Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte Eine geschlechterdifferenzierte Analyse

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte Eine geschlechterdifferenzierte Analyse Beiträge zur Gesundheitsförderung und Gesundheitsberichters...
Author: Sara Hafner
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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte Eine geschlechterdifferenzierte Analyse

Beiträge zur Gesundheitsförderung und Gesundheitsberichterstattung

Band 21

August 2016

Herausgeber: Bezirksamt Mitte von Berlin Abteilung Gesundheit, Personal und Finanzen OE Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination Mathilde-Jacob-Platz 1 10551 Berlin Telefon: 030 - 9018 32575 [email protected] http://www.berlin.de/qpk-mitte Bearbeitet von: Jeffrey Butler Bezirksamt Mitte von Berlin Abteilung Gesundheit, Personal und Finanzen

unter Mitarbeit von: Marie Blech, Thea Neumann, Tobias Prey, Fabian Thiel

Die Reihe “Beiträge zur Gesundheitsförderung und Gesundheitsberichterstattung” ist eine Veröffentlichungsreihe der OE Qualitätsentwicklung, Planung, Koordination Berlin-Mitte Die Beiträge sind im Internet als Download verfügbar.

Vorwort des Bezirksbürgermeisters Liebe Bürgerinnen und Bürger, sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich Ihnen unseren neuen Gesundheits- und Sozialbericht „Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse“ vorstellen zu können. Im ersten Teil werden die Unterschiede in den Lebenslagen von Frauen und Männern im Bezirk aufgezeigt, während sich der zweite Teil mit der unterschiedlichen gesundheitlichen Situation der beiden Geschlechter befasst. Lange Zeit wurde über die unterschiedlichen Ausgangspositionen für Männer und Frauen auf vielen Gebieten in unserer Gesellschaft hinweggesehen. Angestoßen durch die Forderungen der Frauenbewegung hat sich in den letzten Jahrzehnten die Gesetzeslage grundlegend verändert. So wird inzwischen verstärkt darauf geachtet, inwieweit tatsächlich eine Gleichstellung der Geschlechter realisiert wurde. Trotz aller Bemühungen, gleiche Chancen für Frauen und Männer in allen Lebensbereichen einzuräumen, gibt es noch immer bzw. erneut Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die nicht ohne weiteres durch biologische Unterschiede zu erklären sind. In diesem Bericht geht es darum, sowohl mögliche Ungleichheiten, die in der Lebenslage beider Geschlechter zu finden sind, aufzuzeigen, als auch die unterschiedliche gesundheitliche Situation von Frauen und Männern zu analysieren. Hierbei schaffen wir durch die nicht selbstverständliche Sichtweise auf die verschiedenen Lebensbereiche auch eine Datengrundlage für die Gleichstellungsarbeit im Bezirk. An dieser Stelle möchte ich auch allen danken, die an der Erstellung des Berichtes beteiligt waren. Ihr

Dr. Christian Hanke

I

Inhaltsverzeichnis Vorwort des Bezirksbürgermeisters

I

Inhaltsverzeichnis

II

Einleitung

1

Rollenverständnis von Frauen und Männern

1

Gender in der Gesundheits- und Sozialberichterstattung (GBE/SBE)

4

„Gender“ vs. „Geschlecht“

6

Teil I: Lebenslagen von Männern und Frauen im Bezirk Berlin-Mitte

7

1

Demografie und Haushaltsstruktur

8

1.1

Bevölkerungsstruktur

9

1.2

Migration

12

1.4

Haushalts- und Familienstruktur

13

1.4

Behinderung

15

1.5

Zusammenfassung

17

2

Erziehung und Bildung

19

2.1

Vorschulische Erziehung

19

2.2

Allgemeine Schulbildung

20

2.2.1 Verteilung der Schulabschlüsse in der Bevölkerung

21

2.2.2 Schulabsolvent*innen und -abgänger*innen

22

2.2.3 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen

24

2.3

Berufliche Bildung

26

2.3.1 Ausbildungsberufe

27

2.3.2 Hochschulbildung

30

2.4

32

Fort- und Weiterbildung

2.4.1 Berufliche Fort- und Weiterbildung

33

2.4.2 Volkshochschule (VHS)

34

2.5

Zusammenfassung

35

3

Arbeit, Haushalt, Freizeit

38

Wie die Zeit vergeht – Zeitverwendung von Männern und Frauen

38

Zeitverwendung in Haushalten mit Kindern

39

3.1

40

Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern

3.1.1 Erwerbsbeteiligung in Haushalten mit Kindern

42

3.1.2 Vollzeit- oder Teilzeiterwerbstätigkeit?

43

3.1.3 Frauen in Führungspositionen

44 II

3.1.4 Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in Berlin und Mitte

45

Exkurs: Geschlechtsverteilung bei den Beschäftigten im Bezirksamt Mitte

48

3.2

48

Arbeitsteilung im Haushalt

3.2.1 Arbeitsteilung in Haushalten mit Schulanfängern

49

3.2.2 Arbeitsteilung im Haushalt von älteren Menschen

51

3.3

52

Freizeitverhalten

3.3.1 Freizeitverhalten im Kindesalter

52

3.3.2 Freizeitverhalten im Jugendalter

54

3.3.3 Freizeitverhalten im Erwachsenenalter

56

3.3.4 Freizeitverhalten älterer Menschen

57

3.4

Zusammenfassung

58

4

Materielle Lage

62

4.1

Arbeitslosigkeit

62

4.2

Einkommen

64

4.3

Arbeitslosengeld II

67

4.4

Altersgrundsicherung

68

4.5

Armut und Reichtum

71

4.6

Zusammenfassung

72

5

Delinquenz, Kriminalität und Gewalt

74

5.1

Gewalt/Delinquenz im Kindes- und Jugendalter

74

5.1.1 Gewalt bei Jungen und Mädchen im Kindergartenalter

74

5.1.2 Gewaltvorfälle in der Schule

75

5.1.3 Leistungen des Jugendamtes

77

5.2

79

Kriminalität

5.2.1 Betroffenheit durch Opferdelikte

80

5.2.2 Häusliche Gewalt

82

5.4

84

Zusammenfassung

Teil II Geschlechterdifferenzierte Analyse der Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte

86

6

Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren

88

6.1

Arbeit und Gesundheit

88

6.1.1 Gesundheitliche Belastungen durch die Arbeitsbedingungen

88

6.1.2 Arbeit im Beruf und Haushalt

92

6.1.3 Arbeitslosigkeit

92

6.2

93

Gesundheitsverhalten

6.2.1 Bewegung

93 III

6.2.2 Ernährung

94

6.2.3 Rauchen

95

6.2.4 Alkoholkonsum

98

6.3

98

Gewichtsstatus

6.3.1 Gewichtsstatus von Kindern und Jugendlichen

99

6.3.2 Gewichtsstatus von Männern und Frauen

102

7

Krankenhausinanspruchnahme

108

7.1

Krankenhausinanspruchnahme von Männern und Frauen im Bezirk Mitte

108

7.1.1 Krankenhausinanspruchnahme nach ICD-Diagnose

108

7.1.2 Krankenhausinanspruchnahme im Lebensverlauf

112

7.2

Stationäre Morbidität von Männern und Frauen: Mitte im Vergleich der Berliner Bezirke

115

Ischämische Herzkrankheiten

117

Psychische und Verhaltensstörungen

119

Krankheiten des Atmungssystems

120

Krankheiten des Verdauungssystems

121

7.3

Zusammenfassung

123

8

Sterblichkeit

126

8.1

Allgemeine Sterblichkeit

127

8.2

Vorzeitige Sterblichkeit

128

8.3

Vermeidbare Sterblichkeit

129

Ischämische Herzkrankheiten

130

Krankheiten der Leber

131

Hypertonie und zerebrovaskuläre Krankheiten

132

Vermeidbare Sterblichkeit im zeitlichen Verlauf

133

8.4

Suizid

134

8.5

Lebenserwartung

136

Entwicklung der Lebenserwartung bei Männern und Frauen im zeitlichen Verlauf

138

8.6

Zusammenfassung

138

9

Handlungsansätze

126

Anhang

143

Glossar

143

Abkürzungen

146

Literatur

148

IV

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Einleitung Der vorliegende Bericht befasst sich mit der Gesundheit und den Lebenssituationen der Bevölkerung im Bezirk Mitte unter besonderer Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede ergeben sich aus einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Determinanten, die mehr oder minder starke Auswirkungen auf die beiden Geschlechter haben. Neben den biologischen Unterschieden zwischen Männern und Frauen spielen u.a. die im jeweiligen Milieu herrschende Sozialisation, die in den Familien ausgehandelte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, eventuelle Elemente der Geschlechterdiskriminierung, sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Gleichberechtigung eine wichtige Rolle. Unsere geschlechterdifferenzierte Bestandsaufnahme der gesundheitlichen und sozialen Lage der Bevölkerung in Mitte besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil stehen die sich unterscheidenden Lebenslagen der beiden Geschlechter im Mittelpunkt. Hierbei werden u.a. die Bereiche „Demografie und Haushaltsstruktur“, „Erziehung und Bildung“, „Arbeit, Haushalt, Freizeit“, „Materielle Lage“ sowie „Delinquenz, Kriminalität und Gewalt“ unter die Lupe genommen. Der zweite Teil des Berichts beschäftigt sich anhand der gesundheitswissenschaftlichen Literatur sowie mithilfe von bezirklich verfügbaren Daten verstärkt mit den gesundheitlichen Unterschieden zwischen den beiden Geschlechtern. In diesem Bericht wird der Fokus in erster Linie auf die Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern gelegt. Hierbei werden die regionalen Vergleiche, die normalerweise in der Gesundheits- und Sozialberichterstattung (GBE) im Vordergrund stehen, eher in den Hintergrund treten.

Rollenverständnis von Frauen und Männern Die Beschäftigung mit den Unterschieden zwischen den Geschlechtern in der Gesundheits- und Sozialwissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten erheblich an Komplexität gewonnen. Obgleich einige geschlechtsspezifische Unterschiede biologisch bedingt und relativ klar definiert sind, werden andere eher durch die spezifische Sozialisation von Männern und Frauen verursacht. Sie unterscheiden sich außerdem je nach sozialer Schicht und kultureller Herkunft. Seit dem 18. Jahrhundert setzte sich im Zuge der Industrialisierung die Trennung von Erwerbsarbeit und Familie durch und damit die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung.1 Dabei gilt die Frau als passiv, weich, gefühlsbetont und privat, der Mann dagegen als aktiv, hart, rational und öffentlich. Dieses Geschlechtermodell hat heute in westlichen oder westlich geprägten Ländern noch großen Einfluss. Abweichungen vom dominanten Geschlechterverständnis wurden seit jeher geahndet und resultieren auch heute noch in Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit. Prominente Beispiele in der Geschichte sind die Hexenverfolgung und die Verfolgung homosexueller Männer durch die Kirche, die Entwicklung eines Medizin- und Psychiatrieapparaten im 19. Jahrhundert, der sich auf abweichende Sexualitäten spezialisierte sowie die Verfolgung von Homosexualität und „Asozialität“ in der NS-Zeit.

1

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit herrschte die Organisationsform des „Ganzen Hauses“ vor, in der Familienmitglieder und Gesinde eine Erwerbs- und Lebensgemeinschaft bildeten. Mit der Arbeitsteilung ging auch ein Wandel des vorherrschenden Geschlechtermodells einher. Das Eingeschlechtermodell, dass Kind – Frau – Mann als Entwicklungsschritte mit dem Mann an der Spitze verstanden hat, wurde abgelöst vom Zweigeschlechtermodell, dass Mann und Frau als polare Gegensätze versteht und ihnen komplementäre Eigenschaften zuweist. (vgl. Hausen 1976)

1

Einleitung ___________________________________________________________________________ In Hinblick auf die Werteinstellungen der Bevölkerung kann anhand der ALLBUS-Befragung eine deutliche Entwicklung in den letzten Jahren hin zu einer egalitären Rollenverteilung in Hinblick auf die Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen festgestellt werden. Interessant ist das unterschiedliche Niveau in West- und Ostdeutschland, das sich nicht wesentlich angeglichen hat. Ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass obgleich Frauen insgesamt etwas egalitärer als Männer eingestellt sind, die jeweiligen Unterschiede zwischen Männern und Frauen kleiner ausfallen als die Unterschiede zwischen West und Ost. Ein großer Einfluss auf die Einstellungen zur Rolle der Frau im Erwerbsleben hat das Alter der Befragten (vgl. Blohm/Walter 2013 S. 385ff.). Schaubild: E 1: Anteil der Bevölkerung, die eine egalitäre Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau befürwortet (1991 - 2012) 100%

80%

60%

40%

20%

0% 1991

1996

2000

2004

Ostdeutschland

2008

2012

Westdeutschland

Quelle: Blohm/Walter 2013

In modernen Gesellschaften hat sich das traditionelle Rollenverständnis als gesellschaftliche Norm stark gelockert – sowohl durch faktische Notwendigkeiten (Frauenerwerbstätigkeit in Kriegszeiten) als auch durch Gesetzesänderungen, die auf politischen Druck entstanden sind. Es wird eine große Pluralität an Lebensentwürfen – sowohl für Männer als auch für Frauen – akzeptiert, die auch konkrete Auswirkungen auf andere Lebensbereiche haben. Langsam passen sich auch die sonstigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an diese veränderten Lebensweisen an, z. B. in Form von Regelungen in Bezug auf Elterngeld und Kinderbetreuung als auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sodass der individuelle Spielraum zunehmend größer wird. Inzwischen werden vom Statistischen Bundesamt regelmäßig Auswertungen zum Bezug von Elterngeld durch Mütter und Väter über die Zeit durchgeführt. In einer neuen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes wurde die Väterbeteiligung am Elterngeld in den deutschen Bundesländern vom 1. Quartal 2008 bis zum gleichen Quartal 2015 aufgezeichnet. Insgesamt hat sich die Väterbeteiligung im untersuchten Zeitraum kontinuierlich erhöht. Lag die prozentuale Beteiligung der Väter deutschlandweit bei 19,2% im 1. Quartal 2008 hat sie sich bis auf 33,2% im 1. Quartal 2015 erhöht (Statistisches Bundesamt 2016).

2

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Schaubild E2 zeigt die Elterngeldbeteiligung der Väter als Anteil an allen im Jahr 2014 geborenen Kindern für die deutschen Bundesländer. Interessant sind insbesondere die regionalen Unterschiede. Zwischen dem Spitzenreiter und dem Schlusslicht liegen mehr als 21%. Mit 44,2% der Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen, liegt Sachsen fast zweimal so hoch wie das Saarland (23,0%). Mit 37,5% liegt Berlin im oberen Mittelfeld.

Nicht nur in Bezug auf den Anteil der Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen, gibt es größere regionale Unterschiede. Auch bei der Bezugsdauer werden größere Unterschiede zwischen den Bundesländern evident (vgl. Schaubild E3). Beträgt die durchschnittliche Bezugsdauer in Bayern 2,7 Monate, liegt sie im Stadtstaat Bremen deutlich höher mit 4,0 Monaten. Mit einer durchschnittlichen Bezugsdauer von 3,8 Monaten belegt Berlin den zweithöchsten Platz in der Rangordnung der Bundesländer. Obgleich z.T. ein grober Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation in den Bundesländern zu sehen ist (die wirtschaftlich schwache Stadtstaat Bremen ist Spitzenreiter, während das wirtschaftlich starke Bundesland Bayern den letzten Platz belegt), ist dieser Zusammenhang nicht durchgängig. Um die unterschiedliche Inanspruchnahme der beiden Geschlechter zu verdeutlichen, muss auch die durchschnittliche Bezugsdauer der Mütter betrachtet werden (nicht gezeigt). Hier gibt es wenig Varianz zwischen den Bundesländern zu beobachten. Mit einer durchschnittlichen Bezugsdauer in Deutschland von 11,6 Monaten beträgt die Höchstdauer 11,8 Monate unter den Müttern im Saarland und die niedrigste Bezugsdauer 11,3 Monate in Berlin. 3

Einleitung ___________________________________________________________________________ Im Gegensatz zum Anteil der Väter, die sich am Elterngeld beteiligen, zeigt sich in Hinblick auf die durchschnittliche Bezugsdauer vom Elterngeld bei den Vätern keine Steigerung im Laufe der Zeit. Bei einem Vergleich der Bezugsdauer der Väter am Elterngeld in Deutschland zwischen dem 2. Quartal 2009 und dem gleichen Quartal 2012 hatte sich die durchschnittliche Bezugsdauer im betrachteten Zeitraum von 3,5 auf 3,2 Monaten reduziert (Statistisches Bundesamt 2013). Aus Schaubild E3 ist zu entnehmen, dass die durchschnittliche Bezugsdauer der Väter inzwischen weiter auf 3,1 Monate gesunken ist.

Das tradierte Rollenverständnis von Männern und Frauen wirkt jedoch noch immer in einer ganzen Reihe von gesellschaftlichen Bereichen weiter, die sich nur langsam ändern. Hierunter sind insbesondere die schlechtere Bezahlung in traditionellen „Frauenberufen“ und die schlechteren Karrieremöglichkeiten in Berufen, wo sie mit Männern konkurrieren, zu erwähnen. In Hinblick auf die gegenwärtig existierenden gesundheitlichen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern geht man davon aus, dass die geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen einen erheblichen Beitrag zu den Unterschieden in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen leisten. Hierbei wird insbesondere auf die Unterschiede in der Art der Erwerbsbeteiligung sowie auf das unterschiedliche Risikoverhalten der beiden Geschlechter hingewiesen. Darüber hinaus trägt das tradierte Männerbild dazu bei, dass Männer oft sehr spät wegen gesundheitlicher Belange zum Arzt gehen.

Gender in der Gesundheits- und Sozialberichterstattung (GBE/SBE) Dank der Impulse aus der Frauengesundheitsbewegung fing die gendersensible Betrachtung der Gesundheit auf Bundesebene mit der weiblichen Seite des Themas früh an. Als Reaktion u.a. 4

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ auf die Tatsache, dass bis dahin die Medizin und auch die Medikamentenforschung in erster Linie „Männermedizin“ war, entstand der „Bericht zur gesundheitlichen Situation der Frauen in Deutschland“ (BMFSFJ 2001). Dieser Bericht entstand auch im Kontext der insbesondere in den 80er Jahren in Deutschland neu aufkeimenden Frauengesundheitsforschung (vgl. Schneider 1981) und lieferte wichtige Erkenntnisse über die gesundheitliche Situation von Frauen und richtete das Augenmerk erstmalig auf Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Gesundheitszustand und in der gesundheitlichen Versorgung. Auf Länderebene sind seither Frauengesundheitsberichte in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt erschienen. Hiervon sind die Berichte aus den Ländern Brandenburg, Bremen und Hamburg wegen ihrer engagierten und differenzierten Herangehensweise besonders hervorzuheben. Auch auf kommunaler Ebene gab es einige Frauengesundheitsberichte. In diesem Zusammenhang sind Berlin-Hohenschönhausen, Bremen-Tenever, Hamburg und der Kreis Lippe zu erwähnen. In den o.g. Berichten wurden die neuesten Forschungserkenntnisse zur Frauengesundheit diskutiert, umsetzbare Handlungsempfehlungen formuliert und neue Handlungsfelder beschrieben (vgl. Bundeskoordination Frauengesundheit 2006). Auch in Berlin-Mitte gab es im Auftrag des Bezirksamtes den Bericht „Frauen in Berlin-Mitte – eine Sozialstudie“ (vgl. Schmidtke et al. 2015). Dies basierte in erster Linie auf einer Befragung von Frauen im Bezirk und enthielt einige Fragen zur Gesundheit. Das Thema Männergesundheit dagegen kommt erst jetzt – mit fast zehnjähriger Verspätung – in der Wissenschaft, Gesundheitsberichterstattung und Praxis an. Diese Verzögerung kommt möglicherweise daher, weil die Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit bislang nicht sehr stark in der männlichen Sozialisation verankert ist (vgl. die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen). Im „Ersten Deutschen Männergesundheitsbericht“ (vgl. Bardehle, Stiehler et al. 2010) wurde erstmalig der Blick bewusst auf die gesundheitlichen Auffälligkeiten der männlichen Bevölkerung gerichtet. Es folgte darauf eine Reihe von Männergesundheitsberichten auf kommunaler (u.a. Berlin-Lichtenberg 2011) und Länderebene – zuletzt „Jungen- und Männergesundheit in Baden-Württemberg 2015“. Das Robert-Koch-Institut gab 2014 ebenfalls einen umfangreichen Bericht zur gesundheitlichen Lage der Männer in Deutschland heraus. Idealerweise sollte die Analyse gesundheitlicher Problemlagen unter konsequenter Einbeziehung der relevanten Einflussfaktoren (einschließlich des Geschlechtes) von sich aus gendersensibel sein. In der Praxis geht der Aspekt der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der gesundheitlichen und sozialen Lage der Bevölkerung oft in der Fülle der sonstigen Ergebnisse verloren. Bewusst gendersensible Gesundheitsberichte sind in Deutschland noch seltener als Männer- oder Frauengesundheitsberichte. Auf Landesebene war Nordrhein-Westfalen ein Vorreiter im Bereich der gendersensiblen GBE mit dem Bericht „Gesundheit von Männern und Frauen“ aus dem Jahr 2000 (NRW 2000). Vom Robert Koch-Institut gab es bislang die beiden Berichte „Gesundheit in Deutschland“ (RKI 2006 sowie 2015), einen Bericht zur Gesundheit von Frauen und Männern im mittleren Lebensalter (RKI 2005), sowie die ersten Ergebnisse der beiden RKI-Studien „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS-Studie) und „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA-Studie). Auf kommunaler Ebene sind Berichte dieser Art oft nicht auf Routinestatistik (Ausnahme: Stadt Bremen 2007 sowie 2013), sondern ebenfalls auf repräsentativen Erhebungen basiert, wie z.B. die Berichte der Stadt München zur „Gesundheit von Männern und Frauen verschiedener Lebensalter“ (vgl. Stadt München 2004 sowie 2007). Eine Sozialberichterstattung mit besonderem Blick auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen erfolgte bislang sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Dies fand in Form 5

Einleitung ___________________________________________________________________________ von sogenannten „Gender-Datenreporten“ statt – auf Bundesebene vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Cornließen, hrsg. 2005) und auf Landesebene in Berlin von der zuständigen Senatsverwaltung (jetzt Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen) zusammen mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (bisher jährlich von 2009 bis 2014). Auch der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung: „Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“ (BMFSFJ 2011, kann hiermit eingereiht werden. Im Rahmen der kommunalen Sozialberichterstattung veröffentlichte die Stadt Düsseldorf 2010 eine gut anschauliche Analyse der „Lebenssituation von Männern und Frauen in Düsseldorf“.

„Gender“ vs. „Geschlecht“ Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Lebenslagen von Männern und Frauen in der heutigen Gesellschaft kommt man früher oder später mit dem englischsprachigen Begriff „gender“ in Kontakt, der aber irrtümlicherweise oft eins zu eins mit dem deutschen Wort „Geschlecht“ gleichgesetzt wird. Dabei ist Gender das Verständnis von „Geschlecht“ als sozialer Kategorie, die immer im Zusammenhang mit weiteren sozialen Unterscheidungen steht. Mit dem Begriff „Geschlecht“ werden im Alltag meist biologisch fixierte Unterschiede assoziiert, die im Englischen im Gegensatz zu „gender“ als „sex“ bezeichnet werden. Was genau Geschlecht bedeutet, hat sich historisch vielfach geändert und ist immer abhängig von gesellschaftlichen Normen. Das biologische Geschlecht ist also nicht die Grundlage von Gender – sie müssen auch nicht übereinstimmen. Gender markiert das Zusammenspiel aus biologischen Faktoren wie dem Chromosomensatz, historischen und sozialen Faktoren wie der geschlechtlichen Arbeitsteilung, kulturellen Faktoren wie Kleidung oder Haarschnitt und rechtlichen bzw. politischen Faktoren wie die Namensgebung, die nach deutschem Recht eine eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht erzwingt.

6

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Teil I: Lebenslagen von Männern und Frauen im Bezirk Berlin-Mitte Im ersten Teil dieses Berichtes werden anhand einer Reihe von Indikatoren die unterschiedlichen Lebenslagen von Männern und Frauen betrachtet. Um die unterschiedliche Lebenssituation von Frauen und Männern möglichst differenziert zu erfassen, wird der Begriff der „Lebenslage“ aus der Armuts- und Reichtums-Berichterstattung der Bundesrepublik Deutschland verwendet (BMAS 2008). Lebenslage bezieht sich danach auf ein sozialwissenschaftliches Konzept, in welchem das Zusammenspiel von ökonomischen, sozialen und kulturellen Faktoren in den konkreten Lebensverhältnissen von Individuen und sozialen Gruppen erfasst wird. Als Lebenslagen werden die individuellen Handlungsspielräume definiert, die von einer Vielzahl von individuell nicht beeinflussbaren strukturellen Faktoren begrenzt werden. Diese Spielräume haben einzelne Personen bzw. Paare oder Familien für die Befriedigung aller ihrer materiellen und immateriellen Bedürfnisse zur Verfügung. Zur Lebenslage gehören ökonomische, nicht-ökonomische und immaterielle, objektive und subjektive Dimensionen (z. B. Einkommensniveau, Wohnqualität, Gesundheit und Wohlbefinden). Insgesamt kommt dem Haushaltseinkommen eine zentrale Bedeutung zu, weil damit der Zugang zur Befriedigung zahlreicher anderer Interessen gewährt bzw. verwehrt ist. Eine gesonderte Betrachtung der Lebenslage von Frauen und Männern in der Bevölkerung bringt auch methodische Probleme mit sich, da diese meist zusammen in einem Haushalt wohnen und dementsprechend gemeinsam wirtschaften. Im vorliegenden Bericht wird zunächst mithilfe einer Literaturanalyse die Lebenslage von Männern und Frauen in Deutschland näher betrachtet. Anschließend wird die Situation in Berlin bzw. in Berlin-Mitte dargestellt. Hierbei werden u.a. die Ergebnisse einer Sonderauswertung des Mikrozensus zu wichtigen Indikatoren wie Familienstand, Haushaltszusammensetzung, Schul- und Berufsbildung, Erwerbsbeteiligung sowie Pro-Kopf-Nettoeinkommen aufgeführt. Die Analyse in diesem Bericht wird soweit wie möglich auf Daten der amtlichen Statistik gestützt. Im Vordergrund stehen hier die Zusammensetzung der Bevölkerung sowie verschiedene Indikatoren der sozialen Lage, z. B. Bildung, Einkommen, Beteiligung am Erwerbsleben, Armut und Reichtum sowie der Erhalt von ALG II und Altersgrundsicherung. Für die meisten Indikatoren werden in diesem Zusammenhang geschlechterdifferenzierte Vergleiche von Berlin und Mitte unternommen. Bisweilen werden auch diesbezügliche Analysen der Berliner Bezirke bzw. der Bezirksregionen in Mitte durchgeführt. In einigen Bereichen sind jedoch lediglich geschlechterdifferenzierte Daten für ganz Berlin oder ganz Deutschland verfügbar. Um Sachverhalte zu beleuchten, die nicht ohne weiteres durch die amtliche Statistik zugänglich sind, wird mithilfe von Daten und qualitativen Erkenntnissen aus der kommunalen Verwaltung gearbeitet. Diese schließen u.a. Bereiche wie Volkshochschule, Bibliotheksnutzung, Jugendfreizeitangebote sowie Seniorenbetreuung ein.

7

Demografie und Haushaltsstruktur ____________________________________________________________________________

1

Demografie und Haushaltsstruktur

Bevölkerung im Bezirk Mitte (31.12.2015):

363.236

männlich:

187.931

weiblich:

175.305

Im Schaubild 1.1 wird die Anzahl der Männer und Frauen in den Berliner Bezirken am 31.12. 2015 abgebildet. Mit einer Bevölkerung von 187.931 männlichen gegenüber 175305 weiblichen Einwohnern weist Mitte einen auffälligen Männerüberhang auf (s. unten). Mit insgesamt 363.2362 Einwohnern verzeichnete Mitte ein Zuwachs von 6730 gegenüber 2014 und bleibt der zweitgrößte Bezirk in Berlin.

2

In diesem Bericht werden die Bevölkerungsangaben für Berlin, die Bezirke sowie die Unterteilungen von Mitte anhand der Statistik der Einwohnermelderegister vorgenommen, obgleich hierbei die Bevölkerung z.B. des Bezirks Mitte um ca. 20.000 Menschen größer gezählt wird, als zum Stichtag des Zensus am 31.05.2011. Da die Angaben des Zensus nicht kleinräumig auswertbar bzw. nicht nach Migrationshintergrund differenzierbar sind, muss für Zwecke der Berichterstattung die obenerwähnte Diskrepanz in Kauf genommen werden.

8

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Es fällt auf, dass das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Männern und Frauen in keinem Bezirk ganz ausgeglichen ist. Ausgeglichen ist das Verhältnis am ehesten in Neukölln mit 1584 mehr Frauen als Männern. In lediglich zwei Bezirken – Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg – gibt es mehr Männer als Frauen. In allen anderen Bezirken liegen deutliche Frauenüberhänge vor – in Steglitz-Zehlendorf umfasst der Überhang 17.921, sodass auch im Land Berlin als Ganzem mehr Frauen als Männer wohnen (insgesamt 51.518). Im Bezirk Mitte stieg der bereits in den letzten Jahren zu beobachtende Männerüberhang auf mittlerweile 12.626 Personen. Die Unterschiede im zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Männern und Frauen sind nicht so stark in den Bezirksregionen (BZR) von Mitte (vgl. Schaubild 1.2) wie zwischen den Berliner Bezirken. Bis auf einen mehr oder weniger großen Männerüberhang in den Bezirksregionen Wedding Zentrum (3741 Personen), Moabit-West (2017 Personen) sowie Osloer Straße (1902 Personen) sind die Geschlechter in den anderen BZR relativ gleich stark vertreten.

1.1 Bevölkerungsstruktur Die Struktur der Bevölkerung ist ein wichtiger Indikator für die Gesundheits- und Sozialberichterstattung insbesondere, wenn sie eine Basis für Fachplanungen aller Art liefern soll. Die 9

Demografie und Haushaltsstruktur ____________________________________________________________________________ Darstellung nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Altersjahr im nachfolgenden „Altersbäume“ für den Bezirk Mitte und für ganz Berlin (Schaubilder 1.3 und 1.4) erlaubt sehr differenzierte Aussagen über die Zusammensetzung der jeweiligen Bevölkerung.

0

20

40

60

80

100 +

Schaubild 1.3: Melderechtlich registrierte Bevölkerung in Berlin Mitte nach Geschlecht, Altersjahren und Migrationshintergrund (31.12.2015)

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

0

männlich Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Datenpool

Ausländer

1.000

2.000

3.000

4.000

weiblich DmMH

10

DoMH

Männer-/Frauenunterzahl

5.000

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

0

20

40

60

80

100 +

Schaubild 1.4: Melderechtlich registrierte Bevölkerung in Berlin nach Geschlecht, Altersjahren und Migrationshintergrund (31.12.2015)

45.000

35.000

25.000

15.000

5.000

männlich Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Datenpool

Ausländer

5.000

15.000

25.000

35.000

45.000

weiblich DmMH

DoMH

Männer-/Frauenunterzahl

Wie in den vergangenen Jahren fällt im Schaubild 1.3 der hohe Anteil an Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund (MH) im Bezirk Mitte auf – hauptsächlich in den Jahrgängen bis zu ca. 60 Jahren. Die Anteile der Ausländer und Deutschen mit MH betragen in den Alters11

Demografie und Haushaltsstruktur ____________________________________________________________________________ gruppen bis zu ca. 18 Jahren deutlich über 50% der jeweiligen Jahrgänge. Hinsichtlich der Verteilung der beiden Geschlechter in den einzelnen Jahrgängen fallen hauptsächlich drei Phänomene auf: Der seit Jahren – auch deutschlandweit – zu beobachtende Frauenüberhang in den älteren Jahrgängen existiert weiter. Gegenüber z.B. dem Jahre 2005 (vgl. BA Mitte 2006) hat sich jedoch die untere Grenze dieses Überhangs etwas nach oben verschoben – bis auf ca. 70 Jahre. Zweitens, der aus der Gesamtzahl der Männer und Frauen festgestellte Männerüberhang im Bezirk zeigt sich besonders in den Jahrgängen zwischen 25 und 60 Jahren. Drittens gibt es in den Jahrgängen bis ca. 18 Jahre ebenfalls leichte Männer-(Jungen-) Überhänge. Ein Vergleich der Schaubilder 1.3 und 1.4 zeigt, dass Mitte ein relativ „junger“ Bezirk im Vergleich zu Berlin ist. Während die Altersgruppen der 65 bis unter 80-Jährigen sowie die Gruppe der über 80-Jährigen in Berlin deutlich stärker als in Mitte belegt sind, zeigen sich in Mitte die Altersgruppen zwischen 18 und 39 Jahren sehr ausgeprägt. Bei den unter 18-Jährigen zeigen sich Mitte und ganz Berlin ziemlich ähnlich, wobei die Anteile der beiden Geschlechter in den einzelnen Altersgruppen ebenfalls relativ ausgeglichen sind. Insgesamt ist das prozentuale Verhältnis der Geschlechter zueinander in Berlin und Mitte ähnlich. Die im Schaubild 1.3 zu beobachtende unterschiedliche Stärke der beiden Geschlechter nach Altersgruppe in Mitte findet man auch etwas abgewandelt im gesamten Berlin. Der in Mitte beobachtete Männerüberhang in der Gruppe der 40 bis unter 55-Jährigen ist in Berlin nicht so ausgeprägt – hierfür ist jedoch der Frauenüberhang in Gesamtberlin deutlich ausgeprägter als in Mitte.

1.2 Migration Im Bezirk Berlin-Mitte wohnen sehr viele Menschen, deren Leben durch Migration beeinflusst wurde. Diese Tatsache wird sowohl in der sozialen Lage als auch im Gesundheitszustand der bezirklichen Bevölkerung reflektiert. Eine genauere Betrachtung der Bevölkerung in Mitte zeigt jedoch, dass die Gruppe der Bewohner mit Migrationshintergrund in sich sehr heterogen ist. (vgl. BA Mitte 2012). In die Gruppe der Deutschen mit Migrationshintergrund fallen u.a. Spätaussiedler, Eingebürgerte und insbesondere jüngere Kinder nichtdeutscher Eltern. Viele dieser Menschen befinden sich jedoch in einer ähnlichen Lebenssituation wie das Gros der Einwohner nichtdeutscher Staatsangehörigkeit. Am 31.12.2015 wohnten 113.186 Menschen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit im Bezirk Mitte – d.h. ca. 31% der bezirklichen Bevölkerung. Hiervon sind 52.663 Frauen und 60.523Männer3. Darüber hinaus hatten 65.393 der deutschen Bewohner von Mitte (18,6% der Bevölkerung) einen Migrationshintergrund (vgl. Schaubild 1.5). Analog zur ganzen Bevölkerung gibt es bei Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte mit 33.519 Männern gegenüber 31.874 Frauen ebenfalls einen deutlichen Männerüberhang. Insgesamt gibt es 9517 mehr Männer als Frauen im Bezirk mit einem Migrationshintergrund. Möglicherweise handelt es sich hier um Arbeitsmigration.

3

Folgende Angaben schließen Menschen, deren Herkunft nicht eindeutig zuordnungsbar war, ein.

12

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Schaubild 1.5: Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Berlin Mitte nach Geschlecht, Herkunft und Migrationsstatus (31.12.2015)

7.822

10.361

11.222

2.215

12.194

5.341

1.306

5.765

21.000

Quelle: Amt für Statistik BerlinBrandenburg - Datenpool

14.000

2.380

4.079

3.622

3.480

2.720

7.669

1.213

3.084

3.797

10.383

0 männlich Ausländer

1.118

6.654

11.741

7.000

4.275

4.161

4.462

2.424

958

2.147

9.748

6.893

2.510

6.990

7.000

5.124

14.000

21.000

weiblich DmMH

Bei der Betrachtung des Schaubildes fallen einige Sachverhalte auf. Bis auf Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion gibt es in jeder Herkunftsgruppe mehr Männer als Frauen. Einen deutlichen Männerüberhang gibt es insbesondere bei der arabischstämmigen Bevölkerung (3.798) und bei Menschen aus der alten EU (2.514) sowie bei Menschen türkischer Herkunft (1.693).

1.4 Haushalts- und Familienstruktur Auch die Struktur der Haushalte in einem Gebiet spielt eine bedeutende Rolle, wenn die Lebensbedingungen der dort wohnenden Männer und Frauen betrachten werden. Hier könnte es sowohl potentielle Problemkonstellationen in Hinblick auf fehlende soziale Kontakte bei alleinlebenden Männer und Frauen als auch in Bezug auf eine ausbleibende Unterstützung im Alltag in Haushalten von alleinerziehenden Eltern geben. Schaubild 1.6 zeigt anhand der Ergebnisse des Mikrozensus die Struktur der Haushalte in den Berliner Bezirken nach Größe im Jahr 2014. Hierbei werden z.T. große Unterschiede zwischen den Bezirken deutlich, insbesondere beim Anteil der Einpersonenhaushalte. Im Kontext dieses 13

Demografie und Haushaltsstruktur ____________________________________________________________________________ Berichtes sind die Einpersonenhaushalte außerdem in Hinblick auf das jeweilige Verhältnis der beiden Geschlechter von Interesse.

Interessant an dieser Darstellung ist die Tatsache, dass Mitte mit 34,9% den höchsten Anteil an männlichen Einpersonenhaushalten in Berlin verzeichnet. Dies korrespondiert vermutlich mit dem hohen Männerüberhang im jüngeren Erwachsenenalter, der im Schaubild 1.2 dargestellt wurde, sowie mit dem hohen Anteil an ledigen Männern (vgl. Schaubild 1.6). Mit 26,6% dagegen liegt der Anteil der weiblichen Einpersonenhaushalte eher im unteren Mittelfeld. Insgesamt hat Mitte den höchsten Anteil an Einpersonenhaushalten in den Berliner Bezirken, aber auch den zweithöchsten Anteil an Haushalten mit 4 Personen und mehr. In Hinblick auf die möglichen Belastungen, die mit der Situation der alleinerziehenden Eltern zusammengehen, lohnt es sich auch die Haushaltsstruktur etwas detaillierter zu betrachten. Im Schaubild 1.7 werden die Haushalte, die aus Erwachsenen mit Kindern bestehen, d.h. „Familien“, nach ihrer Zusammensetzung analysiert. Hierbei wird zwischen Paaren mit Kindern sowie alleinerziehenden Müttern und Vätern differenziert. Wie aus der Literatur bekannt, setzt sich der Großteil der alleinerziehenden Eltern aus Müttern zusammen. In Berlin bestehen insgesamt 30,9% der Familien aus alleinerziehenden Müttern mit Kindern, während nur 4,5%, alleinerziehende Väter waren.

14

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Interessant sind auch die Verhältnisse in den einzelnen Bezirken. Während 71,6% der Familien in Mitte aus Paaren mit Kindern bestehen, sind es in Lichtenberg dagegen nur 56,3%. Beim Anteil an alleinerziehenden Vätern liegt Mitte im Berliner Durchschnitt, während er den niedrigsten Anteil an alleinerziehenden Müttern in den Berliner Bezirken aufweist.

1.4 Behinderung Das Vorliegen einer Behinderung kann, je nach Behinderungsart und Schweregrad, eine ganze Reihe von Lebensbereichen beeinträchtigen – von der Wohnsituation, über die Teilhabe an Bildung und Ausbildung und die Chancen der Beteiligung am Erwerbsleben bis hin zur Möglichkeit der selbstbestimmten Mobilität. In einer Gesellschaft, die die Leistungsfähigkeit des Menschen in den Vordergrund stellt, kann eine wahrgenommene körperliche oder geistige Beeinträchtigung schnell zur Diskriminierung oder Benachteiligung der Betroffenen führen. Frauen und Männer sind auch im unterschiedlichen Ausmaß von Behinderungen betroffen – sowohl hinsichtlich der Behinderungsart als auch in Hinblick auf die Altersverteilung. Schaubild 1.8 zeigt die Geschlechterverteilung der Menschen mit einer Schwerbehinderung im Bezirk Mitte (> 50% GdB = Grad der Behinderung) für eine Auswahl von Behinderungsarten zum 31.12.2014.

15

Demografie und Haushaltsstruktur ____________________________________________________________________________

Insgesamt sind Frauen mit 51,4% etwas häufiger als Männer von Behinderungen betroffen. Sind diese hauptsächlich konstitutionell bedingt (z. B. Sprach- oder Sprechstörungen, Taubheit), nehmen sich die beiden Geschlechter nicht viel. Männer sind häufiger von einer Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen sowie von Suchterkrankungen betroffen. Frauen dagegen sind häufiger durch Behinderungen beeinträchtigt, die verstärkt im fortgeschrittenen Alter auftreten (z. B. Blindheit und Sehbehinderung sowie Funktionseinschränkung von Gliedmaßen).

Schaubild 1.9 stellt die Anzahl der Frauen und Männer im Bezirk Mitte mit einer Schwerbehinderung (> 50% GdB) in sechs Altersgruppen dar. In Hinblick auf die Geschlechterverteilung Menschen mit einer Schwerbehinderung gibt es einige Unterschiede zwischen den ausgewerteten Altersgruppen. In den Altersgruppen bis ca. 54 Jahren weisen stets mehr Männer als Frauen

16

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ eine Behinderung auf. In den Altersgruppen bis 74 Jahren ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. In der Altersgruppe ab 75 Jahre dominieren dagegen eindeutig die Frauen. Insgesamt gibt es in Mitte etwas mehr Frauen (17.731) als Männer (16.793) mit einer Schwerbehinderung.

Da die Gesamtzahl der Frauen und Männer je nach Altersgruppe unterschiedlich hoch ausfällt, ist es nötig, die Anzahl der schwerbehinderten Personen auch im Verhältnis zur gesamten Zahl der Männer bzw. Frauen in den verschiedenen Altersgruppen zu setzen (vgl. Schaubild 1.10). In der prozentualen Aufstellung von Schwerbehinderung nach Geschlecht und Altersgruppe in Mitte wird deutlich, dass Frauen lediglich in den Altersgruppen von 45 - 64 anteilig stärker von Behinderung betroffen sind. Der höhere Anteil bezogen auf alle Altersgruppen erklärt sich vor allem an der deutlich höheren Fallzahl der Altersgruppe 75+. Insgesamt weisen Frauen etwas häufiger als Männer (10,3% gegenüber 9,1%) eine Schwerbehinderung auf.

1.5 Zusammenfassung Am 31.12.2015 waren 363.236 Menschen mit ihrem Hauptwohnsitz im Bezirk Mitte angemeldet. Damit ist Mitte der zweitgrößte Berliner Bezirk. Die männliche Bevölkerung im Bezirk beträgt 187.931 Personen, während es nur 175.305 Bewohnerinnen gibt. Das bedeutet, dass Mitte einen erheblichen Männerüberhang aufweist. Dabei ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Männern und Frauen in keinem Bezirk Berlins ausgeglichen – in den allermeisten Bezirken gibt es jedoch einen Frauenüberhang. In Mitte gibt es insbesondere Männerüberhänge in den Bezirksregionen (BZR) Wedding Zentrum und Osloer Straße. Bevölkerungsstruktur Es fallen insbesondere drei Phänomene bei der Verteilung der beiden Geschlechter auf: Den in Deutschland bekannten Frauenüberhang in den älteren Jahrgängen gibt es in Mitte immer noch. Die untere Grenze dieses Überhangs hat sich jedoch seit 2005 etwas nach oben verschoben – bis auf ca. 70 Jahre. Der Männerüberhang im Bezirk zeigt sich besonders in den Jahrgängen 17

Demografie und Haushaltsstruktur ____________________________________________________________________________ zwischen 25 und 60 Jahren. In den Jahrgängen bis ca. 18 Jahre sind Jungen etwas stärker vertreten. Bei einem Vergleich der Altersstruktur der Frauen und Männer in Mitte sowie in Berlin insgesamt kann festgestellt werden, dass Mitte ein relativ „junger“ Bezirk ist. So ist die Altersgruppe zwischen 25 und 40 Jahren in Mitte sehr ausgeprägt vertreten – insbesondere bei den Männern. Migration In Hinblick auf die Geschlechterverteilung der Bewohner von Mitte mit einer Migrationsgeschichte gibt es in fast jeder Herkunftsgruppe mehr Männer als Frauen. Einen deutlichen Männerüberhang gibt es insbesondere bei der arabischstämmigen Bevölkerung (3.798), bei Menschen aus der alten EU (2.514) sowie bei Menschen türkischer Herkunft (1.693). Haushaltsstruktur Mit 34,9% verzeichnet Mitte den höchsten Anteil an männlichen Einpersonenhaushalten in Berlin. Dies korrespondiert mit einem hohen Männerüberhang im jüngeren Erwachsenenalter. Mit 26,6% liegt der Anteil der weiblichen Einpersonenhaushalte eher im Mittelfeld. In einer Analyse der Haushalte, die aus Erwachsenen mit Kindern bestehen, kann festgestellt werden, dass in Berlin insgesamt 30,9% der Familien alleinerziehende Mütter mit Kindern sind, während nur 4,5% alleinerziehende Väter waren. Während der Anteil an alleinerziehenden Vätern in Mitte im Berliner Durchschnitt liegt, weist er den im Bezirksvergleich niedrigsten Anteil an alleinerziehenden Müttern auf. Behinderung Insgesamt sind Frauen mit 51,4% etwas häufiger als Männer von Behinderungen betroffen. Männer sind häufiger von einer Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen sowie von Suchterkrankungen betroffen. Frauen sind dagegen häufiger durch Behinderungen beeinträchtigt, die verstärkt im fortgeschrittenen Alter auftreten (z. B. Blindheit und Sehbehinderung sowie Funktionseinschränkung von Gliedmaßen). In den Altersgruppen bis ca. 54 Jahren weisen stets mehr Männer als Frauen eine Behinderung auf. Dagegen in der Altersgruppe ab 75 Jahre dominieren eindeutig die Frauen.

18

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

2

Erziehung und Bildung

Neben der Familie sind Kindergärten und Schulen die wichtigsten Sozialisationsinstanzen für Kinder in unserer Gesellschaft. Hier werden bei beiden Geschlechtern wichtige Weichen für das weitere Leben gestellt – nicht nur in Hinblick auf die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten. Durch die dort stattfindende Interaktion mit anderen Kindern werden sowohl Sprachkenntnisse als auch soziale Verhaltensweisen entwickelt. Ebenfalls werden gesundheitsrelevante Verhaltensweisen – insbesondere in Bezug auf Bewegung und Ernährung herausgebildet. Darüber hinaus sind die Erziehungspersonen in Kitas und Schulen wichtige Vorbilder für ihre jungen Schützlinge – auch in Bezug auf die Entwicklung von sozialem Geschlechterverhalten. Entsprechend dem im ersten Kapitel aufgeführten Rollenverständnis wurden Frauen jahrzehntelang bei der Schulbildung und bei der beruflichen Ausbildung benachteiligt. Angesichts der Erwartung, dass Frauen einen Ehemann finden und von ihm versorgt werden, haben Eltern in erster Linie ihren Söhnen eine gute Ausbildung ermöglicht. Frauen bekamen oft keine Ausbildung oder wurden nur für Hilfstätigkeiten angelernt. Inzwischen haben in Deutschland die jungen Frauen die Männer in Hinblick auf ihre Schulbildung nicht nur eingeholt, sondern sogar überholt. Mädchen werden in Deutschland im Durchschnitt früher eingeschult, sie wiederholen seltener eine Klasse und besuchen häufiger ein Gymnasium als Jungen. Junge Frauen und Männer nehmen heutzutage nahezu gleich häufig ein Studium auf. Auf den darauf folgenden Stufen der akademischen Laufbahn sind Frauen jedoch nach wie vor unterrepräsentiert (vgl. vgl. Schaubild 2.14). Seit einiger Zeit wird im Erziehungs- und Bildungssystem angestrebt, dass sowohl Mädchen als auch Jungen die Gelegenheit bekommen, sich als Individuen frei zu entwickeln, unabhängig von den tradierten Zuweisungen, die mit ihrem biologischen Geschlecht einhergehen (vgl. Walter 2005). In diesem Kontext stellt sich u.a. die Frage, inwieweit dies in einem frauendominierten Umfeld, wie man es in den Kindertagesstätten und Grundschulen vorfindet, sinnvoll vonstattengehen kann. Das vorliegende Kapitel wird sich mit dieser Fragestellung näher befassen.

2.1 Vorschulische Erziehung Im Bezirk Mitte besuchen ca. 90% eines Jahrgangs – sowohl Jungen als auch Mädchen – mindestens zwei Jahre lang eine Kindertagesstätte. Den Kitas kommt damit für die Entwicklung der Kinder im Bezirk eine maßgebliche Bedeutung zu. Vielfach werden Kindertagesstätten im Zusammenhang mit ihrer Rolle als potenzielle Settings für die Vermittlung von gesundheitsfördernden Kompetenzen oder - in Gebieten mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund – von deutschen Sprachkenntnissen gesehen. In Hinblick auf die Inanspruchnahme von vorschulischer Erziehung im Bezirk Mitte gab es nach den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung so gut wie keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. So besuchte im Jahre 2014 über 96% sowohl der Mädchen als auch der Jungen im Bezirk eine Kita vor dem Schulanfang. Ebenfalls in Hinblick auf die Kitabesuchslänge unterscheiden sich die beiden Geschlechter nur minimal. Bei der Geschlechterverteilung des Personals in den Kindertageseinrichtungen in Mitte (wie auch in anderen Kommunen) gibt es jedoch eine extrem hohe Frauendominanz. Mit nur 11,1% Männern unter den Erziehern in Mitte ist die Geschlechteraufteilung eklatant (vgl. Schaubild

19

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ 2.1). 4 Dies zeigt sich insbesondere in der Altersgruppe der 45 bis 55-Jährigen mit lediglich 4,4%. In den mittleren Altersgruppen wird der Männeranteil zweistellig – bis hin zu den unter 20-Jährigen, wo er auf 23,1% ansteigt.

Trotz Anstrengungen, den Erzieherberuf auch für Männer attraktiver zu machen, bleibt die Kindertagesstätte zum größten Teil eine Frauendomäne.5 Mehr Männer in Kitas können Jungen und Mädchen ein erweitertes Spektrum an gelebten Vorbildern bieten und damit auch einen möglichen Mangel an männlichen Bezugspersonen im familiären Bereich ausgleichen.

2.2 Allgemeine Schulbildung Eine wichtige Voraussetzung für die eigenständige Lebensgestaltung von Frauen und Männern in einer modernen Gesellschaft ist der Grad der Schulbildung, die sie erreicht haben. Angesichts der zunehmenden Anforderungen an die menschliche Arbeitskraft ist eine gute Ausbildung insbesondere für eine Beteiligung am Erwerbsleben wichtig. Ohne ausreichende Bildung sind Menschen darauf angewiesen, unsicheren und krisenanfälligen Beschäftigungsverhältnissen nachzugehen und sie werden dadurch auch relativ schnell arbeitslos. Bildung ist nicht nur ein wichtiger Indikator, um die soziale Lage der Bevölkerung zu bestimmen, sondern ebenso für die Gesundheit von Männern und Frauen. Zahlreiche Untersuchungen 4

Dabei ist der Männeranteil insgesamt in den Kitas im Bezirk Mitte 2% höher als in ganz Berlin!

5

Wie aus den Geschlechterverhältnissen nach Alter zu erkennen, scheint der Beruf langsam attraktiver für junge Männer zu werden. Seit 2007 ist der Männeranteil in den Kitas in Mitte ständig gestiegen – von 5,5% auf 11,1%.

20

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ haben eine enge Korrelation zwischen dem Bildungsniveau und dem gesundheitlichen Zustand festgestellt. Bildung wird sowohl als wichtiger Prädiktor für den allgemeinen gesundheitlichen Zustand als auch für die Inanspruchnahme von gesundheitlichen Vorsorgeangeboten angesehen. War eine höhere Schulbildung vor 100 Jahren fast ausschließlich den Männern vorbehalten, sind viele der bisher existierenden Bildungsungleichheiten inzwischen ausgeglichen worden – insbesondere in den jüngeren Generationen. In diesem Abschnitt wird zunächst anhand des Mikrozensus die Schulbildung der Männer und Frauen in Berlin und Mitte dargestellt. Anschließend werden anhand der Schulstatistik in Berlin die aktuellen Schulabsolventen bzw. -abbrecher in den Berliner Bezirken nach Geschlecht analysiert. Abschließend wird auf das Geschlechterverhältnis der Lehrkräfte in den allgemeinbildenden Schulen in Berlin näher eingegangen.

2.2.1 Verteilung der Schulabschlüsse in der Bevölkerung Schaubild 2.2 vergleicht die Schulbildung der über 20-Jährigen Männer und Frauen in Berlin und Mitte anhand der Ergebnisse des Mikrozensus. Insgesamt zeigt sich ein relativ ähnliches Bild. In Berlin liegt der Anteil an Männern mit Abitur ca. 3 Prozentpunkte höher als bei den Frauen, in Mitte ist dieses Verhältnis eher ausgeglichen. Während in ganz Berlin Frauen etwas öfter die Realschule oder die polytechnische Oberschule als die Männer besuchten, war das Verhältnis der Geschlechter in Mitte eher ausgeglichen. Der höhere Anteil von Männern mit Abitur in Berlin könnte u.U. dadurch erklärt werden, dass die Bevölkerung in Mitte relativ „jung“ im Vergleich zum Berliner Durchschnitt ist (vgl. Kapitel 1). Deshalb kann der Trend zu schlechteren Schulabschlüssen bei Männern in jüngeren Jahren (vgl. Schaubild 2.3) in Mitte bereits weiter fortgeschritten sein als in ganz Berlin.

Zwischen Berlin und Mitte gibt es ebenfalls einige markante Unterschiede in der Verteilung der Schulabschlüsse sowohl bei Männern als auch bei den Frauen. So liegt der Anteil an Männern und Frauen ohne Schulabschluss in Mitte fast zweimal so hoch wie in Berlin. Am oberen Ende der Bildungsskala jedoch ist der Anteil der Einwohner mit Abitur in Mitte um einiges höher als im Berliner Durchschnitt. Während 2,7% mehr Männer als Frauen in Berlin das Abitur haben, 21

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ liegen die Geschlechter in Mitte hier etwa gleichauf. In Mitte gibt es ebenfalls einen wesentlich niedrigeren Anteil von Männern und Frauen, die einen Realschulabschluss haben, als in Gesamt-Berlin. Der hohe Anteil in Mitte ohne Schulabschluss wird auch durch den wesentlich höheren Anteil an Einwohnern mit Migrationshintergrund (MH) verursacht. Im Jahre 2008 war diese Gruppe bei Menschen mit MH wesentlich stärker vertreten als bei Deutschen ohne Migrationshintergrund (vgl. BA Mitte 2011, S. 24f.). Schaubild 2.3 zeigt die Schulbildung der Berliner Bevölkerung im Jahre 2014 nach Alter und Geschlecht. Obgleich die Männer insgesamt etwas besser gebildet sind als die Frauen, werden größere Unterschiede in den einzelnen Altersgruppen sichtbar. Insbesondere beim Schulabschluss „(Fach-)Abitur“ liegen Männer und Frauen je nach Altersgruppe um einiges auseinander. Während in der Altersgruppe „65 und älter“ nahezu zweimal so viele Männer (34,7%) als Frauen (18,3%) die Hochschulreife besitzen, kehrt sich das Verhältnis in den jüngeren Altersgruppen allmählich um. In der Gruppe der 35 bis 49-Jährigen liegen die Männer (45,1%) und die Frauen (46,7%) beim Abitur in etwa gleichauf. In der Gruppe der 20 bis 34-Jährigen werden die Männer von den Frauen deutlich überholt. Hier liegt die Quote der Abiturientinnen mit 62,9% ca. 6 Prozentpunkte höher als die der Abiturienten (56,8%).

2.2.2 Schulabsolvent*innen und -abgänger*innen Angesichts der oben dargestellten Verteilung der Bildungsabschlüsse von Männern und Frauen nach Alter lag es nahe, auch die Situation der gegenwärtigen Schulabgänger*innen unter die Lupe zu nehmen. Hierfür eignet sich eine Statistik der Senatsschulverwaltung, welche die Verteilung der Schulabschlüsse bei den gegenwärtigen Schulabgänger*innen darlegt. Schaubild 2.4 22

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ zeigt die Zusammensetzung der Schulabsolvent*innen bzw. -abgänger*innen in Berlin und Mitte im Schuljahr 2014/2015 nach Geschlecht und Schulabschluss.

Bei der Betrachtung der Schulabsolvent*innen bzw. -abgänger*innen sind in beiden Gebieten ganz klare Unterschiede nach Geschlecht zu erkennen. Sowohl in Berlin als auch in Mitte verlassen mehr männliche als weibliche Jugendliche die Schule ohne Abschluss.6 Im Gegensatz zur Schulbildung der erwachsenen Bevölkerung insgesamt gibt es jedoch deutlich höhere Anteile an Abiturientinnen als an Abiturienten – insbesondere in Mitte, wo es fast anderthalb mal so viele Abiturientinnen wie Abiturienten gibt. Wie bei der Schulbildung der Bevölkerung insgesamt, liegt das Niveau der Schulabgänger ohne Abschluss bei beiden Geschlechtern deutlich höher in Mitte als in Berlin. Schaubild 2.5 zeigt den Anteil der männlichen und weiblichen Schulabsolventen mit Hochschulreife (Abiturient*innen) sowie die Schulabbrecher*innen in Mitte für die Schuljahre 2004/2005 bis 2014/2015. Während des gesamten Zeitraums lag der Anteil der Abiturientinnen mit 7 bis 10 Prozentpunkten deutlich über dem der Abiturienten. Ebenfalls stieg tendenziell der Anteil der Absolventen mit Hochschulreife bei beiden Geschlechtern bis zum Schuljahr 2011/2012 an.7 Während sich der Abstand zwischen den beiden Geschlechtern in Mitte zwischen den Schuljahren 2004/2005 und 2012/2013 etwas reduzierte, gehen die jeweiligen Anteile seit dem Schuljahr 2013/2014 wieder stärker auseinander, sodass der Abstand zwischen den Geschlechtern im Schuljahr 2014/2015 um einiges größer ist, als im Schuljahr 2004/2005. Bis zum Schuljahr 2011/2012 näherten sich die Anteile von Schulabbrecher*innen in Mitte auf einem relativ niedrigen Niveau (ca. 10%) an. Besonders erschreckend sind jedoch die sehr hohen Anteile an jungen Männer und Frauen in Mitte, welche in den letzten drei Jahren die

6

Hierbei sind laut Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (BMFSFJ 2011, S. 87) bei beiden Geschlechtern insbesondere Jugendliche aus sozial benachteiligten (Migranten-)Familien betroffen.

7

Der überdurchschnittlich hohe Anteil von Abiturienten*innen im Schuljahr 2011/2012 erklärt sich durch die Umstellung von 13 auf 12 Jahren für die Erlangung der allgemeinen Hochschulreife in Berlin.

23

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ Schule ohne Abschluss verlassen haben. Mit 20,8% hat sich der Anteil an Schulabbrecher zwischen den Schuljahren 2012/2013 und 2014/2015 fast verdoppelt. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich der Anteil der Schulabbrecherinnen in Mitte von 9,4% auf 14,2% – d.h. um ca. 50%. In Berlin als Ganzes vollzog sich in den letzten drei Jahren ebenfalls eine Erhöhung des Anteils der Schulabbrecher*innen, aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau – von 11% auf 12,5% der Schulabgänger und von 6,3% auf 8,4% der Schulabgängerinnen in diesem Zeitraum. Schaubild: 2.5: Anteil der Abiturient*innen sowie Schulabbrecher*innen an den Schulabgängern in Mitte (2004 bis 2015) 49,4%

50%

43,4% 39,9% 40% 35,7%

36,7%

43,5%

39,7% 38,2%

35,0%

42,1%

35,8%

33,8% 36,1% 30% 29,7% 26,8%

29,0%

30,0%

32,3%

35,5%

32,3% 30,1%

24,5% 20%

20,8% 16,7%

17,2% 15,3%

14,9%

16,0% 14,7%

13,5%

14,3%

14,2%

13,7% 10,8% 13,7%

10% 10,8%

10,3%

11,1%

10,2%

9,4%

10,2%

9,5%

9,4%

9,2%

0% 2004/2005

2006/2007

2008/2009

Abiturientinnen

2010/2011

Abiturienten

2012/2013

Schulabbrecherinnen

2014/2015

Schulabbrecher

Quelle:Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

Der oben dargestellte Anstieg von Abiturient*innen in den letzten Jahren (nicht nur in Mitte sondern auch in ganz Berlin) unterstreicht das zunehmend bessere Qualifikationsniveau der jüngeren Jahrgänge im Vergleich zu ihren Eltern. Die Statistik zeigt auch, dass das Bildungsniveau von jüngeren Frauen heute deutlich besser ist als das ihrer männlichen Altersgenossen. 8

2.2.3 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen Wie auch im Bereich der vorschulischen Erziehung wird sich dieser Abschnitt mit der Geschlechterverteilung der in den Schulen tätigen Lehrkräfte befassen, da diese ebenfalls wichtige Rollenmodelle und Identifikationsfiguren für Mädchen und Jungen sind. Auch hier kann das faktische Fehlen des einen oder anderen Geschlechts im Lehrkörper Auswirkungen auf die persönliche Entwicklung der Schüler und Schülerinnen haben. Außerdem sind u.U. Probleme zu beobachten, die durch eine unausgeglichene Geschlechterverteilung entstehen können. Nach Berichten von erfahrenen Lehrer*innen kann das weitgehende Fehlen von männlichem Lehrpersonal in einigen Schulformen zu Disziplinproblemen führen, gerade bei sozial schwachen

8

Trotz der besseren Ausgangslage nehmen weniger junge Frauen als Männer ein Studium auf (vgl. Bildung in Deutschland 2016, S. 122). Laut dem Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung verzichten sie ebenfalls häufiger auf den Übergang vom Bachelor-Abschluss zum Masterstudiengang (S. 89). Dieser sah insbesondere die Mutterschaft als eine Einschränkung der Verwirklichungschancen von jungen Frauen in allen Bereichen der Berufsbildung (ebd. S. 89).

24

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ männlichen Jugendlichen, die u.U. auch aus stärker patriarchalisch geprägten Familienstrukturen kommen, da Frauen von dieser Zielgruppe in ihrer Autorität nicht immer ernst genommen werden.

Schaubild 2.6 zeigt die Geschlechterverteilung der Lehrkräfte in den allgemeinbildenden Schulen in Berlin. Insgesamt sind fast Dreiviertel aller Lehrer*innen weiblich. Der Männeranteil variiert jedoch zwischen 15% in den Grundschulen und etwas unter 37% in den Gymnasien.

25

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ Im Gegensatz zur Geschlechterverteilung bei den Erzieher*innen, wo das Verhältnis in den jüngeren Altersgruppen etwas ausgeglichener wird, wird das Verhältnis bei den Lehrern eher unausgeglichener: So sind bei den über 65-Jährigen Lehrkräften ca. 56% Frauen, aber bei den unter 30-Jährigen sind es 79% (vgl. Schaubild 2.7). Brisant an dieser Aufstellung ist auch die Altersstruktur der Lehrkräfte insgesamt: Während Zweidrittel aller Lehrer*innen über 45 Jahre alt sind, sind nur 14% der Lehrer*innen jünger als 35 Jahre. Ein Blick auf die Geschlechterverteilung der gegenwärtigen Lehramtsabsolventen (vgl. S. 30) lässt ahnen, dass sich diese Situation in der nahen Zukunft nicht verbessern wird.

2.3 Berufliche Bildung Hinsichtlich der konkreten Möglichkeiten, eine den eigenen Qualifikationen entsprechende Arbeit zu finden, ist die berufliche Bildung noch bedeutsamer als der Abschluss an der allgemeinbildenden Schule. Wenn die berufliche Ausbildung nicht in einem Abschluss mündet, der seinem Inhaber realistische Chancen am Arbeitsmarkt einräumt, ist das Risiko späterer Arbeitslosigkeit sehr hoch. Dadurch, dass die Arbeit in fast allen Branchen immer spezialisierter und anspruchsvoller wird, ist es umso wichtiger, einen qualifizierten berufsbildenden Abschluss zu erreichen – sowohl für Frauen als auch für Männer. Sowohl in Berlin insgesamt als auch in Mitte liegen die Männer und Frauen in Hinblick auf ihre beruflichen Bildungsabschlüsse recht nah beieinander (Schaubild 2.8). Dabei gibt es einen deutlich höheren Anteil an Menschen beider Geschlechter ohne beruflichen Abschluss in Mitte. Während der Anteil der Männer mit einem Hochschulabschluss in Berlin ca. 3-Prozentpunkte größer ist als bei den Frauen, ist in Mitte das Verhältnis der Geschlechter in dieser Hinsicht umgekehrt. Auffällig ist jedoch, dass die Anteile beider Geschlechter mit einem Hochschulabschluss in Mitte ebenfalls höher sind als in Berlin – insbesondere bei den Frauen.

Wie bei der Schulbildung gibt es auch beträchtliche Unterschiede im Berufsbildungsniveau nach Alter (Schaubild 2.9). Während bei den Frauen der Anteil derjenigen mit einem Hochschulabschluss deutlich ansteigt je jünger die Altersgruppe, ist der Anstieg bei den Männern eher umgekehrt, steigt bei den Männern der Anteil an Menschen ohne beruflichen Abschluss mit abnehmendem Alter stetig an. 26

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung wird im Vergleich der Geschlechter in den ältesten und jüngsten Altersgruppen deutlich. In der Gruppe der über 65-Jährigen verfügen mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer über keinen beruflichen Abschluss und deutlich weniger als die Hälfte über einen Hochschulabschluss. In der Altersgruppe der 25 - 34-Jährigen dagegen, liegt der Anteil an Frauen (noch) ohne Abschluss fast 10% niedriger als der der Männer und der Anteil der Hochschulabsolventinnen fast 8% höher als der der Hochschulabsolventen.

2.3.1 Ausbildungsberufe Die jungen Frauen und Männer, die eine berufliche Ausbildung absolvieren, streben eine staatlich anerkannte Qualifikation an, die im Idealfall dazu führt, dass sie anschließend fest angestellt werden. Hierdurch stellt diese berufliche Entscheidung eine wichtige Weiche im Lebenslauf junger Menschen. Angesichts der alljährlichen Bestrebungen, eher männlich oder weiblich geprägte Ausbildungsberufe auch für Jugendliche des jeweils anderen Geschlechts attraktiv zu

27

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ machen („Girls Day“ bzw. „Boys Day“), sind die Ergebnisse einer Auswertung der aktuellen Ausbildungsstatistik nach Geschlecht eher entmutigend.9 Schaubild 2.10 zeigt die jeweilige Anzahl der jungen Männer und Frauen in den beliebtesten Ausbildungsberufen im Jahre 2014. Ein Blick auf die Geschlechterverteilung in den aufgeführten Berufen ist sehr aufschlussreich. Trotz der oben angesprochenen Bestrebungen, den Zugang zu geschlechtsgeprägten Berufen durchlässiger zu machen, bleiben fast alle Berufe noch immer stark geschlechtsgeprägt. Bis auf die Bereiche „Unternehmensorganisation“, „Gastronomie“ und „Verkauf“, wo beide Geschlechter unter den Auszubildenden relativ ausgeglichen sind, zeichnen sich die restlichen Berufe durch eine mehr oder minder starke Dominanz des einen oder anderen Geschlechts aus. Insbesondere in den traditionellen Männerberufen ist die Geschlechterverteilung sehr unausgeglichen. So sind z.B. 98% der künftigen Berufsanfänger im Bereich „Klempnerei, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik“ und 95% der künftigen Energietechniker männlich. Es gibt aber auch weiterhin „Frauendomänen“, wie z.B. der Beruf „Arztund Praxishilfe“ mit 96% weiblichen Auszubildenden. Manche Berufe, die weder ins stereotypische Männer- noch Frauenbild passen, weisen ebenfalls ein unausgeglichenes Geschlechtsverhältnis bei den Auszubildenden auf. So sind 91% der Auszubildenden im Beruf „Rechtsberatung, -sprechung und -ordnung“ weiblich, während 77% der künftigen Berufsanfänger im Bereich „Speisezubereitung“ männlich sind.

9

Die Ernsthaftigkeit dieser Anstrengungen wird durch die Tatsache illustriert, dass die Teilnahme an den beiden Veranstaltungen vom Engagement der jeweiligen Lehrkräfte abhängig ist. In Berlin geht die Teilnahme an Girls Day seit 2010 zurück, die Teilnahme an Boys Day seit 2013 (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, im Internet)

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Schaubild 2.11 zeigt die Geschlechterverteilung der Auszubildenden in Berlin für das Jahr 2014 – hier nach Branche zusammengefasst. Die Tendenzen, die bei den einzelnen Ausbildungsberufen verzeichnet worden (vgl. Schaubild 2.10), sind auch bei der Betrachtung nach Branche evident. Während insbesondere die Freien Berufe10 (ca. 91,3%), die Hauswirtschaft (89,2%) und der Öffentliche Dienst (69,9%) stark durch Frauen geprägt werden, sind die Landwirtschaft (78,4%) und das Handwerk (71,9%) weiterhin Männerdomänen. Industrie und Handel (40,5% Frauen) ist die einzige Branche, in der das Geschlechterverhältnis relativ ausgeglichen ist.

10

Als Ausbildungsberuf versteht sich unter die Bezeichnung „Freie Berufe“ die Hilfspersonen, die in Praxen bzw. Büros der selbständigen Ärzte, Steuerberater usw. tätig sind, z.B. die Bereiche „Arzt- und Praxishilfe“ oder „Rechtsberatung, -sprechung & -ordnung“ (vgl. Schaubild 2.11).

29

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________

2.3.2 Hochschulbildung Die Hochschulen in Deutschland waren lange Zeit vornehmlich eine Männerdomäne, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend von Frauen frequentiert wurde. Die Ergebnisse dieser weiblichen Eroberung der Hochschule sind in Berlin deutlich zu sehen. Verfügten mehr als zweimal so viele der über 65-jährigen Männer über einen Hochschulabschluss als die Frauen, lagen die Frauen in der Altersgruppe der 25 bis 35-Jährigen ca. 5 Prozentpunkte höher als die Männer (vgl. Schaubild 2.9). Diese Entwicklung findet jedoch unterschiedlich schnell auf den jeweiligen universitären Ebenen statt. In diesem Abschnitt wird anhand von Daten des Amtes für Statistik die Situation an den Berliner Hochschulen näher betrachtet. Abschlüsse an Berliner Hochschulen Schaubild 2.12 zeigt die bestandenen Abschlussprüfungen an Berliner Hochschulen im Jahre 2014 nach Abschlussart und Geschlecht. Mit insgesamt 15.634 Hochschulabschlüssen führten Frauen leicht im Vergleich zu Männern (14.623). In vielen Bereichen nehmen sich die beiden Geschlechter nicht viel. In anderen dagegen unterscheiden sich die Anteile an Männern und Frauen je nach Hochschul- und Abschlussart zum Teil deutlich. Trotz starker Bemühungen um mehr männliche Lehrer waren mehr als Zweidrittel (67,9%) der erfolgreichen Lehramtsabsolvent*innen im Land Berlin weiblich – sowohl beim Master- als auch beim Bachelorabschluss. Beim Masterabschluss an den Fachhochschulen dagegen sind Männer deutlich häufiger und bei Promotionen etwas häufiger als Frauen vertreten.

30

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Schaubild 2.13 zeigt die Geschlechterverteilung der Studienabschlüsse in ausgewählten Studienbereichen an Berliner Hochschulen. Hier sind zum Teil auch typische geschlechtsspezifische 31

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ Muster erkennbar. Während Frauen z. B. in ehemals traditionellen „Männerbereichen“ wie Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften mittlerweile eine große Mehrheit der Absolventen stellen, sind z.B. weiterhin 73% der Absolvent*innen im Fach „Sprachwissenschaften“ weiblich und ca. 73% der angehenden Ingenieur*innen männlich. Wissenschaftliches und künstlerisches Personal an Berliner Hochschulen Insbesondere beim Personal an den Hochschulen ist immer noch eine starke Männerdominanz festzustellen. Schaubild 2.16 zeigt die Geschlechterverteilung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Berliner Hochschulen im Jahre 2014. Im Gegensatz zur Situation bei den Studierenden, wo Frauen in den letzten Jahren große Fortschritte verzeichnet haben, sieht die Situation beim Lehrpersonal wenig erfreulich aus. Hier ist in fast allen Bereichen ein großes Ungleichgewicht zu konstatieren. Sowohl beim hauptberuflichen als auch beim nebenberuflichen Personal sind lediglich knapp über 40% Frauen an den Berliner Hochschulen beschäftigt. Insbesondere bei den Stützpfeilern des wissenschaftlichen Betriebes, d.h. bei den Professor*innen (31% Frauen), bei den Lehrbeauftragten (35,5% Frauen) sowie bei den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter*innen (43,5% Frauen) sind Männer stark überrepräsentiert. Lediglich im numerisch sehr kleinen Bereich „Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben“ (61,5% Frauen) sowie im gering qualifizierten Bereich der Tutor*innen und Hilfskräfte (47,9% Frauen) sind Frauen in den Hochschulen überbzw. angemessen repräsentiert. Angesichts der Verteilung der Studienabschlüsse, hat diese deutliche Unterrepräsentation von Frauen im universitären Betrieb nichts mit mangelnder Qualifikation zu tun.

2.4 Fort- und Weiterbildung Die aktive Teilnahme an Bildung hört für die meisten Menschen in einer modernen Gesellschaft nicht mit der abgeschlossenen Berufsausbildung auf. Auf der einen Seite ändern sich die Erfordernisse in vielen Berufen mit der Entwicklung von neuen Technologien und Abläufen, die eine höhere Produktivität ermöglichen. Auch ältere Arbeitnehmer*innen müssen in der 32

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Lage sein, mitzuhalten. Andererseits bieten eine Reihe von Berufszweigen Aufstiegsmöglichkeiten, die mit Fortbildung und der Aneignung von neuen Qualifikationen verbunden sind. Gänzlich unabhängig von den beruflichen Erfordernissen bzw. Aufstiegsmöglichkeiten gibt es auch ein menschliches Bedürfnis nach Erlernen von neuen Fertigkeiten ohne direkte berufliche Zweckbindung, so z. B. an der Volkshochschule (VHS) das Erlernen einer Fremdsprache, die Belegung eines Kochkurses oder das Erlernen einer neuen Sportart. In diesem Abschnitt wird versucht, anhand von den verfügbaren Daten festzustellen, ob bestimmte männliche oder weibliche Muster bei der Fort- und Weiterbildung zu erkennen sind.

2.4.1 Berufliche Fort- und Weiterbildung Wichtig für das Weiterkommen im Beruf ist auch die Teilnahme an beruflicher Fort- und Weiterbildung. Nach den Angaben des Mikrozensus im Jahre 201411 waren Frauen in Berlin generell – mit 17,7% der Erwerbstätigen zwischen 25 und 65 Jahren – um einiges fortbildungsfreudiger als Männer mit lediglich 13,5%.

Wenn es jedoch um die Teilnahme an zertifizierten beruflichen Fortbildungen geht, sind Männer in Berlin mit 54,8% insgesamt etwas aktiver als Frauen gewesen (vgl. Schaubild 2.17).12 Interessant ist jedoch die Verteilung nach Ausbildungsbereich. Während die Fortbildungsprüfungen in der Hauswirtschaft, in den Freien Berufen und im öffentlichen Dienst sehr stark von Frauen, in der Landwirtschaft sowie im Handwerk jedoch von Männern absolviert werden, ist die Geschlechterverteilung im Bereich Industrie und Handel, mit 47,4% Frauen, relativ ausgeglichen. Dies zeigt, dass traditionelle Zuordnungen nach Geschlecht immer noch einen starken

11

Die Frage hieß: „Haben Sie in den letzten 12 Monaten an Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen?“

12

Da Männer stärker als Frauen bei den Erwerbstätigen in Berlin vertreten sind (53,3% im Jahre 2009), war dies auch zu erwarten.

33

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ Einfluss auf die berufliche Tätigkeit in vielen Bereichen ausüben. Sie spiegelt auch die Geschlechterverteilung wider, die wir bei den Auszubildenden gesehen haben (vgl. Schaubild 2.11).

2.4.2 Volkshochschule (VHS) Das Bedürfnis, neue Informationen und Fertigkeiten anzueignen, geht auch über den Bereich der beruflichen Fort- und Weiterbildung hinaus. Hierbei suchen Männer und Frauen aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Gründe die bezirklichen Volkshochschulen auf. Ob sie sich über die Politik oder gesellschaftliche Zusammenhänge informieren wollen, ein Computerprogramm, eine Fremdsprache (auch Deutsch als Fremdsprache) bzw. eine neue Sportart erlernen wollen, oder sich einfach Gedanken über ihre Gesundheit machen – an der VHS finden sie eine Menge interessanter Angebote. Insgesamt stellte sich jedoch heraus, dass die Volkshochschule Mitte – trotz des Versuchs mehr Männer für die Angebote zu interessieren – in erster Linie von Frauen aufgesucht wird. Seit Jahren bleibt der Frauenanteil an den Nutzenden relativ konstant bei ca. 70%. Bei der verwaltungsinternen Kosten-Leistungsstatistik in der VHS-Mitte wird zwischen drei verschiedenen Produkten differenziert (vgl. Schaubild 2.16). Das Gros der Leistungen der VHS besteht aus den Lehrveranstaltungen. Hier sind die Kunden zu ca. 71% Frauen. Bei den Mütter/Elternkursen ist die Geschlechterverhältnis noch unausgeglichener (90,8% Frauen), was u.a. dadurch kommt, dass einige Kurse nur für Frauen angeboten werden. Erst im Bereich „Deutsch für Zuwanderer“ wird der Männeranteil mit 42,7% etwas höher. Es bestehen ebenfalls Unterschiede im Frauen- bzw. Männeranteil je nach den Themen der Kurse. Während Frauen z. B. Kurse im Bereiche „Gesundheit“ häufiger besuchten, gingen Männer eher zu den EDV-Kursen.

Die Präferenz von Männern und Frauen für bestimmte Kursrichtungen wird auch durch die Statistik der Berliner Volkshochschulen bestätigt (vgl. Schaubild 2.17). Während nur ca. 15% der Kurse im Bereich „Gesundheit“ von Männern besucht werden, sind es immerhin 44%, die im Bereich „Grundbildung-Schulabschlüsse“ Kurse der Berliner VHS belegen. Männer sind ebenfalls etwas stärker in Kursen vertreten, die Arbeit und Beruf betreffen (32%). Insgesamt ist die Frauendominanz in den Volkshochschulen in ganz Berlin (75%) noch etwas stärker als in Mitte (ca. 70%). Die deutlich stärkere Inanspruchnahme der VHS bei Frauen als bei Männern wurde auch im Männergesundheitsbericht vom Robert-Koch-Institut (RKI 2014, S. 191f.) festgestellt. Hierbei 34

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ wurde in Hinblick auf Gesundheitsangebote bemängelt, dass es eine unzureichende Datenlage gibt, um inhaltlich zu überprüfen, ob die Angebote zielgruppengerecht sind. Über die Gründe für das mangelnde Interesse an den Angeboten bei Männern insgesamt kann nur spekuliert werden. Möglich wäre, dass die Aufmachung und die Auswahl der Angebote nicht mit den Interessen der meisten Männern übereinstimmen. Sinnvoll wäre es, in einem Forschungsvorhaben gezielt danach zu fragen, um Hinweise für die Gestaltung und Bekanntmachung von attraktiveren Angeboten für Männer zu bekommen.

2.5 Zusammenfassung Vorschulische Erziehung Die vorschulische Erziehung stellt vielleicht die wichtigste außerfamiliäre Sozialisationsinstanz im Kindesalter dar. Anhand der Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung lässt sich feststellen, dass die Geschlechtsverteilung der Kita-Besucher so gut wie ausgeglichen ist. Bei den in den Kitas tätigen Erziehungspersonen ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild. Mit insgesamt 89% Erzieherinnen gegenüber nur 11% Erziehern ist das Geschlechterverhältnis beim Erziehungspersonal in den Kindertagesstätten in Mitte eklatant. In den jüngeren Altersgruppen steigt der Anteil der Erzieher jedoch auf 15% bis ca. 17%, bzw. auf 23,1% bei den unter 20-Jährigen. Schulbildung In Hinblick auf die Verteilung von Schulabschlüssen liegen sowohl der Anteil der Männer und Frauen mit Abitur als auch der Anteil ohne Abschluss höher in Mitte als in Berlin. In Berlin liegt der Anteil der Männer mit Abitur 2,5 Prozentpunkte höher als der der Frauen. In Mitte liegen sie nahezu gleichauf. Nach Alter betrachtet gab es bei der Schulbildung in Berlin eine klare Tendenz: In den jungen Generationen holen Frauen immer mehr auf. Während es bei den über 65 Jährigen fast zweimal so viele Männer wie Frauen mit Abitur gab, lagen die Frauen mit 62,9% deutlich vor ihren Altersgenossen (56,8%) bei den 20 bis 35-Jährigen. 35

Erziehung und Bildung ____________________________________________________________________________ Gegenwärtig verlassen steigende Anteile an männlichen sowie weiblichen Jugendlichen die Schule ohne Abschluss in Mitte. Hier besteht ein hoher Handlungsbedarf. Am anderen Ende des Spektrums gibt es deutlich höhere Anteile an Abiturientinnen als an Abiturienten sowohl in Mitte als auch in Berlin. Von 2002 bis 2013 lag der Anteil der Abiturientinnen deutlich über dem der Abiturienten – mit steigendem Anteil an Absolvent*innen mit Hochschulreife bei beiden Geschlechtern. Im Jahre 2014 ging der Anteil der Abiturienten jedoch zurück. Bei den Lehrkräften in allgemeinbildenden Schulen in Mitte zeigt sich eine starke Konzentration von Frauen: Insgesamt sind über 73% aller Lehrkräfte in Mitte weiblich. Frauen sind insbesondere in den Grundschulen und den Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt stark vertreten. Nach Altersgruppe ist das Geschlechterverhältnis bei den Lehrer*innen (in Berlin) umgekehrt wie bei den Erzieher*innen: je jünger die Altersgruppe desto stärker wird die weibliche Dominanz. Brisant ist auch die Altersstruktur der Lehrkräfte insgesamt: Während 66% aller Lehrer*innen über 45 Jahre alt sind, sind nur 14% jünger als 35 Jahre alt! Berufliche Bildung Sowohl in Berlin insgesamt als auch in Mitte liegen die Männer und Frauen beim beruflichen Bildungsabschluss recht nah beieinander. In Mitte gibt es einen deutlich höheren Anteil an Menschen beider Geschlechter ohne beruflichen Abschluss aber auch mit einem Hochschulabschluss als in Berlin. Nach Alter betrachtet verfügen in der Gruppe der über 65-Jährigen ca. zweimal so viele Frauen wie Männer über keinen beruflichen Abschluss und weniger als halb so viele über einen Hochschulabschluss. Markant ist die Tatsache, dass fast 5% mehr Frauen als Männer keinen beruflichen Abschluss haben. In der Altersgruppe der 25 - 35-Jährigen dagegen liegt der Anteil an Frauen (noch) ohne Abschluss ca. 6% niedriger als der der Männer und der Anteil der Hochschulabsolventinnen ca. 5% höher als der der Hochschulabsolventen. Ein Blick auf die Geschlechterverhältnisse bei den jetzigen Auszubildenden in den beliebtesten Berufen zeigt, dass die Bestrebungen, geschlechtsgeprägte Berufe für beide Geschlechter attraktiv zu machen (Boys Day, Girls Day usw.), noch einen weiten Weg vor sich haben. Gegenwärtig bleiben fast alle Berufe noch immer stark geschlechtsgeprägt. Bis auf die meisten kaufmännischen Ausbildungsberufe, wo beide Geschlechter unter den Auszubildenden relativ ausgeglichen sind, zeichnen sich die restlichen Berufe durch eine mehr oder minder starke Dominanz des einen oder anderen Geschlechts aus. So wird z.B. der Beruf „Zahnmedizinische(r) Fachangestellte(r) mit 97,6% durch Frauen geprägt, während die Männer mit 99,2% beim „Anlagemechaniker(in) für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik“ extrem stark vertreten sind. Hochschulbildung Insgesamt führten die Frauen mit 15.634 Hochschulabschlüssen leicht im Vergleich zu Männern (14.623). Trotz des bestehenden Mangels an männlichen Lehrern waren 67,9% der Lehramtsabsolvent*innen im Land Berlin weiblich. Beim Masterabschluss an den Fachhochschulen dagegen sind Männer deutlich häufiger und bei Promotionen etwas häufiger als Frauen vertreten. Bei den aktuellen Absolventen der Berliner Hochschulen sind ebenfalls typische geschlechtsspezifische Muster bei der Studienfachauswahl zu erkennen. Während Frauen z. B. in ehemals traditionellen „Männerbereichen“ wie Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften mittlerweile eine große Mehrheit der Absolvent*innen stellen, sind z.B. weiterhin 73% der Absolvent*innen im Fach „Sprachwissenschaften“ weiblich und ca. 73% der angehenden Ingenieur*innen männlich.

36

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Beim Personal an den Hochschulen ist eine starke Männerdominanz festzustellen: Insgesamt sind lediglich knapp 40% Frauen an den Berliner Hochschulen beschäftigt. Insbesondere bei den Professor*innen (31% Frauen), bei den Lehrbeauftragten (35,5% Frauen) sowie bei den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter*innen (43,5% Frauen) sind Männer stark überrepräsentiert. Berufliche Fort- und Weiterbildung Im Hinblick auf die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen waren Frauen in Berlin (21,9%) insgesamt fortbildungsfreudiger als Männer mit lediglich 17,4%. Hinsichtlich der Teilnahme an zertifizierten beruflichen Fortbildungen jedoch sind Männer in Berlin mit 54,8% der Teilnehmer insgesamt etwas aktiver als Frauen (46,2%). Während die Fortbildungen in den freien Berufen und im öffentlichen Dienst sehr stark von Frauen und in der Landwirtschaft sowie im Handwerk von Männern absolviert werden, ist die Geschlechterverteilung im Bereich Industrie und Handel relativ ausgeglichen. Volkshochschule (VHS) Die Volkshochschule Mitte wird, trotz des Versuchs mehr Männer für die Angebote zu interessieren, in erster Linie von Frauen aufgesucht. Seit Jahren bleibt der Frauenanteil an den Nutzenden relativ konstant bei ca. 70%. Nach Produkten differenziert: Die Lehrveranstaltungen wurden zu 71% von Frauen besucht. Bei den Mütter-/Elternkursen ist das Geschlechterverhältnis noch unausgeglichener (90,8% Frauen). Bei „Deutsch für Zuwanderer*innen“ liegt der Männeranteil mit 42,7% etwas höher. Es besteht ebenfalls ein Unterschied im Frauen- bzw. Männeranteil je nach Thema: Während Frauen z. B. Kurse im Bereich „Gesundheit“ häufiger besuchen, gehen Männer eher zu den EDV-Veranstaltungen.

37

Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________

3

Arbeit, Haushalt, Freizeit

Die Veränderung in den Lebensverhältnissen, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, machte selbstverständlich auch vor dem Themenkomplex „Arbeit, Haushalt und Freizeit“ nicht halt. Frauen waren immer berufstätig – in den unteren sozialen Schichten war und ist dies eine ökonomische Notwendigkeit. Die Loslösung von den tradierten Geschlechterrollen in der Ehe bedeutet, dass auch bürgerliche Frauen nach und nach die Arbeitswelt für sich entdeckt und dort ihre Bestätigung gesucht haben. Dieser Prozess fand nicht ohne Widersprüche statt, da Frauen in vielen Fällen sowohl mit der eigenen Erwerbstätigkeit als auch mit dem Gros der häuslichen Arbeit klar kommen müssen. Durch nach wie vor stark geschlechtsspezifisch geprägte Aufgabenverteilungen, z.B. bei der Kinderbetreuung und in Hinblick auf die Arbeitsteilung im Haushalt, werden die beruflichen Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt stark beeinträchtigt. Zu Beginn wird in diesem Kapitel auf die unterschiedliche Zeitverwendung von Frauen und Männern in Deutschland eingegangen, welche die Basis für die Gestaltung aller anderen Lebensbereiche bildet. In den nachfolgenden Abschnitten werden die Arbeitsbedingungen beider Geschlechter sowohl im Betrieb als auch im Haushalt näher betrachtet. Hierbei werden zunächst geschlechtsspezifische Muster bei der Erwerbstätigkeit sowie bei der Arbeitsteilung im Haushalt aufgezeigt. Auch in Bereichen jenseits der Arbeit bilden sich unterschiedliche männliche und weibliche Muster heraus. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den divergierenden Präferenzen der beiden Geschlechter in Hinblick auf ihr Freizeitverhalten – je nach Altersgruppen unterschiedlich. Wie die Zeit vergeht – Zeitverwendung von Männern und Frauen Um einzuschätzen, inwieweit man von einer Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Deutschland sprechen kann, muss erst einmal festgestellt werden, wieviel Zeit Menschen beider Geschlechter im Alltag tatsächlich mit beruflichen, mit haushalts- oder familienbezogenen Tätigkeiten und mit Freizeit verbringen und, wie sich dies im Laufe der Zeit verändert hat. Eine potenzielle Datenquelle hierfür ist die Zeitverwendungserhebung, die das Statistische Bundesamt in ca. 10-jährigen Abständen seit 1991/1992 führt. Im Folgenden werden einige Ergebnisse aus der neuesten Durchführung dieser Erhebung referiert, die unter dem passenden Titel „Wie die Zeit vergeht“ veröffentlicht wurde (vgl. Destatis 2015).

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Schaubild 3.1 zeigt die wichtigsten Befunde bei der Erhebung der Zeitverwendung von über 10-jährigen Menschen in Deutschland. Hierbei wurde die wöchentliche Zeitverwendung in drei wesentlichen Lebensbereiche differenziert nach Geschlecht: Erwerbsarbeit, unbezahlte Arbeit (Hausarbeit, Kinderbetreuung usw.) und Freizeit. Wie zu erwarten, führten Frauen wesentlich mehr unbezahlte Arbeit und deutlich weniger Erwerbsarbeit als Männer aus. Insgesamt gesehen, lagen beide Geschlechter bei der Arbeitszeit relativ nah beieinander. Mit rund 45,5 Stunden in der Woche arbeiteten Frauen knapp eine Stunde wöchentlich länger als Männer (44,5 Stunden). In Hinblick auf ihre Freizeitaktivitäten lagen beide Geschlechter ebenfalls relativ nah beieinander – mit etwas unter eine halbe Stunde mehr lagen die Männer hier im Vorteil. Im Vergleich zur Erhebung 2001/2002 ist eine Verschiebung in den Anteilen unbezahlter Arbeit und Erwerbsarbeit insbesondere bei Frauen zu beobachten. Frauen verrichteten fast 3 Stunden mehr Erwerbsarbeit und ca. zweieinhalb Stunden weniger unbezahlte Arbeit als zehn Jahre zuvor. Dies macht sich bemerkbar an einen reduzierten Zeitaufwand für hauswirtschaftliche Aufgaben, d.h. Kochen, Putzen und Wäsche. Die Macher der Studie vermuten als Grund hierfür eine stärkere Auslagerung solcher Tätigkeiten. Um festzustellen, ob die verstärkte Erwerbsbeteiligung von Frauen mit einer Verbesserung ihrer „Verhandlungsposition“ in der Partnerschaft bzw. mit einer Erleichterung der Karrieremöglichkeiten einher geht, wären tiefergehende Analysen nötig. Zeitverwendung in Haushalten mit Kindern Das Vorhandensein von einem Kind bzw. von Kindern macht sich ebenfalls in Hinblick auf das Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit, insbesondere bei Frauen bemerkbar (vgl. Schaubild 3.2). Während Frauen in einem Haushalt ohne Kinder ungefähr gleich viel Zeit mit bezahlter und unbezahlter Arbeit verbringen, verbringen Frauen mit Kind(-ern) deutlich mehr als zweimal so viele Zeit mit unbezahlter Arbeit. Bei den Männern bedeutet mindestens ein Kind im Haushalt ca. 4 Stunden mehr unbezahlter und 7 Stunden mehr Erwerbsarbeit. Bei beiden Geschlechtern bedeutet das Vorhandensein von mindestens einem Kind insgesamt ca. 10 zusätzliche Stunden Arbeit wöchentlich. Auch das Alter der im Haushalt lebenden Kinder spielt eine Rolle beim Verhältnis zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit für beide Geschlechter. Kinder unter 6 Jahren bedeuten ca. 6 zusätzliche Arbeitsstunden für die Väter und 4 Stunden mehr Arbeit für die Mütter. (ebd. S. 9).

39

Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________

Auch der Bereich der unbezahlten Arbeit wurde bei der Zeitverwendungserhebung differenziert erhoben, z.B. konkret für die Kinderbetreuung. Hier sieht man gut die geschlechtsspezifische Zeiteinteilung in Haushalten mit Kindern. Angesichts der unterschiedlichen Zeitanteile, die Mütter und Väter für Erwerbsarbeit verwenden, sind die Ergebnisse hier nicht überraschend: Insgesamt verbrachten die Väter 51 Minuten pro Tag mit der Kinderbetreuung, während Mütter 105 Minuten täglich mit Ihren Kindern beschäftigt waren, d.h. mehr als doppelt so viel Zeit. Die Intensität der Kinderbetreuung variiert außerdem je nach dem Alter des jüngsten Kindes. Eltern, die mindestens ein Kind unter 6 Jahre haben, verwenden dreimal so viel Zeit bei der Kinderbetreuung wie Eltern, deren jüngstes Kind zwischen 6 und 17 ist (ebd. S. 12). Neben der reinen Abfrage darüber, was sie wann und wie lange gemacht haben, wurden die Teilnehmer an der Zeitverwendungserhebung auch danach befragt, ob sie subjektiv ausreichend Zeit für die unterschiedlichen Lebensbereiche hatten. In diesem Zusammenhang wünschten sich 32% der Väter aber nur 19% der Mütter mehr Zeit für ihre Kinder. In Hinblick auf die Erwerbsarbeit sah es anders aus. Während sich lediglich 7% der erwerbstätigen Väter mehr Zeit für die Arbeit wünschte, waren es 28% der erwerbstätigen Mütter.

3.1 Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern Die Erwerbstätigkeit spielt eine wichtige Rolle in der Analyse der Lebenslagen der beiden Geschlechter in einer modernen Gesellschaft. Geprägt sowohl durch die tradierte Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern im Haushalt als auch durch die geschlechtsspezifische Berufswahl der beiden Geschlechter (vgl. Schaubild 2.12) erleben Männer und Frauen unterschiedliche berufliche Belastungen, die gegebenenfalls Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben können. „Die Arbeitsplätze von Männern und Frauen sind durch geschlechtsspezifische Risiken und Ressourcen gekennzeichnet. Männer müssen stärker an ihre körperlichen Grenzen gehen, und sie arbeiten häufig unter Lärm, Schmutz, Staub, Hitze und Stress. Die Arbeitsplätze von Frauen sind hingegen von geringerem Handlungsspielraum und Autonomie gekennzeichnet, zwei Faktoren, die in arbeitswissenschaftlichen Studien als zentrale Einflussfaktoren auf die Gesundheit identifiziert werden konnten.“ (Kolip et al. 2005).

40

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Das tradierte Modell der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern sah einen männlichen „Familienernährer“ und eine weibliche Haushaltsverantwortliche vor. Aus einer Reihe von Gründen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – stellt dies immer weniger die Norm dar. In Hinblick auf das Ziel der Angleichung der Arbeitsverteilungen beider Geschlechter spielen mehrere Faktoren eine Rolle – insbesondere diejenigen Errungenschaften, die eine bessere Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf ermöglichen (z. B. Kita, Elterngeld). Die gegenwärtig stattfindende Angleichung der Arbeitsbedingungen von Männern und Frauen hat eine Reihe von Ursachen. Auf der einen Seite kam sie durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen zustande, d.h. unter anderem durch den Ausbau des Mutterschutzes, die Einführung der Elternzeit und das Recht auf einen Kitaplatz, die dazu geführt haben, dass Frauen sich im größeren Umfang am Erwerbsleben beteiligen. Auf der anderen Seite besteht hierzu in vielen Fällen eine wirtschaftliche Notwendigkeit, da nur wenige Familien mit einem einzigen Einkommen ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die gestiegene Erwerbsbeteiligung der Frauen in Deutschland lässt sich auch statistisch für die letzten Jahren abbilden. Schaubild 3.3 zeigt die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen im vereinigten Deutschland von 1991 bis 2013.13 Lag die Erwerbsquote bei den Frauen 1991 mit 40,2% fast 20 Prozentpunkte unter der der Männer (58,9%), betrug der Unterschied im Jahre 2012 lediglich 7,2 Prozentpunkte. Die Angleichung in der Erwerbsbeteiligung zwischen Männern und Frauen ging im Zeitraum 1991 bis 2006 zügig voran, stagniert jedoch seit 2007 (Statistisches Bundesamt 2014). Schaubild: 3.3: Erwerbsquoten von Männern und Frauen in Deutschland (1991 bis 2013) 70%

60%

56,8%

56,4%

56,1%

55,6% 58,9%

53,6% 56,2%

56,5%

56,4% 56,2%

54,9%

56,8%

56,3%

50%

41,6% 45,2%

40,2%

46,7%

45,4%

44,8%

45,7%

45,9%

2009

2010

46,4% 46,7%

42,6%

40% 40,9%

40,2%

30% 1991

1994

1997

2000

2003

2006

2007

2008

Männer

2011

2012

2013

Frauen

Quelle: Statistisches Bundesamt, FS 1 R. 4.1.1, 2010-2014

13

In der DDR war die stärkere Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben eine Selbstverständlichkeit und heute – 25 Jahre nach der Wende – gibt es immer noch Ost-West-Unterschiede bei der Erwerbstätigkeit von Frauen. Kurz nach der Wende ging die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Ostdeutschland aus wirtschaftlichen Gründen massiv zurück, während sie in Westdeutschland stets gestiegen ist. 2012 lag sie aber in Ostdeutschland leicht höher als im Westen (vgl. Holst/Wieber 2014)

41

Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________

3.1.1 Erwerbsbeteiligung in Familien mit Kindern Trotz einer deutlichen Annäherung in der Erwerbsbeteiligung zwischen den Geschlechtern ist dieser Prozess auch widersprüchlich. Tatsächlich sind unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Egalisierung der Lebensbedingungen von Frauen und Männern zu beobachten, je nachdem welche Lebensbereiche und welche Gruppen von Frauen und Männern betrachtet werden. So ist etwa die Integration von kinderlosen Frauen ins Erwerbsleben auch in Deutschland weit vorangeschritten, die Erwerbsbeteiligung von Müttern dagegen bleibt in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten eher begrenzt. Die Auswirkung der Kinderbetreuung auf die Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in Deutschland wird in einer Sonderauswertung des Mikrozensus für ganz Deutschland aus dem Jahre 2013 sehr gut sichtbar (vgl. Schaubilder 3.4 und 3.5). Während die Erwerbsbeteiligung der Männer mit und ohne Kinder in jedem Lebensalter recht ähnlich verläuft (Schaubild 3.4), sogar auf einem höheren Niveau bei Männern mit Kindern, verhält es sich bei Frauen deutlich anders (Schaubild 3.5). Hier ist das Vorhandensein von Kindern ein klarer Grund für niedrigere Erwerbsbeteiligung: Bei den 21-Jährigen unterscheidet sich die Erwerbsbeteiligung der Frauen ohne Kinder und derjenigen mit Kindern um fast 40 Prozentpunkte. Im Lebensverlauf nähert sich die Erwerbsbeteiligung der beiden Gruppen wieder an, sodass sie im Alter von 50 Jahren ungefähr gleich hoch liegt. Am Ende des Erwerbslebens übersteigt die Erwerbsbeteiligung der Frauen mit Kindern dann die der Kinderlosen sogar geringfügig. Schaubild: 3.4: Altersspezifische Erwerbstätigkeitsquoten von Männern in Deutschland ohne Kinder und mit Kindern - 2013 100%

80%

60%

40%

20%

0% 22

Quelle: destatis 2014

25

28

31

34

37

40

43

ohne Kinder

42

46

49

52

mit Kindern

55

58

61

64

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Schaubild: 3.5: Altersspezifische Erwerbstätigkeitsquoten von Frauen in Deutschland ohne Kinder und mit Kindern - 2013 100%

80%

60%

40%

20%

0%

22

25

Quelle: destatis 2014

28

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ohne Kinder

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64

mit Kindern

Ein Vergleich der obigen Schaubilder mit dem Datenstand aus dem Jahre 2003 (vgl. Stat. Bundesamt 2004 - 15 - 0303) zeigt, dass die 2007 in Kraft getretene Neureglung der Elternzeit den Verlauf dieser Kurven nicht grundsätzlich beeinflusst hat. Für die Väter stellt die Elternzeit– wenn sie sie in Anspruch nehmen – meist eine kurze Unterbrechung der Erwerbskarriere dar. Die Übernahme eines Teils der Erziehungsverantwortung durch den Vater bedeutet jedoch nicht, dass die Mutter wieder voll ihren Beruf aufnehmen wird. Um die beruflichen Perspektiven von Müttern zu verbessern, müssen auch die sonstigen Rahmenbedingungen angepasst werden. Das Betreuungsangebot mit Kindergartenplätzen ist in vielen Bundesländern noch unzureichend, und es gibt im deutschen Steuer- und Sozialsystem noch immer Anreize für Paare mit Kindern, ein Familienmodell mit Hauptverdiener und gering verdienendem Ehepartner zu favorisieren.

3.1.2 Vollzeit- oder Teilzeiterwerbstätigkeit? Um neben der Kindererziehung und Haushaltsführung noch auf dem Arbeitsmarkt präsent zu sein, sind Frauen eher als Männer darauf angewiesen, einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Dies hat Folgen sowohl für ihre Möglichkeiten, einen beruflichen Aufstieg zu schaffen, als auch für die spätere Altersabsicherung.

43

Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________

Schaubild 3.6 zeigt die normalerweise geleisteten Wochenstunden von Erwerbstätigen in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht. Insgesamt sind es eindeutig die Frauen, die überwiegend einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehen. Arbeiten nur 7,8% der erwerbstätigen Männer unter 21 Stunden und 67,0% mehr als 40 Stunden wöchentlich, sind 29,4% der erwerbstätigen Frauen geringfügig und nur 33,6% über 40 Stunden beschäftigt. Während der Anteil der Männer, der über 21 Stunden wöchentlich arbeitet, im Alter zwischen 15 und 65 Jahren eher ansteigt oder gleich bleibt, geht er bei den Frauen kontinuierlich zurück. Wie bei der Erwerbsbeteiligung insgesamt (s. Abschnitt 3.2.1) variieren die jeweiligen Anteile der Männer und Frauen in Voll- bzw. Teilzeitarbeitsverhältnissen auch nach Lebensalter.

3.1.3 Frauen in Führungspositionen Neben den oben angeführten Tendenzen zur stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen wird jedoch ebenfalls festgestellt, dass Männer und Frauen im Beruf häufig unterschiedliche hierarchische Ebenen besetzen. Während Frauen häufiger in unteren und mittleren Positionen in der betrieblichen Hierarchie zu finden sind, gibt es eine Überrepräsentanz von Männern in gehobenen Positionen und in Führungsfunktionen (vgl. Genderdatenreport 2005). Beim innerbetrieblichen Aufstieg haben tradierte Rollenerwartungen seitens der Betriebe, formale Aufstiegskriterien wie Dienstalter, Betriebszugehörigkeit oder formale Regelungen wie Tarifverträge, Tauglichkeitsprüfungen, Bildungsabschlüsse usw. eine Lenkungsfunktion, die Männer häufig begünstigt. Neben diesen eher formellen Zugangsbeschränkungen gehört eine Reihe von Charaktereigenschaften, die oft von Menschen in Führungspositionen erwartet werden, wie Ehrgeiz, Durchsetzungsfähigkeit, Zielstrebigkeit, Rücksichtslosigkeit, Egoismus und Einsatzbereitschaft, eher

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ zum tradierten Männer- als zum Frauenbild. Abgesehen von der Frage, ob die Aneignung solcher Eigenschaften im Rahmen einer beruflichen Verbesserung für die meisten Frauen überhaupt als etwas Erstrebenswertes angesehen wird, bleibt die Tatsache, dass diese sogenannten „Führungsqualitäten“ häufiger von Männern als von Frauen erwartet werden. Eine Studie der DIW aus dem Jahre 2010 stellt anhand der Analyse mehrerer Datenquellen fest, dass Frauen in Deutschland in den Führungsetagen noch immer erheblich unterrepräsentiert sind. Hiernach ist der Frauenanteil niedriger je höher die Leitungsebene. Demnach zählten 2007 nur 0,5% der Frauen, jedoch 2,0% der Männer zu den Führungsspitzen im Management (Brenke 2010, S. 9). In der DIW-Studie wurde außerdem konstatiert, dass Frauen in Führungspositionen jünger als Männer in vergleichbaren Positionen und häufig teilzeitbeschäftigt sind (ebd. S. 8). Der Beitrag stellt jedoch fest, dass Frauen in diesem Bereich allmählich aufholen. So ist die Anzahl der Frauen an den angestellten Führungskräften außerhalb des öffentlichen Dienstes von 17,6% in 1996 bis auf 20,3% im Jahr 2007 gestiegen. Der Anteil der Frauen an den Selbstständigen, die fünf oder mehr Menschen beschäftigen, legte im gleichen Zeitraum von 16% auf 21% zu (vgl. ebd. S. 11). Diese Unterrepräsentation von Frauen in hervorgehobenen Positionen zeigt sich auch in anderen Bereichen. Bei einer Analyse der Lebenssituation von Männern und Frauen im Rahmen der Sozialberichterstattung in Düsseldorf wurde u.a. eine Auswertung der Leitungsverhältnisse in den kommunalen Schulen durchgeführt. Insgesamt waren Frauen mit 63,9% der Leitungsstellen in den Schulen gut vertreten. Die Unterschiede traten jedoch in Bezug auf den Schultyp zutage. Während 85% der Grundschulen von Rektorinnen geführt wurden, war dies nur bei 37,5% der höher dotierten Direktorenstellen in den Gymnasien der Fall (vgl. ebenda, S. 30). Und auch noch der Haushalt! Auch, wenn Frauen es schaffen, in eine Führungsposition in einem Unternehmen zu gelangen, sind sie trotzdem nicht ihren männlichen Pendants gleichgestellt. Anhand einer Auswertung der SOEP (Sozial-Ökonomisches Panel) in einer Studie der DIW (Holst 2011) wurde festgestellt, dass Frauen in Führungspositionen deutlich mehr Hausarbeit leisten, seltener verheiratet sind und weniger Kinder haben als ihre männlichen Kollegen in deutschen Führungsetagen. Die Zuständigkeit für Haus- und Familienarbeit wird traditionell den Frauen zugewiesen. Während Männer in Führungspositionen nach Studien des SOEP zuhause nur 18% der Familienarbeit übernehmen, erledigen weibliche Führungskräfte rund 58% der häuslichen Aufgaben. Damit fällt die private Arbeitsteilung der Frauen in Führungspositionen zwar wesentlich „ausgeglichener“ aus als bei ihren männlichen Kollegen. Der Großteil der Hausarbeit wird jedoch weiterhin von den Frauen erbracht. Die Daten zeigen auch, dass im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen wesentlich weniger weibliche Führungskräfte verheiratet sind. Im Jahr 2009 waren rund 55% der weiblichen Führungskräfte ledig, aber nur 38% der männlichen. Allerdings lebten 2009 doppelt so viele Frauen in Führungspositionen unverheiratet in einer Lebensgemeinschaft (28%). Die Zahl der Single-Frauen in den Führungsetagen hat sich angeglichen: 2009 waren 16% der weiblichen und 17 Prozent der männlichen Führungskräfte alleinlebend.

3.1.4 Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in Berlin und Mitte Angesichts der oben ausgeführten Faktoren, welche die Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in dieser Gesellschaft beeinflussen, ist es nicht überraschend, dass auch in Berlin bzw. im Bezirk Mitte z.T. gravierende Unterschiede im Grad der Beteiligung am Erwerbsleben je 45

Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________ nach Geschlecht sichtbar werden. In diesem Abschnitt wird die Situation in Berlin und im Bezirk anhand der Ergebnisse des Mikrozensus dargelegt.

Schaubild 3.7 zeigt die Beteiligung am Erwerbsleben von Männern und Frauen in Mitte und Berlin für das Jahr 2014. Während im Bezirk Mitte ca. zwei Drittel der Männer erwerbstätig sind, trifft dies nur für ca. 61,5% der Frauen. In Berlin liegen die Erwerbstätigenquoten für beide Geschlechter ca. 5 Prozentpunkte höher. Frauen sind dafür deutlich häufiger Nichterwerbspersonen als Männer (ca. 29% vs. 22% in Mitte). Der Anteil von Erwerbslosen bei den Männern in Mitte liegt etwas höher als bei den Frauen – in Berlin sind die Männer deutlich öfter erwerbslos. Bei der Erwerbslosigkeit liegen sowohl Frauen als auch Männer aus Mitte etwas über dem Berliner Durchschnitt. Schaubild 3.8 zeigt einige markante Unterschiede in der Beteiligung von Frauen und Männern an der Erwerbsarbeit je nach Wirtschaftsbereich – sowohl in Mitte als auch in ganz Berlin. Besonders auffällig ist die Situation im produzierenden Gewerbe, in welchem Männer mehr als zweimal so häufig arbeiten sind wie Frauen. Im Wirtschaftszweig „Handel, Gastgewerbe und Verkehr“ sind Männer ebenfalls deutlich häufiger als Frauen tätig. Dafür arbeiten Frauen im Wirtschaftszweig „Öffentliche und private Dienstleistungen“ ca. zweimal so häufig wie Männer. Im Bereich „Grundstücks- und Wohnungswesen, wirtschaftliche Dienstleistungen“ sind nur in Mitte Frauen häufiger als Männer beschäftigt.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Schaubild 3.9 zeigt die Bevölkerung in Mitte und Berlin nach Geschlecht und Stellung im Beruf für das Jahr 2014. Wie aus der Literatur zu erwarten, liegt der Anteil der Arbeiter deutlich höher als der der Arbeiterinnen in beiden Gebieten. Hier unterscheiden sich Berlin und Mitte jedoch in Hinblick auf die relativen Anteile der Arbeiter*innen. Während es in Berlin ca. zweieinhalb so viele Arbeiter als Arbeiterinnen gibt, sind es nur anderthalb mal so viele in Mitte. In beiden Gebieten sind deutlich mehr Frauen als Männer als Angestellte tätig, während es sich bei den Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen umgekehrt verhielt.

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Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________

Exkurs: Geschlechtsverteilung bei den Beschäftigten im Bezirksamt Mitte In den Ausführungen aus dem Mikrozensus wurde gezeigt, dass ein höherer Anteil an Frauen als Männer im öffentlichen Dienst in Berlin bzw. im Bezirk Mitte tätig sind. Um diese Situation plastisch zu machen, wird dies anhand der bezirklichen Verwaltung in Mitte illustriert. Schaubild 3.10 zeigt die Anzahl der Beschäftigten im Bezirksamt Mitte nach Geschlecht und Laufbahngruppe zum 24.06.2015. Obgleich das Geschlechterverhältnis in der öffentlichen Verwaltung in Berlin insgesamt eher ausgeglichen ist (vgl. Tabelle 3.1), gibt es im Bezirksamt Mitte insgesamt eine Frauendominanz – sowohl bei den Angestellten (63,8% Frauen) als auch bei den Beamten*innen (70,5%), die in den letzten Jahren auch stabil geblieben ist. Auch in den einzelnen Laufbahngruppen sind bis auf wenigen Ausnahmen, wo das Verhältnis relativ ausgeglichen ist, deutlich mehr Frauen als Männer beschäftigt. Insbesondere im Bereich des gehobenen und mittleren Dienstes sind Frauen überproportional vertreten. In Bezug auf den Teilzeitanteil bei den Beschäftigten werden jedoch einige Unterschiede zwischen den Geschlechtern deutlich. Während ca. 32% der weiblichen Beschäftigten Teilzeit arbeiten, sind es bei den Männern lediglich 11,5%.

3.2

Arbeitsteilung im Haushalt

Bei der Arbeitsteilung im Haushalt tut sich einiges in Hinblick auf die Entwicklung eines stärkeren Ausgleichs zwischen beiden Geschlechtern in Deutschland. Vor 60 Jahren – in der Blütezeit der sogenannten „Versorgerehe“ – wären Phänomene wie Hausmänner oder Erziehungszeit für Väter nahezu undenkbar gewesen. Nicht nur eine größere gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung für solche Modelle, sondern auch ökonomische Notwendigkeiten sind die Triebkräfte dieser Entwicklung. Die zunehmende Erwerbsorientierung von Frauen, die auch Mütter erfasste, hatte jedoch nicht automatisch eine egalitäre Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit zur Folge. Noch immer leisteten Männer deutlich mehr bezahlte und Frauen deutlich mehr unbezahlte Arbeit. Die Zunahme der Erwerbsarbeit bei Frauen führte in vielen Fällen zu einer

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Doppelbelastung, da der überwiegende Anteil der Frauen nach wie vor einen Großteil der Aufgaben im Haushalt und der Erziehung der Kinder übernahm und übernimmt. Ein größeres Hindernis bei der Entwicklung hin zu einer gerechteren Verteilung von Erwerbstätigkeit und unbezahlter Arbeit im Haushalt liegt in der Tatsache, dass die gesellschaftlich notwendigen „reproduktiven“ Tätigkeiten im Haushalt bzw. in der Familie nach wie vor nicht ihren zustehende gesellschaftliche Anerkennung erhalten haben, damit solche Tätigkeiten auch für Männer attraktiver werden. Im Gegenteil: Arbeitnehmer*innen, die im Beruf zugunsten von familiären Verpflichtungen kurzer treten wollen, werden oft nicht aktiv unterstützt, sondern eher indirekt sanktioniert. Fehlende Zeiten der beruflichen Tätigkeit aufgrund der Kindererziehung führen ebenfalls zu einem niedrigeren Rentenniveau. In diesem Abschnitt wird einleitend anhand der Zeitbudgetberechnung des Statistischen Bundesamtes die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung für die einzelnen Bereiche der unbezahlten Arbeit dargestellt. Anschließend wird anhand der Ergebnisse aus Erhebungen im Bezirk Mitte in zwei Altersgruppen – den Eltern der Schulanfänger und älteren Menschen – auf die jeweilige geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt eingegangen. Schaubild 3.11 zeigt die Zeitverwendung von Männern und Frauen in Deutschland für einzelne Tätigkeiten der unbezahlten Arbeit. Hieraus wird deutlich, dass der Bereich der unbezahlten Arbeit eher eine Frauen- als Männerdomäne ist. Bis auf die Tätigkeit „Ehrenamt/Unterstützung anderer Haushalte“, die von beiden Geschlechtern ungefähr gleich intensiv ausgeübt wird, verwenden Männer lediglich bei der Tätigkeit „Garten/Handwerk“ wöchentlich mehr Zeit als Frauen. Bei der Betreuung/Pflege von Haushaltsmitgliedern (z.B. den Kindern) verbringen Frauen ca. doppelt so viel Zeit wie Männer. Insbesondere bei der unbezahlten Arbeit in den Bereichen „Küche" und "Putzen/Waschen“ verbringen Frauen wöchentlich deutlich mehr als doppelt so viel Zeit wie die Männer.

3.2.1 Arbeitsteilung in Haushalten mit Schulanfängern Insbesondere das Vorhandensein von kleineren Kindern wirkt sich nicht nur auf den Grad der Erwerbsbeteiligung von Frauen (vgl. Schaubilder 3.4 und 3.5) sondern auch auf die konkrete Arbeitsteilung im Haushalt (Schaubild 3.12) aus. Gerade in der Zeit, wenn die Kinder kleiner 49

Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________ sind, fällt insbesondere die Aufgabe der Kindererziehung häufiger den Frauen zu. Dies relativiert sich jedoch, wenn die Kinder in der Schule und beide Eltern (wieder) berufstätig sind. In diesem Abschnitt wird dieses Phänomen ein Stück weit anhand von Daten aus dem Bezirk Mitte untersucht. Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung für das Schuljahr 2011/12 führte das Bezirksamt Mitte eine Erhebung zur Gesundheit und zum Gesundheitsverhalten der Eltern der Schulanfänger durch. Die Fragen betrafen u.a. ihre eigene Gesundheit, ihr Gesundheitsverhalten und ihren Bedarf an gesundheitsbezogenen Informationen. Hierbei wurde auch anhand einer Auswahlliste die Häufigkeit von bestimmten Tätigkeiten des täglichen Lebens festgehalten. Bei der Auswertung der Angaben zu den Arbeiten im Haushalt (Schaubild 3.12) ist augenfällig, dass die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in vielen Familien von Schulanfängern noch immer sehr stark vertreten ist. Die weibliche Dominanz bei der Arbeit im häuslichen Bereich ist insbesondere bei Tätigkeiten wie „Arbeiten im Haushalt“ (täglich: 89,2% der Mütter und 28,1% der Väter) und „Essen kochen“ (täglich: 79,1% der Mütter und 11,8% der Väter) sehr deutlich. Obgleich die Frauen um einiges häufiger als die Männer Besorgungen machen, ist das Ungleichgewicht hier nicht ganz so groß wie bei den vorhergehenden Aufgabenbereichen (täglich: 52,7% der Mütter und 28,7% der Väter). Erst bei dem Komplex „Kinder erziehen/betreuen/ versorgen“ erreicht die tägliche Tätigkeit der Väter ein etwas höheres Niveau (67,7% bei den Vätern gegenüber 96,8% der Mütter), wobei für keine der erfragten Arbeiten etwas über die Intensität ausgesagt wird (z.B. Wie viele Stunden am Tag?).

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

3.2.2 Arbeitsteilung im Haushalt von älteren Menschen Bei der Befragung älterer Menschen im Bezirk Mitte im Jahre 2009 (LISA, vgl. BA Mitte 2010) wurde besonderer Wert darauf gelegt, ein breitgefächertes Bild des Alltags der älteren Bevölkerung abzubilden. Insgesamt wurden in der LISA Studie 473 Menschen ab 60 Jahren zu ihrer Lebensqualität, ihrer gesundheitlichen Lage sowie zu ihren sozialen Unterstützungsmöglichkeiten befragt.14 Es wurde außerdem nach den sozialen Kontakten, den täglichen Aktivitäten, dem Unterstützungsbedarf und dem Bedarf an zusätzlichen Angeboten im Bezirk gefragt. Darüber hinaus gab es Fragen zu Nikotin- und Alkoholkonsum, zu Körpergröße und -gewicht sowie zum Bewegungsverhalten. Hierbei wurde auch großer Wert darauf gelegt, ältere Menschen mit Migrationshintergrund angemessen zu beteiligen.

Schaubild 3.13 zeigt die Häufigkeit der Ausführung von bestimmten Arbeiten im Haushalt bei den LISA-Befragten im Bezirk Mitte, die in Haushalten mit mehr als einer Person lebten15 (N = 202). Diese wurden – ähnlich wie bei den Eltern der Schulanfänger – anhand einer Tätigkeitsliste abgefragt. Augenfällig bei der Darstellung ist die Tatsache, dass es hier doch deutlich ausgeglichener zugeht als in der jüngeren Altersgruppe. Gerade bei den wichtigsten Tätigkeiten im Alltag „arbeiten im Haushalt“ und „Besorgungen machen“ ist der Anteil der Männer in den Kategorien „täglich“ und „2-3x wöchentlich“ deutlich höher als der der Frauen. Die beiden anderen aufgeführten Tätigkeiten „auf Kinder aufpassen“ und „jemand pflegen“ werden auch etwas 14

Mit insgesamt 278 (58,8%) Frauen und 196 (41,2%) Männern entsprach die Geschlechterverteilung in der Untersuchungsgruppe relativ gut jener der gesamten Altersgruppe im Bezirk (55,7% Frauen, 45,3% Männer).

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Im Gegensatz zu den Eltern der Schulanfänger wurden die LISA-Befragten in der Regel als Individuen und nicht als Paare befragt. Um Verzerrungen zu vermeiden wurden hier die (hauptsächlich weiblich) Alleinlebenden aus der Auswertung herausgenommen.

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Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________ häufiger durch Männer als durch Frauen erledigt. Die letztgenannten Tätigkeiten finden öfter sogar „täglich“ oder „2-3x wöchentlich“ statt. Die Ergebnisse der LISA-Befragung in Hinblick auf die Arbeit im Haushalt sind insoweit interessant, als dass nur wenige geschlechtsspezifische Unterschiede aufgetreten sind. Da es sich hierbei um eine Generation handelt, die ihre primäre Sozialisation in Zeiten der festen Rollenzuweisungen erhalten hat, ist dies erstaunlich. Auf der anderen Seite haben wir es hier nicht mehr mit Haushalten mit kleinen Kindern bzw. mit einem vollzeiterwerbstätigen Familienmitglied zu tun, sodass die vordergründigen Argumente für eine bestimmte Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern nicht mehr tragen. Interessant wäre zu sehen, ob dies auch in repräsentativen Untersuchungen für ganz Deutschland gelten würde.

3.3 Freizeitverhalten Nicht nur in Bezug auf die Arbeit und die Arbeitsteilung im Haushalt gibt es deutliche geschlechtertypische Muster. Diese machen sich auch im Bereich des Freizeitverhaltens bemerkbar. Sie hängen stark von der Sozialisation, von den Erwartungen und Vorbildern ab, die heranwachsende Menschen bewusst – oder unbewusst – von ihrer Umgebung aufnehmen. Dies beeinflusst, wie sie sich weiterentwickeln, welche geschlechtstypischen Verhaltensmuster sie ausbilden, was genau sie mit „männlich“ oder „weiblich“ verbinden. In diesem Abschnitt werden unterschiedliche Datenquellen für geschlechtsspezifische Unterschiede im Freizeitverhalten für vier unterschiedliche Lebensaltersstufen thematisiert – von der Kindheit bis ins hohe Alter.

3.3.1 Freizeitverhalten im Kindesalter Unterschiede im Verhalten zwischen Mädchen und Jungen werden bereits früh beobachtet. Bis zum sechsten Lebensjahr erwerben Kinder eine basale Geschlechteridentität, ein grundlegendes Verständnis von Geschlechterunterschieden, Geschlechterkonstanz und Sexualität sowie das Wissen von Geschlechterstereotypen (Rohrmann 2009). Dies schließt auch die Entwicklung von Spielvorlieben und Interessen sowie differenzierten Beziehungen und Freundschaften zu anderen Kindern ein. Zu den Freizeittätigkeiten von Vorschulkindern gibt es wenige „harte Daten“, da diese schlecht selbst befragt werden können. Aber Beobachtungen von Erzieherinnen in Kindertagesstätten bestätigen die frühe Differenzierung im Spielverhalten zwischen Jungen und Mädchen. Die Neigung der Jungen zu eher aggressiveren Spielweisen und zur Beschäftigung mit „männlichen“ Spielinhalten fängt demnach früh an. Für den Bezirk Mitte liegen lediglich die Elternangaben zur Mediennutzung (getrennt nach Fernsehen und Computer) für die Kinder aus der Schuleingangsuntersuchung für das Jahr 2014 vor (Schaubild 3.14). Während sich der Fernsehkonsum von Mädchen nur unwesentlich von dem der Jungen unterscheidet – Jungen sind bei den „Vielsehern“ etwas stärker vertreten, scheinen Computerspiele eindeutig eher eine Vorliebe der Jungen in diesem Alter zu sein. Insbesondere im Bereich „kein Konsum“ (ca. 11% mehr Mädchen als Jungen) liegen die beiden Geschlechter deutlich auseinander.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Freizeitverhalten von Kindern im Schulalter Es gibt wenige Untersuchungen der Freizeittätigkeiten von Kindern im Grund- und Mittelschulalter. Hierunter war eine Befragung von Grundschulkindern in Nürnberg aus dem Jahre 2002 (vgl. Dees 2008). Da sich in den inzwischen 14 Jahren seit dieser Untersuchung sowohl die Gesellschaft als auch das Verhältnis von Jungen und Mädchen zueinander mit Sicherheit weiterentwickelt haben, wurde entschieden statt dieser Untersuchung die Ergebnisse der KIMStudie16 des Medienpädagogische Forschungsverbundes Südwest als Basis für diese Ausführungen in diesem Abschnitt zu verwenden. Eine geschlechterdifferenzierte Auswertung dieser Studie lässt einige interessante Unterschiede im Freizeitverhalten bei Mädchen und Jungen erkennen (vgl. Schaubild 3.14). Während die beliebteste Freizeittätigkeit in diesem Alter (Fernsehen) von Mädchen und Jungen so gut wie gleich häufig ausgeführt wird, gibt es z.T. bei anderen Tätigkeiten eindeutige geschlechtsspezifische Präferenzen. Jungen spielen um einiges häufiger als Mädchen am Computer (70% vs. 53%), treiben häufiger Sport (75% vs. 61%) und lesen häufiger Comics (47% vs. 33%). Mädchen machen lieber etwas mit der Familie als Jungen (81% vs. 71%), lesen lieber ein Buch (60% vs. 41%), verbringen die Zeit mit Malen, Zeichnen oder Basteln (56% vs. 35%), beschäftigen sich mit einem Tier (51% vs. 32%) oder Musizieren (45% gegenüber 29,1%). Hierbei wird auch in diesem Alter sichtbar, wie einige gesellschaftliche Erwartungen an Jungen und Mädchen bereits internalisiert wurden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass beide Geschlechter im Alter von 6 bis 13 Jahren auch eine Reihe von gemeinsamen Vorlieben haben. Auffallend ist die Tatsache, dass direkt hinter Fernsehen und Hausarbeiten Jungen und Mädchen angaben, sowohl drinnen als auch draußen zu spielen (jeweils ca. 90% mindestens einmal in der Woche). Darüber hinaus hören sie gleich

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Seit 1999 führt der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest regelmäßig Basisstudien zum Stellenwert der Medien im Alltag von Kindern (KIM) durch. Bisher wurde die KIM-Studie in den Jahren 1999, 2000, 2002, 2003, 2005, 2006, 2008, 2010, 2012 und 2014 aufgelegt. Im Rahmen der KIM-Studie werden jeweils rund 1.200 Kinder mündlichpersönlich sowie deren Mütter schriftlich befragt. Auf Anfrage des Bezirksamtes Mitte wurde eine geschlechterdifferenzierte Auswertung dieser Studie durchgeführt.

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Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________ häufig Radio oder Musik. Ähnlich sieht es aus mit der Nutzung eines Smartphones bzw. eines Computers ohne Internet und mit Internetnutzung.

3.3.2 Freizeitverhalten im Jugendalter Bei der Herausbildung von Geschlechteridentitäten ist das Jugendalter ein wichtiger Lebensabschnitt wo angehende Männer und Frauen anfangen, sich stärker voneinander abzugrenzen. In einigen Bereichen werden die gesellschaftlichen Rollenerwartungen immer deutliche im Verhalten der beiden Geschlechtern sichtbar. In diesem Abschnitt werden anhand der neuesten Auflage der Shell-Jugendstudie die Unterschiede im Freizeitverhalten zwischen den Geschlechtern unter die Lupe genommen. Schaubild 3.15 zeigt die beliebtesten Freizeittätigkeiten von männlichen und weiblichen Jugendlichen in Deutschland anhand der Ergebnisse der Shell-Jugendstudie 2015. Waren Jungen und Mädchen in Hinblick auf ihr Freizeitverhalten im Kindesalter relativ ähnlich (vgl. Schaubild 3.14), zeigten sich einige deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Jugendalter. Auf den ersten Blick sichtbar sind die Geschlechterunterschiede bei vier aus den fünf populärsten Freizeittätigkeiten: Während männliche und weibliche Jugendliche ungefähr gleich häufig soziale Medien nutzen, treffen sich weibliche Jugendliche um einiges häufiger mit „Leuten“ 54

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ (62% vs. 53%) und hören Musik etwas häufiger (57% vs. 51%) als ihre männlichen Altersgenossen. Männliche Jugendliche dagegen surfen wesentlich öfter im Internet (59% vs. 44%) als weibliche und sehen etwas öfter Fern (52% vs. 48%).

Im Jugendalter zeigen sich die jungen Männer eindeutig aktiver bei bewegungsintensiven Tätigkeiten wie Training und Sport (35% vs. 26%) aber auch beim Rad fahren, Skaten und kicken (31% vs. 24%). Sie pflegen jedoch auch passivere Tätigkeiten wie „Computer, Playstation oder Nintendo spielen“ (39% vs. 7%) eindeutig öfter als ihre Altersgenossinnen. Darüber hinaus schauen sie deutlich Videos und DVDs an, während junge Frauen mehr als zweimal häufiger Bücher lesen. Im Übrigen unternehmen junge Frauen zweimal häufiger Aktivitäten mit der Familie. Nicht zuletzt gehen weibliche Jugendlichen fünfmal häufiger „Shoppen“ als junge Männer. Nach den Ergebnissen des Shell-Jugendsurveys unterscheiden sich männliche und weibliche Jugendliche nicht nur in der Häufigkeit sondern auch in der Art der Internetznutzung. Während beide Geschlechter fast genauso häufig im Internet gesellige Aktivitäten wie „Facebook u. ä. nutzen“ und „Emails verschicken“ pflegen, benutzen junge Männer das Internet häufiger als Quelle, um sich über Politik und Gesellschaft zu informieren. Darüber hinaus sind Aktivitäten

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Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________ wie Videos oder Musik herunterladen und internetbasierte Computerspiele deutlich männliche Nutzungsarten. Die Ergebnisse zur Mediennutzung im Jugendalter geben auch Aufschluss über mögliche Zugänge zu Jugendlichen beider Geschlechter – z.B. im Rahmen von Aufklärungsangeboten. Die große Beliebtheit vom Internet bei beiden Geschlechtern, insbesondere bei den männlichen Jugendlichen, zeigt, dass dieses neue Medium ein bisher nicht ausgeschöpftes Potential darstellt. Angesichts des oben aufgezeigten unterschiedlichen Zugangs zur Information nach Geschlecht, sollte darüber nachgedacht werden, inwieweit bisher verwendete Medien überhaupt noch zielgruppengerecht sind. Insbesondere der große Unterschied zwischen den Geschlechtern in Hinblick auf „Bücher lesen“ deutet darauf hin, dass die Printmedien kaum geeignet sind, um Jungen zu erreichen. Die größere Internetaffinität der Jungen dagegen, könnte darauf hindeuten, dass dieses Medium stärker als bisher als Informationsquelle für diese Zielgruppe benutzt werden sollte. Organisierte Jugendfreizeitangebote Auch im Bezirk Mitte werden Freizeitangebote für beide Geschlechter angeboten, sowohl in bezirkseigenen Jugendfreizeitstätten als auch von freien Trägern im Auftrag des Bezirksamtes. Leider ist die Statistik der Jugendfreizeitstätten nur begrenzt nach Geschlecht differenziert. Es kann lediglich festgehalten werden, dass insgesamt 44% der Stammbesucher im Jahre 2010 Mädchen oder junge Frauen waren. Weiterhin wird berichtet, dass, während das Nutzungsverhältnis bei Kindern nahezu ausgeglichen ist, die offenen Angebote der Jugendfreizeitstätten stark von männlichen Besuchern frequentiert wurden. Dies führt u.a. dazu, dass die „AG Mädchen und junge Frauen in Mitte“ eine Stärkung der Mädchenarbeit und mehr geschlechterspezifische und geschlechtersensible Angebote gefordert hat (BA Mitte – Jugendamt, 2011).

3.3.3 Freizeitverhalten im Erwachsenenalter Die Unterschiede im Freizeitverhalten bei den beiden Geschlechtern, die sowohl in der frühen Kindheit als auch bei den Jugendlichen zu erkennen waren, entwickeln sich natürlich auch im Erwachsenenalter weiter. Als Resultat einer langjährigen Sozialisation in Hinblick auf „Mannsein“ bzw. „Frau-sein“ sind eine Reihe von geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen im Erwachsenenalter bereits verfestigt. Dies schließt auch ein unterschiedliches Freizeitverhalten von Männern und Frauen ein. In diesem Abschnitt werden anhand einer Befragung der Eltern der bezirklichen Schulanfänger einige geschlechtsspezifischen Unterschiede im Freizeitverhalten näher beleuchtet. Schaubild 3.16 zeigt die beliebtesten Freizeittätigkeiten der Eltern der bezirklichen Schulanfänger im Jahre 2011. Trotz eines relativ ausgeglichenen Verhältnisses bei einer Reihe von Tätigkeiten (z.B. Fernsehen, Radfahren, Schwimmen, Kino oder Theater besuchen sowie sich im Verein organisieren), gibt es eine Reihe von Tätigkeiten, die deutlich häufiger vom dem einen oder anderen Geschlecht ausgeübt werden. So gingen die Frauen um einiges häufiger spazieren, trafen sich eher mit Freunden, lasen deutlich häufiger als die Männer ein Buch, suchten häufiger eine Bibliothek auf, gingen öfter tanzen und nahmen häufiger Bildungsangebote wahr. Männer dagegen trieben häufiger Sport.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

3.3.4 Freizeitverhalten älterer Menschen Die unterschiedlichen Freizeitinteressen und -Verhaltensweisen beider Geschlechter sind auch im Alter zu beobachten. Am Ende des Lebenslaufs lassen sich ebenfalls mehr oder minder große Unterschiede ausmachen. In diesem Abschnitt werden diese Unterschiede sowohl anhand einer vom Bezirksamt Mitte durchgeführten Befragung älterer Menschen (der LISA-Studie17 – vgl. u.a. BA Mitte 2010) als auch anhand der Statistik der bezirklichen Seniorenfreizeitstätten aufgezeigt. Schaubild 3.17 zeigt die beliebtesten Freizeittätigkeiten der Befragten in der LISA-Studie. Wie in anderen Altersgruppen wird die beliebteste Freizeittätigkeit, Fernsehen, von beiden Geschlechtern ungefähr gleich häufig angeführt (ca. 90%). Beim Spazierengehen, der zweit beliebtesten Tätigkeit mit ungefähr 80%, nehmen sich ältere Männer und Frauen ebenfalls nicht viel. Bereits an der dritten und der vierten Stelle, „gesellige Treffen“ und „Buch lesen“ zeigen sich die Frauen um einiges aktiver. Beim „Imbiss, Café und Konditoreibesuch“ sowie bei der ehrenamtlichen Arbeit, liegen dagegen die Männer wiederum vorn. 17

Bei der LISA-Befragung wurde – anhand einer Tätigkeitsliste – auch nach der Häufigkeit gefragt mit der die Befragten bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens verrichtet haben.

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Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________

Interessanterweise unterscheiden sich die beiden Geschlechter bei den einzelnen bewegungsintensiveren Aktivitäten. Während die Männer häufiger Fahrrad fahren, beteiligen sich die Frauen deutlich öfter an Sportangeboten. Darüber hinaus beschäftigten sich die älteren Frauen – wie in dieser Generation zu erwarten – deutlich häufiger als ihre männlichen Altersgenossen mit Handarbeit.

3.4 Zusammenfassung Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern Zwischen 1991 und 2010 glich sich die Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen im vereinigten Deutschland etwas an: Lag die Erwerbsquote bei den Frauen 1991 fast 20 Prozentpunkte unter der der Männer, betrug der Unterschied im Jahre 2010 lediglich 10,9 Prozentpunkte. Darüber hinaus führte das Vorhandensein von Kindern bei Frauen, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen, zu einer deutlich niedrigeren Erwerbsbeteiligung. Eine Analyse der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern nach Familienstand zeigt, dass sich ledige Frauen und Männer in allen Altersgruppen relativ gleich stark am Erwerbsleben beteiligen. Verheiratete Männer zeichnen sich durch eine hohe Erwerbsbeteiligung aus – meist sogar höher als die der ledigen Männer. Ledige Frauen beteiligen sich in allen Altersgruppen stärker am Erwerbsleben als verheiratete Frauen. 58

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Auf der einen Seite ist Teilzeiterwerbstätigkeit für Frauen eine Chance, überhaupt berufstätig zu werden, auf der anderen Seite aber eine potentielle Falle beim beruflichen Weiterkommen. Insgesamt sind es in Deutschland eindeutig die Frauen, die einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehen. Während nur ein Bruchteil der erwerbstätigen Männer unter 21 Stunden wöchentlich arbeitet, sind es fast 30% der erwerbstätigen Frauen. Das führt u.a. auch dazu, dass Männer in Führungsfunktionen oft überrepräsentiert sind. Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in Berlin und Mitte Größere Unterschiede in der Beteiligung am Erwerbsleben je nach Geschlecht zeigen sich auch in Berlin und Mitte. In beiden Gebieten sind Männer deutlich öfter vollzeiterwerbstätig und Frauen in Teilzeitarbeitsverhältnissen. In Mitte fallen insbesondere die niedrigeren Anteile der Vollzeiterwerbstätigen und die höheren Anteile an Erwerbslosen beider Geschlechter auf. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind außerdem nach dem Wirtschaftsbereich und der Stellung im Beruf zu beobachten. Nach der Quelle des überwiegenden Lebensunterhaltes betrachtet, sieht es folgendermaßen aus: Die Erwerbsbeteiligung von Männern liegt deutlich höher als die von Frauen, während verhältnismäßig mehr Frauen in beiden Gebieten vom Unterhalt der Eltern/Ehegatten als Männer leben. Außerdem beziehen Frauen eher eine Rente oder Pension, während Männer etwas häufiger als Frauen von ALG I oder II leben. Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern im Haushalt In einer Zeitbudgetberechnung aus dem Jahre 2003 wird deutlich, dass das Verhältnis zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit der beiden Geschlechter in einer Partnerschaft sehr von dem Vorhandensein von Kindern abhängig ist. In Haushalten mit Kindern, in denen nur der Mann erwerbstätig ist, leisten Frauen im Schnitt deutlich mehr als zweimal so viel unbezahlte Arbeit wie die Männer. In Partnerschaften mit Kindern, in denen beide Partner erwerbstätig sind, leisten Frauen immerhin noch fast zweimal so viel unbezahlte Arbeit. In einer Studie der DIW wurde festgestellt, dass auch Frauen in Führungspositionen deutlich mehr Hausarbeit leisten, seltener verheiratet sind und weniger Kinder haben als vergleichbare männliche Kollegen. Während Männer in Führungspositionen zuhause nur 18 Prozent der Familienarbeit übernehmen, erledigen weibliche Führungskräfte rund 58 Prozent der häuslichen Aufgaben. Ergebnisse von bezirklichen Befragungen Bei einer Befragung der Eltern von Schulanfängern im Jahre 2010/11 trat klar zutage, dass die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in vielen Familien der Schulanfänger noch immer sehr stark verbreitet ist. Die Arbeit im häuslichen Bereich ist weiblich dominiert. Erst bei dem Komplex „Kinder erziehen/betreuen/versorgen“ erreicht die tägliche Tätigkeit der Väter ein etwas höheres Niveau. Bei einer Befragung älterer Menschen im Jahre 2009 wurde festgestellt, dass es hier doch deutlich gleichberechtigter zugeht als in der jüngeren Altersgruppe. Gerade bei den Arbeiten im Haushalt und bei den Einkäufen ist der Anteil der Männer deutlich höher als der der Frauen. Männer passen auch etwas häufiger auf Kinder auf. Diese Ergebnisse sind insoweit interessant, als dass nur wenige geschlechtsspezifische Unterschiede aufgetreten sind. Da es sich hierbei um eine Generation handelt, die ihre primäre Sozialisation in Zeiten der festen Rollenzuweisungen erhalten hat, ist dies erstaunlich.

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Arbeit, Haushalt, Freizeit ____________________________________________________________________________ Freizeitverhalten im Kindesalter Eine geschlechterdifferenzierte Auswertung der KIM-Studie aus dem Jahr 2014 zeigten einige eindeutige geschlechtsspezifische Präferenzen bei Mädchen und Jungen. Jungen spielen um einiges häufiger am Computer, treiben häufiger Sport und lesen häufiger Comics als Mädchen. Mädchen machen dafür lieber etwas mit der Familie, lesen lieber ein Buch, verbringen die Zeit mit Malen, Zeichnen oder Basteln, beschäftigen sich mit einem Tier oder Musizieren als Jungen. Hierbei wird auch in diesem Alter sichtbar, wie einige gesellschaftliche Erwartungen an Jungen und Mädchen bereits internalisiert wurden. Freizeitverhalten im Jugendalter Anhand der Ergebnisse der Shell-Jugendstudie 2015 wurden die beliebtesten Freizeittätigkeiten von männlichen und weiblichen Jugendlichen in Deutschland untersucht. Während männliche und weibliche Jugendliche ungefähr gleich häufig soziale Medien nutzen, treffen sich weibliche Jugendliche um einiges häufiger mit „Leuten“ (62% vs. 53%) und hören Musik etwas häufiger (57% vs. 51%) als ihre männlichen Altersgenossen. Männliche Jugendliche dagegen surfen wesentlich öfter im Internet (59% vs. 44%) als weibliche und sehen etwas öfter Fern (52% vs. 48%). Bei bewegungsintensiven Tätigkeiten wie Training und Sport (35% vs. 26%) aber auch beim Rad fahren, Skaten und kicken (31% vs. 24%) sind junge Männer eindeutig aktiver. Sie pflegen jedoch auch passivere Tätigkeiten wie „Computer, Playstation oder Nintendo spielen“ (39% vs. 7%) eindeutig öfter als ihre Altersgenossinnen. Darüber hinaus schauen sie deutlich Videos und DVDs an, während junge Frauen mehr als zweimal häufiger Bücher lesen. Im Übrigen unternehmen junge Frauen zweimal häufiger Aktivitäten mit der Familie. Nicht zuletzt gehen weibliche Jugendlichen fünfmal häufiger „Shoppen“ als junge Männer. Männliche und weibliche Jugendliche unterscheiden sich auch in der Art der Internetznutzung. Während beide Geschlechter fast genauso häufig im Internet gesellige Aktivitäten wie „Facebook u. ä. nutzen“ und „Emails verschicken“ pflegen, benutzen junge Männer das Internet häufiger als Quelle, um sich über Politik und Gesellschaft zu informieren. Darüber hinaus sind Aktivitäten wie Videos oder Musik herunterladen und internetbasierte Computerspiele deutlich männliche Nutzungsarten. Die Ergebnisse zur Mediennutzung im Jugendalter geben auch Aufschluss über mögliche Zugänge zu Jugendlichen beider Geschlechter – z.B. im Rahmen von Aufklärungsangeboten. Insbesondere der große Unterschied zwischen den Geschlechtern in Hinblick auf „Bücher lesen“ deutet darauf hin, dass die Printmedien kaum geeignet sind, um Jungen zu erreichen. Die größere Internetaffinität der Jungen dagegen, könnte darauf hindeuten, dass dieses Medium stärker als bisher als Informationsquelle für diese Zielgruppe benutzt werden sollte. Im Hinblick auf organisierte Freizeitangebote für Jugendliche im Bezirk Mitte kann lediglich festgehalten werden, dass insgesamt 44% der Stammbesucher von Jugendfreizeiteinrichtungen im Jahre 2010 Mädchen oder junge Frauen waren. Weiterhin wird berichtet, dass die offenen Angebote der Jugendfreizeitstätten stark von männlichen Besuchern frequentiert werden. Freizeitverhalten in zwei Altersgruppen in Mitte Bei einer Befragung der Eltern der bezirklichen Schulanfänger war das Geschlechterverhältnis bei einer Reihe von Tätigkeiten relativ ausgeglichen. Die Frauen gingen jedoch um einiges häufiger spazieren, trafen sich eher mit Freunden und lasen deutlich häufiger ein Buch. Männer ihrerseits trieben häufiger Sport als die Frauen. 60

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ In der LISA-Studie konnte festgestellt werden, dass die beliebtesten Freizeittätigkeiten im Alter, Fernsehen und Spazierengehen, von beiden Geschlechtern ungefähr gleich häufig ausgeführt wurden. Wie auch in jüngeren Jahren waren Frauen geselliger oder lasen eher ein Buch. Männer dagegen lagen bei Restaurantbesuchen und bei ehrenamtlicher Tätigkeit vorn. Hinsichtlich der bewegungsintensiveren Aktivitäten fuhren Männer häufiger Fahrrad, während die Frauen sich deutlich öfter an Sportangeboten beteiligten.

61

Materielle Lage ____________________________________________________________________________

4

Materielle Lage

Die materielle Lage von Männern und Frauen ist die wichtigste Grundlage der eigenständigen Lebensgestaltung. Hieran bemisst sich auch ihre Handlungsmöglichkeit in vielen Lebensbereichen. Analog der in der Einleitung angeführten Veränderung in ihrer Lebenssituation wird auch die materielle Lage von Frauen und Männern zunehmend im Lebenslauf voneinander abgekoppelt. Dies kann zu mehr Freiheit und Entscheidungsspielraum führen – sie kann aber auch in einer materiellen Notlage enden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen der materiellen Lage der Bevölkerung und der Gesundheit belegen (vgl. u.a. Richter 2009). Wenn sie zusammen wohnen, wird die materielle Lage von Frauen und Männern im gleichen Haushalt meist anhand des gesamten Haushaltseinkommens eingeschätzt. Auf der einen Seite werden die Lebensbedingungen aller Haushaltsmitglieder maßgeblich durch das Einkommensniveau des Hauptverdieners beeinflusst. Insbesondere bei einem Haushalt mit tradierter Rollenverteilung zwischen Ehepartnern wäre es faktisch falsch, die Stellung bzw. den Status der Frau allein auf der Basis ihres eigenen Einkommens zu beurteilen. Während die haushaltsbezogene Betrachtungsweise in einer funktionierenden Partnerschaft sicherlich inhaltlich richtig ist, verschleiert sie die faktisch existierenden Machtverhältnisse, die aufgrund des unterschiedlichen individuellen Einkommens in einer Partnerschaft bestehen können. Die materielle Lage im Bezirk Mitte insgesamt, aber insbesondere in einigen sozial benachteiligten Gebieten in den Altbezirken Tiergarten und Wedding, befindet sich deutlich unter dem Berliner Durchschnitt. In diesem Abschnitt wird anhand der einschlägigen Indikatoren die materielle Lage der Frauen und Männer im Bezirk dargelegt. Sie erfolgt mit Hilfe von Indikatoren zur Arbeitslosigkeit, zum Einkommen, zur Armut und zum Reichtum, sowie anhand der Grundsicherungsstatistik (Empfang von Arbeitslosengeld II sowie von Altersgrundsicherung). Dort, wo es inhaltlich sinnvoll erscheint, werden in diesem Kapitel geschlechterdifferenzierte Vergleiche der Bezirke bzw. der LORs im Bezirk vorgenommen.

4.1 Arbeitslosigkeit Die Arbeit ist ein essentieller Bestandteil im Leben eines Menschen. Nicht nur als Einkommensquelle, und dadurch mitbestimmend für die materielle Situation, sondern auch als sinngebendes und strukturierendes Element im eigenen Leben. Darüber hinaus kann die Möglichkeit, sich durch die eigene Arbeit versorgen zu können, auch ein Stück weit Eigenständigkeit innerhalb einer Partnerschaft bedeuten, sowohl für die Frau als auch für den Mann. Wie in vielen gesundheitswissenschaftlichen Veröffentlichungen festgestellt wurde, kann der Verlust der Arbeit ernsthafte gesundheitliche Folgen für beide Geschlechter mit sich bringen (vgl. u.a. Mielck 2002). Schaubild 4.1 zeigt den Anteil der Arbeitslosen in den Berliner Bezirken am 31.12.2014 nach Geschlecht. Insgesamt wird sichtbar, dass die Männer je nach Bezirk ca. 2 bis 4 Prozentpunkte häufiger als die Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, d.h. aber auch häufiger als Frauen Arbeit suchen. Es fallen jedoch große Unterschiede im Niveau der Arbeitslosigkeit zwischen den Bezirken auf: Während im Bezirk Steglitz-Zehlendorf lediglich 4,6% der Frauen und 5,9% der Männer zwischen 15 und 64 Jahren18 arbeitslos waren, lagen die jeweiligen Anteile in Mitte

18

Da die offizielle Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit nur absolute Arbeitslosenzahlen (d.h. nicht Quoten) nach Geschlecht veröffentlicht, wurden für diese Auswertung eigene AL-Quoten gebildet. Als Zähler fungierte die Zahl

62

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ und Neukölln fast zweimal so hoch. Insgesamt verzeichnete Mitte die zweithöchsten Anteile an Arbeitslosen – sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen.

Auch in den Bezirksregionen von Mitte gibt es erhebliche Unterschiede – sowohl im Niveau der Arbeitslosigkeit als auch im Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander (vgl. Schaubild 4.2). Wie in Berlin als Ganzem liegt in allen BZR der Anteil der arbeitslosen Männer höher als der der Frauen. Während die Männer und Frauen in der BZR Brunnenstraße Süd auf sehr niedrigem Niveau um lediglich 0,2% Prozentpunkte auseinander lagen, betrug der Unterschied in der BZR Moabit West auf mittelhohem Niveau 3 Prozentpunkte. Den niedrigsten Anteil an arbeitslosen Frauen gab es mit 4,3% in der BZR Brunnenstraße Süd – den höchsten Anteil in der BZR Osloer Straße mit 11,3%. Bei den Männern liegen die BZR Brunnenstraße Süd und das Regierungsviertel gleichauf mit 5,7% am niedrigsten, der höchste Anteil an arbeitslosen Männern ist in der BZR Osloer Straße mit 13,8% zu finden.

der Arbeitslosen nach SGB II (ALG II) sowie nach SGB II (ALG I). Der Nenner wurde mit der Anzahl der Menschen zwischen 15 und 64 Jahren festgelegt. Da der Nenner wesentlich größer als die Anzahl der Erwerbspersonen ist, fallen die Quoten niedriger als die der Bundesagentur für Arbeit aus.

63

Materielle Lage ____________________________________________________________________________

4.2

Einkommen

Männer verdienen generell mehr als Frauen. Dies sieht man ganz deutlich in Deutschland. In keinem anderen europäischen Land ist der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern größer als hierzulande. So verdient nach einer Untersuchung der OECD eine vollbeschäftigte Frau im Schnitt 22% weniger als ein Mann. Mit ca. 8% Gehaltsunterschied weist Norwegen das geringste Lohngefälle im europäischen Vergleich auf. Diese große Differenz in Deutschland kommt vor allem dadurch zustande, dass Frauen vorwiegend in schlechter bezahlten Branchen beschäftigt sind (OECD 2012). Inwiefern dies durch die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern auf die Hierarchieebenen oder die unterschiedlichen Entgeltstrukturen für typische Frauen- bzw. Männerberufe verursacht wird, sei dahingestellt. Unter dem Strich liegen Frauen in Deutschland jedoch deutlich hinter den Männern beim Einkommen. Diese Tatsache wirkt sich unterschiedlich auf die Lebenssituation der betroffenen Männer und Frauen aus, je

64

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ nachdem, ob sie zusammen oder allein wohnen, und mündet letztendlich auch in unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommensniveaus für Frauen und Männer in den Berliner Bezirken.

Das mittlere Pro-Kopf-Einkommen von Frauen und Männern in den Berliner Bezirken im Jahr 2014 wird im Schaubild 4.3 dargestellt. Männer verdienten in jedem Bezirk mehr als die Frauen, in ganz Berlin etwa 125€. Es gibt jedoch mehr oder minder große Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern je nach Bezirk. Während in Friedrichshain-Kreuzberg Männer und Frauen mit durchschnittlich 1000€ genauso viel verdienen, beträgt der Unterschied in Steglitz-Zehlendorf stolze 250€. Bei den Frauen rangiert das Durchschnittseinkommen zwischen 850€ in Neukölln und 1150€ in Steglitz-Zehlendorf. Bei den Männern reicht die Spannbreite zwischen 950€ in Neukölln und 1400€ in Steglitz-Zehlendorf. Mitte liegt an drittniedrigster Stelle bei den Männern mit 1025€ und an zweitniedrigster Stelle bei den Frauen mit 875€. Im Schaubild 4.4 wird das Pro-Kopf-Nettoeinkommen in Berlin und Mitte im Jahre 2014 nach Geschlecht in fünf Einkommensgruppen abgebildet. Insbesondere fällt auf, dass Frauen in der Gruppe der Menschen, die über 1500€ und mehr im Monat verfügen, um ca. 8 Prozentpunkte unterrepräsentiert sind – sowohl in Mitte als auch in Berlin. Dafür sind Frauen in den unteren Einkommensgruppen überrepräsentiert, insbesondere in der Gruppe der Menschen, die unter 500€ monatlich verdienen. In Mitte ist die Gruppe der Frauen, die ohne Einkommen ist, deutlich größer als die der Männer – anders als in Berlin insgesamt. Hier zeigt sich, dass in vielen 65

Materielle Lage ____________________________________________________________________________ Haushalten im Bezirk eine deutliche Abhängigkeit bei Frauen vom Einkommen des Partners besteht.

Schaubild 4.5 stellt die Entwicklung im Pro-Kopf-Einkommen bei Männern und Frauen in Berlin und Mitte im Zeitraum von 2001 bis 2014 dar. Im gesamten Zeitraum liegt das Einkommen der Männer um einiges höher als das der Frauen – dabei auf deutlich höherem Niveau in Berlin als in Mitte. Man sieht, dass sich bis 2010 der Abstand zwischen Männern und Frauen in beiden Gebieten zeitweilig verringert hat. Seit 2011 öffnet sich jedoch die Schere zwischen Männern und Frauen wieder. Schaubild 4.5: Entwicklung des Pro-Kopf-Nettoeinkommen in Mitte und Berlin nach Geschlecht (2001 - 2014) 1200 1125 1100

1150

1075 1050 1025 1000 1000

975

1000 975

950

875

875

1025

1025

975

875

975

875

825

800 800

850

825

800

775 725

725

725

725

2005

2006

2007

825 775

775

2008

2009

975 875

850

800 825

700

675 600 2001

750

850

975

925

875 825

800

950 925

850 825

950

900

900

975

1025 1025

2002

2003

2004

weiblich Mitte

weiblich Berlin

männlich Mitte

Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

66

2010

2011

2012

männlich Berlin

2013

2014

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Schaubild 4.6 bildet das Netto-Pro-Kopfeinkommen von Männern und Frauen in Berlin nach Altersgruppe ab. Ein Vergleich der vier Altersgruppen lässt einen deutlichen Trend erkennen. Die größten Unterschiede im Einkommensniveau nach Geschlecht sind in der Altersgruppe der über 65-Jährigen zu verzeichnen. Hier erhielten die Männer mit 1375€ im Schnitt 225€ mehr als die Frauen (1150€). Je jünger die Altersgruppe desto mehr verbesserte sich das Verhältnis zugunsten der Frauen. In der jüngsten Altersgruppe (15 bis 25 Jahren) gab es auf niedrigem Niveau sogar einen erheblichen weiblichen Einkommensvorsprung von 100€ (525€ gegenüber 425€).

4.3 Arbeitslosengeld II Im Rahmen des „Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz IV) wurden 2005 die bisherigen Unterstützungsleistungen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt – HILU) zusammengelegt. Da im Gegensatz zur Arbeitslosenquote die Statistik zum Bezug von ALG II (Grundsicherung nach dem SGB II) sowohl die arbeitsfähigen Menschen als auch ihre Angehörigen umfasst, wird sie als relativ aussagekräftiger Gradmesser der sozialen Situation der Bevölkerung betrachtet. In diesem Abschnitt wird die ALG II-Statistik in erster Linie in Hinblick auf eventuelle Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern analysiert. Schaubild 4.7 zeigt den Anteil der arbeitsfähigen19 männlichen und weiblichen Empfänger von ALG II-Leistungen an der 15- bis unter 65-jährigen Bevölkerung in den Berliner Bezirken am 31.12.2014. Abgesehen von der Tatsache, dass das Niveau der Bedürftigkeit in den einzelnen Bezirken sehr unterschiedlich ausfällt, gibt es hinsichtlich des Geschlechts sehr wenig Varianz. Sowohl in Berlin insgesamt in den meisten Bezirken liegt der Anteil der männlichen etwas höher als der der weiblichen ALG II-Bezieher. In Marzahn-Hellersdorf liegen die Frauen 2,2% 19

Bei den Angehörigen wird in der ALG II-Statistik nicht nach Geschlecht differenziert.

67

Materielle Lage ____________________________________________________________________________ höher als die Männer – in Friedrichshain-Kreuzberg führen die Männer mit 19,3% gegenüber 18,0%. In Mitte liegen die Anteile der männlichen und weiblichen Empfänger von ALG II relativ nah aneinander bei ca. 22%. Hiermit belegt Mitte den zweithöchsten Platz bei den Männern und den dritthöchsten Platz unter den Frauen.

4.4 Altersgrundsicherung Viele Menschen erhalten im Alter eine so geringe Rente, dass sie nicht davon leben können. Seit 2003 gibt es die Altersgrundsicherung als eigene soziale Leistung, um diesen Menschen den Gang zum Sozialamt zu ersparen. Hierbei zielt die Grundsicherung darauf ab, den grundlegenden Bedarf zum Leben zu sichern. In Hinblick auf die Kosten für den notwendigen Lebensunterhalt orientiert sich die Grundsicherung an dem Sozialhilferegelsatz. Darüber hinaus werden die Kosten für Unterkunft und Heizung sowie „angemessene“ Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung übernommen. Da diese Sozialleistung eine ähnliche Funktion wie das Arbeitslosengeld II für die über 65-jährige Bevölkerung übernimmt, kann der Empfang von Altersgrundsicherung als Pendant zum ALG II genutzt werden, um den Anteil der älteren Bevölkerung, der am Rande der Armut lebt, einzuschätzen.

68

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Schaubild 4.8 zeigt den Anteil der Frauen und Männer an der über 65-jährigen Bevölkerung in den Berliner Bezirken, die eine Altersgrundsicherung bekommt. Zwischen den Bezirken gibt es große Unterschiede im Niveau – so ist der Anteil der über 65-jährigen Männer in Friedrichshain Kreuzberg, die eine Altersgrundsicherung bekommen, mit 12,6% fast acht Mal so groß wie in Treptow-Köpenick (1,7%). Wie auch bei einigen anderen Indikatoren der sozialen Lage in diesem Kapitel gibt es in den einzelnen Bezirken nur geringe Unterschiede im Grad der Bedürftigkeit bei Frauen und Männern und diese weisen keine eindeutige Richtung auf. So wird z.B. die Altersgrundsicherung in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte häufiger von Männern bezogen, in Marzahn-Hellersdorf liegen jedoch die Frauen eindeutig vorn. Insgesamt liegen die beiden Geschlechter in Berlin sehr nah aneinander (Männer: 5,4%, Frauen: 5,1%). Mit 11,6% (Männer) bzw. 10,0% (Frauen) belegt Mitte den zweithöchsten Platz für beide Geschlechter. Insgesamt wird im Vergleich der Schaubilder 4.7 und 4.8 ersichtlich, dass das Niveau der Bedürftigkeit der jetzt älteren Menschen deutlich niedriger liegt als bei der jüngeren Bevölkerung. In Mitte z. B. ist der Anteil an Grundsicherungsempfängern ungefähr dreimal so hoch wie bei den Älteren (vgl. Schaubild 4.7 zum ALG II-Empfang). Schaubild 4.9 zeigt den Anteil der älteren Frauen und Männer, die auf die Altersgrundsicherung für ihren Lebensunterhalt angewiesen sind, in drei Altersgruppen – sowohl für Berlin als

69

Materielle Lage ____________________________________________________________________________ auch für den Bezirk Mitte. Während sowohl in Berlin als auch in Mitte der Anteil der männlichen Grundsicherungsempfänger insgesamt sowie in der jüngsten Altersgruppe größer ist, als bei den Frauen, machen die Frauen den höchsten Anteil in den beiden älteren Altersgruppen aus.

Interessant ist das Niveau der Bedürftigkeit in den einzelnen Altersgruppen: Je älter die Männer und Frauen, desto niedriger der Anteil an Grundsicherungsempfängern in beiden Gebieten. Bei den Männern in Mitte gibt es mehr als dreimal so viele Grundsicherungsempfänger in der Gruppe der 65 bis 75-jährigen wie in der Gruppe der über 85-jährigen. Hier offenbaren sich die Auswirkungen vergangener Rentenreformen für die Betroffenen. Für zukünftige Rentnergenerationen ist mit einer weiteren Zunahme der Altersgrundsicherungsempfänger zu rechnen. Schaubild 4.10 zeigt den Empfang von Altersgrundsicherung nach Geschlecht in Mitte und ganz Berlin für die Jahre 2007 bis 2014 als Prozent der jeweiligen Altersgruppe. Aus dem Diagramm sind einige deutliche Sachverhalte abzulesen. Augenfällig sind das unterschiedliche Niveau sowie der unterschiedliche Verlauf in den beiden Gebieten. Während in Mitte der Anteil der Grundsicherungsempfänger bei beiden Geschlechtern relativ stark von 2007 bis 2013 ansteigt (z.B. bei den Männern von 8,7% auf 11,9%) und im Jahr 2014 etwas zurückgeht, bleibt das Niveau bei beiden Geschlechtern relativ stabil (um die 5%). Auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander verhält sich in Mitte und Berlin unterschiedlich. Während in Mitte der Anteil der Männer stets höher als der der Frauen bleibt – mit zunehmendem Abstand – war der Anteil der weiblichen Grundsicherungsempfänger in Berlin von 2007 bis 1012 höher als der der Männer.

70

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Schaubild: 4.10: Empfang von Altersgrundsicherung nach Geschlecht in Berlin und Mitte (2007 - 2014) 12%

11,6%

11,3% 11,0%

10,5% 10%

9,4%

9,5%

10,5%

10,7%

10,2%

10,0%

9,6%

8,7% 8%

11,9%

9,1%

9,1%

5,1%

5,0%

8,2%

6% 4,9%

5,2%

5,0%

5,4%

5,7% 5,6%

4%

4,3%

2% 2007

4,6%

2008 Mitte männlich

2009

5,3%

5,0%

4,7%

4,5%

2010

2011

Mitte weiblich

5,4% 5,1%

2012

Berlin männlich

2013

2014

Berlin weiblich

Quelle: Sen GesSoz GSI

4.5 Armut und Reichtum Dank der periodischen Armuts- und Reichtums Berichterstattung der Bundesregierung (vgl. zuletzt BMAS 2008) sowie der regelmäßigen Armutsberichte des DPW (vgl. DPW 2016) gibt es seit einigen Jahren eine öffentliche Diskussion über das Thema Armut und Reichtum im insgesamt reichen Land Deutschland. Anhand der Verteilung von Einkommen in den privaten Haushalten wird die relative Verteilung von Armut (unter 60% des Äquivalenzeinkommens) und Reichtum (über 200% des Äquivalenzeinkommens) anhand einer Definition der OECD berechnet.20 Mittlerweile ist die relative Verteilung von Armut und Reichtum ein wichtiger Indikator in der Gesundheitsberichterstattung geworden – sowohl auf Bundes- als auch auf Landes- oder lokaler Ebene um das Ausmaß der sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Im Land Berlin wurden diese Berechnungen vom Amt für Statistik anhand der Ergebnisse des Mikrozensus durchgeführt und immer wieder in der Gesundheitsberichterstattung aufgegriffen, so auch in der Gesundheitsberichterstattung in Mitte (BA Mitte 2003, 2006 und 2009) und im Sozialstrukturatlas 2003 (Sen GSV 2004). Seit 2005 wird im Land Berlin die neue Definition der OECD zur Berechnung von Armut und Reichtum verwendet.21 Hierdurch wurde eine Vergleichbarkeit mit der bundesdeutschen Armuts- und Reichtums Berichterstattung ermöglicht. 20

Hinsichtlich der Datenbasis unterscheiden sich die Berechnungen der Bundesregierung und des DPW. Während für die Armuts- und Reichtums Berichterstattung der Bundesregierung die Angaben des Sozioökonomischen Panels (SOEP) verwendet werden, basieren die Armutsberichte des DPW auf den Mikrozensus. Der Mikrozensus hat für die GBE/SBE den eindeutigen Vorteil, dass er auch für die Bundesländer und die Kommunen (sowie die Berliner Bezirke) repräsentativ ist.

21

Nach der OECD-Definition von Armut gelten Menschen als arm, die in Haushalten mit weniger als 60% des durchschnittlichen (Median) bedarfsgewichteten Äquivalenzeinkommens leben. Bei der Berechnung des Haushaltsbedarfs wurde der Haupteinkommensbezieher mit 1,0 gewichtet, alle weiteren Personen 14 Jahre und älter mit 0,5 und Personen unter 14 Jahren mit 0,3.

71

Materielle Lage ____________________________________________________________________________

Schaubild 4.11 zeigt die Anteile der Männer und Frauen in Berlin und in Mitte im Jahr 2014, die in Armut (unter 60% des Bundesmaßstabes) bzw. in Reichtum (über 200% des Bundesmaßstabes) lebten. Auffällig in der Darstellung ist die Tatsache, dass in beiden Gebieten Männer sowohl etwas öfter von Armut betroffen sind als auch häufiger in Reichtum leben als Frauen. Dies korrespondiert auch mit den oben dargestellten Ergebnissen, da sowohl der Empfang von ALG II als auch ein höheres Einkommen häufiger bei Männern als bei Frauen zu finden ist. Ebenfalls im Schaubild 4.11 wird deutlich, dass in Mitte das Armutsniveau um einiges höher und der Anteil an Menschen, die über mehr als 200% des Berliner Äquivalenzeinkommens verfügen, niedriger ist als in ganz Berlin. Dies fällt insbesondere beim Anteil der Frauen, die in Reichtum leben, auf. Die oben aufgezeigten Niveau-Unterschiede zwischen Berlin und Mitte werden auch durch andere Indikatoren zur sozialen Lage bestätigt.

4.6 Zusammenfassung Die materielle Lage von Männern und Frauen im Bezirk Mitte ist sehr heterogen. Insbesondere in den Altbezirken Tiergarten und Wedding gibt es viele Einwohner, die sozial stark benachteiligt sind. Dieses Phänomen wird u.a. durch das niedrige Qualifikationsniveau eines Großteils der bezirklichen Bevölkerung verursacht. Dabei weist Mitte im Berliner Vergleich auch einen hohen Anteil an Empfängern von Arbeitslosengeld II auf. Arbeitslosigkeit Männer sind in den Berliner Bezirken mit ca. 2 bis 4 Prozentpunkten häufiger als Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen, hierbei gibt es große Unterschiede im Niveau: z.B. bei den Männern von 5,9% in Steglitz-Zehlendorf bis 10,5% in Mitte. Auch in den Bezirksregionen von Mitte liegt der Anteil der arbeitslosen Männer höher als der der Frauen. Wie in den Bezirken gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den BZR in Mitte: z.B. bei den Frauen von 4,3% in den BZR Brunnenstraße Süd sowie Regierungsviertel bis zum 11,8% in der BZR Osloer Straße. Einkommen Im Hinblick auf ihr Einkommen sind Frauen nach wie vor benachteiligt. In fast jedem Berliner Bezirk (lediglich in Friedrichshain-Kreuzberg liegen sie gleichauf) verdienten Männer im Jahre 2013 mehr als die Frauen (durchschnittlich um €150). Die Spannbreite im Einkommensniveau 72

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ zwischen den Bezirken ist groß, z.B. liegt sie bei den Männern zwischen 900€ und 1375€. Mitte befindet sich bei beiden Geschlechtern nah am unteren Ende. Betrachtet man die verschiedenen Einkommensgruppen, so fällt auf, dass Frauen in der Gruppe der Menschen, die über 1500€ und mehr im Monat verfügen, deutlich unterrepräsentiert sind. Dafür sind Frauen in den meisten anderen Gruppen überrepräsentiert, insbesondere in der Gruppe der Menschen, die weniger als 500€ monatlich verdienen. In Mitte ist die Gruppe der Frauen, die ohne Einkommen ist, um einiges größer als die der Männer. Auch im Zeitraum 2001 bis 2013 liegt das Einkommen der Männer um einiges höher als das der Frauen in Berlin und Mitte – dabei auf deutlich höherem Niveau in Berlin als in Mitte. Dabei verringert sich der Abstand zwischen Männern und Frauen bis 2010, um sich anschließend wieder zu vergrößern. Die verstärkte Erwerbsbeteiligung jüngerer, besser gebildeter Frauen führt dazu, dass diese Unterschiede langsam nivelliert werden. Ein Vergleich nach Altersgruppen lässt einen deutlichen Trend erkennen: Je jünger die Altersgruppe desto mehr verbessert sich das Verhältnis zugunsten der Frauen. In der jüngsten Altersgruppe gibt es auf niedrigem Niveau sogar einen weiblichen Einkommensvorsprung. Arbeitslosengeld II Beim Empfang von ALG II-Leistungen gibt es sehr wenig Varianz hinsichtlich des Geschlechts. Sowohl in Berlin als auch in fast allen Bezirken liegt der Anteil der männlichen ALG II-Bezieher nur unwesentlich höher als der weiblichen. Mit einem ALG II-Empfang bei ca. 22% sowohl der männlichen als auch der weiblichen Bevölkerung belegt Mitte den zweithöchsten Platz für beide Geschlechter. Altersgrundsicherung Beim Empfang von Altersgrundsicherung gibt es nur geringe Unterschiede im Grad der Bedürftigkeit bei Frauen und Männern in den Berliner Bezirken und diese weisen keine eindeutige Richtung auf. So wird z.B. die Altersgrundsicherung in einigen Bezirken häufiger von Männern bezogen, in anderen Bezirken jedoch häufiger von Frauen. Es gibt außerdem große Unterschiede im Niveau zwischen den Bezirken – so ist der Empfang von Altersgrundsicherung bei den Männern über siebenmal größer in Friedrichshain-Kreuzberg als in Treptow-Köpenick. Wie beim ALG II-Empfang liegt Mitte an zweithöchster Stelle bei beiden Geschlechtern. Im Vergleich zum ALG II-Empfang jedoch wird es deutlich, dass das Niveau der Bedürftigkeit der jetzt älteren Menschen wesentlich niedriger als bei der jüngeren Bevölkerung liegt. Auch in einer Auswertung nach Altersgruppe gibt es keine klare Korrelation nach Geschlecht. Interessant ist jedoch das Niveau der Bedürftigkeit in den einzelnen Altersgruppen – entgegen der gängigen Vorstellungen von bedürftigen Hochbetagten verläuft der Gradient hier anders: Je älter die Männer und Frauen, desto niedriger der Anteil an Grundsicherungsempfängern. Armut und Reichtum In der Auswertung der Statistik zu Armut und Reichtum fällt auf, dass Männer sowohl etwas öfter von Armut betroffen sind als auch häufiger in Reichtum leben als Frauen. Auch wird deutlich, dass in Mitte das Armutsniveau um einiges höher und das Reichtums Niveau niedriger als in ganz Berlin ist.

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Delinquenz, Kriminalität und Gewalt ____________________________________________________________________________

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Delinquenz, Kriminalität und Gewalt

In der öffentlichen Wahrnehmung wird generell eine Reihe von Verhaltensweisen – u.a. Aggressivität, Durchsetzungsfähigkeit und Gewalttätigkeit – pauschal einem stereotypischen „männlichen Persönlichkeitsbild“ zugewiesen. Demnach seien Männer von Natur aus aggressiver als Frauen, was dazu führe dass viele Formen der Regel-, Grenz- und Körperverletzungen um einiges häufiger von Jungen und Männern als von Mädchen und Frauen ausgeübt werden. Versuche, diese Tendenz zur Gewalttätigkeit als Wesenszug des Mannes zu erklären, spielen in den Verhaltenswissenschaften eine randständige Rolle. Vielmehr wird sie eher als Resultat einer „erfolgreichen“ traditionellen männlichen Sozialisation betrachtet. Die Zuschreibung von Verhaltensweisen als einer männlichen oder weiblichen Natur entsprechend blockiert zudem den Weg zu größerer Gleichwertigkeit im Geschlechterverhältnis und behindert somit insgesamt die Entwicklung hin zu einer Gesellschaft der größeren Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. In diesem Kapitel wird der oben angeschnittene Themenkomplex anhand von aktuellen Daten für das Land Berlin bzw. für den Bezirk Mitte näher betrachtet. Angefangen von unterschiedlichen Indikatoren für Delinquenz im Kindes- und Jugendalter über verschiedene Ausprägungen von Kriminalität bis hin zur polizeilichen Statistik zu häuslicher Gewalt wird die unterschiedliche Betroffenheit bzw. Täterschaft von Jungen und Mädchen bzw. von Männern und Frauen aufgezeigt.

5.1 Gewalt/Delinquenz im Kindes- und Jugendalter Wie bei allen Sozialisationsprozessen kann eine gewisse Differenzierung zwischen männlichen und weiblichen Verhaltensweisen in Hinblick auf Gewalt und Delinquenz sehr früh beobachtet werden. Bereits im frühen Kindesalter nehmen Kinder die Erwartungen ihrer Eltern sowie die Verhaltensweisen ihrer Spielkameraden wahr und fangen an, sich rollenkonform zu verhalten. Diese geschlechtsspezifische Differenzierung wird in der Regel durch die unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen im Kindes- und Jugendalter (Kindergarten, Grund- und Oberschule) unterstützt und verstärkt, wie wir in den nächsten Abschnitten sehen werden.

5.1.1 Gewalt bei Jungen und Mädchen im Kindergartenalter Für viele Jungen und Mädchen ist der Kindergarten der erste Ort, wo sie regelmäßigen Kontakt mit einer breiter gefächerten Peer-Gruppe erleben. Hier fangen sie an, sich intensiver mit anderen Kindern und den jeweiligen Geschlechterrollenerwartungen auseinanderzusetzen. Bereits in diesem Alter zeigen sich die Jungen tendenziell unruhiger, lauter, motorischer und aggressiver als ihre Altersgenossinnen (vgl. Bienek/Stoklossa 2007). Angesichts der gesellschaftlichen Erwartungen an ihr Verhalten fügen sich Jungen oft früh in dementsprechende Verhaltensmuster. Vom – überwiegend weiblichen – Erziehungspersonal (vgl. Abschnitt 2.1) werden solche Jungen als störend, verhaltensauffällig oder „schwierig“ im Vergleich zu den eher angepassten Mädchen wahrgenommen und dementsprechend behandelt. Hierdurch werden diese Jungen in ihren Handlungsweisen bestärkt, was zu einer Bestätigung der zugewiesenen Männerrolle führt. Darüber hinaus können die gesellschaftlichen Erwartungen eines eher angepassten Verhaltens von Mädchen dazu führen, dass sie nach und nach lernen, sich nicht so stark für ihre eigene Belange einzusetzen, sodass sie oft später in eine Art „Opferrolle“ zurückfallen. Angesichts der Tatsache, dass solche Verhaltensweisen durch Sozialisation gesellschaftlich „produziert“ und

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ reproduziert werden, wäre es sinnvoll und notwendig, bereits im Kindergartenalter und im Setting „Kita“ pädagogische Ansatzpunkte zu finden, um den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen.

5.1.2 Gewaltvorfälle in der Schule Eine verstärkte Neigung zur Gewalttätigkeit von Jungen im Gegensatz zu Mädchen kann auch bei der Dokumentation von Gewaltvorfällen in den Schulen konstatiert werden. Hier wird im Gegensatz zur Situation in den Kindergärten eine aussagekräftige Statistik von der zuständigen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft geführt – differenziert nach Geschlecht des Tatverdächtigen sowie des Opfers22 . Im Folgenden wird mithilfe dieser Statistik das Vorkommen von Gewalt in den Schulen in Mitte dargestellt.

Schaubild 5.1 zeigt die Geschlechterverteilung der Täter für die Gewaltvorfälle in den Schulen in Mitte im Schuljahr 2013/2014. Wie bereits oben angemerkt, sind Jungen deutlich öfter als Mädchen die Täter bei fast allen Gewaltvorfällen. Sei es beim Mobbing, bei Nötigung oder bei 22

Der Einschluss von Delikten in diese Statistik wird relativ breit gehandhabt. Daher werden auch Vorfälle, in denen Gewaltanwendung implizit stattfindet, z.B. Waffenbesitz und Drohungen, dazugezählt. Da es nicht immer bzw. manchmal auch mehrere „Opfer“ bei den gemeldeten Gewaltvorfällen gibt, weichen die gemeldeten Zahlen der Täter und Opfer oft voneinander ab.

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Delinquenz, Kriminalität und Gewalt ____________________________________________________________________________ schwerer körperlicher Gewalt können Jungen bzw. junge Männer deutlich häufiger als ihre Altersgenossinnen unter den Tatverdächtigten gefunden werden. Lediglich bei verfassungsfeindlichen Äußerungen führen die Schülerinnen leicht mit 60% gegenüber 44%, wobei es alles in allem im untersuchten Schuljahr nur 10 Vorfälle von diesem Delikt in Mitte gab. Insgesamt machten Mädchen bzw. junge Frauen lediglich 19,9% der mutmaßlichen Täter aus.

Bei den Opfern ist die Geschlechterverteilung ausgeglichener als bei den Tatverdächtigten. Jedoch sind Schüler auch hier stärker als Schülerinnen betroffen (insgesamt 56,6% der Opfer) – d.h. dass in vielen Fällen sowohl Täter als auch Opfer männlich sind. Im Einzelnen überwiegen weibliche Opfer lediglich beim Delikt „Bedrohung“. Beim „Waffenbesitz“ und bei „sexuellen Übergriffen“ waren Schüler und Schülerinnen gleich häufig betroffen. Bei allen anderen Arten der gemeldeten Fälle gab es eher männliche Opfer23. Insbesondere bei „Mobbing“ überwiegen männliche Opfer (80%). Sowohl das Ausmaß der Gewaltvorfälle als auch das Geschlechterverhältnis der Täter unterscheiden sich je nach Schulart (vgl. Schaubild 5.3). Der zahlenmäßige Schwerpunkt der gemeldeten Gewaltvorfälle liegt in der Grundschule mit 176 Vorfällen. Die Grundschüler sind auch zahlenmäßig am häufigsten im Bezirk zu finden. In dieser Schulform waren Jungen am häufigsten die Täter (88,6%). Beim Verhältnis der Geschlechter in „anderen Schulformen“ (76,9% männlich) und im Gymnasium (20% männlich), waren Mädchen und junge Frauen bei insgesamt wenigen Gewaltvorfällen etwas häufiger tätlich aktiv.

23

Z.T. jedoch mit sehr kleinen Zahlen.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

Bei der Statistik über Gewaltvorfälle in der Schule stellt sich heraus, dass Jungen und männliche Jugendliche als häufigste Tätergruppe bei der Ausübung von Gewalt gegen Opfer beider Geschlechts erscheinen. Einerseits passt dies ins Gesamtbild in Bezug auf die geschlechtsspezifische Analyse von Gewaltausübung andererseits stellt sich die Frage inwieweit diese Statistik die Wirklichkeit in den Schulen abbildet. Wie im 2. Kapitel dargestellt, besteht der Lehrkörper in den Berliner Schulen zum überwiegenden Anteil aus Frauen, die faktisch die Definitionsmacht hinsichtlich dessen, was als Gewaltvorfall wahrgenommen und gemeldet wird, besitzen.

5.1.3 Leistungen des Jugendamtes Die Unterschiede im Verhalten zwischen Jungen und Mädchen, die in den vorherigen Abschnitten angeführt wurden, führen auch zu einer unterschiedlichen Inanspruchnahme von bzw. zu einem unterschiedlichen Bedarf an Leistungen des bezirklichen Jugendamtes. Da das Jugendamt sowohl eine die Eltern unterstützende als auch eine sanktionierende Rolle bei Verhaltensproblemen von Kindern und Jugendlichen spielt, gibt die Inanspruchnahme seiner Angebote Hinweise über die unterschiedliche Bedarfslage. Die folgenden Ausführungen basieren auf einer geschlechterdifferenzierten Auswertung von ausgewählten KLR-Produkten24 des Jugendamtes Mitte für das Jahr 2014 im Rahmen der bezirklichen Gender-Budget-Analyse. Hierbei werden insbesondere die Leistungen des Jugendamtes im Rahmen der Hilfe zur Erziehung (HzE), der Jugendberufshilfe und der Eingliederungshilfe dargestellt. Die Hilfe zur Erziehung nach §27 SGB VIII ist eine der wichtigen Leistungen der Jugendhilfe in Deutschland. Sie fasst ein breites Spektrum individueller und/oder therapeutischer Maßnahmen zusammen, die Personensorgeberechtigte bei der Erziehung ihrer Kinder oder Jugendli-

24

KLR = Kosten-Leistungs-Rechnung

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Delinquenz, Kriminalität und Gewalt ____________________________________________________________________________ chen unterstützen. Die Leistungen können – je nach Bedarf – sowohl ambulant, teilstationär oder stationär erbracht werden. Die Inanspruchnahme erfolgt in der Regel freiwillig. Erst wenn das Kindeswohl gefährdet ist (z.B. bei Kindesvernachlässigung) ist das Jugendamt (mit richterlicher Unterstützung) zu Maßnahmen auch gegen den Willen von Personensorgeberechtigten befugt.

Schaubild 5.4 zeigt die Inanspruchnahme der Leistungen des Jugendamtes für Hilfe zur Erziehung in Mitte für das Jahr 2014 – differenziert nach dem Geschlecht der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Bis auf einige Angebote, die relativ ausgeglichen sind (z.B. „Vollzeitpflege“, „sozialpädagogische Betreuung in Individualangeboten“, „Krankenhilfe Jugend“ und „Gruppenangebote – Heimerziehung“), wird das Gros der aufgezeigten Leistungen der HzE stärker von Jungen als von Mädchen in Anspruch genommen. So waren z.B. fast 70% der Kinder und Jugendlichen, die 2014 „familienähnliche Angebote“ in Mitte in Anspruch genommen haben, Jungen. Insgesamt ist evident, dass Jungen und männlichen Jugendlichen deutlich mehr Unterstützung als Mädchen beanspruchen. 25

25

Die Betrachtung der gleichen Statistik für die Jahr 2011 bis 2013 zeigt insgesamt ebenfalls eine Dominanz von Jungen als „Empfänger“ von Hilfen zur Erziehung, obgleich das Geschlechterverhältnis bei den einzelnen Kategorien von Jahr zu Jahr stark schwankt.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________

In Hinblick auf die Leistungen der Jugendberufshilfe und der Eingliederungshilfe im Jugendamt Mitte sieht die Geschlechterverteilung der betroffenen Kinder und Jugendlichen noch einseitiger aus. Hier dominieren Jungen und männliche Jugendliche bei der Inanspruchnahme von allen Leistungen der Jugendhilfe. Im Bereich Jugendberufshilfe – eine Leistung, die sich an junge Menschen richtet, die einen erhöhten Unterstützungsbedarf an sozialpädagogischen Hilfen haben, um sie erfolgreich in die Arbeitswelt zu integrieren – fällt insbesondere im teilstationären Bereich eine deutlich erhöhte männliche Inanspruchnahme auf. Der hohe Anteil an männlichen Empfängern von Eingliederungshilfen deutet jedoch, angesichts der Tatsache, dass sie Leistungen für Menschen sind, die behindert oder durch Behinderung bedroht sind, auf eine ernste Schieflage hin. Insgesamt bestätigt die Auswertung der Leistungsstatistik des Jugendamtes einerseits das tradierte Bild der Jungen und männlichen Jugendlichen, das in der Öffentlichkeit verbreitet ist: Jungen fallen häufiger wegen Verhaltensproblemen auf und die Eltern von Jungen benötigen deutlich öfter und intensivere Formen der Erziehungshilfe als die Eltern von Mädchen. Andererseits wird durch die geschlechterdifferenzierte Auswertung der Leistungen der Eingliederungshilfe auf eine Problemlage aufmerksam gemacht: eine möglicherweise höhere Betroffenheit von Jungen und männlichen Jugendlichen in Mitte durch seelische und andere Formen der Behinderung. Hierbei ist es nicht möglich, anhand der vorliegenden Datenlage auf eventuelle Ursachen zu schließen.

5.2 Kriminalität Der Trend, der bei den Gewaltvorfällen in der Schule und der Inanspruchnahme von Leistungen des Jugendamtes festzustellen war, setzt sich in der Statistik zur Kriminalität im Erwachsenenalter fort. In diesem Abschnitt wird diese Situation anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für Berlin, die jährlich vom Landeskriminalamt veröffentlicht wird, näher betrachtet. Hierbei werden in erster Linie das Geschlechterverhältnis bei den Tatverdächtigen und Opfern von Opferdelikten sowie das Thema „häusliche Gewalt“ behandelt. 79

Delinquenz, Kriminalität und Gewalt ____________________________________________________________________________ Polizeiliche Kriminalitätsstatistik Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik mag eine ungewöhnliche Datenquelle für die Gesundheits- und Sozialberichterstattung sein, aber so, wie sie sich in den letzten Jahren im Land Berlin entwickelt hat, eignet sie sich gut für die Analyse bestimmter Sachverhalte, die sonst nicht in der Regelstatistik erfasst werden. Ein Beispiel hierfür ist die Betroffenheit der Bevölkerung durch Opferdelikte, die sowohl gesundheitliche Folgen haben können, als auch seelisches Leid verursachen. Ein weiteres Beispiel ist die häusliche Gewalt, die seit 2001 von der Berliner Polizei statistisch erfasst wird. Bei der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik für die Gesundheits- und Sozialberichterstattung müssen in einiger Hinsicht Einschränkungen im Kauf genommen werden. Die wichtigste Einschränkung ist die Tatsache, dass die Statistik nach dem Ereignisprinzip geführt wird und nicht nach dem Wohnort des Täters bzw. Opfers auswertbar ist, sodass es in vielen Bereichen schwierig ist, die Betroffenheit der Bevölkerung von Mitte durch diese Statistik zu ermitteln.26 Beim Thema „häusliche Gewalt“ findet das Delikt in der Regel in den Wohnräumen des Opfers statt, sodass man in den meisten Fällen sagen kann, dass die Personen, die in Mitte Opfer von häuslicher Gewalt sind, auch hier wohnen. Eine weitere Einschränkung betrifft die Erfassung der „Täterschaft“. Aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik kann man nur eine „Tatverdacht“ erfassen, da die Täterschaft durch die Justiz festgestellt werden muss. Schließlich wird in der Statistik nur die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigten bzw. Opfer erfasst, und nicht ein eventueller Migrationshintergrund (vgl. BA Mitte 2011).

5.2.1 Betroffenheit durch Opferdelikte Bei der geschlechterdifferenzierten Analyse der Kriminalitätsstatistik wird schnell evident, dass es zwei Seiten der Medaille gibt. Männer und Frauen können sowohl Opfer als auch Täter von Kriminaldelikten sein und werden dementsprechend in beiden Rollen in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik aufgenommen. In diesem Abschnitt werden diese beiden Seiten durch eine Analyse der polizeilichen Statistik zu Kriminaldelikten in Berlin im Jahre 2014 beleuchtet.

26

Das heißt z.B., dass seit einigen Jahren der Schwerpunkt der „Straßenkriminalität“ im Bezirk Mitte nicht eins der sozial benachteiligten Bezirksteile wie Tiergarten oder Wedding ist, sondern der eher sozial besser gestellte Prognoseraum „Zentrum“, der jedoch touristisch stark frequentiert wird.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ Wie bei den Gewaltvorfällen in der Schule sind Männer nicht nur bei den Tätern, sondern auch bei den Opfern von Kriminalität deutlich in der Mehrzahl. Schaubild 5.6 zeigt die Opfer von Kriminalitätsdelikten – differenziert nach Deliktsart und Geschlecht. Bis auf die Geschlechterverteilung bei den Opfern von Sexualdelikten (lediglich 18,9% männlich) gibt es erheblich mehr männliche als weibliche Opfer zu verzeichnen. Der höchste Anteil an Männern unter den Opfern ist mit 68,3% beim Delikt „Raub“ zu finden. Beim Unterdelikt „Handtaschenraub“ (nicht gesondert aufgeführt) ist jedoch der Frauenanteil an den Opfern mit 90,3% sehr hoch.

Im Schaubild 5.7 wird die Geschlechterverteilung der Tatverdächtigen für ausgewählte Straftaten im Jahre 2014 in Berlin abgebildet. Aus den vorliegenden Daten wird deutlich, dass Männer – als Tatverdächtige in 72,7% der begangenen Straftaten – wesentlich häufiger kriminell aktiv waren als Frauen. Insgesamt neigen Männer viel eher als Frauen dazu, schwerwiegende Delikte zu begehen. So waren gut über 90% der Tatverdächtigen bei Mord und Totschlag, Raubdelikten und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Männer. Sie machten ebenfalls ca. 90% der Tatverdächtigen bei Verletzung der Unterhaltspflicht, bei Straftaten gegen das Waffengesetz sowie bei Rauschgiftdelikten aus. Frauen dagegen führen lediglich bei der Verletzung der Fürsorge und Erziehungspflicht (67,9%), bei der Entziehung von Minderjährigen (56,6%) 81

Delinquenz, Kriminalität und Gewalt ____________________________________________________________________________ und bei Verleumdung (50,7%). Bei der Misshandlung von Schutzbefohlenen lag der Anteil der Frauen (40,8%) etwas hinter dem der Männer.

5.2.2 Häusliche Gewalt Häusliche Gewalt ist ein weltweit verbreitetes Problem; es betrifft Menschen aus allen ökonomischen und kulturellen Verhältnissen sowie aus allen Bildungsschichten. Dadurch, dass es sich dabei jedoch überwiegend um männliche Täter und weibliche Opfer handelt, wird in der Literatur häufig lediglich von Gewalt gegen Frauen gesprochen. Anhand der Ergebnisse von repräsentativen Untersuchungen wurde geschätzt, dass ca. 40% aller Frauen in Deutschland im Laufe ihres Erwachsenenlebens körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind (BMFSFJ 2004). Trotz der Tatsache, dass häusliche Gewalt Menschen in jeder Lebenslage treffen kann, gibt es eine Häufung in Abhängigkeit von bestimmten Lebenslagen. Insbesondere Frauen in akuten Trennungs- und Scheidungsphasen, türkische und osteuropäische Migrantinnen, Frauen, deren Partner ein niedriges Einkommen beziehen oder keinen Schulabschluss aufweisen, sind überdurchschnittlich oft von häuslicher Gewalt betroffen. Darüber hinaus kann es Frauen treffen, die bereits in ihrer Kindheit Misshandlungen oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt waren und/oder Zeuginnen von Misshandlungen oder Missbrauch ihrer Mütter wurden (vgl. BA Mitte 2006, S. 3). Häusliche Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen – sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft. Neben dem großen Leid, den unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen und der Zerstörung von Lebensperspektiven, welche durch Gewaltanwendung bei den Betroffenen verursacht werden, entstehen in ihrer Folge auch starke Belastungen für die gesamte Gesellschaft. Lebens-, Beziehungs- und Liebesfähigkeit Gewaltbetroffener werden ebenso beeinträchtigt wie ihre Ausbildungs-, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. Nicht zuletzt müssen von ihnen auch in erheblichem Maße Therapieeinrichtungen und soziale Sicherungssysteme in Anspruch genommen werden, wodurch neben den personellen auch hohe materielle Kosten entstehen. Das Thema hat seit Jahren einen besonderen Stellenwert im Bezirk Mitte. Dank der lang-jährigen Bemühungen des Bündnisses gegen häusliche Gewalt wurde hier eine besondere Sensibilität für dieses Thema entwickelt. So sind in den letzten Jahren eine Reihe von Aktivitäten und Aktionen zu verzeichnen. So gab es u.a. die bezirkliche “Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt”, die Aktion “Notruf Handy”, den bezirklichen “Wegweiser Häusliche Gewalt”, der bereits in dritter Auflage vorliegt, sowie den bezirklichen Gesundheitsbericht “Häusliche Gewalt und Gesundheit” (2006). Das Bezirkliche Bündnis gegen Gewalt, hier die Koordinatorin häusliche Gewalt bei PolDir3 und die Gleichstellungsbeauftragte führen seit 10 Jahren Workshops zu häusliche Gewalt durch. Zielgruppen sind soziale Einrichtungen, Behörden des Bezirkes und andere. Polizeiliche Statistik zur häuslichen Gewalt Es gibt so gut wie keine regelmäßig verfügbare Datenquelle, die eine gesicherte Einschätzung des vollen Ausmaßes von häuslicher Gewalt in der Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet ermöglicht.27 Aus diesem Grund basierte die Analyse im bezirklichen Gesundheitsbericht 27

Inzidenzschätzungen für Deutschland basieren zumeist auf repräsentativen Befragungen, die sehr aufwendig und nur punktuell durchzuführen sind.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ “Häusliche Gewalt und Gesundheit” (2006) in erster Linie auf der Polizeistatistik (LKA Berlin), die seit 2001 bei der statistischen Erfassung von bestimmten Delikten in Berlin eine Differenzierung von häuslicher Gewalt vornimmt.28 Da diese meist in den eigenen vier Wänden stattfindet und viele Opfer Angst haben, eine Anzeige zu erstatten, muss hierbei in Kauf genommen werden, dass es in der polizeilichen Statistik eine sehr hohe Dunkelziffer gibt. In diesem Abschnitt wird – mangels sinnvoller Alternativen – trotzdem auf diese Quelle zurückgegriffen, insbesondere um mögliche Veränderungen in der Problemlage in Mitte in den letzten Jahren sichtbar zu machen.29 Wie auch der Fall bei der Opferkriminalität gibt es bei häuslicher Gewalt zwei Seiten der Medaille, die der Täter und die der Opfer. Auch hier werden beide Gruppen betrachtet.

Schaubild 5.8 zeigt die Opfer in schwerwiegenden Delikten der häuslichen Gewalt in Mitte nach Alter und Geschlecht für das Jahr 2015. Insgesamt fällt auf, dass fast 75% der Opfer weiblich sind. Hier werden die Ergebnisse der einschlägigen Untersuchungen bestätigt (vgl. BA Mitte 2006). Interessant ist die Tatsache, dass der Anteil der Männer unter den Opfern in der jüngsten Altersgruppe sowie in den älteren Jahrgängen höher als bei den 15 bis 29-jährigen liegt. Möglich wäre, dass dies mit der physiologischen Entwicklung der männlichen Körperkraft, d.h. auch der Fähigkeit sich selbst zu verteidigen, in Verbindung steht. Im Gegensatz zur Situation bei der Kriminalität insgesamt, wo sowohl die Mehrzahl der Tatverdächtigen als auch die Mehrzahl der Opfer männlich ist, sind die Fronten bei der häuslichen Gewalt klar verteilt: Ungefähr Dreiviertel der Opfer sind weiblich während ungefähr der gleiche Anteil der Täter männlich ist. Nach Angaben des Landeskriminalamts Berlin waren aus den 28

Die Grundtabelle „Häusliche Gewalt“ des Landeskriminalamtes Berlin umfasst auch eine Reihe von Folgedelikten, die aus einem Fall der häuslichen Gewalt entstehen, z.B. Diebstahl, Wohnungseinbruch oder Betrug. In diesem Bericht, wie im Bericht von 2006, werden in erster Linie die eher schwerwiegenden Delikte im Rahmen der häuslichen Gewalt betrachtet, die Gewalt gegen Personen umfassen.

29

Insgesamt zeigt die Statistik, dass der Bezirk weiterhin eine hervorgehobene Position in der bezirkliche Rangordnung belegt (höchster Platz), aber mit 52,2 je 10.000 der Bevölkerung auf einem etwas höheren Niveau wie im Jahre 2004 (vgl. BA Mitte 2006).

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Delinquenz, Kriminalität und Gewalt ____________________________________________________________________________ 1.332 ermittelten Tatverdächtigten im Jahre 2015 1.043 (78,9%) männlich und 279 (21,1%) weiblich. Dies korrespondiert auch grob mit den Geschlechterverhältnissen in den Ergebnissen der einschlägigen Forschung (vgl. BA Mitte 2006).

5.4 Zusammenfassung In der öffentlichen Wahrnehmung wird oft von einem stereotypen „männlichen Persönlichkeitsbild“ ausgegangen, das u.a. Aggressivität, Durchsetzungsfähigkeit und Gewalttätigkeit einschließt. Demnach seien Männer von Natur aus aggressiver als Frauen, was dazu führe, dass viele Formen der Regel-, Grenz- und Körperverletzungen um einiges häufiger bei Jungen und Männern als bei Mädchen und Frauen zu finden sind. In diesem Kapitel wurde anhand von aktuellen Daten für das Land Berlin bzw. für den Bezirk Mitte überprüft, inwieweit diese Vorstellungen mit den Daten übereinstimmen oder nicht. Gewalt bei Jungen und Mädchen im Kindergartenalter Es gibt darüber keine gesicherten Daten im Kindergartenalter, aber Erzieher berichten, dass die Jungen sich tendenziell unruhiger, lauter, motorischer und aggressiver zeigen als ihre Altersgenossinnen (vgl. Bienek/Stoklossa 2007). Vom Erziehungspersonal werden solche Jungen als störend, verhaltensauffällig oder „schwierig“ im Vergleich zu den eher angepassten Mädchen wahrgenommen und dementsprechend behandelt, was diese Jungen in ihren Handlungsweisen bestärkt und zu einer Bestätigung der zugewiesenen Männerrolle führt. Gewaltvorfälle in der Schule Anhand der Statistik zum Vorkommen von Gewalt in den Schulen, welche die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft führt, kann festgestellt werden, dass im Bezirk Mitte Jungen deutlich öfter als Mädchen als Täter bei fast allen Gewaltvorfällen auftreten. Sei es beim Mobbing, bei Nötigung oder bei schwerer körperlicher Gewalt, Jungen bzw. junge Männer können deutlich häufiger als ihre Altersgenossinnen unter den Tatverdächtigten gefunden werden. Lediglich bei den wenigen Fällen von verfassungsfeindlichen Äußerungen führen die Schülerinnen leicht. Insgesamt machten Mädchen bzw. junge Frauen 19,9% der mutmaßlichen Täter aus. Die Geschlechterverteilung ist ausgewogener bei den Opfern. Auch hier sind jedoch Schüler stärker betroffen als Schülerinnen (insgesamt 56,6% der Opfer) – d.h. dass in vielen Fällen sowohl Täter als auch Opfer männlich sind. Im Einzelnen überwiegen weibliche Opfer lediglich beim Delikt „Bedrohung“. Beim „Waffenbesitz“ und bei „sexuellen Übergriffen“ waren Schüler und Schülerinnen gleich häufig betroffen. Bei allen anderen Arten der gemeldeten Fälle gab es hauptsächlich männliche Opfer. Die meisten gemeldeten Gewaltvorfälle haben sich in den Grundschulen zugetragen. Hier lag das Geschlechterverhältnis bei den Tätern – mit knapp 89% männlich – am einseitigsten. Insgesamt waren 86% der Täter männlich. Leistungen des Jugendamtes Die Unterschiede im Verhalten zwischen Jungen und Mädchen führen auch zu einer unterschiedlichen Inanspruchnahme von bzw. zu einem unterschiedlichen Bedarf an Leistungen des bezirklichen Jugendamtes. In der Statistik der Hilfe zur Erziehung in Mitte für das Jahr 2014 fällt auf, dass bis auf einige Angebote, die relativ ausgeglichen sind, das Gros der aufgezeigten Leistungen der HzE stärker von Jungen als von Mädchen in Anspruch genommen wird.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse __________________________________________________________________________ In Hinblick auf die Leistungen der Jugendberufshilfe und der Eingliederungshilfe sieht die Geschlechterverteilung ähnlich aus. Bis auf die Empfänger der teilstationären Hilfen zur Berufsausbildung (68,7% weiblich) und der teilstationären Hilfen zur Berufsorientierung dominieren Jungen und männliche Jugendliche auch bei diesen beiden Leistungen der Jugendhilfe. Im Bereich Jugendberufshilfe fällt insbesondere im ambulanten Bereich eine deutlich erhöhte männliche Inanspruchnahme auf. Angesichts der Tatsache, dass Eingliederungshilfen Leistungen für Menschen sind, die behindert oder durch Behinderung bedroht sind, deutet der hohe Anteil an männlichen Empfängern auf eine ernste Schieflage hin. Kriminalität Der Trend, der bei den Gewaltvorfällen in der Schule und der Inanspruchnahme von Leistungen des Jugendamtes festzustellen war, setzt sich in der Statistik zur Kriminalität im Erwachsenenalter fort, sowohl bei den Opfern als auch bei den Tätern. Eine Auswertung der Berliner Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2014 zeigt, dass Männer bei den Opfern von Kriminalität, mit insgesamt ca. 61,2%, deutlich in der Mehrzahl sind. Bis auf bei den Opfern von Sexualdelikten (lediglich 18,9% männlich) gibt es erheblich mehr männliche als weibliche Opfer bei allen Delikten zu verzeichnen. In Hinblick auf die Täterschaft wird deutlich, dass Männer – als Tatverdächtige in 72,7% der 2014 in Berlin begangenen Straftaten – wesentlich häufiger kriminell aktiv waren als Frauen. Insgesamt neigen Männer viel eher als Frauen dazu, schwerwiegende Delikte zu begehen. Frauen dagegen führen bei der Verletzung der Fürsorge und Erziehungspflicht, bei der Entziehung von Minderjährigen sowie bei Verleumdung. Polizeiliche Statistik zur häuslichen Gewalt Da es so gut wie keine regelmäßig verfügbare Datenquelle gibt, die eine gesicherte Einschätzung des vollen Ausmaßes von häuslicher Gewalt in der Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet ermöglicht, basierte die Analyse dieses Themas auf der Polizeistatistik (LKA Berlin). Hierbei muss jedoch in Kauf genommen werden, dass es hier eine sehr hohe Dunkelziffer gibt. Nach den Angaben des Landeskriminalamtes waren insgesamt 74,6% der Opfer von häuslicher Gewalt in Mitte im Jahre 2015 weiblich und 25,4% männlich. In den Altersgruppen ab ca. 29 Jahre steigt der Anteil an Männern unter den Opfern an. Bei den ermittelten Tatverdächtigen in schwerwiegenden Delikten der häuslichen Gewalt in Mitte im Jahre 2015 waren 78,9% Männer und 21,1% Frauen.

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Geschlechterdifferenzierte Analyse der Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

Teil II: Geschlechterdifferenzierte Analyse der Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte Nachdem im ersten Teil dieses Berichts umfassend auf die unterschiedlichen Lebenslagen von Männern und Frauen bzw. von Mädchen und Jungen eingegangen wurde, wird im vorliegenden zweiten Teil versucht, die Auswirkungen dieser Lebenslagen auf die jeweilige gesundheitliche Lage auszumachen. Hierbei wird insbesondere auf gesundheitliche Themenbereiche eingegangen, für die es eine Datenbasis für Männer und Frauen in den Berliner Bezirken gibt. Um die offen gelassenen Lücken zu füllen, wird im Folgenden auf die Veröffentlichungen der Gesundheitsberichterstattung bzw. Gesundheitsmonitoring des Robert-Koch-Instituts zurückgegriffen, insbesondere auch auf die Ergebnisse der großen für Deutschland repräsentativen Studien (für Kinder und Jugendlichen: KiGGS, für Erwachsenen DEGS und GEDA). Männliche und weibliche Gesundheitsmuster Trotz aller Annäherungen der beiden Geschlechter in den letzten Jahren wurde im ersten Teil dieses Berichts deutlich, dass die Lebensbedingungen von Frauen und Männern bzw. bereits Jungen und Mädchen immer noch in einigen Bereichen recht unterschiedlich sind. Angefangen mit den Bildungs- bzw. Ausbildungsbedingen und -präferenzen bis hin zu den jeweiligen Belastungen in Bezug auf Erwerbs- bzw. Haushaltsarbeit zeigen sich einige Bereiche in denen sich die beiden Geschlechter deutlich unterscheiden. Einige dieser Unterschiede beruhen immer noch auf die Folgen von langjährigen Benachteiligungen, z.B. in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Erwerbsbeteiligung und der Übernahme von Familienverantwortung für Eltern beider Geschlechter, andere auf unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen bzw. -präferenzen. Diese gesellschaftlichen Faktoren beeinflussen u.a. das gesundheitsrelevante Verhalten, die Art und Weise wie beide Geschlechter durch Krankheiten betroffen sind sowie die Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgung und Vorsorge. Neben den unterschiedlichen gesellschaftlichen Einflussfaktoren wirkt sich auch die unterschiedliche genetische und hormonelle Ausstattung der Geschlechter auf die Gesundheit von Männern und Frauen bzw. Mädchen und Jungen aus. Frauen und Männer verarbeiten Belastungen und Krankheiten unterschiedlich. Orientiert an gesellschaftlichen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit entwickeln sie verschiedene Lebensstile und Gewohnheiten, die ihrerseits Einfluss auf ihre Gesundheit haben. Männer neigen eher dazu, riskante Lebensweisen zu pflegen. Außerdem nehmen Frauen und Männer Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit unterschiedlich deutlich wahr. Es passt nicht ins tradierte Männlichkeitsbild, krank zu sein. Dies führt dazu, dass Männer sich häufiger als gesund betrachten, wenn sie aus medizinischer Perspektive krank sind (Hurrelmann/Kolip 2002 sowie Koppelin/ Müller 2004). „Gesund-Sein“ und „Krank-Sein“ sind stark von subjektiven Wahrnehmungsweisen und Bewertungen der beiden Geschlechter abhängig. Auch andere Faktoren tragen dazu bei, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen einen Einfluss auf ihre gesundheitliche Lage ausüben. In der Medizin wird versucht, die Einschätzung von Gesundheit und Krankheit durch objektive Messwerte abzusichern. Es gibt Normwerte für Blutdruck, Knochendichte oder Cholesterinspiegel etc., deren Überschreiten bzw. Unterschreiten aus medizinischer Sicht auf (beginnende) Krankheiten hindeuten. Diese Normwerte werden jedoch z.T. auf der Basis von Befunden an männlichen Probanden festgelegt und sind in Teilbereichen nicht einfach auf Frauen übertragbar (Eichler/Fuchs/Maschewsky-Schneider 2000). Auch in anderen Bereichen der medizinischen Behandlung und gesundheitlichen Versorgung werden Frauen und Männern z.T. unterschiedlich behandelt, was wiederum ebenfalls Einfluss auf deren Gesundheitszustand nimmt. 86

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Inhalt des zweiten Teils Das 6. Kapitel befasst sich mit einer Reihe von Faktoren, welche einen Einfluss auf die Gesundheit von Männern und Frauen haben. Anschließend wird in den siebten und achten Kapiteln anhand von Routinedaten einen Überblick über geschlechtsspezifische Morbidität und Mortalität im ganzen Lebensverlauf vorgenommen. Kapitel 8 befasst sich mit der Inanspruchnahme von stationärer Behandlung durch Männer und Frauen. Im Kapitel 9 wird das Sterbegeschehen der Bevölkerung in den Berliner Bezirken analysiert. Hierbei wird sowohl die Mortalität durch einzelne Todesursachen als auch die vorzeitliche Sterblichkeit analysiert. Abschließend werden die kumulativen Effekte der unterschiedlichen Mortalität auf die Lebenserwartung der beiden Geschlechter dargestellt. Im neunten Kapitel werden anhand der Ergebnisse des Berichtes Handlungsansätze formuliert. Hierbei wird insbesondere auf die Notwendigkeit eingegangen, je nach Thema geschlechtsspezifische Zugänge zu den entsprechenden Risikogruppen zu entwickeln.

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren

In diesem Kapitel werden einige relevante Faktoren, welche die Gesundheit von Männern und Frauen bzw. Mädchen und Jungen beeinflussen, umrissen. Sie entstammen sowohl der gesellschaftlichen Rollenerwartungen und der daraus abgeleiteten Verhaltensweisen als auch der konkreten Lebensbedingungen der einzelnen Menschen. Insgesamt ist die Interaktion zwischen diesen Faktoren jedoch sehr komplex, sodass es nicht immer möglich ist, die genauen Auswirkungen der einzelnen Faktoren festzustellen. Da es für viele dieser Faktoren keine gesonderten Daten zur Lage im Bezirk gibt, werden einige Themen anhand der einschlägigen Literatur bzw. von bundesweiten Erhebungen des RKI kurz angerissen. Als erstes geht es um die unterschiedlichen Belastungen der beiden Geschlechter aus der Erwerbsbzw. Reproduktionsarbeit bzw. auch durch die Arbeitslosigkeit. Danach werden im zweiten Abschnitt geschlechtsspezifische Unterschiede im Gesundheitsverhalten unter die Lupe genommen. Dies schließen u.a. Bewegungs-, Ernährungs-, sowie Risiko- und Vorsorgeverhalten ein. Der dritte Abschnitt befasst sich mit den aus dem Bewegungs- und Ernährungsverhalten resultierenden Unterschieden im Gewichtsstatus zwischen den Geschlechtern.

6.1 Arbeit und Gesundheit Die Arbeit ist ein wesentlicher Bestandteil im Leben eines Menschen. Nicht nur als Einkommensquelle, und dadurch mitbestimmend für die materielle Lage, sondern auch als sinngebendes und strukturierendes Element im Leben des Einzelnen. In dieser Hinsicht sind natürlich auch die Rahmenbedingungen und die Gestaltung der Arbeit, bzw. die Belastungen, die sich aus ihr ergeben, wichtige Determinanten der Gesundheit von Männern und Frauen. Bedingt durch die beträchtlichen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern in Hinblick auf die Art und die Bedingungen der Arbeit (vgl. Kapitel 3) sind auch die gesundheitlichen Auswirkungen der Arbeit (bzw. der Arbeitslosigkeit) bei Männern und Frauen unterschiedlich. In diesem Abschnitt werden eingangs anhand von Ergebnissen aus der Erwerbstätigenbefragung 2011/2012 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA 2013) die unterschiedlichen Arbeitsbelastungen von Männern und Frauen beleuchtet. Anschließend werden mithilfe einer Befragung des Robert-Koch-Instituts die gesundheitlichen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf beide Geschlechter behandelt. Abschließend wird der Bereich der Haushalts- bzw. Familienarbeit betrachtet.

6.1.1 Gesundheitliche Belastungen durch die Arbeitsbedingungen Je nach Ausgestaltung und Art des Arbeitsplatzes gibt es ein unterschiedliches Potential, dass die Gesundheit der dort tätigen Männer und Frauen durch Arbeitsanforderungen belastet wird. Die Arbeitsbelastungen können im körperlichen, psychischen oder sozialen Bereich angesiedelt werden. Sie resultieren sowohl aus den Anforderungen in konkreten Tätigkeitsbereichen als auch aus der Arbeitsorganisation im Betrieb. Wenn die Summe der Arbeitsbelastungen die individuelle Anpassungsfähigkeit übersteigt, kann dies zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, erhöhten Fehlzeiten, Arbeitsunfähigkeit sowie zu Berufskrankheiten bis hin zur Frühpensionierung führen (vgl. RKI 2014, S. 150). Körperliche Belastungen resultieren u.a. aus den direkten Arbeitsabläufen, psychosoziale Arbeitsbelastungen eher aus Konflikten mit Vorgesetzen und Kollegen, aus belastenden Arbeitszeiten, aus Leistungsdruck, zu hohen Arbeitsanforderungen oder zu geringen Kontrollmöglichkeiten bei der Arbeitsdurchführung oder aus einer als unangemessen empfundene Honorierung (Griefhahn 1996)). Durch die im Kapitel 3 dargestellten Unterschiede in der Erwerbstätigkeit zwischen Frauen und Männern – insbesondere in Hinblick auf die Berufswahl – sind beide Geschlechter auch unterschiedlichen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt. 88

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Da sie öfter als Frauen in produktionsnahen Berufen in der Industrie tätig sind, werden insbesondere Männern häufiger in ihrer Arbeit körperliche Belastungen oder ungesunde Arbeitsumgebungen ausgesetzt. Schaubild 6.1 zeigt die unterschiedlichen ergonomischen und umgebungsbezogenen Belastungen von vollzeiterwerbstätigen Männern und Frauen in Deutschland (vgl. BAuA 2013). Aus Schaubild 6.1 ist deutlich zu sehen, dass Männer häufiger als Frauen fast alle der aufgeführten Belastungen berichten. Bis auf den Umgang mit mikrobiologischen Stoffen (Frauen 14,2%, Männer 5,7%) sind Männer öfter als Frauen ungünstigen ergonomischen und umgebungsbezogenen Belastungen bei ihrer Arbeit ausgesetzt. Männer (26,2%) sind doppelt so oft wie die Frauen (13,1%) durch Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit oder Zugluft bei der Arbeit belastet. Männer arbeiten deutlich häufiger unter Lärm (31,3% vs. 19,3%) sowie mit Öl, Fett, Schmutz und Dreck (23,4% vs. 9,%) als Frauen. Frauen werden fast genauso häufig wie Männer bei der Arbeit grellem Licht oder schlechter Beleuchtung ausgesetzt. Dies gilt genauso für das Heben oder Tragen von schweren30 Lasten.

Bei der Analyse dieser Belastungsart spielt nicht nur das Geschlecht der betroffenen Erwerbstätigen eine Rolle – es gibt dabei einen sozialen Gradienten. Im RKI-Männergesundheitsbericht wurde berechnet, dass Männer aus der unteren Einkommensgruppe ungefähr 1,8-fach häufiger als Männer aus der oberen Einkommensgruppe durch solche Arbeitsplatzbelastungen betroffen sind (RKI 2014, S. 152).

30

Männer > 20 kg., Frauen > 10 kg.

89

Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________ Andererseits gibt es Arbeitsbelastungen, die sich aus Arbeitsanforderungen ergeben. Schaubild 6.2 zeigt hierzu wieder geschlechterdifferenzierte Ergebnisse aus der BAuA Erwerbstätigenbefragung 2011/2012 (RKI 2014, S. 152). Anders als die Belastungen aus der Ergonomie oder der Arbeitsumgebung, wo die Männer stärker betroffen waren, sind hier Frauen immer wieder einer höheren Belastung als Männer ausgesetzt. Insbesondere führen Frauen (67,8%) häufiger als Männer (58,1%) Arbeiten durch, welche die gleichzeitige Betreuung von verschiedenartigen Arbeiten erfordern. Frauen (52,3%) werden auch häufiger als Männer (41,7%) bei der Arbeit gestört oder unterbrochen. Sie werden auch häufiger durch ständig wiederholende Arbeitsgänge belastet (52,2% vs. 43,0%). Männer (31,9%) arbeiten öfter als Frauen (28,7%) in Bereichen mit einer vorgegebenen Stückzahl, Leistung oder Zeit (31,9% vs. 28,7%) oder arbeiten in Bereichen, wo kleine Fehler zu großen finanziellen Verlusten führen (22,1% vs. 12,0%).

Wie bei den Belastungen aus der Ergonomie oder der Arbeitsumgebung gibt es auch hier einen sozialen Gradienten, jedoch nicht so stark: In der unteren Einkommensgruppe gibt es ein 1,3-faches Risiko gegenüber der oberen Gruppe, solchen Belastungen bei der Arbeit ausgesetzt zu sein (ebd. S. 153). Die oben dargestellten psychosozialen Arbeitsbelastungen von Männern und Frauen werden vorrangig durch Arbeitsanforderungen, die „Multitasking“ beinhalten, bzw. durch Termin- oder Leistungsdruck verursacht. Bei psychosozialen Belastungen wird davon ausgegangen, dass diese sich insbesondere gesundheitsschädlich auswirken, wenn eine Kompensation durch andere Entfaltungsmöglichkeiten oder Handlungsspielräume fehlt. Studien haben jedoch gezeigt, dass sich dieses Ungleichgewicht zwischen Belastungen und möglicher Kompensierung stärker bei Männern als bei Frauen auswirkt (vgl. Siegrist/Dragano 2008, Bosma et al. 1998, Li et al. 2006).

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

Schaubild 6.3 zeigt anhand von Ergebnissen der BAuA Erwerbstätigenbefragung gesundheitliche Beschwerden von vollzeiterwerbstätigen Männern und Frauen ab 15 Jahren, welche während oder kurz nach der Arbeit auftreten. Hier fällt insbesondere auf, dass bis auf Schmerzen in den Knien – möglicherweise durch häufiges Tragen sehr schwerer Lasten verursacht – alle anderen Beschwerden entweder gleich häufig oder (z.T. deutlich) häufiger von Frauen berichtet worden sind, wie z.B. Schmerzen im Nacken/Schulterbereich mit 63,5% gegenüber 39,7% bei Männern.

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________

6.1.2 Arbeit im Beruf und Haushalt Neben der Erwerbsarbeit ist es wichtig, auch den nicht unerheblichen Bereich der Arbeit im Haushalt und im Dienste der Familie im Auge zu behalten. Oft wird die Arbeit im Haushalt im Alltag als etwas Minderwertiges, als lästige Pflicht der Frauen, angesehen. Im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung einer größeren Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in den letzten Jahren wird die Arbeit in der Familie jedoch als wichtiger Bestandteil des Selbstverständnisses von sowohl Männern als auch Frauen betrachtet. Die oben genannte Entwicklung geht jedoch nicht unbedingt geradlinig vonstatten. Immer wieder kommt es für den Einzelnen zu Konflikten zwischen der beruflichen Arbeit und der Verantwortung in der Familie, wobei es meist den Betroffenen überlassen ist, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Lebensbereichen für sich selbst herzustellen. Sowohl Frauen, die durch eine eigene Karriere und die volle Verantwortung für den Haushalt belastet sind, als auch Männer, die die traditionelle Rolle als Alleinverdiener übernommen haben, aber auch das Bedürfnis spüren, für ihre Familie da zu sein, fühlen sich bisweilen unter Druck (vgl. Müller 2016). Bisher ist die öffentliche Aufmerksamkeit bei diesem Thema eher auf die Lage der Frauen fokussiert. In einer Auswertung der Daten des Muttergenesungswerks wurde 2012 festgestellt, dass diese Doppelbelastung konkrete Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Personen hat: „Immer mehr Mütter sind erschöpft, überfordert von Zeitdruck und Doppelbelastung. Sie leiden unter Angstzuständen, Schlafmangel, Depressionen und Burn-out - und können oft nicht richtig behandelt werden.“ (Süddeutsche Zeitung 2012) Das Problem der Doppelbelastung trifft jedoch auch moderne Väter, bei denen eher die Familie subjektiv zu kurz kommt (vgl. Siems 2014). Anzumerken ist, dass in so einem Konfliktfall Männer und Frauen in Deutschland das Gefühl haben, nur ungenügend durch gesellschaftliche Institutionen unterstützt zu werden (Allmendinger/ Haarbrücker 2013; Schmidtke et al. 2015).

6.1.3 Arbeitslosigkeit Wie wir aus der gesundheitswissenschaftlichen Literatur wissen hat nicht nur die Arbeit selbst Auswirkungen auf die Gesundheit von Männern und Frauen, sondern auch der Mangel daran. Menschen, die ihre Arbeitsstelle verloren und noch keine neue Arbeit gefunden haben, geht es im Durchschnitt gesundheitlich wesentlich schlechter als dem Durchschnitt der Beschäftigten und der gesamten Bevölkerung. Untersuchungen zeigen, dass Arbeitslose eine höhere Sterblichkeit, häufigere und längere körperliche Erkrankungen, mehr psychische Leiden, ein riskanteres Gesundheitsverhalten und eine häufigere Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung als Erwerbstätige aufweisen. Umgekehrt kann eine schlechte Gesundheit auch zum Verlust der Arbeit führen. (RKI 2014, S. 157ff.) Im Bericht „Frauen in Berlin-Mitte – eine Sozialstudie“ (vgl. Schmidtke et al. 2015) schätzten die interviewten arbeitslosen Frauen ihre eigene Gesundheit deutlich schlechter ein, als voll- oder teilzeiterwerbstätige Frauen bzw. als andere nichterwerbstätige Frauen, wie z.B. Frauen in der Ausbildung oder Rentnerinnen. Die Verbindung zwischen der Sicherheit der eigenen Arbeitssituation (von sicher beschäftigt bis hin zu langzeitarbeitslos) und der gesundheitlichen Situation wird im neuen Bericht des RobertKoch-Instituts „Gesundheit in Deutschland“ anhand von zwei Indikatoren aus der GEDA-Studie aufgezeigt. Beide Geschlechter weisen höhere Raten von gesundheitlichen Beschwerden sowie ein verstärktes Risikoverhalten je höher sie die Unsicherheit ihres Arbeitsplatzes empfanden auf. Interessant in dieser Hinsicht ist, dass Frauen stärker auf die unsichere Arbeitssituation mit körperlichen und seelischen Beschwerden reagieren, während Männer ein erhöhtes Risikoverhalten zeigen (vgl. RKI 2015, S. 165ff.).

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

6.2 Gesundheitsverhalten Neben den oben dargestellten unterschiedlichen Belastungen von Frauen und Männern in Hinblick auf die Arbeit, bzw. den Mangel an Arbeit, spielt das Gesundheitsverhalten des Einzelnen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Erklärung von geschlechtsspezifischen Morbiditäts- und Mortalitätsmustern. Diese Verhaltensweisen werden wiederum bei beiden Geschlechtern stark von den existierenden Rollenbildern geprägt. Dies geht vom Bewegungsverhalten, über Ernährungs- und Risikoverhalten bis hin zum Vorsorgeverhalten.

6.2.1 Bewegung Der Trend hin zu einer bewegungsarmen Lebensweise in den entwickelten Industrieländern stellt ein zunehmendes gesundheitliches Problem für beide Geschlechter dar. Dies umfasst eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Entwicklungen, u.a. die Zunahme der passiven Freizeitgestaltung (Fernsehen, Spielkonsolen, Computern), insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die verstärkte Verwendung motorisierter Verkehrsmittel, den Wandel im Berufsspektrum hin zu sitzenden Tätigkeiten sowie der Rückgang von sportlichen Aktivitäten. Diese Phänomene führen dazu, dass sich sowohl Mädchen und Jungen als auch Männer und Frauen im Alltag nicht genug bewegen, wie es für den täglichen Kalorienumsatz nötig ist bzw. für den gesunden Kreislauf wünschenswert wäre. Die langfristigen Folgen daraus sind erhöhte Raten von Adipositas und Übergewicht sowie höhere Raten von Herz/Kreislauferkrankungen. Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen Die aussagekräftigste Quelle für repräsentative Daten zur Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland ist der Nationalen Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts (KiGGS-Studie), der auch einige interessante Ergebnisse in Hinblick auf das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen nach Geschlecht lieferte. In der Ergebnisse der KiGGS Welle 1 Befragung31 (RKI 2014b, S. 3) fällt auf, dass sich Jungen und Mädchen in ihrem Bewegungsverhalten bis zum 10. Lebensjahr relativ ähnlich sind. Bei den 3 bis 6-Jährigen erfüllen knapp mehr Jungen (52,2%) als Mädchen (50,7%) die WHO Empfehlung (mindestens 60 Minuten täglich körperlich aktiv). In der Altersgruppe 7 bis 10 sind beide Geschlechter noch ungefähr gleichauf mit 31,4% bei den Jungen und 30,5% bei den Mädchen. In der Gruppe der 11 bis 13-Jährigen zeigen sich die Jungen (17,4%) deutlich aktiver als die Mädchen (12,0%), wie auch im Alter von 14 bis 17 Jahren (15,0% gegenüber 8,0%). Insgesamt fällt bei beiden Geschlechtern auf, dass das Bewegungsniveau mit zunehmendem Alter deutlich zurückgeht. Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse in Hinblick auf sportliche Beteiligung (RKI 2014a, S. 3). Hier fällt auf, dass das Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander je nach Altersgruppe unterschiedlich ist. Bei den 3 bis 6-Jährigen beteiligen sich verhältnismäßig mehr Mädchen (68,4%) als Jungen (63,0%) an Sport. In der Altersgruppe 7 bis 10 sind beide Geschlechter noch ungefähr gleichauf mit knapp über 80%. In der Gruppe der 11 bis 13-Jährigen zeigen sich die Jungen (85,3%) um einiges sportlich aktiver als die Mädchen (79,9%). In der Altersgruppe von 14 bis 17 wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch größer (84,8% gegenüber 75,8%). So lange dauert es anscheinend mit der Sozialisation von Jungen und Mädchen, bis sich rollenkonforme Verhaltensweisen durchgesetzt haben.

31

Die KiGGS-Studie wurde als repräsentative Querschnittsuntersuchung konzipiert aber inzwischen als Kohorten-Studie weitergeführt wird.

93

Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________ Bewegungsverhalten von Männern und Frauen Das Bewegungsverhalten von Männern und Frauen in Deutschland wird in regelmäßigen Abständen in der GEDA-Studie des Robert-Koch-Instituts erhoben (aktuell ist GEDA 2012). Insgesamt zeigt sich, dass der männliche Vorsprung, der sich im jugendlichen Alter herausgebildet hat (s. KiGGS oben), auch im Erwachsenenalter behauptet wird. Insgesamt sind 35% der Frauen und 44% der Männer pro Woche mehr als 2,5 Stunden körperlich so aktiv, dass sie außer Atem oder ins Schwitzen geraten. Hierbei weisen 18% der Frauen und 23% der Männer mindestens 5 Mal pro Woche diese Aktivitätsintensität für mindestens 30 Minuten auf. Interessant ist, dass bei den Männern das Niveau der körperlichen Aktivität mit dem Alter gleichmäßig abnimmt während bei den Frauen der aktive Anteil erst ab 65 Jahre abnimmt (vgl. GEDA 2012, S. 96).

6.2.2 Ernährung In der Kindheit geprägte Ernährungsgewohnheiten können sich ins Erwachsenenalter fortsetzen und langfristig für die Gesundheit mitbestimmend sein. Ungesunde Ernährung gilt neben wenig Bewegung und Übergewicht als Risikofaktor für Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Herzinfarkten und Schlaganfällen. In diesem Abschnitt werden erstens Geschlechterunterschiede in der Ernährung bei Jungen und Mädchen in Deutschland (KiGGS bzw. EsKiMo32) aufgezeigt und zweitens wird anschließend die Situation bei erwachsenen Männern und Frauen anhand von Ergebnissen einer Studie des BMEL beleuchtet. Ernährungsverhalten bei Kindern und Jugendlichen Nach den Ergebnissen der KiGGS-Studie schafften es weder die Mehrzahl der Jungen noch die meisten Mädchen in Deutschland die Ernährungsempfehlungen des Forschungsinstituts Kinderernährung (FKE) in ihrem Essverhalten zu erreichen bzw. einzuhalten. Hierbei ernähren sich die Mädchen jedoch gesunder. Insgesamt erreichen deutlich höhere Anteile der Mädchen die empfohlene tägliche Menge an Obst als Jungen. Während in der Altersgruppe von 3- 6 Jahren ungefähr gleich viele Jungen und Mädchen (jeweils ca. 37%) die empfohlene Menge erreichten, öffnet sich die Schere zwischen den Geschlechtern mit Alter zunehmend. In der Altersgruppe 14 - 17 betrug der Abstand zwischen den Geschlechtern über 10% (Mädchen 28%, Jungen 16%). Auch beim Verzehr ungesunder Lebensmittel gab es Geschlechterunterschiede. In jeder Altersgruppe überschreiten mehr Jungen die empfohlene Menge an Fleisch und Wurst sowie Süßwaren, Knabberartikel und Limonade als Mädchen. (vgl. RKI/BZgA 2008) Ernährungsverhalten bei Erwachsenen „Man(n) ist was Man(n) isst.“ Wie ist dieses alte Sprichwort im Zusammenhang mit dem Ernährungsverhalten von Männern in Deutschland zu verstehen und inwieweit ist es überhaupt aussagekräftig? Anhand einer neuen Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL 2016) können die Ernährungsgewohnheiten von Männern und Frauen in Hinblick auf die Einhaltung von Ernährungsempfehlungen verglichen werden. Die Ergebnisse der BMEL-Studie zeigen, dass die in der KiGGS-Studie beobachteten Geschlechtermuster auch im Erwachsenenalter fortgesetzt werden. Frauen in Deutschland ernähren sich ge-

32

Angedockt an KiGGS war auch das EsKiMo-Modul mit dem Fokus auf Ernährung (vgl. RKI/BZgA 2008). Die Auswertungen zur Ernährung in diesem Modul basieren auf die optimiX-Empfehlungen des Forschungsinstituts Kinderernährung (FKE) in Dortmund. Für die Altersgruppen bis zum Alter von 12 Jahren gelten die gleichen Empfehlungen für Jungen und Mädchen – aber ab 13 J. sind sie geschlechtsspezifisch.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ sünder als Männer. Selbst gaben 76% der Frauen und nur 62% der Männer an, auf gesunde Ernährung zu achten. Auch, wenn wir die Geschlechterunterschiede bei der Häufigkeit des Verzehrs von eher „gesunden“ bzw. „ungesunden“ Lebensmitteln betrachten: Deutlich mehr Frauen (85%) als Männer (66%) essen täglich Obst und Gemüse (DMEL 2016, S. 6). Umgekehrt essen mehr als zweimal so viele Männer (47%) als Frauen (22%) täglich Fleisch. Und wenn wir diejenigen betrachten, die gänzlich auf Fleisch und Wurst verzichten, sind die Geschlechterunterschiede noch größer. Während 6% der Frauen in Deutschland Vegetarierinnen sind, beträgt der Anteil der Vegetarier unter den Männern 1% (ebd. S. 7). Nicht nur in Hinblick auf was sie essen gibt es größere Unterschiede zwischen Männern und Frauen, sondern auch in Bezug auf was sie über Ernährung wissen. Einhergehend mit der Arbeitsteilung in vielen Partnerschaften, wo die Frau für die Küche und den Einkauf zuständig ist (vgl. Schaubild 3.11), verhält es sich oft auch mit dem Interesse an Ernährung. Die Verfasser des Männergesundheitsberichts weisen darauf hin, dass gesunde Ernährung ein wichtiges Thema in Frauenzeitschriften ist, während sie bisher kaum eine Rolle in typischen Männerzeitschriften gespielt hat (RKI 2014, S. 108). Auch in der Nationalen Verzehrstudie II (NVS II) stellte es sich heraus, dass während sich 74,3% der Frauen aus verschiedenen Quellen über Ernährung informierten, dies nur bei 58,1% der Männer der Fall war. Ebenfalls verhält es sich in Hinblick auf die Selbsteinschätzung der eigenen Kochkünste. Während zwei Drittel der befragten Frauen angaben, dass sie gut oder sehr gut kochen, traf dies nur bei ca. 30% der Männer zu, obgleich der Abstand zwischen den Geschlechtern in den jüngeren Altersgruppen geringer ist (NVS II, S. 103ff.). Aus den hier präsentierten Daten wird sichtbar, dass sich die Geschlechterunterschiede in der Ernährung, die zuerst bei Jungen und Mädchen feststellt werden können, relativ übergangslos bei erwachsenen Männern und Frauen fortsetzen. Die Ergebnisse, dass zuerst Mädchen und anschließend Frauen neigen, sich eher gesunder und ausgewogener zu ernähren, als Jungen bzw. Männer dies tun. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind nicht nur bei der tatsächlichen Ernährung zu finden, sondern schließen auch das Interesse an und das Wissen über gesunde Ernährung ein.

6.2.3 Rauchen Rauchen ist ein bedeutender Risikofaktor für zahlreiche schwerwiegende und potenziell tödlich verlaufende Krankheiten, wie z.B. Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen. Neben den schwerwiegenden Krankheiten führt das Rauchen auch zu einer Reihe von weiteren körperlichen Schädigungen. Außerdem beeinträchtigt das Rauchen nicht nur die Gesundheit des Rauchers, sondern auch die der mitbetroffenen Passivraucher. Es wird geschätzt, dass zwischen 100.000 und 120.000 Personen jährlich an den Folgen des Rauchens sterben (DKFZ 2009) und, dass die Behandlungskosten für durch Rauchen verursachte Erkrankungen das deutsche Gesundheitssystem mit ca. 7,5 Milliarden jährlich belasten (Neubauer et al. 2006). Das Rauchen ist ein fester Bestandteil des stereotypen Männerbildes und Männer haben lange Zeit deutlich häufiger und deutlich stärker als Frauen geraucht. In den 1950er Jahren lag die Raucherquote bei Männern in Westdeutschland bei ca. 80% während lediglich ca. ein Fünftel der Frauen geraucht hat (vgl. Walter/Lux, 2007). Seitdem ist jedoch einiges in Bewegung gekommen. In den letzten Jahren hat sich das Rauchverhalten der beiden Geschlechter durch eine Abnahme der Raucherquoten bei Männern deutlich angenähert. Dieses Phänomen wird durch verschiedene Datenquellen bestätigt, u.a. in den GEDA-Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI 2014, S. 114). Da aber Daten zum Rauchverhalten aus dem Mikrozensus ebenfalls für die Berliner Bezirke verfügbar sind, wird diese Datenquelle hier aus Gründen der Vergleichbarkeit verwendet, um die zeitliche Entwicklung nach Geschlecht zu zeigen.

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________ Schaubild 6.4 zeigt den Anteil der Raucher und Raucherinnen in Deutschland für die Zeitspanne 1992 – 2013.33 Während sich der Anteil rauchender Männer zwischen 1992 und 2013 deutlich reduziert hat, von fast 37% auf 29%, ist der Anteil der Raucherinnen nur leicht gesunken, von 21,5% auf 20,3%. Der Abstand zwischen den Geschlechtern betrug immer noch 8,7% im Jahre 2013, aber er hat sich fast halbiert gegenüber 15,3% in 1992. Schaubild 6.4: Anteil der Raucher und Räucherinnen in Deutschland 1992 - 2013 (Mikrozensus) 40% 36,8%

35,6%

34,7% 33,2%

35%

32,2% 30,5% 29,0%

30%

25%

21,5%

20%

22,2%

22,4%

22,1%

21,2%

21,5%

20,3%

15%

10%

5%

0% 1992

1995

1999

2003

männlich

2005

2009

2013

weiblich

Quelle: Mikrozensus - Fragen zur Gesundheit, Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Bonn

Die im Schaubild 6.4 dargestellte Annäherung des Rauchverhaltens der beiden Geschlechter bringt jedoch einige Fragen mit sich. Wenn die Reduktion bei den Männern durch erfolgreiche Präventionsmaßnahmen entstanden ist, dann stellt sich unweigerlich die Frage, warum sie nur bei den Männern Erfolg hatten. Wenn die Annäherung auch durch einen Wandel der gesellschaftlichen Rollenvorstellungen von Männern und Frauen verursacht worden ist, könnten eventuelle Erfolge von Präventionsmaßnahmen durch Frauen, die neu anfangen zu rauchen, überdeckt werden. Möglich wäre auch, dass Frauen nicht so stark wir Männer von den Präventionsmaßnahmen angesprochen werden. Eine geschlechtsspezifische Auswertung des Rauchverhaltens von Männern und Frauen in unterschiedlichen Altersgruppen (nicht gezeigt) ergab auch keine eindeutigen Hinweise zur Erklärung des Phänomens. Anhand der Ergebnisse der Sondererhebung des Mikrozensus zu Gesundheit für das Jahr 2013 lassen sich außerdem die jeweiligen Anteile der Raucher und Raucherinnen in den Berliner Bezirken aufzeigen (vgl. Schaubilder 6.5a und 6.5b). Sowohl bei den Männern (30.2%) als auch bei den (20,1%) Frauen befindet sich Berlin relativ nah am Bundesdurchschnitt (vgl. Schaubild 6.4). Obgleich sich sowohl die Frauen als auch die Männer aus Berlin Mitte an vierter Stelle in der bezirklichen Rangordnung befinden, ist die Raucherquote bei den Männern deutlich über dem Berliner Durchschnitt während die Frauen nur knapp überdurchschnittlich häufig rauchen. Insgesamt fällt auf, dass die Unterschiede zwischen den Männern in den Berliner Bezirken größer sind, als die zwischen den Frauen.

33

Da die Sondererhebung zu Gesundheit im Rahmen des Mikrozensus in der Regel nur alle drei bis vier Jahre durchgeführt wird, sind die Abstände unregelmäßig.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________

6.2.4 Alkoholkonsum Alkoholkonsum gehört seit jeher zum Alltag in der deutschen Gesellschaft, auch wenn die Gesundheitsgefährdungen, die mit übermäßigem und häufigem Alkoholkonsum einhergehen, längst bekannt sind. Im neuen Bericht des Robert-Koch-Instituts „Gesundheit in Deutschland“ wird es so ausgedruckt: „Übermäßiger und häufiger Alkoholkonsum gefährdet die Gesundheit. In der Rangfolge der wichtigsten Risikofaktoren für Krankheit und vorzeitigen Tod liegt Alkohol nach Tabak und Bluthochdruck in Europa an dritter Position. Zu den Erkrankungen, für die ein ursächlicher Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholkonsum belegt ist, zählen u.a. Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und der Magenschleimhaut, Leberzirrhose, Schädigungen des Gehirns sowie einige Krebserkrankungen, vor allem Tumoren um Mund- und Rachenraum, aber auch Speiseröhren-, Darm-, Brust- und Leberkrebs. Alkohol kann zur Abhängigkeit führen, zudem steigt unter Alkoholeinfluss das Risiko für Unfallverletzungen und gewalttätige Auseinandersetzungen.“ (RKI 2015, S. 223). Wie bei den meisten anderen riskanten Verhaltensweisen gehört auch ein stärkerer Alkoholkonsum zum erwarteten Rollenbild des Mannes. Wegen der physiologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern können Männer zwar mehr Alkohol als Frauen vertragen, aber auch wenn die jeweiligen empfohlenen Trinkmengen berücksichtigt werden, weisen sie nach Angaben des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) mit 15,6% häufiger als Frauen (12,8%) einen riskanten Alkoholkonsum auf34. Interessant hierbei sind die unterschiedlichen Muster beim Risikokonsum der beiden Geschlechter je nach Alter. Während bei den Männern keine auffälligen Unterschiede im Niveau des Risikokonsums nach Alter festzustellen sind, nimmt der Anteil der Frauen mit riskantem Alkoholkonsum mit zunehmendem Alter ab. Anzumerken ist die Tatsache, dass der Anteil der Frauen mit riskantem Alkoholkonsum in den beiden jüngsten Altersgruppen (18 - 20 sowie 21 24 Jahre) sogar höher ist, als der der Männer (ebd. S. 224f.). Bei beiden Geschlechtern zeichnet sich in den Ergebnissen der RKI-Befragungen eher ein umgekehrter sozialer Gradient in Hinblick auf riskanten Alkoholkonsum. Ab einem Alter von 30 Jahren sind Frauen mit höherem Bildungsstatus häufiger Risikokonsumentinnen als gleichaltrige Frauen mit niedrigem Bildungsstatus. Bei Männern zeigt sich dieser Zusammenhang vorrangig im Alter zwischen 45 und 65 Jahren. Der Anteil der Männer und Frauen, die nie Alkohol trinken, ist deutlich höher in der unteren Bildungsgruppe als in der oberen (vgl. GEDA 2012, S. 116f.). Dieses Phänomen wurde auch im Bezirk Mitte in der LISA-Befragung für die Gruppe der älteren Menschen beobachtet (vgl. BA Mitte 2010). Die Ergebnisse der aktuellen Befragung der BZgA zum Alkoholkonsum im Jugendalter (12 bis 17 Jahre) zeigen jedoch weiterhin einen deutlich höheren regelmäßigen, d.h. mindestens wöchentlichen, Alkoholkonsum bei Jungen (14,9%) als bei Mädchen (8,5%) für das Jahr 2014. Hierbei wird allerdings der Aspekt des Risikokonsums ausgespart. Erfreulich in Bezug auf die Entwicklung über die Zeit ist die Tatsache, dass die BZgA für den Zeitraum 1998 bis 2014 einen deutlichen Rückgang im regelmäßigen Alkoholkonsum bei Jugendlichen beider Geschlechter konstatierte (RKI 2015, S. 225f.).

6.3 Gewichtsstatus Auf Dauer betrachtet manifestiert sich ein ungünstiges Bewegungs- und Ernährungsverhalten (vgl. Abschnitt 6.2.1 sowie 6.2.2) in einer positiven körperlichen Energiebilanz beim Menschen, wobei zusätzliches Körperfett angesetzt wird. Das was früher für die Schaffung von „Notreserven“ für 34

Ein riskanter Alkoholkonsum wird in den Befragungen des Robert-Koch-Instituts mithilfe des Instruments AUDIT-C festgestellt. Neben der Häufigkeit des wird auch nach der jeweiligen Trinkmenge sowie zur Häufigkeit des exzessiven Trinkens bei einem Anlass gefragt (vgl. Hapke et al. 2009).

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ schlechte Zeiten diente, führt in den westlichen Industrieländern gegenwärtig zunehmend zu hohen Raten von Adipositas und Übergewicht bei Männern und Frauen und den damit verbundenen Gesundheitsproblemen. Insbesondere Adipositas führt zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen im erwachsenen Alter – angefangen von orthopädischen Belastungen über Herz-KreislaufBeschwerden bis hin zu Stoffwechselerkrankungen, z.B. Diabetes. Wie bei vielen anderen Gesundheitsrisiken gibt es auch beim Vorkommen von Übergewicht und Adipositas in Deutschland einen sozialen Gradienten, d.h. je höher die soziale Schicht desto niedriger die Anteile von Übergewicht und Adipositas (vgl. RKI 2015, S.202f.). Die am häufigsten benutzte Kennzahl für die Bestimmung des Gewichtsstatus ist der Body Mass Index (BMI). Dieser besteht aus dem Quotient aus Körpergewicht in kg und Körpergröße in Metern im Quadrat. Bei erwachsenen Männern und Frauen wird ein BMI < 25 als normalgewichtig, ein BMI von 25 bis unter 30 als mäßiges Übergewicht und ein BMI > 30 als Adipositas betrachtet. Angesichts der in den letzten Jahren eher ansteigenden Adipositas-Raten – sowohl bei Männern als auch bei Frauen – sind bisweilen auch zwei weitere Abstufungen von Adipositas (> BMI 35 sowie BMI 40+) eingeführt worden. Wegen den altersbedingten Veränderungen in der Physiologie von Jungen und Mädchen müssen im Kindesalter Grenzwerte für die Bestimmung des Gewichtsstatus geschlechtsspezifisch und in kleinen Altersabständen anhand einer Referenztabelle festgelegt werden. In Deutschland werden häufig die Referenzwerte der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) verwendet (vgl. Kromeyer-Hausschild et al. 2001). Als Grenzen für die Bestimmung der Bereiche „Übergewicht“ und „Adipositas“ sind hierbei die 90er bzw. 97er Perzentile definiert worden. Die Grenze zum Untergewicht wird meist mit dem 10. Perzentil definiert.

6.3.1 Gewichtsstatus von Kindern und Jugendlichen Mit der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts gibt es mittlerweile gesundheitsrelevante Daten für Kinder und Jugendlichen in ganz Deutschland, die nach Geschlecht, Migrationsstatus und sozialer Lage differenziert werden können (u.a. RKI 2007, RKI 2008, RKI/BZgA 2008). Da in der KiGGS-Basiserhebung die Körpergröße und das Gewicht der einzelnen Probanden gemessen35 werden konnte, lieferte die KiGGS-Studie erstmalig repräsentative Daten zum Gewichtsstatus der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Schaubild 6.6 zeigt die Ergebnisse der KiGGS Basiserhebung zum Gewichtsstatus differenziert nach Geschlecht und Altersgruppe. Insgesamt tritt Übergewicht oder Adipositas bei 15% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland auf. Hierbei zeigen sich keine größeren Unterschiede in der Prävalenz bei Jungen und Mädchen, d.h. 15,1% der Jungen und 14,9% der Mädchen in Deutschland sind übergewichtig oder adipös. In der jüngsten Altersgruppe (3 - 6 Jahre) führen, z.B., die Mädchen mit 9,3% vs. 8,9%. Bei den 7-10 Jährigen dagegen, liegen die Jungen mit 15,9% vs. 14,6% vorn. Bis zum Alter von 13 Jahren steigt der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlichen bei beiden Geschlechtern tendenziell an, um in der Altersgruppe 14 - 17J. etwas zurückzugehen (RKI 2007, S. 738).

35

Gerade bei der Feststellung des Gewichtsstatus soll versucht werden, so weit wie möglich, die Probanden mit einer geeichten Waage zu wiegen und mit einem einheitlichen Messgerät zu messen. Untersuchungen zeigen, dass befragte Menschen ihr Gewicht eher unterschätzen und ihre Größe überschätzen.

99

Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________ Insgesamt zeigt sich bei beiden Geschlechtern ein starker sozialer Gradient beim Vorkommen von Adipositas, d.h. dass die Anteile an adipösen Mädchen und Jungen höher sind, je niedriger die soziale Schicht. Dieser Zusammenhang zeigt sich jedoch noch stärker bei Mädchen als bei Jungen (vgl. BZgA/RKI 2008, S. 41ff.).

Der Anteil an untergewichtigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland variiert zwischen 5,1% und 8,5% je nach Altersgruppe. Hierbei liegen Jungen und Mädchen in den meisten Altersgruppen ähnlich hoch. Gewichtsstatus von Jungen und Mädchen in Mitte Da so gut wie alle Kinder eines Jahrganges von der Schuleingangsuntersuchung (ESU) erreicht werden, ist sie die wichtigste Datenquelle für Kindergesundheit in Berlin. Neben Geschlecht, Größe und Gewicht werden auch Angaben zur sozialen Lage sowie zum Migrationshintergrund der Kinder erhoben.

100

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

Schaubild 6.7 zeigt der Gewichtsstatus der Schulanfänger*innen im Bezirk und in Berlin als Ganzes für das Schuljahr 2014/2015. Abgesehen von der Tatsache, dass die Jungen im Bezirk Mitte etwas häufiger übergewichtig oder adipös sind, als die Mädchen, gibt es wenige Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Deutlich ist jedoch, dass sowohl Jungen als auch Mädchen deutlich öfter übergewichtig oder adipös und deutlich seltener untergewichtig sind, als in Berlin als Ganzes.

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________

Schaubilder 6.8a und 6.8b zeigen den Anteil übergewichtiger und adipöser Mädchen und Jungen bei der ESU in den Berliner Bezirken für das Jahr 2014. Hier wird sichtbar, dass Mädchen und Jungen in diesem Alter bei Übergewicht relativ gleichauf. Anders als in den KiGGS-Ergebnissen in der Altersgruppe führten die Jungen in Berlin mit 9,1% vs. 8,9% bei den Mädchen beim Vorkommen von Übergewicht oder Adipositas. Im Bezirk Mitte sind sowohl die Jungen (höchste Stelle) als auch die Mädchen (zweithöchste Stelle) übergewichtig oder adipös. Auffallend ist auch, dass die Jungen in den meisten Bezirken stärker von Übergewicht betroffen sind, als die Mädchen (auch in Mitte mit 14,2% vs. 12,6%). Bei der Reihenfolge der Bezirke sieht man für beide Geschlechter eine grobe Korrelation mit der sozialen Lage in den Bezirken.

6.3.2 Gewichtsstatus von Männern und Frauen Aktuelle repräsentative Messdaten zum im Bezirk in Deutschland wurden in der DEGS-Studie des Robert-Koch-Instituts erhoben. Insgesamt sind nach den DEGS-Ergebnissen Männer mit 67% häufiger übergewichtig (BMI > 25) als Frauen mit 53%. Die Prävalenz von Adipositas bei Frauen (23,9%) und Männern (23,3%) unterscheidet sich jedoch kaum. Die DEGS-Ergebnisse zeigen auch, dass der Anteil von Personen mit Übergewicht und Adipositas bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter ansteigt. Bei Frauen erfolgt die Zunahme kontinuierlich, bei Männern schwächt sie im höheren Alter ab. im Bezirk in den Berliner Bezirken Wenn es um den Gewichtsstatus von Männern und Frauen auf Landes- oder Bezirksebene geht, gibt es nur eine mögliche Datenquelle: der Mikrozensus36. Schaubild 6.9 zeigt den Gewichtsstatus der Männer und Frauen im Bezirk Mitte und in Berlin als Ganzem anhand der Ergebnisse des 36

Angaben zur Prävalenz von Übergewicht und Adipositas gibt es lediglich alle drei bis vier Jahren beim Mikrozensus, wenn Fragen zur Körpergröße und zum Körpergewicht (freiwillig) gestellt werden. Da diese Angaben eigene Schätzungen der Befragten sind, bekanntlich günstiger als Messergebnisse liegen, und nicht zum Pflichtprogramm des Mikrozensus gehören, müssen sie mit Vorsicht genommen werden.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Mikrozensus 2013. Hier ist in Berlin insgesamt ein niedrigeres Niveau an Übergewicht und Adipositas als in der DEGS-Studie zu sehen. Die in DEGS festgestellten Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind jedoch auch im Mikrozensus zu beobachten. Sowohl im Bezirk Mitte als auch in Berlin als Ganzem liegt der Anteil an adipösen Männer und Frauen relativ ähnlich, während es deutlich höhere Anteile von mäßig übergewichtigen Männern als Frauen gibt.

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Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________

Schaubilder 6.10a und 6.10b vergleichen die Anteile der übergewichtigen und adipösen Männer und Frauen in den Berliner Bezirken. Wie in der DEGS-Studie zu sehen, sind Übergewicht und Adipositas deutlich häufiger bei Männern (Mitte: 50,5%) als bei Frauen (Mitte: 33,8%) zu beobachten. Bei der Reihenfolge der Bezirke sind jedoch einige Unterschiede zum Gewichtsstatus der Schulanfänger zu beobachten. Für die meisten Bezirke sieht man die gleiche grobe Korrelation mit der sozialen Lage im jeweiligen Bezirk wie bei den Schulanfängern (bessere soziale Lage = niedrigere Anteile an übergewichtigen Menschen). Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen fällt jedoch auf, dass Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte deutlich besser abschneiden, als man durch die bezirkliche soziale Lage (vgl. Schaubilder 4.5 und 4.7) erwarten würde. Dieses Phänomen könnte möglicherweise methodisch verursacht sein, dadurch dass beide relativ „junge“ Bezirke sind und, dass die Mikrozensusergebnisse aus einer 1-prozentigen Stichprobe hochgerechnet werden. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil an übergewichtigen Menschen mit zunehmendem Alter stark ansteigt, könnte dies die unerwartete bezirkliche Rangordnung verursachen. Eine weitergehende Analyse der Mikrozensusergebnisse zeigte, dass die Befragten in den beiden Bezirken tatsächlich um einiges jünger waren, als in den anderen Bezirken.

6.4 Zusammenfassung Es gibt eine Reihe von relevanten Faktoren, welche die Gesundheit von Männern und Frauen bzw. Mädchen und Jungen beeinflussen, die zum größten Teil nicht mit bezirklichen Daten analysiert werden konnten. Diese Faktoren wurden in diesem Kapitel schlaglichtartig behandelt – z.T. anhand des Mikrozensus, z.T. anhand der einschlägigen Literatur bzw. mithilfe von bundesweiten Erhebungen des RKI. Sie entstammen sowohl der gesellschaftlichen Rollenerwartungen und der daraus abgeleiteten Verhaltensweisen als auch der konkreten Lebensbedingungen der einzelnen Menschen. Arbeit und Gesundheit

104

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Die Arbeit ist nicht nur eine Einkommensquelle, und dadurch mitbestimmend für die materielle Lage, sondern auch ein sinngebendes und strukturierendes Element im Leben des Einzelnen. Bedingt durch die beträchtlichen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern in Hinblick auf die Segregation des Arbeitsmarktes sind auch die gesundheitlichen Auswirkungen der Arbeit (bzw. der Arbeitslosigkeit) bei Männern und Frauen unterschiedlich. Insbesondere Männer werden häufiger bei ihrer Arbeit körperlichen Belastungen oder ungesunden Arbeitsumgebungen ausgesetzt. Bei den Arbeitsbelastungen, die eher durch die Arbeitsorganisation bzw. -gestaltung entstehen, sind Frauen häufiger betroffen. Frauen berichten häufiger als Männer von Arbeiten, welche „Multitasking“ erfordern oder, dass sie häufiger durch ständig wiederholende Arbeitsgänge belastet sind. Männer werden öfter mit neuen Aufgaben konfrontiert, arbeiten in Bereichen mit einer vorgegebenen Stückzahl, Leistung oder Zeit oder arbeiten in Bereichen, wo kleine Fehler zu großen finanziellen Verlusten führen. Bei beiden Arten der Arbeitsbelastung gibt es einen sozialen Gradienten, insbesondere bei Belastungen aus der Ergonomie oder der Arbeitsumgebung. Gesundheitliche Beschwerden, welche während oder kurz nach der Arbeit auftreten, werden häufiger von Männern als von Frauen berichtet. Bei der Arbeit im Haushalt und im Dienste der Familie führen die herkömmlichen Rollenzuweisungen immer wieder zu Belastungssituationen. Sowohl Frauen, die durch eine eigene Karriere und die volle Verantwortung für den Haushalt doppelt belastet sind, als auch Männer, die die Rolle als Alleinverdiener übernommen haben, aber auch das Bedürfnis spüren, für ihre Familie da zu sein, gerieten hierbei immer wieder in Schwierigkeiten. Im Hinblick auf die Mütter hieß es in einer Studie des Muttergenesungswerks: „Immer mehr Mütter sind erschöpft, überfordert von Zeitdruck und Doppelbelastung. Sie leiden unter Angstzuständen, Schlafmangel, Depressionen und Burn-out - und können oft nicht richtig behandelt werden.“ Arbeitslosen Menschen geht es im Durchschnitt gesundheitlich wesentlich schlechter als dem Durchschnitt der Beschäftigten. Arbeitslose weisen eine höhere Sterblichkeit, häufigere und längere körperliche Erkrankungen, mehr psychische Leiden, ein riskanteres Gesundheitsverhalten und eine häufigere Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung als Erwerbstätige auf. Umgekehrt kann eine schlechte Gesundheit auch zum Verlust der Arbeit führen. Beide Geschlechter weisen höhere Raten von gesundheitlichen Beschwerden sowie ein verstärktes Risikoverhalten bei stärkerer Arbeitsunsicherheit auf. Hierbei reagieren Frauen stärker auf die unsichere Arbeitssituation mit körperlichen und seelischen Beschwerden, während Männer ein erhöhtes Risikoverhalten zeigen (RKI 2014). Bewegung Bis zum 10. Lebensjahr sind sich Jungen und Mädchen in ihrem Bewegungsverhalten relativ ähnlich. Erst in der Gruppe der 11 bis 13-Jährigen schaffen sich die Jungen einen Vorsprung über die Mädchen, den sie im Alter von 14 bis 17 noch weiter ausbauen. Insgesamt geht das Bewegungsniveau bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter deutlich zurück. Bei der sportlichen Beteiligung fällt auf, dass sich bei den 3 bis 6-Jährigen verhältnismäßig mehr Mädchen als Jungen an Sport beteiligen! Erst in der Gruppe der 11 bis 13-Jährigen schaffen sich die Jungen einen leichten Vorsprung gegenüber den Mädchen, den sie im Alter von 14 bis 17 auch ausbauen. Im Erwachsenenalter wird der männliche Vorsprung bei der Bewegung auch weiterhin behauptet. Insgesamt erfüllen 35% der Frauen und 44% der Männer die wöchentlichen Empfehlungen des RKI für Bewegungsintensität. Hierbei weisen 18% der Frauen und 23% der Männer mindestens 5 Mal pro Woche die empfohlene Aktivitätsintensität von mindestens 30 Minuten auf. Bei Männern nimmt das Niveau der körperlichen Aktivität im Alter gleichmäßig ab, während bei Frauen der aktive Anteil erst ab 65 Jahre abnimmt. 105

Gesundheitsrelevante Einflussfaktoren _______________________________________________________________________________ Ernährung Die meisten Jungen und Mädchen in Deutschland erreichen nicht, die Ernährungsempfehlungen des FKE in ihrem Essverhalten. Insgesamt erreichen jedoch deutlich höhere Anteile der Mädchen die empfohlene tägliche Menge an Obst als Jungen. Mit dem Alter vergrößern sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zunehmend. Beim Verzehr ungesunder Lebensmittel überschreiten höhere Anteile der Jungen in jeder Altersgruppe die empfohlene Menge an Fleisch und Wurst sowie Süßwaren, Knabberartikel und Limonade als Mädchen. Auch im Erwachsenenalter ernähren sich Frauen gesünder als Männer. Bei einer Befragung der BMEL gaben 76% der Frauen und nur 62% der Männer an, auf gesunde Ernährung zu achten. Deutlich mehr Frauen (85%) als Männer (66%) essen täglich Obst und Gemüse. Umgekehrt essen mehr als zweimal so viele Männer (47%) als Frauen (22%) täglich Fleisch. Beim Verzicht auf Fleisch und Wurst, sind die Geschlechterunterschiede noch größer: Während 6% der Frauen in Deutschland Vegetarierinnen sind, beträgt der Anteil unter den Männern lediglich 1%. Darüber hinaus wissen Frauen mehr über Ernährung als Männer. Auch bei der Selbsteinschätzung der eigenen Kochkünste gaben Zweidrittel der befragten Frauen an, dass sie gut oder sehr gut kochen, während dies nur bei ca. 30% der Männer zu traf. Rauchen Lange Zeit haben Männer deutlich häufiger und stärker als Frauen geraucht. In den letzten Jahren hat sich das Verhalten der beiden Geschlechter deutlich angenähert – eher auf dem Niveau der Frauen. Während sich der Anteil rauchender Männer in der Zeitspanne 1992 und 2013 kontinuierlich reduziert hat, von fast 37% auf 29%, blieb der Anteil der Raucherinnen relativ konstant auf einem niedrigen Niveau bei knapp über 20%. Dabei hat sich der Abstand zwischen den Geschlechtern zwischen 1992 und 2013 fast halbiert. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen liegen die Raucherquoten in Berlin relativ nah am Bundesdurchschnitt. Mitte befindet sich bei beiden Geschlechtern an vierter Stelle in der bezirklichen Rangordnung. Insgesamt fällt auf, dass die Unterschiede zwischen den Männern in den Berliner Bezirken größer sind, als die zwischen den Frauen. Alkoholkonsum Nach Angaben des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) weisen Männer mit 15,6% häufiger als die Frauen (12,8%) Frauen einen riskanten Alkoholkonsum auf. Während bei den Männern keine auffälligen Unterschiede im Niveau des Risikokonsums nach Alter festzustellen sind, nimmt der Anteil der Frauen mit riskantem Alkoholkonsum mit zunehmendem Alter ab. Anzumerken ist die Tatsache, dass der Anteil der Frauen mit riskantem Alkoholkonsum in den beiden jüngsten Altersgruppen sogar höher ist, als der der Männer. Bei beiden Geschlechtern zeichnet sich eher ein umgekehrter sozialer Gradient in Hinblick auf riskanten Alkoholkonsum ab. Im Jugendalter zeigen die Ergebnisse der aktuellen Befragung der BZgA jedoch weiterhin einen deutlich höheren regelmäßigen Alkoholkonsum durch Jungen (14,9%) als durch Mädchen (8,5%) für das Jahr 2014. Erfreulich ist die Tatsache, dass ein deutlicher Rückgang im regelmäßigen Alkoholkonsum bei Jugendlichen beider Geschlechter für den Zeitraum 1998 bis 2014 konstatiert werden kann. Übergewicht und Adipositas Nach den KiGGS-Ergebnissen tritt Übergewicht oder Adipositas bei insgesamt 15% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland auf (Jungen 15,1%, Mädchen 14,9%). Je nach Altersgruppe führt das eine oder andere Geschlecht. In der jüngsten Altersgruppe (3 - 6 Jahre), z.B., führen die Mädchen mit 9,3% vs. 8,9%. Bis zum Alter von 13 Jahren steigt der Anteil übergewichtiger und 106

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ adipöser Kinder und Jugendlichen bei beiden Geschlechtern tendenziell an, um in der Altersgruppe 14 - 17J. etwas zurückzugehen. Insgesamt zeigt sich bei beiden Geschlechtern ein starker sozialer Gradient beim Vorkommen von Adipositas. Anders als in den KiGGS-Ergebnissen in der Altersgruppe führten bei den Schulanfängern in Berlin im Jahre 2014 die Jungen mit 9,1% beim Vorkommen von Übergewicht oder Adipositas (Mädchen: 8,9%). Im Vergleich der Bezirke wiesen sowohl die Jungen (14,2%) als auch die Mädchen (12,6%) aus dem Bezirk Mitte sehr hohe Raten an Übergewicht auf. In den meisten Bezirken waren die Jungen häufiger übergewichtig oder adipös als die der Mädchen. Die Reihenfolge der Bezirke bei beiden Geschlechtern korreliert grob mit der sozialen Lage in den Bezirken. Nach den DEGS-Ergebnissen des RKI sind Männer in Deutschland mit 67% häufiger übergewichtig oder adipös als Frauen mit 53%. Die Prävalenz von Adipositas bei Frauen (23,9%) und Männern (23,3%) unterscheidet sich jedoch kaum. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil bei beiden Geschlechtern an. Außerdem gibt es beim Vorkommen von Übergewicht und Adipositas in Deutschland einen sozialen Gradienten Auf Landessebene zeigen die Ergebnisse des Mikrozensus 2013 in Berlin insgesamt ein niedrigeres Niveau an Übergewicht und Adipositas als in der DEGS-Studie. Die in DEGS festgestellten Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind jedoch auch im Mikrozensus zu beobachten. Sowohl in Berlin als auch in Mitte liegt der Anteil an adipösen Männern und Frauen relativ ähnlich, während es deutlich höhere Anteile von mäßig übergewichtigen Männern als Frauen gibt. In den Mikrozensusergebnisse für die Berliner Bezirke sind Übergewicht und Adipositas ebenfalls deutlich häufiger bei Männern (Mitte: 50,5%) als bei Frauen (Mitte: 33,8%) zu beobachten. Bei der Reihenfolge der Bezirke schneidet Mitte jedoch deutlich besser ab, als durch die bezirkliche soziale Lage zu erwarten ist. Dieses Phänomen könnte möglicherweise methodisch verursacht sein, dadurch dass beide relativ „junge“ Bezirke sind und, dass die Mikrozensusergebnisse aus einer 1prozentigen Stichprobe hochgerechnet werden..

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Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

7

Krankenhausinanspruchnahme

Seit Mitte der 90er Jahre gibt es in Deutschland eine gesetzlich vorgeschriebene Totalerhebung aller im Krankenhaus vollstationär behandelten Fälle (inkl. Sterbefälle) u.a. nach Wohnort, Alter, Geschlecht, Verweildauer, Abteilung und Diagnose. In Berlin werden diese Daten von den Krankenhäusern an das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg übermittelt, wo sie zusammengestellt und überprüft werden. Die Daten werden vom Statistischen Landesamt an die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales weitergeleitet, wo sie in die Gesundheitsberichterstattung einfließen – zuletzt im Basisbericht Berlin 2012/2013 (SenGesSoz 2014). Die Auswertungen in diesem Bericht sind durch die Weitergabe von Daten der Senatsverwaltung für das Jahr 2013 möglich gewesen. Durch diese Erhebung von Basisdaten der stationären Versorgung ist es auch möglich, verlässliche Daten zur (stationären) Morbidität einer Bevölkerung auf bezirklicher (kommunaler) Ebene zu erhalten. In diesem Abschnitt wird festgestellt, inwieweit aus diesen Morbiditätsdaten vorsichtige Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und die gesundheitliche Versorgung der Bewohner eines Bezirkes gezogen werden können.

7.1 Krankenhausinanspruchnahme von Männern und Frauen im Bezirk Mitte 2013 wurden 59.497 stationäre Behandlungsfälle37 von Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirkes Mitte beim Statistischen Landesamt registriert. 28.640 davon waren Männer und 30.857 Frauen. Diese höhere Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung durch Frauen resultiert fast ausschließlich aus den Behandlungsfällen, die durch eine normale Schwangerschaft und Geburt verursacht werden, und wird nicht nur in Mitte beobachtet (vgl. SenGesSoz. 2010, S. 155f.). Die insgesamt 5.015 Behandlungsfälle im Jahre 2013, die durch eine normale Schwangerschaft und Geburt verursacht waren, machten ca. 48% der stationären Behandlung der 15 bis 45-jährigen Frauen aus Mitte aus. Mit 18.993,8 im Vergleich zu 16.717 je 100.000 der durchschnittlichen Bevölkerung bei den Männern führen die Frauen auch bei der Inanspruchnahme stationärer Versorgung in Mitte. Wenn jedoch die Behandlungsfälle, die durch normale Schwangerschaft und Geburt verursacht wurden, nicht berücksichtigt werden, nehmen Frauen in Mitte das Krankenhaus etwas weniger als die Männer in Anspruch. Bedingt durch eine Reihe von Faktoren gibt es deutliche Unterschiede in der Inanspruchnahme stationärer Behandlung von Männern und Frauen – nicht nur im Bezirk Mitte. Abgesehen von Behandlungsfällen, die durch normale Schwangerschaft und Geburt verursacht wurden, gibt es bestimmte ICD-Diagnosegruppen, die entweder stärker männlich oder weiblich belegt worden waren.

7.1.1 Krankenhausinanspruchnahme nach ICD-Diagnose Im Schaubild 7.1 ist die stationäre Behandlung der Bewohner von Mitte nach Geschlecht und ICD-Diagnosegruppe – je 100.000 der durchschnittlichen Bevölkerung – abgebildet. Die Darstellung bringt einige interessante Unterschiede zwischen den Geschlechtern zutage. Während Männer deutlich häufiger als Frauen wegen Krankheiten des Kreislaufsystems, Krankheiten des Atmungssystems, Krankheiten des Verdauungssystems (u.a. Lebererkrankungen), psychische und 37

Die Krankenhausdiagnosestatistik ist leider nur eine anonymisierte Fallstatistik, die in erster Linie zum Zweck der Abrechnung geführt wird. Dank der Datenschutzbestimmungen in Deutschland wird nur eine gekürzte Version der ICD 10 für die Kodierung verwendet (vgl. BA Mitte 2006). Außerdem gibt es außer Geschlecht und Alter keine weitere Informationen zur Person, z.B. einen eventuellen Migrationshintergrund, (vgl. Butler et al 2007) sowie keine Möglichkeit, Fallverläufe für einzelne Personen abzubilden.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Verhaltensstörungen (u.a. Alkoholismus) sowie bösartige Neubildungen behandelt wurden, werden Frauen öfter wegen gutartigen Neubildungen, Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie Krankheiten des Urogenitalsystems stationär behandelt. Schaubild 7.1: Stationäre Behandlungsfälle in Mitte nach ICD-Diagnosegruppe und Geschlecht im Jahre 2013 (je 100.000 der durchschnittlichen Bevölkerung) Krankheiten des Kreislaufsystems Krankheiten des Verdauungssystems

2.842

2.184 1.933

1.684

Verletzungen, Vergiftungen, Verbrennungen … Psychische und Verhaltensstörungen

1.629

1.673

1.282

Bösartige Neubildungen

1.598

1.347

Krankheiten des Atmungssystems

1.544

1.131

Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems … Krankheiten des Urogenitalsystems

1.410

1.390

952 793

1.228

Krankheiten des Nervensystems

719

Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten

440 444

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde … Krankheiten der Haut und der Unterhaut Endokrine, Ernährungsund Stoffwechselkrankheiten

452 402 367

255 365

Krankheiten des Auges ...

475

349 290

Zustände mit Ursprung in der Perinatalperiode

209

Gutartige Neubildungen

475 117

Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen

140 143

Krankheiten des Ohres … Krankheiten des Blutes ...

131 2.955

3.000

128 126 115 107 0

1.000 weiblich

Quelle: SenGes Soz GSI

249 217

Angeborene Fehlbildungen …

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

643

1.000

3.000

männlich

Schaubild 7.2 zeigt die stationären Behandlungsfälle der männlichen Bewohner von Mitte im Jahre 2013 für die 20 häufigsten Einzeldiagnosen. Eindeutiger Spitzenreiter unter den Diagnosen sind psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol mit 1.176 Behandlungsfällen. Die Tatsache, dass diese Diagnose auch in den vergangenen 4 Jahren die Rangordnung der Männer sowohl in Mitte als auch in Berlin anführte, deutet auf ein größeres Problem mit Alkoholabusus bei Männern hin. Bei den Frauen in Mitte kam diese Diagnose 2013 erst auf Platz 15 mit etwas mehr als ein Viertel der Fälle wie bei den Männern (vgl. Schaubild 7.3).

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Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

Die zweit- bis fünfthäufigsten Anlässe für einen Krankenhausaufenthalt bei den Männern in Mitte sind Herz-Kreislauferkrankungen. Diese werden angeführt von Angina pectoris (782 Fälle) gefolgt von chronischer ischämischen Herzkrankheit (603 Fälle), Atherosklerose (548 Fälle) und Herzinsuffizienz (522 Fälle). Auf den 7. und 8. Plätzen kommen mit chronischer obstruktiven Lungenkrankheit (englisch: chronic obstructive pulmonary disease oder COPD) und Lungen- und Bronchialkrebs zwei Krankheiten, die auch durch das Rauchen verursacht werden können. Weitere häufige Behandlungsanlässe sind u.a. Leistenbruch (Hernia inguinalis), Herzinfarkt, Pneumonie sowie Diabetes mellitus. Bei den Frauen in Mitte (vgl. Schaubild 7.3) sticht keine einzelne Diagnose so deutlich hervor, wie im Falle der Verhaltensstörungen durch Alkohol bei den Männern, aber drei der fünf häufigsten Anlässe für einen Krankenhausbehandlung sind durch Komplikationen im Zusammenhang mit der Geburt verursacht (insgesamt ca. 1.500 Fälle). Auch unter den fünf häufigsten Anlässen sind zwei Diagnosen aus dem Spektrum der Herz-Kreislauferkrankungen: Angina pectoris (482 Fälle) und Herzinsuffizienz (462 Fälle). Diese nehmen jedoch nicht so einen großen Raum ein, wie bei den Männern. An der sechsten Stelle ist COPD mit 404 Fällen. Brustkrebs kommt als erste Krebserkrankung mit 355 Fällen an 8. Stelle. Weitere häufige Anlässe für stationäre Behandlung der Frauen in Mitte sind u.a. Gallensteine, Fraktur des Femurs und Hirninfarkt.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

Ein Vergleich der Schaubilder 7.2 und 7.3 zeigt sehr große Unterschiede nach Geschlecht in der Reihenfolge der 20 häufigsten Einzeldiagnosen bei der Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung. Während bei den Männern alkoholbezogene Diagnosen sowie Herz- und Kreislauferkrankungen bei den 20 häufigsten Diagnosen dominieren, sind es bei den Frauen insbesondere Komplikationen im Rahmen der Geburt. Die hervorgehobene Stelle der alkoholbezogenen Diagnosen sowie Herz- und Kreislauferkrankungen bei Männern deuten auf größere Lebensstilunterschiede zwischen den Geschlechtern hin, die zu häufigeren gesundheitlichen Problemen bei den Männern führen. Bei den Männern in Mitte tritt außerdem die Diagnose Leistenbruch deutlich öfter als bei den Frauen auf, wo sie gar nicht unter den ersten 20 Diagnosen erscheint. Dieser Befund wird auch in der Literatur bestätigt (vgl.: http://www.gesundheit.de/krankheiten/bindegewebe/leistenbruch). Bei den Frauen fällt auf, dass sie deutlich häufiger stationär wegen Knochenbrüche (Fraktur des Femurs sowie Fraktur des Unterarmes) behandelt wurden. Um festzustellen, ob diese Verletzungen eventuell durch Gewalteinwirkung verursacht worden sind, wären weitere Informationen nötig.

111

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

7.1.2 Krankenhausinanspruchnahme im Lebensverlauf Wie bei den meisten anderen gesundheitsbezogenen Indikatoren gibt es deutliche Unterschiede in der Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung im Lebensverlauf eines Menschen. Eine besonders sensible Phase ist das erste Lebensjahr. Kurz nach der Geburt gibt es eine Reihe von potentiellen gesundheitlichen Problemen bei Säuglingen, die dazu führen können, dass eine Vorstellung im Krankenhaus nötig ist. Nach einer längeren Phase relativ geringer Krankenhausinanspruchnahme, die sich von der Kindheit, über die Jugend bis hin ins junge Erwachsenenalter erstreckt, nimmt die Inanspruchnahme stationärer Behandlung tendenziell mit zunehmenden Alter zu. In diesem Abschnitt wird die stationäre Behandlung der Bevölkerung in Mitte insgesamt nach Geschlecht und Altersgruppe analysiert. Anschließend werden einige Diagnosegruppen, in denen je nach Altersgruppe markante Unterschiede zwischen den Geschlechtern vorliegen aufgeführt. Inanspruchnahme stationärer Behandlung in Mitte nach Alter – insgesamt

Schaubild 7.4 zeigt die Altersstruktur der Bewohnerinnen und Bewohner von Mitte, die im Jahre 2013 stationär im Krankenhaus behandelt wurden. Sofort auffällig ist die Tatsache, dass abgesehen von den Altersgruppen zwischen 15 bis 45 Jahren sowie ab 85 Jahren die männliche Bevölkerung in Mitte, z.T. deutlich, häufiger als die weibliche Bevölkerung stationäre Behandlung in Anspruch nimmt. Wenn die oben erwähnten Behandlungsfälle wegen Schwangerschaft und Geburt nicht gezählt werden, gibt es keine Altersgruppe in der verhältnismäßig mehr Frauen als Männer im Krankenhaus behandelt werden. Insgesamt auffällig bei beiden Geschlechtern ist die Konzentration der stationären Behandlung am Anfang und am Ende des Lebens. Sowohl in der Altersgruppe der unter 1-jährigen als auch in den Altersgruppen ab 65 Jahre wurde im Jahr 2013 über 40.000 je 100.000 (d.h. über 40%) der männlichen Bevölkerung im Krankenhaus behandelt. Abgesehen von den erhöhten Behandlungsraten in den ersten fünf Lebensjahren steigt die Krankenhausinanspruchnahme der männlichen Bevölke-

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ rung in Mitte fast linear mit zunehmendem Alter an. Dies verhält sich ähnlich auch in Berlin insgesamt (vgl. GSI, Tabelle 3.25-9). Das hohe Alter führt zu einer Zunahme von chronischen Krankheiten und Beschwerden. Dies bedeutet auch, dass sich der Bedarf an stationärer Versorgung tendenziell mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung in westlichen Gesellschaften steigern wird. In den nachfolgenden Auswertungen wird die geschlechtsspezifische Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung für einzelne ICD 10 Kapitel bzw. Diagnosen analysiert. Inanspruchnahme stationärer Behandlung in Mitte nach Alter – Verletzungen und Vergiftungen Schaubild 7.5 zeigt die Altersstruktur der Bewohnerinnen und Bewohner von Mitte, die im Jahre 2013 stationär im Krankenhaus wegen Verletzungen, Vergiftungen usw. (Kapitel XX) behandelt wurden. Hier zeigt sich, dass das Verhältnis der beiden Geschlechter im Verlauf des Lebens umkehrt. Sind in jüngeren Jahren die männlichen Bewohner von Mitte in dieser Diagnosegruppe deutlich überrepräsentiert – insbesondere in den Altersgruppen zwischen 15 - 25 Jahren und 35 45 Jahren – kehrt sich das Geschlechterverhältnis in der Altersgruppe 65 - 70 Jahren um – mit deutlich höheren Behandlungsraten beider Geschlechter und einer steigenden Inanspruchnahme der Frauen mit zunehmendem Alter.

Aus der Literatur ist bekannt, dass Jungen und junge Männer durch ihre erhöhte Risikobereitschaft im (Spiel-)Alltag deutlich häufiger von Unfällen betroffen sind, als ihre Altersgenossinnen (vgl. RKI 2007). Dies könnte die höheren Behandlungsraten für Kapitel XX-Diagnosen bei männlichen Patienten in jüngeren Lebensphasen erklären. Die Umkehr des Verhältnisses im höheren Alter zuungunsten der Frauen könnte vermutlich durch das Phänomen der Stürze im Zusammenhang mit Osteoporose bei älteren Frauen ( Schenkelhalsfrakturen) verursacht sein. Inanspruchnahme stationärer Behandlung in Mitte nach Alter – Herz-Kreislauferkrankungen Schaubild 7.6 zeigt die Altersstruktur der Bewohnerinnen und Bewohner von Mitte, die im Jahre 2013 stationär wegen Herz-Kreislauferkrankungen im Krankenhaus behandelt wurden. Hier fällt insbesondere die unterschiedliche Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung nach Alter auf. 113

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________ In den Altersgruppen bis 35 - 45 Jahre werden wenige Menschen stationär wegen Herz-Kreislauferkrankungen behandelt. Bei beiden Geschlechtern steigt jedoch die Inanspruchnahme bis ins hohe Alter steil an. In jeder Altersgruppe ab 35 - 45 Jahre ist die Inanspruchnahme der Männer deutlich höher als die der Frauen – insbesondere bei den 55- bis 75-Jährigen.

Inanspruchnahme stationärer Behandlung in Mitte nach Alter – Krankheiten des Verdauungssystems

114

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Eine weitere Diagnosegruppe, die ausgeprägte Unterschiede in der Inanspruchnahme der beiden Geschlechter im Laufe des Lebens aufweist, sind die Krankheiten des Verdauungssystems (u.a. Leberzirrhose, Appendizitis, Leistenbruch und Darmerkrankungen). Schaubild 7.7 zeigt die Altersstruktur der Bewohnerinnen und Bewohner von Mitte, die im Jahre 2013 stationär im Krankenhaus mit Angabe dieser Diagnosen behandelt wurden. Obgleich die männliche Bevölkerung von Mitte in fast allen Altersgruppen häufiger als die weibliche Bevölkerung stationäre Behandlung in Anspruch nimmt (u.U. wegen des Alkoholmissbrauchs), wurden Frauen in der Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren (deutlich) sowie in der Altersgruppe der über 85-Jährigen (etwas) häufiger als Männer im Krankenhaus für Erkrankungen in dieser Diagnosegruppe behandelt. Die Tatsache, dass dieses Phänomen auch in Berlin als Ganzes zu beobachten war, deutet darauf hin, dass es nicht nur eine bezirkliche Besonderheit ist. Inanspruchnahme stationärer Behandlung in Mitte nach Alter – bösartige Neubildungen Schaubild 7.8 zeigt die Altersstruktur der Bewohnerinnen und Bewohner von Mitte, die im Jahre 2013 stationär wegen Krebserkrankungen im Krankenhaus behandelt wurden. Hier wird deutlich, dass bei beiden Geschlechtern nur wenige junge Menschen wegen Krebs im Krankenhaus behandelt werden. Insgesamt werden die beiden Geschlechter je nach Altersgruppe unterschiedlich betroffen. Während die Jungen bis zum 5. Lebensjahr beim niedrigen Niveau öfter als Mädchen wegen Krebs in Behandlung sind, ist bis zum 55. Lebensjahr eher die weibliche Bevölkerung stärker betroffen. Ab 55 haben Männer eindeutig höhere Behandlungsraten.

7.2 Stationäre Morbidität von Männern und Frauen: Mitte im Vergleich der Berliner Bezirke Nicht nur zwischen den Geschlechtern bzw. in den unterschiedlichen Altersgruppen zeigt sich eine erhebliche Varianz in der Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung in Berlin. Auch werden z.T. größere Unterschiede in der stationären Morbidität von Männern und Frauen im bezirklichen Vergleich sichtbar. In diesem Abschnitt werden in einer Auswertung der Krankenhausdiagnosestatistik für die Berliner Bezirke im Jahre 2013 insbesondere Diagnosen bzw. Diagnosegruppen unter

115

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________ die Lupe genommen, in denen sich die Krankenhausinanspruchnahme von Frauen oder Männern aus Mitte im bezirklichen Vergleich erhöht zeigt. Diabetes mellitus Diabetes mellitus zählt zu den gesundheitspolitisch besonders wichtigen nichtübertragbaren Erkrankungen. Trotz verbesserter Behandlungsmöglichkeiten ist die Erkrankung immer noch häufig mit schweren Langzeitkomplikationen (u.a. koronaren Herzkrankheiten, Erblindung, Nierenversagen und Amputationen) und mit erhöhter Sterblichkeit verbunden. U.a. korrelieren ein niedriger Bildungsstatus, Bewegungsmangel und Fehlernährung mit der Prävalenz von Diabetes (vgl. RKI 2011, S. 1ff).

116

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Trotz der Tatsache, dass in der GEDA-Studie des Robert-Koch-Instituts (GEDA 2009) 9,3% der Frauen und 8,2% der Männer in Deutschland einen diagnostizierten Diabetes angaben, weisen die Männer in Berlin eine höhere Inanspruchnahme stationärer Behandlung als die Frauen auf. Interessant wäre ein Vergleich mit den entsprechenden ambulanten Behandlungsraten durchzuführen, um festzustellen, ob Männer u.U. länger warten, bis sie wegen ihrer Symptome zum Arzt gehen, und daraufhin stationär behandelt werden müssen. Wenn das so wäre, würde sich hier durch entsprechende Präventionsmaßnahmen ein erhebliches Einsparpotential ergeben. In der bezirklichen Rangordnung der stationären Behandlung wegen Diabetes im Jahre 2013 liegen sowohl die Männer (243,0 je 100.000) als auch die Frauen (145,0) aus dem Bezirk Mitte auf dem drittletzten Platz (vgl. Schaubilder 7.9a und 7.9b). Bei dieser Diagnose korreliert die bezirkliche Rangordnung nur zum Teil mit der sozialen Lage in den jeweiligen Bezirken. Ischämische Herzkrankheiten Ischämische oder koronare Herzkrankheiten (KHK) sind Erkrankungen, bei denen es zu einer Sauerstoff-Minderversorgung des Herzmuskels aufgrund einer Verengung der Koronararterien (Herzkranzgefäße) kommt. Sie werden insbesondere durch sogenannte Lebensstilfaktoren (u.a. mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung) begünstigt und stellen gegenwärtig die häufigste Todesursache in den Industrieländern dar. Laut GEDA 2010 wurde bei insgesamt 7% der Frauen und knapp 10% der Männer in Deutschland eine KHK diagnostiziert. Bei Frauen und Männern zeigt sich in den Altersgruppen ab 45 Jahren eine höhere Prävalenz einer koronaren Herzerkrankung bei Personen mit niedrigerem Bildungsstand. (RKI 2012). In der Analyse der Inanspruchnahme stationärer Versorgung in Berlin wegen ischämischen Herzkrankheiten im Jahre 2013 sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen jedoch deutlich größer, als es ihre Prävalenz in der Bevölkerung erwarten lässt (vgl. Schaubilder 7.10a und 7.10b). Hier stellt sich wieder die Frage, ob die deutlich höhere Inanspruchnahme stationärer Versorgung bei den Männern durch eine frühere ambulante Behandlung hätte reduziert werden können.

117

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

Bei den ischämischen Herzkrankheiten korrelieren die höchsten Plätze in der bezirklichen Rangordnung ziemlich gut mit der sozialen Lage der jeweiligen Bezirke – sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. Männer (1035,0 je 100.000) und Frauen (444,1) aus Mitte belegen jeweils den zweithöchsten Platz in der bezirklichen Rangordnung.

118

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Psychische und Verhaltensstörungen Psychische und Verhaltensstörungen umfassen ein breites Spektrum an Leiden, die durch viele verschiedene Faktoren verursacht werden. Zu den psychischen Störungen werden u.a. die affektiven Störungen (z.B. depressive Episode), Störungen durch psychotrope Substanzen (z.B. Alkoholabhängigkeit) oder auch somatoforme Störungen (z.B. Somatisierungsstörung) gezählt. Da die einzelnen psychischen Erkrankungen sehr vielfältig sind, fällt es schwer, die möglichen Ursachen für Unterschiede im Auftreten zwischen Männern und Frauen bzw. zwischen unterschiedlichen Gebieten anzureißen. Epidemiologische Daten zeigen, dass Männer insgesamt seltener von psychischen und Verhaltensstörungen betroffen sind als Frauen, aber es gibt psychische Störungen, an denen Männer häufiger als Frauen leiden, darunter die Abhängigkeitserkrankungen (RKI 2014). Ein Vergleich der Schaubilder 7.11a und 7.11b zeigt jedoch, dass die Inanspruchnahme stationärer Versorgung wegen psychischen und Verhaltensstörungen bei den Männern aus dem Bezirk Mitte im Jahre 2013 (1.619,1 je 100.000) deutlich größer als die der Frauen (1.168,6) war. Das könnte sowohl dadurch verursacht werden, dass Abhängigkeitserkrankungen in Mitte eine vergleichbar große Rolle in dieser Diagnosegruppe spielen als auch durch die Tatsache, dass diese häufiger stationär behandelt werden als, z.B. depressive Episoden. In den bezirklichen Rangordnungen fällt auf, dass die Männer aus Mitte über- (dritthöchste Stelle) während die Frauen unterdurchschnittlich (viertniedrigste Stelle) häufig stationär wegen psychischen und Verhaltensstörungen behandelt werden. Um die Ursachen für diese Reihenfolge zu ergründen, wären Angaben für einzelne Diagnosen erforderlich.

119

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

Krankheiten des Atmungssystems Obgleich sie oft bagatellisiert werden, da sie meist nicht zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen, stellen Krankheiten des Atmungssystems eindeutig eine herausragende gesundheitsökonomische Bedeutung dar, da sie häufig zu Arbeitsunfähigkeit (AU) führen. Hierbei ist u.a. an Erkältungen und Mandelentzündungen zu denken. Bei einer Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsstatistik für das Jahr 2013 stellten die IKK-Südwest z.B. fest, dass Erkrankungen des Atmungssystems mit 33,5% der Hauptgrund für AU-Fällen bei ihren Mitgliedern gewesen sind (IKK e.V. 2014). Eine Betrachtung der Inanspruchnahme stationärer Versorgung wegen Krankheiten des Atmungssystems in den Berliner Bezirken (vgl. Schaubilder 7.12a und 7.12b) zeigt, dass Männer häufiger als Frauen behandelt werden, auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Mitte mit 1.595,0 je 100.000 bei den Männern und 1.169,1 bei den Frauen. Hiermit führen Männer aus Mitte die bezirkliche Rangordnung, während sich die Frauen lediglich im oberen Drittel befinden.

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

Krankheiten des Verdauungssystems Mit insgesamt 6.524 Behandlungsfällen (3.649 männlich, 2.875 weiblich) waren Krankheiten des Verdauungssystems der zweithäufigste Anlass für eine Inanspruchnahme stationärer Versorgung für Menschen aus Mitte im Jahr 2013. Da auch die Leberkrankheiten, die u.a. durch Alkoholabusus verursacht werden können, hierzu gezählt werden, weist diese Diagnosegruppe eine hohe Präventionsrelevanz für den Bezirk auf.

121

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________

Ein Blick auf die Schaubilder 7.13a und 7.13b zeigt, dass die Inanspruchnahme stationärer Versorgung der Männer bei Krankheiten des Verdauungssystems höher ist, als bei den Frauen. Der Unterschied ist jedoch nicht so groß wie in einigen anderen Diagnosegruppen. Auch hier ist die relative Platzierung der Männer und Frauen aus dem Bezirk Mitte unterschiedlich. Liegen die Männer aus Mitte auf Platz zwei der bezirklichen Rangliste mit 2.125,5 je 100.000 der Bevölkerung, lagen die Frauen mit 1.626,4 je 100.000 der Bevölkerung 2 Plätze höher. Augenfällig ist auch die Tatsache, dass die fünf höchsten Plätze bei beiden Geschlechtern von eher sozial schwachen Bezirken belegt werden. Fazit 122

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ In allen untersuchten Diagnosegruppen zeigte sich eine höhere Inanspruchnahme von stationärer Versorgung durch Männer als durch Frauen, auch für Diagnosegruppen, wo Studien eine höhere Prävalenz der einzelnen Krankheiten bei Frauen festgestellt haben. Das scheinbare Paradoxon kann jedoch erklärt werden, wenn man die Tatsache betrachtet, dass diese Statistik nicht das Vorkommen einer Krankheit in der Bevölkerung per se misst, sondern lediglich die Zahl der Krankenhausaufenthalte. So ließe sich die höhere Inanspruchnahme von stationärer Behandlung für Männer in einigen Fällen durch andere Faktoren erklären, z.B. deren Gesundheitsverhalten. Einiges deutet darauf, dass Männer generell vermeiden, sich rechtzeitig mit der eigenen Krankheit auseinanderzusetzen (vgl. Weikert 2005). Die in der Untersuchung festgestellten größeren Unterschiede in der bezirklichen Rangordnung müssen jedoch nicht unbedingt aus einer höheren Belastung der Bevölkerung durch die jeweilige Krankheit herrühren. Sie können z.B. auch aus fehlenden ambulanten Behandlungsmöglichkeiten resultieren (vgl. u.a. BA Mitte 2006). Bei manchen Diagnosen bzw. Diagnosegruppen ließ sich die unterschiedliche Inanspruchnahme relativ gut durch die soziale Lage (als Proxy für ungünstige Gesundheitsoutcomes bzw. -verhalten) der Bezirke erklären – bei anderen jedoch nicht. In solchen Fällen müsste nach anderen möglichen Erklärungsfaktoren gesucht werden, z.B. nach der regionalen Verfügbarkeit ambulanter Behandlungsmöglichkeiten.

7.3 Zusammenfassung Im Jahre 2013 gab es ca. 1.800 mehr stationäre Behandlungsfälle von Frauen als von Männern aus Mitte. Die höhere Inanspruchnahme von Frauen resultierte jedoch zum größten Teil aus den Behandlungsfällen, die durch normale Schwangerschaft und Geburt verursacht werden. Wenn diese Behandlungsfälle nicht berücksichtigt werden, nehmen die Frauen das Krankenhaus etwas weniger als die Männer in Anspruch. Geschlechterdifferenzierte Krankenhausinanspruchnahme nach ICD-Diagnose Nach ICD-Diagnosegruppen differenziert, wurden Männer deutlich häufiger als Frauen wegen Krankheiten des Kreislaufsystems, Krankheiten des Atmungssystems, Krankheiten des Verdauungssystems (u.a. Lebererkrankungen), psychische und Verhaltensstörungen sowie bösartige Neubildungen stationär behandelt, während Frauen öfter das Krankenhaus wegen gutartigen Neubildungen, Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie Krankheiten des Urogenitalsystems in Anspruch genommen haben. Die weitaus häufigste Einzeldiagnose bei den Männern aus Mitte war „psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“. Die zweit- bis fünfthäufigsten Anlässe für eine stationäre Behandlung waren Herz-Kreislauferkrankungen. Die 7. und 8. Plätze belegten COPD und Lungen- und Bronchialkrebs, zwei Krankheiten, die durch das Rauchen verursacht werden können. Bei den Frauen dominierte keine einzelne Diagnose, aber drei der häufigsten Anlässe für einen Krankenhausbehandlung sind Komplikationen im Zusammenhang mit der Geburt. Auch unter den fünf häufigsten Anlässen der Frauen sind zwei Herz-Kreislauferkrankungen. Diese nahmen jedoch nicht so einen großen Raum ein, wie bei den Männern. Die hervorgehobene Stelle der alkoholbezogenen sowie Herz- und Kreislauferkrankungen bei Männern deutet auf größere Lebensstilunterschiede zwischen den Geschlechtern hin, die zu häufigeren gesundheitlichen Problemen bei den Männern führen. Krankenhausinanspruchnahme im Lebensverlauf Bei der Betrachtung der Altersstruktur der stationär behandelten Bewohnerinnen und Bewohner 123

Stationäre Morbidität im Bezirk Berlin-Mitte _______________________________________________________________________________ von Mitte fällt bei beiden Geschlechtern eine Konzentration der stationären Behandlung am Anfang (bei den unter 1-jährigen) und am Ende des Lebens auf. Ebenfalls auffällig ist die Tatsache, dass abgesehen von den Altersgruppen zwischen 15 bis 45 Jahren sowie ab 85 Jahren die männliche Bevölkerung in Mitte z.T. deutlich häufiger als die weibliche Bevölkerung stationäre Behandlung in Anspruch nimmt. Nach einzelnen ICD 10 Kapiteln differenziert, zeigt sich eine erhöhte Behandlungsrate für die männlichen Bewohner von Mitte durch Verletzungen, Vergiftungen usw. bis zur Altersgruppe der unter 65-Jährigen. Anschließend zeigen sich steigende Behandlungsraten der Frauen mit zunehmendem Alter. Während erstere vermutlich durch Unfallverletzungen zustande kommt, könnte die Umkehr der Geschlechterverhältnisse im höheren Alter durch Stürze im Zusammenhang mit Osteoporose bei älteren Frauen verursacht sein. Bei den Herz-Kreislauferkrankungen beginnt die Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung im Grunde erst in der Altersgruppe ab 35 und steigt bis ins hohe Alter steil an – bei den Männern ist sie jedoch deutlich höher als bei den Frauen. Die Inanspruchnahme stationärer Behandlung wegen Krankheiten des Verdauungssystems (u.a. Leberzirrhose) ist höher bei der männlichen Bevölkerung von Mitte in fast allen Altersgruppen als bei der weiblichen. Bei beiden Geschlechtern werden nur wenige junge Menschen wegen Krebs im Krankenhaus behandelt. In den jüngeren Altersgruppen werden jedoch in einigen Altersgruppen eher Frauen wegen Krebs (Brustkrebs bzw. Eierstockkrebs) behandelt. Ab 55 haben Männer eindeutig höhere Behandlungsraten. Stationäre Morbidität von Männern und Frauen: Mitte im Vergleich der Berliner Bezirke Bei den in diesem Abschnitt untersuchten Diagnosen bzw. Diagnosegruppen zeigte sich die Krankenhausinanspruchnahme von Frauen oder Männern aus Mitte im bezirklichen Vergleich wie folgt: Bei Diabetes mellitus weisen Männer insgesamt etwas höhere stationäre Behandlungsraten als Frauen auf. Die Tatsache, dass die Prävalenz von Diabetes u.a. mit einem niedrigeren Bildungsstatus, mit Bewegungsmangel sowie mit einer Fehlernährung korreliert könnte dazu geführt haben, dass sowohl die Männer als auch die Frauen aus Mitte auf dem dritthöchsten Platz in der bezirklichen Rangordnung liegen. Die Unterschiede zwischen Männer und Frauen bei der stationären Behandlung wegen ischämischen Herzkrankheiten sind deutlich größer, als es die Prävalenz in der Bevölkerung erwarten lässt. Männer und Frauen aus Mitte belegen jeweils den zweithöchsten Platz in der bezirklichen Rangordnung. Die Inanspruchnahme stationärer Versorgung wegen psychischen und Verhaltensstörungen bei den Männern aus Mitte ist deutlich größer als die der Frauen. Hierbei werden Männer aus Mitte im Vergleich der Bezirke eher über- und die Frauen unterdurchschnittlich stationär behandelt. Die höhere Inanspruchnahme der Männer könnte sowohl dadurch verursacht werden, dass Abhängigkeitserkrankungen in Mitte eine vergleichbar große Rolle in dieser Diagnosegruppe spielen als auch durch die Tatsache, dass diese häufiger stationär behandelt werden als, z.B. depressive Episoden. Bei den Krankheiten des Atmungssystems werden Männer um einiges häufiger als Frauen stationär behandelt, auch in Mitte. Hiermit führen Männer aus Mitte die bezirkliche Rangordnung an, während sich die Frauen lediglich im oberen Drittel befinden. Die höhere Inanspruchnahme bei den Männern könnte auch durch ihr unterschiedliches Gesundheitsverhalten verursacht sein, d.h. dass sie dazu neigen, erst zum Arzt gehen, wenn die Lage bereits sehr ernst ist. Wie in den meisten anderen Diagnosegruppen liegt die Inanspruchnahme stationärer Versorgung der Männer bei Krankheiten des Verdauungssystems höher, als bei den Frauen, der Unterschied ist jedoch nicht so extrem. Hier liegen die Männer aus Mitte auf Platz zwei der bezirkli-

124

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ chen Rangordnung, während die Frauen den vierthöchsten Platz belegten. Da auch die Leberkrankheiten, die u.a. durch Alkoholabusus verursacht werden können, hierzu gezählt werden, weisen Krankheiten des Verdauungssystems eine hohe Präventionsrelevanz für den Bezirk auf. In allen untersuchten Diagnosegruppen zeigte sich eine höhere Inanspruchnahme von stationärer Versorgung durch Männer als durch Frauen, auch für Diagnosegruppen, wo Studien eine höhere Prävalenz der einzelnen Krankheiten bei Frauen festgestellt haben. Das scheinbare Paradoxon kann jedoch erklärt werden, wenn man die Tatsache im Auge behält, dass diese Statistik nicht das Vorkommen einer Krankheit in der Bevölkerung per se misst, sondern lediglich die Zahl der Krankenhausaufenthalte. So ließe sich die höhere Inanspruchnahme von stationärer Behandlung bei Männern in einigen Fällen durch andere Faktoren erklären, z.B. deren Gesundheitsverhalten (eine Vermeidung der rechtzeitigen Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit.) Die in der Untersuchung festgestellten größeren Unterschiede in der bezirklichen Rangordnung müssen jedoch nicht unbedingt aus höheren Erkrankungsraten in der Bevölkerung für die jeweilige Krankheit herrühren. Sie können z.B. auch aus fehlenden ambulanten Behandlungsmöglichkeiten resultieren (vgl. u.a. BA Mitte 2006).

125

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________

8

Sterblichkeit

Da in Deutschland wenige Indikatoren für eine gute Gesundheit der Menschen in einem Gebiet verfügbar sind, muss in der Gesundheitsberichterstattung meist mit Indikatoren für das Vorhandensein von Krankheiten gearbeitet werden. In diesem Kontext ist die Mortalitätsstatistik eine wichtige Quelle von Daten zum Gesundheitszustand der Bevölkerung. Sowohl die allgemeine Sterblichkeit als auch die Sterblichkeit an bestimmten Todesursachen erlauben vorsichtige Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen, soziale Lage und gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung eines Gebietes. Die enge Korrelation zwischen der sozialen Lage der Menschen und Sterblichkeit generell sowie z.B. die Sterblichkeit an Todesursachen wie Leberzirrhose oder Lungenkrebs (vgl. BA Mitte 2006) ist nicht zufällig und kann auch anhand von anderen Todesursachen dargestellt werden. Für die Analyse des Sterbegeschehens in einer Bevölkerung können darüber hinaus einige weitere Indikatoren untersucht werden, um Rückschlüsse auf die gesundheitliche Lage der dort wohnenden Menschen zu ziehen. Die sogenannte „vorzeitige Sterblichkeit”, d.h. die Sterblichkeit von Menschen im Alter von 0 bis unter 65 Jahren, wird als besonders bedeutsam in dieser Hinsicht angesehen. Bei der Betrachtung der Mortalität durch einzelne Todesursachen sind vor allem die sogenannten „vermeidbare Sterbefälle“ von Bedeutung. Dies ist die Sterblichkeit an einige durch die WHO festgelegte Todesursachen in einem Alter, wo es durch optimale Versorgung bzw. Prävention hätte verhindert werden können. Ein weiterer wichtiger Indikator für die Gesundheit der Bevölkerung, der von der Mortalität einer Bevölkerung abgeleitet wird, ist die Lebenserwartung. Beim Vergleich der Mortalität der Bevölkerung in unterschiedlichen Gebieten ist es immer wichtig, dass die Anzahl der Sterbefälle im Verhältnis zur Bevölkerung der Gebiete (meistens je 100.000 Einwohner) genommen werden. Aufgrund der starken Korrelation zwischen der Sterblichkeit und der Altersstruktur in einer Region ist jedoch die jeweilige durchschnittliche Bevölkerung keine gute Basis für regionale und örtliche Vergleiche. Um den Vergleich altersabhängiger Sterberaten von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Altersstruktur zu ermöglichen, werden daher altersstandardisierte Sterbeziffern anhand der „europäischen Standardbevölkerung" verwendet. Aus der Literatur ist bekannt, dass Männer deutlich häufiger bzw. früher als Frauen an vielen Todesursachen sterben. Aus diesem Grund wird die Mortalität der Bevölkerung fast immer geschlechtsdifferenziert analysiert, auch bisher in der bezirklichen Gesundheitsberichterstattung (vgl. z.B. BA Mitte 2006). In diesem Abschnitt werden daher an die bereits durchgeführten geschlechterdifferenzierten Auswertungen der Mortalität im Bezirk Mitte angeknüpft, um für einige bekannte Indikatoren die gegenwärtige Situation der Männer und Frauen im Vergleich der Berliner Bezirke38 zu analysieren. Hierbei wird die Todesursachenstatistik im Lande Berlin für die Jahre 2011 bis 201339 verwendet.

38

Für die Jahre 2014 und 2015 gibt es keine Todesursachenstatistik für die Berliner Bezirke. Da die Berliner Bezirke im Sinne der Bundesgesetzgebung keine Kommunen sind, war es nach der Novellierung des Bevölkerungsstatistikgesetzes im Jahre 2013 nicht möglich, sogenannte „natürliche Bevölkerungsbewegungen“ (Geburten und Gestorbenen) sowie Wanderungen unterhalb der Ebene des Wohnorts (Berlin) zu erheben. Durch die dadurch verursachte Unterbrechung vom Anfang 2014 bis zur Mitte 2015 gab es keine Erhebung von Geburten, Gestorbenen und Wanderungen unterhalb der Landesebene in Berlin. Dies führte auch dazu, dass zurzeit keine auch Bevölkerungsfortschreibung für die Berliner Bezirke möglich ist. Erst nach einer weiteren Novellierung des Gesetzes im Jahre 2014 wurde die Erhebung der Wohnadresse als Hilfsmerkmal ermöglicht.

39

Wegen der relativ kleinen Anzahl von Sterbefällen insbesondere für die sogenannten „vermeidbare“ Todesursachen in bevölkerungsschwachen Bezirken ist es sinnvoll, das Mortalitätsgeschehen auf bezirklicher Ebene möglichst aggregiert zu analysieren, um Zufallsverteilungen zu vermeiden.

126

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

8.1 Allgemeine Sterblichkeit Schaubilder 8.1a und 8.1b zeigen das gesamte Sterbegeschehen bei Männern und Frauen in den Berliner Bezirken für die Jahre 2011 - 2013. Mit Blick auf diese geschlechterdifferenzierte Analyse fällt auf den ersten Blick insbesondere das unterschiedliche Niveau der Mortalität bei den beiden Geschlechtern ins Auge. Starben in Berlin im analysierten Zeitraum etwa 712 Männer je 100.000, waren es lediglich ca. 459 bei den Frauen. 2004 verhielt es sich im Vergleich der Geschlechter ähnlich (vgl. BA Mitte 2006, S. 74), jedoch auf höherem Niveau.

127

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________ Auch die unterschiedliche relative Betroffenheit der Männer und Frauen aus Mitte fällt auf. Führten die Männer aus Mitte die bezirkliche Rangordnung mit fast 800 je 100.000 der Bevölkerung an, so belegten die Frauen mit knapp 490 lediglich den vierthöchsten Platz. Diese Unterschiede in der Betroffenheit der Geschlechter in Mitte waren auch 2004 zu beobachten. (ebd.). Augenfällig ist auch die Tatsache, dass die vier höchsten Plätze bei beiden Geschlechtern von eher sozial schwachen Bezirken belegt werden. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat die unterschiedliche Sterblichkeit von Männern und Frauen überwiegend verhaltensbedingte Ursachen. Im Männergesundheitsbericht des RobertKoch-Instituts wurde festgestellt, dass neben Erkrankungen, die auf ungesunde Lebensweisen (Fehlernährung sowie mangelnde Bewegung) zurückzuführen sind, auch das Sucht- und Risikoverhalten von Männern zu höheren Mortalitätsraten für eine Reihe von Krankheiten führt (vgl. RKI 2014, S. 19).

8.2 Vorzeitige Sterblichkeit Insbesondere die Sterblichkeit der unter 65-Jährigen wird als wichtiger Indikator der Gesundheit der Bevölkerung in einem Gebiet angesehen. Da in der Regel Menschen in diesem Alter sterben, wird dies in der gesundheitswissenschaftlichen Literatur als „vorzeitige“ Sterblichkeit bezeichnet. In einer alternativen Zählweise werden die „years of life lost“ (YLL) für die Gesellschaft, d.h. die Differenz zwischen dem tatsächlichen Sterbealter und 65 Jahren berechnet. Aus den Schaubildern 8.2a und 8.2b wird deutlich, dass Männer noch stärker als Frauen durch vorzeitige Sterblichkeit betroffen sind, als bei der Mortalität insgesamt. Mit 296,6 je 100.000 starben die Männer aus Mitte im untersuchten Zeitraum fast zweimal häufiger als die Frauen (159,7) vorzeitig. Bei der vorzeitigen Sterblichkeit belegen sowohl die Männer als auch die Frauen aus Mitte Spitzenplätze in der bezirklichen Rangordnung.

128

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

8.3 Vermeidbare Sterblichkeit Der Begriff „vermeidbare Sterbefälle" wurde von der WHO geprägt und bezieht sich auf ausgewählte Todesursachen, die bei optimaler Versorgung als vermeidbar gelten. Nicht eingeschlossen sind hierbei – abgesehen von Kraftfahrzeugunfällen – Todesfälle, die auf fahrlässiges oder schuldhaftes Verhalten einzelner zurückzuführen sind. Im Vordergrund des Indikators steht die Effektivität und Qualität der medizinischen Versorgung. Nach heutigem medizinischem Kenntnisstand ist es möglich, bestimmte Krankheitsbilder erfolgreich zu behandeln oder die Krankheit durch gezielte Prävention gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Vermeidbarkeit von Sterbefällen wird nur innerhalb definierter Altersgruppen gesehen. Bei den meisten „vermeidbaren” Todesursachen ist die obere Grenze das 65. Lebensjahr, da sich durch zunehmendes Lebensalter und durch zunehmende Multimorbidität bei älteren Personen Todesfälle weniger „vermeiden” lassen. „Todesfälle an diesen Krankheiten sollten bei moderner medizinischer Versorgung (in diesen Altersgruppen der unter 65jährigen) nicht auftreten, obwohl einige wenige Todesfälle selbst unter optimalen Bedingungen vorkommen können. Unter medizinischer Versorgung ist dabei im weitesten Sinne gemeint: Prävention, Heilung und Betreuung, u. a. Anwendung des gesamten medizinischen Wissens, der Mittel des Staates sowie der freiwilligen und sozialen Organisationen, einschließlich der Beteiligung des Individuums. Eine erhöhte Zahl unnötiger Ereignisse (der vermeidbaren Todesfälle) ist ein Warnsignal für Defizite des medizinischen Versorgungssystems und sollte eingehender untersucht werden” (HOLLAND 1991/93, zitiert nach Kis et al., 1995, S. 7). Im Folgenden wird eine Auswahl der „vermeidbaren Todesursachen” im bezirklichen Vergleich dargestellt Diese Auswertungen wurden im Rahmen des Jahresgesundheitsberichtung von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales durchgeführt. Sie sind altersstandardisiert und getrennt nach Geschlecht. Markant an diesen Auswertungen sind sowohl die geschlechtsspezifischen Unterschiede als auch die hervorgehobene Position von Männern und Frauen eines Bezirkes bei der Sterblichkeit an einigen dieser Todesursachen. 129

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________ Ischämische Herzkrankheiten Schaubilder 8.3a und 8.3b zeigen die vermeidbare Mortalität von Männern und Frauen in den Berliner Bezirken an ischämische Herzkrankheiten für die Jahre 2011 - 2013. Auf dem ersten Blick fällt insbesondere das unterschiedliche Niveau der Mortalität bei den beiden Geschlechtern ins Auge. Im analysierten Zeitraum starben in Berlin mehr als viermal so viele Männer (54,0 je 100.000) als Frauen (12,3 je 100.000) an ischämische Herzkrankheiten.

130

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Während die Männer aus Mitte mit 63,8 je 100.000 der Bevölkerung auf dem zweithöchsten Platz in der bezirklichen Rangordnung lagen, belegten die Frauen mit 24,8 mit deutlichem Abstand den Spitzenplatz. Bei den Männern werden die höchsten Plätze von eher sozial schwachen Bezirken belegt, während bei den Frauen Charlottenburg-Wilmersdorf, mit einer gut situierten aber älteren Bevölkerung, auf dem vierthöchsten Platz lag. Krankheiten der Leber

131

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________ Auch die Leberkrankheiten (ICD-10 Nrn.: K70 - K77) werden in der Altersgruppe 15 bis 74 als vermeidbar angesehen. Da diese u.a. durch Alkoholabusus verursacht werden können, spielt hier die Prävention eine beträchtliche Rolle in Hinblick auf die Vermeidbarkeit. Die Schaubilder 8.4a und 8.4b zeigen die vermeidbare Mortalität durch Leberkrankheiten bei Männern und Frauen in den Berliner Bezirken. Insgesamt weisen die Männer mit 23,9 je 100.000 der Bevölkerung ungefähr eine doppelt so hohe vermeidbare Mortalität durch Krankheiten der Leber auf, als die Frauen. Der Unterschied ist jedoch nicht so groß wie in einigen anderen Diagnosegruppen. Hierbei ist die relative Position der Männer und Frauen aus Mitte deutlich unterschiedlich. Liegen die Männer aus Mitte knapp über dem Berliner Durchschnitt mit 23,9 je 100.000 der Bevölkerung, belegten die Frauen mit 13,0 den zweithöchsten Platz. Augenfällig ist auch die Tatsache, dass die Mortalität der Frauen deutlich besser mit der sozialen Lage in den Bezirken korreliert, als die der Männer. Hypertonie und zerebrovaskuläre Krankheiten Ebenfalls zur vermeidbaren Sterblichkeit werden Todesfälle durch Hypertonie und zerebrovaskuläre Krankheiten in der relativ jungen Altersgruppe der 35-64-Jährigen gezählt. Nach den Experten der WHO sollte in diesem Alter keiner an zu hohen Blutdruck oder einen Schlaganfall sterben. In Hinblick auf die Möglichkeiten, Sterbefälle wegen Hypertonie und zerebrovaskuläre Krankheiten zu vermeiden, werden sowohl die Prävention als auch die gesundheitliche Versorgung bereits erkrankter Menschen angesprochen. Angesichts der erhöhten Sterberaten sind insbesondere die Männer eine wichtige Zielgruppe für die Prävention. Bei den vermeidbaren Sterbefällen wegen Hypertonie und zerebrovaskuläre Krankheiten in Berlin zeigt sich, dass in den meisten Bezirken die Mortalität der Männer 2011 bis 2013 ca. zweimal so hoch war, wie die der Frauen (vgl. Schaubilder 8.5a und 8.5b).

Augenfällig in Schaubilder 8.5a und 8.5b ist auch die Tatsache, dass die Reihenfolge der Bezirke zwar grob mit ihrer jeweiligen sozialen Lage korrespondiert. Es gibt jedoch Ausnahmen, z.B. im 132

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Falle Treptow-Köpenick bei den Frauen. Sowohl die Männer (25,7 je 100.000) als auch die Frauen (13,1) aus Mitte belegen den vierthöchsten Platz in der bezirklichen Rangordnung.

Vermeidbare Sterblichkeit im zeitlichen Verlauf Schaubild: 8.6: Entwicklung der vermeidbaren Sterbefälle in Deutschland 1990 bis 2013 (je 100.000) Quelle: RKI: Männergesundheitsbericht 2014, (Datenbasis Destatis)

29,2 30

25,2 23,3 21,8

21,4 19,8

20

18,0

20,5

16,5 15,2

17,7 16,5

14,2 15,6

13,8

14,8

12,9

12,5 12,6

12,7

12,3

9,7

9,4

9,8

9,4

2010

2011

2012

13,9 12,8 10

0 1990

12,3 11,2

1992

1994

1995

1996

1998

2000

2002 weiblich

2004

10,6

10,0

2005

2006

2008

9,4

2013

männlich

Trotz der oben dargestellten größere Sterblichkeit von Männern gegenüber Frauen durch vermeidbare Todesursachen in den Berliner Bezirken in den Jahren 2011 bis 2013, zeigt die amtliche Todesursachenstatistik eine durchaus positive Entwicklung bei der vermeidbaren Sterblichkeit für beide Geschlechter im vereinten Deutschland für die Zeit seit 1990 (vgl. Schaubild 8.6). Nicht nur 133

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________ ist die vermeidbare Sterblichkeit insgesamt bei beiden Geschlechtern in diesem Zeitraum signifikant gesunken, sondern auch der Abstand zwischen den beiden Geschlechtern hat sich deutlich verringert. Lagen 1990 zwischen den Männern und den Frauen fast 9 Todesfälle je 100.000 Personen in der Bevölkerung, betrug der Abstand 2013 nur noch knapp über 3. Der Rückgang in der vermeidbaren Sterblichkeit bei beiden Geschlechtern könnte vorsichtig sowohl als Ergebnis einer verbesserten medizinischen Versorgung als auch als die ersten Erfolge von Präventionsanstrengungen in den letzten Jahren gedeutet werden. Die Tatsache, dass der Rückgang bei den Männern so deutlich ausfällt, kommt eher durch Lebensstiländerungen, welche eine Reduktion im Risikoverhalten, z.B. das Rauchen (vgl. Schaubild 6.4) mit sich bringen (vgl. RKI 2014, S. 19f.). Die gegenwärtige Entdeckung von Männern als eine besondere Zielgruppe für die Gesundheitsförderung könnte dazu beitragen, den Abstand zwischen den Geschlechtern in den nächsten Jahren noch weiter zu verringern.

8.4 Suizid Suizid stellt u.a. ein Indikator der psychischen Gesundheit von Männern und Frauen in einem Gebiet dar. Schätzungsweise werden 65 bis 90% aller Suizide durch psychische Erkrankungen verursacht, häufig durch Depressionen (vgl. RKI 2015). 2013 wurden in Deutschland ca. dreimal so viele erfolgreiche Suizide durch Männer als durch Frauen erfasst (destatis, im Internet). Es gibt jedoch eine große Dunkelziffer dabei – gerade bei der von Frauen favorisierten Methode des Todes durch Einnahme von Medikamenten, da in vielen Fällen der Arzt, der den Tod feststellen muss, nicht die Krankheitsgeschichte der Verstorbenen kennt.

Aus Schaubildern 8.7a und 8.7b wird deutlich, dass die höheren Suizidraten von Männern auch in den Berliner Bezirken zu finden sind. Mit 12,3 je 100.000 starben Männer in Berlin fast dreimal so häufig wie die Frauen (4,8). In Mitte ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht so ausgeprägt. Während Männer aus Mitte (12,6) knapp über dem Berliner Durchschnitt lagen, belegten die Frauen aus Mitte (6,8) den Spitzenplatz in der bezirklichen Rangordnung. 134

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

Schaubild 8.8 zeigt die Suizidsterbefälle je 100.000 Einwohner für Männer und Frauen in Deutschland nach Alter. Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass sich überwiegend Männer das Leben nehmen und, dass die Suizidraten bei beiden Geschlechtern tendenziell mit zunehmendem Alter steigen. Während bei den Frauen der Anstieg moderat ist, steigen die Raten bei den Männern ungefähr ab dem 65. Lebensjahr dramatisch. Aus dem Schaubild wird deutlich, dass eventuelle Präventionsmaßnahmen u.U. sowohl geschlechts- wie auch altersspezifisch gestaltet werden müssen.

135

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________

8.5 Lebenserwartung Die Lebenserwartung der Bevölkerung wird in der GBE als wichtiger Indikator für deren Gesundheit betrachtet. Seit einigen Jahren wird im Kontext der Jahresgesundheitsberichte der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die Lebenserwartung der Bevölkerung in den Berliner Bezirken berechnet (vgl. GSI 2016). Die mittlere Lebenserwartung der Männer und Frauen in den Berliner Bezirken für den Zeitraum 2011 bis 2013 wird in den Schaubildern 8.9a und 8.9b dargestellt. Auffällig ist, dass die bezirklichen Unterschiede innerhalb der Gruppe der Männer bzw. Frauen relativ gering sind (bis ca. 2,3 Jahre), obgleich der Unterschied zwischen den Geschlechtern in den einzeln Bezirken zwischen 4 und 6 Jahren variiert. Besonders eklatant ist dieser Unterschied in Mitte, wo die Frauen im Schnitt 82,0 (viertletzter Platz unter den Bezirken) und die Männer lediglich 76,1 Jahre (zwölfter Platz) leben.

136

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________

Ein ähnlicher relativer Unterschied zwischen den Geschlechtern in Mitte war bereits bei anderen Indikatoren zu beobachten (u.a. bei der allgemeinen Sterblichkeit), aber die vorliegenden Daten geben keine Anhaltspunkte für eine mögliche Erklärung. Wie auch der Fall mit der Krankenhausinanspruchnahme, ist die Lebenserwartung sehr stark mit der sozialen Situation der Betroffenen geknüpft. Dadurch korreliert sie sehr gut mit der jeweiligen sozialen Lage der Bezirke. 137

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________ Entwicklung der Lebenserwartung bei Männern und Frauen im zeitlichen Verlauf Auch im zeitlichen Verlauf ist die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen deutlich zu erkennen. Schaubild 8.10 zeigt die Entwicklung der Lebenserwartung der beiden Geschlechter in Mitte und in Berlin als Ganzes für den Zeitraum 1998 bis 2013. Aus dem Schaubild ist zu sehen, dass die Lebenserwartung sowohl von Männern als auch von Frauen aus Mitte relativ konstant um ein Jahr niedriger als der Berliner Durchschnitt betrug. Auch der Abstand zwischen den Geschlechtern ist in beiden Gebieten im zeitlichen Verlauf ungefähr gleich geblieben (ca. 5-6 Jahre). Tendenziell zeigt sich ein Trend zur steigenden Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern in Mitte und Berlin in diesem Zeitraum. Im letzten betrachteten Zeitraum gab es jedoch einen leichten Rückgang bei den Männern in Berlin. Schaubild: 8.10: Entwicklung der Lebenserwartung von Männern und Frauen in Berlin und Mitte 1998 bis 2013 86

84

82

81,1

80,5

81,6

82,2

82,4

80,9

81,0

81,1

81,1

76,6

76,9

77,2

81,9

82,0

82,6

82,8

82,0 80

80,6

81,3

79,7 78 79,1 76,3

77,4

77,6

77,3

75,6

76 74,5

75,3 74

75,8

76,0

76,0

75,9

76,1

74,7 73,8

72 72,9

70

68

66 1998 - 2000

2001 - 2003

Quelle: SenGS, GSI

2004 - 2006

2005 - 2007 Mitte (w)

2006 - 2008 Berlin (w)

2007 - 2009 Mitte (m)

2008 - 2010

2009 - 2011

2011 - 2013

Berlin (m)

Die Entwicklung der Lebenserwartung in Berlin korrespondiert stark mit der Entwicklung in Deutschland für den Zeitraum bis 2011 (vgl. RKI Männergesundheitsbericht 2014, S. 15), d.h. mit einer tendenziellen Steigerung bei beiden Geschlechtern im ganzen Zeitraum. Für ganz Deutschland liegt noch keine Berechnung der Lebenserwartung für die Jahre 2011 bis 2013 vor.

8.5 Zusammenfassung Da es in Deutschland wenige Indikatoren für gute Gesundheit gibt, wird in der GBE mit der Sterblichkeit der Bevölkerung in einem Gebiet an bestimmten Krankheiten als indirekter Indikator der Gesundheit gearbeitet. In diesem Kapitel wurden vier verschiedene Indikatoren verwendet, die von der Sterblichkeit der Bevölkerung abgeleitet sind. Diese sind die allgemeine Mortalität, die vorzeitige Sterblichkeit, die sogenannte „vermeidbare Sterblichkeit“ und die Lebenserwartung. Hierbei wurde nicht nur die unterschiedliche Sterblichkeit von Männer und Frauen in Mitte analysiert, sondern auch jeweils die relative Stellung im Vergleich der Berliner Bezirke. 138

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechterdifferenzierte Analyse _______________________________________________________________________________ Allgemeine Sterblichkeit Aus der Statistik wird deutlich, dass insgesamt die Mortalität von Männern und Frauen in den Berliner Bezirken auf unterschiedlichem Niveau liegt. Starben in Berlin im Zeitraum 2011 - 2013 etwa 712 Männer je 100.000, waren es lediglich ca. 459 bei den Frauen. Sowohl Männer als auch Frauen aus Mitte belegten vordere Plätze in der bezirklichen Rangordnung. Augenfällig ist auch die Tatsache, dass die vier höchsten Plätze bei beiden Geschlechtern von eher sozial schwachen Bezirken belegt werden. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat die unterschiedliche Sterblichkeit von Männern und Frauen überwiegend verhaltensbedingte Ursachen. Im Männergesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts wurde festgestellt, dass neben Erkrankungen, die auf ungesunde Lebensweisen (Fehlernährung sowie mangelnde Bewegung) zurückzuführen sind, auch das Sucht- und Risikoverhalten von Männern zu höheren Mortalitätsraten für eine Reihe von Krankheiten führt. Vorzeitige Sterblichkeit Insbesondere die Sterblichkeit der unter 65 Jährigen wird als wichtiger Indikator der Gesundheit der Bevölkerung in einem Gebiet angesehen. Männer sind noch stärker als Frauen durch vorzeitige Sterblichkeit betroffen, als bei der Mortalität insgesamt. Im untersuchten Zeitraum starben die Männer aus Mitte fast zweimal häufiger als die Frauen vorzeitig. Bei der vorzeitigen Sterblichkeit belegen sowohl die Männer als auch die Frauen aus Mitte Spitzenplätze in der bezirklichen Rangordnung. Vermeidbare Sterblichkeit Der Begriff „vermeidbare Sterblichkeit“ bezieht sich auf ausgewählte Todesursachen, die bei optimaler Versorgung als vermeidbar gelten. Nach heutigem medizinischem Kenntnisstand ist es möglich, bestimmte Krankheitsbilder erfolgreich zu behandeln oder die Krankheit durch gezielte Prävention gar nicht erst entstehen zu lassen. Bei den ischämischen Herzkrankheiten starben in Berlin viermal mehr Männer als Frauen im analysierten Zeitraum. Wieder belegten hier sowohl die Männer als auch die Frauen aus dem Bezirk Mitte herausragende Plätze in der bezirklichen Rangordnung. Bei den Männern werden die höchsten Plätze von eher sozial schwachen Bezirken belegt, während bei den Frauen Charlottenburg-Wilmersdorf, mit einer gut situierten aber älteren Bevölkerung, auf dem vierthöchsten Platz lag. Die vermeidbare Mortalität durch Leberkrankheiten bei Männern in den Berliner Bezirken ist auch etwa doppelt so hoch, wie die der Frauen. Hierbei ist die relative Stellung der Männer und Frauen aus Mitte deutlich unterschiedlich. Liegen die Männer aus Mitte knapp über dem Berliner Durchschnitt, belegten die Frauen den zweithöchsten Platz. Augenfällig ist auch, dass die Mortalität der Frauen deutlich besser mit der sozialen Lage in den Bezirken korreliert, als die der Männer. Bei den vermeidbaren Sterbefällen wegen Hypertonie und zerebrovaskuläre Krankheiten in Berlin fällt auf, dass in den meisten Bezirken die Mortalität der Männer ca. zweimal so hoch ist, als die der Frauen. Männer und Frauen aus Mitte belegen jeweils den vierthöchsten Platz in der bezirklichen Rangordnung. Augenfällig ist die Tatsache, dass die Reihenfolge der Bezirke grob mit ihrer jeweiligen sozialen Lage korrespondiert.

139

Mortalität von Männer und Frauen in Mitte _______________________________________________________________________________ Suizid 2013 wurden in Deutschland ca. dreimal so viele erfolgreiche Suizide durch Männer als durch Frauen erfasst. Das häufigere Vorkommen von Suiziden bei Männern ist auch in den Berliner Bezirken zu finden. Männer in Berlin starben im Zeitraum 2011 - 2013 fast dreimal so häufig wie die Frauen. Während Männer aus Mitte knapp über dem Berliner Durchschnitt lagen, belegten die Frauen aus Mitte den Spitzenplatz in der bezirklichen Rangordnung. Aus der Darstellung der Suizidsterblichkeit in Deutschland wird deutlich, dass sich überwiegend Männer das Leben nehmen und, dass die Suizidraten auch bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter steigen – bei den Frauen moderat bei den Männern dramatisch. Lebenserwartung Die Lebenserwartung der Bevölkerung wird in der GBE als wichtiger Indikator für deren Gesundheit betrachtet. Auffällig Lebenserwartung der Männer und Frauen in den Berliner Bezirken im Zeitraum 2011 bis 2013 ist, dass die bezirklichen Unterschiede innerhalb der Gruppe der Männer bzw. Frauen relativ gering sind (bis ca. 2,3 Jahre), obgleich der Unterschied zwischen den Geschlechtern in den einzeln Bezirken zwischen 4 und 6 Jahren variiert. Besonders eklatant ist dieser Unterschied in Mitte, wo die Frauen im Schnitt 82,0 (vierer Platz) und die Männer lediglich 76,1 Jahre (zwölfter Platz) leben. Die Lebenserwartung im bezirklichen Vergleich korreliert sehr gut mit der jeweiligen sozialen Lage der Bezirke. Eine Analyse der Lebenserwartung in Berlin und Mitte für die Jahre 1999 bis 2013 zeigt einen stetigen Trend zur Steigerung bei den Frauen in beiden Gebieten in diesem Zeitraum. Die Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern liegt in Mitte relativ konstant ca. ein Jahr niedriger als in Berlin. Auch der Abstand zwischen Männern und Frauen in beiden Gebieten ist in diesem Zeitraum relativ konstant geblieben. Bedenklich ist die Tatsache, dass die Lebenserwartung der Männer in Berlin im letzten Zeitabschnitt gesunken ist.

140

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________

9

Handlungsansätze

Aus der vorliegenden Analyse wird deutlich, dass die unterschiedlichen Lebenslagen und Gesundheit von Männern und Frauen sehr stark durch die existierenden Rollenerwartungen geprägt werden. Die Phänomene, die in diesem Bericht dargestellt worden sind, betreffen nicht nur Männer und Frauen bzw. Jungen und Mädchen im Bezirk Mitte, sondern sie sind gesellschaftlich fest verwurzelt und können nur langsam verändert werden. Eine Voraussetzung dafür wäre die Schaffung von besseren rechtlichen Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang wird auch klar, dass der Bezirk allein nur einen begrenzten Einfluss auf diese Entwicklung ausüben kann. Das bedeutet nicht, dass er untätig bleiben muss. Im Folgenden werden einige erste Ansatzpunkte für ein Entgegenwirken festgehalten, die auch auf bezirklicher Ebene in Mitte bzw. auf Landesebene in Berlin aufgegriffen werden können. Angleichung der Lebenslagen von Männer und Frauen Im ersten Teil des Berichtes wurde eine Reihe von Bereichen angesprochen, wo in der Analyse größere Unterschiede in der Situation von Männern und Frauen bzw. Jungen und Mädchen im Bezirk Mitte sichtbar geworden sind. Obgleich viele der Ungleichheiten mit den traditionellen Rollenvorstellungen für Männer und Frauen verbunden sind, tauchen sie auch in Bereichen wie Bildung/Ausbildung oder Erwerbstätigkeit auf. Geschlechterrollen Die wichtigste Instanz der Sozialisation von Menschen in unserer Gesellschaft ist das Elternhaus. Die Rollenbilder, die hier vorgelebt werden, prägen angehende Männer und Frauen für ihr Leben. Die Diskussion über eine Angleichung der Geschlechterrollen muss sowohl im privaten als auch im gesellschaftlichen Bereich geführt werden. Mögliche Ansatzpunkte hier wären eine breit angelegte Kampagne in den Medien bzw. das Thema auch im Rahmen von Elternkursen zu adressieren. Bei der Arbeit in den bezirklichen Kindertagestätten und Schulen muss das Interesse an heterogene Verhaltens- bzw. Spielweisen bei Jungen und Mädchen geweckt und eingeübt werden. Hierbei sollen auch geschlechtsspezifische Verhaltensweisen reflektiert und Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Im Bereich der Kita muss das Berliner Bildungsprogramm dementsprechend erweitert werden. In den Kindertagesstätten wäre die Präsenz von mehr männlichen Erziehungspersonen als positive Rollenmodelle sehr förderlich. In diesem Zusammenhang soll das Ziel sein alle Arbeitsplätze im Sorgesystem aufzuwerten, sodass qualifizierte Männer (und Frauen) gern diese Berufe aufgreifen. Die im vorliegenden Bericht aufgezeigte deutlich höhere Bereitschaft zur Gewaltanwendung bei Jungen sowie später bei Männern muss möglichst früh vorgebeugt werden, sowohl im Sinne der Sozialisation als auch in der Vermittlung von gewaltfreien Konfliktlösungsstrategien. Darüber hinaus ist eine frühe und gründliche Auseinandersetzung darüber nötig, was Gewalt ist, was Konsens ist, dass die Täter*innen die Verantwortung für ihr Handeln tragen, sowie was zu tun ist, wenn Gewalt beobachtet wird. Bildung/Ausbildung Die schwierige Situation von männlichen Jugendlichen in den Oberschulen (sinkende Abiturquoten und höhere Zahlen der Schulabbrecher) muss frühzeitig durch Präventionsmaß141

Handlungsansätze _______________________________________________________________________________ nahmen begegnet werden. Hierbei muss u.U. bei gefährdeten Jugendlichen gezielte schulische Förderung eingeleitet werden. Ebenfalls wäre es sinnvoll, wenn durch populäre männliche Vorbilder die Vorteile eines qualifizierenden Schulabschlusses und die Konsequenzen des Schulabbruchs vermittelt werden könnten. Um die Reproduktion der herkömmlichen Rollenbilder in bestimmten Ausbildungsberufen zu vermeiden, muss das Interesse von männlichen und weiblichen Jugendlichen für jeweils nichttypische Berufe erweckt werden. Hierfür reicht ein alljährlicher Schnuppertag („Boys Day, Girls Day“) nicht aus. Es müssen auch gut sichtbare Vorbilder her. Ebenfalls muss die Attraktivität und Wertigkeit für soziale Berufe erhöht und gegen Sexismus in den naturwissenschaftlichen und technischen Berufen vorangegangen werden. Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie Um sowohl erwerbstätigen Müttern als auch erwerbstätigen Vätern genügend Zeit für ihre Familie zu gewährleisten, muss eine familienfreundliche Betriebskultur geschaffen werden. Weder eine volle Inanspruchnahme der Elternzeit noch eine familienbedingte Reduzierung der wöchentlichen Stundenzahl darf negative Auswirkungen auf die Karriere haben. Abbau von gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern Im zweiten Teil des Berichtes wurden die gesundheitlichen Folgen der unterschiedlichen Lebenslagen von Männern und Frauen bzw. Mädchen und Jungen dargestellt. Wie in den einzelnen Abschnitten deutlich geworden, weisen Männer bei den meisten in diesem Bericht behandelten Indikatoren deutlich höhere Erkrankungsraten bzw. ein ungünstigeres gesundheitsrelevantes Verhalten als Frauen auf40. Einige dieser Verhaltensweisen sind z.T. in der herkömmlichen Männerrolle verankert und können u.a. primärpräventiv begegnet werden (s. oben). Es gibt jedoch ebenfalls konkrete Handlungsansätze für die Arbeit im Bezirk. Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderungs- und Präventionsangebote Da Männer offenbar weniger durch herkömmliche Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention angesprochen werden, müssen ausgehend von der Diskussion beim bezirklichen „Männergesundheitstag“ neue Formen bzw. Zugangswege entwickelt werden, welche die Interessen und Bedürfnisse von Männern bewusst berücksichtigen. Die Tatsache, dass sich mit zunehmendem Alter das Bewegungsverhalten von Mädchen und Jungen bzw. Männern und Frauen immer stärker auseinanderentwickelt, deutet darauf hin, dass die Freude an der Bewegung bei einem Teil der Mädchen irgendwann im Laufe der Kindheit verloren geht. Hier soll überprüft werden, ob dies nicht frühzeitig mit attraktiven Bewegungsangeboten in den Schulen und Sportvereinen begegnet werden kann. Hierfür müssen Vereine mehr Hallenzeiten, Angebote und Mittel für Mädchen- und Frauensport bereitstellen. Stärkere Vernetzung der bezirklichen Akteure im Bereich der Männergesundheit Es wurde beim Männergesundheitstag in Mitte deutlich, dass es bereits eine Reihe von Einrichtungen im Bezirk gibt, die sich Gedanken über Strategien machen, wie man Männer für ihre Angebote besser erreichen könnte. Eine Beförderung dieses Austausches könnte erfolgsversprechende Impulse für die Verankerung dieses Themas in den Einrichtungen liefern.

40

außer beim Bewegungsverhalten

142

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________

Anhang Glossar adipös – fettleibig aggregiert – zusammengefasst Anomalien – qualitative oder quantitative Abweichung von der Norm; im engeren Sinne die Fehlbildung als geringgradige Entwicklungsstörung Applikation – Verabfolgung einer physikalischen Maßnahme bzw. eines Arzneimittels Äquivalenzeinkommen – Einkommen, das jedem Mitglied eines Haushalts, wenn es erwachsen wäre und alleine leben würde, den gleichen (äquivalenten) Lebensstandard ermöglichen würde, wie es ihn innerhalb der Haushaltsgemeinschaft hat. Chronifizierung – Prozess, bei dem ein Gesundheitsleiden lang anhaltend oder dauerhaft wird. Delinquenz - Straffälligkeit Demografie – Bevölkerungswissenschaft; Beschreibung der wirtschafts- und sozialpolitischen Bevölkerungsbewegung. demografisch – s. Demografie Determinante – bestimmender Faktor Diskurs - Diskussion Disparität – Ungleichheit, Verschiedenheit divergierend – auseinandergehend drakonisch – hart, sehr streng egalitär – auf soziale Gleichheit gerichtet Epidemiologie – medizinische Forschungsrichtung, die sich mit den Entstehungsbedingungen sowie der Verbreitung und Bekämpfung von Krankheiten und Epidemien befasst. evident – offensichtlich Faktorenanalyse – statistische Forschungsmethode zur Ermittlung der Faktoren, die einer großen Menge verschiedener Eigenschaften zugrunde liegen. Gradient – Steigerung Heterogenität - Vielfalt

143

Anhang _______________________________________________________________________________ Inzidenz – Anzahl der Neuerkrankungen in einem bestimmten Zeitraum; sie soll ein Maß dafür sein, wie schnell sich eine Krankheit ausbreitet bzw. wie groß die Wahrscheinlichkeit für eine Person ist, diese Krankheit zu bekommen. Daher bezieht man die Zahl der Neuerkrankungen nur auf die Zahl der Personen, die die Krankheit überhaupt bekommen können (”persons at risk”). Korrelation – Wechselbeziehung; Zusammenhang zwischen statistischen Ergebnissen, die durch Wahrscheinlichkeitsrechnung ermittelt werden. kurativ – heilend. Läsion – Verletzung, Beschädigung. Mikrozensus – statistische Repräsentativerhebung der Bevölkerung und des Erwerbslebens Mortalität - Sterblichkeit Multikausalität – auf verschiedene Ursachen zurückgehend. Multiplikatoren – Menschen, die durch ihr Tätigkeitsfeld Wissen an viele andere weitergeben können, z.B. Lehrer, Erzieher Perzentil – Bewertungsgröße aus der statistischen Auswertung von Messergebnissen, bezogen auf 100% der Messwerte Prävalenz – Überlegenheit, das Vorherrschen Prognoseraum – Der größte, der neu in Berlin eingeführten lebensweltorientierten Räume (siehe LOR). prononciert – stark ausgeprägt Prophylaxe – »Vorbeugung«, Teil der Präventivmedizin; individuelle u. generelle Maßnahmen zur Verhütung drohender Krankheiten (z.B. Impfungen, passive Immunisierung, vorsorgl. Medikation bei Einreise in Gefahrengebiete, Unfallverhütung etc.). Segregation – Absonderung einer Bevölkerungsgruppe Setting – spezifische soziale Umgebung, die durch eine Einrichtung bestimmt ist, z.B. Kita oder Schule. Sozialindex – ein von der Senatsverwaltung für Gesundheit (vgl. →Sozialstrukturanalyse sowie Sozialstrukturatlas Berlin, 1990 und 1995) entwickelter statistischer Messwert, in dem 20 verschiedene Variablen Berücksichtigung finden und der Aufschluss über die Zusammensetzung der Bevölkerung eines Bezirks gibt. sozialkompensatorisch – Maßnahme, um den Einfluss einer sozialen Benachteiligung auszugleichen. stringent – zwingend, streng. Subsidiaritätsprinzip – gesellschaftspolitisches Prinzip, nach dem übergeordnete gesellschaftliche Einrichtungen wie beispielsweise der Staat, nur solche Aufgaben übernehmen sollen, zu deren Wahrnehmung untergeordnete Einheiten nicht in der Lage sind. urban – städtisch 144

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Valenz - Wertigkeit

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Anhang _______________________________________________________________________________

Abkürzungen AGA ALG II ALLBUS BA BEML BMAS BMFSFJ BVV BZR bzw. ca. DEGS d.h. DIW DoMH DmMH DPW ebd. ESU et al. e. V. GBE GEDA GWK ggf. HILU ICD i.d.R. IKK inkl. KiGGS KJGD LAG LISA LOR MH OECD ÖGD PLZ PR resp. RKI S.

Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter Arbeitslosengeld II Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften Bezirksamt Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bezirksverordnetenversammlung Bezirksregion (s. LOR) beziehungsweise cirka Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (Robert-KochInstitut) das heißt Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Deutsche ohne Migrationshintergrund Deutsche mit Migrationshintergrund Der Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin ebenda Einschulungsuntersuchung (lat.: et alii), und andere eingetragener Verein Gesundheitsberichterstattung Studie Gesundheit in Deutschland Aktuell (Robert-Koch-Institut) Gemeinsame Wissenschaftskonferenz gegebenenfalls Hilfe zum Lebensunterhalt International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems - Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in der Regel Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin Inklusive Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen Lebensqualität, Interessen und Selbständigkeit im Alter. Befragung älterer Menschen im Bezirk Mitte Lebenswelt orientierte Räume Migrationshintergrund Organisation for Economic Cooperation and Development deutsch: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung öffentlicher Gesundheitsdienst Postleitzahl Planungsraum (kleinster LOR) respektive (beziehungsweise) Robert-Koch-Institut Seite 146

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ s. SenGesSoz SGB u.a. u.U. usw. WHO z.B. z.T. z.Zt.

siehe Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Sozialgesetzbuch unter anderem unter Umständen und so weiter World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation) zum Beispiel zum Teil zur Zeit

147

Anhang _______________________________________________________________________________

Literatur Almendinger, J.; Haarbrücker, J.: Lebensentwürfe heute Wie junge Frauen und Männer in Deutschland leben wollen. WZBDiskussionspapier P 2013–002, September 2013 Autorengruppe Bildungsberichterstattung Bildung in Deutschland 2016, Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Kultusministerkonferenz der Länder/Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2016 Bardehle, D. Stiehler, M.; Erster Deutscher Männergesundheitsbericht. Ein Pilotbericht. C. Beck, 2010 Bezirksamt Mitte, Abteilung Gesundheit und Personal Migration und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Gesundheitliche und soziale Lage der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Migrationshintergrundes. April 2011 http://www.berlin.de/ba-mitte/buergerdienste/publikationen/reihe_gbe_gf.html Bezirksamt Mitte, Abteilung Gesundheit LISA – Lebensqualität, Interessen und Selbständigkeit im Alter. Ergebnisse einer Befragung älterer Menschen im Bezirk Mitte von Berlin. http://www.berlin.de/ba-mitte/buergerdienste/publikationen/reihe_gbe_gf.html, Oktober 2010 Bezirksamt Mitte, Abteilung Gesundheit und Personal (2009) Zahngesundheit der Kinder im Bezirk Berlin-Mitte. http://www.berlin.de/ba-mitte/buergerdienste/publikationen/reihe_gbe_gf.html Bezirksamt Mitte, Abteilung Gesundheit und Personal. Gesundheitliche und soziale Lage der Bevölkerung in Berlin-Mitte – Basisgesundheitsbericht, November 2006. http://www.berlin.de/ba-mitte/buergerdienste/publikationen/reihe_gbe_gf.html Bezirksamt Mitte, Abteilung Gesundheit und Soziales. Gesundheitsbericht Berlin-Mitte, Häusliche Gewalt und Gesundheit – Januar 2006. http://www.berlin.de/ba-mitte/buergerdienste/publikationen/reihe_gbe_gf.html Bienek, B.; Stoklossa, D. Gewaltpräventive Jungenarbeit in Kindertageseinrichtungen. Expertise im Auftrag des Deutschen Jugendinstitut (DJI), München 2007 Bömermann, H.; Rehkämper, K.; Rockmann, U. Neue Daten zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Berlin zum Stand 31.12.2007; Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin-Brandenburg, H 3, 2008, S. 20-28 Borde, T.; David, M.; Kentenich, H. (Hrsg.): Migration – Frauen – Gesundheit – Perspektiven im europäischen Kontext, 2. Auflage, Mabuse-Verlag 2011 Bosma, H.; Peter, R.; Siegrist, J.: Two alternative job stress models and the risk of coronary heart disease. American Journal of Public Health 88 (1): 68-74, 1998

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Brenke, K. Führungspositionen: Frauen holen allmählich auf. im Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 45/2010 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2001. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Dortmund, Berlin, Dresden. 2013 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (hrsg.) Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2016, im Internet: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/Ernaehrungsreport2016.pdf?__blob=publicationFile Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (hrsg.) Genderdatenreport: Kommentierter Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland, November 2005, im Internet: http://www.bmfsfj.de/Publikationen/genderreport/2-Erwerbstaetigkeit-arbeitsmarktintegration-von-frauen-und-maenner/2-3-entwicklung-der-erwerbsbeteiligung-von-frauen-undmaennern-in-deutschland.html Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf Erster Gleichstellungsbericht. 2013. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Erster-Gleichstellungsbericht-Neue-Wege-Gleiche-Chancen,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Mitten im Leben. Wünsche und Lebenswirklichkeiten von Frauen zwischen 30 und 50 Jahren. 2016. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Mitten-im-Leben-W_C3_BCnsche-und-Lebenswirklichkeiten-von-Frauen-zwischen-30-und50-Jahren,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Spielt das Geschlecht eine Rolle? Erziehungsverhalten männlicher und weiblicher Fachkräfte in Kindertagesstätten. Kurzfassung. 2015. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Spielt-das-Geschlecht-eine-Rolle-Tandem-Studie-Kurzfassung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2015. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frauen in Führungspositionen. Barrieren und Brücken. 2014. http://www.bmfsfj.de/ RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/frauen-in-f_C3_BChrungspositionendeutsch,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland. Kurzfassung. 2014. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/frauen-in-f_C3_BChrungspositionen-deutsch,property= pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. 149

Anhang _______________________________________________________________________________ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderungen - Ausmaß, Risikofaktoren, Prävention – Endbericht. 2014. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/ Gewalterfahrungen-von-in-Einrichtungen-lebendenFrauen-mit-Behinderungen,property= pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen. 2014. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/gewalt-paarbeziehungen,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. 2014. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/LebenssituationSicherheit-und-Gesundheit-von-Frauen-in-Deutschland,property=pdf,bereich= bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Implementierungsleitfaden zur Einführung der Interventionsstandards in die medizinische Versorgung von Frauen - englische Version. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Implementierungsleidfaden-englisch,property= pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Der Vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. 2013. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-armuts-reichtumsbericht-2013.pdf;jsessionid=02EE572E86861601F2D9397AAD9D83AB?__blob=publicationFile&v=2. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland, Stuttgart 2001 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. 2004. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf. Erster Gleichstellungsbericht (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/6240, 16.06.2011), Berlin. Bundeskoordinierungsstelle Frauengesundheit: Frauengesundheitsberichterstattung in Deutschland (Stand 01.11.2006). http://www.bkfrauengesundheit.de/cms/4_0_gbe/index.html Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung / Gesundheitsschutz Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland – Ergebnisse aus der ersten Erhebungswelle ( DEGS1). www.Bundesgesundheitsblatt.de

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Butler J.; Albrecht, N.J., Ellsäßer, G.; Gavrinadou, M..; Habermann, M.; Lindert, J.; Weilandt, C. (2007): „Migrationssensible Datenerhebung für die Gesundheitsberichterstattung“, Bundesgesundheitsblatt, Berlin, November 2007 Cornelißen, W. Gender- Datenreport, zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland ( im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Erstellt durch das Deutsche Jugendinstitut e.V. in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt. München, November 2005 Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPW): Zeit zum Handeln. Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2016 Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. Ernährungsbericht 2012. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Tabakatlas Deutschland 2009 Dinges, M.: Männergesundheit im Wandel: Ein Prozess nachholender Medikalisierung, Bundesgesundheitsblatt 2016, 59: 925-931 Freie Hansestadt Bremen (hrsg.): Lebenslagen im Land Bremen. Datenreport des Senats der Freien Hansestadt Bremen – 2010.Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales, August 2010 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK): Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung, GWK Heft 22, Bonn 2011 Gesundheitsamt Bremen Die Gesundheit von Männern ist nicht die Gesundheit von Frauen (Abteilung Gesundheit und Umwelt). Griefhahn, B.: Arbeitsmedizin. Thieme, Stuttgart 1996 Hagemann-White, C.: Sozialisation: Weiblich-männlich? Opladen 1984 Hagemann-White, C.; Lens, H.J.: Gewalterfahrungen von Männern und Frauen, in: Hurrelmann, K.; Kolip, P. (Hrsg.): Geschlecht, Gesundheit und Krankheit, Verlag Hans Huber, Bern. 2002 Hapke, U., Hanisch, C., Ohlmeier, C., Rumpf, H.-J.: Epidemiologie des Alkoholkonsums bei älteren Menschen in Privathaushalten: Ergebnisse des telefonischen Gesundheitssurvey. In.: Sucht, Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis. 55 (5) 2009, S. 281-291.

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Anhang _______________________________________________________________________________ Hausen, Karen „Die Polarisierung der ‚Geschlechtercharaktere. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“, in: Werner Conze (Hrsg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen, Stuttgart 1976, S. 363-393. Holst, E.: Zum Weltfrauentag am 8. März - Frauen in Führungspositionen: mehr Hausarbeit und weniger Karriere, DIW Pressemitteilung vom 04.03.2011, http://www.diw.de/de/diw_01.c.369071.de/themen_nachrichten/zum_weltfrauentag_am_8_maerz_frauen_in_fuehrungspositionen_mehr_hausarbeit_und_weniger_karriere.html Holst, E.; Wieber, A.: Bei der Erwerbstätigkeit der Frauen liegt Ostdeutschland vorn. DIW Wochenbericht Nr. 40 2014, S. 967 ff. Hunger, I. (2010): Geschlechtsspezifische Sozialisation bis zum Schuleintritt – Hintergründe und Reflexionsanlässe. In W. Beudels, N. Kleinz & S. Schönrade (Hrsg.). Bildungsbuch Kindergarten: Erziehen, Bilden und Fördern im Elementarbereich (S.241-247). Dortmund: Modernes Lernen Hurrelmann, K.; Kolip, P. Geschlecht – Gesundheit – Krankheit: Eine Einführung, in: Hurrelmann, K.; Kolip, P. (Hrsg.): Geschlecht, Gesundheit und Krankheit, Verlag Hans Huber, Bern. 2002 Hurrelmann, K.; Kolip, P. (Hrsg.) Geschlecht, Gesundheit und Krankheit, Verlag Hans Huber, Bern. 2002 IKK e.V. Erkrankungen des Atmungssystems waren der Renner. Im Internet: https://www.ikkev.de/mitglieds-ikk-detailansicht/archive/2014/april/article/erkrankungen-des-atmungssystems-waren-der-renner/ Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister/Senatorinnen und Senatoren der Länder (IntMK): Dritter Bericht zum Integrationsmonitoring der Länder 2011-2013. 2015. http://www.integrationsmonitoring-laender.de/sites/default/files/ 3integrationsbericht_2013.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Kelek, N.: Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2005 Keller, M.; Haustein, T.: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ergebnisse des Mikrozensus 2010. Aus: Statistisches Bundesamt. Wirtschaft und Statistik, Januar 2012 Kis, A.; Thoelke, H; Herrmann, S.: Vermeidbare Sterbefälle in Berlin 1983 - 1992, Diskussionsbeiträge zur Gesundheits- und Sozialforschung, Senatsverwaltung für Gesundheit, Diskussionspapier 23, Berlin 1995

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Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Kolip, P.; Lademann, J.; Deitermann, B.; Buksch, J.; Schwarze, M.: Gesundheit von Frauen und Männern im mittleren Lebensalter. Schwerpunkt der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut, Statistisches Bundesamt, Berlin, 2005 Kronmeyer-Hauschild, K.; Wabitsch, M.; Kunze, D.; Geller, F.; Geiß, H.C.; Hesse, V.; Hippel, A. von; Jaeger, U.; Johnsen, D.; Korte, W.; Menner, K.; Müller, G.; Müller, J.M.; NiemannPilatus, A.; Remer, T.; Schaefer, F:; Wittchen, H.-U.; Zabransky, S.; Zellner, K.; Ziegler, A.; Hebebrand, J. Perzentile für den Body-Mass-Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde 8-2001 Landeshauptstadt Düsseldorf Lebenssituation von Frauen und Männern in Düsseldorf – Kommunale Sozialberichterstattung, Düsseldorf 2010 Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt Münchener Gesundheitsmonitoring 1999/2000 – Die Gesundheit von Frauen und Männer verschiedener Lebensaltersstufen, München 2002 Lange, Cornelia: Geschlechtersensible Gesundheitsberichterstattung – welche Schlussfolgerungen ergeben sich für die Praxis? Robert-Koch Institut 2007. http://www.gruene-bundestag.de/cms/archiv/dokbin/188/188804.gender_und_praevention_cornelia_lange.pdf . Li, J.; Yang, W.; Cho, S-i: Gender differences in job strain, effort-reward imbalance, and health functioning among Chinese physicians. Social Science & Medicine 62 (5): 1066-1077, 2006 Lohauß, P.; Rockmann, U.; Rehkämper, K.; Wendt, W. Bildung in Berlin und Brandenburg 2010, Ein indikatorengestützter Bericht zur Bildung im Lebenslauf, Hrsg.: Autorengruppe regionale Bildungsberichterstattung Berlin-Brandenburg, 2010 Mielck, Andreas Soziale Ungleichheit und Gesundheit, in: Hurrelmann, K.; Kolip, P. (Hrsg.): Geschlecht, Gesundheit und Krankheit, Verlag Hans Huber, Bern. 2002 Mielck, Andreas Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Einführung in die aktuelle Diskussion. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2005. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg Zwei Geschlechter – zwei Gesundheiten? Bericht zur Gesundheit von Männern und Frauen im Land Brandenburg 2001, Potsdam 2001 Ministerium für Frauen, Jugend Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen Gesundheit von Frauen und Männern, Bielefeld 2000 Mitterauer, Michael; Sieder, Reinhard „Vom Patriarchat zur Partnerschaft“ zum Strukturwandel der Familie, 2., neubearb. Aufl. Beck, 1980. 153

Anhang _______________________________________________________________________________ Montesinos, A.H., Bromand, Z., Aichberger, M.C., Temur-Erman, S., Yesil, R., Rapp, M.A., Heinz ,A. und Schouler-Ocak, M.: Suizid und suizidales Verhalten bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund. Zeitschrift: Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie Jahr:2010; Volume:58 (3):Seiten:173–179. Müller, A.: Totale Erschöpfung: Wenn Familienarbeit krank macht. Müttergenesungswerk stellt Jahresauswertung 2015 vor, im Internet (Stand: 18.08.2016): http://www.presseportal.de/pm/79377/3353701 Neubauer, S.; Welte, R.; Reiche, A.: Mortality, morbidity and costs attributable to smoking in Germany: update and a 10-year comparison. Tobacco Control 15 (6), S. 464-471 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), 2012 http://www.oecd.org/berlin/presse/dergroeunterschiedfrauenindeutschlandverdieneneinfunftelwenigeralsmanner.htm Prasad, N. Gewalt und Rassismus als Risikofaktoren für die Gesundheit von Migrantinnen. Migration, Integration, Diversity. Heinrich-Böll-Stiftung, April 2009, http://www.migrationboell.de/web/integration/47_2110.asp Richter, M.; Hurrelmann, K.: Gesundheitliche Ungleichheit: Ausgangsfragen und Herausforderungen. In: Richter; Hurrelmann, K. (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen, Probleme, Perspektiven. VS Verlag, Wiesbaden 2009 Robert Koch-Institut DEGS. Die Gesundheit von Erwachsenen in Deutschland 2012. www.degs-studie.de/deutsch/ergebnisse/degs1/broschuere.html (Stand: 14.07.2014) Robert-Koch-Institut Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 50: Heft 5/6 (2007) Robert-Koch-Institut; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Erkennen – Bewerten – Handeln: Zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“. RKI, BZgA hrsg. 2008 Robert-Koch-Institut Lebensphasenspezifische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des nationalen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS), Robert-KochInstitut (2008) Robert Koch Institut Beiträge Gesundheitsberichterstattung das Bundes. Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie „ Gesundheit in Deutschland aktuell 2009“ Robert Koch Institut Diabetes mellitus in Deutschland. GBE Kompakt, Zahlen und Trends aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 3/2011 2. Jahrgang 154

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Robert Koch-Institut (Hrsg.) Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2010“, Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. RKI, Berlin, 2012 Robert Koch-Institut Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland, Berlin 2014 Robert Koch Institut (Hrsg.) (2014a) Sport. Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Erste Folgebefragung 2009 – 2012. RKI, Berlin, www.kiggsstudie.de (Stand: 12.11.2014) Robert Koch Institut (Hrsg.) (2014b) Körperliche Aktivität. Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Erste Folgebefragung 2009 – 2012. RKI, Berlin, www.kiggsstudie.de (Stand: 12.11.2014) Robert Koch Institut (Hrsg.) Gesundheit in Deutschland. RKI, Berlin, 2015 Robert-Koch-Institut: Gesund aufwachsen – welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu? 2015. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2015_1_gesund_aufwachsen.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Robert-Koch-Institut: Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Gesundheit. 2012. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2012_1_Arbeitslosigkeit_Gesundheit.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Robert-Koch-Institut: Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit? 2015. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsGiD/2015/03_gesundheit_in_deutschland.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Robert-Koch-Institut: Gesundheitliche Ungleichheit im höheren Alter. 2016. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2016_1_soziale_ungleichheit_alter.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Rohmann, T.: Gender in Kindertageseinrichtungen. Ein Überblick über den Forschungsstand. Deutsches Jugendinstitut (DJI), München 2009 Schmidtke, H.: Mitarbeit von: Balaganska, Z.; Hoffmann, S.; Kalkan, H.; Litau, J.; Mesik, H.; Nadolny, A.; Radlinger, R. „Report Frauen in Berlin-Mitte – eine Sozialstudie“, Berlin, 2015 Schröttle, M.; Hornberg, C.; Glammeier, S.; Kavemann; B.; Puhe, H.; Sellach, B.; Zinsmeister, J.: „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen in Deutschland“, Hrsg. 155

Anhang _______________________________________________________________________________ Universität Bielefeld, 2011, http://www.uni-bielefeld.de/IFF/for/zentrale_ergebnisse_kurzfassung.pdf Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (SENAIF): Girls bzw. Boys Day, http://www.berlin.de/sen/frauen/bildung/ Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (SENAIF): Gender Datenreport Berlin 2015. 2016. https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/gender/Kapitel2015/pdf/Gender_Datenreport_2015.pdf. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales: Basisbericht Berlin 2008/2009, Gesundheitsberichterstattung Berlin, 2010 Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales: Basisbericht Berlin 2012/2013, Gesundheitsberichterstattung Berlin, 2014 Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales: Handlungsorientierter Sozialstrukturatlas Berlin 2013, Gesundheitsberichterstattung Berlin Spezialbericht – Ein Instrument der quantitativen, interregionalen und intertemporalen Sozialraumanalyse und -planung, Berlin, November 2013 Siegrist, J.; Dragano, N.: Psychosoziale Belastungen und Erkrankungsrisiken im Erwerbsleben. Bundesgesundheitsblatt 51 (3): 305-312, 2008 Siems, D.: „Väter schmerzt der Spagat von Beruf und Familie“, DIE WELT vom 13.01.2014, http://www.welt.de/politik/deutschland/article123839084/Vaeter-schmerzt-der-Spagatvon-Beruf-und-Familie.html Statistisches Bundesamt: Öffentliche Sozialleistungen. Statistik zum Elterngeld: Beendete Leistungsbezüge für im Jahr 2014 geborene Kinder. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2016, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/Elterngeld/ElterngeldGeburtenVj.html Statistisches Bundesamt: Mikrozensus. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland – Fachserie 1, Reihe 4.1.1, 2014. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetige/StandEntwicklungErwerbstaetigkeit2010411147004.pdf?__blob=publicationFile. Zuletzt abgerufen am 10.08.2016. Statistisches Bundesamt: Väter beziehen immer häufiger, aber auch immer kürzer Elterngeld, Pressemitteilung Nr. 411 vom 06.12.2013, https://www.destatis.de/DE/PresseService/ Presse/Pressemitteilungen/2013/12/PD13_411_22922.html Süddeutsche Zeitung „Mütter sind immer häufiger psychisch krank.“ Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 2012, http://www.sueddeutsche.de/karriere/doppelbelastung-muetter-sind-immer-haeufiger-psychisch-krank-1.1408161 Tiesmeyer, K.; Brause, M.; Lierse, M.; Nülle, M. L.; Hehlmann, T. (Hrsg.) Der blinde Fleck, Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung, Huber Verlag 2008 156

Lebenslagen und Gesundheit im Bezirk Berlin-Mitte – Eine geschlechtsspezifische Analyse _______________________________________________________________________________ Walter, M.: Jungen sind anders, Mädchen auch. Den Blick schärfen für eine geschlechtergerechte Erziehung. München: Kösel, 2005. Walter, U.; Lux, R. Tabakkonsum: Folgen und Prävention unter sex- und genderspezifischer Perspektive. In: Neises, M.; Schmide-Ott, G. (hrsg.) Gender, kulturelle Identität und Psychotherapie, S. 7184. Weber, A.; Hörmann, G.; Heipertz, W.: Arbeitslosigkeit und Gesundheit aus sozialmedizinischer Sicht. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 104, Heft 43, 26. Oktober 2007 Weikert, M.: Männergesundheit – Männer und Gesundheit – Fremde Welten? In Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) Geschlecht oder gesund? Männer und Gesundheit. Berlin 2005

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