Leseprobe aus: Irja Kass. Tot auf Probe. Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de

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Author: Hennie Lorenz
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Leseprobe aus:

Irja Kass

Tot auf Probe

Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de.

Copyright © 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Inhalt

   7 Aufzeichnungen nach dem Absturz   12 Robust wie ein Pferd   32 Reisen verlängert mein Leben   49 Im Paradies wird alles besser   67 Tag eins.   Die Frau mit den grünen Füßen   87 Tag zwei.   Nächtliche Geschäfte 106 Tag drei.   «No clean today» 145 Tag vier.   Jeder Moment ist wertvoll 154 Tag fünf.   Die Haut ist dann mal weg 170 Tag sechs.   Wo bleibt sie bloß, was macht sie denn? 188 Tag sieben.   Ich werde nie schlau aus meinem Hirn 206 Tag acht.   Das Übliche: «Hilf dir selbst,   dann hilft dir Gott» 243 In zwei Welten

Aufzeichnungen nach dem Absturz

Drei Tage schwieg ich, drei Tage schrieb ich. Heute, am siebten Tag, verfasste ich unter anderem die folgende ­E-Mail. Liebe Freunde! Hier dann das angekündigte Lebenszeichen von mir – ich hatte ja in meiner SMS versprochen, mich die Tage mal zu melden, ob am Telefon oder per Mail, sagte ich schlauerweise nicht. Mir ist in der Woche, die seit meiner Rückkehr aus Thailand vergangen ist, nämlich klar geworden, dass ich gar nichts von dieser meiner Sache erzählen kann, weder am Telefon noch persönlich, und schon gar nicht jedem Einzelnen. Selbst Steffen weiß noch kaum, was dort in Thailand eigentlich geschehen ist, aber zum Glück drängt er mich nicht, darüber zu reden. Zudem: Mit meinem Telefon kann ich zurzeit nichts anfangen, merkwürdig, ich habe es heute angeschaut wie ein Wunderding. Da mir ansonsten keine praktikablen Kommunikationswege einfallen, muss ich Euch wohl schreiben – eine Art Protokoll wie aus der Blackbox eines Flugzeugs, bei dessen Absturz alle Passagiere starben. Mit dem Unterschied, dass ich die Katastrophe überlebt habe. Meine Blackbox, das 7

heißt mein Kopf, der momentan noch von einem Expertenteam, also von mir, ausgewertet wird, hat überraschenderweise ein ganzes Buch aufgezeichnet, nur die Protokollführerin – das bin ebenfalls ich – kann nicht schneller schreiben. Natürlich könnte ich kurz und knapp mitteilen: «In Thailand war es furchtbar, der Heimflug mit starken Schmerzen verbunden, aber ich habe es geschafft, denn jetzt bin ich ja hier.» Ein paar weitere Fakten vielleicht noch, dass ich sehr krank war und jetzt noch bin und inwiefern genau. Aber ich will nicht kurz und knapp, ich will lang und ausführlich schreiben, nur so kann ich jede einzelne Erinnerung tilgen. Vorher kann ich nicht mit Euch sprechen. Aber Ihr solltet wissen, was dort geschah, sonst wisst Ihr nicht, wer ich jetzt bin. Es war die schlimmste Zeit, zumindest die schlimmste Woche, meines Lebens. Ich weiß, welche Frage Euch jetzt in den Kopf kommt, und die Antwort ist: «Ja, es war schlimmer als die Woche, in der ich erfuhr, dass ich Krebs habe.» Schlimmer auch als die Woche, in der ich zwei Jahre später erneut am Krebs erkrankte, mit der kleinen Veränderung, dass man mir kein halbes Jahr mehr zu leben gab. Diese Tage in Thailand waren grausamer als alle sonstigen schlimmen Zeiten in meinem Leben zusammen. Nun bin ich zwar zurück, zu Hause, aber irgendwie ganz woanders gelandet. Hier ist alles so neu und schön! Die Mohnblumen, die ich gerade von meinem Balkon aus sehe, die sind unglaublich. Dieses Rot! Wie macht die Natur das bloß, wie ist das möglich? Und warum? Warum gibt es so viel Schönheit auf der Welt – statt nur Hässlichkeit oder einfach nichts? In dieser neuen Welt vergesse ich sogar den Tod. Und 8

wie schlecht ich früher über ihn dachte! Nie war er gut genug für mich, ich wollte ihn immer beeinflussen, irgendwie austricksen, ihm meine Bedingungen unterjubeln, es war ein anstrengendes Geschachere. Weil ich glaubte, seine Möglichkeiten eingegrenzt zu haben, bin ich nie darauf gekommen, dass er mich genauso gut in einem fernen Land, das ich für mein Paradies hielt, ereilen könnte. Ich bin dankbar, dass er es sich doch noch anders überlegt hat, jetzt hat er einiges gut bei mir. Obwohl er sich in meinem Fall schon als ein besonders penetranter Geselle zeigt: Er lässt sich seit Jahren nur zeitweise von den Chemos vor die Tür drücken und lungert dort weiterhin herum. Ich muss immer meinen Koffer über ihn wuchten, wenn ich zum Flughafen eile. Er liegt mitten im Weg, hebt nicht mal mehr die Füße, um Platz zu machen. Fehlt noch, dass er mich nach einem Rückenkissen fragt, damit er es bequemer hat. Vielleicht mache ich Euch langsam Angst, aber meine Geschichte ist an den wenigsten Stellen zum Heulen. Zwar habe ich selten in meinem Leben so geweint wie nun beim Schreiben dieser Zeilen, aber manchmal kommen mir die Tränen nur vor Erleichterung oder sogar vom Lachen. Da es alles so schrecklich war, kann ich diese Dinge nur mit Distanz betrachten, um mich zu retten. Und Humor und Distanz sind bekanntlich Brüder im Geiste. Nur durch meinen schwarzen Humor habe ich schon viele schreckliche Dinge in meinem Leben unter Kontrolle gekriegt, sodass ich nicht verbittert oder ein gebrochener Mensch bin. Ich bin höchstens mal zeitweise eingebrochen. Und jetzt bin ich schon wieder dabei, mich aufzurappeln, mit Euch zusammen. Es war so schön zu hören, wie sehr Ihr Anteil an die9

ser Thailandsache genommen habt, natürlich wollten alle helfen, ich weiß das. Nur wie, wenn ich mich da selbst so dämlich reinmanövriert habe. Zu denjenigen, die mit Steffen zum Flughafen kommen wollten, um mich als Halbleiche abzuholen, möchte ich sagen: Das war so unglaublich lieb von Euch, wirklich. Aber ehrlich gesagt war ich Steffen dankbar, dass er allein kam. Er ahnte wohl doch ein wenig, in welchem Zustand ich landen würde. Gespenstisch sehe ich aus, dick einbandagiert, fast wie eine Mumie. Am Oberkörper trage ich ein T-Shirt aus zig Mullbindenrollen und an den Füßen weiße halbhohe Stiefel aus vermutlich ebenso vielen Rollen. Wirkt fast wie Gips. Die Hände sind unverbunden, aber die sehen aus wie Pellkartoffeln, ganz blutig, verkrustet, schlampig geschält. Und teilweise sind da solche ekelhaften … Also grauenvoll sehen sie aus. Aber im Vergleich zu den Füßen und zum Oberkörper wiederum wunderschön. Die Schmerzen sind zwar sofort da, sobald ich meinen Laptop zuklappe. Doch zumindest beim Schreiben fühle ich mich auf ganz sonderbare Weise gut, ich bin voller Inspiration oder einfach voller Endorphine, Dopamin, Serotonin und dem anderen Zeugs, das mein Hirn momentan in seinem Schreibrausch produziert. Es dampft jedenfalls ganz ordentlich. PS : Ich habe so viele Mails von Euch bekommen! Ich lese sie jetzt besser nicht, sonst fange ich noch an zu antworten, statt zuerst diese Mail an Euch alle wegzuschaffen. Fürs Erste aber vielen Dank! Schreibt mir einfach wieder, ich werde später alles lesen. Und noch ein Zusatz: Ich bin nicht mal in der Lage, das hier abzuschicken. Ist mir einfach zu viel mit den Adressen,

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alles ist so fremd geworden seit Thailand. Dieses Internet und überhaupt alles. Ich kenne mich in der Welt nicht mehr aus. Ich muss wohl warten, bis Steffen kommt, und ihn alles machen lassen. Eure (bald) wieder (gute) alte Irja

Robust wie ein Pferd

Ich dachte zunächst, es käme von den neuen Schuhen. Dabei fühlten sie sich im Laden noch so butterweich an, und überhaupt, ich trug sie nur drei Stunden lang. Ich saß damit in einem Restaurant, als ich so unangenehme Schmerzen bekam, dass ich sie unter dem Tisch aus- und erst für den Nachhauseweg wieder anzog. Zu Hause bekam ich sie kaum noch von den Füßen runter. Ich habe mir schon oft die Schuhe mühsam von den Füßen pulen müssen, aber noch nie habe ich ernsthaft daran gedacht, sie mit einer Schere aufzuschneiden. Natürlich tat ich es auch jetzt nicht, dazu waren sie einfach zu schön. Steffen erklärte sich netterweise bereit, mir die Füße mal ordentlich durchzukneten. Was wohl ein großer Fehler war. In den nächsten Tagen war trotzdem alles noch nicht so schlimm, ich hatte nur das Gefühl eines kolossalen Sonnenbrands und als hätte ich mir obendrauf noch dieselben Schuhe in einer zwei Nummern kleineren Ausgabe angezogen. Obwohl ich in der Wohnung immer barfuß lief, wurde ich dieses Gefühl nicht los. Schmerzhaft und lästig war das, aber durchaus auszuhalten, wenn man mit Schmerzen umgehen kann. Das können die meisten Krebskranken zwangsläufig. Als Steffen und ich am darauffolgenden Wochenende 12

Freunde in Freiburg besuchten, hatten sich die Füße etwas erholt, und ich war sogar übermütig genug, in die Stadt zum Shoppen zu gehen. Dort kam ich ganz schön in die Bredouille und musste schon wieder meine Schuhe ausziehen. Da auf Socken die Straße langzulaufen nur kurzzeitig Linderung brachte, sagte ich mir: «Kauf dir endlich mal größere und vor allem richtig gute, bequeme Schuhe, hast wahrscheinlich doch keine 38 mehr, was soll die Eitelkeit?» Am Montag waren auch diese neuen, zwei Nummern größeren Schuhe passé, von nun an konnte ich die Wohnung nur noch mit meinen großen, weichen Hausschuhen verlassen. Dabei träumte ich eigentlich von barfüßigem Schweben – am Tag und in der Nacht. Wenigstens waren meine Hausschuhe nicht mit überdimensionalen Häschenoder Tigerköpfen ausgestattet, sondern es waren ganz normale, mittelkuschelige Hauslatschen mit Fellrand. Aber selbst damit konnte ich nur ganz langsam und vorsichtig laufen, musste jeden Schritt sorgfältig positionieren. Für Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche und ähnliche Rentnerausflüge erfüllten sie aber ihren Zweck – Zeit hatte ich ja. Hauptsache, ich kam vorwärts, das Tempo spielte keine Rolle. Steffen fand zwar, ich solle meine Art der Fortbewegung nicht so anmaßend Laufen nennen, denn ihn erinnere das eher an modernen Tanz mit spastischen Elementen oder an die Bewegungen eines gekrümmt herumschleichenden, sehr langsamen und deshalb wohl kaum erfolgreichen Diebs. Aber ich bleibe dabei: Ich lief. Diese Aussage ist mit meinem Stolz besser vereinbar. Nach zehn Tagen ging ich zum Arzt. Die letzte Chemo lag drei Wochen zurück, also holte ich mir ganz regulär die dritte Dosis meines aktuellen Chemomittels und die Keine-Ahnung-wievielte-Dosis von einer anderen Infusion 13

ab. Anschließend sprach ich im Arztzimmer gegenüber meinem Doktor die seltsamen Fußschmerzen an – alles schön der Reihe nach. Er sah natürlich selbst, dass ich mit Hausschuhen in seinem Zimmer saß, fehlte nur noch der gestreifte Pyjama. Deshalb schlug er, kaum dass ich den Satz beendet hatte, die Hände über dem Kopf zusammen und rief: «Nein, das kommt von der Chemo, das ist das sogenannte Hand-Fuß-Syndrom – und wir haben Ihnen gerade eben noch eine neue Ladung Medikamente verpasst, o nein, nein.» Mein Arzt, Dr. Baum, ist kein ehrfurchteinflößender weißbärtiger Herr, bei dem ein plötzliches, verzweifeltes Nein unpassend wirken würde, sondern ein jugendlicher und sportlicher 47-jähriger Mann. Er hat zum Beispiel Ringe an der Praxisdecke hängen, auch wenn er vor den Patienten üblicherweise nicht daran herumturnt. Und er trägt keinen weißen Kittel, sondern T-Shirts und im Sommer sogar Sandalen und knielange Shorts. Ich vermute, dass er als Schuljunge ein kleiner Frechdachs war, so verschmitzt, wie seine hellgrauen Augen manchmal aufblitzen. Aber seine unerwartet jugendlich-energische Reaktion gerade hatte mich doch ein wenig erschreckt. Zu Beginn dieser neuen Chemotherapie hatte ich von ihm über ihre Nebenwirkungen nur erfahren: «Die Haut kann etwas empfindlicher werden.» Eine empfindliche Haut hatte ich allerdings seit Wochen schon. Steffen rieb mit seinen Händen nur mal zum Aufwärmen über meine Schultern, und ich schrie lauthals los. Sogar sanftes Streicheln am Unterarm fühlte sich an wie Schmirgeln mit Sandpapier. Aber das mit den Füßen – das war etwas ganz, ganz anderes als nur eine empfindliche Haut. Der Zusammenhang mit einer der üblichen Neben14

wirkungen meines Medikaments war mir nicht im Entferntesten in den Sinn gekommen. Stattdessen hatte ich zehn Tage lang die zu engen Schuhe verdächtigt. Also ehrlich, kann man noch dümmer sein? Ich denke: «Ja. Zumindest ich kann es – wie ich bald beweisen werde.» Von meinem Chemotherapeutikum wusste ich bis dahin nur, dass es ein sehr modernes Mittel ist, besonders geeignet für Krebspatienten mit erhöhtem Herzrisiko, da das Medikament in Fettmoleküle verpackt wird und deshalb das Herz ohne Schaden anzurichten passiert. Auch ich gehöre zu Krebspatienten mit Herzrisiko. Denn seit über zwei Jahren bekomme ich zusätzlich ein anderes Medikament – ein wirksames, aber herzschädigendes Mittel, das für Patienten mit einer HER /neu-Überexpression geeignet ist. Zu denen gehöre ich leider. Diese bestimmten Rezeptoren sind bei circa 25 bis 30 Prozent aller Patienten überexprimiert, das heißt besonders zahlreich vorhanden, und regen die Krebszellen zu einer vielfach schnelleren Teilung an, als es bei normalen Krebszellen der Fall wäre. Das reichte mir als Info, neben der Tatsache, dass die Haut empfindlicher wird, eben ein palmar-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom, wie es in der Fachsprache heißt, entsteht. Natürlich hätte ich den Mund früher aufmachen sollen, aber mir fiel nicht mal im Traum ein, meine «engen Schuhe» beim Arzt zu thematisieren. Damit hätte ich vielleicht die letzte Gabe des Medikaments verhindern können. Und zumindest hätte Dr. Baum so schon vorher die Dosis verringern oder andere Intervalle wählen können. Die Wirkung wäre natürlich geringer ausgefallen und die Zeit, bis sich eine Resistenz gegen das Mittel gebildet hätte, vermutlich auch. Dafür wäre aber die Lebensqualität erhalten geblieben – beziehungsweise überhaupt vorhanden gewe15

sen. Aber ich neige generell dazu, die Zähne so lange zusammenzubeißen, bis ich zur Einsicht gelange, dass ich die Schmerzen nicht mehr selbst in den Griff kriege. Dann erst suche ich endlich Hilfe. Es war ja nicht das erste Mal, dass ich zu spät reagierte. Allerdings war es das erste Mal mit so fatalen Folgen. Nachdem ich durch Dr. Baum vom Hand-Fuß-Syndrom erfuhr, stöberte ich nur halbherzig im Internet herum, las von Leuten, die von diesem Mittel so kaputte Hände bekommen hatten, dass man sie füttern musste. Sie konnten nämlich nichts mehr festhalten, nicht mal einen Löffel. Meine Hände fühlten sich damals nur so an, als hätte ich lange, ganz schwere Taschen getragen, aber es waren nicht wirklich Schmerzen. Auf Erfahrungsberichte über Fußprobleme stieß ich bei meiner Recherche nicht, höchstens auf Hinweise auf kribbelnde oder taube Füße von verschiedenen Chemos, die das Nervensystem angreifen, das heißt neuropathische Störungen oder eine Nervenentzündung verursachen können. Dr. Baums abschreckendstes Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung war ein Patient, der – so wie er erzählte – «meinte, trotz des Hand-Fuß-Syndroms auf einen Hügel hochstapfen zu müssen», und der danach heftige Blasen an den Füßen hatte. «Das kann jedem Wanderer passieren, der schlechte Schuhe trägt», dachte ich damals noch. Und ich hatte schließlich nicht vor, auf einen Berg zu steigen, also drohte keine Gefahr. Ein Merkblatt über das Hand-Fuß-Syndrom bekam ich erst nach meiner Heimkehr von der Thailandreise überreicht. Mein Arzt war davon ausgegangen, dass ich es schon längst bekommen hätte. Das Einzige, was mir von diesem verspäteten Zettel länger als zehn Minuten in Erinnerung blieb, war die Empfehlung, Händeklatschen zu vermeiden. 16

Obwohl ich diesen Rat vor der Reise noch nicht kannte, kann ich versichern, dass ich in dieser Zeit nicht in die Hände klatschte, am allerwenigsten vor Begeisterung. Jetzt, nach der Rückkehr, weiß ich natürlich alles über das Hand-Fuß-Syndrom alias palmar-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom. Dass es bei 49 Prozent der Patienten nach manchen Chemomitteln auftritt und neben Händen und Füßen auch andere Körperpartien befallen kann – wie die Mundschleimhäute, Achselhöhlen oder Ellbogen. Allerdings kommt das nicht sehr oft vor, weil der Patient meist schon vorher so starke Schmerzen hat, dass man die Therapie rechtzeitig abbricht oder auf eine andere umsteigt. Vorausgesetzt natürlich, der Patient teilt sich überhaupt mit. Das alles weiß ich jetzt, aber jetzt ist es zu spät. Mein Infofanatismus hat sich zum Glück mittlerweile gelegt, denn die fremden Schicksale in den Krebsforen im Internet machen mich oftmals noch trauriger als mein eigenes, selbst wenn diese Menschen nach rein medizinischen Maßstäben wesentlich besser dastehen sollten als ich. Ich kann Tage auf Seiten mit Krebstherapien, -statistiken und -studien verbringen, ausreichend informiert fühle ich mich trotzdem nie. Doch in diesem Fall zeigte sich, dass auch eine Befreiungsaktion fatal sein kann. Dabei war der Umstand, kein Krebsinfojunkie mehr zu sein, zu dieser Zeit ein großer Fortschritt für mich. Ich hatte mich phasenweise nämlich wirklich unmöglich verhalten. Im April 2004, einige Tage nach der ersten Krebsdiagnose, lieh ich alle auch nur annähernd aktuellen Medizinbücher über Brustkrebs in der Stuttgarter Stadtbibliothek aus und arbeitete sie in ungefähr einer Woche durch, sodass ich in der Lage war, meinem Arzt fundierte Fragen zu meiner Situation zu stellen. 17

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