Swiss Education
Lasst die Kinder los! Herausforderungen an Eltern heute
Referat Elternbildung Forum Gersag Emmen, 03.12.2016 Prof. Dr. Margrit Stamm Direktorin des Forschungsinstituts Swiss Education, Bern Professorin em. an der Universität Fribourg-CH
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Ausgangslage Hohe gesellschaftliche Erwartungen und grosse Verunsicherungen. Fundamentalkritik an Eltern in Medien und Erziehungsratgebern. Vorherrschender «Elterndeterminismus»: Ursächliche Verknüpfung der Fähigkeiten des Kindes und der Fähigkeiten der Eltern: Probleme des Kindes = Schuld der Eltern Gute Entwicklung des Kindes = Verdienst der Eltern
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Meine These Unsere elternunfreundliche Angst- und Sicherheitskultur zwingt Väter und Mütter dazu, «perfekt» zu sein und «perfekte» Kinder zu haben. Merkmale sind: Förder- und Partnerschaft- Überbehütung Sicherheitsangst Bildungswucht liche Erziehung und Verwöhnung und Risikoscheu
Das vermessene Kind
Das Königskind
Das abhängige Kind
Das gefährdete Kind
Swiss Institute Swiss Education for Educational Issues
Förderund Bildungswucht
Start des frühen Vergleichsdrucks schon vor der Geburt. «Jedes Kind ist hochbegabt»; Eltern=Architekten der Kindergehirne. Kindergarten/Schule als beherrschendes Thema des Familienlebens. Bezahlte Lernunterstützung (ca. 35% Nachhilfe); Steuerung der Freundschaften der Kinder.
Das Produkt: «Das vermessene Kind» Therapieerfahrungen: 60% der Schulneulinge haben bereits Therapieerfahrungen. Angebot schafft Nachfrage: Fachleute mit wichtiger Marktposition. Eltern als Laien, denen kontinuierlich ausgeredet wird, sich kompetent genug zu fühlen. Etikettierungen mit magischer Kraft: Kinder werden automatisch zu «Patienten», obwohl es vielleicht gar kein richtiges Problem gibt, sondern lediglich eine Abweichung von der Norm.
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Partnerschaftliche Erziehung
Das Kind als bester Freund: 57% Zustimmung. Aber: Überforderung beider Seiten. Autorität als positives Merkmal der Eltern-KindBeziehung und Erziehung. Autoritativer (nicht: autoritärer!) Erziehungsstil: Liebe, Kooperation, Wertschätzung & Regeln & Hierarchie.
Das Produkt: «Das Königskind» Überforderung, wenn Kinder wie kleine Erwachsene überall «partizipieren» sollen. Überforderung, wenn Kinder als fertige Persönlichkeiten betrachtet werden, die ihre Entwicklung selbst gestalten. Kinder, die kein «Nein» ertragen: Probleme in der Schule: Integrations- und Anpassungsprobleme, Probleme des Bedürfnisaufschubs etc.
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Überbehütung und Verwöhnung
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Gute Mutter = Intensive Mutter = Fördernde und umsorgende Mutter (Vermeidung von Anstrengung und Übung (Reissverschluss der Jacke…); Hineinschmuggeln des Handys ins Klassenlager; Hausaufgaben selbst machen; Sporttasche selbst packen; Entlastung von häuslichen Pflichten.
Das Produkt: «Das abhängige Kind» Die verwöhnten «Shuttle-Kids»: Schweizweit wird mindestens jedes 5. Schulkind zur Schule gefahren; nur ca. 25% haben regelmässige Ämtli zu Hause. Probleme beim Schuleintritt/in der Schule: Mangelnde Lernerfahrungen, fehlende Widerstandsfähigkeit (Resilienz). Kinder sind keine Porzellanpuppen, sondern im Kern widerstandsfähige Geschöpfe.
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Sicherheitsangst und Risikoscheu
Gesellschaftliche Angst- und Sicherheitskultur: Sicherheitsbranche: Kindersichere Wohnungen (Babyphone, Wearable etc.); Problematische Rolle der Medien: Diskussion von Pädophilie, plötzlichem Kindstod, Sonnenbaden, Männer in Kitas …
Das Produkt: «Das gefährdete Kind» Spielen als Risiko: Spielzeit 1/3 zurückgegangen; spielunfähige Kinder (überförderte und überkontrollierte Kinder; mediengesättigte Kinder) In Watte gepackte Kinder … lernen, dass Aufwachsen generell gefährlich sei; können nicht am eigenen Scheitern wachsen, Hürden überwinden und Grenzen austesten (Widerstandsfähigkeit, Frustrationstoleranz, Selbstwertgefühl).
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Fazit Was ist eine «gute» Erziehungs strategie?
«Hinreichend gute» Eltern sein oder werden! Aufbau einer positiven Autorität: ein klares Rollenverständnis entwickeln; eine positive Autorität aufbauen; das Smartphone auf den zweiten Platz setzen. Stärkung der Autonomie: eine zu grosse Nähe zum Kind korrigieren; Kinder negative Erfahrungen machen lassen.
Kindliche Entwicklungsgesetze als Massstab nehmen: dem Spiel einen Stammplatz geben; die persönlichen Vorstellungen zurückstellen; Warnsignale erkennen, die individuelle Entwicklung des Kindes und seine Interessen fördern. Alles auch mit Intuition angehen! Das Hinderliche an Überinformation erkennen; Intuition («das gefühlte Wissen») aktivieren und trainieren.
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