Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2?

2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Gestrandet Afrikanische Flüchtlinge auf Malta Autor: Andreas Boueke Redaktion: Karin Hutzler Regie: Felicitas ...
Author: Annika Fiedler
2 downloads 1 Views 171KB Size
2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

Gestrandet Afrikanische Flüchtlinge auf Malta

Autor:

Andreas Boueke

Redaktion:

Karin Hutzler

Regie:

Felicitas Ott

Sendung:

Montag, 04.02.13 um 19.20 Uhr in SWR2

Wiederholung: Montag, 24.08.15 um 19.20 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. In jedem Fall von den Vormittagssendungen. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

___________________________________________________________________

1

MANUSKRIPT

Atmo: Billard in der Cafeteria Sprecher: Der süße Geruch von Wasserpfeifen liegt in der Luft. Ventilatoren surren. Ich bin der einzige Europäer im Raum. Die meisten der etwa vierzig afrikanischen Männer sitzen auf alten Sofas vor zwei Fernsehern. Im einen läuft eine somalische Seifenoper, im anderen Nachrichten aus Eritrea. Ein paar Männer spielen Billard. Die meisten stammen aus Somalia. Zwei Iraner spielen Schach. Atmo: in der Cafeteria, Seifenoper im TV Sprecher: In der Cafeteria des Flüchtlingsheims Marsa Open Center im Osten der Mittelmeerinsel Malta warte ich auf die Sozialarbeiterin Sandra Schembri. Wir sind zum Lunch verabredet. Sie verspätet sich. So komme ich mit einem jungen Somali ins Gespräch, der interessiert auf mein Mikrofon schaut. Weshalb hat er Somalia verlassen? Junger Mann: "Somalia every day and every night and every month and every year to go into war. It's no life because if you stay in Somalia you are put in fight, you are going to fight." Sprecher overvoice junger Mann: In Somalia ist Krieg, jeden Tag, jede Nacht, jeden Monat und jedes Jahr. Das ist kein Leben. Wenn du dort bleibst, wirst du gezwungen zu kämpfen. Atmo: in der Cafeteria Junger Mann: Sahara in ten days. It's very hard, life or dead, it's between life or dead, it's lucky. Very many to die, many people died, one car, 24 person, by ten persons died. 14 life. Sprecher overvoice junger Mann: Ich habe die Sahara durchquert, zehn Tage hat das gedauert. Da geht es um Leben oder Tod. Viele sterben. Wir waren 24 Menschen in einem Auto. Zehn sind gestorben, 14 haben überlebt. Sprecher: Sandra Schembri betritt das Café. Sofort wird sie von mehreren Männern umringt. Einige schimpfen, der Ventilator in ihrem Schlafsaal sei ausgefallen. Andere fragen, ob es demnächst einen Computerkurs geben wird. Sandra arbeitet in der Verwaltung des Flüchtlingsheims, souverän beantwortet sie die Fragen. Dann setzt sie sich zu mir an den Tisch. Andreas: I only see men. 2

Sprecher: Hier sind nur Männer. Sandra: Yes, this center only has men, 500 males. Sprecherin overvoice Sandra: Ja, das ist ein Zentrum für fünfhundert Männer. Andreas: How is that for you? Sandra: (lacht) Tough, it doesn't help a lot to be effective. But on the other hand, I feel that I can give something here as well. However it is a challenge, even because in African culture women don't have much status. They do experience here that woman are respected, (equally, a learning experience). Sprecherin overvoice Sandra: Es ist nicht leicht für mich, hier zu arbeiten. Es ist eine Herausforderung, weil Frauen in der afrikanischen Kultur keinen besonders hohen Status haben. Hier im Zentrum erleben die Männer, dass Frauen respektiert werden. Sprecher: Sandra arbeitet seit drei Jahren im Marsa Open Center. Sandra: These people, that's what you realize, they are very strong survivors, because they have seen people dying along the way and they have made it. Obviously it is tough. I think what keeps them alive, they have to keep that hope, their dream and sometimes that dream becomes so unreal but they need it to keep going. But then they come here, they are really disappointed if it's not what they have. But that dream has kept them alive. They have seen so many people dying, running after their dream, you know." Sprecherin overvoice Sandra: Diese Leute sind sehr stark. Sie sind Überlebenskünstler. Auf ihrem Weg hierher haben sie andere sterben sehen. Sie selbst haben überlebt. Das ist natürlich hart. Ich glaube, die Hoffnung, der Traum von einer besseren Zukunft, hat sie am Leben gehalten. Aber dann kommen sie hierher und es ist nicht so, wie sie es sich vorgestellt haben. Sprecher: Wenn afrikanische Flüchtlinge nach einer lebensgefährlichen Überfahrt in maroden Booten auf Malta ankommen, werden sie erst einmal inhaftiert. In vielen Fällen dauert es achtzehn Monate, bevor sie aus der Haft entlassen werden. Dann dürfen sie in einem offenen Zentrum wie dem in Marsa leben. Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bezeichnen die Haftbedingungen in den sogenannten "Detention Center" als menschenunwürdig.

3

In ihrem Bericht mit dem Titel "Not Criminals", keine Verbrecher, ist die Rede von überfüllten Zellen, von kaputten Toiletten und einer einzigen Dusche für neunzig Personen; von inhaftierten Kindern, die täglich weniger als eine Stunde an die frische Luft dürfen. Sandra: When they see foreign journalist, you know they want to cry out even more, because they intended to go to northern Europe. So their motivation is to cry a bit loud to say that the situation is very bad here so they get more opportunity to leave, which is to some extend understandable. What worries me more is the people on the receiving end, who will just hear that and might take it as: Oh my god, how badly are they treating them." Sprecherin overvoice Sandra: Wenn die Männer ausländische Journalisten sehen, beklagen sie sich besonders laut. Sie wollen weg von hier, in den Norden Europas. Deshalb stellen sie die Situation als besonders schlimm dar. Sie hoffen, dass sie dann von hier weg kommen. Das ist ja auch verständlich. Was mir Sorgen macht, ist eher, dass die Leute, die das hören, denken könnten: Oh mein Gott, wie furchtbar werden die Flüchtlinge auf Malta behandelt. Atmo: in der Cafeteria, Seifenoper im TV Atmo: Hämmern, Umbauarbeiten Sprecher: Sandra führt mich durch das renovierungsbedürftige Gebäude des Marsa Open Center. Zurzeit werden viele Schlafsäle umgebaut. Doch noch sind in den meisten Räumen über zwanzig Flüchtlinge untergebracht. Atmo: im Hof, Mann pfeift Sandra: (Schlüssel) "They have a doctor, a medical general practitioner. They complain quite a bit about not being able to sleep, which is more psychological actually." Sprecherin overvoice Sandra: Hier arbeitet ein Arzt, ein Allgemeinmediziner. Viele Flüchtlinge klagen über Schlaflosigkeit. Aber es ist eigentlich mehr ein psychologisches Problem. Andreas: Do you think that is traumas from back home? Sandra: Traumas from home, however, they are quite resistant to counseling and taking psychiatric medication, so that doesn't help that much. Unfortunately it's only when the problem becomes real bad, that they are psychotic that we have to usually then admit them to...

4

Sprecherin overvoice Sandra: Sie leiden unter Traumata. Aber die meisten wollen keine Therapie und keine Psychopharmaka. Das macht die Behandlung schwierig. Leider können wir erst eingreifen, wenn das Problem so schlimm geworden ist, dass sie psychotisch reagieren. Andreas: Why are they so resistant? Sprecher: Warum lehnen sie eine Therapie ab? Sandra: Well I mean it is the same tabu that there is in Europe I mean it's not even. Sprecherin overvoice Sandra: Wegen desselben Tabus, das es auch in Europa gibt. Andreas: I'm not crazy. Sprecher: Sie wollen nicht als verrückt gelten. Sandra: Yes exactly Sprecherin overvoice Sandra: Genau. Atmo: Männer streiten sich, sehr aggressiv Sprecher: Auf der Dachterrasse des Marsa Open Center sind ein halbes Dutzend Satellitenschüsseln an einem Geländer befestigt. Dort treffe ich einige Männer, die um einen Tisch stehen, an dem zwei von ihnen Schach spielen. Die Stimmung ist gereizt.Ich frage, ob ich ein Foto machen darf. Keine Antwort. Plötzlich fordern mich zwei junge Männer auf, die Kamera in der Tasche stecken zu lassen. "Viele von uns werden in unserer Heimat verfolgt", sagt einer. "Wir wollen nicht erkannt werden." Ich setze mich zu den beiden Männern. Der eine heißt Zacaria, der andere Mohammed. Zacaria: I came in Somalia in 2007. Where I come from still there is war for the reason I come from, it is really an area dangerous for life. Too much scare if you are there in Somalia. So that's why we come, because it is a place for war, for a place of fear, scare and everything. Sometimes when you go out of for the market you don't know if you come back or you gonna die. A lot of my friends families I know they are dead. Sometimes you don't know you sleep at home, your neighbor maybe a bomb, artillery, have finishing the home. They were save in the night, in the morning you got people they are crying, your neighbors. What happened? All the family they passed away. What happened? A bomb. From where? We don't know." 5

Sprecher overvoice Zacaria: 2007 bin ich aus Somalia geflohen. Dort war Krieg, und ich habe in einer gefährlichen Gegend gelebt. In Somalia hast du immer Angst. Deshalb fliehen die Leute, vor dem Krieg und der Angst. Wenn du auf den Markt gehst, weißt du nicht, ob du wieder zurück kommen oder sterben wirst. Viele meiner Freunde und Angehörigen sind tot. Wenn du abends ins Bett gehst, können in der Nacht Bomben explodieren oder es gibt Artilleriebeschuss. Am nächsten Morgen erfährst Du dann, dass alle Deine Nachbarn tot sind. Mohammed: When we are living in Somalia, we thinking in Europe, we meet high life, good life, something like that. If you go there you have to work immediate, you have the knowledge immediate, you have to make selfstudy yourself, immediate, you have to make for everything and immediately you become high. Andreas: Why do you think that? Mohammed: Everyone he think that. We saw the television. The people are the European from Germany from anywhere else, and his home big large. He has a lot of the cars, in parking near of his house." Sprecher overvoice Mohammed: Als wir noch in Somalia waren, haben wir geglaubt, in Europa könnten wir ein gutes Leben führen. Wir dachten, wir würden sofort Arbeit finden, wir könnten etwas lernen, wir würden uns anstrengen und etwas erreichen. Alle denken so. Wir haben das im Fernsehen gesehen. Die Leute in Europa, in Deutschland und anderswo, haben große Häuser und viele Autos, die sie gleich neben ihrem Haus parken. Sprecher: Zacaria ist 24 Jahre alt. Um seinen Traum von Europa zu verwirklichen, hat er sein Leben aufs Spiel gesetzt. Zacaria: So really no one thinks that he is going to survive there. Everyone is ready to die. Cause you don't know where you are going, where is the direction, north the east to the south, you don't know where. We saw a lot of bones, in the desert we saw yes, we saw a lot. You come out of desert, you are like a skeleton. You know, a skeleton with no body, like that. Sprecher overvoice Zacaria: Nach ein paar Tagen in der Wüste glaubt niemand mehr, dass er da lebendig wieder rauskommt. Du hast keine Ahnung, wohin du gehst. Norden, Osten, Süden? Du verlierst die Orientierung. In der Wüste haben wir viele Knochen gesehen. Sprecher: Zacaria macht den Eindruck eines sensiblen, offenen Menschen. Er erzählt mit sanfter Stimme. Dabei schaut er mir in die Augen. Mohammed ist anders. Seine Gesichtszüge sind hart. Er lacht selten und meidet Blickkontakt. 6

Atmo: außen Mohammed: If I remember that, it is in myself it comes with a damage, so I gonna leave in that. I have so hard life, because some of my friends, they died in the sahara. Sprecher overvoice Mohammed: Wenn ich mich an diese Zeit erinnere, dann tut mir das weh. Einige meiner Freunde sind in der Sahara gestorben. Andreas: Do you dream about it sometimes? Sprecher: Träumst Du manchmal davon? Mohammed: Ja, ya, it is so hard, very very dreaming, sometimes and than it comes I nearly to cry, because some of my friends when we are traveling with the Sahara, they are dying in front of me. Than we throw it away with the car and than they die, that's it." Sprecher overvoice Mohammed: Ja, das sind schlimme Träume. Manchmal muss ich fast weinen. Meine Freunde sind neben mir gestorben. Wir haben sie aus dem Auto geworfen. Das wars dann. Sprecher: Mohammed will nicht weiter über seine Flucht sprechen. Umso ausführlicher schimpft er über die Verhältnisse auf Malta. Nach seiner Ankunft war auch er lange in einem Internierungslager. Nur wenige Hilfsorganisationen dürfen mit den Häftlingen dort sprechen. Deshalb glaube ich Mohammed nicht so recht, als er vorschlägt, ich solle mir selbst ein Bild von den überfüllten Zellen machen. Er behauptet, er könne mir Zugang zum berüchtigten Internierungslager Hal Far verschaffen. Mohammed: In Hal Far, so if you want one day I gonna show you. Sprecher: Ich nehme seinen Vorschlag nicht ernst. Malta ist ein Land der Europäischen Union. Da wird es auch mit Tricks nicht möglich sein, eben mal schnell in Zellen internierter Flüchtlinge zu schauen. Mohammed aber bleibt dabei: Er will mich ins Internierungslager Hal Far bringen. Er telefoniert. Atmo: Tor schlägt zu Sprecher: Kurz darauf verlassen wir das Marsa Open Center. Vor dem Tor wartet ein Auto auf uns. Atmo

7

Andreas: "Perfect" Mohammed: This is my friend. Andreas: Who is going to drive? That's the wrong side. In Germany it's the other side. Atmo: einsteigen ins Auto, Musik aus dem Radio Andreas: Thank you. Atmo: Fahrt geht los Sprecher: Der Fahrer ist ein junger Somali mit maltesischer Arbeitserlaubnis. Von seinem Gehalt als Maurer kann er sich nicht nur das Auto leisten, sondern auch modische Kleidung und eine golden funkelnde Uhr am Handgelenk. Nur die wenigen Zähne, die er noch hat, sind in bemitleidenswertem Zustand. Atmo: Straße, arabische Stimmen, Autos Sprecher: Nach wenigen Kilometern haben wir Valetta hinter uns gelassen. Die Fahrt führt durch eine trostlose Gegend mit felsigem Boden. Andreas: What are we doing now, where are we going?" Mohammed: We are going in detention, even for the center. So we gonna show for us the people they are live there. It is so bad life. Some of them they live in or they stay in detention three years without reason. There are a lot of security or soldiers." Atmo: Fahrer spricht arabisch Sprecher overvoice Mohammed: Wir fahren zum Internierungslager Hal Far. Dort zeigen wir dir, wie unsere Leute leben. Es ist schlimm. Manche bleiben bis zu drei Jahre in Haft, ohne irgendeinen Grund. Das Lager wird von Soldaten bewacht. Atmo: Musik im Auto Sprecher: Während der Fahrt frage ich Zacaria, wie seine Flucht weiter gegangen ist, nachdem er die Sahara durchquert hatte.

8

Zacaria: Oh Libya, I was in Libya five months. Sometimes you get work, sometimes you don't get. But the people, they were dangerous. If they see you in the restaurant, they make you trouble, they take your money, they kill you sometimes. All they have knifes, they always use knifes, if you make them trouble, they will kill you, so it is very dangerous, so you always be in homes, you don't always go outside. Our target was to get out of Libya, to be in the sea, so I collect money, some I work, some I get my mother form Mogadishu, and than smuggler. You pay money for the smuggler, than he collect you whatever. We were 28 person, he take everyone 900 dollar, each 900 dollar. Than he collect your boat. Then we take the boat from Libya, to the sea than we came here in Malta. I don't know where I am going, to go Europe, whatever, I don't know what Malta. It's first time that I hear Malta when I came." Sprecher overvoice Zacaria: Ich war fünf Monate lang in Libyen. Manchmal habe ich Arbeit gefunden, manchmal nicht. Die Menschen dort waren gefährlich. Wenn sie dich in einem Restaurant gesehen haben, machten sie dir Probleme. Sie haben dir dein Geld abgenommen. Manchmal töteten sie auch. Alle hatten Messer. Wir wollten Libyen verlassen. Deshalb habe ich Geld gespart. Ich habe gearbeitet. Außerdem hat mir meine Mutter etwas aus Mogadischu überwiesen. Bis ich genug Geld für die Menschenschmuggler hatte. Wir waren 28 Personen, jeder musste 900 Dollar bezahlen. Dafür durften wir auf ein Boot. Ich hatte keine Ahnung, wo es hingeht. Irgendwo nach Europa. Malta kannte ich nicht. Den Namen habe ich das erste Mal gehört, als ich hier ankam. Atmo: neben der Straße Sprecher: Plötzlich halten wir vor einer hohen Mauer, die mit Stacheldraht gesichert ist. Mohammed, Zacaria und ich steigen aus dem Auto und gehen zu einem Schlagbaum. Ein großes Schild warnt: Achtung Militärgebiet! Andreas: Where are we here? Mohammed: Sorry? Andreas: Where are we here, what is this? Sprecher: Wo sind wir? Mohammed: This is detention center, detention in Hal Far. Sprecher overvoice Mohammed: Das ist das Internierungslager Hal Far.

9

Andreas: "What's happening right now?" Mohammed: We are waiting to. The migratist they are come last week, last month. We wanted to knowledge a lot of things.

Sprecher overvoice Mohammed: Wir warten. Letzte Woche sind neue Migranten gekommen. Wir wollen mit ihnen sprechen. Atmo: neben der Straße Sprecher: In dem Pförtnerhäuschen sitzt ein Soldat. Er beobachtet uns, telefoniert und kommt dann freundlich lächelnd auf uns zu. Hinter ihm tauchen vier seiner Kameraden auf, mit Maschinengewehren und grimmigem Blick. Für diesen Moment hat sich Mohammed eine wenig überzeugende Geschichte zurecht gelegt: Vor kurzem sei sein Cousin nach Malta gekommen und inhaftiert worden. Er müsse dringend mit ihm sprechen. Offenbar glaubt er wirklich, dass er damit durchkommt. Soldat A: We are calling as we speak, so there are people trying to get informed. Sprecher: Der Soldat gibt sich hilfsbereit, wohl auch, weil ich mich mit einer Presseakreditierung der maltesischen Informationsbehörde ausweisen kann. Atmo: Außen, Auto, Soldat B: Have you talked to a person? A name? Can you give us a name. Sprecher overvoice: Haben Sie schon mit jemandem gesprochen? Können sie mir den Namen nennen? Mohammed: Sorry. Soldas B: No, no, you can stand all your time here, just tell me the person you talked to. The name. Mohammed: Father Phillip. Soldat A: You called certain father Phillip, from where?

10

Sprecher overvoice: Sie haben mit einem Pater Phillip gesprochen. Wer ist das? Mohammed: OK no problem. It's so difficult to get a permit. Soldat A: We still trying to get information. We are trying to call the head of detention services, which is General Cornel Gatt. If he knows about you, you can go in. No problem for us. But if he says no. But we are waiting for the phone call. 51“ (Telefonklingeln.) One moment. Atmo: Außen Sprecher overvoice: Wir versuchen gerade, den Chef des Lagers zu erreichen, Cornel Gatt. Wenn er etwas von ihrem Besuch weiß, können sie rein. Für uns ist das kein Problem. Aber wenn er nein sagt... Wir warten auf seinen Anruf. Sprecher: Der Soldat geht zum Telefon. Wir warten. Als er zurückkommt, verfliegt Mohammeds Optimismus. Soldat: I am sorry gentleman, I received the call now. The administrative way is to go through detention service channel, which the head is Cornel Gatt, g-a-t-t. Sprecher overvoice: Tut mir Leid, meine Herren. Versuchen Sie es auf dem Verwaltungsweg. Der Chef ist Cornel Gatt. Andreas: OK, thank you. I am sorry. Thank you. Soldat: Your are welcome. Atmo: neben der Straße Sprecher: Das Auto ist längst weg. Wir setzen uns in den Schatten eines Baumes, um ein paar Schluck Wasser zu trinken. Ich frage Zacaria nach seiner Fahrt übers Mittelmeer. Zacaria: We didn't came Malta, but we our boat was broken and the direction, we lost the direction. So we don't know where we are going. Women, children, the way they cry, we are going to die, so you really get confused. I was thinking that the end of our life. It was really crazy. The army force from Malta, they save us and they bring us into detention, we don't know that we go in jail in detention in Malta. We were thinking that, in a safe in Europe, that we are going to get a better life and than they put in detention. 11

I was thinking that there is no place in the world which is save. Our moral died, if Europe is like this one, no where safe, no where, no where. Everyone gets disappointed. Everyone says, no today we finish." Sprecher overvoice Zacaria: Wir wollten gar nicht nach Malta, aber unser Boot ist kaputt gegangen, und wir haben die Orientierung verloren. Die Frauen und Kinder haben viel geweint. Sie haben geschrien: 'Wir werden sterben.' Ich dachte auch, dass wir sterben werden. Aber dann sind Boote der maltesischen Armee gekommen und haben uns gerettet. Wir kamen gleich in Haft. Wir wussten nicht, dass wir in Malta eingesperrt werden. Wir glaubten, dass Europa sicher ist, dass wir hier ein besseres Leben führen würden. Als wir eingesperrt wurden, dachte ich, dass es auf der ganzen Welt keinen sicheren Ort gibt. Alle waren enttäuscht und haben gesagt: heute ist alles vorbei. Sprecher: Wir gehen wieder über die staubige Straße. Mohammed hat noch nicht aufgegeben. Mohammed: I talk to you, because of what the reality is for the people they life in Malta the immigratist. You see the hard life you see for everything. Sprecher overvoice Mohammed: Ich will, dass du siehst, wie die Migranten hier auf Malta wirklich leben, wie schwierig ihr Leben ist. Sprecher: Mohammed möchte, dass ich in Deutschland über die Not der Afrikaner auf Malta berichte. In der Nähe ist eines der vom Staat betriebenen offenen Lager. Doch auch da kommen Journalisten nicht ohne ein aufwendiges Genehmigungsverfahren rein. Wir gehen an einem Maschendrahtzaun entlang, der zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Mohammed kennt eine Öffnung im Zaun, direkt neben der Straße. Das Open Center Hal Far ist kein Gefängnis, sondern ein offenes Lager für Afrikaner, die aus der Haft entlassen wurden. Alle können frei ein und aus gehen, aber niemand soll das Lager unangemeldet betreten. Doch Mohammed meint, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen. Dann zwängt er sich durch das Loch im Zaun. Atmo: Männer sprechen, lachen Sprecher: Afrikanische Männer sitzen im Schatten zweier Bäume. Sie freuen sich über den Besuch. Mohammed stellt mich als Journalisten aus Deutschland vor. Sofort fangen sie an, über die Zustände im Lager zu klagen. Einer zeigt mir sein Mittagessen. Spaghetti mit Tomatensoße. Sieht eigentlich ganz lecker aus. Die Männer sagen, das gebe es jeden Tag, morgens, mittags und abends. Immer Spaghetti. Mohammed: I gonna pray now, so if you wanted to talk in somali language, you have to tell them." Atmo: Stimmen

12

Sprecher: Mohammed und Zacaria sind gläubige Muslime. Es ist Zeit für ihr Gebet. Sie verschwinden hinter einem Wohncontainer. Die anderen Männer führen mich durch das Lager. Atmo: im Container, Musik im Hintergrund Afrikaner X: Look and come. Andreas: Let's see, two, four, six. Afrikaner Y: There is 20 persons this room. 20 persons living together. Sprecher overvoice: In diesem Raum schlafen zwanzig Männer. Afrikaner Y: 20 persons sleep here." 27 Andreas: Hot, it really gets hot here. Afrikaner Z: Sometimes sleep two person." Atmo: Wind bläst Plastikbecher Sprecher: Nachts wird es in den Containern oft so heiß, dass die Männer ihre Matratzen nach draußen bringen und sich auf den asphaltierten Platz legen, über den der Wind den Staub bläst. 1. Mann: The problems here, container is very very hot. Atmo: Männer sprechen Arabisch Andreas: How long have you been here? There are people who live here for years, or no?

Sprecher: Wie lang seid ihr schon hier? Es gibt Leute, die hier seit Jahren leben, oder? 1. Mann: Yeah sometimes.

13

2. Mann: Five years. 3. Mann: This man stayed five years, for not get work. Sprecher overvoice: Dieser Mann ist seit fünf Jahren hier. Er findet keine Arbeit. Andreas: How is life here, since five years? Atmo: Mann spricht Arabisch 4. Mann: He said not life, it's bad live. Sprecher overvoice: Er sagt, das ist kein Leben. Es ist ein schlechtes Leben. Atmo: Männer sprechen Arabisch Atmo: Musik - synthetische Musik aus Somalia Atmo: Straßenverkäufer "Cold water, cold lemonade" Sprecher: Abends sind wir zurück in Valletta in einer Gegend mit bunten, lebhaften Straßen. Händler bieten kalte Getränke und allerlei Schnickschnack an. Hier haben Zacaria und Mohammed ein kleines Apartment gemietet, das sie sich mit zwei weiteren Somalis teilen. Atmo: Pantoffelschlappen. Andreas: "Just one." Rühren. Klack... Sprecher: Zacaria schenkt mir Tee ein. Zacaria: My life now, I'm an age of my life, so I struggle my life, even if I am sick I have to go to work. At work I am a refugee, so at the work I am not like a Maltese or other people here in Malta, cause I am illegal.

Sprecher Zacaria: Mein Leben hier ist nicht leicht. Ich muss zur Arbeit gehen, auch wenn ich krank bin. In der Firma gelte ich immer als der Flüchtling, weil ich illegal arbeite. Die Malteser werden anders behandelt.

14

Sprecher: Ich frage die beiden, ob sie manchmal mit jemandem über die traumatischen Erlebnisse ihrer Flucht sprechen. Zacaria: No, we don't do that. I am here four years in Malta, so always I don't talk about the way, where I come from. In me, for me, I don't like to hear about that history, anyone." Sprecher Zacaria: Nein. Das tun wir nie. Ich bin seit vier Jahren auf Malta, und ich habe nie darüber gesprochen. Ich will auch die Geschichten von anderen nicht hören. Andreas: Why not? Zacaria: Because it makes me really when I hear about someone to talking about that, it makes me sick. So I don't like. Because of the hard the life that they talk, because of the hot, because of the sea, because of people dying, because of the women they are raping, because of the everything that is it's really something you can't remember. We like to talk about you have a work, you got a work, you have money, you eat, something about that, you have a girlfriend, we talk about something about that, in your life." Sprecher Zacaria: Weil mich das krank macht. Diese Geschichten erzählen immer von einem schlimmen Leben. Die Hitze, das Meer, Menschen sterben, Frauen werden vergewaltigt - das sind alles Dinge, an die du dich nicht erinnern willst. Wir reden lieber über die Arbeit. Hast du Arbeit? Hast du Geld? Hast du was zu essen? Solche Sachen. Hast du eine Freundin? Wir reden lieber über unser Leben jetzt. Sprecher: Im Marsa Open Center bietet ein Psychologe den traumatisierten Flüchtlingen Hilfe an. Mohammed: (lacht) No, I never talk or I never meet with a psychologist, because I don't know the reason I go there." Sprecher overvoice Mohammed: Ich habe noch nie mit einem Psychologen gesprochen. Ich weiß nicht, weshalb ich da hin gehen sollte. Zacaria: If it is a psychologist which is special for this problems when someone gets a bad memory for his life, I think it would be better for us to meet. But I hope in the future we gonna meet to ask him how can I pass for this bad memory which is on my mind, which I can never pass. Even sometimes when I see films when if someone in the sea, I get shocked, so I switch off. 15

Sprecher overvoice Zacaria: Wenn es ein Psychologe ist, der sich auf solche Probleme spezialisiert hat, wäre es vielleicht gut für uns, mit ihm zu reden. Ich hoffe, dass ich eines Tages mal so jemanden fragen kann, wie ich die Erinnerungen loswerde. Manchmal ist es so schlimm, da muss ich nur einen Film sehen, der auf dem Meer spielt, und schon bekomme ich einen Schock. Dann muss ich ausschalten. Atmo: Musik - mit Jugendchor Sprecher: Eines Abends schlägt Mohammed vor, an einer Demonstration teilzunehmen. Mehrere hundert afrikanische Flüchtlinge haben sich vor dem Haupttor von Vallettas Altstadt zusammengefunden. Atmo: auf dem Platz mit Springbrunnen, viele Stimmen Mohammed: From now I am very happy to come or to meet a lot of black people. They wanted to tell the government on what has happened, so anyway we wanted to send the message, government in Malta: We are no animal, we are human like Maltese. All the people they come from Adam and Eva. And they are brothers. We don't wanted to make trouble anymore, it happens a lot of bad actions. Sprecher overvoice Mohammed: Ich freue mich sehr, dass so viele Afrikaner gekommen sind. Sie wollen der Regierung sagen, was hier passiert. Wir wollen klar machen, dass wir keine Tiere sind. Wir sind Menschen wie die Malteser. Alle Menschen stammen von Adam und Eva ab. Alle sind Brüder. Wir wollen keine Probleme machen. Aber hier passiert viel Schlimmes. Sprecher: Auslöser der Demonstration war der Tod des Flüchtlings Mamadou Kamara aus Mali. Er lebte illegal auf Malta, wurde schwer krank und musste behandelt werden. Im Krankenhaus hat ihn die Polizei verhaftet und wollte ihn in ein Internierungslager bringen. Der junge Mann versuchte zu fliehen. Die Polizisten haben ihn wieder gefasst und zum Internierungslager Safi gefahren. Als Mamadou Kamara dort ankam, war er tot. Mohammed: They killers for the Maltese. It is number five or seven and they killed a lot of black people, and the government, even for the parliament, even for the prime minister they didn't talk what happened to the migrants. Sprecher overvoice Mohammed: Das ist der fünfte oder siebte Migrant, der getötet wurde. Aber die Regierung, das Parlament und selbst der Premierminister sprechen nicht darüber, was mit den Migranten geschieht. Sprecher: Einer der Malteser, die für die Rechte der Flüchtlinge kämpfen, ist der Anthropologe André Callus. 16

André Callus: I think for the first time we are seeing that immigrants are neither helpless victims nor just a threat. They are people who are ready to talk about issues of concern to them and I think this is very important. This people have already passed through the closed center, but they are here to fight for the equality and the human rights of other persons that are still inside. Sprecher overvoice: Migranten sind weder hilflose Opfer noch eine Bedrohung. Es sind Leute, die über ihre Situation sprechen wollen. Das ist sehr wichtig. Diese Menschen hier haben die Internierungslager hinter sich. Sie sind gekommen, um für eine bessere Behandlung zu kämpfen und für die Menschenrechte der anderen, die noch einsitzen. Atmo: Marsch durch Valetta, Stimmen, Schritte Sprecher: Die rund fünfhundert Demonstranten ziehen durch die pittoreske Altstadt Vallettas. Am Straßenrand stehen einige Malteser, die den Zug mit verwunderten Blicken beobachten. Es ist nicht leicht, jemanden zu finden, der sich zu der Demo äußern möchte. Andreas: Excuse me, you Sirs. Could I ask you about what you are seeing? Malteser 1: No comment Sir. Andreas: No comment. Thank you. Sprecher: Aber dann ist doch jemand bereit, etwas zu sagen. Andreas: Were you surprised? Malteser 2: The problem sees, we gonna have to do to stop the immigration comes more, because we are a small island. We can't a lot of people like this, you know. They are people like us, OK, but there is a problems, there come more and more and more. There comes big problems for us. Sprecher overvoice Malteser: Wir müssen die Migration stoppen. Malta ist eine kleine Insel. Wir können nicht so viele Leute aufnehmen. Sie sind auch Menschen, so wie wir. Aber es kommen immer mehr. Für uns ist das ein großes Problem. Sprecher: Zurzeit leben ungefähr sechstausend afrikanische Flüchtlinge auf der Insel mit einer Bevölkerung von rund vierhundertzwanzigtausend Menschen. 17

Atmo: Redner - OK, thank you very much. Peace and love. Peace and love. Sprecher: Der Demonstrationszug ist vor dem maltesischen Parlamentsgebäude angekommen. Verschiedene Redner stellen sich auf einen Stuhl und greifen zum Mikrophon. Auch André Callus hält eine engagierte Rede. Andre Callus (hält Rede, Applaus): And we see that the violence inside these centers have become institutionalized. That means it has become a regular practice, people don't know about it, because if it is happening inside the closed centers. But it is happening there every week that people get beaten and we blame that on the system." (Applaus) Sprecher overvoice Andre Callus: Die Gewalt in den Haftanstalten ist zur gängigen Praxis geworden. Davon weiß die Öffentlichkeit nichts, weil es innerhalb der geschlossenen Lager geschieht. Jede Woche werden Leute geschlagen. Schuld daran ist das System. Atmo: afrikanischer Sprecher bei Demo Sprecher: Unter den Demonstranten ist auch eine junge Deutsche, Kati Beckmann, Studentin der Politikwissenschaften in Tübingen. Auf Malta leistet sie ein Jahr lang einen europäischen Freiwilligendienst. Sie trägt einen Ring in der Nase, eine Sonnenbrille über den Haaren und ein buntes Hemd mit weitem Ausschnitt. Unter der maltesischen Sonne ist ihre Haut ganz rot geworden. Kati Beckmann: Ich hab selber miterlebt wie ein Flüchtlingsboot hier angekommen ist. Ich war durch Zufall am Strand, da war nachts 'ne Party, und da kam ein Boot mit Flüchtlingen an, und wir haben versucht, so viele Lebensmittel wie möglich bereit zu stellen. Und die erste Frage, die uns 'ne maltesische Frau gestellt hat, war: ist die Polizei da? Haben sie alle geschnappt? Es war, glaube ich, gegen elf Uhr. Und zuerst hab' ich gedacht: Oh mein Gott, das sind alles Afrikaner, das sind ja wirklich Flüchtlinge. Zwei Freunde von mir, die vor acht Jahren aus dem Sudan hergekommen sind, waren auch da, und die haben dann den Leuten dann vom Boot geholfen, und wir haben zwei Krankenschwestern gefunden unter den Partygästen, die haben erste Hilfe geleistet. Es war 'ne schwangere Frau, die ist am Strand kollabiert, die brauchte Erste Hilfe, und ist dann ins Krankenhaus gebracht worden. Die waren 'ne Woche unterwegs und unterwegs sind fünf Leute gestorben und über Bord geschmissen worden.Aber ich habe mich zwei Tage lang ganz ganz komisch gefühlt, weil mir einfach klar geworden ist, dass wir so ein Glück haben in der nördlichen Hemisphäre geboren zu sein. Atmo

18

Suggest Documents