt 67 %. Unter den verschiedenen Subtypen ist die noduläre Sklerose mit zwei Drittel der Fälle am häufigsten. Die Inzidenz des NHL hat sich in den vergangenen Jahren bei Männern verdoppelt, bei Frauen um ca. 70 % gesteigert. Die häufigste Subgruppe bilden B-Zell-Lymphome (Interdisziplinäres Tumorzentrum Tübingen, Lymphome, 2002). Die Erstdiagnose wird histologisch gestellt (Nadelbiopsie oder chirurgische Exzision) mit konsekutiver Typisierung. Die Prognose hängt von Stadium, Expansionsstatus, Histologie und aggressiver Wachstumspotenz ab. Die Stadien I–III umfassen 75 %. Laut Robert-Koch-Institut haben sich die 5-Jahres-Überlebensraten in den letzten Jahrzehnten deutlich gebessert. Ätiologisch wird bei einem Teil der Fälle eine virale Genese (Epstein-Barr-Virus = EBV) vermutet. 11.1

Diagnostik

Der Beginn der Erkrankung ist durch unspezifische Symp­ tomatik charakterisiert. Häufige Erstsymptome sind schmerzlose, meist zervikale Lymphadenopathien, oft auch die sog. B-Symptomatik (undulierendes Fieber über 38°C [Pel-Ebstein-Fieber], Nachtschweiß, Ge­ wichtsabnahme von >  10 % des Körpergewichts in den letzten 6  Monaten, Leistungsminderung und evtl. Juckreiz).

Die Diagnostik von HL und NHL beinhaltet u. a.: 44 Lymphknotenbiopsie, Knochenmarkbiopsie, Immunhistochemie, 44 Labor u.  a., Differenzialblutbild, Gerinnung, Leber­ enzyme, LDH, Kreatinin, a2-Mikroglobulin, 44 Elekrophorese, Bestimmung der Lymphozytensub­ populationen (CD4+, CD8+), 44 zytogenetische Untersuchungen bei chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) zur Prognoseabschätzung, 44 Serologie: HIV, Hepatitis B und C, CMV, EBV. An bildgebenden radiologischen Verfahren sind RöntgenThorax, Sonographie und CT-Hals/-Thorax/-Abdomen zur Ausbreitungsdiagnostik zu nennen, gelegentlich auch die MRT, evtl. Liquorpunktion. Bei klinischem Verdacht auf eine Knochenbeteiligung kann eine Skelettszintigraphie durchgeführt werden, die PET(/CT) wird zunehmend in die Diagnostik einbezogen. Hodgkin-Lymphome/Morbus Hodgkin  Subgruppen: no­

du­läre Sklerose (ca. 60–70 %), »mixed cellularity« (ca. 25 %, bei älteren Patienten), seltener lymphozytenreiche und -depletierte (»arme«) Formen. Systema­tische Untersuchungen erfolgen derzeit in Köln und in Leipzig (. Tab. 11.1).

Non-Hodgkin-Lymphome  Bei den NHL (z.  B. [B-, T-]

lymphoblastisches Lymphom, CLL, Burkitt-Lymphom, MALT-Lymphom, kutanes T-Zell-Lymphom) sind nach WHO-Klassifikation jeweils Vorläufer- und reife B-Zellbzw. T-Zell-Lymphome zu unterscheiden. Der relativ große PET-Datenpool enthält unseres ­Wissens keine separiert klassifizierten Studien zu den o. g. und weiteren Subpopulationen. Zweittumoren nach Chemotherapie stellen interessante Sonderfragestellungen für die PET/CT dar. zz Stellenwert der PET(/CT)

Dominante PET-Positionen sind Primärstaging, Sekundär­ staging und Therapiekontrollen von malignen Hodgkin-

..Tab. 11.1  Ann-Arbor-Klassifikation (auch bei NHL gültig) Stadium I

Befall einer Lymphknotenregion (I/N) oder eines extranodalen Herdes (I/E)

Stadium II

≥ 2 befallene Lymphknoten, homolaterales Diaphragma (II/N) oder lokalisierte extra­nodale Herde mit Befall von einem oder mehreren Lymphknoten auf einer Seite des Zwerchfells (IIE)

Stadium III

Wie Stadium II, jedoch beidseits des Diaphragmas (III/N; III/E)

Stadium IV

Disseminierter Befall eines oder mehrerer ­extralymphatischer Organe

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und Non-Hodgkin-Lymphomen. Daten liegen in der Mehrzahl für HL, im kleineren Umfang für NHL vor [8], [9], [26]. Erste PET-Studien erfolgten mit 11C-Komponenten [19], [20], [24] mit dem Ziel der metabolischen Diffe­ renzierung von High-/Low-grade-Lymphomen. Seit den 90er-Jahren wird angesichts der klinischen Praktikabilität überwiegend 18F-FDG appliziert bei vergleichbar akku­ raten Resultaten [40]: Sensitivität, Spezifität, positiver und negativer prädiktiver Wert (PPV, NPV) wurden in güns­ tigen Expertisen mit bis zu 100 % beziffert (CT: 20, 83, 50, 56 %). In Ulm wurden folgende Daten ermittelt [2]: Sensitivität 86 % – bei Restaging 100 % – Spezifität 96 %, PPV 75 %, NPV 98 %, diagnostische Genauigkeit von 95 %. Die Konsensuskonferenz »Onko-PET III« klassifizierte Staging und Therapiekontrolle beim HL als 1b (klinischer Nutzen wahrscheinlich), bei den hochmalignen NHL mit 1b (Staging) bzw. 1a (Therapiekontrolle, klinischer Nutzen gesichert). Metabolisch sind Lymphome, je nach Histologie, durch einen hohen, niedrigen oder fehlenden FDG-Aviditätsgrad klassifizierbar, der – ähnlich wie bei anderen Malignomen – mit der Aktivität/Expression der Glukosetransporter (GLUT-1) und speziellen Konstellationen des Genoms zusammenhängen könnte (»functional genomics and proteomics«). Präferenzkollektive für PET sind generell höhergradig differenzierte (großzellige) Lymphommalignome. Kleinzellig-zystische, niedrig-maligne Lymphome sind in der PET/CT im Vergleich zur früher durchgeführten PET ­sicher beurteilbar. Stadienvergleiche – und das gilt für die gesamte intermodal bildgebende Diagnostik – werden in Studien erschwert, wenn unterschiedliche Klassifikationen zugrunde liegen (WHO, REAL = Revised European American Lymphoma) [6]). Bei 172 Patienten mit verschiedenen Lymphomen betrug die Sensitivität PET-gestützter metabolischer Diagnostik bei großen B-Zell-Lymphomen 100 %, bei HL 98 % und weniger als 60 % bei kleinen lymphozytären Verlaufsformen [28] (s. Literatur auf DVD [7 11.1]. Im Vergleich zu den PET-Erfahrungen beim Erwachsenen existieren weit weniger PET-Untersuchungen im Kindesalter [11], [17], [18], [36]. Umfangreiche Ergebnisse bietet die in Leipzig präsidierte PET-Studie [36]. Schon jetzt sind ableitbare Indikationsspektren erkennbar für das Staging, Restaging, in der Prognose und Therapiekontrolle. Im Leipziger Kollektiv Hodgkin-kranker Kinder wurden 1 743 Regionen im Direktvergleich von PET und konventionellen Methoden analysiert [18]: Negativ-konkordante Ergebnisse ergaben sich in 69,7 %, positiv-konkordante in 22,3 %. Bei 5,5 % wurde eine Knochenbeteiligung nur durch PET verifizierbar.

Nach Wirth et al. [37] war die »case positivity« mit konventionellen Methoden 90 %, mit Gallium 67 %, mit PET 98 %. Alle Methoden zusammen steigerten die Nachweissicherheit auf 100 % [25], [33], [37]. PET/CT-Restaging

Einige Studien bezeugen, dass das Dual-Imaging in allen geprüften Parametern den günstigsten Sicherheitsgrad erreicht. Regionenbezogen (n = 135) ergaben sich folgende Werte: Sensitivität 96 %, Spezifität 99 %, PPV 96 %, NPV 99 %, diagnostische Genauigkeit 99 % [8]. Patientenbezogen waren diese Werte identisch mit der herkömmlichen PET- und CT-Untersuchung, aber günstiger als PET alone und CT alone, letztere schnitt vergleichsweise schlecht ab. Damit rückt PET/CT in die vorderste Reihe der (Re-)Stagingverfahren auf, was in künftigen Leitlinien weiter berücksichtigt werden sollte. Stadienklassifikation (Up-, Downstaging) und Einfluss auf das Therapiedesign sind von konstant hoher Qualität und Bedeutung. Die deutsche Strahlenschutzkommission hat 2004 Stellungnahmen abgegeben [4] (. Tab. 11.2). ..Tab. 11.2  Vor- und Nachteile von PET/CT Vorteile

Nachteile, Pitfalls

Biopsie präziser steuerbar

Kosten

Tumorstadien präzisierbarer

Low-grade-Tumoren

Strategiemodifikation

Strahlenexposition nach un­günstigen Angaben max. 60 mSv

Reduktion falsch-positiver und falsch-negativer Befunde

Artefakte (s. dort)

Response-Klassifikation (nach Tumortherapie)

MSCT (16-Zeiler, 25-s-Scans)

Regional nodales Staging

Respiratorisches Gating?

Extranodales Staging

Respiratorische Mittellage?

Fernmetastasen

Kontrastmittelverzicht?

Strahlentherapieplanung mit Dosisreduktion extratumoral

Standard-care-CT?

Exaktere Abgrenzung (mediastinal/Lunge)

Infektiöse Foci

Artefaktreduktion

Atheromatöse Plaques (Aorta, Karotiden, Koronarien)

Tumorvitale (Rest)Komponen­ ten (radiologischer Massen)

Infizierte vaskuläre Grafts

Misslokation vermeidbar (Leber diaphragmal/ Lungenbasis)

Thymusartefakte bei Kindern

Prognose Kosteneffizienz und Vergütung

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Kapitel 11 · Lymphome

Die schon mit PET alone günstige Responseklassifikation, auch bei NHL [14], [31], gewinnt durch PET/CT zusätzlich an Relevanz. Die Differenzierung vital-residualer und nonvital-residualer Tumormasse wird therapiebestimmend. Wie sich eine in die klinische Routine integrierte PET auf die Überlebenszeit auswirkt, bleibt als offene Frage Longitudinalstudien vorbehalten [7 11.2]. Die schon mit PET alone günstige Responseklassifikation, auch bei NHL [14], [31], gewinnt durch PET/CT zusätzlich an Relevanz. Die Differenzierung vital-residualer und nonvital-residualer Tumormasse wird therapiebestimmend. Wie sich eine in die klinische Routine integrierte PET auf die Überlebenszeit auswirkt, bleibt als offene Frage Longitudinalstudien vorbehalten [7 11.2]. zz PET(/CT)-Indikationen

44 Staging 44 Restaging 44 Rezidive 44 Prognose 44 Therapiekontrollen/Verläufe zz PET(/CT)-Pitfalls

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Fehlbeurteilungen kommen vor, wenn nach Chemotherapie residuale Entzündungen mit aktivierten neutrophilen Granulozyten/Makrophagen falsch-positive FDG-Foci manifestieren. Artefakte können hervorgerufen werden durch 44 Muskeln, Fett (WAT, BAT), 44 Nieren-Harn-Trakt, 44 Kontrastmittel, 44 Magen-Darm-Trakt, 44 Metallimplantate, 44 Atmung (»respiratory gating«), 44 Hibernom (Lipom), 44 Pneumonien, 44 APS (autoimmun-proliferatives Syndrom) [34]. Der Anteil an BAT ist bei Phäochromozytomen relativ hoch (Katecholaminexzess). 18F-Dopamin eignet sich für die Visualisierung der lokal-sympathischen Innervation. Mit Dopamin wurde BAT bei 67 Patienten in 18 % sichtbar, mit FDG bei 83 Patienten in 19 % [10]. Weitere Problemfelder

Autoimmun-proliferative Erkrankungen können in der PET HL-/NHL-ähnliche metabolische Muster hervorrufen [34], die nur klinisch/bioptisch diskriminierbar sind. Die morphometrische Analyse zur Vorhersage der metastatischen Tumorlast [35] ist generell der PET überlegen, da Mikrodisseminationen (