Studienseminar Koblenz Wahlmodul 242
Kognition und Lernen Wie kommt das Wissen in unseren Kopf?
Elsbeth Stern • „Das mag jeder Mensch, dass er schließlich etwas kann, was anfangs schwer war.“
Lernlust =/= Lernspaß • Kinder möchten sich als kompetent erleben • Kompetenzen stehen am Ende eines Lernweges • erfordern Anstrengungsbereitschaft • und dass man die Welt um sich herum mit seinem Geist durchdringen möchte: Wissbegier, Neugier, Interesse
„Die Schule hat einfach nicht die Aufgabe Spaß zu machen“ Elsbeth Stern
• Lehrer/innen müssen Kompetenzen vermitteln. • Kinder müssen wissen, was sie können und was nicht realistisches Selbstbild. • Eltern und Lehrer/innen müssen viel von ihren Kindern/Schülern fordern – deren Leistungsgrenzen aber respektieren.
Medienkonsum und Lernerfolg Medienkonsum macht dick, dumm und unfroh“
Prof. Pfeiffer, Direktor am kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.
„Medienkonsum macht dick, dumm und unfroh“ • Der Energieverbrauch des Gehirns ist um 1/3 herabgesetzt. • Die Großhirnrinde ist fast völlig inaktiv. • Selbst im Schlaf verbraucht das Gehirn deutlich mehr Energie als beim Konsum digitaler Medien.
„Medienkonsum macht dick, dumm und unfroh“ Noten
„Vielseher“
„Wenigseher“
3,3
2,5
Geschichte
deutlich schlechter
Mathematik
um 0,6 schlechter
Sport
deutlich schlechter
deutlich besser um 0,6 besser deutlich besser keine
Deutsch
Verbotene Spiele
11-14 %
„ Medienkonsum macht
dick, dumm und unfroh“ Psychische Befindlichkeit
„Vielseher“
„Wenigseher“
„richtig gut drauf“, meistens fröhlich (in %)
33
61
gelegentlich bis häufig traurig, missmutig (in %)
60
30
(lt. Allensbach)
Folgewirkungen Medienkonsum … • • • • • •
vermindert die tägliche Bewegungsdauer lässt das Körpergewicht ansteigen beeinflusst die Gestimmtheit negativ mindert die Fähigkeit zur Empathie erhöht die Gewaltbereitschaft schränkt soziale Kontakte ein
Folgen auf neuronaler Ebene • Digitale Spiele schwächen die neuronale Vernetzung der Hirnregionen Aber • Je höher der IQ, umso dichter ist das Netz neuronaler Verknüpfungen
Neurobiologisches Grundwissen
Zellen des Nervensystems*
Neuron* aus dem Rückenmark
Kommunikation von Neuronen an Synapsen* Synapsen sind Kontaktstellen zwischen zwei Neuronen; über sie werden Informationen weitergeleitet.
Synapsen
Gliazellen* aus der Netzhaut
Gliazellen – „Zellflüsterer“ Einsteins Gehirn unterschied sich von dem „normaler“ Menschen in der Anzahl an Gliazellen • • • •
machen 90 % der Hirnsubstanz aus befinden sich zwischen den Neuronen modulieren die Aktivität der Neurone arbeiten mit etwa 1/10 der Spannung von Neuronen • verstärken synaptische Kontakte • festigen so das Erlernte • arbeiten langsam und sorgen für Nachhaltigkeit
Gliazelle in Aktion*
Hypothalamus
(nach Spektrum der Wissenschaft, verändert)
Limbisches System
Das Limbische System • vermittelt Affekte, Gefühle und Motivation • ist der eigentliche Kontrolleur des Lernerfolgs • bewertet alles, was durch uns und mit uns geschieht, danach, – ob es gut/ vorteilhaft/ lustvoll war und wiederholt werden sollte oder – ob es schlecht/ nachteilig/ schmerzhaft war und vermieden werden sollte
• fragt unbewusst: Was spricht dafür, dass sich Hinhören, Lernen, Üben etc lohnen?
Semantisches Gedächtnis Fakten, Vokabeln, Gesetzmäßigkeiten, … Schulwissen unter Angst erworben nicht kreativ nutzbar
Autobiographisches Gedächtnis individuelle Lebensereignisse, an Zeitachse orientiert stark emotional konnotiert, dadurch von Dauer
verlangt Interesse und erfolgt zwangsläufig Anstrengung setzt häufigen Kontakt kann nicht vergessen, aber voraus: Üben + Transfer verdrängt werden erste Tiefschlafphase
Traumphasen und folgende Tiefschlafphasen
Lernlust =/= Lernspaß • Kinder möchten sich als kompetent erleben • Kompetenzen stehen am Ende eines Lernweges • fordern Anstrengungsbereitschaft • und dass man die Welt um sich herum mit seinem Geist durchdringen möchte: Wissbegier, Neugier, Interesse
„Die Schule hat einfach nicht die Aufgabe Spaß zu machen“ Elsbeth Stern
• Lehrer/innen müssen Kompetenzen vermitteln. • Kinder müssen wissen, was sie können und was nicht realistisches Selbstbild. • Eltern und Lehrer/innen müssen viel von ihren Kindern/Schülern fordern – deren Leistungsgrenzen aber respektieren.
Elsbeth Stern • „Das mag jeder Mensch, dass er schließlich etwas kann, was anfangs schwer war.“
Lernen
Lernen aus neurobiologischer Sicht • Das menschliche Gehirn konstruiert sich seine Inhalte selbst • Zu lernen bedeutet: synaptische Kopplungen werden umstrukturiert und/oder Übertragungseigenschaften von Synapsen werden verändert • Diese Veränderungen werden durch das limbische System gesteuert - Auf was richtet sich meine Aufmerksamkeit? - Welche Motive habe ich zu lernen? - Welche Emotionen sind damit verbunden?
Wie Lernen die Synapsen verändert
1. 2. 3. 4. 5.
Ein Dendrit einer Nervenzelle (blau) besitzt auf seinen Dornen Synapsen mit Axonen anderer Zellen (grün, rot). Lernen oder ein neuer Reiz lassen einen dendritischen Dorn sprießen, der den Dendriten mit einer neuen Zelle (gelb) verbindet. Wird das Erlernte weiter trainiert, werden die Synapsen auf dem neuen Dorn ausgebaut und der Dorn vergrößert sich; der alte Dorn wird nicht mehr gebraucht und verschwindet. Bleibt das Training oder der Reiz aus, schrumpft der Dorn und die zugehörige Synapse wird geschwächt oder inaktiviert. Soll dieselbe Fähigkeit wieder genutzt werden, kann der noch bestehende Kontakt ausgebaut werden. Das Gehirn lernt dann schneller als beim ersten Mal. MaxPlanckForschung, 1(2013), S. 25
Wissenschaftliche Begründung für das Prinzip „kalkulierte Überforderung“
MaxPlanckForschung, 1(2013), S. 39
Lernen im Unterricht Konsequenzen •
•
•
Wissen kann nicht übertragen werden; es wird im Gehirn eines jeden Lernenden neu konstruiert Wissensvermittlung wird durch Faktoren gesteuert, die unbewusst und deshalb nur schwer beeinflussbar sind Lernen findet nur statt, wenn das Gehirn des Lernenden einen Gewinn bzw. Sinn im Lernen und im Erwerb des Lerninhalts sieht
Lernen im Unterricht Konsequenzen • Der Lehrende kann den Prozess des Lernens nicht direkt beeinflussen • Er kann jedoch - die perzeptiven - die kognitiven - die emotionalen Randbedingungen des Lernens beeinflussen
Lernen im Unterricht Konsequenzen Den Lernprozess in Gang zu setzen: – Eine freundliche Lernatmosphäre schaffen. Die Einstellung zum Lernen wird allerdings vor allem durch die Familie vermittelt. – Bemüht sein um fachliche und didaktischpädagogische Kompetenz. Ob Lernende ihm diese zuschreiben, ist stark abhängig vom Selbstbild des Lehrenden.
Neues muss anschlussfähig sein! • Gedächtnisinhalte werden nach Inhaltstypen analysiert und entsprechend in unterschiedlichen Schubladen abgelegt. • In je mehr Schubladen unterschiedlichen Typs ein Inhalt abgelegt wird, desto leichter kann er abgerufen werden (die zuständigen Schubladen fördern sich dabei gegenseitig). • Je anschlussfähiger ein Inhalt an den vorhandenen Schubladeninhalt ist, desto besser. • Je bildhafter, gestalt- oder sinnenhafter ein Inhalt ist, desto besser.
Der Lernprozess aus neurobiologischer Sicht
Lernen ist ein eigenaktiver, sich selbst organisierender Prozess. Er lässt sich in folgende Einzelschritte unterteilen: 1. 2. 3. 4. 5.
Wahrnehmen Erkennen Verstehen Speichen / Festigen Erinnern / Festigen
Schritte des Lernprozesses
Sichern
Einstieg
Erarbeiten
Durcharbeiten
Verstehen
Sichern
In den Verbalisieren Horizont der Schüler rücken
Festigen Einschleifen Automatisieren Anwenden Beweglichkeit herstellen
1. Schritt: Wahrnehmen • Den Sinnesorganen sind im Gehirn Wahrnehmungsfelder zugeordnet. Diese müssen aktiviert sein („stand-bySchaltung“), damit ein Reiz wahrgenommen wird. • ADHSler haben eine Störung im Bereich der Wahrnehmung
2. Schritt: Erkennen • bedeutet Anknüpfen an Bekanntes; der Anteil des Neuen darf nicht zu hoch sein (höchstens 15 %) • Das „Problem“ muss sichtbar werden, d.h. ins Bewusstsein gelangen und • Interesse wecken (Motivation, passendes Verhältnis von „bekannt“ zu „neu“ • Das limbische System wird aktiv
3. Schritt: Verstehen • Der neue Lerninhalt aktiviert Zellcluster im Gehirn, die synchron feuern; dadurch wird die neue Information repräsentiert. • Der bekannte Anteil aktiviert Neuronennetze, die ähnliche Inhalte repräsentieren; damit wird das Neue mit Vorhandenem verknüpft. • Das Erkennen von Strukturen aktiviert übergeordnete Neuronennetze, sog. Detektoren, z. B. der Detektor „Obst“ feuert bei Äpfeln, Birnen, aber auch bei exotischen, bisher unbekannten Obstsorten.
Limbisches System • Das limbische System sind die nach innen eingefalteten Ränder der Großhirnrinde + Hirnwindungen, die den Balken umschlingen + Hippocampus + Amygdala • Die Bauteile bilden einen neuronalen Schaltkreis, die über „Datenautobahnen“ miteinander verbunden sind.
Großhirnrinde = Kortex
Balken
Thalamus Amygdala Zwischenspeicher = Hippocampus blau = limbisches System „Datenautobahn“
Stammhirn
Kleinhirn Rückenmark
Die „Datenautobahn“ nach Helmut Wicht*
• umfasst das limbische System • entspricht dem Arbeitsgedächtnis • vernetzt die Bereiche der Großhirnrinde miteinander
*in Gehirn & Geist 9/2006, S. 64 - 66
Säume des Kortex
Amygdala-Kreis Papez-Kreis
Papez-Kreis
Amygdala-Kreis
„Datenautobahn“ Kreisverkehr: ringförmig miteinander verschaltete Nervenzellgruppen breite Trassen verbinden ihn mit dem Kortex
Spezialist für Emotionen: Furcht, Wut, Ekel Neues und Unerwartetes Gerüche
bewertet mit Lust/Unlust verändert das Vorwissen und schickt es zurück kontrolliert unsere Bewegungen
Aufmerksamkeit und Wahrnehmung hilft sich zu erinnern informiert motorische Zentren
Die „Datenautobahn“ • ist das limbische System, das eigentliche Arbeitsgedächtnis • bewertet alle neuen Informationen Interesse oder Langeweile • vernetzt neu eingehende Informationen von den Sinnesorganen mit dem gespeicherten Wissen im Kortex • schickt bearbeitetes Wissen zurück an den Kortex oder zum Zwischenspeichern an den Hippocampus • Kontrolliert Bewegungen
4. Schritt: Festigen • findet im Schlaf statt (über den Hippocampus in den Tiefschlafphasen) • förderlich ist häufiges Wiederholen und Erinnern • förderlich ist ein starker emotionaler Kontext
5. Schritt: Erinnern • ist an andere Strukturen gebunden als das Einspeichern (gilt für das deklarative Gedächtnis) • muss also stattfinden, um den Zugriff auf die Gedächtnisinhalte zu ermöglichen • ist ein eigenständiger Lernprozess
Gedächtnis
Behalten - Abspeichern • Das Gehirn hat mehrere Filter hintereinander geschaltet, um zu vermeiden „zugemüllt“ zu werden: - Ultrakurzzeitgedächtnis 3 sec - Kurzzeitgedächtnis 3 - 4 Min - mittelfristiges Gedächtnis 20 Min - Langzeitgedächtnis 3 Tage bis Jahre • Nachhaltigkeit beim Lernen erfordert also viel Zeit und häufigen Kontakt mit dem Lernstoff.
Gedächtnisstufen UltrakurzzeitGedächtnis 3 sec KurzzeitGedächtnis 20 Min. LangzeitGedächtnis 1 – 3 Tage
Die Sinneseindrücke von etwa 3 sec verschmelzen zu einem Sinneseindruck
Nachhaltiges Gedächtnis
Im Zeitabstand von 3 Wochen, Monaten und Jahren muss der Inhalt erinnert/abgerufen worden sein
Innerhalb dieses Zeitraums müssen Inhalte erneut aufgerufen werden, um evt. abgespeichert zu werden Die abgespeicherten Inhalte müssen innerhalb dieser Frist abgerufen werden
„Lernen im Schlaf“ • Tatsächlich kann man nachhaltig nur im Tiefschlaf abspeichern. Schlafmangel schränkt das Gedächtnis ein. • Die erste von fünf Tiefschlafphasen einer Nacht dauert besonders lange; sie ermöglicht, auch wenig emotionale Inhalte wie Vokabeln und Formeln abzuspeichern. • Medienkonsum (eine Stunde vor dem Einschlafen) führt dazu, dass die erste Tiefschlafphase entfällt das Gedächtnis für schulische Inhalte leidet deutlich.
Der Weg raus – Abrufen und Erinnern • Gedächtnisinhalte nehmen beim Abrufen/Erinnern einen anderen Weg als beim Einspeichern/Behalten. • „Der Weg raus“ muss also ebenso gebahnt, d. h. geübt werden wie „der Weg rein“.
Gedächtnis und Sprache
Die Funktion der beiden Gehirnhälften
Gedächtnissysteme Autobiografisches Wissenssystem Gedächtnis semantisches G.
unabdingbar an Sprache gebunden
Prozedurales Gedächtnis
Priming
S. d. Wiss. 9/96, S. 54
Priming
erleichtertes Erinnern ähnlich erlebter Situationen und bekannter Reizmuster vgl. Fotosammlung
Prozedurales Gedächtnis
speichert mechanische und motorische Bewegungs- und Handlungsabläufe
Wissenssystem = semantisches G.
Weltkenntnisse Schulwissen Semantik + Syntax Zusammenhänge
Episodisches oder autobiografisches Gedächtnis
singuläre Ereignisse autobiografische Inhalte nach Ort und Zeit bestimmte Fakten vgl. Filme
An Sprache gebunden sind das … semantische Gedächtnis + episodische Gedächtnis d.h. auf diesen Gedächtnisebenen findet Lernen nur vermittelt durch Sprache statt, Wissen wird über Begriffe abgespeichert
Neurobiologen stellen fest:
Wörter fungieren als Grundbausteine unseres bewussten Denkens „Kein Begriff, keine Aussage kann präziser verstanden werden, als es die individuelle Denkstruktur zulässt.“ (Muckenfuß)
Detektoren • sind Nervennetze im Gehirn, die das Gemeinsame einer Vielzahl von Wissenselementen repräsentieren, z.B. Kirschen - Äpfel – Birnen = Obst
• werden sprachlich als Oberbegriffe bezeichnet, sind „Knotenpunkte“ in der Sprache • entstehen selbst organisiert, aber beschleunigt, wenn man Schüler anleitet zu kategorisieren
„Sprache im Unterricht ist wie ein Werkzeug, das man gebraucht, während man es noch schmiedet.“
Begriffe • repräsentieren die Vorstellungen des Einzelnen zu einem Sachverhalt • bilden das Verstandene ab • richten den Blick der Schüler • präzisieren das Denken • ermöglichen den Austausch von Gedanken und Vorstellungen • beschleunigen den Gedankenaustausch
Sprache • Das episodische und das semantische Gedächtnis (deklarative Gedächtnisse) sind unabdingbar an Sprache geknüpft. • Wörter fungieren als Grundbausteine unseres bewussten Denkens. • Erst nach dem Aufbau eines gesicherten Grundwortschatzes entwickeln Kinder ein deklaratives Gedächtnis.
Sprechen fördert die Hirnaktivität Begriffe werden 7fach besser behalten, wenn sie nicht nur gelesen, sondern auch laut ausgesprochen werden. Das Gehirn ist besonders aktiv und kreativ, wenn man einen Waldspaziergang macht und seine Gedanken eher beiläufig mit einem Gesprächspartner austauscht.
Merkmale dieser „Lernsituation“ • Motorische Aktivität (hier: Sprechen) fördert die Hirnaktivität • Grün wirkt entspannend und löst Blockaden • Das Beiläufige der Situation lässt die Gedanken „fließen“, begünstigt das zufällige Aktivieren von Engrammen • Das Hören des selbst Gesagten und das Zuhören aktivieren das limbische System
Abrufen von Gedächtnisinhalten • Der soziale Kontakt bewirkt eine positive Grundgestimmtheit, die Sicherheit vermittelt und Raum für „Luxusfunktionen“ schafft (Offenheit für Neues)
Konsequenzen für Unterricht
Fachinhalte kommunizieren 1. Aufgaben stellen, aus der sich Kommunikation zwingend ergibt. 2. Methoden einsetzen, die zur Kommunikation über Fachinhalte führen. 3. Methoden u. Strategien der Präsentation vermitteln 4. Zum diskursiven Austausch anleiten. 5. Zur Reflexion des Lernweges anleiten.
Schüler zur Kommunikation anleiten • Sowohl in den Bildungsstandards als auch in den EPAs wird ausdrücklich gefordert, dass Schüler über Fachinhalte sachgerecht kommunizieren können. • Wer kommunikative Kompetenzen fordert, muss sie auch lehren, d.h. der Unterricht muss Gelegenheiten bieten, Kommunikation zu lernen und zu üben.
Literatur •
Abb. http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/Neurovorlesung%20161104.pdf, 21.04.2010, Hans-Joachim Pflüger, Neurobiologie, fu-berlin.de
•
Pfeiffer, Christian, Direktor am krimonologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V., aktuelle Forschungsberichte downloaden unter http://www.kfn.de/Publikationen.htm
Was ich noch sagen wollte … • Die Hattie-Studie bestätigt nicht den lehrerzentrierten Frontalunterricht, sondern den instruierenden Unterricht. • Gerald Hüther unterscheidet nicht zwischen Lernlust (autobiographisches Gedächtnis) und Lernfreude (semantisches Gedächtnis), s. Folie Nr. 10 • Richard D. Precht hat kein hinreichendes Wissen, um sich an der Diskussion zu beteiligen
Semantisches Gedächtnis Lernfreude! Fakten, Vokabeln, Gesetzmäßigkeiten, … Schulwissen unter Angst erworben nicht kreativ nutzbar
Autobiographisches Gedächtnis Lernlust! individuelle Lebensereignisse, an Zeitachse orientiert stark emotional konnotiert, dadurch von Dauer
verlangt Interesse und erfolgt zwangsläufig Anstrengung setzt häufigen Kontakt kann nicht vergessen, aber voraus: Üben + Transfer verdrängt werden erste Tiefschlafphase
Traum- Tiefschlafphasen
Lernlust Offenheit für Neues Anstrengungsbereitschaft
Aktives Aufsuchen von Lust versprechenden Situationen
Durchhaltevermögen
erfordert einen aktiven Lebenstrieb
erfordert häufigen Kontakt
einmaliger Kontakt reicht aus
semantisches Gedächtnis
autobiographisches Gedächtnis
Lernfreude
Kleine Kunde zur Neurobiologie
Information wird nicht einfach eins zu eins gespeichert, sondern verarbeitet
• Ein bestimmtes Reizmuster veranlasst entsprechende Neurone zu feuern. • Neurone, die gleichzeitig feuern, schließen sich zu einem Cluster zusammen und verstärken ihre Kontakte untereinander umso mehr, je häufiger sie gemeinsam erregt werden. Dadurch werden sie schneller und stabiler. • Ein Neuron kann einer Vielzahl verschiedener Cluster angehören und unterschiedlich stark feuern. • In Form der Cluster ist die Information gespeichert. Sie ändert sich mit jedem Abrufen.
Gelernt werden komplexe Muster und Strukturen.
• Gemeinsam mit dem aktuell sich herausbildenden Cluster feuern einzelne Neurone ähnlicher Cluster, sog. Detektoren (z.B. bei „Apfel“ wird auch „Obst“ aktiviert). • Diese übergeordneten Cluster repräsentieren Strukturen; sie ermöglichen es, den neuen Lerninhalt mit vorhandenem Wissen zu vernetzen.
Das Gehirn lernt nicht alles, es sucht nach Sinn und braucht Zeit
• Das Gehirn filtert aus der Vielzahl der Informationseinheiten die heraus, die das Überleben begünstigen: das limbische System bewertet alle eingehenden Informationen, indem es ihnen ein Gefühl zuordnet. • Das Gehirn hat mehrere Filter hintereinander geschaltet, um zu vermeiden „zugemüllt“ zu werden: Ultrakurzzeitgedächtnis (3 sec), Kurzzeitgedächtnis (3-4 Min.), mittelfristiges Gedächtnis (20 Min.), Langzeitgedächtnis (3 Tage – Jahre). • Nachhaltigkeit beim Lernen erfordert also viel Zeit und häufigen Kontakt.
Das Gehirn entwickelt sich und es bleibt plastisch.
• Bei Gebrauch werden neuronale Kontakte vermehrt und intensiviert, bei Nichtgebrauch eingeschmolzen. Man kann also nicht Nichtlernen; das Gehirn verändert sich zu jeder Zeit. • Damit verändert sich auch die eingespeicherte Information. • Auch das Vergessen ist ein Lernprozess. • Dauerstress und Angst lassen Hirnstrukturen schrumpfen, die dem Abspeichern dienen.
Abspeichern und Abrufen/ Erinnern sind unterschiedliche Lernprozesse
• Der Zugriff auf abgespeicherte Informationen erfolgt für das deklarative Gedächtnis auf einem anderen Wege als wie diese ins Gehirn hineingelangt ist. • Beide Lernprozesse müssen stattgefunden haben, um Wissen aktiv zu erinnern und zu nutzen.
Lernen aus neurobiologischer Sicht
Dendriten
Synapsen
limbische System
neuronale Kontakte Das Gehirn entwickelt sich und es bleibt plastisch
Information wird nicht eins zu eins gespeichert, sondern verarbeitet
Gelernt werden komplexe Muster und Strukturen
Das Gehirn lernt nicht alles, es sucht nach Sinn und braucht Zeit
Eigenaktivität und Interaktion
Strukturierung und Vernetzung
Interesse und Durchhaltevermögen
Es gibt kein Nichtlernen
passende Aufgaben stellen und den Diskurs fördern
informieren und Strukturen bewusst machen
begeistern und ermutigen
wiederholen, üben und benutzen