Konsum – Notwendigkeit, Verlockung, Gefahr
Prof. Dr. Martin Hafen, Sozialarbeiter und Soziologe
Institut für Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention
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Referat anlässlich der 3D-Tagung des Kantons Basel-Landschaft 2016 ‚Ich konsumiere, also bin ich - Konsum und Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen in Baselland‘ Muttenz/BL, 20. Januar 2016
Konsum – Notwendigkeit, Verlockung, Gefahr
Schwerpunkte des Referats Vom Konsum zum Konsumismus Die Folgen des Konsumismus Die Abkehr vom Konsumismus
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Bild: Christoph Gloor: www.christoph-gloor.ch
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Von der Produktion über den Konsum zum Konsumismus Produktion und Konsum (Verzehr, Verbrauch) Gebrauchswert und Mehrwert Ästhetik, ‘Lebensgefühl’, Selbstwert etc. Konsumismus: Konsum als Selbstzweck Kolonialisierung anderer Lebensbereiche
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Hochstrasser (2008, 2013)
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Konsumismus als Resultat gesellschaftlicher Evolution Die funktionale Differenzierung der Gesellschaft Die Prinzipien der Aufklärung Leistung als modernes Inklusionsprinzip Die Karriere des Kapitalismus Soziale Sicherheit und Wohlstand Die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg Vom Konsum zum Konsumismus
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Luhmann 1997
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Zwischen Konsum und Konsumismus
Güter Nahrung
Beziehungen
Dienstleistungen 5
Information
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Die Prinzipien des Kapitalismus als Katalysator Angebot/Nachfrage und Profitorientierung Von der Bereitstellung des Angebots zur Schaffung der Nachfrage durch Werbung Das unerbittliche Prinzip des Wachstums
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Individuelle Faktoren 1: die neurobiologische Perspektive Effekte im Belohnungssystem Genuss – Gewöhnung – Sucht Die Bedeutung des Vorbildverhaltens und die Spiegelneurone
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Bauer 2006, Dalton et al. 2005, Sutherland et al. 2008
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Individuelle Faktoren 2: Macht Konsum glücklich? Die Vererbung von Glück Die Befriedigung der Grundbedürfnisse Glückserlebnisse durch Vergleich mit andern Die Qual der Wahl Die Flüchtigkeit des (Konsum-)Glücks
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Binswanger 2008
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Individuelle Faktoren 3: Selbstdarstellung im Sozialen Individualisierung in der Moderne Konsum als Mittel sozialer Distinktion Die Paradoxie der Individualisierung
Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Walter Slezak 9
Veblen (1986), Bourdieu (1982)
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Die Folgen des Konsumismus
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Individuelle Folgen 1: bio-psycho-soziale Probleme z. B. Übergewicht und andere ‘Wohlstandskrankheiten’ z. B. Vernachlässigung sozialer Kontakte
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Individuelle Folgen 2: Stress und Folgeprobleme Konsumgewohnheiten und Beschleunigung
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Rosa (2009)
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Individuelle Folgen 3: Schulden Financial literacy (Finanzkompetenz) Das Verlernen des Bedürfnisaufschubs Die Bedeutung der frühen Kindheit
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Moffitt et al. 2011
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Globale Folgen 1: Ausbeutung ökologischer Ressourcen Ressourcenverbrauch vs. Regenierung Räumliche vs. zeitliche Ausdehnung Gerechtigkeit vs. Nachhaltigkeit
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Hafen 2010
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Globale Folgen 2: Die Vermüllung der Erde Atommüll und Konsorten Das Problem der Klimaerwärmung Die Zunahme der Weltbevölkerung Die Grenzen des Wachstums
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Meadows et al. 1972
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Globale Folgen 3: Die Missachtung von Tierrechten Tiere als Waren in den Ernährungs-, Bekleidungs-, Kosmetik-, Medikamenten- und weiterer Industrien
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Globale Folgen 4: Ausbeutung von ‘Humanressourcen’ Die globalen Produktionsbedingungen Die Missachtung von Kinderrechten
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Globale Folgen 5: Soziale Ungleichheit Ungleiche Verteilung: global und regional Das Problem der Vergleichsperspektive Die Rolle der Massenmedien Die Flüchtlingsproblematik
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Die Abkehr vom Konsumismus ‘von unten’ Von unten: Individuen und ihre lebensweltlichen Systeme
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Beispiel 1: lokale Produktion, lokaler Konsum geringe Transportwege, saisongerechte Lebensmittel etc.
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Beispiel 2: urban gardening körperliche Tätigkeit, soziales Beisammensein
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Beispiel 3: Reparieren statt Wegwerfen Lehren, lernen, Leute treffen
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Beispiel 4: sharing economy – kommerziell oder nicht tauschen, teilen, schenken Güter und Dienstleistungen
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Beispiel 5: reduce to the max – oder: the age of less Suffizienz und Selbstsuffizienz
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Bosshart (2011)
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Beispiele 6 usw.: www.futurzwei.de Positive Geschichten
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Die Abkehr vom Konsumismus ‘von oben’ Der Appell an ‘Eigenverantwortung’ reicht nicht Er dient zu oft als Feigenblatt zur Rechtfertigung des eigenen ausbeuterischen Handelns
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Beispiel 1: neue Technologien … sind sinnvoll, … … genügen aber nicht. «Man kann ein Problem nicht mit den Mitteln lösen, die es hervorgebracht haben.» Albert Einstein
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Beispiel 2: Gesetze und Steuern Die Effizienz staatlicher Regulierung Kontrolle und Sanktion als Bedingung Das Märchen vom ‘freien’ Markt Kapitalistische Freiheit ist die Freiheit des Fuchses im Hühnerstall. (Garaudy) Die (In-)Effizienz der freien Marktwirtschaft ‘Staat’ und Wettbewerb schliessen sich nicht aus
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Binswanger (2013)
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Beispiel 3: ‘Globalisierung’ von Politik und Recht Globalisierte Wirtschaft vs. nationale Politik- und Rechtssysteme Der Opportunismus der Volkswirtschaften Die Bedeutung einer globalen Steuerung Globale Probleme brauchen globale Massnahmen
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Fazit Unser Konsumverhalten ist ausbeuterisch Die Jugendlichen spiegeln unser Verhalten Ansätze für die Abkehr vom Konsumismus gibt es Ohne staatliche Regulierung wird es nicht gehen Regulierungen werden politisch erlassen, und die Politik in einer Demokratie sind wir…
Ich danke für die Aufmerksamkeit 30
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Literatur • Bauer, J. (2006). Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. 8. Auflage. Frankfurt: Piper • Binswanger, M. (2008). Die Tretmühlen des Glücks - Wir haben immer mehr und werden nicht glücklicher. Was können wir tun? 3. Aufl. Freiburg: Herder • Binswanger, M. (2013). Sinnlose Wettbewerbe. Warum wir immer mehr Unsinn produzieren. Freiburg: Herder • Bossart, D. (2011). The Age of Less. Die neue Wohlstandsformel der westlichen Welt. Hamburg: Murmann • Bourdieu, P. (1982).: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp • Dalton, M. A.; Bernhardt, A. M.; Gibson, J.J.; Sargent, J. D. M; Beach, M. L.; Adachi-Mejia, A. M.; Titus-Ernstoff, L. & Heatherton, T. F. (2005).Use of Cigarettes and Alcohol by Preschoolers While Role-playing as Adults. Arch Pediatr Adolesc Med. 2005; 159:854-859 • Hafen, M. (2010). Gesundheitsförderung, Prävention und Nachhaltige Entwicklung - Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Eine systemtheoretische Analyse von drei Konzepten der Zukunftsbeeinflussung. Luzern: interact. • Hochstrasser, F. (2008). Zusämmenhänge zwischen Konsumismus und Sozialer Arbeit. Neue Praxis 1/2008: 42-57 • Hochstrasser, F. (2013). Konsumismus. Kritik und Perspektiven. München: oekom • Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp • Meadows, D.; Meadows, D.; Zahn, E. & Milling, P. (1972). Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt. • Moffitt, T. E.; Arseneault, L.; Belsky, D. … & Caspi, A. (2011). A gradient of childhood self-control predicts health, wealth, and public safety. Proceedings of the National Academy of Sciences, 108(7): 2693–2698 • Rosa, H. (2009). Kapitalismus als Dynamisierungsspirale – Soziologie als Gesellschaftskritik. In: K. Dörre, S. Lessenich & H. Rosa (Hrsg.), Soziologie – Kapitalismus – Kritik. Eine Debatte. Frankfurt am Main: Suhrkamp. • Sutherland, L. A.; Beavers, D. P.; Kupper, L. L.;. Bernhardt, A. M.; Heatherton, T. & Dalton, M. A. (2008).Like Parent, Like Child Child Food and Beverage Choices During Role Playing. Arch Pediatr Adolesc Med. 2008;162(11):1063-1069 • Veblen, (T.) 1986. Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen (1899). Frankfurt/M.: Suhrkamp
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