Licht und Schatten einer faszinierenden Stadt

reise Marodierende Bauten und Lebenslust bilden in Havanna eine Symbiose. Musik allerorten und der einzigartige Flair der Oldtimer-Flotte sind zu Mar...
Author: Axel Melsbach
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Marodierende Bauten und Lebenslust bilden in Havanna eine Symbiose. Musik allerorten und der einzigartige Flair der Oldtimer-Flotte sind zu Markenzeichen von Havanna geworden.

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Sol y Sombre

HAVANNA Licht und Schatten einer faszinierenden Stadt. Text und Fotos: Bodo Meinsen

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in geübter Globetrotter wird nach kurzer Zeit mit Havanna Freundschaft geschlossen haben. Weniger erfahrene Entdecker brauchen in Cubas Hauptstadt deutlich längere Anlaufzeit, zu extrem sind die Gegensätze und die Gepflogenheiten. Eines jedoch sollten beide unbedingt mitbringen: Geduld. Und es wäre auch nicht schlecht, wenn Mann/Frau sich von Ängsten und Vorurteilen schon vorher befreit. Cuba und Havanna ist Liebe, Musik und Herz und es ist außergewöhnlich. Keinesfalls gefährlicher als in anderen Großstädten, sondern sogar sicherer. Hier trifft bauliche Morbidität auf Lebenslust und Perspektive. Hier trifft man gutaussehende Polizistinnen in ziemlich figurbetonten Uniformen, aber auch Entrückte aus den weniger einladenden Gebieten der Stadt. Havanna ist durchflutet von einzigartigen Eindrücken. Havanna ist voller Musik und der wohl größten Sammlung von rumpelnden Oldtimern meist amerikanischer Herkunft. Einige davon fahren inzwischen mit sehr eigenem Innenleben. Ob Traktor-oder Flugzeugmotor, so ziemlich alles wird verarbeitet, um

diesen mobilen Havanna-Style überhaupt am Leben zu erhalten. Mobilität ist wichtig in Cubas Metropole. Das liegt weniger an den Entfernungen, sondern eher am Klima. Selbst im vermeintlichen Winter schnellt die Temperatur schon mal auf über 30 Grad Celsius. Da wird jeder Schritt im Großstadtgewühl zum Saunagang. Wer es luftiger mag: Pferdekutsche, TukTukähnliche Moped-Taxis oder die waghalsigen Fahrrad-Rikschas stehen bereit. Alle bewegen sich auf Straßen, die eigentlich nach westlichen Auffassungen keine sind. Havanna erneuert sich täglich und das seit 1959. Das Jahr der berühmten Revolution von Fidel und Che ist allgegenwärtig. An Fassaden finden sich die alten und nach wie vor gelebten Parolen. Manchmal kommt es einem vor, als wären das Kalendersprüche, aber Cuba funktioniert noch heute so. Noch. Das Land entwickelt sich weiter. Junge Menschen sind euphorisch wie überall. Internet und Smartphone sind normale Begleiter. Nicht für alle, aber doch für viele. Die Hotels empfangen täglich neue Neugierige. Meist Gruppen aus Europa. Einige Kreuzfahrer und natürlich USAmerikaner auf Stippvisite beim Nachfinetobacco 43

reise barn. Irgendwie schwingt inzwischen auch der Gedanke der Beendigung des Embargos mit. Es wird viel spekuliert, wie es denn werden könnte, wenn es wirklich dazu kommt. Leben und leben lassen auf cubanisch Aktuell ist es aber noch nicht so weit. Also pulsiert Havanna wie gehabt. Eine ewige Baustelle, Bars, Musik, TouristenNepps, Revolutionsplakate, schöne Menschen, buntes Leben im 24 Stunden-Takt. Keine Stadt für Ruhesuchende, aber eine Destination für alle, die das Leben genießen können und wollen. Genuss steht in Havanna ganz oben an. Lobster zu sehr erschwinglichen Preisen und bester Qualität, Rum Variationen jeglicher Art und natürlich Zigarren! Hier wird nicht nur geraucht, sondern selbstverständlich genossen. Obwohl in vielen Restaurants und Hotels Rauchverbot besteht. Das macht hier rein gar nichts, denn das Leben findet draußen statt. Und das ist wörtlich zu nehmen. Während wir Westeuropäer an schicken Häusern und Wohnungen interessiert sind und dafür einen nicht unerheblichen Teil des Einkommens aufwenden, betrachtet man in Havanna das Wohnen als reine Übernachtungsmöglichkeit. Gefühlte 80 Prozent des Daseins verbringen die Cubanerinnen und Cubaner außerhalb der eigenen Behausung. Sehen und gesehen werden ist hier also kein extraordinäres Prinzip, sondern völlige Normalität. Und Gelegenheiten dafür gibt es wirklich reichlich. Man muss sich nur informieren und einfach mitmachen. Für die Liebhaber der berühmten cubanischen Zigarren ist Havanna ohnehin ein Eldorado. Ganz speziell im Februar. Dann findet das „Festival del Habano“ statt. Im ehrwürdigen Hotel Nacional trifft man sich auf der Terrasse auf einen Mojito und eine feine Zigarre. Verschiedene Events finden an verschiedenen Orten statt. Ob im neuen Holz-und Tabak-Lager, im Messezentrum oder auf Einladung im Protokoll-Saal des Laguedo – eine wunderbare Location löst die nächste ab. Und überall der Duft von handgearbeiteten Zigarren, die auf dieser Insel entstehen und Weltruf erlangten. In Havanna findet man dann auch die Manufakturen, in denen die Tabak-Pretiosen hergestellt werden. 44 finetobacco

Cohiba, Montecristo, Romeo y Julieta, Partagas,Hoyo del Monterey und weitere berühmte Marken gehen hier durch die geübten Hände weiblicher und männlicher Torcedores, bevor sie in kunstvollen Kisten den Weg zu den Connaisseuren weltweit finden. Beim jährlichen Festival, dieses Jahr zum 17. Mal, trifft man einige davon. Leicht zu erkennen. Das

Habano-Festival-Band stets gut sichtbar, häufig ein weißer Strohhut auf dem Kopf und natürlich Zigarre zu allen Tages- und Nachtzeiten in Hand oder Mund. Entschleunigung kann man in Havanna lernen Der Außenstehende mag das als Klischee abstempeln, liegt damit aber

Eine besonders schöne Art, cubanische Zigarren Zigarren auf dem Festival serviert zu bekommen. Den Aficionado freut es.

falsch. Hier kann und darf man leben. Und es wird mit leben lassen gedankt. Unverkrampft und locker wird man hier nach wenigen Stunden. Vergessen die langen Flug- und Wartezeiten. Die gelernte Geduld am Havanna-Airport bei der Einreise wegen sehr gründlicher Hinterfragung und Überprüfung durch freundliche und bestimmte Staatsdie-

nerinnen und Staatsdiener macht sich bezahlt. Auch im Restaurant dauert die Bezahlung schon mal eine gefühlte Ewigkeit. Oder man wartet auf den organisierten Bus, der dann doch nicht kommt und man die individuelle Mobilitätsvariante wählen muss. Das alles sind keine Ausnahmen, sondern die Regel. Zeit haben wird hier zum Muss. Für die Der deutsche Botschafter in Cuba, Dr. Peter Rudolf Scholz mit Gattin und ZigarrenGrande Heinrich Villiger genießen Lebensfreude und Musik bei Festival del Habano in Havanna.

europäischen Besucher eine sehr gute Übung. Die meisten kommen zurück und haben etwas mehr Gelassenheit im Gepäck. Ein schönes Souvenir, was es zu pflegen gilt. Zurück zum braunen Gold von Cuba. Die Zigarren schmecken hier nochmal besser, was aber nicht meint, dass die bei uns zu erwerbenden Formate und Marken weniger genussvoll zu rauchen sind. Dafür sorgt zum Beispiel in Deutschland, in Österreich und neuerdings auch in Polen der Alleinimporteur 5th Avenue bzw. Intertabak AG und die von ihm belieferten Casa del Habanos. In Havanna kommt einfach das Gefühl dazu, an der Wiege des Tabakgenusses zu sein und man wird zum Teil des Ganzen. Beschleunigt wird das für manche auch durch die Beigabe von Rum und anderem Hochprozentigen. Gehört dazu, macht locker und der nächste Tag ist weniger beschwerlich, weil die Sonne grüßt und der verständnisvolle Service mit Kaffee und opulentem Frühstück den Start erleichtert. Havanna erleben, bevor McDonalds kommt Was lernt der Havanna-Besucher? Die Stadt ist eine Ansammlung von Nostalgien aus Revolutionszeiten. Die Stadt bewahrt das Flair der Unvollkommenheit. Die dunklen Seiten gibt es, aber man kann sie weglächeln. Die Menschen sind multikulturell und im gemeinsamen Umgang gleich und sorgsam. Das System ist überall und auch unvollkommen, aber irgendwie funktioniert es. Arbeit und Lohn ist für alle vorhanden, das Niveau ist für besitzstandswahrende Europäer eher unvorstellbar. Und doch funktioniert auch dieses. Wie lange? Keiner weiß es genau, denn die Vorstellungen der Politik sind noch nicht klar definiert. Wer das echte Havanna erleben möchte, der mache sich auf den Weg. Genuss pur, Unvollkommenheit als Geschenk. Sol y Sombre – Sonne und Schatten in friedlicher Koexistenz. Gönnen Sie sich das. Bald. Wer weiß, wie lange es noch so hält? Nützliches, Wissenswertes und eine gute Adresse für Ihre Cuba-Reise finden Sie hier: www.cubarealtours.eu finetobacco 45

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250 000 Euro für Cohiba-Humidor Eine Viertelmillion Euro erzielte der künstlerisch gestaltete Cohiba-Humidor bei der Versteigerung auf dem 17.Festival del Habano in Havanna. Weitere fünf Humidore der Marken Montecristo, Upmann, Hoyo de Monterrey, Partagas und Romeo y Julieta brachten zwischen 65000 Euro und 97500 Euro. Der Gesamterlös der Versteigerung dieser kunstvollen Zigarrenschränke, allesamt bestens gefüllt mit verschiedenen Formaten, geht zum einen an das Gesundheitssystem in Havanna. Ein zweiter Teil wird in diesem Jahr der Ebola-Hilfe in Westafrika übergeben.

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„Hey my friend!” Zigarrenkauf Kaufen Sie keine Zigarren schwarz auf der Straße, denn es handelt sich meist nicht um Qualitäts-Ware. Es wird Ihnen erzählt, dass ein Familienmitglied in der Zigarrenfabrik arbeitet, um Ihr Vertrauen zu gewinnen. Und auch wenn die angebotenen Zigarren bei Betrachtung schön aussehen, ist die Qualität zumeist nicht die erwartete. Sicherlich, man kann auch schwarz gekaufte Zigarren mit Genuss rauchen, aber es sind dann halt keine echten Cohiba oder Montecristo. Die Ware ist meist nur das wert, was sie dafür bezahlt haben. Grundsätzlich sollten sie sich im Laden Belege mit offiziellem Zertifikat ausstellen lassen (Quittung mit mehreren verschiedenfarbigen Durchschlägen für den Verkäufer, den Staat und für Sie). Bitte beachten Sie auch, dass sie nur 50 Zigarren (2 Kisten) ohne Beleg ausführen können. Alle weiteren „schwarz“ gekauften Zigarren können vom Zoll konfisziert werden, weil Belege und das elektronisch abtastbare Siegel auf der Kiste fehlen. Ausführen können sie bei nachweisbar legalem Erwerb fast unbe-

grenzt. Bei der Einreise in Europa gelten jedoch die dortigen Zollbedingungen und was über das Erlaubte hinausgeht, muss angemeldet und (teuer) verzollt werden.

Angesprochen werden auf der Straße, in Bars und Diskotheken Ein freundliches „Hey my friend!”, „Amigo!“, „English?“ oder die Frage nach der Uhrzeit – meist geht es einzig darum, Ihnen etwas zu verkaufen, bzw. dem Anbieten von privaten Restaurants, Schwarz-Verkauf von Zigarren oder auch weiblicher Schönheit. Zuerst reagiert man als Tourist noch nett, aber mit der Zeit kann es auch etwas lästig werden. Daher am besten von Anfang an freundlich aber bestimmt ignorieren und nicht auf ein Gespräch einlassen. Auf diese sogenannten „Jineteros“ (sinngemäß übersetzt „Schlepper“) trifft man vor allem an touristischen Orten. Vor allem auch in Bars und Diskotheken werden Touristen angesprochen.

Sie werden sich den ganzen Tag auf sie

freuen.

Z E I T F Ü R E I N E V A U E N.

H A N DM

A DE IN

Y GER M A N V A U E N P F E I F E N M A N U F A K T U R . M E I S T E R S T Ü C K E S E I T 18 4 8 .

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