Kids: healthy feet – healthy life Zusammenfassung Auftragnehmer: Univ. Prof. Dr. Michael Kundi, Institut für Umwelthygiene, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien Projektleitung : Univ. Prof. Dr. Elisabeth Groll-Knapp, Dr. Wieland Kinz

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes "Kinderfüße-Kinderschuhe" (2001 - 2003) zeigen, dass 69% der Österreichischen Kindergarten-Kinder zu kurze Schuhe tragen. Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass zu kurze Schuhe für Fußschäden verantwortlich sind (Großzehenwinkel): 76% der Kinder hatten bereits eine deutliche Schrägstellung der Großzehe. Was auffällt: Obwohl schon in mehreren Studien festgestellt wurde, dass Kinder meistens zu kurze Schuhe tragen, gibt es international bislang noch keine dokumentierte Gesundheitsförderung, die sich mit einer Verbesserung dieser Situation auseinandergesetzt hat. Aus diesem Grund wurde ein Antrag für das vorliegende Forschungsprojekt “Kids: healthy feet-healthy life” gestellt, das im Auftrag des vormaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sowie des Fonds Gesundes Österreich von Juni 2005 bis März 2007 durchgeführt wurde. Im gegenständlichen Projekt werden in zwei Bundesländern mindestens 360 Volksschulkinder untersucht und eine Elternbefragung durchgeführt. Die Hälfte der Gruppe (Kinder, Eltern) wird während eines Jahres durch die Schulärzte und das Projektteam rund um die Themenbereiche "Gesunde Füße und passende Kinderschuhe" informiert. Die Kontrollgruppe wird nicht informiert. Ein Jahr nach der ersten Erhebung, erfolgt die zweite Erhebung. Das Projekt versteht sich als eine wissenschaftsgeleitete, praxisorientierte Untersuchungs- und Interventionsstudie mit einer Laufzeit von rund eineinhalb Jahren. Die Zielsetzung: Entwicklung kontextbezogener Programme und Informationsmaterialien, die übertragbar und aufgrund ihrer Implementierung in vorhandenen Institutionen nachhaltig wirksam sind.

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Zielsetzungen des Projektes: 1. Sensibilisierung von Eltern, ErzieherInnen und Kindern für die Bedeutung gesunder Füße für die gesundheitliche Gesamtentwicklung der Kinder. 2. Kompetenzsteigerung der Eltern und ErzieherInnen, sich aktiv für die Gesunderhaltung der Füße Ihrer Kinder einbringen zu können. 3. Entwicklung kontextbezogener Programme und Informationen für Schulen, Eltern und das öffentliche Gesundheitswesen. 4. Ausarbeitung eines nachvollziehbaren Modellprojektes, Anschluss österreichweit übertragen werden kann.

das

im

5. International erstmalige Etablierung einer nachhaltig wirksamen Gesundheitsförderung im Bereich Kinderfüße-Kinderschuhe, die weitgehend autonom von vorhandenen Institutionen getragen werden kann. 6. Einbeziehung vorhandener Einrichtungen Sicherung der Nachhaltigkeit und (Schulärzte/Lehrer).

und als

Strukturen zur Multiplikatoren

7. Evaluation der Effektivität der initiierten Interventionsprogramme (Reduktion des gesundheitlichen Risikos, Erweiterung persönlicher Ressourcen).

Die wesentlichsten Ergebnisse im Überblick: 1. Passform der Schuhe Bei der Ersterhebung tragen rund 85% der Kinder zu kurze Straßenschuhe, etwa 82% zu kurze Hausschuhe. Passende Schuhe sollten mindestens 10mm länger als die Füße sein – idealer Weise 12 – 17mm länger. Die Straßen- und Hausschuhe sind durchschnittlich um 10mm zu kurz. Immerhin ein Viertel der Schuhe wird um 3 oder mehr Größen zu kurz getragen. Spitzenwert: Einige Kinder stecken in Schuhen, die um 5 Größen zu kurz sind (bis zu 2,5cm kürzer als der Fuß). Zweiterhebung: Während in der Kontrollgruppe die Passform der Kinderschuhe unverändert schlecht ist, zeigen sich in der Interventionsgruppe erfreuliche Veränderungen: • Deutlich mehr Kinder tragen passende Schuhe. • Deutlich weniger Kinder tragen zu kurze Schuhe. Die statistische Analyse belegt, dass die Intervention einen positiven Effekt hat. Damit ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. 2

2. Wissen, Verhalten und Einstellung der Eltern Bei der ersten Erhebung wissen nur 8,5% der Eltern (Interventions- und Kontrollregion), dass passende Schuhe 12 – 17mm länger als die Füße sein sollten. 85% der Eltern schätzen den erforderlichen Spielraum viel zu kurz ein. Über 60% der Eltern geben an, eine Methode für die Passform-Kontrolle von Schuhen zu kennen. Eine Analyse zeigt aber, dass kaum eine dieser Methoden Sinn macht. Die Eltern sind zwar von der Wichtigkeit passender Straßenschuhe überzeugt (90%), wenn es allerdings um die Passform von Hausschuhen geht, sind es nur mehr 71%. Bei der zweiten Erhebung wissen nun wesentlich mehr Eltern, dass passende Schuhe 12-17mm länger als die Füße sein sollten: Der Prozentsatz konnte von 6,9% (Erste Untersuchung, Interventionsregion) auf 48% angehoben werden. In der Kontrollgruppe weiß nach wie vor nur eine Minderheit wie lange passende Schuhe sein sollten. Fazit: Durch die Interventionsmaßnahmen konnte das Wissen der Eltern deutlich verbessert werden – was sich auch direkt in der besseren Passform der Schuhe niederschlägt. 3. Mogelpackung Kinderschuh Bei Kinderschuhen kann man sich nicht auf die Schuhgrößenauszeichnung verlassen: Rund 97% der Kinderschuhe sind kürzer als sie eigentlich sein sollten. Durchschnittlicher Differenzbetrag, um den die Schuhe kürzer sind: 12mm. Immerhin 30% der Straßen- und Hausschuhe sind um 3 und mehr Größen zu kurz. Spitzenwert: mehr als 3,1cm zu kurz (ca. 5 Schuhgrößen). 4. Großzehenwinkel der Kinder Nur bei 24% der Kinder konnte eine im Rahmen einer gesunden Entwicklung zu erwartende gerade Stellung der Großzehe gefunden werden. Ein Großteil der Kinder (62%) hat eine deutliche Schrägstellung. Im Vergleich zu den Buben haben wesentlich mehr Mädchen eine Schrägstellung der Großzehe. In der statistischen Analyse ergibt sich bei den Hausschuhen ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen der Passform und der Ausprägung des Großzehenwinkels: Je kürzer die Hausschuhe, desto größer der Großzehenwinkel. Bei der zweiten Erhebung fällt folgendes auf: In der Kontrollgruppe verschlechtert sich die Situation innerhalb eines Jahres drastisch. Deutlich weniger Kinder haben nun gerade Großzehenwinkel und in den Gruppen 3

mit stark ausgeprägten Winkeln (Valgus von 6-9 Grad und mehr als 10 Grad) finden sich erheblich mehr Kinder. 5. Schuh-Test-Straße: Spüren Kinder, ob die Schuhe passen? Spüren Kinder die Passform von Kinderschuhen? Das wurde im Rahmen dieser Studie weltweit erstmalig untersucht: Ein Großteil der Kinder ist nicht in der Lage, die Passform von Schuhen adäquat zu beurteilen: So bezeichnen mehr als 60% der Kinder Schuhe, die gleichlang bzw. kürzer als die Füße sind, als passend. Daran ändert auch das Sensibilitätstraining der Intervention nichts: Zu kurze Schuhe werden danach immer noch als passend bezeichnet. 6. Wissen der Kinder Die Auswertung des Kinderfragebogens zeigt eindrucksvoll, wie wenig Kinder üblicherweise zum Thema “Kinderfüße-Kinderschuhe“ wissen (Kontrollgruppe) und wie erfolgreich gezielte Interventionsmaßnahmen sein können. Im Vergleich zur Kontrollgruppe weiß nun ein Großteil der Kinder der Interventionsgruppe: • Wie lange passende Kinderschuhe sein sollten. • Wie die Passform von Kinderschuhen sinnvoll und weniger sinnvoll überprüft werden kann. • Wie gesunde Kinderfüße aussehen. 7. Spezifische Gesundheitsaspekte Die Berechnung des BMI zeigt, dass überdurchschnittlich viele Kinder adipös sind: Zu erwarten wären 3% gewesen (AGA), tatsächlich jedoch sind es 8%. Abgesehen von den schlechten Ergebnissen der GroßzehenwinkelMessungen, zeigt die orthopädische Befundung der Kinderfüße keine besonderen Auffälligkeiten. Die Anzahl der Fehlbildungen und Fehlhaltungen entspricht einschlägigen Publikationen. Wie kommen die Kinder zur Schule? Die Analyse der Länge des Schulweges zeigt, dass überraschend viele Kinder, die relativ nahe bei der Schule wohnen, nicht zu Fuß gehen.

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Resümee Die Ergebnisse zeigen, dass die Interventionen erfolgreich waren. Kinder und Eltern der Interventionsgruppe wissen jetzt zum Thema „KinderfüßeKinderschuhe“ deutlich mehr und die Schuhe der Kinder passen besser. Die vermittelten Wissensinhalte wurden also gut angenommen, verstanden und auch so aufbereitet, dass sie jederzeit weiterverwendet werden können. Allerdings zeigen die Untersuchungen auch, dass bei diesem Thema – im wahrsten Sinne des Wortes – nur sehr wenig passt: Ein Großteil der Kinder trägt viel zu kurze Schuhe – durchschnittlich um 10mm zu kurz - und die Auswertung der „Schuh-Test-Straße“ belegt erstmals eindrucksvoll, dass Kinder nicht in der Lage sind, die korrekte Passform von Schuhen zu „spüren“. 85% der Eltern schätzen den erforderlichen Spielraum für passende Schuhe viel zu kurz ein. Wie entscheidend das ist, zeigt sich bei den Eltern, die den Spielraum für passende Schuhe richtiger einschätzen: Diese Kinder tragen auffallend besser passende Schuhe. Auch die Überprüfung der Passform-Kontroll-Methoden, die Eltern kennen und anwenden offenbart ein deutliches Manko: Kaum eine dieser Methoden macht Sinn und kann für eine aussagekräftige Passformüberprüfung angewendet werden. Die untersuchten Kinderschuhe (1492 Hausschuhe, 1786 Straßenschuhe) sind fast durchwegs legale Mogelpackungen: Die Innenlängen haben nur im seltensten Fall etwas mit der ausgewiesenen Schuhgröße zu tun. Was allerdings bis heute kein Versäumnis ist, da die Schuhe paradoxerweise zwar mit einer Schuhgröße ausgezeichnet werden, die Einhaltung derselben aber nicht verpflichtend ist. Interessant dabei ist, dass fast alle Schuhe kürzer ausfallen, als sie sein sollten (ca. 97%) und die durchschnittlichen Abweichungen beträchtlich sind (12mm). Von 100 Paar Hausschuhen haben bei der ersten Erhebung nur 2,8 Paar die korrekte Innenlänge, bei den Straßenschuhen sogar nur 1,6 Paar. Daran ändert sich bei der zweiten Erhebung kaum etwas. Auch wenn es sich bei diesen Kinderschuhen um gebrauchte Schuhe handelt, kann aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre doch vermutet werden, dass die Überprüfung bei neuen Schuhen nicht besser ausfallen würde. Die vorliegenden Auswertungen zeigen, dass die Voraussetzungen für Kinder, passende Schuhe zu tragen, denkbar ungünstig sind. Bleibt nur noch die Frage nach den möglichen Auswirkungen: Bereits 2003 konnten wir erstmals wissenschaftlich nachweisen, dass zu kurze Kinderschuhe bei 3-6jährigen Kindern zu Fußschäden führen. Die Ergebnisse des 5

vorliegenden Forschungsprojektes bestätigen das nun auch für Volksschüler. Zwischen der Passform von Hausschuhen und der Ausprägung des Großzehenwinkels besteht ein hochsignifikanter Zusammenhang: Je kürzer die Schuhe, desto schiefer die Großzehenwinkel. Zusätzlich ergibt sich noch ein weiterer, beunruhigender Effekt: Während sich die Großzehenwinkel der Kinder in der Interventionsgruppe im beobachteten Zeitraum deutlich verbesserten, trat in der Kontrollgruppe das Gegenteil ein. Die Ausprägung der Schrägstellung der Großzehe nahm zu. Zugegeben, dabei handelt es sich erst um eine nachweisbare Schädigung am Ort des Geschehens. Weitere Untersuchungen müssen nun erst klären, wie sich zu kurze Schuhe und veränderte Großzehenwinkel auf die Motorik, Knie- und Hüftgelenke, sowie auf die Wirbelsäule und spezifische Lebensbereiche (z.B. Bewegungsfreude, Übergewicht) auswirken. Eine Literaturanalyse der wichtigsten Studien zur Passform von Kinderschuhen zeigt (TIMM 1954; DEBRUNNER 1965; DHOM 1984; BAUR 1990; GROLL-KNAPP 2003), dass sich in den letzten 60 Jahren nichts geändert hat: Kinder trugen damals und tragen heute noch zu kurze Schuhe. Nun gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Im Rahmen des Projektes wurden projektbezogene Elterninfos und ein Informationsfolder erarbeitet.

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