Komplexe integrierte Versorgung: Das Projekt Hamburg

Komplexe integrierte Versorgung: Das Projekt Hamburg Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf J. Gallinat, A....
Author: Christoph Sachs
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Komplexe integrierte Versorgung: Das Projekt Hamburg Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

J. Gallinat, A. Karow, M. Lambert

Hamburg - St. Petersburg

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Psychiatrie in Deutschland

Die Versorgung von psychisch Erkrankten Hohe Anzahl von Betroffenen (1J Prävalenz ca. 20%) Hohe & steigende Kosten (120 Mrd./J Kosten, v.a. Arbeitsunfähigkeitskosten) Suboptimale medizinische Versorgung (lange Wartezeiten, Fehldiagnosen, lange Behandlung) Unzufriedenheit bei Patienten und Angehörigen kompliziertes Versorgungssystem („Dschungel“)

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Häufigkeit psychischer Störungen

ca. 2% schwere psychische Störungen ca. 6% mittelgradige psychische Erkrankung ca. 12% leichte psychische Erkrankung

80% keine psychische Erkrankung

COAG National Action Plan on Mental Health 2006‐2011 Third progress report June 2011. Lambert, Gallinat, Karow Innovationsfond RECOVER

Leichten und mittelgradige psychischen Störungen (ca. 18%)

 V.a. ältere Patienten mit Depression, Angst-, Belastungs-, Anpassungsund somatoformen Störungen  Etwa 95% aller Patienten in der ambulanten Psychotherapie  wenig Steuerung, wenig alternative Angebote  Wartezeiten in der Psychotherapie 3-9 Monate  Rückstau in die stationäre Behandlung  bedingen 90% aller Arbeitsunfähigkeitstage (direkte Kosten 2014: 8.3 Mrd. €)

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Arbeitsunfähigkeit (Psychoreport 2015, DAK)

Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage zwischen 1997 bis 2014 um 209%

Über 90% der AU-Tage durch leichte und mittelgradige psychische Störungen

Schwere psychische Störungen (SMI, ca. 2%)

 V.a. Schizophrenie-Spektrum, Bipolare Störung, BorderlinePersönlichkeitsstörung, schwere Depression  Hoher Anteil an Jugendlichen  Nur 3-5% aller Patienten in der ambulanten Psychotherapie  häufig Drehtürbehandlung, stationäre Langzeiteinrichtungen und Forensik  60% der Notfälle, 80% der Zwangseinweisungen, hohe Morbidität, hohe Kosten (ca. 45.000€/Jahr)

Lambert, Gallinat, Karow Innovationsfond RECOVER

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Jemals erhaltene Therapien bei Psychose Betroffenen

78,3

Medikation

36,1

Gesprächstherapie

24,3 22,5 22,4 14,3 11 9,4 8,1 Jemals erhaltene Therapien (in %; N=902) 7,9 4,2

Ergo-/Arbeitstherapie Verhaltenstherapie Psychoedukation Tiefenpsychologische Therapie Soziales Kompetenztraining Selbsthilfegruppen Zuhausebehandlung Familienintervention Suchttherapie

0

20

40

60

80

100

Befragung von 902 Psychosepatienten auf Psychose.de; Lambert et al.

Herausvorderungen im einzelnen Fall...

junger Patient mit einer Schizophrenie (Ersterkrankung)

stationärer Patient mit Schizophrenie (episodischer Verlauf)

ambulanter Patient wird beim Psychiater mit einer Depression krankgeschrieben

ambulanter Patient mit konflikthafter Familiensituation

Lebt bei den Eltern; Schulverweigerung, lehnt Arztkontakte ab; keine Unterbringungsgründe

Absetzten der Medikation 6 Wochen nach Entlassung; geht nicht mehr zum Niedergelassenen

lange Wartezeit bis zur ambulanten Psychotherapie

Wunsch nach (nicht indizierter) Psychotherapie

keine Diagnose, keine Behandlung

Patient fällt aus dem Versorgungssystem heraus (bis zur nächsten Zwangseinweisung)

lange AU mit hohen Folgekosten

zu intensive Behandlung; Psychiatrisierung

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Psychiatrie in Deutschland

Die wesentlichen Ursachen Fehlallokation von Ressourcen (z.B. 14% Bettenzuwachs, nur 3-5% Schwerkranke in ambulanter Psychotherapie) Mangelnde Steuerung Mangelnde Standardisierung bei Diagnostik und Indikationsstellung Fehlende Akutbehandlung im häuslichen Umfeld zu schnelle Einbindung in intensive Therapien Unzureichende Integration von innovativen Versorgungsansätzen (E-Health, Supported Employment, Patienten- und Angehörigenbeteiligung)

Lambert, Gallinat, Karow Innovationsfond RECOVER

Koordinierte Versorgung - RECOVER Evidenz

Innovation

 Gesteuerte Versorgung („Managed Care“)

 Sektorenübergreifendkoordinierte Versorgung („Collaborative Care“)

Koordinierte  Telemedizin (Beratung, Diagnostik, Therapie, Fortbildung) Versorgung von („Stepped Care“) Menschen mit  Unterstützte Arbeit  Individuelle Behandlungs(Supported Employment) psychischen unterstützung („Case Management“) Erkrankungen  Peer-Begleitung (in  Schweregrad-gestufte Versorgung

 Aufsuchende Krisenintervention

(alle Diagnosen, alle Schweregrade)

Beratung, Therapie, Forschung)

(„Home Treatment“)

 Integrierte aufsuchende Behandlung („Assertive Community Treatment“)

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Koordinierte Versorgung - RECOVER

Sektorengröße etwa 360.000 Einwohner

RECOVER – 4 Behandlungsarme In allen Bereichen Telemedizin, unterstütze Arbeit, Peer-Begleitung

Integrierte aufsuchende

niedrigschwellige Angebote und Begleitung aus dem Versorgungssystem

Koordinierte Versorgung

 Fachübergreifend (KJP, EP, PS) langfristige Behandlung Versorgung  Koordinierte Umfassende psychische, soziale, körperliche plus Fallmanager Diagnostik (incl. Telemedizin)  Indikationsstellung  mobile Kriseninterventionsteams  Zuordnung zu Behandlungsamen

Zentren für Diagnostik, Indikationsstellung und ambulante zeitbegrenzte Krisenintervention

Gesteuerte und koordinierte Versorgungsorganisation mit sektorenübergreifender Qualitätssicherung

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Schwererkrankte (anhaltend-deutlicher RECOVER – 4 Behandlungsarme Funktionsverlust)

 Therapeutisches ACT-Team Keine psychische Erkrankung  24h/365d Krisenintervention Beratung In allen Bereichen Telemedizin, unterstütze Arbeit, Zugang Peer-Begleitung  erleichterter Psychotherapie Leicht Erkrankte Beratung (3h) ggf. weiterführende Hilfen Koordinierte Versorgung

niedrigschwellige Angebote und Begleitung aus dem Versorgungssystem

Mittelgradig Erkrankte (geringer Funktionsverlust) Zentren für

Koordinierte Versorgung plus Fallmanager

Integrierte aufsuchende langfristige Behandlung

Mäßig Schwererkrankte (deutlicher Funktionsverlust) Koordination + Fallmanager Diagnostik, Indikationsstellung und Förderung Therapiemotivation Krisenintervention

 Koordination in der Regelversorgung ambulante zeitbegrenzte  Kurzzeitpsychotherapie  Gruppenpsychotherapie

Erleichterter Zugang zu Psychotherapie

Gesteuerte und koordinierte Versorgungsorganisation mit sektorenübergreifender Qualitätssicherung

Implementierung von koordinierter Versorgung

Krankenhaus

Praxis PT-Stundenkontingent für Schwerkranke mobiles Krisenteam für Notfälle

Vorgespräche, gemeinsame Visiten

Schwerkranke: kein Antrag, mehr Vergütung Ausfallhonorar

Psychotherapeutischer Konsildienst

Psychotherapeutische Gruppen

verzahntes Weiterbildungskonzept, regelmäßige Veranstaltungen

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Haltung

weniger Betten weniger Zwang weniger Medikamente mehr Haltung und Beziehung mehr Verantwortung mehr Erfolg

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Europäischer Kongress über Integrierte Versorgung und Assertive Outreach (EAOF)

[email protected]

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[email protected]

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