Liebe Familie, Freunde, Bekannte und Sponsoren,

Liebe Familie, Freunde, Bekannte und Sponsoren, jetzt bin ich nun doch schon drei Monate in Irland und leiste mein freiwilliges soziales Jahr in der L...
Author: Linus Adler
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Liebe Familie, Freunde, Bekannte und Sponsoren, jetzt bin ich nun doch schon drei Monate in Irland und leiste mein freiwilliges soziales Jahr in der L'Arche – Dublin. Hier arbeite und lebe ich mit behinderten Menschen zusammen. Ja, wie kam es dazu, dass ich im Ausland ein soziales Jahr leiste und nicht in Deutschland, was ja auch möglich gewesen wäre. Zum einen, mal ins Ausland zukommen und das Fernweh zu stillen und zum anderen musste ich von zu Hause mal weg, um mich selbst zu finden. Ihr kennt ja alle meinen Lebensweg. Nach dem Besuch der Meisterschule und bestandener Meisterprüfung waren meine letzten Tage in Deutschland wunderschön und unbeschwert. Ich habe viel intensiver gelebt, da ich wusste, dass ich viele Dinge für lange Zeit nicht mehr erleben werde. Für alles habe ich mir intensiv und bewusst Zeit genommen. Ich habe Dinge getan und erlebt, für die ich vorher nie ein Auge oder Interesse hatte. Auch meine Freunde und Bekannten habe ich in der kurzen Zeit vor meiner Ausreise viel mehr wahrgenommen. Zum Schluss war alles so rund und perfekt, dass mir zu guter Letzt die Ausreise doch noch schwer gefallen ist. Doch im Nachhinein kann ich sagen, es war genau der richtige Zeitpunkt. Wie sagt man: „wenn es am Schönsten ist, sollte man gehen". Verabschiedungen können traurig sein, aber sehr nachhaltig. Ich muss jetzt noch, nach drei Monaten, daran denken, welche Eindrücke und Empfindungen ich in den letzten Stunden vor meinem Flug hatte. Das ist mir so wichtig, dass ich sie mit Euch teilen möchte. Die wertvollste Verabschiedung hatte ich sehr früh an dem Morgen mit meinem Stiefvater, bevor er auf Arbeit musste. Er war auf der einen Seite sehr traurig weil ich gehe, aber auf der anderen Seite auch so stolz auf mich. Das hat mich so gerührt und mir mal wieder gezeigt, dass wir ein wirklich gutes Verhältnis haben und ich ihm für all die tollen gemeinsamen Jahre sehr dankbar bin. Von meiner kleinen Schwester habe ich mich nur ungern verabschiedet. Am liebsten hätte ich sie einfach in einen Koffer gepackt und mit nach Irland genommen. Doch Sophie wird das Jahr ohne mich gut meistern und noch selbständiger werden. Außerdem wird sie es genießen viel Zeit in dem Zimmer der großen Schwester zu verbringen, da dort ein moderner Fernseher steht. Mittags hatte ich mich mit meinen Freundinnen verabredet. Babsi, Jessica und Betti wollten mich unbedingt zum Flughafen bringen, worüber ich sehr dankbar und froh war. Wir hatten noch viel Spaß auf dem Weg zum Flughafen. Eine letzte bayrische Mahlzeit für lange Zeit, was könnte es anderes sein, als Weißwürste mit Breze und Radler, haben wir uns auch noch schmecken lassen; mmmmh lecker. Bis ich dann endgültig zu meinen Check in musste, hatten wir noch eine lustige, intensive Zeit. Ich bin froh solch tolle Freundinnen zu haben.

Auf Howth eine Halbinsel, direkt vor unserer Haustür.

IRELAND Meine Einsatzstelle L'Arche Dublin ist eine Wohngemeinschaft in der Menschen mit geistiger Behinderung, von uns "Core Member" (Kern Mitglieder) genannt, dreizehn Assistenten aus aller Welt, ob jung ob alt, wohnen, arbeiten und leben. Unsere L’Arche verteilt sich auf zwei Häuser, mit den Namen Seolta und Leoithne, befinden sich in der gleichen Straße, ca. 230 Meter voneinander entfernt und unmittelbar am Stadtrand von Dublin am Meer. Unsere sechs Core Member leben hier schon lange Zeit zusammen und kennen sich gut. Sie sind ein gut eingespieltes Team, auch wenn tägliche Zankereien nicht zu vermeiden sind. Bei uns ist immer etwas los und von langer Weile kann keine Rede sein. Jeder Tag bringt etwas Neues. In dem Haus Seolta (das ist irisch für "Segel") leben vier Core Member, Danny, Stephen, Caroline und Karen zusammen mit Assistenten aus Japan, Spanien, Brasilien, Frankreich und Deutschland. Im Haus Leoithne (sanfte Briese), das ist das kleinere Haus von beiden, leben Gillian und Aidan (Core Member), mit Judit aus Ungarn, James aus Irland, und mir. Ich fühle mich sehr wohl und genieße das Leben hier. Leoithne ist im Moment das perfekte zu Hause für mich, da es ein guter Ort ist, um sich zurück zu ziehen, wenn ich es möchte.

Vor ein paar Tagen habe ich mit meinem Mitbewohner James darüber geredet und wir haben beide gesagt, dass man sich hier einfach schneller zu Hause fühlt, da schnell eine Familienatmosphäre entsteht.

Grillparty in Seolta am 08.08.2015

Mein erster Tag Nach einem angenehmen und problemlosen Flug, bin ich gut in Dublin angekommen. Zwei Mitarbeiterinnen oder besser eine Mitarbeiterin und eine Ehemalige haben mich vom Flughafen abgeholt. Hier ist es ganz normal, dass man jeder Zeit nach Beendigung seines Dienstjahres mal wiederkommt und Hallo sagt zu seinen ehemaligen Mitbewohnern. In meiner kurzen Zeit, die ich jetzt hier bin, habe ich schon sieben Ehemalige kennengelernt. Das ist doch ein gutes Zeichen, oder? Bei der Ankunft in der L’Arche wurde ich sehr herzlich von allen begrüßt, so mal mich die meisten von meiner Kennlernwoche im April noch kannten. Ich habe mich gleich heimisch und vertraut gefühlt. Teetrinken und Irland sind nach wie vor Tradition und so bekam ich zur Begrüßung mein „Cup of Tea“ von Gillian gereicht und später am Abend sind Michaela, Judith und ich mit dem Bus (ca. 20 min.) in die Innenstadt und um dort von Pub zu Pub zuziehen. Wir hatten noch viel Spaß an diesem Abend und es war der perfekte Ausklang für den ersten Tag in meinem neuen zu Hause.

Besuch in der berühmten Temple Bar.

L'Arche Dublin Die Tage und Wochen vergingen hier wie im Flug. Ich habe noch gar nicht realisiert, dass es jetzt schon drei Monate sind, die ich hier bin. Am Anfang war es gar nicht so leicht, neues Haus, viele Menschen, lange Arbeitstage und dann auch noch alles in einer ganz anderen Sprache. Ich war jeden Abend sehr müde und habe sogar meine Pausen zum Schlafen genutzt. Doch mittlerweile bin ich top fit! Mein Körper hat sich umgestellt und die langen Arbeitstage machen mir nichts mehr aus, mein Englisch wird von Tag zu Tag besser und ich habe überhaupt keine Probleme den ganzen Tag Englisch zu sprechen. Jeder Arbeitstag bringt etwas Neues und keiner ist wie der Andere. Ein normaler Arbeitstag beginnt um 8:00 Uhr und endet um 22:00 Uhr. Wir haben über den Tag verteilt drei Stunden frei, also kann es gut sein das ich eine lange Mittagspause habe, erst um 11:00 Uhr anfange, oder schon um 19:00 Uhr Feierabend machen kann. Täglich bekommen wir einen neuen Plan mit unseren Aufgaben, den Arbeitszeiten und mit welchem Core Member wir am Tag zusammen arbeiten. Am besten ich versuche Euch einen Tag von mir zu beschreiben. Gestern begann mein Tag um 8.00 Uhr. Eingeteilt als Core Member war für mich in der Früh an diesem Tag Caroline. Also weckte ich sie auf und wir begannen mit der morgendlichen Routine, die da wären: Hilfe beim Aufstehen, Duschen, Zähne putzen, Anziehen. Das Frühstück nahmen wir gemeinsam ein und danach brachte

ich sie zu ihrem Bus, mit dem sie zum Workshop (Behindertenwerkstätte) fuhr. Das ganze Handeln umfasst ca. zwei Stunden, ist aber bei jedem Core Member unterschiedlich und es gehen auch nicht alle außer Haus. Dazu kommt, dass im Winter, wenn es kalt ist z.B. Caroline von mir mit unserem Van in ihren Workshop gebracht werden muss. Also Caroline war arbeiten und in der Zeit habe ich mit Gillian in unserem Haus Leoithne einen Kuchen gebacken und danach wurde von mir die Küche geputzt. Von 13:00 bis 16:00 Uhr hatte ich diesmal meine Pause. Ich war in der Zeit joggen. Ja, stellt Euch vor, ich gehe jetzt regelmäßig joggen. Hier ist das aber auch ganz was anderes, als zu Hause, das Meer, das Wellenrauschen, weiter Blick, Sandstrand und nicht der asphaltierte Radweg neben der vielbefahrenen Bundesstraße. Seid Ihr jetzt neidisch? Am Abend war ich fürs Kochen und für Danny eingeteilt. Ich hatte mich für Fisch und Kartoffelauflauf entschieden. Mittlerweile macht es mir richtigen Spaß für viele Personen zu kochen und vor allem, wenn dann alle beieinander sitzen und essen. Der Tisch kann nicht groß genug sein. Nach einem gemeinsamen Abend im Wohnzimmer und der Abendroutine mit Danny, war der Tag auch schon um. Morgen wird es wieder ein komplett anderer sein. Meine Schwester Sophie fragte mich in einem der ersten Telefongespräche, was ich denn hier eigentlich arbeite, ich wollte gerade mit einer Aufzählung beginnen, da konnte ihr sagen, alles das, was wir bei Mama auch machen müssen. Das Leben in der Gemeinschaft ist angenehm. Es wird nie langweilig, es ist immer etwas los und man ist nie allein. Es ist so schön und interessant, dass wir aus verschiedenen Ländern kommen mit komplett verschiedenen Kulturen und trotzdem so viel Freude zusammen haben und harmonisch leben. Mich überraschen meine Mitbewohner immer wieder aufs Neue und ich bin sehr froh in so einem tollen Team zu arbeiten und zu leben.

Spontane verkleidungs Aktion, mit meinen deutschen Kollegen, Caspar und Jens.

Die grüne Insel Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob das Ganze, was ich hier an Natur sehe überhaupt echt ist. Oft denke ich, das Bild habe ich doch letzte Woche in einem Hochglanzreiseprospekt gesehen.

Die irren Iren fahren ja bekanntlich mit dem Auto auf der "falschen" Straßenseite, also auf der linken. Das war am Anfang eine ziemliche Umstellung, allein schon als ich normal über die Straße gehen wollte, war es eine Herausforderung zuerst auf die richtige Seite zu schauen. Doch mittlerweile habe ich das Fahren mit dem Auto raus und manchmal weiß ich gar nicht mehr, wie es bei uns in Deutschland geht. Es ist einfach alles spiegelverkehrt. Natürlich finde ich es auch total toll hier fahren zu dürfen. Es ist sehr praktisch, denn sonst bräuchte man ja immer einen extra Fahrer, wenn man mit den Core Membern einen Ausflug mache will. Wir haben hier ein normales Auto und zwei Busse, in die je zwei Rollstühle passen. Irland ist eine wunderschöne Insel und ein wunderschönes Land. Ich habe schon einige Ausflüge gemacht, da ich eine unglaubliche Reiselust entwickelt habe. Ich möchte so viel wie möglich in diesem Jahr von Irland sehen und wenn die Zeit nicht reicht, dann bin ich mir sicher, dass ich wieder und wieder kommen werde, um dieses Land zu erkunden. Vor einigen Wochen habe ich mir, mit Judith und Caspar, einen Traum erfüllt. Wir sind nach Wicklow (der Garten von Irland) gefahren, um dort in den Wicklow Mountains für zwei Tage zu wandern. Die Rucksäcke waren vollgepackt mit Schlafsack, Zelt, Wasser, Essen und alles was man noch so brauchte. In der Früh ging es los. Erst mit dem Auto nach Wicklow (= kleine irische Provinz) und von dort aus sind wir auf dem „Wicklow Wanderweg“ los marschiert. Wir sind den ganzen Tag gelaufen und ich konnte nicht genug bekommen von dieser unglaublichen Landschaft. Irland hat mehr Schafe als Einwohner, auf jeder zweiten Postkarte ist ein Schaf zu sehen. Wenn man an dieses Land denkt, denkt man an Schafe, grüne Wiesen und Schafe... Doch ich hatte die ersten zwei Monate kein einziges Schaf zu Gesicht bekommen. Mit der Zeit hatte es mich wahnsinnig gemacht und ich habe schon angefangen von Schafen zu träumen. Bei diesem Ausflug sah ich die Schafe zum erste mal! So viele Schafe!! Ich war der glücklichste Mensch auf Erden. Hunderte aber hunderte freilaufende Schafe auf grünen Weiden. Ich habe auf jedes määäääääh geantwortet und wäre zu gerne jedem Schaf gefolgt. Das Wetter war perfekt und wir hatten eine Menge Spaß zusammen. Schon immer wollte ich einfach mal los ziehen mit Campingausrüstung auf dem Rücken und irgendwo in der Wildnis mit Freunden in einem Zelt übernachten. Jetzt hatte ich das Glück und bin sehr dankbar dafür. Wir haben an einem wunderschönen See unser Zelt aufgeschlagen und dort die Nacht verbracht.

Unser Ausflug in den Wicklow Mountains am 26.09.2015

Hier, in der unmittelbaren Umgebung, wo ich jetzt zu Hause bin, ist es auch wunderschön. In zwei Minuten kann man am Meer und in 15 Minuten am Stand sein. Das Wetter war bis jetzt nicht typisch irisch, es war warm und auch der typische Regen hat sich nur selten gezeigt. Dadurch konnte ich schon einige Male im Meer baden gehen, hatte zu Anfang schon einige Sonnenbrände und in den Nächten der Mondfinsternis und der Sternschnuppen haben einige von uns und ich einfach am Strand übernachtet und wir waren den Naturereignissen ganz nah. Der nächste Ausflug ist schon geplant. In zwei Tagen geht es nach Belfast um dort meine EIRENE-Kollegen zu besuchen und mich von der Stadt mit der jungen Geschichte bezaubern zu lassen. Ich freue mich schon und werde Euch alles über diesen Ausflug in meinem nächsten Rundbrief berichten. Bis bald! Eure Nora

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