Keywords Cancer, venous thromboembolism, guidelines, tumour, prophylaxis

299 Thrombose und Onkologie: Übersichtsarbeit Diagnostik und Therapie Tumorassoziierter venöser Thromboembolien – was sagen die Leitlinien? A. Matzd...
Author: Jutta Küchler
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Thrombose und Onkologie: Übersichtsarbeit

Diagnostik und Therapie Tumorassoziierter venöser Thromboembolien – was sagen die Leitlinien? A. Matzdorff Asklepios Klinik Uckermark, Innere Medizin II, Schwedt

Schlüsselwörter

Keywords

Krebs, venöse Thromboembolie, Leitlinien, Tumor, Prophylaxe

Cancer, venous thromboembolism, guidelines, tumour, prophylaxis

Zusammenfassung

Summary

Tumorwachstum und Gerinnungsaktivierung sind pathophysiologisch eng miteinander verknüpft. Deshalb sind Tumor-assoziierte venöse Thromboembolien (VTE) häufig. Während stationär aufgenommene Tumorpatienten eine Thromboseprophylaxe erhalten wird dies für ambulante Patienten in der Regel nicht empfohlen. Wenn Tumorpatienten doch eine VTE entwickeln, dann sollten sie mit einem NMH in therapeutischer Dosis für 3–6 Monate behandelt werden. Vitamin-KAntagonisten haben ein höheres Blutungsrisiko und für NOAKs gibt es noch keine ausreichenden Daten. Nicht nur Hämato-Onkologen, sondern alle Ärzte, die Tumorpatienten betreuen, sollten mit den aktuellen Leitlinienempfehlungen vertraut sein. Auch die Patienten sollten über die Symptome einer VTE informiert sein.

Oncogenic transformation is closely linked to coagulation activation and cancer-associated venous thromboembolism (VTE) is a common problem. Guidelines recommend thromboprophylaxis with a low molecular weight heparin for hospitalized cancer patients. However, thromboprophylaxis is not customarily advised for ambulatory cancer patients. Cancer patients with VTE are usually treated with a low molecular weight heparin for 3–6 months. Vitamin K antagonists have a higher bleeding risk and there are not sufficient data to recommend any of the new oral anticoagulants. All physicians taking care of cancer patients should be aware of the current guideline recommendations. Oncology professionals should educate patients about the signs of VTE.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. A. Matzdorff Asklepios Klinik Uckermark, Innere Medizin II Auguststr. 23, 16303 Schwedt Tel. +49 (0)3332/53–4620, Fax –4629 E-Mail: [email protected]

Zitierweise des Beitrages/Cite as: Diagnosis and therapy in cancer-associated thromboembolism – what about guideline recommendations? Phlebologie 2015; 44: 299–303 http://dx.doi.org/10.12687/phleb2288-6-2015 Eingereicht: 5. Oktober 2015 Angenommen: 12. Oktober 2015 English version available at: www.phlebologieonline.de

In den letzten vier Jahren wurden über 30 Praxisleitlinien und Übersichtsarbeiten in renommierten internationalen Fachzeitschriften zum Thema Tumor-assoziierter venöser Thromboembolien (VTE) publiziert (pers. Zählung des Autors ohne An© Schattauer 2015

spruch auf Vollständigkeit). Die Wichtigsten sind wohl die Empfehlungen der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH), des National Comprehensive Cancer Networks (NCCN) und der American Society of Clinical Oncology (ASCO) (1–4).

Was ist passiert? Woher kommt das große Interesse an diesem Thema? Zwischen 1990 und 2010 hat die Krebsprävalenz, d.h. die Zahl der Patienten, die aktiv an Krebs erkrankt sind, um fast 50 % zugenommen (5). Aktuell leben in Deutschland 1,5 Mio. Menschen mit Krebs. Ein wichtiger Grund liegt darin, dass selbst bei metastasierter und dadurch in der Regel nicht mehr heilbarer Erkrankung die Patienten heute 2–3-mal länger überleben als noch vor 20 Jahren. Krebs ist zu einer chronischen Erkrankung geworden. Dazu kommen die zunehmende Lebenserwartung und der demografische Bevölkerungswandel. Mehr alte Menschen bedeutet automatisch einen Anstieg der Krebszahlen. Ein anderer Grund für die zahlreichen Leitlinien ist, dass Tumor-assoziierte VTE sehr häufig sind. Tumorpatienten haben ein sehr hohes Thromboserisiko, vergleichbar Patienten nach orthopädischen Operationen (6). Ohne Prophylaxe entwickeln ca. 8 % aller ambulanten und 20 % aller statio-

Abkürzungen (in alphabetischer Reihenfolge) IMiD = immunomodulatory drug (thalidomide and analogues) NMH = niedermolekulares Heparin NOAK = Neues orales Antikoagulans oder Nicht-Vitamin-K-antagonistisches orales Antikoagulans (z.B. Dabigatran, Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) VKA = Vitamin-K-Antagonist (Phenprocoumon, Warfarin u.a.) VTE = venöse Thromboembolie Im Text werden die Begriffe Tumor und Krebs synonym für solide Tumoren und hämatologische Neoplasien benutzt. Phlebologie 6/2015

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när behandelten Tumorpatienten eine VTE (7, 8). Tumorpatienten mit VTE haben nicht nur die Beschwerden durch die VTE zu fürchten. Zusätzlich muss häufig die Tumortherapie pausiert oder gar abgebrochen werden. Dies verschlechtert natürlich die Prognose.

Warum sind VTE bei Tumorpatienten so häufig? Die Häufigkeit Tumor-assoziierter VTE ist kein Zufall. Tumorwachstum und Gerinnungsaktivierung sind eng miteinander verknüpft. Tumoren aktivieren Gerinnungsfaktoren und umgekehrt fördert die aktivierte Gerinnung das Wachstum und die Disseminierung der Tumorzellen. Diese Verknüpfung erfolgt auf verschiedensten Wegen, hier die wichtigsten (Übersicht bei 11, 12): • Tumorzellen exprimieren und sezernieren gerinnungsaktivierende Substanzen (Tissue Factor, Cancer Procoagulant, Mucin). Dies führt letztlich zur Bildung von Thrombin. Thrombin ist wiederum ein Wachstumsfaktor für Tumorzellen. • Tumorzellen und Monozyten setzen Zytokine frei, die das Endothel prothrombogen stimulieren, Adhäsionsrezeptoren hochregulieren und die Anheftung von Tumorzellen erleichtern. • Tumoren induzieren eine Thrombozytose oder Leukozytose. Thrombozyten fördern das Tumorwachstum. Leukozyten enthalten gerinnungsaktivierende Substanzen. Thrombo- und Leukozytose sind etablierte Risikofaktoren für Tumor-assoziierte VTE (7). Tab. 1



Nach Bestrahlung oder Chemotherapie setzen die geschädigten Tumorzellen Nukleinsäuren (DNA, RNA) frei. Studien zeigen, dass diese Nukleinsäuren die Gerinnung aktivieren.

Strukturelle Risikofaktoren für VTE Auch die Behandlung eines Tumorpatienten kann sein VTE-Risiko erhöhen. Dazu gehören Operationen, Immobilisation bei Komplikationen (Fieber, Blutungen), aber auch Zytostatika und andere Medikamente, die ein eigenes thrombogenes Potential tragen (z.B. Hormone, Eryothropoetine, Übersicht bei 13, 14). Diese Therapie-assoziierten Risikofaktoren sind in der Regel für den Arzt erkennbar. Er wird eine entsprechende Thromboseprophylaxe initiieren. Weniger offensichtlich und angehbar sind jedoch Risikofaktoren, die in der Struktur des Gesundheitssystems und der Versorgung unserer Tumorpatienten liegen: • Tumorpatienten leben heute viel länger als noch vor 20 Jahren, selbst bei metastasierter Erkrankung. Damit verlängert sich auch die Zeit, in der sie eine VTE entwickeln können. • Wenn Tumorpatienten heute länger überleben, dann bekommt die Lebensqualität in dieser Zeit eine viel wichtigere Rolle. Tumorpatienten sind eher bereit, die Injektion eines Heparins zu akzeptieren, wenn die Zeit überschaubar und begrenzt ist. Eine Dauertherapie bis zum Lebensende, was durchaus mehrere Jahre sein können, wird weniger Zu-

NCCN (2)



Welche Diagnostik wird bei Verdacht auf Tumor-assoziierte VTE empfohlen?

ASCO (3, 4)

Bei onkologischen Patienten können die typischen Symptome einer VTE leicht als tumorbedingt fehlinterpretiert und übersehen werden. Deshalb sollte man bei Tumorpatienten schon bei dem ersten Verdacht umgehend eine bildgebende Diagnostik veranlassen (▶ Abb. 1). Die Kompressionssonographie ist die Methode der Wahl zum Nachweis einer Beinvenenthrombose. Bei Verdacht auf eine intraabdominelle Thrombosen wird man ein CT oder MRT veranlassen. Bei Verdacht auf eine Katheter-assoziierte venöse Thrombose sind Duplex-Sonographie und Venographie sinnvoll. Die Mehrschicht-Spiral-CTAngiographie ist das primäre Verfahren zur Diagnose von Lungenembolien.

Prä-OP beginnen, bis 4 Wochen nach Abdomen-/ Becken-OP

Prophylaxe Tumor-assoziierter VTE

Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe.

ISTH (1)



stimmung finden. Compliance und Adhärenz sind zu wichtigen strukturellen Risikofaktoren geworden. Tumorpatienten werden heute in der Regel ambulant behandelt. Deshalb erlebt der Patient seine VTE häufig im häuslichen Umfeld. Er darf Diagnostik und Therapie nicht unwissentlich verschleppen und muss über die Symptome und die notwendigen nächsten Maßnahmen informiert sein. Tumorpatienten erhalten heute regelmäßige Staging-CTs und MRTs. Dabei werden sog. inzidentelle VTEs entdeckt, die asymptomatisch sind und ohne die Staging-Untersuchungen gar nicht aufgefallen wären. Aktuell wird empfohlen, diese inzidentellen VTEs genauso zu antikoagulieren, wie symptomatische (15).

Prophylaxe bei Tumorpatienten mit Operation Prä-OP beginnen, bis 4 Wo. nach Abdomen OP, NMH oder UFH, aber keine Empfehlung für Fondaparinux

4 Wochen nach Abdomen-/Becken-OP

Prophylaxe bei Tumorpatienten ohne Operation NMH, UFH, Fondaparinux Stationär: alle Patienten mit eingeschränkter Mobilität Ambulant: erwägen bei Pankreas- oder Lungenkarzinom

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NMH, UFH, Fondaparinux Stationär: alle Patienten ohne Kontraindikation Ambulant: erwägen wenn Khorana Score >3 (7).

NMH, UFH, Fondaparinux Stationär: aktiver Tumor + akute Erkrankung o. immobil 1. Ambulant: erwägen bei Pankreas-Karzinom

Tumorpatienten haben ein hohes Risiko, eine VTE zu entwickeln. In vielen Situationen ist deshalb eine Thromboseprophylaxe indiziert (▶ Tab. 1). Die Leitlinien unterscheiden, ob es sich um operativ behandelte oder nicht-operative, um ambulante oder stationäre Patienten handelt. © Schattauer 2015

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Stationär aufgenommenen Tumorpatienten, die operiert werden, sollten wie Nicht-Tumorpatienten eine Thromboseprophylaxe für 7–10 Tage erhalten. Bei Tumorpatienten mit chirurgischen Eingriffen im Abdomen und Becken, manche Leitlinien empfehlen dies auch für Thorax-Operationen, sollte diese Prophylaxe für bis zu vier Wochen postoperativ fortgeführt werden (16, 17). Stationär aufgenommene Tumorpatienten, die nicht operiert werden, sollten ebenfalls eine Thromboseprophylaxe erhalten, außer es handelt sich nur um einen kurzen stationären Aufenthalt, z.B. für kleinere diagnostische Eingriffe oder Chemotherapie-Infusionen. Im Gegensatz zu den operativ behandelten Tumorpatienten gibt es keine Studie, die den Nutzen einer Thromboseprophylaxe bei stationären, nicht-operativen Tumorpatienten jemals geprüft hat. Die Empfehlung beruht auf der Extrapolation der Ergebnisse großen Studien an allgemein-internistischen Patienten, unter denen natürlich auch Tumorpatienten waren (Übersicht bei 10). Ambulante Tumorpatienten sollten in der Regel keine Thromboseprophylaxe erhalten. Zwei große Studien haben in dieser Situation zwar eine Reduktion symptomatischer VTE gezeigt, der Nutzen lag aber im unteren einstelligen Prozentbereich (18, 19). In folgenden Situationen wird jedoch auch bei ambulanten Patienten eine Thromboseprophylaxe empfohlen: – Patienten mit Multiplem Myelom, die ein IMiD (Thalidomid, Revlimid u.a.) plus Chemotherapie oder Dexamethason erhalten (starke Empfehlung), – Patienten mit Pankreas- oder Bronchialkarzinom plus Chemotherapie oder Patienten mit Khorana Score >3 (für Khorana Score siehe 7, das Für und Wider einer Prophylaxe sollte mit dem Patienten diskutiert und dann individuell entschieden werden).

Tab. 2

Empfehlungen zur Therapie Tumor-assoziierter VTE.

ISTH (1)

NCCN (2)

ASCO (3, 4)

Initialbehandlung (erste 5–10 Tage) NMH oder Fondaparinux besser NMH oder Fondaparinux oder als UFH UFH

NMH oder Fondaparinux, besser als UFH

Sekundärprophylaxe (für 3–6 Monate) NMH besser als VKA

NMH besser als VKA

NMH für mind. 6 Mo., besser als VKA

Dauertherapie über 3–6 Monate hinaus Individuelle Entscheidung unter Abwägung von Rethrombose- und Blutungsrisiko. Möglichst NMH, diese Empfehlung ist aber nicht durch Studien belegt.

therapeutischer Dosis (▶ Tab. 2). Während man bei Nicht-Tumorpatienten aber nach 5–10 Tagen auf einen Vitamin-K-Antagonisten oder ein NOAK umstellt, soll bei Tumorpatienten das NMH für weitere 3–6 Monate als sog. Sekundärprophylaxe fortgeführt werden. Diese Empfehlung beruht auf sechs Studien, die alle gezeigt haben, dass NMH bei Tumorpatienten genauso wirksam sind wie VKA, aber dass die Blutungsrate deutlich niedriger liegt. Fünf der sechs Studien wurden in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts oder kurz nach 2000 initiiert (20–24). Die Behandlung von

Tumorpatienten hat sich seither stark verändert. Es gibt mehr ältere Tumorpatienten, die Patienten überleben selbst bei metastasierter Erkrankung viel länger, z.T. mehrere Jahre und sie werden überwiegend ambulant behandelt. Die CATCH-Studie sollte deshalb noch einmal prüfen, ob die Ergebnisse von damals auch in der heutigen Situation noch gelten (25). Das ist der Fall und deshalb gilt auch weiterhin: alle Patienten mit tumorassoziierter VTE sollten für 3–6 Monate ein NMH in therapeutischer Dosis erhalten.

Therapie der Tumorassoziierten VTE Bei Tumor-assoziierter VTE empfehlen alle Leitlinien die initiale Gabe eines NMH in © Schattauer 2015

Abb. 1

Vorgehen bei niedrigem und hohem Wells-Score.

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Dauerantikoagulation nach 3–6 Monaten Bei Nicht-Tumorpatienten gibt es Daten, die eine Fortsetzung der Antikoagulation über 3–6 Monaten hinaus empfehlen (26, 27). Für Tumorpatienten ist dies nicht belegt. Sie haben zwar ein höheres Rethrombose-, aber auch ein höheres Blutungsrisiko. Ob man die Antikoagulation dauerhaft fortsetzen möchte, ist deshalb immer eine individuelle Entscheidung. Die kürzlich publizierte DALTECAN-Studie (nicht randomisiert, Phase II) zeigt, dass eine langfristige Antikoagulation bei Tumorpatienten kein hohes Blutungsrisiko hat (28). Eine Leitlinienempfehlung wird jedoch noch nicht ausgesprochen.

Zusammenfassung





• •

Spezielle Situationen VTE-Rezidiv unter Antikoagulation Rezidiv-VTEs sind bei Tumorpatienten nicht selten. Selbst unter optimalen Studienbedingungen, z.B. in der aktuellen CATCH-Studie, entwickelten 2,7 % der Patienten unter Therapie mit NMH eine Rezidiv-VTE. Aktuell wird empfohlen, diesen Patienten weiterhin ein NMH zu geben, dabei allerdings die Dosis um 20–25 % zu erhöhen (29, 30).

Thromboseprophylaxe und Therapie bei ZNS-Tumoren und -Metastasen VTE sind eine häufige Komplikation bei Patienten mit ZNS Tumoren oder ZNS Metastasen. Aktuelle Studien finden glücklicherweise keine Zunahme von ZNS-Einblutungen, wenn Patienten mit ZNS-Tumoren/-Metastasen therapeutisch antikoaguliert werden (31, 32).

NOAKs bei Tumorpatienten Mehrere NOAKs (Akronym für Neue Orale Antikoagulanzien oder Nicht-VitaminK-Antagonistische Orale Antikoagulanzien, z.B. Dabigatran, Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) sind in den letzten Jahren zur Thromboseprophylaxe und Therapie zugelassen worden. Alle können oral gegeben werden und brauchen kein Labor-MonitoPhlebologie 6/2015



• • •

Alle Tumorpatienten mit aktiver Tumorerkrankung brauchen bei stationärer Betreuung im Krankenhaus eine Thromboseprophylaxe. Es gibt keine sichere Empfehlung für Patienten die für kleine Eingriffe oder kurze Chemotherapien stationär aufgenommen wurden. Bei ambulanten Tumorpatienten wird eine routinemäßige Thromboseprophylaxe nicht empfohlen. Eine ambulante Thromboseprophylaxe sollte bei bestimmten Hochrisiko-Patienten aber erwogen werden. Bei Tumorpatienten, die operiert werden, sollte eine Thromboseprophylaxe erfolgen. Bei Tumorpatienten mit großen viszeralchirurgischen Operationen (in einigen Leitlinien auch bei thoraxchirurgischen Eingriffen) soll eine Verlängerung der postoperativen Prophylaxe bis zu 4 Wochen angeboten werden. Im Falle einer Tumor-assoziierten VTE sollte sowohl initial als auch langfristig, d.h. für 3–6 Monate, mit einem NMH behandelt werden. Eine längere Antikoagulation sollte bei persistierendem Risiko gegen das individuelle Blutungsrisiko abgewogen werden. NOAKs können derzeit noch nicht für die Prophylaxe oder Therapie der Tumorassoziierten VTE empfohlen werden. Alle Patienten sollten über die Symptome einer VTE informiert sein und wissen, was sie dann unternehmen müssen. Nicht nur Onkologen, sondern alle an der Behandlung von Tumorpatienten beteiligten Ärzte sollten mit den aktuellen Leitlinienempfehlungen zur Tumor-assoziierten VTE vertraut sein.

ring, was als vorteilhaft empfunden wird. Es gibt jedoch gewichtige Gründe, die bei Tumorpatienten gegen NOAKs sprechen: • Gerade die orale Anwendbarkeit der NOAKs kann zum Problem werden (geringere Adhärence), wenn Tumorpatienten zahlreiche anderen oralen Medikamente einnehmen müssen (Tumorspezifische Wirkstoffe, Antiemetika, etc.).

• • •

Nieren- und Leberfunktionsstörungen sind bei Tumorpatienten häufig und können die Wirksamkeit und Sicherheit der NOAKs verändern (33, 34). Es gibt zahlreiche Interaktionen zwischen tumorspezifischen Wirkstoffen und NOAKs (35). In allen bisherigen Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von NOAKs waren nur wenige Tumorpatienten eingeschlossen. Es gibt bisher keine speziellen Studien nur mit Tumorpatienten.

Die Leitlinien empfehlen, zur Prophylaxe oder Therapie Tumor-assoziierter VTEs vorläufig noch auf NOAKs zu verzichten. Interessenkonflikt

Als potenzielle Interessenkonflikte gibt der Autor Folgendes an: Beratungstätigkeiten bei AMGEN, GlaxoSmithKline, Baxter, Leo Pharma, Boehringer Ingelheim. Besitz von Geschäftsanteilen, Aktion oder Fonds von Bayer, Roche; Referentenhonorare von AMGEN, Aspen, BoehringerIngelheim, Behring, Bristol-Myers Squibb, GlaxoSmithKline, Leo Pharma, Roche; Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen von Leo Pharma; weitere finanzielle Zuwendungen (Reisekosten, etc.) von Aspen, Bristol-Myers, Celgene, Chugai, GSK, Janssen, Leo Pharma, Lilly, MSD, Mundipharma, Nordic Pharma, Novartis, Pfizer, Roche, Sanofi. Ethische Richtlinien

Für diese Arbeit wurden keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.

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