LYME-ARTHRITIS

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Author: Annika Reuter
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www.pediatric-rheumathology.printo.it LYME-ARTHRITIS Was ist das? Die Lyme-Arthritis ist eine der Erkrankungen, die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi ausgelöst wird. Alle Erkrankungen, die von diesem Bakterium ausgelöst werden, heißen Lyme-Borreliose. Das Bakterium Borrelia burgdorferi wird übertragen durch den Stich von Zecken, insbesondere Ixodes ricinus (Holzbock). Häufig sind die Haut, das zentrale Nervensystem, das Herz, das Auge und andere Organe das Ziel der Infektion von Borrelia burgdorferi. Hingegen sind bei der Lyme-Arthritis die Gelenke das Zielorgan der Infektion, häufig als einzig betroffenes Organ. Jedoch kann in der Vorgeschichte eine Hauterkrankung vorhanden sein, meist als wandernde Röte (Erythema migrans), eine sich ausbreitende rötliche Verfärbung der Haut am Ort des Zeckenstichs. In seltenen Fällen kann die Lyme-Arthritis, wenn sie nicht antibiotisch behandelt wird, zu einer Erkrankung des zentralen Nervensystems fortschreiten. Wie häufig ist die Erkrankung? Nur eine Minderheit der Kinder mit Arthritis hat eine Lyme-Arthritis. Jedoch ist die Lyme-Arthritis vermutlich die häufigste Gelenkentzündung bei Kindern und Jugendlichen, die in Europa nach einer bakteriellen Infektion auftritt. Selten kommt die Erkrankung vor dem 4. Lebensjahr vor, weshalb sie überwiegend eine Erkrankung der Schulkinder ist. Sie kommt in allen Gegenden Europas vor. Jedoch ist sie besonders häufig in Mitteleuropa und dem südlichen Skandinavien um die Ostsee herum. Obwohl die Übertragung abhängt vom Stich infizierter Zecken, die in Mitteleuropa etwa zwischen April und Oktober aktiv sind, kann die Lyme-Arthritis zu jeder Zeit im Jahr beginnen, weil die Zeit zwischen dem Zeckenstich und der nachfolgenden Gelenkentzündung lang und sehr wechselnd ist. Zecken benötigen eine ausreichende Temperatur und Feuchtigkeit ihrer Umgebung, weshalb es örtlich und zeitlich große Unterschiede der Übertragung in Europa gibt. Was sind die Ursachen der Erkrankung? Die Ursache der Erkrankung ist das Bakterium Borrelia burgdorferi, das mit dem Stich der Zecke Ixodes ricinus übertragen wird. Die meisten Zecken sind nicht infiziert, die meisten Zeckenstiche führen nicht zur Infektion und die meisten Infektionen verlaufen ohne Krankheitserscheinungen. Wenn doch Krankheitserscheinungen auftreten, handelt es sich meist um ein Erythema migrans (wandernde Röte), die mit und ohne Antibiotika nach einer gewissen Zeit verschwindet, ohne zu späten Formen der Lyme-Borreliose fortzuschreiten, also ohne z. B. zur Lyme-Arthritis zu führen. Wenn frühe Formen der Lyme-Borreliose wie das Erythema migrans (wandernde Röte) mit Antibiotika behandelt worden sind, schreiten sie nicht zu späten Formen wie der Lyme-Arthritis vor. Obwohl also die Lyme-Borreliose, überwiegend in der Form des 1

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Erythema migrans, eine häufige Erkrankung ist und bis zu 1 auf 1000 Kinder pro Jahr betrifft, ist das Auftreten einer Lyme-Arthritis, die häufigste späte Erscheinung der Erkrankung, ein seltenes Ereignis. Ist die Erkrankung vererbbar? Die Lyme-Arthritis ist eine Infektionskrankheit und nicht vererbt. Die chronische LymeArthritis ist verbunden worden mit spezifischen ererbten Faktoren, die genauen Mechanismen dieser Neigung zu einem chronischen Verlauf sind jedoch unbekannt. Warum hat mein Kind diese Erkrankung bekommen? Kann die Erkrankung verhütet werden? In Regionen Europas, in denen Zecken vorkommen, ist es schwierig, zu verhindern, dass Kinder eine Zecke erwerben. Jedoch wird normalerweise das auslösende Bakterium Borrelia burgdorferi nicht sofort nach dem Zeckenstich auf den Menschen übertragen, sondern erst nach mehreren Stunden bzw. meist erst nach mindestens anderthalb Tagen, zu einer Zeit, wenn das auslösende Bakterium die Speicheldrüsen der Zecke erreicht hat und mit dem Speichel in den Wirt ausgeschieden wird, also in den menschlichen Körper. Zecken verweilen auf ihren Wirt für 3 – 5 Tage und nehmen während dieser ganzen Zeit das Blut des Wirtes zu sich. Wenn Kinder im Sommer während der Zeit, in der Zecken aktiv sind, jeden Abend nach Zecken abgesucht werden und wenn diese Zecken zügig entfernt werden, ist die Übertragung von Borrelia burgdorferi sehr unwahrscheinlich. Die prophylaktische Gabe von Antibiotika nach einem Zeckenstich wird nicht empfohlen. Wenn hingegen eine frühe Krankheitserscheinung der Lyme-Borreliose wie das Erythema migrans auftritt, sollte diese mit Antibiotika behandelt werden. Diese Behandlung verhindert die weitere Ausbreitung des Bakteriums und damit auch die Lyme-Arthritis. In den USA ist ein Impfstoff gegen einen einzelnen Stamm von Borrelia burgdorferi entwickelt worden, jedoch wurde der Impfstoff aus wirtschaftlichen Gründen wieder vom Markt genommen. Dieser Impfstoff ist nicht sinnvoll in Europa wegen der Vielzahl hier vorhandener Stämme. Ist die Erkrankung ansteckend? Obwohl es sich um eine Infektionskrankheit handelt, ist sie nicht ansteckend, d. h. sie kann nicht von einem Menschen auf den anderen übertragen werden, weil das Bakterium von der Zecke übertragen werden muss. Was sind die hauptsächlichen Krankheitserscheinungen? Die hauptsächlichen Erscheinungen der Lyme-Arthritis sind Gelenkschwellung mit Erguss und Einschränkung des Bewegungsumfanges im betroffenen Gelenk oder den betroffenen Gelenken. Häufig findet sich eine ausgesprochen starke Schwellung, die von nur wenig Schmerzen im betroffenen Gelenk begleitet ist. Das am häufigsten betroffene Gelenk ist das Kniegelenk, jedoch können auch andere große Gelenke und selten sogar kleine Gelenke betroffen sein. Selten ist das Knie nicht betroffen. Zwei Drittel aller Fälle zeigen sich als ausschließliche Kniegelenks-Arthritis. Mehr als 95 % der Fälle zeigen sich als Oligo-Arthritis, d. h. vier oder weniger Gelenke sind betroffen. Manchmal bleibt nur das Kniegelenk als einziges entzündetes Gelenk nach einem gewissen Verlauf der Erkrankung zurück. Die Lyme-Arthritis kommt als sogenannte episodische

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Gelenkerkrankung in 2/3 der Fälle vor, d. h. die Gelenkentzündung verschwindet nach einigen Tagen oder wenigen Wochen von selbst und kehrt im gleichen Gelenk nach einem gewissen Zeitraum ohne Gelenkentzündung wieder. Die Häufigkeit und Dauer der Episoden mit Gelenkentzündung vermindert sich normalerweise mit der Zeit, in anderen Fällen kann sie jedoch zunehmen und die Gelenkentzündung kann am Ende chronisch werden. Es gibt auch Fälle, in denen die Gelenkentzündung von Anfang an chronisch ist, d. h. die Dauer der Gelenkentzündung ist 3 Monate oder länger. Ist die Erkrankung bei jedem Kind die gleiche? Nein, die Erkrankung kann akut sein, d. h. es gibt nur eine einzige Episode von Gelenkentzündung, die Erkrankung kann episodisch sein (siehe oben) oder sie kann chronisch sein. Ist die Erkrankung bei Kindern unterschiedlich im Vergleich zur Erkrankung der Erwachsenen? Die Erkrankung bei Erwachsenen und Kindern ist ähnlich. Jedoch haben Kinder eine größere Häufigkeit der Arthritis als Erwachsene. Die antibiotische Therapie ist um so wirkungsvoller, je jünger das Kind ist, wenn keine Cortikosteroide vorher gegeben wurden und wenn die Therapie frühzeitig begonnen wurde. Wie wird die Erkrankung festgestellt? Immer wenn bei einem Patienten eine Gelenkentzündung unbekannter Ursache aufgetreten ist, sollte auch das Vorliegen einer Lyme-Arthritis erwogen werden. Der klinische Verdacht wird bestätigt durch Laboruntersuchungen, zu denen auch Blutteste gehören und manchmal auch Untersuchungen der Gelenkflüssigkeit. Im Blut kann man Antikörper gegen Borrelia burgdorferi finden, wozu ein Test verwandt wird, der Enzym-Immuno-Test heißt. Wenn sich Antikörper der Klasse IgG gegen Borrelia burgdorferi mit diesem Enzym-Immuno-Test finden, muss ein Bestätigungstest durchgeführt werden, der Immunoblot oder Western Blot heißt. Wenn eine Gelenkentzündung unbekannter Ursache aufgetreten ist und Antikörper der Klasse IgG gegen Borrelia burgdorferi im Enzym-Immuno-Test vorhanden sind und durch einen Western Blot bestätigt wurden, liegt eine Lyme-Arthritis vor. Diese Diagnose kann weiter bestätigt werden durch die Untersuchung der Gelenkflüssigkeit, in der sich Erbsubstanz des Bakteriums Borrelia burgdorferi finden kann. Dazu wird eine Technik verwandt, die Polymerase-Kettenreaktion heißt. Dieser Labortest ist schwer durchzuführen und nur wenige Laboratorien sind in der Lage, gute Ergebnisse zu produzieren. Ein negativer Ausfall dieses Testes schließt auf keinen Fall eine LymeArthritis aus. Die Lyme-Arthritis sollte durch den Kinderarzt oder in einem Kinderkrankenhaus nachgewiesen werden. Wenn die erste Behandlung dieser Erkrankung nicht zum Erfolg führt, sollte ein kinderärztlicher Spezialist in die weitere Betreuung eingebunden werden. Was ist die Bedeutung der Laborteste? Neben den serologischen Untersuchungen zum Nachweis von Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi werden gewöhnlich weitere Laborwerte bestimmt, die das Ausmaß der Entzündung angeben sollen und weitere Organe untersuchen können. Da neben der

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Lyme-Arthritis auch andere Ursachen der Gelenkentzündung untersucht werden, sind weitere Laboruntersuchungen gewöhnlich gemacht worden. Wenn die Lyme-Arthritis durch Laboruntersuchungen wie oben angegeben bestätigt worden ist, ist es nicht sinnvoll, die serologischen Teste zu wiederholen, weil sich an Ihnen ein Ansprechen auf die antibiotische Behandlung nicht ablesen lässt. Diese Teste können trotz erfolgreicher Therapie für Jahre positiv bleiben. Kann die Erkrankung behandelt oder geheilt werden? Da die Lyme-Arthritis eine bakterielle Infektionskrankheit ist, wird sie mit Antibiotika behandelt. Mehr als 80 % der Patienten mit Lyme-Arthritis werden nach 1 oder 2 antibiotischen Behandlungen geheilt. Bei den verbleibenden 10 – 20 % können weitere antibiotische Behandlungen gewöhnlich nicht zu einer Heilung führen, dann ist eine entzündungshemmende antirheumatische Therapie notwendig. Wie sieht die Behandlung aus? Die Lyme-Arthritis wird entweder für 4 Wochen mit Antibiotika behandelt, die als Tabletten geschluckt werden können oder 2 Wochen mit Antibiotika, die in die Vene gespritzt werden müssen. Da es schwierig sein kann, eine Therapie mit Tabletten über 4 Wochen mit Amoxicillin oder Doxycyclin durchzuhalten, kann die intravenöse Gabe von Ceftriaxon oder Cefotaxim vorteilhaft sein. Was sind die Nebenwirkungen der Antibiotikatherapie? Nebenwirkungen können auftreten, wie z. B. dünner Stuhl oder Durchfall bei der Antibiotikagabe als Tabletten oder allergische Reaktionen. Die meisten Nebenwirkungen sind selten oder unbedeutend. Wie lange sollte die Behandlung dauern? Nachdem die antibiotische Therapie beendet ist, wird empfohlen, sechs Wochen zu warten, bevor bei fortbestehender Gelenkentzündung geschlossen wird, dass diese Therapie die Erkrankung nicht hat ausheilen können. In diesem Falle kann es sinnvoll sein, eine weitere antibiotische Behandlung anzuschließen. Wenn nach weiteren 6 Wochen nach Abschluss der zweiten antibiotischen Therapie immer noch Arthritis vorhanden ist, muss eine entzündungshemmende antirheumatische Therapie begonnen werden. Gibt es unkonventionelle Behandlungsformen? Wenn die antibiotische Behandlung nicht zum Erfolg führt, können Eltern geneigt sein, unkonventionelle Behandlungsversuche wie bei anderen rheumatischen Erkrankungen zu versuchen. Es gibt keinen Hinweis für Ihre Wirksamkeit. Welche regelmäßigen Untersuchungen sind notwendig? Nur die Gelenkuntersuchung kann Hinweise darauf geben, ob möglicherweise ein Versagen der Therapie vorhanden ist, d. h., dass die Gelenkentzündung weiter besteht. Je länger die Arthritis bereits verschwunden ist, desto unwahrscheinlicher ist ein Rückfall. Wie lange dauert die Erkrankung?

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Mehr als 80 % der Fälle verschwinden nach 1 oder 2 antibiotischen Behandlungen. Bei den übrigen Fällen wird die Arthritis im Laufe von Monaten oder Jahren verschwinden. Am Ende heilt die Erkrankung immer aus. Wie sieht die Entwicklung der Erkrankung im Langzeitverlauf aus? Nach der Behandlung mit Antibiotika verschwindet die Gelenkentzündung in den meisten Fällen, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Es gibt einzelne Fälle, in denen ein bleibender Schaden am Gelenk aufgetreten ist mit vermindertem Bewegungsumfang und vorzeitiger Arthrose (vorzeitige Gelenkabnutzung). Ist es möglich, wieder ganz gesund zu werden? Mehr als 95 % werden wieder vollständig gesund. Wie könnte diese Erkrankung das tägliche Leben des Kindes oder der Familie beeinträchtigen? Wegen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen kann die sportliche Betätigung vorübergehend eingeschränkt sein. Das Kind kann evtl. nicht so schnell rennen wie früher. Bei den meisten Patienten ist die Erkrankung leicht und die meisten Probleme sind unbedeutend und vorübergehend. Was ist mit der Schule? Für einen begrenzten Zeitraum sollte das Kind selber entscheiden, wie weit es am Sportunterricht teilnehmen möchte. Was ist mit Sport? Das Kind oder der Heranwachsende sollten selber entscheiden, ob die Lyme-Arthritis möglicherweise die sportliche Betätigung einschränkt. Wenn das Kind/der Jugendliche an einem Trainingsprogramm teilnimmt, kann es sinnvoll sein, das Ausmaß des Trainings vorübergehend zu mindern. Gibt es eine sinnvolle Diät? Die Nahrungsaufnahme sollte ausgewogen sein und genügend Eiweiß, Kalzium und Vitamine für den wachsenden Organismus enthalten. Veränderungen der Nahrungsaufnahme oder Diäten beeinflussen den Krankheitsverlauf nicht. Kann das Klima den Verlauf der Krankheit beeinflussen? Obwohl Zecken ein warmes und feuchtes Klima benötigen, wird die Erkrankung nicht beeinflusst, sobald die Infektion die Gelenke erreicht hat. Kann das Kind geimpft werden? Es gibt keine Einschränkungen bezüglich der Durchführung von Impfungen. Der Erfolg der Impfung ist nicht beeinträchtigt durch die Erkrankung oder durch antibiotische Behandlungen und es gibt keine zusätzlichen Nebenwirkungen, die erwartet würden. Zurzeit gibt es keinen Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose.

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