KLINIKFORUM. Krebstherapie heute. Was ist machbar? Was ist sinnvoll? Sonderausgabe

Zeitung des Universitätsklinikums Tübingen • Nummer 3 • Oktober 2006 • Jahrgang 10 KLINIKFORUM Sonderausgabe Vom Labor ans Krankenbett Transplantat...
Author: Judith Siegel
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Zeitung des Universitätsklinikums Tübingen • Nummer 3 • Oktober 2006 • Jahrgang 10

KLINIKFORUM Sonderausgabe

Vom Labor ans Krankenbett

Transplantation als Hoffnung

Selbstbestimmungsrecht

Tübinger Mediziner übersetzen neue wissenschaftliche Erkenntnisse in Therapien für Patienten mit Krebs.

Welche Perspektiven bietet eine Organtransplantation für Tumorpatienten?

Ja oder nein? Patienten entscheiden selbst über eine weitere Behandlung.

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Onkologische Vorlesungsreihe im Studium Generale

Krebstherapie heute Was ist machbar? Was ist sinnvoll? Krebs! Diese Diagnose löst bei den meisten Patienten und ihren Angehörigen erst einmal einen Schock aus. Auch für Nichtbetroffene ist Krebs oft ein angstbesetztes Thema. Dem Südwestdeutschen Tumorzentrum – Comprehensive Cancer Center (CCC) Tübingen ist es daher ein wichtiges Anliegen, die Thematik aus der Tabuzone zu holen, bestehende Berührungsängste abzubauen und durch den Dschungel an Informationen zu führen. Mit seiner dritten onkologischen Vorlesungsreihe, die im Frühsommer im Rahmen des Studium Generale an der Universität Tübingen stattfand, widmete sich das Tumorzentrum Tübingen der Fragestellung „Krebstherapie heute: Was ist machbar? Was ist sinnvoll?“. Über die Schwerpunkte der einzelnen Vorträge berichtet das KLINIK FORUM in der vorliegenden Ausgabe.

Fortschritt durch Forschung Die Onkologie macht stetig Fortschritte, und manche Krebserkrankung, die noch vor 30 Jahren unweigerlich zum Tode führte, ist heute heilbar. Ausgefeilte interdisziplinäre Therapiemodalitäten erlauben vielen Tumorpatienten ein längeres Überleben bei guter Lebensqualität. Diese Fortschritte kosten Geld. Aber nicht erst seitdem die verfügbaren Mittel immer knapper werden, sind Zweifel laut geworden, ob alles Machbare auch sinnvoll – und alles Sinnvolle noch machbar ist. Alles in allem ein komplexes Themengebiet, dem sich die neun Fachexperten und Chefärzte des UKT in ihren Vorträgen unter den verschiedensten Gesichtspunkten widmeten. Die Vorlesungsreihe stieß beim Publikum auf große Resonanz. Rund 150 Zuhörer – Patienten, Angehörige, Selbsthilfegruppenvertreter und

Interessierte – besuchten die einzelnen Vorlesungen im Schnitt. Zusätzlich übertrug die Abteilung Audiovisuelle Medien des UKT die Vorträge live in die Volkshochschulen in Böblingen und Rheinfelden. Die Aufzeichnungen aller Beiträge sind noch einmal im Patientenfernsehen des UKT zu sehen (Vortragsthemen siehe Seite 2). „Diese Vorlesungsreihe ist auch eine Chance für uns Kliniker, den Tübingern und allen Interessierten unsere Arbeit vorzustellen und einen Einblick in das breite Aufgabenspektrum eines Universitätsklinikums zu geben“, so Professor Lothar Kanz, Direktor des CCC Tübingen.

Das Tumorzentrum Tübingen Das Südwestdeutsche Tumorzentrum – CCC Tübingen ist im Jahr 2005 aus dem Interdisziplinären Tumorzentrum Tübingen (ITZ) hervorgegangen. Die neue Ausrichtung bringt Patientenversorgung und Forschung noch näher zusammen. Das bedeutet neben einer bestmöglichen Diagnostik, Therapie und Begleitung der Patienten insbesondere eine enge Verzahnung mit der onkologischen Grundlagenforschung, um die Ergebnisse aus der Forschung möglichst rasch zum Nutzen der Patienten in die klinische Praxis übertragen zu können. Dazu arbeiten alle beteiligten Fachdisziplinen unter dem Dach des Tumorzentrums eng zusammen. Im Tumorzentrum Tübingen finden Tumorpatienten und ihre Angehörigen Unterstützung in allen Phasen der Erkrankung. Die verschiedenen Angebote helfen den Betroffenen dabei, einen eigenen Weg zu finden, mit den Belastungen umgehen zu können und ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Um die Tumorpatienten während der Behand-

Angebote für Patienten und Angehörige

Herrenberger Straße 23 72070 Tübingen www.tumorzentrum-tuebingen.de [email protected]

Psychosoziale Krebsberatungsstelle Telefon 0 70 71 / 29 - 8 70 33 (vormittags) [email protected] Psychoonkologischer Dienst Telefon 0 70 71 / 29-8 70 53 Tübinger Projekt Häusliche Betreuung Schwerkranker Telefon 0 70 71 / 20 6 1 11 [email protected]

Das CCC Tübingen hilft Ihnen bei Ihren Fragen weiter: Telefon 0 70 71 / 29 - 8 52 36

Das Universitätsklinikum Tübingen: 17 Kliniken und zahlreiche Einrichtungen forschen an der Entwicklung neuer Krebstherapien.

lung am UKT nicht allein zu lassen, bietet der Psychoonkologische Dienst ihnen und ihren Angehörigen Beratung, Begleitung und psychotherapeutische Hilfe an. Auch in der Phase der Nachsorge und darüber hinaus ist es wichtig, eine Anlaufstelle zu haben. Im April diesen Jahres richtete das Tumorzentrum die Psychosoziale Krebsberatungsstelle ein, die allen Betroffenen professionelle Unterstützung und Begleitung anbietet. Weitere Aufgabe der Krebsberatungsstelle ist die Vernetzung der in der Region vorhandenen Hilfsangebote sowie die Koordination von Hilfen im Einzelfall. Dank des ambulanten Palliativ-Pflegedienstes „Tübinger Projekt: Häusliche Betreuung Schwerkranker“ können schwerkranke Tumorpatienten ihre letzte Lebenszeit gut versorgt zu Hause in den eigenen vier Wänden verbringen. Die Brückenpflege nimmt bereits im Krankenhaus Kontakt zu den Patienten auf und bietet von der Entlassungsvorbereitung bis zur Versorgung

zu Hause umfassende Beratung und Betreuung. Information und Austausch finden Patienten und Angehörige auf den regelmäßigen Patiententagen „Leben mit Krebs – Informationen und Hilfen für Patienten und Angehörige“, die immer auf großen Besucherzuspruch stoßen. Der nächste Patiententag ist für Anfang April 2007 geplant. Wer sich dafür interessiert, kann sich ein Programm zusenden lassen. Um den bestmöglichen Standard in Krankenversorgung und Forschung zu gewährleisten, liegt ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Südwestdeutschen Tumorzentrums in der onkologischen Qualifizierung von Ärzten und Pflegekräften. Nicht zuletzt hat das Tumorzentrum mit der Ludwig Hiermaier Stiftung für angewandte Krebsforschung ein zusätzliches Instrument zur Unterstützung der Krebsforschung, die zeitnah und unmittelbar den Patienten zugute kommt.

KLINIKFORUM 02

Vorfahrt für Vorsorge Die beste Waffe im Kampf gegen Krebs ist die Vermeidung von Risikofaktoren Trotz aller Fortschritte in der Diagnose und Behandlung von Krebs gibt es pro Jahr 400 000 Neuerkrankungen und 200 000 Todesfälle durch Krebs in Deutschland. Prof. Arnulf Stenzl, Direktor der Urologischen Universitätsklinik in Tübingen, betonte in seinem Vortrag die Bedeutung der Vorsorge. Auf bis zu 35 Prozent bezifferte Prof. Arnulf Stenzl den Anteil ernährungsbedingter Krebserkrankungen, weitere rund 30 Prozent gingen auf die Folgen von Tabakrauch zurück. „Damit sind nahezu zwei Drittel aller Krebserkrankungen grundsätzlich vermeidbar“, folgert der Direktor der Tübinger Urologie. Verglichen damit bleiben die Erfolge durch eine bessere Früherkennung und Therapie weit zurück. Positive Einflüsse nutzen, erwiesene Risiken vermeiden – das ist für den Urologen der Königsweg der Krebsvorsorge. Um bis zu 25 Prozent könne zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, an Darmkrebs zu erkranken, durch täglichen Verzehr von 400 Gramm Obst und Gemüse verringert werden. Auch regelmäßige sportliche Bewegung sei nachweislich ein Beitrag zur Krebsprävention. Auf der anderen Seite gingen 80 Prozent aller Lungenkrebser-

Info Die Themen der Vortragsreihe im Überblick: Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl Vorsorgen ist besser als Heilen? Krebsprävention, Früherkennung und die Realität Seite 2 Prof. Dr. med. Michael Weller Vom Labor ans Krankenbett und zurück – Translationale Krebsforschung in Tübingen Seite 2 Prof. Dr. med. Lothar Kanz Targeted Therapy: Kleine Moleküle mit großer Wirkung

Vortrag im Patientenfernsehen Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl:

Vorsorge ist besser als Heilen? Montags, 8.10 Uhr + samstags, 16.14 Uhr

arde Krebszellen bestünden. Vor allem stelle sich aber die Frage, was man mit den Ergebnissen der Früherkennung anfange. „Die Fortschritte in der Diagnose überflügeln die Fortschritte in der Therapie“, beschreibt Stenzl das Dilemma. Längst nicht für alle Tumorarten sei deshalb zuverlässig bewiesen, dass eine frühzeitige Erkennung die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung maßgeblich verbesserten. In diesem Bereich mangelt es zudem an wissenschaftlichen Erkenntnissen. So hat eine Studie in Skandinavien gezeigt, dass eine frühzeitige Erkennung und Entfernung von Prostatakarzi-

Vorsorge ist wichtig – wer nicht raucht, leistet einen Beitrag zur Krebsprävention.

nomen durchaus die Überlebens-Chancen der Patienten erhöht. Messbar wurde der Effekt aber erst rund sieben Jahre nach der Erkennung des Krebses. Eindeutig seien die Erfolge der Früherkennung bei Gebärmutterhalskrebs und Brustkrebs, bei Lungenkrebs hingegen konnte ein positiver Effekt durch Früherkennung bislang nicht nachgewiesen werden. „Unser Ziel muss sein, die aggressiven von den eher harmlosen Tumoren besser unterscheiden zu lernen“, forderte Stenzl. Neben den Chancen auf eine Heilung oder Verbesserung des Krank-

heitsverlaufs gehe es auch um Kostensenkung. In diesem Zusammenhang gebe es Ungereimtheiten im Gesundheitssystem, zum Beispiel, dass Krankenkassen lediglich die Kosten für Vorsorgeuntersuchungen mittels Ertasten bei Prostatakarzinomen übernähmen, nicht aber für weitergehende Untersuchungen. Studien in den USA hätten gezeigt, dass jede Krebserkrankung durchschnittlich rund 60 000 Euro Kosten im Gesundheitswesen verursache. Stenzls Forderung: „Die Politik muss investieren, um zu sparen.“ Go

Vom Labor ans Krankenbett Tübinger Mediziner übersetzen wissenschaftliche Erkenntnisse in Therapien gegen Krebs

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Prof. Dr. med. Rupert Handgretinger Möglichkeiten der Zelltherapie: Stammzelltransplantation bei Kindern Seite 4 Rüdiger Strehl Finanzierungsprobleme der modernen Krebsmedizin in Deutschland Seite 4 Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer Organtransplantation – macht sie bei Krebs Sinn? Seite 5 Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener Prof. Dr. med. Claus Belka Weniger Operation – mehr Organerhalt – gleiche Heilungschancen. Wann ist weniger mehr? Seite 6 Dr. Hans Jellouschek Paarbeziehung und Krebs

krankungen, die zudem mit der höchsten Todesfallrate aller Krebserkrankungen behaftet sind, auf Tabakrauch zurück. Auch Kehlkopf- und Blasenkrebs werden zu einem sehr großen Teil durch Rauchen verursacht. Zugenommen haben in den vergangenen Jahrzehnten auch die berufsbedingten Krebserkrankungen, wobei die Belastung durch Asbest die größte Rolle spielt, gefolgt von Strahlung und Kohlenwasserstoffen. Wesentlich heikler ist die Bewertung von Erfolgen in der Früherkennung, betont Stenzl. Das liege einerseits daran, dass bei Untersuchungen zumeist erst Tumore mit einem Durchmesser von etwa einem Zentimeter zuverlässig erkannt werden können, die bereits aus rund einer Milli-

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Prof. Dr. med. Georg Marckmann, Tübingen Therapie bis zuletzt? Von der Kunst des Unterlassens Seite 8

Vorlesungen auf DVD Die DVD mit der kompletten Vortragsreihe „Krebstherapie heute“ gibt es zum Preis von 120 Euro beim Zentrum für Informationstechnologie Audiovisuelle Medien, Telefon 0 70 71/ 29 - 8 43 42. (Einzelvorträge auf Anfrage, 15 Euro pro DVD) Die Vorträge werden im kostenlosen UKT Patientenfernsehen wiederholt. Die Sendetermine sind bei den jeweiligen Beiträgen zu finden.

„Krebs ist die genetische Erkrankung, die in einer einzelnen Zelle beginnt. Eine erfolgreiche Therapie muss deshalb an den Unterschieden zwischen normalen und Tumorzellen ansetzen“, beschreibt Prof. Michael Weller die Herausforderung. Der Ärztliche Direktor der Neurologischen Universitätsklinik arbeitet als Neuroonkologe an neuen Ansätzen, die helfen sollen, Krebs in Zukunft besser heilen zu können. Um eine Angriffsfläche für die Bekämpfung von Krebszellen zu finden, müssen die Forscher zunächst einmal die Unterschiede zu gesunden Zellen ausfindig machen. Ist dies gelungen, dann gibt es eine breite Palette denkbarer Strategien. Die Signalübermittlung innerhalb der schädlichen Zellen kann gehemmt werden, ebenso ihre Fähigkeit, innerhalb des Körpers zu wandern. Ein anderer Ansatz besteht darin, die Neubildung von Gefäßen zur Blutversorgung in Tumoren zu unterbinden. „Translationale Krebsforschung“ ist der Fachbegriff für den Versuch, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in eine medizinische Anwendung für Patienten mit Krebs zu übersetzen. Dabei werden häufig auch Ansätze für medizinische Zwecke genutzt, die auf Grundlagenforschung oder Forschungsergebnisse in nichtmedizinischen Disziplinen zurückgehen. So wurde in der Tübinger Hautklinik zum Beispiel ein neues Therapeutikum entwickelt, dass sogenannten „Mondscheinkindern“, die an der seltenen Hauterkrankung Xeroderma pigmentosum leiden, Linderung ermöglicht. Durch eine Störung der Fähigkeit zur Reparatur defekten Erbguts sind

die Betroffenen tausend Mal empfindlicher gegenüber der UV-Strahlung des Sonnenlichts als gesunde Menschen. Die von Tübinger Forschern mitentwickelte Salbe enthält Enzyme, die lokal zur DNA-Reparatur beitragen. Auch das körpereigene Immunsystem zur gezielten Bekämpfung von Krebszellen zu aktivieren, ist bereits in experimentellen Studien gelungen. So kann eine bestimmte Form des Nierenzellkarzinoms durch eine Impfung des Patienten mit tumorspezifischen Antigenen erfolgreich behandelt werden. Dazu werden dendritische Zellen von Patienten, die den „Geheimdienst des Immunsystems“ bilden, kultiviert und mit Hilfe von Tumorpeptiden zur Immunreaktion angeregt. Ebenfalls am Tübinger Universitätsklinikum wird an sogenannten bi-spezifischen Antikörpern gearbeitet. Sie dienen gleichsam „als Zwischenstück zwischen Tumor- und Abwehrzelle“, erläutert Weller. Gelingt es, sie zusammenzubringen, dann bekämpft das Immunsystem den Krebs. Zur Herstellung der Abwehrkörper läuft ein Projekt, bei dem klonierte Kühe als Produzenten fungieren. Vortrag im Patientenfernsehen Prof. Dr. med. Michael Weller:

Vom Labor ans Krankenbett und zurück Sonntags, 16.10 Uhr + dienstags, 8.15 Uhr

Längst nicht jeder innovative Ansatz führt auch tatsächlich zum Erfolg. „80 bis 90 Prozent unserer Hypothesen enden im Papierkorb. Es ist

Vom Labor ans Krankenbett – die klinikeigenen Forschungslabors liefern wichtige Ergebnisse für die Krebstherapien.

alles sehr aufwendig und wir sind noch meilenweit von Therapien entfernt, bei denen man eine Tablette einnimmt und geheilt ist“, räumt Weller ein. Trotzdem ist translationale Krebsforschung ein hoffnungsvoller Ansatz, den Fortschritten bei der Krebsdiagnose auch erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten folgen zu lassen. Die Vielfalt der am Tübinger Klinikum vorhandenen Experten und Disziplinen bietet dafür eine hervorragende Ausgangsbasis. Go

KLINIKFORUM 03 Mit neuen Strategien gegen Krebs

In der Zelle „spielt die Musik“ Prof. Lothar Kanz über Verfahren, die die Therapie revolutionieren werden

K o n z e p t e

Fast jeder Zweite in den Industriegesellschaften Anders beim Tumor. Hier läuft das Wachstum erkrankt an Krebs, jeder Vierte stirbt daran. ungeregelt und unkontrolliert ab, ausgelöst, wie Krebs ist vor allem eine Alterserkrankung, doch man heute weiß, durch einen genetischen Unfall die Therapieverträglichkeit nimmt im Alter ab. in einer Zelle – „ein minimaler Defekt kann „Wir brauchen deshalb in jeder Hinsicht neue bereits alles durcheinander bringen“. Krebs, so Strategien, um dem Problem Krebs gerecht Kanz, „ist eine Erkrankung der DNA“. zu werden“, so der Geschäftsführende Direk- Man kann heute, sagte er, davon ausgehen, tor der Medizinischen Klinik Prof. Lothar Kanz dass sieben entscheidende Charakteristika in in seinem Beitrag zum der Zelle den Krebs Studium Generale über ausmachen: Der ReVortrag im Patientenfernsehen „Targeted Therapy“ zeptor gibt plötzlich Prof. Dr. med. Lothar Kanz: (zielgenaue Therapie). ohne Befehl von außen Targeted Therapy: Kleine Dabei geht es um eine Signale zum ZellwachsMoleküle mit großer Wirkung neue Generation von tum. Die Tumorzelle ist Mittwochs,7.59 Uhr + donnerstags,16.27 Uhr maßgeschneiderter Sysunempfindlich gegen temtherapie, die in die wachstumshemmende Zelle hineingeht – denn hier „spielt die Musik“. Signale. Die Zellalterung ist gestört, der proKanz ist überzeugt: „Dieses Vorgehen wird in den grammierte Zelltod wird umgangen. Die Tumornächsten zehn bis zwanzig Jahren die Krebsthe- zelle entzieht sich der Tumorabwehr, durch eine rapie revolutionieren!“ „Tarnkappe“ legt sie das Immunsystem lahm. Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der Sys- Sie kann sich Blutgefäße heranholen und sie hat temtherapie ist das Tumorzellwachstum. „Wir gelernt, sich in die Ferne abzusiedeln und sich als müssen die Vorgänge beim Tumorzellwachstum Metastase weiterzuentwickeln. verstehen, um daraus Konsequenzen zu ziehen“. „Wir versuchen, dort, wo sich der Defekt abspielt, Bei der gesunden Zelle ist das Programm klar: also in der Zelle, spezifisch vorzugehen mit ziel„Oberflächenrezeptoren nehmen die von außen gerichteter Therapie “, erklärte Kanz und verwies kommenden Signale auf und leiten sie durch eine auf erste Erfolge dieser maßgeschneiderten Verkomplexe Kaskade zum Zellkern, der sie in den fahren, bei denen im Labor hergestellte „kleine entsprechenden Befehl umsetzt“, in diesem Fall Moleküle“ eine entscheidende Rolle spielen. zur Zellteilung. Stellvertretend hier das Beispiel Gastrointesti-

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In den Labors der Medizinischen Universitätsklinik wird unter Hochdruck an maßgeschneiderten Krebstherapien gearbeitet. Der Garten mit seinen alten Obstbäumen bietet zu jeder Jahreszeit Ruhe und Entspannung für die Patienten.

naler Stromatumor (GIST): „Wenn er nicht sehr früh entfernt wird, sind die Chancen für den Patienten schlecht.“ Ein Gen im Zellkern für einen bestimmten Rezeptor ist mutiert mit der Folge, dass die Kaskade, ohne Signal von außen, massiv abläuft. Am Computer wurde ganz gezielt zur Verdrängung der verantwortlichen, die Kaskade initiierenden Substanz ein kleines Molekül maßgeschneidert. Kanz: „Damit ist der fortgeschrittene GIST erstmals behandelbar – schon nach vier

Tagen ist die Wirkung der Tabletten feststellbar, nach 14 Tagen arbeitet der Tumor nicht mehr.“ Die Wege der Signalübermittlung in der Zelle verglich Kanz mit dem U-Bahn-Schaltplan einer Großstadt. Wenn eine Station gesperrt ist, kann man über Abzweigungen ausweichen. Die Therapien können deshalb, so Kanz, nur erfolgreich sein, „wenn sie zielgerichtet daran gehen und die angesteuerten Punkte in dem Schaltplan wesentlich sind“. Ro

KLINIKFORUM 04

Maßgeschneiderte Stammzelltransplantation

Kein Kind mehr ohne Spender Prof. Rupert Handgretinger nutzt die Möglichkeiten der Zellbiologie Die häufigste bösartige Erkrankung im Kindesalter ist die Leukämie. 3,5 von 100 000 Kindern unter 15 Jahren erkranken daran. Noch 1964 galt: keine Behandlung möglich. Heute, gerade mal 40 Jahre später, werden 80 Prozent der Kinder wieder gesund. Kein Kind muss mehr mangels geeigneten Spenders sterben.

außer Kraft, dass Eltern nicht Spender sein können, weil sie haploidentisch, halbpassend, sind. „Das Kind erbt Gewebemerkmale (HLA-Allele) von Vater und Mutter, und zwar von jedem die Hälfte – die andere Hälfte der elterlichen Merkmale passt deshalb nicht“, erklärte der Kinderhämatologe und -onkologe. Die nicht identischen Spenderzellen aber können lebensbedrohliche Komplikationen verursachen durch eine Abwehrreaktion der im Spendertransplantat befindlichen T-Zellen gegen den Körper des Kindes. Handgretinger und seine Mitarbeiter fanden einen Weg, dieses Risiko einer schweren akuten Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GvHD) durch Manipulation des Transplantats zu reduzieren und die extrem hohen Abstoßungsbarrieren zu überwinden. Sie nutzten eine neue Methode der Zellselektion, das magnetaktivierte Zellsortieren. Dabei werden nur die für die Hauptkomplikationen bei der Stammzelltransplantation verantwortlichen B- und T-Zellen aussortiert, die wichtigen Natürlichen Killerzellen mit ihrem antileukämischen Effekt bleiben Suchen Sie noch ein Projekt für ihre Weihnachtsspendenaktion? im Transplantat. „Wir konnten die Hier können Sie helfen! Für das gemeinsame Ziel, kranken Kindern zu helfen, arbeiten unter dem Dach von „Hilfe für kranke Kinder e.V“ elf Fördervereine in der haploidente Stammzelltransplantation Universitäts-Kinderklinik, darunter auch der „Förderverein für krebskranke Kinder so weit optimieren, dass die Sterbliche.V. Tübingen“ eng zusammen. Wir beraten Sie gerne! Ihre Ansprechpartner in der keit durch Nebenwirkungen mit unter Kinderklinik: Sigrid Kochendörfer oder Thomas Hassel, Telefon 07071/29-8 14 55, zehn Prozent gegen Null geht.“ E-Mail [email protected] Initiiert hat die rasante Entwicklung Prof. Rupert Handgretinger, seit dem Wintersemester 2005/06 als Nachfolger von Prof. Dietrich Niethammer Ärztlicher Direktor der Abteilung 1 der Uniklinik für Kinder- und Jugendmedizin, erinnerte in seinem Vortrag über „Möglichkeiten der Zelltherapie: Stammzelltransplantation bei Kindern“ daran, dass nur für zwei Drittel der leukämiekranken Kinder, die zum Überleben eine Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation benötigen, ein passender Geschwister- oder (über die Knochenmarkspenderdateien) Fremdspender gefunden wird. Mit der an der Tübinger Kinderklinik Anfang der 90er Jahre maßgeblich von Handgretinger mitentwickelten und seit 1995 hier etablierten haploidenten Stammzelltransplantation „können wir nun auch dem restlichen Drittel der Kinder helfen“. Und auch ein ethnisches Problem lösen: „Es ist sehr schwierig, zum Beispiel für ein türkisches Kind hier bei uns einen in den Gewebemerkmalen identischen Spender zu finden“. Das mittlerweile bei 86 Kindern (Stand Oktober 2005) angewendete Verfahren setzt das Dogma

Ende der Illusionen System der Fallpauschalen behindert den medizinischen Fortschritt in der Krebstherapie Gerade in der Krebsmedizin wird sichtbar, dass ein ausschließlich einnahmeorientiertes Finanzierungssystem im Gesundheitswesen den Bedürfnissen der Patienten nicht gerecht werden kann. Der kaufmännische Vorstand des Tübinger Universitätsklinikums, Rüdiger Strehl, fordert deshalb strukturelle Reformen und eine Kostenerstattung, die den Einzelfall berücksichtigt. Sonst drohen Zwei-Klassen-Medizin und der Verzicht auf innovative Methoden. Kein Zweifel, die Krebsmedizin muss erfolgreicher werden. Krebsleiden sind noch immer die zweithäufigste Todesursache in Deutschland, und gerade Krebserkrankungen bedeuten für Patienten und Angehörige häufig eine besonders ausgeprägte Leidenszeit. „Um Fortschritte zu erzielen, braucht es Forschung, Innovation und eine bessere Vernetzung der verschiedenen Disziplinen“, sagt Rüdiger Strehl. Gerade in der jüngeren Vergangenheit wurden neben den klassischen Behandlungsmethoden aus der Chirurgie, der Strahlen- und der Chemotherapie neue Ansätze in den Bereichen Stammzellforschung und Gentechnologie entwickelt, die erhebliche Potenziale für bessere Therapieerfolge in der Zukunft in sich tragen. „Es geht im Wesentlichen um Pharmainnovationen“, erläutert Strehl, der auch Vorsitzender des Verbands der deutschen Universitätsklinika ist. Doch gerade bei der Entwicklung und Erprobung neuer Medikamente droht den fortschrittlichen medizinischen Zentren die Kostenfalle: „Seit 1990 sind die Arzneimittelkosten des Klinikums von 8,8 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro ge-

stiegen, allein auf drei innovative Medikamente entfallen jährlich 2,45 Millionen Euro und damit ein Drittel der gesamten Krebs-Arzneikosten in Tübingen“, sagt Strehl. Die Chance auf eine durchschnittlich 20 Monate längere Überlebensdauer eines Patienten mit Dickdarmkrebs durch den Einsatz neuer Medikamente kann mit mehr als 100 000 Euro zu Buche schlagen. Zwar gibt es speziell für Kosten neuer Medikamente die Möglichkeit, sogenannte Innovationsentgelte zusätzlich zu beantragen. Doch zum erheblichen bürokratischen Aufwand für dieses Verfahren kommt die Ungewissheit, ob diese im Einzelfall auch tatsächlich gewährt werden. Die bundesweite Quote liegt lediglich bei sieben Prozent der beantragten Fälle, das Tübinger Klinikum konnte im Jahr 2006 bislang immerhin eine Übernahme der zusätzlichen Arzneimittelkosten in 40 Prozent der Fälle erreichen. Mit den Medikamentenkosten ist es aber nicht getan. Neue Behandlungskonzepte setzen in aller Regel auch zusätzliche Investitionen in neue medizinische Geräte, moderne Gebäude Vortrag im Patientenfernsehen Rüdiger Strehl:

Finanzierungsprobleme der modernen Krebsmedizin Montags, 16.46 Uhr + freitags, 6.50 Uhr

und technische Anlagen sowie Organisationsstrukturen voraus, hinzu kommt die begleitende Forschung. All diese Kosten müssen angesichts von Budgetierung und Fallpauschalen innerhalb

der amerikanische Entertainer Danny Thomas. „Kein Kind sollte wegen so einer Krankheit sterben“, sagte er, sammelte Geld und gründete 1962 das St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis. Dort wurden und werden Kinder immer noch unabhängig von ihrer Hautfarbe, versichert oder nicht, unentgeltlich behandelt, nach dem Motto Fortschritt braucht Forschung und Forschung Anstöße von und Rückkoppelung mit der Therapie. Der erste Direktor des Hospitals Donald Pinkel gilt heute als Begründer der Leukämie-Forschung. Heute verfügt das St. Jude über einen Jahresetat von 400 Millionen Dollar (alles Spendengelder!) und hat die weltweit größte Forschungs- und Therapie-Abteilung für pädiatrische Stammzelltransplantation. Handgretinger hat sie fünf Jahre lang bis zu seiner Berufung nach Tübingen geleitet. Was mit der haploidenten Stammzelltransplantation erreicht wurde, kann nun, sagte er, als Plattform wissenschaftlich und klinisch genutzt werden: „Die therapeutischen Möglichkeiten der Stammzelltransplantation sind groß und keinesVortrag im Patientenfernsehen Prof. Dr. med. Rupert Handgretinger:

Stammzelltransplantation bei Kindern Mittwochs, 16.28 Uhr + donnerstags 8.13 Uhr

wegs auf Leukämie und Blutbildung beschränkt.“ Hier nur ein Beispiel zum Schluss: Die pluripotenten Bindegewebsstammzellen können in der Regenerationsmedizin eine wichtige Rolle für die Gewebeersatztherapie spielen. Sie können aber auch bei heftigen Abstoßungsreaktionen immun regulierend wirken. „Jetzt wollen wir prüfen, ob sie auch bei Autoimmunerkrankungen einsetzbar sind.“ Ro

des Systems aufgefangen werden, auch weil die Zuschüsse des Landes für Forschung und Lehre seit 1998 um 22 Prozent zurückgegangen sind. Die logische Folge laut Strehl: „Bei dynamischen Kostenfaktoren ohne zusätzliche Einnahmen werden Innovationen gebremst.“ Für die Patienten bedeutet dies in der Praxis, dass längst nicht mehr alles medizinisch Erforderliche und Wünschenswerte durch ihre Krankenversicherung finanziert werden kann. „Nirgendwo wird so deutlich wie in der innovativen Onkologie, Altehrwürdiges aus der Uni-Apotheke: Heute kommen innovative dass die Zwei-Klassen-Medizin Krebs-Arzneimittel zum Einsatz, die einen hohen Anteil an den Behandlungskosten ausmachen. bereits besteht“, urteilt Rüdiger Strehl. „Zahlreiche fortschrittliche Diagnose- und Therapieformen sind im Er- Regelungen der Basisversorgung im Rahmen stattungssystem der gesetzlichen Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung herauszuüberhaupt nicht vorhanden.“ Zwischen drei und nehmen. Dafür brauchen wir Sonderregelungen mit eigenen Zugangsregelungen, Preisen und fünf Jahren dauert es, bis neue und erfolgreiche Behandlungskonzepte zur Einführung einer neu- Budgets bei zeitlicher Befristung und klaren Informations- und Kontrollvorgaben“, fordert er. en Fallpauschale führen. So sind zum Beispiel am Tübinger „Comprehensive Cancer Center“ Maßstab für die Zuteilung der Gelder müsse die jährlich zwischen 600 000 und 800 000 Euro an Qualifikation und nachgewiesene Kompetenz der Zusatzkosten durch innovative neue Strukturen beteiligten Mediziner sein. Zusätzliche Strukturund Qualitätssicherungsmaßnahmen nicht durch zuschläge für medizinische Leistungszentren, die eigenverantwortlich für technische und räumliche Leistungen der Krankenkassen abgedeckt. Für den kaufmännischen Vorstand des Tübin- Ausstattung sowie Forschung und Lehre verger Universitätsklinikums folgt daraus nicht der wendet werden könnten, seien außerdem erforRuf, schlicht mehr Geld in die Finanzierung des derlich. Ein solches System würde seine Kosten Gesundheitswesens zu pumpen. Der Erkennt- zumindest teilweise selbst erwirtschaften, meint Strehl: „Es wird in der Pharmaindustrie viel Geld nis, dass gerade in der Krebstherapie nicht mit Fallpauschalen und Durchschnittswerten gear- gemacht mit der missbräuchlichen Behauptung beitet werden kann, setzt Strehl Vorschläge für teurer Innovationen.“ Dies könnte zu einem guten ein individualisiertes Kostenerstattungssystem Teil durch qualifizierte begleitende Forschung entgegen. „Wir müssen den Versuch unterneh- und klare Erfolgskontrollen in Zentren der HochGo men, die innovative Medizin aus den generellen leistungsmedizin eingespart werden.

KLINIKFORUM 05

Transplantation als Hoffnung Auch für Tumorpatienten mangelt es an Organspendern Die Organtransplantation ist nach wie vor ein schwieriger Eingriff. Bei Krebspatienten müssen eine ganze Reihe zusätzlicher Aspekte vor einer Entscheidung bedacht werden. Trotzdem ist vor allem bei Leberkrebs die Transplantation in vielen Fällen die einzige Chance – wenn ein Spenderorgan rechtzeitig zur Verfügung steht. Grundsätzlich gelten für Tumorpatienten die gleichen Voraussetzungen für eine Organtransplantation wie bei allen anderen Erkrankten. „Wenn eine andere Therapieoption nicht vorliegt, stellt auch bei Krebspatienten eine Transplantation häufig die einzige Chance dar“, Vortrag im Patientenfernsehen Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer:

Organtransplantation – macht sie bei Krebs Sinn? Dienstags, 16.28 Uhr + freitags 8.00 Uhr

erläutert Prof. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor der Tübinger Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie. Die besondere Problematik besteht aber darin, dass nach einer Organverpflanzung eine lebenslange medikamentöse Unterdrückung von Abstoßungsreaktionen notwendig ist. Anders als Nieren oder Lungen ist die Leber bei jedem Menschen nur einmal vorhanden und kann auch nicht wie die Galle oder die Bauchspeicheldrüse durch Medikamente ersetzt werden. Je nach Art der Erkrankung überleben Patienten mit einer transplantierten

Leber die ersten drei Jahre nach der Operation mit einer Wahrscheinlichkeit von über 70 Prozent, Lebertumore führen hingegen bei fast allen Patienten innerhalb eines Jahres zum Tod. Das große Problem ist der Mangel an Spenderorganen. 25 bis 30 Spenderorgane pro einer Million Einwohner und Jahr wären erforderlich, um den vorhandenen Bedarf an Lebertransplantaten zu decken. Laut Studien gäbe es in Europa sogar bis zu 50 geeignete Organspender je Million Einwohner jährlich, tatsächlich stehen aber in Deutschland lediglich knapp 15 Organe zur Verfügung. In vielen Fällen werden Verstorbene, die als Spender in Frage kämen, nicht rechtzeitig an die zuständigen Stellen gemeldet beziehungsweise widersprechen Angehörige einer Organspende. Über 20 Prozent aller Patienten, die auf eine Lebertransplantation warten, sterben, bevor ein geeignetes Organ zur Verfügung steht. Von den Tumorpatienten müssen rund ein Drittel wieder von der Warteliste genommen werden, weil sich innerhalb der Wartezeit trotz Therapie oder teilweiser Entfernung des befallenen Leberanteils ihr Zustand so weit verschlechtert hat, dass eine Transplantation nicht mehr möglich ist. Angesichts dieser Situation müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit Patienten mit Leberkrebs auf die Warteliste aufgenommen werden. Ausschlusskriterien sind zusätzliche schwere Herz- oder Gefäßerkrankungen, maligne

Händedesinfektion vor der OP: Eine Organtransplantation ist nach wie vor ein schwieriger Eingriff, bei dem viele Fragen im Vorfeld geklärt werden müssen.

Tumore in anderen Organen und psychische Erkrankungen, die eine zuverlässige Medikamenteneinnahme gefährden. Kritisch sieht Königsrainer eine Alternative, die von verzweifelten Patienten oder deren Angehörigen immer wieder gefordert wird. Grundsätzlich ist es möglich, durch eine Lebendspende einen Teil der Leber eines gesunden Verwandten zu transplantieren. „Das wird sehr häufig von Patienten verlangt, die nicht auf die Warteliste gesetzt werden können“, ist die Erfahrung des Chirurgen. Abgesehen von dem Risiko ist auch der emotionale Druck, dem potenzielle Spender damit ausgesetzt werden, nicht vernachlässigbar. Der Eingriff ist für

den Spender nicht ungefährlich. „Auch wenn das Risiko für den Spender nur zwischen 0,3 und 0,5 Prozent beträgt – im Extremfall kann das eine 200-prozentige Mortalität bedeuten, wenn zum Beispiel Spender und Empfänger die Eingriffe nicht überleben“, begründet Königsrainer die zurückhaltende Praxis in Tübingen. „Für uns kommt dieses Verfahren in Frage, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und eine Wartezeit von mehr als sechs Monaten befürchtet werden muss.“ Vorrang muss aus seiner Sicht die Aufklärung der Bevölkerung und der Ärzte haben, damit künftig Spenderorgane in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Go

KLINIKFORUM 06

Je früher, desto größer die Chance

Organerhalt durch integrierte Therapie Prof. Diethelm Wallwiener und Prof. Claus Belka über die Wende in der Krebstherapie Noch vor 25 Jahren hätte ein Sarkom am Unterschenkel – eine bösartige Erkrankung des Binde- und Stützgewebes – Amputation bedeutet. Heute erreicht man mit Entfernen nur des Haupttumors und anschließender Strahlentherapie zur Zerstörung der in der Nachbarschaft versprengten mikroskopisch kleinen Tumor-Sateliten ebenfalls Heilung – ohne Unterschenkelund Funktionsverlust. Dieses Beispiel veranschaulicht den revolutionären Paradigmenwechsel in der Krebstherapie. Mit ihm und seiner Bedeutung für die Patienten beschäftigten sich der Ärztliche Direktor der Frauenklinik Prof. Diethelm Wallwiener und der stellvertretende Leiter der Klinik für Radioonkologie Prof. Claus Belka in der gemeinsamen Studium-Generale-Vorlesung „Weniger Operation – mehr Organerhalt – gleiche Heilungschancen. Wann ist weniger mehr?“

– bei gleichen Heilungsraten zum Teil Organerhalt gewährleisten kann“. Dies brachte laut Belka die Wende: „Einschränkung der Radikalität und Hinwendung zur systematischen Erfassung einer Tumorerkrankung mit dem Ziel Heilung und Organerhalt.“ Inzwischen könne man, so Belka, etwa bei den fortgeschrittenen Tumoren des HNO-Bereichs mit guter Heilungsrate durch die Kombination von Strahlentherapie mit Chemotherapie und eingeschränkter Operation der Lymphknoten das Sprachvermögen erhalten. Am Beispiel Enddarmkarzinom unter anderen zeigte Vortrag im Patientenfernsehen Belka, dass man Organerhalt (hier des Schließmuskels) Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener Prof. Dr. med Claus Belka: auch oft schon allein durch Umstellung der Therapieab- In der onkologischen Weniger Operation läufe leisten kann: „Man än- Tagesklinik der Universi– mehr Organerhalt – dert einfach nur kleine Teile täts-Frauenklinik kann die gleiche Heilungschancen. medikamentöse TumortheWann ist weniger mehr? der Behandlungssequenz, in- rapie, beispielsweise bei dem man wie in diesem Fall Brust- oder bei EierFreitags, 16.57 Uhr + samstags, 8.13 Uhr die Radiochemotherapie nicht stockkrebs, durchgeführt hinter, sondern vor die Opera- werden. Helle, freundliche Räume sowie ein Zugang Bis vor 30 Jahren galt, resümierte Belka, das tion setzt.“ Ergebnis der kli- zur Dachterrasse tragen daDogma vom lange lokal begrenzten, nur durch nischen Studie: Schließmus- zu bei, den Aufenthalt der eine sehr radikale Operation behandelbaren kelerhalt früher bei 19 Prozent Patientinnen so angenehm Tumor. Belka: „Rücksicht auf Funktions- oder der Patienten, mit Umstellung wie möglich zu gestalten. Organerhalt wurde da nicht genommen.“ bei 38 Prozent. Dieser Radikalitätsgedanke, erklärte der Radio- Eingeschränkte Operation mit nachfolgender onkologe, „kam in den 80er Jahren ins Wan- Strahlentherapie wie in dem eingangs skizzierten ken durch die Erkenntnis, dass man durch die Beispiel Belkas ist nicht nur bei Sarkomen eine In Deutschland erkranken jedes Jahr fast 60 000 Kombination verschiedener Therapieverfahren – Möglichkeit, sondern vor allem auch bei Brust- Frauen an Brustkrebs. Der Paradigmenwechsel Chemotherapie, Strahlentherapie und Operation krebs. von der Radikalität zur System-Therapie bewirkte bei den Frauen, so Prof. Wallwiener in seinem Beitrag, vor allem auch eine „Minimierung des Therapie-Traumas“. Mit den modernen BehandINFO lungskonzepten, erläuterte er, „wird zwar der Tumor auch radikal operiert, aber das Organ bleibt erhalten“. Erreicht wird dies „durch die Einbettung in eine multimodale Therapie“, Bestrahlung und individuell zugeschnittene Chemotherapie vor und/ Gemeinsames Brustzentrum Zollernalb-Tübingen oder nach der Operation und gegebenenfalls Offiziell zertifizierte und interdisziplinäre Geleitet wird das gemeinsame Brustzentrum Hormontherapie. Von den zwanzig LymphknoBrustzentren gewährleisten für Frauen eine von Professor Dr. Diethelm Wallwiener, dem ten im Bereich Achselhöhle wird übrigens, sagt qualitätsgesicherte Früherkennung, Diagnose Ärztlichen Direktor der Universitäts-FrauenkliWallwiener, bei der OP nur der Wächterlymphund Behandlung und schützen sie vor unnö- nik Tübingen. Neben den Ärzten des Zollernalb knoten – der erste auf der Lymphknotenschnur tigen Operationen oder zu spät erkannten Klinikums werden auch Spezialisten aus der – entfernt und auf Krebszellen untersucht – ist bösartigen Tumoren. Das Brustzentrum an Universitätsfrauenklinik die Patientinnen mit er sauber, bleibt’s bei dem einen. der Tübinger Frauenklinik spielt dabei eine Brustkrebs mit den aktuellen Diagnose- und Doch auch hier, so die beiden Referenten, hänVorreiterrolle: Als erstes Zentrum bundesweit Therapieverfahren behandeln. gen wie bei jeder Krebserkrankung Heilungserwurde es durch die Deutsche Gesellschaft für Die Einrichtung eines gemeinsamen Brustzenfolg und Organerhalt von der Ausbreitung bezieSenologie und die Deutsche Krebsgesellschaft trums Zollernalb-Tübingen vertieft die 2003 hungsweise Größe des Tumors ab. Wallwiener offiziell zertifiziert. Gynäkologen, Radiologen, durch die Beteiligung des UKT an der Zollerunterstrich deshalb einmal mehr Sinn und Zweck Strahlentherapeuten und Pathologen arbeiten nalb Klinikum gGmbH begonnene Partnerdort eng zusammen. schaft des Zollernalbkreises und des UKT bei Seit 2006 bilden die Brustzentren des Uni- der stationären Krankenversorgung. Impressum versitätsklinikums Tübingen und des Zoller- Seit 1. September 2006 ist Dr. Peter Riefler nalb Klinikums am Krankenhaus Albstadt das Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe Herausgeber: Universitätsklinikum Tübingen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gemeinsame, zertifizierte Brustzentrum Zol- am Krankenhaus in Albstadt. Der 40-jähRedaktion und Gestaltung: lernalb-Tübingen. Damit ist die Behandlung rige gebürtige Hechinger war zuvor Oberarzt UHLAND2 - Agentur für PR, Werbung und von an Brustkrebs erkrankten Patientinnen am Universitätsklinikum Tübingen. Aufgrund Neue Medien GmbH, auch im Zollernalbkreis langfristig gesichert seiner bisherigen Tätigkeit soll das gemeinUhlandstraße 2, 72072 Tübingen und gewährleistet eine moderne und den sam mit dem Universitäts-Klinikum Tübingen Fotos: FotoReproGrafik (frg), Marie-Luise Koschowsky, neuesten Erkenntnissen entsprechende Be- zertifizierte Brustzentrum weiter ausgebaut Luftbild: Manfred Grohe handlung. werden.

Sicherheit für Brustkrebspatientinnen

der Vorsorgeuntersuchungen: „Wenn der Tumor in der Brust einen Zentimeter oder weniger misst, können wir die Frau fast immer auf Dauer heilen und die Brust erhalten.“ Bei etwa 70 Prozent der jährlich rund 500 in Tübingen operierten neu erkrankten Patientinnen gelingt das. Ein Problem ist, „dass gerade die Frauen zwischen 50 und 70, die vor allem von Brustkrebs betroffen sind, immer weniger zum Frauenarzt gehen – wenn sie zu uns kommen, ist der Tumor schon zu groß und wir können nicht mehr Brust erhaltend operieren“. Heute liegt die Überlebensrate bei Brustkrebs bei rund 80 Prozent. In diesem Zusammenhang wies Wallwiener auf die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit und Qualitätssicherung in zertifizierten Brustzentren für die Frauen hin, deren erstes das an der Tübinger Frauenklinik war (Dezember 2002). Inzwischen gibt es deutschlandweit bereits 109 Brustzentren mit Gütesiegel (30 davon in Baden-Württemberg), die nach einheitlichen international orientierten Leitlinien arbeiten. Wallwiener: „Sie garantieren den Frauen optimale qualitätsgesicherte Vorsorge und Therapie“. Ro

Texte: UHLAND2 , Rosemarie Greiner (Ro), Stephan Gokeler (Go), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit UKT Redaktionsanschrift: Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 47, 72076 Tübingen [email protected] Anzeigen: Günther J. Straub Telefon 0 71 52/ 4 89 30, Fax 0 71 52 / 4 17 48 Druck: Deile Druck GmbH

KLINIKFORUM 07

Die Krankheit als Herausforderung

Trotz und mit dem Krebs möglichst gut leben Dr. Hans Jellouschek über gemeinsame Krankheitsbewältigung als Paar Gestern war wie immer. Heute dann das Untersuchungsergebnis: Krebs. Mit einem Schlag scheint nichts mehr, wie es war. Wie soll man damit fertig werden, wie wird der Lebensgefährte reagieren? Der Paartherapeut Dr. theol. Hans Jellouschek beschäftigte sich in seiner Vorlesung über „Paarbeziehung und Krebs“ mit den Problemen und auch Chancen einer gemeinsamen Krankheitsbewältigung, die für ihn nicht in erster Linie nur Streben nach Heilung ist. Das nämlich, warnte er, kann auch destruktiv wirken, vor allem, wenn die Schulmedizin keine Heilung versprechen kann. „Man entwickelt subjektive Krankheitstheorien, geht zu Leuten, die Hilfe anbieten – die Krankheit beginnt, das ganze Leben des Kranken und des Paares zu dominieren.“ Krankheitsbewältigung versteht Jellouschek vor allem auch als „gemeinsames Streben danach, einen Weg zu finden, trotz und mit der Krankheit möglichst gut zu leben, mit oder ohne Heilung.“ Der Part des gesunden Partners ist dabei nicht leicht. Jellouschek: „An seinem Verhalten wird sich sehr stark entscheiden, mit welcher Haltung, Energie und Lebenszuversicht der Erkrankte seine Situation bewältigen kann.“ Krebs ist „wie ein Dritter, der sich in die Beziehung einmischt“. Die Gefahr: Einer der beiden Partner fühlt sich ausgeschlossen. Die Krankheit sieht

der Psychotherapeut als eine Herausforderung für die beiden Partner zu einem soliden Bündnis, also „die Krankheit des einen zur gemeinsamen Sache als Paar zu machen“. Für den Kranken heißt das, „den anderen nicht zu schonen, sondern sich ihm zuzumuten mit der Angst, Verzweiflung, dem Schmerz, für den Gesunden, sich einzulassen auf die Gefühlsebene des Kranken, das Leid mit ihm zu teilen“. Das bedeutet laut Jellouschek für beide eine Stärkung, „weil neue Nähe, neue Innigkeit entsteht“. Die Chance eines solchen Bündnisses sieht er darin, „dass die Kräfte des Zusammenhalts mobilisiert, gestärkt oder überhaupt erst geschaffen werden und das alles zu einer starken Verlebendigung der Beziehung führen kann“. Vortrag im Patientenfernsehen Dr. Hans Jellouschek:

Paarbeziehung und Krebs Dienstags, 15.26 Uhr + samstags, 14.13 Uhr

Das trifft, sagte er, oft auch für den Bereich der Sexualität und Erotik zu. „Wenn es da Schwierigkeiten gibt, ist das Allerwichtigste, das nicht zu tabuisieren.“ Gerade in dieser Situation „braucht man nicht nur eine geistige Verbindung, sondern auch den Körperkontakt“ – auch wenn’s nichts

mehr mit dem Sex ist. Jellouschek: „Von den Dingen, die uns Halt im Leben geben, gerade in solch gefährdender Situation, ist der innige Haut- und Körperkontakt das Wichtigste.“ Die Konfrontation mit dem Tod ist bei dieser Krankheit wohl unvermeidlich. Die Frage „habe ich, haben wir wirklich gelebt“, ist, weiß der Psychotherapeut, ein wichtiger Aspekt bei der Bewältigung der Krankheit. Der Krebs kann auch eine Herausforderung sein, das Leben im Hier und

Jetzt auszukosten, Dinge zu tun, die man immer schon mal tun wollte … Eine Frage, die, glaubt der Referent, heute für viele aktuell werden kann, ist die nach der religiösen Erfahrung: „Wie komme ich zu einer Erfahrung von einem letzten Halt, wenn aller andere Halt zerbricht?“ Jellouschek: „Es ist wichtig, dass Paare darüber zu sprechen beginnen und den Mut haben, sich auf die Suche zu machen, um etwas von dieser haltenden Dimension zu finden.“ Ro

KLINIKFORUM 08

Gewinnen durch Verzicht Selbstbestimmungsrecht des Patienten gilt auch für eine Entscheidung gegen Therapien bis zuletzt Nicht immer ist alles, was medizinisch möglich scheint, auch im Interesse des betroffenen Patienten. Gerade in der Krebsmedizin stellt sich häufig die Frage, bis zu welchem Punkt Therapieversuche ethisch geboten sind. Prof. Georg Marckmann vom Tübinger Institut für Ethik in der Medizin stellt die Selbstbestimmung des Patienten in den Mittelpunkt. Ein Patient leidet unter einem Tumor im Brustbereich, der die Lungengrenzen bereits überschritten hat und in den Rückenmarkskanal eingewachsen ist. Er kann durch eine Operation nicht mehr vollständig entfernt werden. Nach einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie bessert sich sein Zustand zunächst, doch dann werden Metastasen in der Nebenniere, der Bauchspeicheldrüse und der Leber entdeckt. In diesem Beispiel aus der klinischen Praxis stellt sich die Frage, ob eine weitere hoch dosierte Chemotherapie angewendet werden soll. Dabei, so sagt der Tübinger Professor Georg Marckmann, handelt es sich nicht mehr um eine rein medizinische Fragestellung. Vielmehr sind in solchen Fällen, wie sie gerade in der Krebstherapie an der Tagesordnung sind, ethische Fragen berührt. Der medizinische Fortschritt, der vielen Patienten heute bessere Überlebenschancen nach einer ErstErkrankung bei Krebs ermöglicht, eröffnet in der Folge neue Fragestellungen, die Marckmann als „brennend und zugleich schwierig“ bezeichnet. Denn dem Versuch, alles medizinisch Mögliche für den Patienten zu unternehmen, was wenigstens die Aussicht auf eine Lebensverlängerung in sich

birgt, stehen häufig geringe Erfolgsaussichten und eine stark geminderte Lebensqualität entgegen. Wichtig ist bei der Abwägung, ob eine Anti-Tumor-Therapie fortgesetzt werden soll, dass damit nicht über therapeutische Maßnahmen insgesamt entschieden wird. Schmerztherapie und die Behandlung von Folgeerscheinungen der Krebserkrankung muss jederzeit unabhängig von der Bekämpfung von Tumoren erfolgen. Unter rein ethischen Gesichtspunkten lässt sich für Marckmann klar definieren, wann eine Krebstherapie geboten ist: Wenn sie nach dem aktuellen Kenntnisstand für den Patienten mehr Nutzen als Schaden bietet, wenn der Patient nach ausführlicher Aufklärung in die Durchführung der Therapie einwilligt und wenn die Therapie nach dem aktuellen medizinischen Wissensstand ausgeführt wird. Doch der Teufel liegt im Detail. Über die medizinischen Erfolgsaussichten kann der Arzt urteilen, doch der Nutzen einer Therapie hängt vor allem von Werturteilen des Patienten Vortrag im Patientenfernsehen Prof. Dr. med. Georg Marckmann:

Therapie bis zuletzt? Von der Kunst des Unterlassens. Samstags, 18.24 Uhr + sonntags, 7.53 Uhr

ab. Ist ein „Kampf bis zuletzt“ einer besseren Lebensqualität für eine kürzere Zeit vorzuziehen? Zählt eine noch so geringe Aussicht auf Heilung mehr als die Chance, sich bewusst mit dem Sterben und dem Tod auseinander zu setzen?

„Das sind sehr individuelle Entscheidungen, gefragt ist Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten“, meint der Medizinethiker, was aber nicht einen Rückzug des Arztes bedeute. Ihm kommen ebenso wie den Pflegekräften und den Angehörigen wichtige Aufgaben bei einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zu. Marckmann plädiert für ein Partizipations-Modell zwischen Arzt und Patient, das eine offene Kommunikation über Chancen und Risiken ermöglicht, Alternativen aufzeigt und Hilfestellung bei der Klärung und Entwicklung einer eigenen Patientenentscheidung gewährt. Für viele Ärzte stellt dies eine schwierige Aufgabe dar. „Unser Medizinsystem ist traditionell auf Lebensverlängerung ausgerichtet. Sterben zulassen zu können, obwohl man das Leben noch verlängern könnte, ist eine Herausforderung“, sagt Marckmann. Auch für Patienten: Laut einer Studie würden 53 Prozent der Krebspatienten eine experimentelle Therapie mit starken Nebenwirkungen selbst dann akzeptieren, wenn die Heilungschance nur bei einem Prozent läge. Deshalb gehört für Marckmann auch die Aufklärung über die Vorteile eines Therapieverzichts in aussichtslosen Fällen zu den ärztlichen Aufgaben. „Man kann durch einen Verzicht auch gewinnen“, ist er überzeugt. Wenn ein Patient auf eine belastende Chemotherapie verzichtet, kann er Zeit zur freien Verfügung gewinnen. Ohne die oft massiven Nebenwirkungen, regelmäßige Therapietermine und das bange Warten auf immer neue ärztliche Untersuchungsergebnisse und

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Ja oder nein zu einer weiteren Behandlung? Die Entscheidung für einen Therapieverzicht hängt immer von den individuellen Lebensvorstellungen des Patienten ab.

Prognosen fällt es häufig leichter, bewusste und selbstbestimmte Entscheidungen über die verbleibende Lebenszeit zu treffen. Offene Gespräche mit Angehörigen über Abschiednehmen und Tod gehören ebenso dazu wie die Möglichkeit, noch eine lang ersehnte Reise zu unternehmen oder die letzten Tage im häuslichen Umfeld anstatt in der Klinik zu verbringen. Letztlich, so Marckmann, sei ein Therapieverzicht immer eine höchst persönliche Entscheidung, die von individuellen Vorstellungen vom guten Leben abhängt. Go