Klimawandel als sicherheitspolitische Herausforderung

Tagungsbericht Klimawandel als sicherheitspolitische Herausforderung Dipl. sc.pol.Univ. Sarah Jones Expertentagung der Hanns-Seidel-Stiftung in Koope...
Author: Kajetan Bretz
1 downloads 0 Views 122KB Size
Tagungsbericht

Klimawandel als sicherheitspolitische Herausforderung Dipl. sc.pol.Univ. Sarah Jones Expertentagung der Hanns-Seidel-Stiftung in Kooperation mit der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik und der Clausewitz-Gesellschaft im Konferenzzentrum München Datei eingestellt am 12. Januar 2010 unter www.hss.de/download/101208_TB_Klimawandel.pdf

Empfohlene Zitierweise Beim Zitieren empfehlen wir hinter de n Titel des B eitrags das Datum der Einstellung und nach d er URL-Angabe das Datum Ihres le tzten Besuchs dieser Online-Adresse anzugeben. [Vorname Name: Titel. Untertitel (Datum der Einstellung). In: http://www.hss.de/...pdf (Datum Ihres letzten Besuches).]

Tagungsbericht

Klimawandel als sicherheitspolitische Herausforderung Dipl.sc.pol.Univ. Sarah Jones Expertentagung der Hanns-Seidel-Stiftung im Konferenzzentrum München

Die Akademie für Politik und Zeitgeschehen veranstaltete in Kooperation mit der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik und der Clausewitz-Gesellschaft Konferenzzentrum München eine Expertentagung zum Thema „Klimawandel als sicherheitspolitische Herausforderung“. Die klimatischen Veränderungen werden die Anpassungsfähigkeit vieler Gesellschaften überfordern und damit das Konfliktpotenzial erhöhen. Gewalt und Destabilisierungsprozesse bedrohen die nationale und internationale Sicherheit in einem. So wird auch eine krisenpräventive Klimapolitik in den Fokus rücken müssen. In seiner Begrüßung betonte Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser, Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen, die Wichtigkeit des Themas: Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die rasche Maßnahmen erfordert. Da sich der Klimawandel politisch mehrdimensional darstellt, also viele verschiedene Bereiche davon betroffen sind, sei auch die Veranstaltung mit einem breiten Ansatz konzipiert worden. Prof. Dr. Wolfgang Seiler, ehemaliger Direktor des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch Partenkirchen eröffnete seinen Vortrag mit seiner Prognose, dass der Klimawandel und seine Folgen zukünftig noch intensiv diskutiert werden. Das Klima war zwar schon immer Schwankungen unterlegen, in den letzten Jahrzehnten hat es sich jedoch viel umfangreicher und heftiger verändert, als es jemals diskutiert worden ist. „Der Klimawandel ist eine Tatsache. Ein weiterer Klimawandel ist aufgrund der Trägheit des Klimas nicht mehr vermeidbar und mit erheblichen z.T. kaum abschätzbaren ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen“ verbunden, warnt der renommierte Meteorologe. Sein dringender Apell: „Wir brauchen deshalb dringend Anpassungsstrategien “. Von 1880 bis heute ist die Temperatur um ein Grad Celsius angestiegen. Hinzu kommt, so Seiler, die Erwärmung, die wir bereits ausgelöst haben, die aber aufgrund der physikalischen Trägheit des Klimasystems noch nicht wirksam geworden ist. Dies ergibt einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur seit Messungsbeginn vor etwa 150 Jahren um 1,7 Grad Celsius. Zum Vergleich bezifferte Seiler die Temperaturdifferenz zwischen der heutigen Warmzeit und der letzten Eiszeit mit ca. 4 Grad Celsius. Entscheidend für die Umwelt und die Schäden ist jedoch nicht die

Temperaturerhöhung, sondern vielmehr die Veränderung des Niederschlagsverhaltens, das sich in den letzten Jahren massiv und regional stark unterschiedlich entwickelt hat und für daraus resultierende Zunahme von Überschwemmungen, Dürren, Stürme und Anstieg bzw. Ausbreitung von Epidemien verantwortlich sind. Seiler weist auch die Argumente der so genannten Klimaskeptiker zurück, die vielfach den Temperaturanstieg mit Veränderungen der Sonneneinstrahlung erklären wollen. Durch Satellitenmessungen ist nachgewiesen worden, dass in den letzten 35 Jahren die Intensität der Sonneneinstrahlung zurückgegangen, in dieser Zeit aber der stärkste Temperaturanstieg zu verzeichnen gewesen ist. Es müssen deshalb andere Prozesse wirksam gewesen sein. Ein entscheidender Faktor ist dabei die veränderte Konzentration der sogenannten Treibhausgase, die einen maßgeblichen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Atmosphäre haben und damit auch das Klima auf der Erde bestimmen. Die wichtigsten Treibhausgase sind: CO2 (Kohlenstoffdioxid), CH4 (Methan), N2O (Lachgas), O3 (Ozon) und FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe). Wären diese Treibhausgase nicht in der Atmosphäre vorhanden, würde sich an der Erdoberfläche hypothetisch eine mittlere, weltweite Temperatur von -18 Grad Celsius einstellen. In Wirklichkeit liegt die mittlere Temperatur aber um 34 Grad Celsius über diesem Wert, was die Bedeutung der Treibhausgase für das Klima verdeutlicht. Die Konzentration dieser Stoffe hat sich durch industrielle Entwicklungen jedoch stark erhöht. So hat das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) bereits Konzentrationen von ca. 400 ppm erreicht. Messungen im „ewigen Eis der Arktis und der Antarktis“ haben gezeigt, dass die CO2-Konzentration in den letzten 750 Tausend Jahren noch nie so hoch war wie heute. Wegen der starken Auswirkungen des Klimawandels wird auf internationaler Ebene angestrebt, den Klimawandel auf einen Wert von 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Wert zu begrenzen. Nach Meinung von Seiler wird nach Lage der Dinge dieser Wert mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden. Es würde dann ein Klima vorherrschen, das in den letzten 750.000 Jahren nicht beobachtet worden ist. Dementsprechend seien die Auswirkungen des Klimawandels und die Rückkopplungseffekte nur schwer abzuschätzen. Die Industrieländer sind zweifelsfrei die Hauptschuldigen am Klimawandel, die Leidtragenden jedoch die armen Länder, die bei Berücksichtigung der langen Verweildauer des Kohlendioxids in der Atmosphäre aber so gut wie keinen Beitrag zum Klimawandel geleistet haben. Damit entsteht insofern ein Ungleichgewicht, als die Verursacher des Klimawandels nur im geringen Umfang betroffen sind und dementsprechend auch keine große Veranlassung sehen, entscheidende Maßnahmen zu Stabilisierung des Weltklimas durchzuführen. Daraus resultiert nach Seiler ein sich verstärkender Nord-Süd-Konflikt, der von hoher sicherheitspolitischer Bedeutung sein wird. Als Beispiel für die heute schon zu sehenden Auswirkungen des Klimawandels verwies Seiler dabei auf den Sudan, wo sich die Wüsten in den

vergangenen Jahrzehnte um mehrere hundert Kilometer nach Süden verschoben und zu einem Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche geführt haben. Die Folge sind Migrationen innerhalb des Landes, die durch ethnische Auseinandersetzungen und den demographischen Wandel noch verstärkt werden. 5 Millionen Flüchtlinge in provisorischen Lagern ohne Infrastruktur, Versorgung und ärztliche Betreuung (Internal Displaced Persons) sind der beste Nährboden für Gewalt und Terrorismus. Wassermangel und Überschwemmungen treffen ausgerechnet jene, die doch am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Steigt der Meeresspiegel, werden die dicht bevölkerten Küsten, wo auch die fruchtbarsten Böden liegen, betroffen sein, etwa in Bangladesch oder im Nildelta. „Es wird Umweltmigration geben, und dies wird auch uns verstärkt betreffen, weil diese Menschen an die Haustüre der EU anklopfen werden“. Wenn dann noch die landwirtschaftliche Nutzfläche durch Bodenerosion und Versalzung abnimmt und die Industrienationen versuchen ihre Nahrungssicherheit durch Pachtung großer Ländereien in den Entwicklungsländern zu sichern, wird es mit Sicherheit zu Konflikten kommen. Bis 2050 soll die globale CO2-Emission bezogen auf das Jahr 1990 um 50 Prozent reduziert werden; die Industrieländer müssen ihre Emissionen hierbei sogar um 80 Prozent verringern. Es gibt keinen Königsweg, um den Herausforderung des Klimawandels zu begegnen. Ein Bündel von aufeinander abgestimmten, sozial verträglichen Maßnahmen muss ergriffen werden. Zum Schluss verwies Seiler nochmals auf die Dringlichkeit des Problems: „Wir dürfen nicht länger warten! Vorausschauende Klimapolitik ist auch beste Wirtschaftspolitik und Basis für die nationale Sicherheit“. Im anschließenden Vortrag beleuchtet Ernst Rauch, Leiter des Corporate Climate Centre der Munich Re, die Konfliktpotenziale des Klimawandels aus Sicht eines Rückversicherers. Seine Ausführungen beruhen auf der weltweit umfangreichsten Datenbank über Naturkatastrophenschäden, NatCatSERVICE. Jährlich werden rund 1.000 Ereignisse erfasst und analysiert. Durch die gewonnenen Informationen können Ausmaß und Intensität einzelner Elementarschadenereignisse in verschiedenen Regionen der Erde dokumentiert und für Risiko- und Trendanalysen herangezogen werden. Insgesamt ist die Zahl der Naturkatastrophen seit 1980 angestiegen. Der stärkste Anstieg ist bei meteorologischen und hydrologischen Ereignissen, u.a. Stürme und Überschwemmungen, zu beobachten. Im Jahr 2005 wurden mehr als 100 Mrd. Dollar von privaten Versicherern bezahlt. Allein 60 Mrd. Dollar hiervon gingen auf das Konto des Hurrikans Katrina. Insgesamt sind die volkswirtschaftlichen Gesamtschäden von 1980 bis 2009 in Asien und Amerika mit 39 Prozent und 40 Prozent weltweit am höchsten, wohingegen die Schäden in Europa in diesem Zeitraum mit 16 Prozent relativ moderat zu nennen sind. Die Schäden der Naturkatastrophen waren bei den höheren Einkommensklassen weniger eklatant als bei den niedrigen. Rauch prognostizierte, dass sich die Schere zwischen den Entwicklungsländern und Industrieländern noch weiter öffnen werde. Zugleich weisen die ärmsten Länder die höchsten Opferzahlen auf.

Für die Munich Re ist der Klimawandel eine Tatsache. Der genaue Anteil des Menschen am Klimawandel wird noch analysiert. „Der Klimawandel löst schwere Naturkatastrophen aus“, so das Fazit von Rauch. Seit 1980 sind Gesamtschäden aus wetterbedingten Naturkatastrophen in Höhe von 1600 Mrd. Dollar (Originalschäden) entstanden, der jährliche Zuwachs der versicherten Schäden betrug im Schnitt etwa 11 Prozent. Für den Zuwachs sind vor allem sozio-ökonomische Faktoren verantwortlich Die anschließende Podiumsdiskussion leitete Dr. Jeanne Rubner, leitende Redakteurin der Süddeutschen Zeitung. Florian Hahn MdB, Mitglied im Ausschuss für Verteidigung und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit, erklärte, die Politik müsse für die negativen Folgen des Klimawandels gewappnet sein. Durch Phänomene wie Ressourcenverknappung und großes Bevölkerungswachstum ist eine Vermehrung gewaltsamer Konflikte als Folge des Klimawandels wahrscheinlich. Es muss geprüft werden, welche Möglichkeiten es gibt, um die Konfliktlagen zu stabilisieren. Eine zukünftige wirtschaftsund entwicklungspolitische Zusammenarbeit ist absolut notwendig. „Wir haben die Diskussion in der CSU dahingehend aufgenommen“, so Hahn. Dr. Monika Lanik, Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr in Euskirchen, betonte, dass die Migration sogenannter Umweltflüchtlinge nicht ausschließlich auf den Klimawandel zurückzuführen sei. Auch die Auslöser von Konflikten seien immer vielfältiger Natur. Von Fall zu Fall muss daher genau untersucht werden, wie sich die Ursachen eines Konfliktes zusammensetzen. „Der Klimawandel ist dabei nicht alleinige Ursache von Konflikten, aber ein verstärkender Faktor,“ argumentiert Lanik. Für Dennis Tänzler, Senior Projekt Manager adelphi, Berlin, zeigt hingegen das Beispiel Arktis, dass der Klimawandel durchaus Konflikte generieren kann. Wenn das Eis schmilzt, tun sich neue Schifffahrtswege auf und der Zugang zu den dort vorhandenen Rohstoffen wird leichter möglich, so dass die Anrainerstaaten nun Dispute um die Territorialfrage führen. Tänzler stellte die Frage in den Raum, wie sich Handlungsansätze verändern, wenn der Klimawandel als außen- und sicherheitspolitische Herausforderung betrachtet wird. In der Vergangenheit waren umweltbezogene Konflikte regional begrenzt, zukünftig wird jedoch die Außenpolitik verschiedener Länder in diesem Bereich gefordert sein: „Außenpolitik sollte einem klimapolitischen Stresstest unterzogen werden“. Eckhard Volkmann vom Referat Friedensentwicklung und Krisenprävention des BMZ in Berlin ging zunächst auf die Verknüpfung von Sicherheit und Klimawandel ein: Der in der deutschen Entwicklungspolitik verwendete Sicherheitsbegriff geht dabei über den militärischen hinaus und schließen wirtschaftliche, ökologische und soziale Sicherheit ein. „Konflikte sind unser schlimmster Feind. Sie machen alles zunichte, was vorher aufgebaut wurde.“ Den Entscheidungsträgern müssen die entsprechenden Zusammenhänge nahegebracht werden, damit die

Wirkungszusammenhänge zwischen Klimawandel und Konflikt erkannt werden und entsprechend angepasste, tragfähige Konzepte zum Konfliktmanagement entwickelt werden können. Plakativ formulierte er: „Hierin muss der Anspruch liegen, nicht in Brunnenbauprojekten, welche nur die Symptome behandeln.“ Vor allem müsse auch die regionale Zusammenarbeit gestärkt werden, das Außen- und das Umweltministerium spielen hierbei (bspw. in Zentralasien) eine bedeutende Rolle. Er brachte auch in Erinnerung, dass vor allem arme, fragile Länder den Großteil des Migrationsdrucks als Folge von Klimawandel tragen werden – bereits heute sind 90% aller Flüchtlinge in Entwicklungsländern unterwegs und nicht, wie häufig suggeriert, an den Grenzen der reicheren Industrienationen. In der nachfolgenden Diskussion erörterten die Teilnehmer auf dem Podium anhand von Beispielen, wie sehr der Klimawandel als verstärkender Faktor oder sogar als Ursache von Konflikte eine Rolle spielt. Dabei rückte auch das Problem der Migration in den Fokus. Ein mögliches Krisenszenario umschrieb Seiler wie folgt: „Wenn der Meeresspiegel steigt und die Gletscher schmelzen, hat das drastische Auswirkungen. Bangladesh beispielsweise ist dann durch Dämme nicht zu retten: Die Menschen werden sich dann auf den Weg machen“. Frontex, die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“, sei zwar eine mögliche Option zur Kontrolle des Problems, so Hahn, jedoch könne nur ein Zusammenwirken verschiedener Maßnahmen eine Lösung herbeiführen. Seiler, Lanik und Rauch gaben zu bedenken, die Migrationsforschung habe festgestellt, dass Meschen in Not neue Formen der Wanderung finden werden, um Einrichtungen wie Frontex zu umgehen. Ein Fazit der Diskussion war, dass sich der Klimawandel kaum aufhalten lässt. Durch ein Zusammenwirken verschiedenster Maßnahmen können die Folgen des Klimawandels für die Gesellschaft jedoch teilweise abgemildert werden. Durch internationale Zusammenarbeit müssen Lösungsansätze erarbeitet werden, wie im Falle eines Konfliktes agiert werden soll. Ein Kommunikationsmodell, welches die Politik mit anderen wichtigen Bereichen vernetzt, ist dazu notwendig. Auch finanziell muss in den Klimaschutz investiert werden – das Thema ist von großer Wichtigkeit und sollte nicht vernachlässigt werden. Dipl.sc.pol.Univ. Sarah Jones  

Suggest Documents