Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie: Behandlung von Patienten mit schweren somatischen Erkrankungen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie: Behandlung von Patienten mit schweren somatischen Erkrankungen Prof. Dr...
Author: Gundi Gehrig
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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie: Behandlung von Patienten mit schweren somatischen Erkrankungen

Prof. Dr. Josef Jenewein stv. Klinikdirektor und Leiter der Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie

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Inhalt

 Warum Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie?  Tätigkeitsfelder und Möglichkeiten  Voraussetzungen und Ausblick

Epidemiologie 

15-20% aller Patienten eines Allgemeinspitals mit psychiatrischen Erkrankungen (Levenson JL, 1992; Gater RA, 1998; Diefenbacher A, 2005)



15-56% aller Patienten > 65 Jahre mit psychiatrischen Erkrankungen, wovon ca. 1/3 nicht erkannt werden (Mayou R, 1986; Diefenbacher A, 2013)



USZ: von 39‘665 stationären Patienten 2015 wurden 5948 psychiatrisch betreut (15%)



Delir: Anzahl Patienten > 65 Jahre mit positivem DelirScreening USZ gesamt (2014): 28% (= 3000); Intensivstationen: >45%

Häufigkeiten psychischer Störungen Diagnose

Häufigkeit

Depressive Störungen

15-25%

Suchterkrankungen

12-32%

Psychoorganische Störungen

10-20%

Vier Aufgabenbereiche der K&L-Psychiatrie 

Zufälliges Zusammentreffen körperlicher und psychischer Erkrankungen: Psychiatrische Komorbidität



Hirnorganische Komplikationen körperlicher Erkrankungen: organisch bedingte psychiatrische Störungen



Psychische Reaktionen auf körperliche Erkrankungen: Krankheitsverarbeitung



Somatische Symptome oder Erkrankungen wesentlich durch psychische Faktoren (Stress) bedingt: Psychosomatik im engeren Sinne

Maniar, HS et al., J Thorac Cardiovasc Surg, 2016

Delirium auf Intensivstation

Ely EW et al JAMA 2003, 289:2983

6

% remission

Böttger et al., subm.

Mehnert, A et al, J Clin Oncol, 2014 Kuhnt, S et al, Psychother Psychosom, 2016

Depressionssymptome bei Patienten und Angehörigen (N=741) 100

80%

78%

80

60

Patienten Angehörige

40

20%

22%

20

0

low

high

Krähenbühl et al. , 2007

Angstsymptome bei Patienten und Angehörigen(N=741) 100

75% 80

59% 60

41%

Patienten Angehörige

40

25% 20

0

low

high

Krähenbühl et al. , 2007

Das Distress-Thermometer – ein einfaches Screening-Instrument Extreme Belastung Bitte geben Sie an, welche Nummer (0-10) Ihre seelische/psychische Belastung am ehesten trifft.

Keine Belastung

Anzahl Distress-Screenings 2015 stationäre Fälle (gesamtes USZ) 4500

4236

4000

3500

3000

2500

2316

2000

1500

1000

675 500

0

Anzahl Distress-Screenings gesamt

Anzahl Patienten mit DistressSymposiumScreening Zürich Jenewein

PsyOnk gewünscht

Depression 

Am häufigsten bei Pankreaskrebs, oropharyngealen Tumoren und Brustkrebs



Probleme mit Diagnostik, da Überlappung mit körperlichen Symptomen (Müdigkeit, Antrieb)



Risikofaktoren: frühere Depression, jüngeres Alter, wenig soziale Unterstützung, Schmerzen, schlechter körperlicher Zustand, Medikamente



Negative Auswirkung auf Lebensqualität, Dauer der Hospitalisation, Überlebenszeit



Mehr als 60% der Patienten, die nach assistierten Suizid fragen sind depressiv (Emanuel EJ et al., JAMA, 2000)



Behandlung: Antidepressiva, Psychostimulantien (Methylphenidat), Psychotherapie

Antidepressiva

Li M et al. J Clin Oncol (2012) 30:1187-1196

Antidepressiva

Li M et al. J Clin Oncol (2012) 30:1187-1196

Hintergrund  In der Schweiz gute Palliativprogramme etabliert  Wenige psychotherapeutische Interventionen, die spezifisch spirituelle und existentielle Themen bei Patienten mit einer schweren unheilbaren Krebserkrankung aufgreifen.  Entwicklung Dignity Therapy 2005; Anwendung in unterschiedlichen Ländern  Dignity Therapy verbessert signifikant Lebensqualität und stärkt das Gefühl von Würde in Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen (Chochinov et al., 2005; Houmann et al., 2010; Chochinov et al., 2011).

Ursprung Sterbewunschforschung Wunsch nach aktiver Sterbehilfe (Morita et al., 2000; Fischer et al., 2009; Gamondi et al., 2013)  Schmerzen (46%)  Verlust der Würde (38%-57%)  Angst vor Abhängigkeit/Kontrollverlust (39%)  Hoffnungslosigkeit (37%)  Sinnlosigkeit (37%)  Gefühl anderen zur Last fallen (34%)  Verlust von sozialen Rollen (29%)

Das Würde-Modell nach Chochinov (2002) Würde Krankheitsbezogene Belange

Würde bewahrende Ressourcen

Soziale Belange

Unabhängigkeitsgrad

Würde bewahrende Perspektiven - Selbst-Kontinuität

Privatsphäre

Kognitive Verfassung

- Aufrechterhaltung von Rollen - Generativität, Vermächtnis

Soziale Unterstützung

- Bewahrung von Stolz Funktionelle Kapazität

- Autonomie/ Kontrolle - Hoffnung

Pflegerische Grundhaltung

- Akzeptanz Symptombelastung Körperliche Belastung Psychische Belastung - Unsicherheit - Angst vor dem Tod

- Resilienz/ Kampfgeist

Anderen eine Last sein Würde bewahrendes Handeln - Leben im Hier und Jetzt - Aufrechterhaltung von Normalität - Bestreben nach spirituellem Wohlbefinden

Belangen bzgl der Zeit danach

Chochinov (2002), JAMA

Dignity Therapy (Chochinov, 2005; 2012)  Psychologische Kurzzeitintervention zur Stärkung der individuellen Würde am Lebensende  Semistrukturiertes Interview (10 Fragen)  Würde wird durch 3 Faktoren gestärkt: 1) Generativität/Hinterlassenschaft 2) Essenz der Persönlichkeit des Patienten 3) Grundhaltung der Behandler *2

Durch Erzählen und Aufschreiben der Erinnerungen, Wünsche und Anliegen des Patienten soll die Wertschätzung für das eigene Leben erhöht, die Sinnfindung unterstützt und die Bedeutung der eigenen Lebensgeschichte erkannt oder verstärkt werden.

Dignity Therapy Fragenkatalog 1. Erzählen Sie mir ein wenig von Ihrem Leben, besonders die Teile, an die Sie sich am meisten erinnern oder die Ihnen wichtig sind. 2. Wann fühlten Sie sich am lebendigsten? 3. Gibt es bestimmte Dinge, die Ihre Familie wissen soll und gibt es bestimmte Dinge, an die sich Ihre Familie erinnern soll? 4. Was sind die wichtigsten Rollen, die Sie in Ihrem leben wahrgenommen haben (in der Familie, beruflich, gesellschaftlich)? Weshalb waren diese wichtig für Sie und was denken Sie, haben Sie in diesen Rollen erreicht? 5. Was sind Ihre wichtigsten Leistungen und worauf sind Sie besonders stolz und woran denken Sie mit der Befriedigung, etwas geleistet zu haben? 6. Gibt es Dinge, die gegenüber Ihren Angehörigen ausgesprochen werden sollten, oder Dinge, die Sie Ihnen noch einmal sagen möchten? 7. Was sind Hoffnungen und Träume für die Menschen, die Ihnen am Herzen liegen? 8. Was hat das Leben Sie gelernt, das Sie gerne weitergeben möchten? Welchen Rat würden Sie gerne weitergeben wollen? 9. Gibt es Worte oder Ratschläge, die Sie Ihrer Familie gerne sagen möchten? 10. Gibt es Dinge, die Sie für dieses Dokument noch festhalten und hinzufügen möchten?

Takotsubo Syndrom – broken heart

Symposium Zürich Jenewein

Templin C et al., NEJM, 2015

INTERHEART Study: Fallkontrollstudie in 52 Ländern; 15‘152 Fälle u. 14‘820 Kontrollen

Depression, Stress zu Hause, bei der Arbeit, mit Finanzen und Anzahl negativer live events

Yusuf et al, Lancet 2004;364:937

Figure Legend:

JAMA. 2003;289(23):3106-3116

KVT reduziert Anzahl erneuter kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit KHK im Vergleich zu Standard-Therapie 352 Männer und Frauen, 62±8 J, hospitalisiert (MI, PTCA, CABG) Therapiebeginn innerhalb von 12 Monaten nach KHK Ereignis 20 Gruppensitzungen à 2 h über 1 J (Frauen u. Männer getrennt) KVT Programm: Entspannung, Stress Management, coping skills, Reduktion von Alltagstress, Zeitdruck und Feindseligkeit; Spirituelle Aspekte Gulliksson et al, Arch Intern Med, 2011

Depression und Diabetes

Depression und Blutzuckereinstellung • 11525 Veteranen mit Typ 2 Diabetes, • durchschnittlich 4 Jahre follow-up • 6% depressiv

Richardson LK, Egede LE, Mueller M et al (2008)

Depression und Inzidenz von DM II

Golden et al., JAMA (2008) Trief P et al., Diabetes Care (2014)

Trief P et al., Diabetes Care (2014)

Depression und DM I

Kampling H et al., Diabetologia (2016)

Häufigkeiten psychischer Störungen bei Diabetes

Depression: Angststörungen:

DM I 12%, range 5.8 – 43.3% DM II 19%, range 6.5 – 33% 5 - 25%

Bipolare Störungen:

ca. 1%

Alkoholkonsum/missbrauch:

< 1%

Roy et al., J Affective Disorders 142S1 (2012) Lin et al., J Psychosom Res 65 (2008) Barnard et al., Diabetic Medicine 23 (2006) de Ornelas Maia et al., Comprehensive Psychiatry (2012)

Depression und Risiko für Komplikationen

Katon W et al., NEJM, 363 (2010)

Katon W et al., NEJM, 363 (2010)

Voraussetzungen und Ausblick  Strukturelle Integration der Psychiatrie entscheidend (Liaisonpsychiatrie)  Etablierung einer „gemeinsamen Sprache“  Kollaborative / Integrative Modelle  Med-Psych-Units

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