LÄNDERINFORMATION UNGARN

F ORUM

Unterhaltsansprüche von in Deutschland lebenden Kindern können grundsätzlich gegenüber dem in Ungarn lebenden unterhaltspflichtigen Elternteil geltend gemacht werden. Dies gilt auch für auf öffentliche Träger übergegangene Ansprüche.

I.

Behördliche Verfahrenshilfe auf Grundlage der europäischen Unterhaltsverordnung (EuUnthVO, EG-VO Nr. 4/2009)

Bei der Geltendmachung von Unterhaltsforderungen in Ungarn können Berechtigte behördliche Verfahrenshilfe nach der Europäischen Unterhaltsverordnung Nr. 4/2009 vom 18. Dezember 2008 (EuUnthVO) in Anspruch nehmen. Behördliche Verfahrenshilfe bedeutet, dass die Zentrale Behörde in Ungarn Berechtigten bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen behilflich ist. Die ungarische Behörde unternimmt im Rahmen dessen „alle angemessenen Maßnahmen“ (Art. 51 Abs. 2 EuUnthVO), um die Leistung von Unterhalt herbeizuführen. Hierzu gehört u.a. die Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung, die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die Erhebung und Verfolgung einer Unterhaltsklage sowie die Vollstreckung eines vorhandenen Titels. Verfahrensablauf Um in den Genuss der behördlichen Verfahrenshilfe zu gelangen, muss zunächst ein Gesuch bei dem für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständigen Amtsgericht eingereicht werden.

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FÜR

F ACHFRAGEN

Das Amtsgericht leitet das Gesuch samt Anlagen nach einer Vorprüfung weiter an die deutsche Übermittlungsbehörde, die es wiederum an die ungarische Empfangsbehörde übersendet. Die Angaben und Anlagen, die das Gesuch enthalten muss, sind in Art. 57 EuUntVO sowie im Ausführungsgesetz, dem Auslandsunterhaltsgesetz geregelt (§ 8 AUG nF). Nachdem die ungarische Empfangsbehörde das Gesuch erhalten hat, setzt sie sich zunächst mit den Unterhaltspflichtigen in Verbindung und fordert diese auf, freiwillig den geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Sind sie hierzu nicht bereit, muss der Unterhalt in Ungarn zwangsweise im Wege der Vollstreckung durchgesetzt werden. Sofern noch kein Unterhaltstitel vorhanden ist und die Unterhaltspflichtigen ihre Unterhaltspflicht nicht freiwillig beurkunden lassen, hat die Empfangsbehörde auf Antrag einen Unterhaltstitel zu erwirken. Einfacher und schneller ist es jedoch, einen Titel in Deutschland zu schaffen und diesen in Ungarn zu vollstrecken. Macht der öffentliche Träger auf ihn übergegangene Ansprüche geltend, kann ebenfalls die Unterstützung der Zentralen Behörde nach der EuUnthVO in Anspruch genommen werden.

II.

Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines deutschen Unterhaltstitels

Beim Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines deutschen Unterhaltstitels wird seit Anwendbarkeit der EuUnthVO am 18. Juni 2011 zwischen Alttiteln (Titel, deren Verfahren vor dem 18. Juni 2011 eingeleitet wurde) und Neutiteln (welche ab dem 18. Juni 2011 beurkundet oder in gerichtlichen Verfahren geschaffen wurden, die am 18. Juni 2011 oder später eingeleitet wurden) unterschieden. Die Alttitel müssen weiterhin förmlich anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, wobei das Verfahren durch die EuUnthVO vereinfacht wurde. Um das Vollstreckbarerklärungsverfahren kümmert sich die ungarische Empfangsbehörde. Sie reicht bei dem zuständigen Gericht einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Titels ein. Die Vollstreckbarerklärung des deutschen Titels kann gemäß Art. 24 EuUnthVO (wie bisher) nur aus bestimmten Gründen versagt werden. Häufige Versagungsgründe sind der Verstoß der Entscheidung gegen den „ordre public“ des Vollstreckungsstaats oder – bei Nichteinlassung der Antragsgegner/innen auf das Erstverfahren – die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies ist z.B. regelmäßig bei der öffentliche Zustellung des Titels nach §§ 203 ff ZPO oder bei fehlerhafter Zustellung der Fall.

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Für Titel, die vor dem Beitritt Ungarns zur EU am 01.05.2004 geschaffen wurden, gelten weiterhin die bisherigen Rechtsgrundlagen. Für Neutitel wurde das Verfahren der Vollstreckbarerklärung (Exequaturverfahren) abgeschafft. Ein Neutitel, der in Deutschland vollstreckbar ist, ist nun auch in Ungarn unmittelbar vollstreckbar. Die Anerkennung als einzige Voraussetzung der Vollstreckbarkeit erfolgt automatisch ohne gesondertes Zwischenverfahren.

Die Vollstreckung ist in Ungarn aus allen deutschen Unterhaltstiteln möglich. Es ist unerheblich, ob es sich hierbei um ein Urteil, einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss, einen Vergleich oder eine Jugendamtsurkunde handelt. Irrelevant ist auch, ob es sich um einen Festbetragstitel oder einen dynamischen Unterhaltstitel handelt.

III.

Verfahrenskosten

Die Geltendmachung von Kindesunterhalt in Ungarn ist für die Berechtigten kostenfrei. Nach der EuUnthVO sind die EU-Mitgliedsstaaten bei Inanspruchnahme der behördlichen Verfahrenshilfe zu unentgeltlicher Prozesskostenhilfe verpflichtet, sofern das unterhaltsberechtigte Kind das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Art. 46). Kosten können für die Übersetzung des Formularantrags nebst Anlagen in die ungarische Sprache entstehen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Antragsteller/innen von den Übersetzungskosten befreit werden, sofern sie die Voraussetzungen einer ratenfreien Verfahrenskostenhilfe nach § 113 FamFG iVm § 115 ZPO erfüllen. Wird keine behördliche Verfahrenshilfe nach der genannten Verordnung in Anspruch genommen, muss ein ungarischer Rechtsbeistand mit der Geltendmachung der Unterhaltsansprüche betraut werden. Bei dieser Vorgehensweise entstehen Rechtsanwalts-, Gerichts-, Übersetzungs- sowie später Vollstreckungskosten. Sofern jedoch im deutschen Verfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, ist nach Art. 47 Abs. 2 EuUnthVO auch in Ungarn ohne Bedürftigkeitsprüfung Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe im Vollstreckungsverfahren besteht auch dann, wenn die Antragsteller/innen erst nach Beendigung des Erstverfahrens bedürftig geworden sind.

IV.

Zwangsvollstreckung

Aus dem für vollstreckbar erklärten Unterhaltstitel, einem Neutitel oder einem europäischen Vollstreckungstitel kann die Vollstreckung erfolgen. Die Zwangsvollstreckung wird auf Grundlage des ungarischen Zwangsvollstreckungsrechts durchgeführt. In Frage kommen 3

ähnlich wie in Deutschland Lohnpfändungen sowie Sachpfändungen in bewegliches und unbewegliches Vermögen.

V.

Ermittlung des Aufenthalts und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsschuldners

Die ungarische Empfangsbehörde hat nach der EuUntVO alle angemessenen Maßnahmen treffen, um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu ermitteln (Art 51 Abs. 2 c)). Es ist daher nun möglich einen entsprechenden Antrag über die deutsche zentrale Behörde an die ungarische Empfangsbehörde zu senden. Gleiches gilt auch für die Ermittlung des Aufenthalts (Art 51 Abs. 2 b)). Darüber hinaus existiert in Ungarn ein zentrales Melderegister, in dem alle Bewohner Ungarns registriert werden. Auskunftsanfragen bei dieser Meldebehörde sind grundsätzlich möglich. Allerdings werden von der Behörde hohe Anforderungen an die Zulässigkeit der Anfragen gestellt. Insbesondere ist der Grund für die Aufenthaltsermittlung ausführlich darzulegen. Ferner ist die Kommunikation schwierig, da Rückmeldungen ausschließlich in ungarischer Sprache erfolgen. Für die Ermittlungstätigkeit stellt die ungarische Meldebehörde in der Regel einen Betrag von 15,00€ in Rechnung. Bleibt die Anfrage bei der zentralen Meldebehörde erfolglos, bestehen folgende weitere Möglichkeiten der Aufenthaltsermittlung: -

existiert in Deutschland noch kein Unterhaltstitel, kann die ungarische Zentrale Behörde mit der Titulierung des Unterhalts betraut und somit auch um Aufenthaltsermittlung ersucht werden;

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Erstattung einer Strafanzeige wegen Unterhaltspflichtverletzung in Deutschland;

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ist ein Vaterschafts- oder Unterhaltsfestsetzungsverfahren anhängig, kann das deutsche Gericht anlässlich der förmlichen Zustellung nach dem HZÜ die örtlich zuständige Zustellungsbehörde im Wege der Rechtshilfe bitten, eine Aufenthaltsermittlung durchzuführen.

Wird ein Rechtshilfegesuch nach der EuUntVO auf Unterhaltsdurchsetzung eingereicht, werden die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners automatisch von der ungarischen Empfangstelle ermittelt. Wenn der Schuldner nicht kooperiert, können seine Einkommensund Vermögensverhältnisse nicht mit Zwangsmitteln in Erfahrung gebracht werden.

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VI.

Gesetzesmaterialien

Die vollständigen Gesetzestexte der Europäischen Unterhaltsverordnung (Verordnung EG Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen – EuUnthVO) und des Ausführungsgesetzes (Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten – Auslandunterhaltsgesetz [AUG]) sind auf unserer Homepage unter www.dijuf.de  Unterhaltsrealisierung  Rechtsgrundlagen für die Unterhaltsrealisierung im Ausland zu finden.

Stand: August 2011

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