Detaillierte Beschreibung und Hintergrundinformationen zum Seminar 7534:

Komplexität managen – Chaos bewältigen „Die Theorie ist ein Netz, dass wir auswerfen, um die Welt einzufangen. Wir arbeiten daran, um die Maschen dieses Netzes immer enger zu machen“. (Karl Popper)

Hinführung Wesentliche Veränderungen des täglichen Lebens sind Folge einer zunehmenden Komplexität hoch entwickelter technischer und projektbezogener Prozesse. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist das Internet, das mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Übertragung, Verarbeitung und Präsentation von Informationen die traditionellen Lebensgewohnheiten rasch verändert. Komplexität gehört seit einigen Jahren zu den am häufigsten verwendeten Wörtern. Alles, was irgendwie nicht geheuer ist, heißt „komplex”: komplexe Systeme, komplexe Zusammenhänge, komplexe Probleme usw. Keine Präsentation oder Diskussion von Führungskräften kann heute auf den Bezug auf Komplexität - etwa von Märkten, von Produkten und von Prozessen verzichten. Alle reden von Komplexität. Nur wenige können angeben, was sie damit meinen. Es gibt unzählige Definitionen des Komplexitätsbegriffs, einige exakt, die meisten diffus. Viele Menschen verbinden damit etwas Schwieriges, Unverständliches, Undurchschaubares. Etwas ist „kompliziert”. Im Alltag ist dieses Verständnis bestimmt ausreichend. In Zusammenhang mit Führungsaufgaben, Organisation und Management ist es aber hilfreich, näher hinzuschauen, was Komplexität ist und sein kann.

Ziel des Seminars In diesem Seminar werden praktisch relevante Erkenntnisse der Problemlöseforschung vermittelt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen Methoden zur Problemanalyse, zur kreativen Ideenfindung und zur Überwindung von Denkblockaden kennen. Eine Einführung in Grundzüge der allgemeinen Systemtheorie soll helfen, Merkmale und Eigendynamik komplexer Systeme zu verstehen. Anhand konkreter Probleme sollen Strategien zum angemessenen Umgang mit solchen Systemen entwickelt und im Rollenspiel erprobt werden. In einem ersten Schritt geht es in diesem Seminar darum, herkömmliche, alltägliche oder komplizierte Probleme (Uhrwerk, Kraftwerk) von solchen zu unterscheiden, die komplex sind (Wetter, Börse). Sie arbeiten mit konkreten Problemstellungen aus Ihrem Arbeitsalltag und lernen komplexe Probleme von komplizierten zu unterscheiden und mit beiden erfolgreich umzugehen. Sie erkennen, daß verwickelte Barrieren im Denken mit analytischen und mit kreativen Methoden überwindbar werden. Sie sehen, daß vernetztes Denken und andere methodische Vorgehensweisen den Umgang mit Komplexität erleichtern. Sie lernen es zu vermeiden, komplizierte Aufgaben mit den Strategien für unübersichtliche Aufgaben zu bewältigen und umgekehrt. Sie können mit konkreten Methoden an komplexe Sachverhalte herantreten. Sie werfen einen Blick auf einfallsreiche und erfinderische Wege, mit komplexen Aufgaben umzugehen. Sie lernen es zu vermeiden, komplizierte Aufgaben mit den Strategien für unübersichtliche Aufgaben zu bewältigen und umgekehrt. Sie können mit konkreten Methoden an komplexe Sachverhalte herantreten. Sie werfen einen Blick auf einfallsreiche und erfinderische Wege, mit komplexen Aufgaben umzugehen.

Ein philosophisches Problem hat die Form: »Ich kenne mich nicht aus.«„ - Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, §123.

Inhalte 1 Probleme Probleme gelten als Schätze, als Potenzial, um Prozesse stabiler, robuster und fehlerun-anfälliger zu gestalten. Bedingung dafür ist jedoch, dass man sich diesen Problemen stellt und sie anschließend zielgerichtet und systematisch löst. Wir wissen, dass nicht ein Problem wie das andere ist. Dennoch lässt sich die Vielfalt möglicher Probleme dadurch ordnen, dass wir anhand ihres Lösungsraums a) offene von geschlossenen Problemen und anhand des jeweils zur Lösung benötigten Wissens b) wissensarme von wissensintensiven Problemen unterscheiden können. Ein offenes Problem ist eines, das genau ausgemacht werden kann, für das es bisher aber noch keine Lösung gegeben hat. Bei komplexeren Problemen kommen weitere Dimensionen ins Spiel. Wohldefiniert ist ein Problem dann, wenn die Ausgangssituation nachvollziehbar beschrieben ist und das Erreichen des Ziels messbar nachgewiesen werden kann. Gegebenenfalls ist sogar die Lösungsmethode vorgegeben. Je klarer ein Problem beschrieben ist, desto einfacher gelingt für gewöhnlich seine Lösung. Lässt sich ein Problem in mehrere Unterprobleme zerteilen, so nennt man es zerlegbar oder auch hierarchisch. Echte Unterprobleme sind leichter und mit weniger Arbeitsaufwand verbunden. Relativ einfach sind Probleme zu lösen, wenn es eine passende Theorie gibt oder man Modelle für die zu lösenden Situationen hat. Aber es gibt viele Probleme, deren Theorie wir nicht kennen oder für die die Menschheit noch keine Erfahrung hat aufbauen können. Manche Probleme sind in ihrer Wesensart so eng verwandt, dass mit einem Problem gleichzeitig ein anderes Problem gelöst wird. In diesem Fall sind Ausgangs- und Zielsituation bei beiden Problemen gleich, wenn auch für gewöhnlich gänzlich anders formuliert. Eines der Probleme lässt sich jedoch in das jeweils andere Problem überführen; speziell die Komplexitätstheorie spricht hierbei davon, ein Problem auf ein anderes zu reduzieren. Wir unterscheiden verschiedene Problemtypen danach, je nach dem welche Lösung am vielversprechendsten ist. Das Finden von geeignetem Weg, zweckmäßigem Mittel oder unbekanntem Sollzustand stellt selbst wieder ein Teilproblem dar. Zur Lösung eignen sich die Analyse, das Suchen, das Neukombinieren (Konstellation), das Schlussfolgern (Konsequenz) und das Auswählen. »»Suchproblem: Die gesuchte Lösung soll aus einem vorhandenen Lösungsraum durch Anwendung von Suchkriterien und Suchregeln selektiert werden. Die große Anzahl von Möglichkeiten und deren Kombination macht die Lösung des Suchproblems oft schwierig. Beispiel: Welche Einzelkomponenten können verwendet werden? »»Konstellationsproblem: Durch Anpassung von vorhandenem Wissen an neue Gegebenheiten wird das Problem gelöst. Beispiel: Konzeption einer neuen Übergabevorrichtung. »»Konsequenzproblem: Durch die Befolgung erkannter Gesetzmäßigkeiten wird die Aufgabe gelöst. Beispiel: Berechnung des Durchsatzes eines fördertechnischen Systems. »»Auswahlproblem: Alternativen werden nach vorher festgelegten Kriterien auf ihren Nutzen im Hinblick auf das Ziel der Aufgabenstellung untersucht. Beispiel: Auswahl einer Steuerungsstrategie. Um Probleme jeglicher Art besser bzw. schneller lösen zu können, ist es wichtig, die passendste Repräsentationsform auszuwählen. Unter interner Repräsentation versteht man sämtliche inneren Vorstellungen (z. B. stellt man sich vor, welche Handgriffe man ausgeführt hat, kurz bevor man den Schlüssel verlegt hat). Dabei ist es am wichtigsten sich das Ziel (= Endzustand) genau vorstellen zu können bzw. genau zu wissen WAS das Ziel ist. Des Weiteren muss auch die Ausgangssituation bekannt sein, sowie die anzuwendenden Operatoren und deren Einschränkungen. Solche internen Repräsentationen werden aufgebaut, indem man Informationen über das Problem zufügt oder weglässt bzw. diese Informationen interpretiert.

Die interne Repräsentation ist ausreichend für einfache Probleme. Bei komplexeren Problemen muss zusätzlich eine externe Repräsentation stattfinden. Externe Repräsentationen sind alle Repräsentationsformen, die außerhalb der geistigen Vorstellung stattfinden, zum Beispiel an den Fingern abzählen, laut vorlesen, visualisieren etc. Externe Repräsentation kann nur stattfinden, wenn bereits eine interne Repräsentation vorhanden ist und hilft, Beziehungen zwischen Problemaspekten aufzuzeigen. In diesem Seminarmodul werden diese Aspekte besprochen: »»Probleme und Problemarten unterscheiden lernen: Such-, Optimierungs-, Entscheidungsprobleme »»Struktur und Zerlegbarkeit von Problemen »»Praxis des Problemelösens, Modelle »»Stufen des Problemlösungsprozesses »»Methoden für den Umgang mit einfachen bis komplizierten Problemen »»Probleme, das eigentliche Problem (Kernproblem) zu lokalisieren und zu analysieren. »»Zu starke Abgrenzung des Problems: oft werden Probleme zu einseitig und nur unter einem bestimmten Aspekt betrachtet. »»Mangelnde Fähigkeit das Problem von mehreren Seiten zu betrachten. »»Informationssättigung: Schwierigkeiten, relevante Daten von verfügbaren Daten abzugrenzen. »»Zur Problemlösung werden alle verfügbaren Daten herangezogen, aber oft wird nicht alles an wesentlichen Informationen auch wirklich genutzt, was verfügbar ist. »»Analyse und Qualifizierung der Probleme in Alltag und beruflichem Kontext

2 Systeme „Probleme sind nur dann Probleme, wenn sie nicht isoliert, nicht Stück für Stück bearbeitet und gelöst wer-den können. Gerade das macht ihre Problematik aus.” -Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Die Bezeichnung „System“ stammt aus dem Griechischen. Eine gradlinige Definition, was ein System ist, könnte so lauten: Ein System ist eine Einheit (oder Ganzheit), die aus mehreren miteinander in Beziehung stehenden Elementen zusammengesetzt ist. Technischer formuliert heißt das: Ein System ist begrenzt und abgrenzbar (System/Umwelt-Differenz). Es besteht aus einer Systemgrenze, einem Systemkern, Systemelementen, dem Zusammenwirken dieser Elemente sowie aus Energie oder Signalen. Wird etwas über die Systemgrenzen hinweg transportiert ist dieses System ein offenes, sonst ein geschlossenes System. Alles außerhalb der Systemgrenze Liegende ist nicht Teil des Systems, sondern dessen Umwelt. Ein System ist eine Menge von Elementen, die in einem abgegrenzten oder abgrenzbaren Bereich so zusammenwirken, dass dabei ein vollständiges, sinnvolles, zweck- und zielgerichtetes Zusammenwirken in einem funktionellen Sinne erzielbar wird. Ein System wird damit als eine Einheit verstanden, die zwar bestimmte Elemente als Voraussetzung hat, aber nicht als bloße Summe dieser Elemente zu verstehen ist. Durch die Beziehungen der Elemente untereinander und die daraus entstehenden Wechselwirkungen ergibt sich etwas Neues, das nicht ausschließlich auf die Eigenschaften der Elemente zurückführbar ist. Beispiel: Auf der molekularen Ebene kann Wasser als ein System beschrieben werden. Wasser ist eine Verbindung aus dem Element Wasserstoff und dem Element Sauerstoff, aber sobald diese Verbindung (Wechselwirkung / Beziehung) zustande gekommen ist, entsteht eine neue Einheit, deren Eigenschaften nicht auf der Summe der Eigenschaften der einzelnen Elemente beruht. Die Kybernetik ist die Lehre von den sich selbst steuernden und regulierenden Systemen und ist daher mit der Systemtheorie eng verbunden. Ein komplexes System ist ein System dessen Eigenschaften sich nicht vollständig aus den

Eigenschaften der Komponenten des Systems erklären lassen. Komplexe Systeme bestehen aus einer Vielzahl von miteinander verbundenen und interagierenden Teilen. In diesem Modul werden diese Fragestellungen angesprochen: »»Mehrere verschiedene Einflussgrößen wirken vernetzt aufeinander ein »»Systeme können unterschiedlich beschaffen sein »»Einfache und komplizierte Systeme »»Komplexe Systeme »»Chaos – die besondere Form des Systemverhalten »»Überraschungspotential »»Das Unternehmen/das Team als komplexes System »»Analyse der Systeme im eigenen Arbeitsumfeld

3 KOMPLIZIERTE PROBLEME - KOMPLIZIERTE SYSTEME Wer eine Webseite für ein Restaurant erstellt, steht vor einem einfachen Problem. Er kann die Webseiten von Mitbewerbern ansehen, ist in der Lage ein verständliches Pflichtenheft zu erstellen und wird dieses bei entsprechendem Fach-Knowhow auch in der veranschlagten Zeit umsetzen. Frei nach dem Motto: Problem erkennen, einstufen und reagieren. Wir sprechen von einfachen Problemen. Schwieriger wird es bei komplizierten Problemen. Bei komplizierten Problemen gibt es meist mehrere richtige Antworten. Es geht um mehr, als um das erkennen und einstufen des Problems. Viel wichtiger wird die Analyse des Problems. Niemand kann eine realistische Zeitschätzung abgeben. Oft bleiben auch wichtige Grundfragen unbeantwortet, weil sie niemand stellen mag. Wir sprechen von komplizierten Problemen. Kompliziert heißt: etwas zeichnet sich dadurch aus, dass ein System oder Prozess aus vielen Teilen aufgebaut ist und es viele Regeln gibt. Die einzelnen Verknüpfungen und Beziehungen sind jedoch meist klar definiert und messbar. Das Gesamtsystem ist meist gleich der Summe der Einzelteile. Ein Ferrari ist zwar ein komplizierter Wagen, kann jedoch von jedem qualifizierten Mechaniker in seine Einzelteile zerlegt werden und anschliessend ohne Veränderung wieder zusammengebaut werden. Der Regenwald hingegen unterliegt einem ständigen Wandel. Eine Pflanzen- oder Tierart stirbt aus, das Klima ändert sich usw. Steuererklärungen, Uhrwerke, Kraftwerkanlagensind kompliziert. In diesem Modul werden diese Gesichtspunkte geklärt: »»Erkenntnisse aus Hirnforschung, Chaosforschung und Systemtheorie »»Klärungshilfe: Kompliziert oder einfach? »»lineares Ursache-Wirkungs-Schema erkennen und darauf reagieren »»Zielorientierungen »»Komplizierte Probleme haben bedeutet: mehr Controlling, genaueren Prozeduren, detailliertere Analysen »»Vereinfachungsstrategien »»Verhalten berechenbar, organisierbar halten »»Methoden, Prozesse, Muster: komplizierte Probleme anpacken »»Einfache und komplizierte Probleme im beruflichen Alltag erkennen, unterschieden, Lösungsmaßnahmen entwickeln

4 KOMPLEXE PROBLEME – KOMPLEXE SYSTEME Komplexität ist, wenn immer noch was nachkommt. Jeder Versuch, die Komplexität zu reduzieren, erhöht die Komplexität an einem anderen Ort. Felix Lotter, brand eins, 1/2006 Ein charakteristisches Merkmal komplexer Probleme/Systeme ist die Vielzahl und Vielfalt quervernetzter Komponenten, aus denen sie bestehen. Unterschiedlichste Arten von Wechselwirkungen zwischen diesen Komponenten führen im allgemeinen zu einem - inituitiv kaum noch erfassbaren - völlig neuartigen ganzheitlichen Verhalten, das durch sogenannte emergente Eigenschaften gekennzeichnet ist. Emergenz bezeichnet das plötzliche „Auftauchen” vorher nicht vorhandener Eigenschaften. Charakteristisch ist aber auch, dass aus kleinsten Komponenten bestehende große Systeme selbst wieder als elementare Komponenten in übergeordnete komplexe Systeme eingebettet sind. Dafür gibt es insbesondere in der Biologie vielfältige Beispiele. So besteht das System „biologische Zelle” aus einer Vielzahl molekularbiologischer Komponenten wie z.B. Gene, Proteine und Signalmoleküle und ist gleichzeitig selbst eine elementare Komponente eines Organs. Das Lösen komplexer Probleme erfordert daher einen Umgang mit Handlungsfeldern, die sich durch ein hohes Ausmaß an Vernetzung von Situationsmerkmalen, Intransparenz und Eigendynamik auszeichnen. Für den Problemlöser entsteht so eine Handlungssituation hoher Unbestimmtheit. Viele Aspekte müssen gleichzeitig beachtet werden, Informationen über die Problemsituation bleiben zwangsläufig unvollständig und Auswirkungen von Handlungen lassen sich nur unzureichend bestimmen. Die Merkmale eines komplexen Problems unterscheiden sich schließlich deutlich von den Anforderungen einfacher Probleme. Unterschieden werden fünf Merkmale: 1. Komplexität der Problemsituation. Diese ist traditionell durch die Anzahl beteiligter Va-riablen bestimmt worden. Sicherlich mag dies einen ersten Anhaltspunkt für die Einschätzung der Schwierigkeit eines Problems abgeben, aber erst die Hinzunahme weiterer Kennzeichen erlaubt verlässlichere Aussagen. 2. Vernetztheit der beteiligten Variablen. Natürlich ist nicht die bloße Anzahl von Variablen für die Anforderungen an die problemlösende Person ausschlaggebend, sondern vor allem deren Vernetzung untereinander. Ist bei einem System von 100 Variablen jede Variable mit genau einer anderen verbunden, ist die Vernetztheit niedriger, als wenn alle Variablen mit allen anderen verbunden sind. Vernetztheit verlangt Modellbildung, durch die die wechselseitigen Abhängigkeiten sichtbar gemacht werden. 3. Dynamik der Problemsituation. Dieses Merkmal beschreibt die Tatsache, dass die Eingriffe in ein komplexes, vernetztes System Prozesse in Gang setzen, deren Auswirkungen möglicherweise nicht beabsichtigt waren. Eine besondere Variante stellt die Eigendynamik dar, mit der zum Ausdruck kommt, dass in vielen Fällen ein Problem nicht auf die problemlösende Person und ihre Entscheidungen wartet, sondern sich die Situation über die Zeit hinweg von selbst verändert. Dynamik verlangt den Einbezug des Faktors „Zeit“. 4. Intransparenz in Hinblick auf die beteiligten Variablen wie auch in Hinblick auf die Ziel-stellung. In einer komplexen Situation liegen nicht alle erforderlichen Informationen vor, die der problemlösenden Person idealerweise zur Verfügung stehen sollten. Intransparenz verlangt Informationsbeschaffung. 5. Polytelie (=Vielzieligkeit). Intransparenz gibt es auch in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele. In einer komplexen Situation gibt es meist nicht nur ein Ziel, sondern es müssen mehrere Ziele simultan beachtet werden. Polytelie verlangt das Abwägen und Balancieren von eventuell kontradiktorischen, sich gegenseitig ausschließenden Zielen. Barrieren erkennen und überwinden. Komplexes Problemlösen erfolgt, um Barrieren zwischen einem gegebenen Ausgangs- und einem gewünschten Zielzustand durch Einsatz von kognitiven Tätigkeiten und Verhalten schrittweise zu reduzieren. Ausgangs- und Zielzustand wie auch die Barrieren erweisen sich als komplex, ändern sich dynamisch über die Zeit hinweg und können partiell intransparent sein. Die genauen Eigenschaften von Ausgangszustand, Zielzustand und Barrieren sind zu Beginn der Problemlösung unbekannt. In einem komplexen Umfeld muss jeder wissen: es gibt nicht die richtige Antwort, nicht mehrere Antworten sondern es ist unmöglich die richtige Antwort von vornherein zu wissen. Zuerst muss ausprobiert werden, dann kommt die Erkenntnis und erst anschließend wird reagiert. Es müssen Umgebungen geschaffen werden, die das Experimentieren erlauben.

Der Fehlschlag muss eingeplant und zugelassen werden. Es benötigt Interaktion zwischen z. B. Entwicklern, Projektleitern, Auftraggebern und Kunden. Es müssen Methoden gefunden werden, die die Entwicklung von Ideen fördern. Simplify Your Life – hat das Ziel, das Leben vom Komplizierten zu entrümpeln. Hier ist es auch durchaus angebracht. Endlich werden keine Fragen mehr gestellt, sondern Antworten gegeben. Zusammenhänge spielen keine Rolle. Manager sind Führungskräfte, und Führungskräfte sollen Zusammenhänge begreifen und danach handeln. Ihre Arbeit ist komplex. Die meisten Menschen/Führungskräfte suchen allerdings nach einfachen Antworten … und sind dann enttäuscht, wenn ein z. B. Logistik-Projekt wieder den Abgabetermin verpasst. Aus diesem Grund werden wir in diesem Modul diese Aspekte in den Mittelpunkt stellen: »»Merkmale komplexer Systeme »»Folgen dieser Merkmale für ein Problem u. den Problemlöser »»Folgen, wenn diese Merkmale nicht berücksichtigt werden: Simplify Your Life als Gefahr »»Heuristische Methoden zur Problemanalyse »»Denkbarrieren erkennen und überwinden »»Warum Simplify nicht weiterhilft: Kompliziertes läßt sich nicht vereinfachen »»Die Rolle des Gehirns und Denkens in komplexen Situationen »»Stereotypes Betrachten und Analysieren: Wir sehen das, was wir zu sehen erwarten. »»Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme auf komplexe Systeme »»Komplexe Probleme haben bedeutet: mehr Controlling, genaueren Prozeduren, detailliertere Analysen funktioniert nicht mehr »»Komplexe Sachverhalte im beruflichen Kontext/Projekt erkennen und adäquat damit umgehen 5 GUTE STRATEGIEN UND HINDERNISSE IM UMGANG MIT KOMPLEXITÄT „Wir nehmen Ausschnitte der Welt wahr, nicht die Welt an sich. Wir sehen Bäume, nicht den Wald. Von komplexen Systemen sehen wir das, was wir für die Auseinandersetzung brauchen: Menschen haben nie etwas anderes getan, als sich durch Anpassung an ihre Umwelt - also die Komplexität der Welt - einen Teil dieser Welt nutz- und begreifbar zu machen. Sie haben das immer Schritt für Schritt getan.Ein erheblicher Teil der so genannten Management-Literatur besteht aus dubiosen Methoden und Lehren, die in Form leicht konsumierbarer Listen, Regeln und To-Do-Listen verkauft werden. Sie ersetzen Nachdenken und ersparen die mühsame persönliche Auseinandersetzung mit Mensch und Welt - die harte Arbeit mit der Komplexität eben. Wer per Methode handelt, erhält bestenfalls das, was schon andere haben. Wer das, nicht tut, hat zumindest eine Chance, etwas Neues zu schaffen, mit dem er auch Erfolg hat.“ Wolf Lotter, brand eins 1/2006 In komplexen Systemen, wie zum Beispiel dem Wetter, gibt es keine hundertprozentigen Prognosen. Aber es macht durchaus Sinn sich neben den lokalen auch die regionalen Prognosen zu abstrahieren. Mit den bestmöglichen Informationen korrelieren im Prinzip die bestmöglichen Vorbereitungen; beispielsweise ein für Bergsteiger notwendiges Vorgehen. Je mehr Verhaltensweisen zur Verfügung stehen, umso mehr erhöht sich die Varietät. Je besser beispielsweise ein Fußballspieler trainiert wird, umso mehr strategische Vorgehensweisen kann er spielend umsetzen: spontan in einem an Möglichkeiten explodierenden Spiel. In diesem Schritt geht es darum, die bestmöglichen Verhaltensweisen zur Lösung komplexer Probleme ausfindig zumachen und eher hinderliche Strategien zu vermeiden: »»Hindernisse im Umgang mit komplexen Situationen »»Mit Problemtypen und deren Barrieren erkennen »»„Altes Denken“ »»Eigene Denk- und Verhaltensmuster - Typenabhängige Muster unterscheiden »»Komplexität „wahrnehmen“: eigene Denk- und Handlungsmuster analysieren »»Bausteine des vernetzten Denkens kennen lernen

»»Visualisierung komplexer Zusammenhänge »»Auswertung und Analyse von Wirkungszusammenhängen »»Einschätzung der Chancen und Risiken »»Ermittlung der eigenen Handlungsspielräume »»Problemlösung mit Kreativmethoden »»Beim Managen von Komplexität aus der Natur lernen »»Entwicklung individueller Maßnahmen und Strategien

6 KOMPLEX: MUSTERWECHSEL IN VERÄNDERUNGSPROZESSEN Eine besondere Form von Komplexität begegnet bei der Frage, wie Instabilität und Veränderungsprozesse angegangen und begleitet werden können. Jeder Musterwechsel setzt voraus, dass sich zunächst in einer Organisation oder zumindest bei deren Lenkern allmählich das Gefühl verdichtet: „Wir nähern uns einer Grenze. Wenn wir an unseren bisherigen Denkmustern und Verfahrensweisen festhalten, scheitern wir auf lange Sicht.“ Für zukunftsorientierte Unternehmen und Organisationen ist es daher wichtig, die strategische Herausforderung zum Instabilitätsmanagement anzunehmen. Führungskräfte von morgen müssen Fähigkeiten im balancierten Umgang mit Phasen der Stabilität und Phasen der Instabilität erwerben. Einerseits ist in Instabilitätsphasen nichts vorhersehbar und die Angst und das Sicherheitsstreben in der Regel groß. Anderseits jedoch ist die Kreativität und die Innovationskraft für neue Ordnungsbildungen enorm hoch. Systeme können dann sprunghaft zu einer neuen Ordnungsbildung finden. Es gilt zu prüfen, wieweit Systeme stabil oder instabil, Organisationen einfach oder komplex sind und welche Funktionsweisen für die verschiedenartigen Kombinationen dieser Zustände Sinn machen: 1. Steuerung (Ursache-Wirkungs-Denken) bei stabilen-einfachen Zuständen, 2. Regelung (Soll-Ist-Abgleich) bei stabil-komplexen Zuständen 3. Versuch und Irrtum (Suchbewegung) bei instabil-einfachen Zuständen oder 4. Selbstorganisation (Musterwechsel) bei instabil-komplexen Zuständen. Veränderungsmanagement braucht aber Regelbrüche, Irritationen und Verstörungen, um aus einem von Verhaftung geprägten Zustand aufzubrechen: Instabilität als Basis und Grundvoraussetzung für Veränderung. Jeder Musterwechsel bedeutet ein Abschiednehmen von gewohnten Denk- und Verhaltensmustern. Deshalb löst er Verunsicherungen aus, die häufig zu (verdeckten) Widerständen führen. Bei der Realisierung des Wandels kommt den Gefühlen aller Beteiligten mehr Bedeutung zu, als manche ahnen. Denn unsere Emotionen leiten das Handeln mehr als unsere Vernunft. Entsprechend wichtig ist es, dass die Verantwortlichen klar kommunizieren, warum der Musterwechsel nötig ist. Deshalb sind Offenheit und Transparenz aller Prozesse durch alle Ebenen eines Unternehmens von Anfang an die wichtigsten Faktoren für Entwicklung und Kooperation, ganz besonders auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Veränderungsprozessen. In diesem Modul werden diese Themen besprochen: »»Prozessmusterwechsel erkennen - Stabilität und Instabilität »»Wird ein bestehendes Muster aufgebrochen, führt dies immer zuerst in eine krisenhafte Situation »»Instabilität gestalten »»Die Quadriga des Instabilitätsmanagements: 1. Steuerung (Ursache-Wirkungs-Denken), 2. Regelung (Soll-IstAbgleich), 3. Versuch und Irrtum (Suchbewegung), 4. Selbstorganisation (Musterwechsel) »»Emotionale Phasen im Veränderungsprozeß

7 TEAMS Ein Team ist eine formelle Arbeitsgruppe, deren Mitglieder eine gemeinsame Aufgabe bearbeiten und deren Bewältigung einer wechselseitigen Abstimmung bedarf. In Teams/Gruppen können Wissen, Erfahrungen und Informationen mehrerer Personen zusammengeführt und genutzt werden. Ideenaddition und gegenseitige Anregungsprozesse führen zu einem höheren Kreativitätsniveau. Die Perspektivenvielfalt erlaubt eine komplexere, vielfältigere und kritischere Prüfung und Beurteilung von Handlungsalternativen. Alle diese Vorteile sind allerdings nur potenzieller Natur. In Entscheidungssituationen kommen sie nur zum Tragen, wenn die Team-/ Grup-penmitglieder einerseits ihr unabhängiges Denken bewahren und andererseits tatsächlich auch alle Aspekte in den Gruppenprozess eingesteuert werden. Genau dies geschieht aber nicht, wenn sich eine Gruppe zu früh und intensiv auf eine gemeinsame Denkhaltung festlegt. Dieser Effekt wird in der Sozialpsychologie als „Groupthink“ (Gruppendenken) thematisiert. Es ist ein sehr subtiler Mechanismus, der in Entscheidungsgremien zu suboptimalen Entscheidungen führen kann. Es stellt sich die Frage, ob nicht der ein oder andere Schaden hätte vermieden werden können, wenn sich die an den Entscheidungen beteiligten Personen ihr unabhängiges und kritisches Denken bewahrt hätten, statt sich in den Zug der Lemminge einzureihen. Groupthink-Symptome sind: Überschätzung der Gruppe, Engstirnigkeit, Druck zur Einstimmigkeit. Das führt zu Entscheidungsdefekten wie: unvollkommene Alternativensuche, unvollkommene Zielüberprüfung, Versäumnis, die präferierte Alternative auf Risiken zu überprüfen, unzureichende Informationssuche. Wer in also Teams stur nach Schema F arbeitet, landet bei komplexen Aufgaben in der Sackgasse. Improvisieren heißt, die Melodie immer wieder neu zu variieren und dabei auch auf den anderen zu hören, denn der ist Teil des Sounds und setzt ein, wenn er dran ist. Diesen Frei-Raum darf ein Team nicht „zustellen“: Verschiedenartigkeit, soziale Intelligenz und die Fähigkeit zur Improvisation sind die Grundbestandteile mit dem man aus der Komplexität, gerade im Team, das Bestmögliche herausholen kann. In diesem Teil des Seminars gilt die Aufmerksamkeit folgenden Aspekten: »»Die Rolle des Teams bei der Lösung komplexer Probleme »»Symptome von Gruppendenken »»Folgen des Gruppendenkens »»Gruppendenken überwinden »»Vielfalt ermöglichen

Methoden Vortrag, Einzel- und Gruppenarbeit, Fallbeispiele, Arbeit mit Texten, kollegiale Beratung.