Kapitel 2 Reform der Landesstiftungsrechte

Kapitel 2 Reform der Landesstiftungsrechte Literatur Andrick Änderungen des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, ZStV 2010, 121 ff.; An...
Author: Gert Schenck
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Kapitel 2 Reform der Landesstiftungsrechte Literatur Andrick Änderungen des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, ZStV 2010, 121 ff.; Andrick Das novellierte nordrhein-westfälische Stiftungsgesetz, ZSt 2005, 187 ff.; Andrick Das Stiftungsgesetz für das Land NordrheinWestfalen, NWVBl. 2005, 445 ff.; Arndt Rechnungslegung durch Stiftungen und deren Prüfung durch die Stiftungsaufsicht, npoR 2010, 93 ff.; Backert/ Carstensen Nochmals: Der Modellentwurf für ein Landesstiftungsgesetz, ZIP 2003, 284 ff.; Fieseler Neuregelungen des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen – SächsStiftG 2007, LKV 2008, 114 ff.; Hüttemann Das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts, ZHR 167 (2002), 35 ff.; Hüttemann/Rawert Der Modellentwurf eines Landesstiftungsgesetzes, ZIP 2002, 2019 ff.; Karg Das Gesetz zur Änderung des Stiftungsrechts, BayVBl. 1996, 449 ff.; Koss Principal-AgentKonflikte in Nonprofit-Organisationen, in Hopt/von Hippel/Walz, NonprofitOrganisationen in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 2005, 197 ff.; Lex Das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Stiftungsrechts vom 24.7.2001, ZEV 2001, 389 ff.; Miehe Grundzüge der Stiftungspolitik zwischen 1945 und dem Ende der 1950er-Jahre auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes SachsenAnhalt, ZSt 2009, 51 ff.; Muscheler Bundesrechtliche Vorgaben und Grenzen für eine Reform der Landesstiftungsrechte, ZSt 2004, 3 ff.; Muscheler Vorrang des Bundesstiftungsrechts vor dem Landesstiftungsrecht, NJW 2004, 713 ff.; Neuhoff Das Stiftungsgesetz für die neuen Bundesländer, DtZ 1991, 435 ff.; Nissel Anmerkungen zum Stiftungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern, ZSt 2007, 3 ff.; Peiker Modellentwurf eines Landesstiftungsgesetzes am Beispiel Hessen, ZSt 2003, 79 ff.; Peiker Modellentwurf für ein Landesstiftungsgesetz, ZSt 2003, 47 ff.; Rawert Das Stiftungsrecht der neuen Bundesländer, BB Beilage 1991, Nr. 6, 13; Reuter Die Verbrauchsstiftung, npoR 2010, 69 ff.; Richter Die Reform des Stiftungsrechts auf Landesebene, ZEV 2003, 314 ff.; Richter Die Reform der Stiftungsgesetze der Länder, ZSt 2004, 19 ff.; Richter Aktuelle Änderungen in den Landesstiftungsgesetzen, ZEV 2005, 517 ff.; Richter/Sturm Stiftungsrechtsreform und Novellierung der Landesstiftungsgesetze, NZG 2005, 655 ff.; Schewe Bericht über die Tagung zur Reform des nordrhein-westfälischen Landesstiftungsgesetzes am 16. Juli 2003 in Münster, ZSt 2003, 173 ff.; Schulte/Risch Quo vadis, Landesstiftungsrecht? Gedanken zur Reform der Stiftungsgesetze der Länder, ZSt 2004, 11 ff.; Schwarz Das Stiftungswesen in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik zwischen 1945 und 1989, Zugleich ein Beitrag zum deutschen Stiftungsrecht unter dem Einfluss der Regime, Frankfurt am Main u. a. 2008; Siegmund-Schultze Das Niedersächsische Stiftungsgesetz – Entstehung und Entwicklung, ZSt 2003, 122 ff.; Svares Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, Bd. 3, 1. Teil, 3. Abteilung, Edition nach der Ausgabe von 1786 mit Hinweisen auf das ALR, AGB, die eingegangenen Monita und deren Bearbeitung, sowie mit einer Einführung und Anmerkung von Peter Krause, Stuttgart-Bad Cannstatt 2003; Waldhausen Ein neues Stiftungsgesetz für Brandenburg, LKV 1996, 436 ff.; Walz Stellungnahme zum Entwurf eines Hamburgischen Stiftungsgesetzes vom 15.9.2004 (nicht veröffentlicht); Weitemeyer/Seelig Reform des Thüringer Stiftungsgesetzes geplant, BLS

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Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

Non Profit Law News (4) 2008, 9 ff.; Werner Das Thüringer Stiftungsgesetz vom 16.12.2009, ZSt 2009, 3 ff.

A. Einleitung 2.1 Das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts im Jahre 20021 versetzte die Länder in Zugzwang: Die bundesrechtlichen Vorgaben der geänderten §§ 80 ff. BGB machten eine Anpassung der Landesstiftungsgesetze erforderlich. Viele der Regelungen waren überholt oder verstießen gegen Bundesrecht und wurden damit gem. Art. 31 GG ungültig: dies gilt sowohl für die landesgesetzlichen Regelungen über die Genehmigungsvoraussetzungen als auch für Vorschriften zum notwendigen Inhalt von Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung, die nunmehr in den §§ 80, 81 BGB abschließend geregelt sind. Zudem waren die Landesstiftungsrechte höchst unterschiedlich ausgestaltet, sowohl was die Form als auch den Inhalt betraf. So kam das „Hamburger Ausführungsgesetz zum BGB“ aus dem Jahre 1958 mit gerade einmal 16 Vorschriften zu Stiftungen aus, während das Stiftungsgesetz Rheinland-Pfalz ganze 54 Paragraphen benötigte (Näheres s. unten Rz. 2.44 und 2.87). 2.2 Anhaltspunkte für die Neuregelung in den Ländern schufen Hüttemann/Rawert mit ihrem Vorschlag eines Modellentwurfs eines Landesstiftungsgesetzes2. Darin plädieren sie für eine Angleichung und grundlegende Straffung der Landesstiftungsgesetze, um die Errichtung von Stiftungen im Sinne des Modernisierungsgesetzes auf Bundesebene „einfacher und transparenter“ zu machen: ihr Modellentwurf umfasst gerade einmal 12 Paragraphen.3 Über die Bundesreform hinausgehende Empfehlungen gab zudem der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht vom 19.10.2001. Der Bericht, dem sich der Bundestag ausdrücklich angeschlossen hat,4 forderte die Länder dazu auf, Stiftungsverzeichnisse einzuführen, um ein Mindestmaß an Publizität zu wahren.5 Schließlich bot sich den Landesgesetzgebern die Chance, die Gesetze grundlegend zu überarbeiten, zu vereinfachen und die Stifterautonomie zu stärken und so potentiellen Stifterinnen und Stiftern neue Anreize für die Errichtung von Stiftungen zu geben.6 ___________________

1 Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts v. 1.9.2002 (BGBl. I 2634). 2 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. 3 Zur Reformdebatte s. Backert/Carstensen, ZIP 2003, 284 ff.; Muscheler, ZSt 2004, 3 ff.; Muscheler, NJW 2004, 713 ff.; Peiker, ZSt 2003, 47 ff.; Richter, ZEV 2003, 314 ff.; Richter/Sturm, NZG 2005, 655 ff.; Schulte/Riesch, ZSt 2004, 11 ff. 4 Entschließungsantrag v. 25.4.2002, BT-Drucks. 14/8926. 5 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht v. 19.10.2001, 31 ff. 6 Hüttemann, ZHR 167 (2003), 35 ff., 64. 34 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Im Folgenden wird betrachtet, inwieweit die Landesgesetzgeber den Vor- 2.3 gaben der Bundesreform und den Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Rechnung getragen und sich möglicherweise an dem Modellentwurf von Hüttemann/Rawert orientiert haben. Dabei wird zunächst ein kurzer Blick auf den geschichtlichen Hintergrund und die landesspezifischen Besonderheiten geworfen. Einem Überblick über die Rechtsentwicklung der Stiftungsrechte nach 1945 vor und nach der Bundesreform von 2002 folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Regelungen der aktuellen Fassungen der Gesetze. Im Hinblick auf die eigentlichen Funktionen der Landesstiftungsgesetze wird hierbei zunächst kurz auf den Anwendungsbereich des jeweiligen Landesgesetzes und die Behördenzuständigkeit eingegangen. Soweit vorhanden, werden landesrechtliche Vorschriften über die Vermögensverwaltung wiedergegeben. Des Weiteren werden Zweck und Umfang der Stiftungsaufsicht, Vorschriften zur Rechnungslegung sowie die Befugnisse der Aufsichtsbehörde dargestellt.

B. Stiftungsrecht in den Ländern I. Baden-Württemberg7 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Ein Jahr nach der Reform des Stiftungsrechts auf Bundesebene im Jahre 2.4 2002 reagierte die Landesregierung von Baden-Württemberg 2003 mit einer Anpassung des seit 1977 geltenden Stiftungsgesetzes. Das Land rangiert mit 2 707 Stiftungen bürgerlichen Rechts, davon 124 Neugründungen im Jahre 2010, im oberen Mittelfeld, was die Stiftungsdichte angeht. Bedeutende Stiftungsvermögen sind hier angesiedelt. Allerdings sind vier der größten deutschen gemeinnützigen Körperschaften privaten Rechts mit mehreren Mrd. Euro Stiftungsvermögen mit Sitz in Baden-Württemberg in der Rechtsform einer GmbH organisiert. An der Spitze liegt die Robert Bosch Stiftung GmbH, gefolgt von der DietmarHopp-Stiftung gGmbH, der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH und

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7 Stiftungsgesetz Baden-Württemberg (BaWürttStiftG) v. 4.10.1977 (GBl. 408) geändert durch Gesetz v. 30.5.1978 (GBl. 286), Gesetz v. 4.7.1983 (GBl. 265), VO v. 19.3.1985 (GBl. 71), VO v. 23.7.1993 (GBl. 533) und Gesetz v. 16.12.2003 (GBl. 720). Materialien: Gesetzentwurf der Landesregierung v. 10.6.1975, Drucks. 6/7810; Gesetzentwurf der Landesregierung v. 16.11.1976, Drucks. 7/510; Mitteilung des Rechnungshofs v. 8.12.1976, Drucks. 7/1154; Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses v. 5.8.1977, Drucks. 7/1937; Bericht über die Beratung des Ständigen Ausschusses v. 14.9.1977, Drucks. 7/1938; Gesetzentwurf der Landesregierung v. 18.11.2003, Drucks. 13/2622. Weitemeyer/Franzius | 35

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der Klaus Tschira Stiftung gGmbH.8 Das Land kann auf eine lange Tradition im Stiftungsrecht zurückblicken: Das 1870 durch das Großherzogtum Baden erlassene badische Stiftungsgesetz regelte das Stiftungsrecht bis in Einzelheiten hinein und war zu seiner Zeit Vorbild für die Gesetzgebungsaktivitäten vieler anderer Länder. Das Gesetz von 1977 beendete die bis dato geltende Rechtszersplitterung in Baden-Württemberg, da das badische Stiftungsgesetz von 1870 nur im ehemals badischen Landesteil galt, während es im vormals württembergischen Landesteil nur vereinzelte Vorschriften zum Stiftungsrecht im württembergischen AG BGB und in der Gemeindeordnung gab und im ehemals hohenzollerschen Teil nur einige Vorschriften des preußischen Stiftungsgesetzes galten.9 2. Rechtsentwicklung a) BaWürttStiftG von 1977 2.5 Ziel des BaWürttStiftG von 1977 war es, ein freiheitliches, stifterfreundliches Landesstiftungsrecht zu schaffen, das sich auf den Schutz der Stiftung vor dem Staat und vor den Stiftungsorganen beschränken und die Privatautonomie in den Vordergrund stellen sollte.10 Die Landesregierung beabsichtigte mit dem Gesetz, die „gute und lange Tradition“ von Stiftungen in Baden-Württemberg zu erhalten und so die Stiftungsbereitschaft zu erhöhen. Die Begründung des Entwurfs von 1975 verspricht die Begrenzung staatlichen Einflusses und Anerkennung der neuen Rolle des Stiftungswesens als „Wegbereiter neuer Entwicklungen“.11 Ergebnis ist ein stifterfreundliches Gesetz, das die Einwirkungsmöglichkeiten des Staates in Grenzen hält. So wurde die für risikobehaftete Maßnahmen wie die Aufnahme von Darlehen oder die Belastung von Grundstücken bis dahin erforderliche ausdrückliche Genehmigung der Behörde in eine bloße Anzeigepflicht gewandelt (§ 13 BaWürttStiftG a. F.). Auch der Transparenz im Stiftungswesen wurde durch die Pflicht zur Bekanntmachung der Stiftungen durch die Eintragung in ein Stiftungsverzeichnis Rechnung getragen.12 Anzugeben waren Name, Sitz, Zweck, Vertretungsberechtigung und Zusammensetzung der vertretungsberechtigten Organe der Stiftung (§ 4 Abs. 1, 40 BaWürttStiftG a. F.). ___________________

8 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen, Errichtungen und Bestand rechtsfähiger Stiftungen des Bürgerlichen Rechts in Deutschland im Jahr 2010, Stand: Februar 2011. 9 Bruns, BaWürtStiftG, 5. Aufl. 2005, Einl. 12 und 6. Aufl. 2010, Einl. 16 f.; Strobl, Entwicklungstendenzen des Stiftungswesens in Baden-Württemberg – Erfahrungen in der Praxis, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 273–278. 10 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 10.6.1975, Drucks. 6/7810, 1, 20–22. 11 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 10.6.1975, Drucks. 6/7810, 22. 12 v. Rothberg/Broo/Frey, BaWürttStiftG, Einl. 7–9. 36 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

b) Anpassungen im Zuge der Reform des Bundesrechts im Jahre 2002: das BaWürttStiftG von 2003 Die Reform des Stiftungsrechts des Bundes führte angesichts der fort- 2.6 schrittlichen Regelungen des BaWürttStiftG zu vergleichsweise geringen Änderungen im Jahre 2003.13 Die Formulierung in § 5 BaWürttStiftG a. F. „Genehmigung“ wurde zu „Anerkennung“ umgewandelt und regelt nunmehr im Einklang mit § 80 Abs. 1 BGB lediglich die Zuständigkeit der Stiftungsbehörde. Die einschränkende Voraussetzung, die Genehmigung nur zu erteilen, wenn die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks versichert wurde, fiel weg. Vorgaben zu Inhalt von Stiftungsgeschäft und Satzung wurden in Anbetracht der abschließenden Regelung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen im BGB ebenfalls gestrichen (§ 6 Abs. 1 bis 3 BaWürttStiftG a. F.). Die Stiftungsbehörde behält jedoch wie in der Vorfassung die Kompetenz, Satzungsänderungen zu genehmigen oder selbst vorzunehmen, „soweit dies wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse geboten ist und wenn die zur Satzungsänderung befugten Stiftungsorgane die erforderliche Änderung nicht vornehmen“ oder dazu nicht befugt sind. Zu Lebzeiten des Stifters bedarf die Änderung dessen Zustimmung (§ 6 BaWürttStiftG). Die Vorschriften über die Stiftungsaufsicht sind bis auf redaktionelle Anpassungen unverändert geblieben (§§ 8 bis 13 BaWürttStiftG, s. dazu unten Rz. 2.10). Die bereits bestehende Transparenz durch die Bekanntmachung der 2.7 Stiftungen in einem Stiftungsverzeichnis bei dem Regierungspräsidium wurde erweitert, indem nun jedermann voraussetzungslos Einsicht in das Verzeichnis gewährt wird, § 4 Abs. 4 BaWürttStiftG, während vorher ein berechtigtes Interesse glaubhaft zu machen war. Im Übrigen beschränkte sich die Anpassung an die Vorschläge der Bund-LänderArbeitsgruppe im Wesentlichen auf Formulierungsänderungen: hinzu kam in § 4 Abs. 1 BaWürttStiftG lediglich die „Anschrift“ der Stiftung. Die Eintragung in das Verzeichnis begründet jedoch nicht die Vermutung der Richtigkeit der Eintragung (§ 4 BaWürttStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht Das BaWürttStiftG gilt seit seinem Erlass im Jahre 1977 gem. § 1 2.8 BaWürttStiftG für alle rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen und öffentlichen Rechts und enthält Sonderregelungen zu kirchlichen (§§ 22 bis 30 BaWürttStiftG) und kommunalen Stiftungen (§ 31 BaWürttStiftG) sowie für Fideikommissauflösungsstiftungen (§ 32 BaWürttStiftG). Stiftungsbehörde ist gem. § 3 Abs. 1 BaWürttStiftG das Regierungspräsidium. Ist das Land Stifter oder Mitstifter oder wird die Stiftung ___________________

13 S. hierzu im Einzelnen Zielsetzung und Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung v. 18.11.2003, Drucks. 13/2622, 1, 7–13. Weitemeyer/Franzius | 37

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Reform der Landesstiftungsrechte

durch das Regierungspräsidium verwaltet, ist zuständige Behörde dasjenige Ministerium, in dessen Geschäftsbereich der Zweck der Stiftung überwiegend fällt (§ 3 Abs. 3 BaWürttStiftG). 2.9 Die Stiftung ist nach den Gesetzen, dem Stiftungsgeschäft und der Satzung wirtschaftlich und sparsam zu verwalten. Die Vermögensverwaltung dient der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks. Das Vermögen ist grundsätzlich in seinem Bestand zu erhalten. Lässt die Satzung eine Ausnahme zu oder ist der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen, reicht es aus, dass der Bestand der Stiftung für angemessene Zeit gewährleistet ist. Das Stiftungsvermögen ist von anderen Vermögen getrennt zu halten (§ 7 Abs. 1 und 2 BaWürttStiftG). Der Aufsichtsbehörde sind risikobehaftete Rechtsgeschäfte wie beispielsweise die Belastung von Grundstücken oder die Aufnahme von Darlehen im Voraus anzuzeigen, wobei eine Rechtmäßigkeitsfiktion eintritt, wenn die Behörde diese nicht innerhalb von zwei Wochen beanstandet (§ 13 Abs. 1 und 2 BaWürttStiftG). 2.10 Die Stiftungen bürgerlichen und öffentlichen Rechts stehen unter der Rechtsaufsicht des Landes (§§ 8 Abs. 1, 20 Abs. 1 BaWürttStiftG). Rechtsaufsichtsbehörde ist die Stiftungsbehörde (§§ 8 Abs. 3, 20 Abs. 5 BaWürttStiftG). Die aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnisse sind detailliert geregelt und halten sich in dem für die Überwachung der Erfüllung des Stiftungszwecks sowie der Gesetze üblichen Rahmen. So verfügt die Stiftungsbehörde über Unterrichtungs- und Prüfungsrechte über einzelne Angelegenheiten (§ 9 Abs. 1 BaWürttStiftG), sie kann Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstanden oder anordnen (§§ 10, 11 Abs. 1 BaWürttStiftG) und ohne Auferlegung eines Zwangsgeldes eine Ersatzvornahme durchführen (§ 11 Abs. 2 BaWürttStiftG). Sie kann Mitglieder der Stiftungsorgane aus wichtigem Grund bestellen und abberufen (§ 12 BaWürttStiftG). Satzungsänderungen durch die Organe bedürfen der Genehmigung der Stiftungsbehörde. Wie gesehen (Rz. 2.6), ist die Behörde auch befugt, die Satzung zu ändern, falls dies wegen veränderter Verhältnisse geboten erscheint. Die Änderung bedarf zu Lebzeiten des Stifters seiner Zustimmung (§ 6 BaWürttStiftG). Zweck- und Satzungsänderungen, Zusammenlegungen oder Aufhebungen sind möglich, soweit sie in der Satzung vorgesehen sind, und bedürfen der Genehmigung der Behörde (§ 15 Abs. 2 BaWürttStiftG). 2.11 Die Stiftung ist verpflichtet, der Behörde innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres eine Jahresrechnung mit Vermögensübersicht und einen Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorzulegen und über Änderungen der Zusammensetzung der vertretungsberechtigten Organe zu informieren. Die Stiftungsbehörde kann die Verwaltung der Stiftung auf Kosten der Stiftung prüfen lassen (§ 9 Abs. 2 und 3 BaWürttStiftG).

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B. Stiftungsrecht in den Ländern

II. Bayern14 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Relativ spät, im Jahre 2008, nahm Bayern die Anpassungen an die Re- 2.12 form auf Bundesebene aus dem Jahre 2002 vor. In seiner ursprünglichen Fassung vom 26.11.195415 hatte das Bayerische Stiftungsgesetz bereits als erstes modernes Stiftungsgesetz Modellcharakter.16 Es führte die zahlreichen verstreuten öffentlich-rechtlichen Bestimmungen stiftungsrechtlichen Inhalts zusammen, regelte sie landesrechtlich neu und ergänzte die Bestimmungen des BGB.17 Nach mehreren kleineren Anpassungen erfuhr das Gesetz vier Jahrzehnte nach seiner Geltung im Jahre 1995 die erste umfangreiche Novellierung.18 Ziele der Änderungen waren Deregulierung, Verwaltungsvereinfachung und Abbau von Staatsaufgaben sowie Entlastung der Stiftungen und Aufsichtsbehörden. So wurde die Anlage von Stiftungsgeldern erleichtert (Art. 14 BayStiftG a. F.), um die Selbstverantwortung der Stiftungen zu stärken, und das Wesen der Stiftungsaufsicht als reine Rechtsaufsicht (Art. 18 BayStiftG a. F.) betont.19 Bayern kann auf eine lange Tradition von Stiftungen zurückblicken und liegt mit seinen 3 334 Stiftungen – bei 153 Neugründungen im Jahre 2010 – bundesweit auf Platz zwei nach NordrheinWestfalen. Die Siemens Stiftung in München ist eine der größten deutschen Stiftungen privaten Rechts.20

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14 Bayerisches Stiftungsgesetz (BayStG) v. 26.11.1954 (GVBl. 301), geändert durch Gesetz v. 23.12.1995 (GVBl. 851), in der Fassung der Bekanntmachung v. 7.3.1996 (GVBl. 126), geändert durch Art. 7 des Gesetzes v. 28.3.2000 (GVB. 136), Neufassung v. 19.12.2001 (GVBl. 10), geändert durch Gesetz v. 7.8.2003 (GVBl. 497), geändert durch Gesetz v. 22.7.2008 (GVBl. 473). Materialien: Bayerischer Landtag, Mitteilung des Bayerischen Ministerpräsidenten v. 21.5.1954, Beilage 5560 Nr. III 5820 Bu 15; Gesetzentwurf der Staatsregierung v. 18.9.1995, Drucks. 13/2616; Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 21.1.2001, Drucks. 14/5498; Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 22.4.2008, Drucks. 15/10528. 15 Bayerisches Stiftungsgesetz (BayStG) v. 26.11.1954 (GVBl. S. 301). 16 Karg, BayVBl. 1996, 449; Pohley, Hans G., Die Entwicklung des Stiftungswesens und des Stiftungsrechts in Bayern, Deutsches Stiftungswesen 1977– 1988, 279–286. 17 Pohley/Backert, BayStiftG, Vorb. 7. 18 Gesetz v. 23.12.1995 (GVBl. 851), in der Fassung der Bekanntmachung v. 7.3.1996 (GVBl. 126). 19 Karg, BayVBl. 1996, 449, 451 f. 20 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen 2010, Stand: Februar 2011. Weitemeyer/Franzius | 39

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2. Rechtsentwicklung a) Fassungen vor der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002 2.13 Bayern hatte bereits im Vorfeld der bundesgesetzlichen Neuregelung das BayStiftG im Juli 2001 modernisiert und einige der sich damals schon abzeichnenden Änderungen auf Bundesebene vorweggenommen.21 Ziel der Gesetzesänderung war es, das Stiftungsrecht zu liberalisieren, die Errichtung von Stiftungen zu vereinfachen und die Stiftungsaufsicht behutsamer zu gestalten und dadurch ein stiftungsfreundliches Klima in Bayern zu fördern.22 Kernpunkte der Reform waren zum einen die gesetzliche Verankerung des Rechtsanspruchs auf Genehmigung der Stiftung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 5 BayStiftG a. F.), zum anderen der Abbau von Genehmigungsvorbehalten in der Stiftungsaufsicht und deren Umwandlung in Anzeigepflichten (Art. 27 Abs. 1 und 2 BayStiftG a. F.) sowie der Verzicht auf die Verpflichtung zur Vorlage eines jährlichen Voranschlags (Art. 24 BayStiftG a. F.).23 Dem Transparenzgedanken sollte durch die Bekanntmachung der Erlangung der Rechtsfähigkeit neu gegründeter Stiftungen im Bayerischen Staatsanzeiger Rechnung getragen werden (Art. 7 BayStiftG a. F.). b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das BayStiftG von 2008 2.14 Neben der Anpassung des BayStiftG an die Reform des bundesgesetzlichen Stiftungsrechts hat die Landesregierung die Neufassung zum Anlass genommen, den Gesetzestext klarer, verständlicher und anwenderfreundlicher zu gestalten.24 Zunächst wurden die Vorschriften über die Entstehung der Stiftung revidiert: Art. 3 BayStiftG enthält nunmehr lediglich die Aussage, dass sich die Entstehung einer Stiftung bürgerlichen Rechts nach den §§ 80 bis 84 BGB bestimmt und benennt die zuständige Anerkennungsbehörde. Gestrichen wurden die Bestimmungen über den Inhalt der Satzung (Art. 9 BayStiftG a. F.). Die Neufassung enthält lediglich den Hinweis, dass sich der notwendige Inhalt der Satzung einer Stiftung bürgerlichen Rechts nach § 81 Abs. 1 S. 3 BGB richtet (Art. 5 Abs. 2 BayStiftG). Im Rahmen der Stiftungsaufsicht wurden die Eingriffsbefugnisse eindeutiger gefasst. Auf den Anzeigenvorbehalt für die Aufnahme bestimmter Darlehen in Art. 27 BayStiftG a. F. wurde im Hinblick auf die unklaren Rechtsfolgen bei Verletzung der Anzeigepflicht verzichtet25. Die Zahl der genehmigungs- bzw. anzeigepflichtigen ___________________

21 Gesetzentwurf der Staatsregierung v. 23.1.2001, Drucks. 14/5498; Richter/ Sturm, NZG 2005, 655; Lex, ZEV 2001, 389 f. 22 Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 21.1.2001, Drucks. 14/5498, 2; Lex, ZEV 2001, 389, 390. 23 Voll/Störle, BayStiftG, Geschichtlicher Überblick 23 f. 24 Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 22.4.2008, Drucks. 15/10528, 1 f. 25 Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 22.4.2008, Drucks. 15/10528, 1 f., 14. 40 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Rechtsgeschäfte reduziert sich nach der Neuregelung von sechs auf drei (Art. 19 BayStiftG). Neu eingefügt wurde die Möglichkeit, bei fünf Jahren beanstandungs- 2.15 freier Buchführung für höchstens drei Jahre von der Prüfung der Jahresrechnungen abzusehen (Art. 16 Abs. 2 BayStiftG). Schließlich wurde die Bekanntmachung der Erlangung der Rechtsfähigkeit neu gegründeter Stiftungen im Staatsanzeiger gestrichen und durch die Eintragungspflicht in das beim Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung geführte und ständig aktualisierte, allgemein zugängliche elektronische Stiftungsverzeichnis ersetzt.26 Jede Stiftung ist nun verpflichtet, verschiedene Angaben – Name, Rechtsstellung, Sitz, Anschrift und Zweck der Stiftung, Stiftungsorgane, gesetzliche Vertretung, Name des Stifters – in das Stiftungsverzeichnis einzustellen. (Art. 4 Abs. 1 und 2 BayStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht27 Das Bayerische Stiftungsgesetz ist seither anwendbar auf rechtsfähige 2.16 Stiftungen des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts und enthält Regelungen für kirchliche Stiftungen (Art. 1, 21 ff. BayStiftG). Hervorzuheben ist das nur in Bayern ausdrücklich geregelte Bestands- und Namensrecht für jede Art von Stiftung (Art. 2 Abs. 2 BayStiftG). Anerkennungsbehörde ist die Regierung, in deren Bezirk die Stiftung ihren Sitz hat (Art. 3 Abs. 3 BayStiftG). Das Vermögen der Stiftung ist sicher und wirtschaftlich zu verwalten 2.17 und vom Vermögen anderer Rechtsträger getrennt zu halten. Es darf unter keinem Vorwand staatlichem Vermögen einverleibt werden. Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten. Erträge dürfen nur zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden (Art. 6 Abs. 1 bis 3 BayStiftG). Organmitglieder sind zur gewissenhaften und sparsamen Verwaltung verpflichtet. Ehrenamtlich tätige Organmitglieder sind nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit schadensersatzpflichtig (Art. 7 BayStiftG). Ist das Stiftungsvermögen so sehr geschwächt, dass die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks beeinträchtigt wird, kann die Behörde anordnen, dass der Ertrag des Vermögens so lange anzusammeln ist, bis die Stiftung wieder leistungsfähig geworden ist (Art. 17 BayStiftG). Risikobehaftete Rechtsgeschäfte bedürfen der Genehmigung durch die Behörde (Art. 19 BayStiftG). Stiftungen, die öffentliche Zwecke verfolgen, unterstehen zu ihrem 2.18 Schutz der Rechtsaufsicht des Landes. Aufsichtsbehörden sind die Regierungen. Zuständige oberste Stiftungsaufsichtsbehörden sind das ___________________

26 Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 22.4.2008, Drucks. 15/10528, 2. 27 Bayerisches Stiftungsgesetz (BayStG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 26.9.2008 (GVBl. 834). Weitemeyer/Franzius | 41

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst bzw. das Staatsministerium für Unterricht und Kultus für Stiftungen, die in den jeweiligen Tätigkeitsbereich fallen, und das Innenministerium für alle übrigen Stiftungen (Art. 10 Abs. 1 und 2 BayStiftG). Eine Besonderheit des Bayerischen Stiftungsgesetzes ist, dass die Stiftungsaufsichtsbehörden und die Stiftungen von einem durch die obersten Stiftungsaufsichtsbehörden gebildeten Landesausschuss für das Stiftungswesen beraten werden (Art. 10 Abs. 3 BayStiftG). Dieser setzt sich aus zwölf Persönlichkeiten zusammen, die mit dem Stiftungsrecht besonders vertraut sind und die Vielfalt des bayerischen Stiftungswesens nach Art, Größe und regionalem Wirkungskreis repräsentieren sollen (§ 5 AVBayStG)28. Die Stiftungsaufsichtsbehörde hat Unterrichtungs- und Prüfungsrechte bezüglich aller Angelegenheiten der Stiftung und kann rechtswidriges Verhalten der Organe beanstanden bzw. dessen Unterlassen oder die Vornahme erforderlicher Maßnahmen verlangen (Art. 12 BayStiftG). Sie kann Organmitglieder bei grober Pflichtverletzung abberufen und die Bestellung eines neuen Mitglieds verlangen. Die Behörde kann dem Mitglied die Wahrnehmung seiner Organrechte einstweilen untersagen und einen vorläufigen Vertreter bestellen (Art. 13 BayStiftG). Änderungen der Stiftungssatzung bedürfen der Genehmigung durch die Behörde (Art. 5 Abs. 4 BayStiftG). Vor der Aufhebung der Stiftung oder Umwandlung des Stiftungszwecks ist der Stifter zu hören (Art. 8 Abs. 2 BayStiftG). 2.19 Die Stiftung hat der Behörde innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres einen Rechnungsabschluss und eine Vermögensübersicht mit einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorzulegen. Die Aufsichtsbehörde kann bei im Wesentlichen gleichbleibenden Einnahmen und Ausgaben die Prüfung der Jahresrechnungen für mehrere Jahre zusammenfassen. Die Prüfung durch externe Stellen muss sich auf die Erhaltung des Grundstockvermögens und die bestimmungsgemäße Verwendung der Erträge beziehen (Art. 16 Abs. 1 bis 3 BayStiftG). Eine besondere Maßnahme der Aufsicht ist die oben dargestellte Möglichkeit der Behörde, bei besonderer Schwächung des Vermögens anzuordnen, den Ertrag des Vermögens so lange ganz oder teilweise anzusammeln, bis die Stiftung wieder leistungsfähig ist (Art. 17 BayStiftG). Alle Maßnahmen können nach angemessener Frist mit Zwangsmitteln vollstreckt werden (Art. 18 BayStiftG). ___________________

28 Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Stiftungsgesetzes (AVBayStG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 19.12.2001 (GVBl. 23). Materialien: Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses v. 7.5.1976, Drucks. 7/450; Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses v. 17.10.1986, Drucks. 10/1057; Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses, Drucks. 12/1029; Offizielle Begründung der Änderung v. 3.12.1997, Drucks. 13/1664; Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses, Drucks. 15/1262. 42 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

III. Berlin29 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Aufgrund der Teilung Deutschlands waren Stiftungsrecht und Stiftungs- 2.20 wesen bis 1990 in West- und Ostberlin getrennt und nahmen naturgemäß einen völlig unterschiedlichen Verlauf. Während das Stiftungsrecht in Westberlin durch die Regelungen des BGB und seit 1960 durch das Berliner Stiftungsgesetz30 bestimmt wurde, fehlten im Ostteil der Stadt jegliche Rechtsgrundlagen. Durch das In-Kraft-Treten des Zivilgesetzbuchs der DDR vom 19.6.1975 (ZGB)31 trat für die DDR das bis dahin geltende BGB zum Ende des Jahres außer Kraft und damit dessen Regelungen zum Stiftungsrecht. Das ZGB selbst enthielt keine stiftungsrechtlichen Regelungen, was das Entstehen neuer Stiftungen verhinderte. Für zur Zeit des In-Kraft-Tretens des ZGB bestehende Stiftungen galten gem. § 9 EGZGB die stiftungsrechtlichen Regelungen des BGB fort.32 Die Aufsicht über rechtsfähige Stiftungen in Ost-Berlin lag bis 1953 bei der Magistratsverwaltung für Finanzen, anschließend bei der Rechtsabteilung des Magistrats. Ihr oblag die Prüfung von Stiftungssatzungen auf Übereinstimmung mit der sozialistischen Gesetzlichkeit und den gesellschaftlichen Bedürfnissen. Sie kontrollierte die Vermögen der Stiftungen, um die Verwendung der Erträge für Bürger der DDR zu sichern und um eventuelle Manipulationen oder das Verbringen des Vermögens in das Ausland zu verhindern. Eine Vielzahl von Stiftungen wurde aufgelöst oder zu Großstiftungen mit veränderter Zwecksetzung verschmolzen. Im Jahre 1990 führte die Magistratsverwaltung noch 46 Stiftungen im Ostteil Berlins.33 Das (West-)Berliner Stiftungsgesetz vom 11.3.1960 galt nach geringfügi- 2.21 gen Änderungen in den 1970er Jahren34 bis zur Wiedervereinigung. Mit Wirksamwerden des Einigungsvertrags wurde sein Geltungsbereich auch ___________________

29 Berliner Stiftungsgesetz (StiftG Bln) v. 11.3.1960 (GVBl. 228), Neufassung v. 5.10.1976 (GVBl. 2340), geändert durch Gesetz v. 19.2.1987 (GVBl. 834), Neubekanntmachung v. 11.12.1997 (GVBl. 674), in der geltenden Fassung v. 22.7.2003 (GVBl. 293). Materialien: Beschlussvorlage des Berliner Abgeordnetenhauses v. 7.5.1976, Drucks. 7/450; Beschlussvorlage des Berliner Abgeordnetenhauses v. 17.10.1986, Drucks. 10/1057; Beschlussvorlage des Berliner Abgeordnetenhauses v. 17.10.1986, Drucks. 10/1057; Beschlussvorlage des Berliner Abgeordnetenhauses v. 21.1.2003, Drucks. 15/1262. 30 Berliner Stiftungsgesetz (StiftG Bln) v. 11.3.1960 (GVBl. 228). 31 ZBG v. 19.6.1975, GBl. DDR I (Nr. 27), 465. 32 Fritsche, BrbgStiftG, Einf. 11 f. 33 Schumann, Berlin, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 291 f. 34 Neufassung v. 5.10.1976 (GVBl. 2340); Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher und stiftungsrechtlicher Vorschriften v. 19.2.1987 (GVBl. 834). Vgl. hierzu im Einzelnen Schumann, Entwicklung des Stiftungswesens und Stiftungsrechts in Berlin in der Zeit von 1977 bis 1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 287–299. Weitemeyer/Franzius | 43

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

auf die östlichen Teile Berlins ausgedehnt,35 so dass seit dem 3. Oktober 1990 in Berlin wieder ein einheitliches Stiftungsgesetz gilt. Das im Ostteil Berlins am 24.9.1990 in Kraft getretene Stiftungsgesetz der DDR36 trat gleichzeitig wieder außer Kraft. Damit wurde die Stiftungsbehörde bei der Senatsverwaltung für Justiz auch für den Ostteil der Stadt Berlin zuständig.37 Mit seinen 725 Stiftungen, davon 37 Neugründungen im Jahre 2010, liegt Berlin derzeit im mittleren Bereich, was die Stiftungsdichte angeht. Mit der Umweltstiftung WWF-Deutschland hat eine der größten deutschen Stiftungen privaten Rechts nach den Gesamtausgaben ihren Sitz in Berlin.38 2. Rechtsentwicklung a) BerlStiftG vor der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002 2.22 Seine erste weitreichende Revision erfuhr das Berliner Stiftungsgesetz im Jahre 1997.39 Angesichts der steigenden Zahl der Stiftungen und der schwindenden Ressourcen Berlins sollte die Neuregelung eine Entlastung der Verwaltung bewirken, gleichzeitig aber die Qualität der Prüfung von Stiftungen gewährleisten und eine effektive Beaufsichtigung sicherstellen. Als Mittel hierfür wurde eine Verstärkung der Prüfungsaufsicht durch externe Prüfer, z. B. eine Behörde der öffentlichen Verwaltung, ein Prüferverband oder Wirtschaftsprüfer, gewählt (§ 8 Abs. 2 BerlStiftG a. F.). Ferner wurden die bisherigen Befugnisse der Aufsichtsbehörde (Auskunfts-, Einsichts- und Prüfungsrecht, Recht zur Abberufung des Vorstands) um ein Beanstandungs- und Anordnungsrecht für gebotene Maßnahmen erweitert (§ 9 Abs. 3 und 4 BerlStiftG a. F.).40 b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das BerlStiftG von 2003 2.23 Knapp ein Jahr nach der Reform des Stiftungsrechts auf Bundesebene hat das Berliner Abgeordnetenhaus die Anpassung des Berliner Stiftungsgesetzes vorgenommen.41 Die Neuregelung beschränkte sich auf ___________________

35 Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts v. 28.9.1990 (GVBl. 2119). 36 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz (StiftGDDR) v. 13.9.1990, GBl. DDR I, Nr. 61, S. 1483; dazu genauer Rz. 2.30 f. 37 Schumann, Berlin, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 281. 38 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen 2010, Stand: Februar 2011. 39 Neubekanntmachung v. 11.12.1997 (GVBl. 647) aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Berliner Stiftungsgesetzes v. 3.12.1997 (GVBl. 622). 40 Schumann, Berlin, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 282–285. 41 Bekanntmachung der Neufassung des Berliner Stiftungsgesetzes (StiftG Bln) v. 22.7.2003 (GVBl. 293). 44 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

notwendige Änderungen, die durch die Neufassung der Vorschriften des BGB erforderlich wurden, und wirkte sich inhaltlich nur in geringem Umfang aus.42 Neben terminologischen Änderungen – statt „Genehmigung“ heißt es in § 2 BerlStiftG nun „Anerkennung“ – und der Streichung der Regelungen zum Satzungsinhalt (§ 3 Abs. 1 BerlStiftG a. F.) wurde die Einsicht in das von der Aufsichtsbehörde geführte Stiftungsverzeichnis im Sinne der Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe jedermann gestattet (§ 11 Abs. 1 BerlStiftG). Veröffentlicht werden Name, Zweck und Anschrift der Stiftungen. Der Vorschlag des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, weitere Angaben über Vertretungsverhältnisse, Tag der Anerkennung und des Erlöschens sowie der Genehmigung von Satzungsänderungen aufzunehmen, wurde – mangels Bedarfs – nicht aufgegriffen. Die Behörde stellt auf Antrag Vertretungsbescheinigungen aus, für Dritte jedoch nur bei berechtigtem Interesse (§ 11 Abs. 1 und 2 BerlStiftG). Auch dem Vorschlag, der Arbeitsgruppe, Familienstiftungen der vollen staatlichen Aufsicht zu unterstellen, kam die Neuregelung nicht nach.43 Nach der Neufassung kritisierte der Bundesverband Deutscher Stiftun- 2.24 gen, Berlin habe die Chance, mit der Novellierung alte Hürden einzureißen, verstreichen lassen und die in Berlin einzigartige Form der Rechnungslegung nach den Grundsätzen der Kameralistik beibehalten. Nach wie vor ist in § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 BerlStiftG vorgesehen, dass die Jahresberichte „den Anforderungen der Behörde“ entsprechen müssen. Das sogenannte „Berliner Muster“, dessen Verwendung den Stiftungen in der aufsichtsbehördlichen Praxis vorgeschrieben werde, entsprach dem Bundesverband zufolge nicht den Anforderungen an eine moderne Rechnungslegung und bedeute zusätzlichen Aufwand und Kosten, die zu Lasten der gemeinnützigen Tätigkeit gingen. Ferner bemängelte der Verband, dass die Stiftungsbehörde weiterhin jede Stiftung mit einem Stiftungskapital von mindestens 1 Mio. Euro zur Prüfung durch eine öffentliche Behörde oder einen Wirtschaftsprüfer veranlassen könne. Eine Stiftung würde in einem solchen Fall rund ein Zehntel der Mittel verlieren, die eigentlich für den gemeinnützigen Zweck bestimmt seien.44 3. Überblick über das geltende Recht Das Berliner Stiftungsgesetz ist nur für rechtsfähige Stiftungen bürger- 2.25 lichen Rechts mit Sitz in Berlin anwendbar (§ 1 BerlStiftG). Zuständige Stiftungsbehörde und zugleich Aufsichtsbehörde ist die Senatsverwal___________________

42 Gesetzesbegründung in Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses, Drucks. 15/1262, 5. 43 Gesetzesbegründung in Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses, Drucks. 15/1262, 7. 44 Bundesverband Deutscher Stiftungen, Pressemitteilung v. 20.6.2003. Weitemeyer/Franzius | 45

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

tung für Justiz (§§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 2 BerlStiftG). Eine Besonderheit des Berliner Stiftungsgesetzes ist die vergleichsweise ausführliche Regelung der Familienstiftungen. Auch das neue Stiftungsgesetz sieht für Familienstiftungen nur eine eingeschränkte Aufsicht vor, die sich auf die Überwachung der Zusammensetzung der Stiftungsorgane einschließlich der Verteilung der Ämter innerhalb der Organe beschränkt (§ 10 Abs. 2 S. 1 BerlStiftG).45 2.26 Das Gesetz enthält die knappe Vorgabe, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Ausnahmen sind möglich, wenn sie in Stiftungsgesetz oder Satzung geregelt sind (§ 3 BerlStiftG). Berlin ist neben Hamburg das einzige Bundesland, in dem die Stiftungsaufsicht vom Senator für Justiz wahrgenommen wird. Die Aufsichtsbehörde verfügt über Auskunfts-, Einsichts- und Prüfungsrechte (§§ 8, 9 BerlStiftG). Mittel der Stiftungsaufsicht sind ferner die Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse und Maßnahmen, die Anordnung rechtlich gebotener Maßnahmen sowie die Abberufung von Organmitgliedern aus wichtigem Grund (§ 9 Abs. 3 bis 5 BerlStiftG). Eine weitere Besonderheit des BerlStiftG ist eine Regelung über Ersatzmitglieder: § 4 Abs. 1 BerlStiftG zufolge muss die Satzung – soweit sie neben dem Vorstand weitere Organe vorsieht – Regelungen über deren Bildung, Aufgaben und Befugnisse beinhalten. Fehlen einem Organ Mitglieder, die zur Erfüllung der Stiftungsaufgaben erforderlich sind, kann die Aufsichtsbehörde Ersatzmitglieder bestellen. Sie kann den Ersatzmitgliedern eine angemessene Vergütung zubilligen (§ 4 Abs. 2 und 3 BerlStiftG). Satzungsänderungen, die Aufhebung oder Zusammenlegung der Stiftung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Dabei soll der in der Satzung oder im Stiftungsgeschäft niedergelegte Stifterwille berücksichtigt werden. Aufhebung, Zusammenlegung oder Zweckänderungen sind nur bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse möglich. Ausnahmen in Stiftungsgeschäft und Satzungen sind möglich (§ 5 Abs. 1 und 2 BerlStiftG). Fehlende Satzungen sind vom zuständigen Organ zu beschließen, fehlerhafte Satzungen sind zu ändern. Fehlen Regelungen über die Bildung der Organe, so übernimmt für die Übergangszeit die Aufsichtsbehörde die Bestellung der Organe (§ 12 BerlStiftG). 2.27 Der Jahresbericht, der aus einer Jahresrechnung und aus einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks besteht, muss innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres eingereicht werden, im Falle der Einreichung eines Prüfungsberichts externer Prüfer innerhalb von acht Monaten (§ 8 Abs. 1 BerlStiftG). Die Behörde kann eine Prüfung durch externe Stellen verlangen, sie kann von der jährlichen Prüfung der Berichte aber auch absehen (§ 8 Abs. 2 und 3 BerlStiftG). ___________________

45 Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses, Drucks. 15/1262, 7; Richter/ Sturm, NZG 2005, 655, 656. 46 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

IV. Brandenburg46 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Das Land Brandenburg steht am unteren Ende der Skala der Stiftungs- 2.28 zahlen: Im Jahre 2010 zählte der Bundesverband Deutscher Stiftungen 157 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts – ein verschwindend geringer Anteil an den bundesweit 18 162 Stiftungen. Brandenburg hat damit die geringste Stiftungsdichte pro Einwohner.47 Wie in den übrigen Ländern der ehemaligen DDR wurden in Brandenburg viele Stiftungen unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg aufgelöst oder nach ideologischen Zwecken zusammengelegt. Stiftungszwecke bestehender Stiftungen wurden geändert und zwangsweise an die „gesellschaftlichen Bedürfnisse“ angepasst. Der Grund für die dramatisch rückläufigen Stiftungszahlen in der DDR 2.29 wird zudem in dem Fehlen gesetzlicher Regelungen für neue Stiftungen nach der Ablösung des BGB durch das ZGB im Jahre 1975 gesehen.48 Am 13.9.1990 beendete die erste frei gewählte Volkskammer der DDR diesen Zustand mit dem Gesetz über die Bildung von Stiftungen (DDRStiftG)49. Der im Bundesjustizministerium erarbeitete und durch den Ministerrat in die Volkskammer eingebrachte Gesetzesentwurf für das StiftGDDR50 war als in sich geschlossenes Gesetz konzipiert, das ohne Rückgriff auf das bundesdeutsche BGB vollzugsfähig war. Nach Unterzeichnung des Einigungsvertrages galt es insoweit fort, als es „bundesrechtlich nicht geregelte Gegenstände betrifft“. Zwar galten mit dem Beitritt der neuen Länder auf dem ehemaligen Gebiet der DDR wieder das BGB und damit die §§ 80 ff. BGB, gleichwohl bestand auf dem Gebiet des Regelungsbereiches der Länder ein Vakuum. Das durch Gesetz vom 25.9.1996 einer Rechtsbereinigung unterzogene DDRStiftG51 wirkte so lange in den neuen Ländern fort, bis die jeweiligen Länder eigene Stiftungsgesetze erließen.52 ___________________

46 Stiftungsgesetz für das Land Brandenburg (StiftGBbg) v. 27.6.1995 (GVBl. I 198), geändert durch Gesetz v. 1.7.1996 (GVBl. I 241 f.) in der Fassung v. 20.4.2004 (GVBl. I 150), geändert durch Art. 13 des Gesetzes v. 23.9.2008 (GVBl. I 202). Materialien: Gesetzentwurf der Landesregierung v. 11.4.1995, Drucks. 2/577; Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 10.2.2004, Drucks. 3/7024. 47 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen 2010, Stand: Februar 2011. 48 Fritsche, BrbgStiftG, Einf. 11 f. 49 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz (StiftGDDR) v. 13.9.1990, GBl. DDR I, Nr. 61, 1483. 50 Drucks. 10/226 v. 5.9.1990; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, Drucks. 10/226a. 51 Gesetz v. 25.9.1996 (GVBl. 150). 52 Art. 9 Abs. 2 und 3 des Einigungsvertrages i. V. m. Anlage II, Kapitel III, Sachgebiet B. Weitemeyer/Franzius | 47

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2. Rechtsentwicklung a) DDRStiftG 2.30 Das DDRStiftG galt nach seinem § 1 Abs. 1 für rechtsfähige Stiftungen des privaten und öffentlichen Rechts einschließlich kirchlicher Stiftungen, die in den neuen Bundesländern ihren Sitz hatten.53 Die zuständige Stiftungsbehörde wurde gem. § 3 DDRStiftG von der Landesregierung festgelegt. Anders als die Stiftungsgesetze der alten Bundesländer griff das DDRStiftG zahlreiche zivilrechtliche Bestimmungen auf und wiederholte teilweise ganze Passagen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das DDRStiftG in den neuen Bundesländern für knapp drei Wochen eigenständige Geltung hatte, da § 9 EGZGB vom 19.6.1975, der weiterbestehende Stiftungen auf dem Gebiet der DDR regelte, als nicht mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik vereinbar ungültig wurde, bevor das BGB durch die Wiedervereinigung auch wieder im Ostteil Deutschlands galt. Geringfügige Abweichungen vom Bundesrecht (z. B. neben Name, Sitz, Zweck, Vermögen auch die Bezeichnung der „Organe“ als Mindestbestimmungen der Satzung in § 10 Abs. 1 DDRStiftG, statt Nennung des „Vorstandes“ in § 81 Abs. 1 BGB) sind wohl der Eile des Gesetzgebungsverfahrens sowie gesetzesterminologischen Schwächen und Abgrenzungsschwierigkeiten geschuldet.54 2.31 Der Stiftungsbehörde standen im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht Unterrichtungs-, Besichtigungs- und Prüfungsrechte zu, sie konnte rechtwidrige Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstanden und deren Aufhebung verlangen sowie gebotene Maßnahmen selbst durchführen oder durchführen lassen (§§ 18, 19 DDRStiftG). Bei den Stiftungsbehörden wurden nach § 20 DDRStiftG Stiftungsverzeichnisse für in ihrem Zuständigkeitsbereich bestehende oder neu gegründete Stiftungen geführt, in die Name, Sitz, Zweck, Vertretungsberechtigung und Zusammensetzung der Organe sowie der Tag der Erteilung der Genehmigung einzutragen waren. Das Gesetz stellte es in das Belieben des Stifters, den Stiftungsvorstand durch die Satzung zu ermächtigen, den Stiftungszweck zu ändern, ohne dass es hierfür eines rechtfertigenden Grundes bedurfte (§ 21 Abs. 3 DDRStiftG). Zwar war für solche Organbeschlüsse die Genehmigung der Behörde notwendig. Diese kann aber nach Beschluss des BVerwG vom 19.11.1990 – anders als es der Gesetzestext vermuten lässt – nicht von der Behörde verlangt werden. Selbst bei Vorliegen der landesrechtlichen Voraussetzungen seien die Stiftungsorgane nicht zu Zweckänderungen berechtigt, die die Identität der Stiftung in Frage stellten (ausführlich zu Zweckänderungen von Hippel Rz. 23.1 ff.).55

___________________

53 Ausführlich zum DDRStiftG s. Rawert, BB Beilage 1991, Nr. 6, 13–17. 54 Neuhoff, DtZ 1991, 435 f.; Rawert, BB Beilage 1991, Nr. 6, 17. 55 BVerwG, Beschl. v. 29.11.1990 – 7 B 155/90, NJW 1991, 713. 48 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

b) Fassung des BrbgStiftG vor der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002 Der brandenburgische Gesetzgeber löste das DDRStiftG durch das 2.32 BrbgStiftG vom 27.6.1995 ab.56 Einzelne rechtspolitische Fragen wurden dabei an die damalige Rechtslage angepasst und anders als im DDRStiftG gelöst. Zum einen vermied das BrbgStiftG die Einbeziehung materieller Regelungen des BGB, zum anderen galt es nur für Stiftungen bürgerlichen Rechts. Die öffentlich-rechtlichen Stiftungen waren aus dem Geltungsbereich ausgenommen. Außerdem wurde die Zuständigkeit an die damalige Verfassungslage angepasst.57 c) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das BrbgStiftG von 2004 Mit dem Gesetz vom 20.4.2004 hat der brandenburgische Gesetzgeber 2.33 das Stiftungsgesetz umfassend novelliert und dies durch die Fassung eines Ablösungsgesetzes an Stelle eines Änderungsgesetzes zum Ausdruck gebracht.58 In Anlehnung an den Musterentwurf von Hüttemann/ Rawert59 wurden die Regelungen bewusst knapp gehalten, um eine Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu erreichen und damit dem Stifterwillen und der Autonomie der Organe die notwendigen Freiräume zu verschaffen. Mit dieser weitgehenden Liberalisierung wurde die Hoffnung verbunden, das derzeit nur mäßige Interesse potentieller Stifter zu stärken und im Land Brandenburg eine spürbare Zunahme von Stiftungsneugründungen zu erzielen.60 So beschränkten sich die Änderungen nicht auf die terminologische 2.34 Anpassung des Errichtungsvorgangs (nun „Anerkennung“, § 5 BrbgStiftG) und die Streichung der Voraussetzungen hierfür sowie jene zur Ausgestaltung von Stiftungssatzung und Stiftungsgeschäft (§§ 5, 6 BrbgStiftG a. F.). Auch die Versagungsgründe für die Genehmigung von Familienstiftungen wurden gestrichen.61 Entschlackt wurde das Gesetz zudem von den Regelungen über die Stiftungsverwaltung, die Vermögenserhaltung und Ertragsverwendung (§§ 8 bis 11 BrbgStiftG a. F.), die Vorschriften zur Haftung von Organmitgliedern und der Rechtsstellung des Stiftungsvorstands. Der Schwerpunkt des neuen Landesstiftungsgesetzes liegt auf der Regelung der Stiftungsaufsicht. Hier hat der ___________________

56 GVBl. I 198. 57 Zum BrbgGStiftG von 1995 s. ausführlich Waldhausen, LKV 1996, 436–441. 58 Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 10.2.2004, Drucks. 3/7024, C. (a); Stiftungsgesetz für das Land Brandenburg (StiftGBbg) v. 20.4.2004 (GVBl. I 150). 59 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. 60 Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 10.2.2004, Drucks. 3/7024, Begründung A. 61 Richter/Sturm, NZG 2005, 656. Weitemeyer/Franzius | 49

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

Gesetzgeber einen Paradigmenwechsel von der präventiven zur reaktiven Aufsicht vollzogen, da mehr und mehr aufsichtsrechtliche Instrumente erst im Rahmen der nachträglichen Kontrolle wirken.62 Familienstiftungen unterliegen einer eingeschränkten Aufsicht: es ist lediglich sicherzustellen, dass sie nicht das Gemeinwohl gefährden (§ 4 Abs. 3 S. 2 BrbgStiftG). In das von der Stiftungsbehörde geführte Stiftungsverzeichnis, in das Name, Sitz, Anschrift und die Stiftungszwecke einzutragen sind, ist nun jedermann Einsicht zu Informationszwecken gestattet. Die Angaben im Stiftungsverzeichnis begründen aber keine Vermutung für ihre Richtigkeit (§ 14 Abs. 1 bis 4 BrbgStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht 2.35 Gem. § 1 BrbgStiftG gilt das Gesetz nur für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz in Brandenburg haben. Zuständige Behörde für die Anerkennung und die Aufsicht von Stiftungen ist das Ministerium des Inneren (§ 4 Abs. 1 und 2 BrbgStiftG). Anders als die meisten übrigen Stiftungsgesetze enthält das BrbgStiftG in Anlehnung an den Musterentwurf von Hüttemann/Rawert63 keine Regelungen zur Vermögensverwaltung. 2.36 Die Stiftungsaufsicht durch das Ministerium des Inneren (§ 4 Abs. 2 BrbgStiftG) bildet den Hauptteil des insgesamt nur 16 Paragraphen umfassenden neuen Gesetzes. Sie ist in § 6 BrbgStiftG ausdrücklich als Rechtsaufsicht konzipiert. Die Stiftung ist verpflichtet, der Stiftungsbehörde unverzüglich die vertretungsberechtigten Personen und besonderen Vertreter sowie diesbezügliche Änderungen anzuzeigen (§ 7 Abs. 1 BrbgStiftG). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Aufgaben die üblichen Unterrichtungsrechte über Angelegenheiten der Stiftung (§ 7 Abs. 2 BrbgStiftG), sie kann rechts- oder satzungswidrige Beschlüsse beanstanden und deren Aufhebung oder gebotene Maßnahmen in angemessener Frist anordnen (§ 8 Abs. 1 und 2 BrbgStiftG). Sie kann aus wichtigem Grund Mitglieder eines Stiftungsorgans abberufen, bestellen oder ihnen die Tätigkeit einstweilen untersagen (§ 9 Abs. 1 BrbgStiftG). Satzungsänderungen, Auflösung oder der Zusammenschluss mehrerer Stiftungen bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Lebt der Stifter noch, ist ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 10 Abs. 1 und 2 BrbgStiftG). Zentrales präventives Element der Stiftungsaufsicht ist die jährliche Rechnungslegungs- und Berichtspflicht des Stiftungsvorstands innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Rechnungsjahres. Bei Vorlage eines Prüfungsberichts durch externe Prüfer verzichtet die Behörde darauf (§ 6 Abs. 2 und 3 BrbgStiftG). ___________________

62 Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 10.2.2004, Drucks. 3/7024, Begründung A.; Fritsche, BrbgStiftG, Einf. 14 f. 63 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. 50 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

V. Bremen64 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Bremen kann auf eine historisch begründete lange Stiftertradition zu- 2.37 rückblicken. Mit seinen 303 rechtsfähigen Stiftungen, davon sechs Neugründungen im Jahr 2010, liegt die Stadt hinsichtlich der Stiftungsdichte pro Einwohner bundesweit auf Platz zwei hinter Hamburg.65 Umso mehr verwundert es, dass die Stadt bis 1989 das einzige Bundesland ohne umfassende landesrechtliche Normierung des Stiftungsrechts war.66 Bis dahin fanden sich landesrechtliche Regelungen zur Zuständigkeit und Anfallberechtigung zugunsten des Fiskus im Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18.7.189967, Regelungen über die Änderung der Stiftungssatzung, die Aufhebung und Zusammenlegung von Stiftungen sowie ein Genehmigungsvorbehalt für entsprechende Organbeschlüsse im Gesetz über die Änderung von Stiftungen vom 21.11.194068 und im Gesetz über die Ausstellung von Vertretungsbescheinigungen vom 9.12.198669. Damit waren lange Zeit die stiftungsrechtlichen Vorschriften des BGB und die dazu in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze die nahezu einzigen Orientierungspunkte für Stifter und die Arbeit der Stiftungsbehörde. Zwar wirkte sich das Fehlen einer Kodifikation nicht nachteilig auf das Verhältnis zwischen Stiftungen und Stiftungsbehörde aus, die vielleicht auch gerade wegen der unsicheren Rechtlage als besonders stiftungsfreundlich bezeichnet wurde. Dennoch zeigte sich bei Stiftungsgründungen mit komplexen Strukturen das Bedürfnis nach Rechtsklarheit.70 2. Rechtsentwicklung a) BremStiftG von 1989 Nach Scheitern eines ersten Referentenentwurfs im Jahre 1987 konnte 2.38 die Bremische Bürgerschaft zwei Jahre später das erste Bremische Stif___________________

64 Bremisches Stiftungsgesetz (BremStiftG) v. 7.3.1989 (GBl. 163), geändert durch Gesetz v. 11.7.2000 (GBl. 303), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 27.2.2007 (GBl. 181). Materialien: Senatsentwurf v. 10.1.1989, Drucks. 12/405; Mitteilung des Senats v. 6.6.2000, Drucks. 15/367; Senatsentwurf v. 19.12.2006, Drucks. 16/1255. 65 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen 2010, Stand: Februar 2011. 66 Matthey, Die Entwicklung des Stiftungswesens und Stiftungsrechts in den Jahren 1977 bis 1987 in Bremen, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 305. 67 GBl. 61. 68 GBl. 227. 69 GBl. 284. 70 Matthey, Die Entwicklung des Stiftungswesens und Stiftungsrechts in den Jahren 1977 bis 1987 in Bremen, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 306. Weitemeyer/Franzius | 51

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

tungsgesetz verabschieden.71 In Anlehnung an die zuvor geübte Praxis war es Ziel des Gesetzes, ein Gerüst von Maßstäben und Regelungen zu schaffen, an denen sich Stifter und Stiftungen dem Willen des Stifters entsprechend selbstständig und eigenverantwortlich orientieren konnten.72 Dementsprechend wurde auch die Stiftungsaufsicht ausdrücklich dahingehend ausgestaltet, dass „Entschlusskraft und Verantwortungsfreudigkeit der Stiftungsorgane nicht beeinträchtigt“ werden sollten (§ 11 BremStiftG a. F.). Die Aufsichtsbehörde hatte zwar das Recht, einen Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks sowie eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht zu verlangen. Auf eine jährliche Vorlagepflicht für die Stiftung wurde jedoch verzichtet (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BremStiftG a. F.).73 Für Familienstiftungen galt eine eingeschränkte Aufsicht. 2.39 Das Gesetz sah die Errichtung eines Stiftungsregisters vor, in das alle bestehenden Stiftungen innerhalb eines Jahres Angaben mitzuteilen hatten (§§ 15 Abs. 1, 18 BremStiftG a. F.). Einsicht in das Verzeichnis war nur bei berechtigtem Interesse gestattet. Bereits im Jahre 2000 trug der bremische Gesetzgeber dem Wunsch nach mehr Transparenz in der Stiftungslandschaft Rechnung und änderte § 15 BremStiftG a. F. dahingehend, dass nunmehr jedermann Einsicht in das Verzeichnis zu gestatten ist.74 In das bei der Stiftungsbehörde geführte Verzeichnis sind nun Name, Zeitpunkt der Anmeldung oder Errichtungsjahr, Sitz, Zweck und Anschrift der Stiftung sowie der vertretungsberechtigten Organe einzutragen. Die Eintragungen bewirken keine Vermutung der Richtigkeit (§ 15 Abs. 1 bis 3 BremStiftG). b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das BremStiftG von 2007 2.40 Der Modernität des BremStiftG entsprechend gering fielen die Anpassungen in der Zeit nach dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts auf Bundesebene aus. So wurden im Jahr 2007 lediglich die neue Terminologie der „Anerkennung“ eingeführt und die Genehmigungsvoraussetzungen sowie Anforderungen an Satzung und Stiftungsgeschäft gestrichen.75 Die Nummerierung der 22 Paragraphen hat sich durch die Neuregelung76 nicht geändert. ___________________

71 72 73 74

Bremisches Stiftungsgesetz (BremStiftG) v. 7.3.1989 (GBl. 163). Senatsentwurf v. 10.1.1989, Drucks. 12/405, 6 f. Vroom, Bremen, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 297 f. Gesetz zur Änderung des Bremischen Stiftungsgesetzes v. 11.7.2000 (GBl. 303); Mitteilung des Senats v. 6.6.2000, Drucks. 15/367, 1 f. 75 Mitteilung des Senats v. 19.12.2006, Drucks. 16/1255, 2. 76 Gesetz zur Änderung des Bremischen Stiftungsgesetzes und der Kostenverordnung für die innere Verwaltung v. 27.2.2007 (GBl. 181). 52 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

3. Überblick über das geltende Recht Das BremStiftG gilt für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, die 2.41 ihren Sitz in der Freien Hansestadt Bremen haben. Stiftungsbehörde und zugleich Stiftungsaufsichtsbehörde ist der Innensenator (§§ 1, 2, 11 BremStiftG). Das BremStiftG verpflichtet die Stiftungsorgane zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Stiftungsvermögens und schreibt vor, die Verwaltungskosten so gering wie möglich zu halten (§ 6 Abs. 1 und 2 BremStiftG). Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Ausnahmen sind möglich, wenn der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen ist und der Bestand der Stiftung für angemessene Zeit gewährleistet ist. Das Stiftungsvermögen ist vom anderen Vermögen getrennt zu halten. Das Gesetz enthält ferner detaillierte Vorschriften über die Verwendung von Erträgen und Zuwendungen (§ 7 Abs. 1 bis 4 BremStiftG). Der Innensenator verfügt als Aufsichtsbehörde über die üblichen Unter- 2.42 richtungs- und Prüfungsrechte über Angelegenheiten der Stiftung (§ 12 BremStiftG). Die Aufsichtsbehörde kann rechtswidrige Beschlüsse und Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstanden und deren Rückgängigmachung verlangen (§ 13 BremStiftG). In dringenden Fällen kann die Behörde Organmitglieder bestellen (§ 14 BremStiftG). Satzungsänderungen oder Zusammenschlüsse mit anderen Stiftungen bedürfen der Genehmigung durch die Behörde und sind nur zulässig, wenn die Satzung dies vorsieht oder eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse dies erfordert. Zu Lebzeiten des Stifters ist dessen Zustimmung erforderlich (§ 8 Abs. 1 und 2 BremStiftG). Bezüglich Zweckänderungen verweist das BremStiftG auf § 87 BGB mit der Maßgabe, dass zu Lebzeiten des Stifters dieser zu hören ist (§ 9 Abs. 1 und 2 BremStiftG). Eine Jahresabrechnung mit Vermögensübersicht und ein Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks muss nur auf Verlangen der Aufsichtsbehörde eingereicht werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BremStiftG). Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann die Aufsichtsbehörde die Stiftung auf deren Kosten extern prüfen lassen (§ 12 Abs. 1 S. 1 BremStiftG).

VI. Hamburg77 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Hamburg gilt seit jeher als Stiftungshauptstadt Deutschlands – mit der- 2.43 zeit 1 199 rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, davon 33 Neugründungen im Jahr 2010. Damit liegt die Stadt bezüglich der Stiftungs___________________

77 Hamburgisches Stiftungsgesetz v. 14.12.2005 (GVBl. 521). Materialien: Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft v. 19.3.1957 (Nr. 122), Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft 1957, 304; Senatsentwurf v. 21.12.2004, Drucks. 18/1513. Weitemeyer/Franzius | 53

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

und Errichtungsdichte pro Einwohner mit großem Abstand auf Platz eins im bundesdeutschen Vergleich. Mit der 2008 errichteten Joachim Herz Stiftung beheimatet Hamburg nun eine Stiftung mit über 1 Mrd. Euro Stiftungsvermögen, gefolgt von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Körber-Stiftung.78 Trotz Jahrhunderte langer Tradition gab es bis vor wenigen Jahren kein eigenständiges Stiftungsgesetz in Hamburg. Bisher war das Stiftungsrecht in den §§ 6 bis 21 des Hamburger Ausführungsgesetzes zum BGB (HmbAGBGB)79 geregelt, das seit seinem In-Kraft-Treten am 1.7.1958 unverändert geblieben ist.80 Gleiches gilt für die Anordnung zur Durchführung dieses Gesetzes vom 23.6.1970 (DAO)81. 2. Rechtsentwicklung a) Geltendes Recht vor Erlass des HambStiftG von 2005 2.44 Nach Ziff. III (2) der DAO lag die formelle Aufsichtsführung über alle rechtsfähigen Stiftungen bei der Senatskanzlei, während sie die sogenannte wirtschaftliche Aufsichtsführung den jeweils zuständigen Fachbehörden zu übertragen hatte. Rechtsaufsicht und sogenannte wirtschaftliche Aufsicht wurden also von unterschiedlichen Behörden wahrgenommen. Die hamburgischen Regelungen über die Stiftungsaufsicht waren mit 16 Paragraphen schon damals die prägnantesten und knappsten (§§ 6 ff. HmbAGBGB). Seit jeher wurde eher eine Beratungsfunktion der aufsichtsführenden Stellen denn eine Kontroll- und Überwachungsinstanz angestrebt. So wurde gem. § 14 Abs. 1 HmbAGBGB auf eine regelmäßige wirtschaftliche Beaufsichtigung zu Lebzeiten des Stifters verzichtet, sofern nicht ausdrücklich erwünscht (sogenanntes „Hamburger Stifterprivileg“). Schon in den 80er Jahren bemühte sich die Aufsichtsbehörde um mehr Publizität für Stifter und Stiftungen und unterstützte diese beispielsweise durch das Angebot von Pressemitteilungen, Mustersatzungen sowie durch Ehrungen von Stifterpersönlichkeiten.82

___________________

78 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen 2010, Stand: Februar 2011. 79 Hamburgisches Ausführungsgesetz zum BGB (HmbAGBGB) v. 1.7.1958 (GVBl. 195). 80 Thomsen, Die Entwicklung des hamburgischen Stiftungswesens und des Stiftungsrechts in der Zeit von 1977 bis 1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 309. 81 Anordnung zur Durchführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Hamburgischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 23.6.1970 (Amt. Anzeiger 1073). 82 Thomsen, Die Entwicklung des hamburgischen Stiftungswesens und des Stiftungsrechts in der Zeit von 1977 bis 1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 312; Lucks, Hamburg, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 305. 54 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das HambStiftG von 2005 Mit seinen acht Paragraphen stellt das neue Hamburger Stiftungsgesetz 2.45 (HambSiftG) die kürzeste Regelung unter den Landesstiftungsrechten dar und unterschreitet insoweit noch die Anforderungen von Hüttemann/Rawert an einen Modellentwurf für ein Landesstiftungsgesetz83, auf den in der Entwurfsbegründung ausdrücklich Bezug genommen wird. Grundgedanken bei der Abfassung des Gesetzes waren zum einen, die Regelungen an das neue Bundesrecht anzupassen, zum anderen, die Stellung von Stiftungen zu stärken und ihre Handlungs- und Entscheidungsfreiheit zu respektieren, Bürgerfreundlichkeit und Effizienzsteigerung der Verwaltung zu erreichen sowie der Verzicht auf entbehrliche Vorschriften.84 Gerade diese Liberalität des Gesetzes stieß nicht überall auf Zustimmung. Das sogenannte „Stifterprivileg“ (s. dazu oben Rz. 2.44) wurde trotz heftiger Kritik beibehalten (§ 5 Abs. 3 HambStiftG): Dieser zufolge stelle die Regelung einseitig auf Interessen bestimmter Stifter ab und trage dem wachsenden öffentlichen Interesse an Transparenz von Stiftungen nur unzureichend Rechnung.85 Auch die Hamburger Stiftungsbehörde führt ein Stiftungsverzeichnis, in das Name, Zweck, Jahr der Anerkennung oder Genehmigung der Stiftung und Anschrift einzutragen sind und das für jedermann einsehbar ist. Eintragungen begründen wie üblich nicht die Vermutung ihrer Richtigkeit. Das Stiftungsverzeichnis wird in das Internetangebot der zuständigen Behörde eingestellt (§ 3 Abs. 1 bis 4 HambStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht Das HambStiftG gilt für alle rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen 2.46 Rechts mit Sitz in der Freien und Hansestadt Hamburg (§ 1 Abs. 1 HambStiftG). Stiftungsbehörde ist derzeit die Justizbehörde. Diese Zuständigkeit besteht aufgrund einer besonderen Anordnung des Senates. In Hamburg ändert sich die Zuständigkeit aus politischen Gründen relativ häufig, weshalb von einer Aufnahme der Behördenzuständigkeit in das HambStiftG abgesehen wurde.86 Das HambStiftG hält die Stiftungsorgane an, nach Maßgabe des Stifterwillens für die dauernde und nachhaltige Verwirklichung des Stiftungszwecks zu sorgen. Das Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten, sicher und er___________________

83 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. 84 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft v. 21.12.2004, Drucks. 18/1513, 3 f. 85 Walz, Stellungnahme zum Entwurf eines Hamburgischen Stiftungsgesetzes v. 15.9.2004, 12; Pressemitteilung des Instituts für Stiftungsrecht und des Rechts der Non-Profit-Organisationen v. 7.12.2005 „Sollen Stiftungen im Verborgenen blühen?“. 86 Pues/Scheerbarth, Gemeinnützige Stiftungen, 101. Weitemeyer/Franzius | 55

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

tragbringend anzulegen und möglichst ungeschmälert zu erhalten, es sei denn, der Stifterwille kann auf diese Weise nicht verwirklicht werden. Erträge und Zuwendungen sind zur Verwirklichung des Stiftungszwecks zu verwenden. Rücklagen können zur Verwirklichung des Stiftungszwecks gebildet werden (§ 4 Abs. 1 bis 3 HambStiftG). 2.47 Die Stiftungsbehörde hat die üblichen Unterrichtungsrechte über Angelegenheiten der Stiftung, sie kann rechtswidrige Beschlüsse oder Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstanden und verlangen, dass sie rückgängig gemacht oder aufgehoben werden, und sie kann Organmitglieder aus wichtigem Grund abberufen (§ 6 Abs. 1 bis 3 HambStiftG). „Private Stiftungen“ – gem. § 2 Abs. 1 HambStiftG insbesondere Familienstiftungen – unterliegen einer eingeschränkten Aufsicht. Satzungsänderungen, Zusammenlegungen oder die Auflösung von Stiftungen bedürfen der Genehmigung durch die Behörde. Die Behörde ist bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse selbst zur Satzungsänderung befugt. Ist der Stifter am Leben, soll er zuvor gehört werden (§ 7 Abs. 1 bis 4 HambStiftG). 2.48 Eine Jahresrechnung mit Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks ist der Stiftungsbehörde innerhalb von sechs Monaten nach Schluss eines Geschäftsjahres vorzulegen, externe Prüfberichte innerhalb von neun Monaten. Die Behörde kann im Einzelfall auf Antrag auf die jährliche Vorlage verzichten. Zu Lebzeiten des Stifters findet nur auf Antrag eine wirtschaftliche Prüfung statt, sog. „Hamburger Stifterprivileg“ (s. Rz. 2.44 f.). Die Behörde stellt auf Antrag Vertretungsbescheinigungen aus (§ 5 Abs. 2, 3 und 4 HambStiftG).

VII. Hessen87 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.49 Bis zum In-Kraft-Treten des Hessischen Stiftungsgesetzes (HessStiftG) im Mai 196688 war das Stiftungsrecht in Hessen, wie in anderen Bundesländern auch, in verschiedenen Rechtsvorschriften geregelt, was zu erheblichen Unsicherheiten und Rechtszersplitterung führte. Neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch bestanden zahlreiche ältere und neuere landesrechtliche Vorschriften.89 Im ehemals preußischen Teil Hessens hat ___________________

87 Hessisches Stiftungsgesetz v. 4.4.1966 (GVBl. 77), geändert durch Gesetz v. 23.5.1973 (GVBl. 161), geändert durch Gesetz v. 31.1.1978 (GVBl. 109), geändert durch Gesetz v. 18.12.1984 (GVBl. 344), Gesetz v. 17.12.1998 (GVBl. 562), Gesetz v. 26.11.2002 (GVBl. 700) und Gesetz v. 6.9.2007 (GVBl. 546). Materialien: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Stiftungsgesetzes v. 20.8.2002, Drucks. 15/4131. 88 Hessisches Stiftungsgesetz v. 4.4.1966 (GVBl. 77). 89 Bartosch, Die Entwicklung des Stiftungswesens in Hessen von 1977–1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 317. 56 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

das bis dato geltende Preußische Allgemeine Landrecht (ALR)90 die stiftungsrechtliche Tradition des Landes geprägt und die rechtsgeschichtlichen Grundlagen für ein liberales Stiftungsaufsichtswesen gelegt. Das ALR von 1794 legte auf die Stellung des Stifters und auf den von ihm ausgeübten Stifterwillen besonderes Augenmerk und setzte diesen als Grundlage für eine liberale Aufsichtführung voraus.91 In Fortsetzung dieser Tradition verankerte das Hessische Stiftungsge- 2.50 setz von 1966 die Rücksichtnahme auf die Eigenverantwortung der Mitglieder der Stiftungsorgane als Leitschnur für die Ausübung der Stiftungsaufsicht (§ 10 Abs. 1 HessStiftG a. F.) und ließ den Stiftungen einen vergleichsweise großen Handlungsspielraum. Anders als in anderen Bundesländern sah das Gesetz keine Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Vermögensgeschäfte vor und beschränkte sich auf die üblichen Aufsichtsinstrumente. Zuständig für die Aufsicht und Anerkennung der Stiftung waren nach einer Gesetzesänderung im Jahre 197892 die Regierungspräsidenten in Darmstadt, Gießen und Kassel, je nachdem in welchem Regierungsbezirk die Stiftung ihren Sitz hatte (§§ 3, 11 HessStiftG a. F.). Das kurze Zeit später erlassene Niedersächsische Stiftungsgesetz stimmt teilweise wörtlich mit dem HessStiftG von 1966 überein (siehe Rz. 2.68). Eine Besonderheit des Hessischen Stiftungsgesetzes stellt noch heute 2.51 die Übertragung von Prüfungs- und Unterrichtungsrechten über sämtliche Angelegenheiten der Stiftung auf den Magistrat von Frankfurt am Main für Stiftungen mit Sitz in Frankfurt dar (§§ 28, 12 HessStiftG). Der Grund hierfür liegt in der großen Zahl an Stiftungen in Frankfurt am Main – ein Drittel aller hessischen Stiftungen sind in der Stadt ansässig – und dem Wunsch nach Verwaltungsvereinfachung.93 Mit 1 643 Stiftungen bürgerlichen Rechts, davon 70 Neuerrichtungen im Jahre 2010, verfügt Hessen zusammen mit Bayern über die größte Stiftungsdichte in den Flächenstaaten und beherbergt mit der Else Kröner-Fresenius-Stiftung mit einem Vermögen von über zwei Mrd. Euro, der Software AGStiftung mit einem Vermögen über einer Mrd. Euro sowie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung drei der größten deutschen Stiftungsvermögen in Deutschland.94 ___________________

90 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten v. 5.2.1794. 91 §§ 1 ff. II 19 ALR: Von den Rechten und Pflichten des Staats, in Ansehung der Armen-Anstalten und anderer milden Stiftungen (Abdruck bei Svares, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, Bd. 3, 179 ff.); hierzu auch Peiker, HessStiftG, Einf. 13 f.; Bartosch, Die Entwicklung des Stiftungswesens in Hessen von 1977–1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 317. 92 Gesetz über die Verlagerung von Aufgaben (Aufgabenverlagerungsgesetz v. 31.1.1978 (GVBl. 109). 93 Bartosch, Die Entwicklung des Stiftungswesens in Hessen von 1977–1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 319 f. 94 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Stiftungen in Zahlen 2010, Stand: Februar 2011. Weitemeyer/Franzius | 57

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2. Rechtsentwicklung a) HessStiftG vor 2002 2.52 Das HessStiftG von 1966 galt bis zu seiner Anpassung an die Bundesreform im Jahre 2002 in nahezu unveränderter Form fort. Lediglich im Jahre 199895 erfuhr es eine nennenswerte Änderung: Der Gesetzgeber ergänzte die Prüfungsrechte der Aufsichtsbehörde um die Möglichkeit, von der Stiftung die Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer oder andere vergleichbare externe Prüfer zu verlangen (Art. 12 Abs. 2 HessStiftG a. F.).96 b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das HessStiftG von 2002 2.53 Hessen hat im November 2002 als erstes Bundesland sein Landesstiftungsgesetz an die Vorgaben der Bundesreform angepasst.97 Die Änderungen beschränkten sich auf die Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts und die Einführung eines Stiftungsverzeichnisses und beließen das Gesetz von 1966 in seiner ursprünglichen Form.98 Kritiker sahen darin eine verpasste Chance, ein neues, dem geänderten Selbstbild von Stiftern und Stiftungen angepasstes Gesetz zu erlassen.99 Zunächst wurde die alte Terminologie der „Genehmigung“ durch die der „Anerkennung“ ersetzt. Die Vorschriften über den Inhalt der Satzung wurden gestrichen (§§ 3, 4 HessStiftG a. F.). Ferner wurden die Zuständigkeiten an die 1989 veränderte Behördenbezeichnung100 angepasst: Aufsichtsbehörde ist nunmehr das Regierungspräsidium, als oberste Aufsichtsbehörde wird „das für Stiftungsrecht zuständige Ministerium“ benannt (§ 10 Abs. 1 und 2 HessStiftG). 2.54 Schließlich kam der Gesetzgeber den Empfehlungen der Bund-LänderArbeitsgruppe nach und regelte die Einführung eines Stiftungsverzeich___________________

95 Drittes Gesetz zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung v. 17.12.1998 (GVBl. 562), Art. 5. 96 Zum Hintergrund s. Stengel, Hessen, Deutsches Stiftungswesen 1988– 1998, 312. 97 Gesetz zur Änderung des Hessischen Stiftungsgesetzes v. 26.11.2002 (GVBl. 700). 98 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Stiftungsgesetzes v. 20.8.2002, Drucks. 15/4131, 4 f. 99 S. hierzu Peiker, ZSt 2003, 79–88, der in diesem Zusammenhang gegen den Rückzug der Stiftungsaufsicht zu Ungunsten der Stifter und zugunsten der Stiftungsverwalter plädiert und u. a. fordert, als Ausdruck staatlicher Fürsorge eine Genehmigungspflicht für besondere Rechtsgeschäfte einzuführen (85). 100 Gesetz über die Mittelstufe der Verwaltung und den Landeswohlfahrtsverband Hessen v. 18.12.1989 (GVBl. 452). 58 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

nisses bei der Aufsichtsbehörde, das Name, Sitz, Zweck, Anschrift, Vertretungsberechtigung sowie den Tag der Anerkennung der Stiftung enthält. Einsicht in das Verzeichnis ist jedem gestattet. Die Angaben begründen jedoch nicht die Vermutung der Richtigkeit (§ 17a Abs. 1 bis 3 HessStiftG). Darüber hinaus sind u. a. Anerkennung, Aufhebung und Zusammenlegungen im Staatsanzeiger bekannt zu machen (§ 17a HessStiftG). Im Jahre 2007 kamen Änderungen bezüglich der Prüfungsrechte der 2.55 Stiftungsaufsicht sowie hinsichtlich der Stiftungsverzeichnisse hinzu.101 Eine Jahresabrechnung mit Vermögensübersicht und Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks ist nun nicht innerhalb von fünf, sondern erst innerhalb von neun Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres einzureichen. Die Prüfung kann bei gleichbleibenden Einnahmen und Ausgaben für mehrere Jahre zusammengefasst werden (§§ 7 Nr. 2, 12 Abs. 1 bis 4 HessStiftG). Die Angaben im Stiftungsverzeichnis wurden durch die über die Rechtsnatur der Stiftung und um die zuständige Aufsichtsbehörde ergänzt und durch eine Ermächtigung zur Veröffentlichung im Internet erweitert (§ 17a Abs. 2 bis 4 HessStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht Das Hessische Stiftungsgesetz ist auf alle rechtsfähigen Stiftungen des 2.56 bürgerlichen und öffentlichen Rechts mit Sitz in Hessen anwendbar (§ 1 HessStiftG). Zuständig für die Anerkennung von Stiftungen öffentlichen Rechts ist die Landesregierung, für Stiftungen bürgerlichen Rechts nach § 3 HessStiftG die Aufsichtsbehörde, die nach § 11 Abs. 1 HessStiftG das Regierungspräsidium ist, in dessen Bezirk die Stiftung ihren Sitz hat. Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Ausnahmen sind zugelassen, wenn der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen ist und der Bestand der Stiftung für angemessene Zeit gewährleistet ist. Das Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten. Erträge und Zuwendungen dürfen nur entsprechend dem Stiftungszweck verwendet werden (§ 6 Abs. 1 bis 3 HessStiftG). Aufsichtsbehörde ist das Regierungspräsidium, in dessen Bezirk die Stif- 2.57 tung ihren Sitz hat. Oberste Aufsichtsbehörde ist für Stiftungen bürgerlichen Rechts das für Stiftungsrecht zuständige Ministerium (§ 11 Abs. 1 und 2 HessStiftG). Eine Besonderheit des HessStiftG stellt die historisch bedingte Übertragung von Prüfungs- und Unterrichtungsrechten über sämtliche Angelegenheiten der Stiftung auf den Magistrat von Frankfurt am Main für Stiftungen mit Sitz in Frankfurt dar (§§ 28, 12 HessStiftG), s. dazu oben Rz. 2.51. Die Stiftungsaufsicht soll so gehandhabt werden, dass die Entschluss- und Verantwortungsfreudigkeit der ___________________

101 Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Stiftungsgesetzes v. 6.9.2007 (GVBl. 546). Weitemeyer/Franzius | 59

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

Mitglieder der Stiftungsorgane nicht beeinträchtigt wird (§ 10 Abs. 1 HessStiftG). Sie verfügt über die üblichen aufsichtsrechtlichen Unterrichtungs-, Prüfungs-, Beanstandungs- und Weisungsrechte, die die Behörde im Wege der Ersatzvornahme durchsetzen kann (§§ 12, 13, 14 HessStiftG). Sie kann aus wichtigem Grund Mitglieder der Stiftungsorgane abberufen oder ihnen einstweilen die Geschäftsführung untersagen, muss aber vorher die übrigen Mitglieder anhören (§ 15 Abs. 1 bis 3 HessStiftG). 2.58 Organmitglieder haften für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 8 HessStiftG). Die Behörde kann Beauftragte bestellen, die einzelne Aufgaben der Stiftung wahrnehmen (§ 16 HessStiftG). Eine weitere hessische Besonderheit ist, dass Satzungsänderungen vom Vorstand lediglich beantragt werden können, die Aufsichtsbehörde jedoch die Entscheidung trifft. Der Wille des Stifters ist hierbei zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 HessStiftG). Aufhebung, Zusammenlegung oder Zweckänderungen können nur bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse erfolgen. Ausnahmen hierzu im Stiftungsgeschäft oder in der Satzung sind zulässig (§ 9 Abs. 2 HessStiftG). 2.59 Die Stiftung hat innerhalb von neun Monaten nach Schluss eines Geschäftsjahres eine Jahresabrechnung mit Vermögensübersicht unter getrennter Ausweisung der Rücklage und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks einzureichen. Die Behörde kann die Prüfung für mehrere Jahre zusammenfassen. Im Falle der Prüfung durch eine externe Stelle, die sich auf den Erhalt des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung der Mittel erstrecken muss, kann die Behörde von einer eigenen Prüfung absehen (§§ 7 Nr. 2, 12 Abs. 2 und 3 HessStiftG).

VIII. Mecklenburg-Vorpommern102 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.60 Wie auch Brandenburg und Sachsen gehört Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland zu den Ländern mit der geringsten Stiftungsdichte. Im ___________________

102 Stiftungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesstiftungsgesetz – StiftG M-V) v. 24.2.1993 (GVBl. 104), geändert durch Artikel 25 des Gesetzes v. 22.11.2001 (GVBl. 438), Neufassung v. 7.6.2006 (GVBl. 366). Materialien: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und F.D.P. – Entwurf eines Stiftungsgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Stiftungsgesetz – StiftG) v. 23.9.1992, Drucks. 1/2322; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (9. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU und F.D.P. – Drucksache 1/2322 – v. 12.1.1993, Drucks. 1/2701; Gesetzentwurf der Landesregierung – Entwurf eines Stiftungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesstiftungsgesetz – StiftG M-V) v. 11.1.2006, Drucks. 4/2047. 60 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Jahre 2010 wurden 151 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts gezählt – während die Gesamtzahl in Deutschland auf über 18 000 wuchs. Mit nur fünf Neugründungen im Jahre 2010 bildet das Land das Schlusslicht auf der Skala der Errichtungsdichte.103 Als Gründe hierfür sind zum einen die schwachen strukturellen Gegebenheiten des Landes zu nennen, zum anderen die lange Zeit fehlenden rechtlichen Grundlagen und stiefmütterliche Behandlung der Stiftungen in der DDR. So sind der Stiftungsaufsicht in Schwerin etwa 500 Stiftungen aus der Zeit vor 1945 bekannt.104 Während der 18-monatigen Laufzeit des Projektes „Wiederbelebung von Altstiftungen“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen konnten bis zum Jahr 2003 immerhin sieben Altstiftungen in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2003 aktiviert werden.105 2. Rechtsentwicklung a) MeckVorPStiftG vor 2002 Mecklenburg-Vorpommern war das erste der neuen Länder, das das seit 2.61 dem 13.9.1990 geltende Gesetz über die Bildung von Stiftungen (DDRStiftG)106 durch ein eigenes Stiftungsgesetz ersetzte. Das 32 Paragraphen umfassende Stiftungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (MeckVorPStiftG) vom 24.2.1993107 setzte sich zum Ziel, den gestiegenen Anforderungen an ein funktionierendes Stiftungswesen zu genügen und Regelungslücken im Bereich der Aufsicht und bei der Vermögensverwaltung von Stiftungen durch klare Vorschriften zu schließen. Verbesserungen im Vergleich zum DDRStiftG im Rahmen der Stiftungsaufsicht wurden in Regelungen zu Erträgen des Stiftungsvermögens und Zuwendungen an Stiftungen (§ 10 MeckVorPStiftG a. F.) sowie in der Verpflichtung von Stiftungen zur Vorlage von Jahresabrechnungen und Verwendungsberichten (§ 15 MeckVorPStiftG a. F.) gesehen.108 Das Gesetz stellte den wirklichen oder mutmaßlichen Stifterwillen als 2.62 maßgeblich voran (§ 2 MeckVorPStiftG a. F.). Neben Regelungen zu Stiftungen des bürgerlichen Rechts enthielt es Abschnitte zu Stiftungen ___________________

103 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 104 Mecking, Mecklenburg-Vorpommern, Deutsches Stiftungswesen 1988– 1998, 317–320. 105 Kilian, MeckVorPStiftG, Einf. 8. 106 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz (StiftGDDR) v. 13.9.1990, GBl. DDR I, Nr. 61, 1483; s. hierzu ausführlich oben Rz. 2.30 ff. 107 Stiftungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesstiftungsgesetz – StiftG M-V) v. 24.2.1993 (GVBl. 104). 108 Mecking, Mecklenburg-Vorpommern, Deutsches Stiftungswesen 1988– 1998, 317 f. Weitemeyer/Franzius | 61

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

öffentlichen Rechts sowie zu kommunalen, kirchlichen und Familienstiftungen. Stiftungsbehörde war im Regelfall der Innenminister, der auch ein Stiftungsverzeichnis führte, in das bei berechtigtem Interesse Einsicht genommen werden konnte (§§ 3, 4 MeckVorPStiftG a. F.). Neben den üblichen Vorschriften bezüglich Genehmigung, Satzung, Verwaltung und Vermögensverwaltung der Stiftung (§§ 6 ff. MeckVorPStiftG a. F.) enthielt § 10 MeckVorPStiftG a. F. die schon damals wenig moderne Regelung, dass jede außerordentliche Zuführung von einer Genehmigung der Behörde abhängig sein sollte. Hinsichtlich bedeutsamer Vermögensumschichtungen zum Stiftungsvermögen oder anderer risikobehafteter Rechtsgeschäfte konstatierte § 20 MeckVorPStiftG a. F. lediglich eine Anzeigepflicht. Die Maßnahmen der Stiftungsaufsicht hielten sich in dem üblichen Rahmen und umfassten Unterrichtungs-, Prüfungs- und Beanstandungsrechte der Behörde sowie das Recht zur Anordnung von Ersatzvornahme und zur Abberufung oder Bestellung von Organmitgliedern (§§ 11 bis 21 MeckVorPStiftG a. F.). Das Gesetz von 1993 galt bis zu seiner grundlegenden Überarbeitung im Jahre 2006 in nahezu unveränderter Form109 fort. b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das MeckVorPStiftG von 2006 2.63 Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat die Anpassung an die neuen bundesrechtlichen Vorgaben aus dem Jahr 2002 zu einer umfassenden Revision des MeckVorPStiftG genutzt und dies im Jahre 2006 in einem Ablösungsgesetz zum Ausdruck gebracht.110 Neben den üblichen terminologischen und notwendigen inhaltlichen Anpassungen hinsichtlich Genehmigung, Satzung und Stiftungsgeschäft sowie der Einführung eines nunmehr für jedermann einsehbaren Stiftungsverzeichnisses wurde eine rigorose Deregulierung der Vorschriften in Angriff genommen: die ursprünglich 32 Paragraphen wurden auf 13 Bestimmungen reduziert und damit auf ein Mindestmaß beschränkt. Durch mehr Transparenz, Stärkung der Stifterfreiheit und Stifterautonomie sollte bürgerschaftliches Engagement über Stiftungen in Mecklenburg-Vorpommern legislativ gefördert werden. Hervorzuheben sind die klare Systematik und die verständlichen Formulierungen des neuen Gesetzes.111 2.64 Zunächst wurde der Anwendungsbereich des Stiftungsgesetzes auf Stiftungen des bürgerlichen Rechts beschränkt (§ 1 MeckVorPStiftG). Die ___________________

109 Vgl. die Änderung des Stiftungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern v. 24.2.1993 (GVBl. 104) durch Artikel 25 des Gesetzes v. 22.11. 2001 (GVBl. 438). 110 Stiftungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesstiftungsgesetz – StiftG M-V) v. 7.6.2006 (GVBl. 366). 111 Kilian, MeckVorPStiftG, Einf. 9. 62 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Aufsichtsmittel wurden auf ein Mindestmaß reduziert (§§ 4 bis 9 MeckVorPStiftG). Auf Regelungen zur Verwaltung der Stiftung, Haftung der Organe, Änderung des Stiftungszwecks oder zur Aufhebung wurde mit Verweis auf die abschließenden Vorschriften des BGB entsprechend den Vorschlägen von Hüttemann und Rawert112 verzichtet.113 Die Stiftungsbehörde führt gem. § 3 MeckVorPStiftG ein Stiftungsverzeichnis, in das Name, Zweck, Sitz, Anschrift und Datum der Anerkennung einzutragen sind. Einsichtnahme ist jedem gestattet, die Eintragungen begründen jedoch nicht die Vermutung der Richtigkeit.114 3. Überblick über das geltende Recht Gem. § 1 MeckVorPStiftG gilt das Gesetz nur für rechtsfähige Stiftun- 2.65 gen des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern. Es enthält Regelungen zu kommunalen und kirchlichen Stiftungen (§§ 10, 11 MeckVorPStiftG). Zuständige Behörde für die Anerkennung und Aufsicht ist der Innenminister des Landes (§ 2 MeckVorPStiftG). Das MeckVorPStiftG enthält wie das BrbgStiftG keine Angaben über die Vermögensverwaltung von Stiftungen (s. Rz. 2.35). Dem Innenminister stehen in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde 2.66 (§ 2 MeckVorpStiftG) die üblichen Unterrichtungs- und Prüfungsrechte (§ 5 MeckVorPStiftG) zu. Die Behörde kann rechtswidrige Beschlüsse oder Maßnahmen beanstanden oder deren Aufhebung anordnen und dies im Wege der Ersatzvornahme durchführen lassen (§ 6 MeckVorPStiftG). Ferner kann die Behörde Organmitglieder aus wichtigem Grund bestellen oder abberufen oder einen Beauftragten bestellen (§§ 7, 8 MeckVorPStiftG). Die Änderung der Stiftungssatzung bedarf der behördlichen Genehmigung, die bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse erteilt werden kann. Zu Lebzeiten des Stifters ist dieser anzuhören (§ 9 Abs. 1 und 2 MeckVorPStiftG). Die Rechnungslegung muss gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MeckVorPStiftG in 2.67 Form einer Jahresabrechnung mit Vermögensübersicht und Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorgelegt werden und innerhalb von neun Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres erfolgen. Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass die vormals beschränkte Aufsicht über Familienstiftungen (§ 14 Abs. 2 MeckVorPStiftG a. F.) nunmehr wieder der allgemeinen Rechtsaufsicht zugeführt wurde, während beispielsweise Berlin und Brandenburg die Aufsicht über Familienstiftungen gelockert haben (vgl. Rz. 2.25, 2.34).115 ___________________

112 113 114 115

Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. Gesetzentwurf der Landesregierung v. 11.1.2006, Drucks. 4/2047, 1 f., 9 f. Einen Überblick über die Regelungen liefert Nissel, ZSt 2007, 3 ff. Kilian, MeckVorPStiftG, Einf. 9. Weitemeyer/Franzius | 63

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

IX. Niedersachsen116 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.68 Das Niedersächsische Stiftungsgesetz (NdsStiftG) von 1968117, das teilweise wörtlich mit dem HessStiftG von 1966 übereinstimmt (s. Rz. 2.50), beendete einen Zustand extremer Rechtszersplitterung. Bis dato galten in Niedersachsen altes preußisches, braunschweigisches, oldenburgisches und – im Raum Cuxhaven – hamburgisches Stiftungsrecht nebeneinander.118 Das Partikularrecht Schaumburg-Lippe war bereits 1960 aufgehoben worden.119 In der Tradition des in weiten Teilen geltenden Preußischen Allgemeinen Landrechts (ALR) stehend kann das NdsStiftG ebenso wie das HessStiftG von 1966 (s. hierzu im Einzelnen oben Rz. 2.49 f.) als liberales und stifterfreundliches Gesetz bezeichnet werden. So stellte es den Stifterwillen als Auslegungsregel besonders heraus (§ 2 NdsStiftG a. F.) und beschränkte die Stiftungsaufsicht im Sinne einer Stärkung der Verantwortung der Stiftungsorgane (§ 10 Abs. 1 S. 2 NdsStiftG a. F.). Seit jeher gilt es nur für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts (§ 1 NdsStiftG a. F.). 2.69 Mit dem Ausschluss des Rechts der öffentlich-rechtlichen Stiftungen aus den Regelungen wurde das NdsStiftG – mit Berlin und SchleswigHolstein – zum „norddeutschen Typ“ gerechnet, eine Einteilung, die angesichts später ergangener entsprechender Regelungen in NordrheinWestfalen und dem Saarland zweifelhaft wurde.120 In der Literatur wird es als „mittleres“ Gesetz im Rahmen der Landesstiftungsrechte des westlichen Nachkriegsdeutschlands beschrieben, sowohl was den Umfang der Paragraphen – es sind 24 – anbelangt, als auch zeitlich gesehen: Bayern (1954), Hamburg (1958) Berlin (1960), Hessen (1966) und Rheinland-Pfalz (1966) waren vorausgegangen.121 Bis zur Anpassung an die Reform auf Bundesebene wurden von keiner Seite Wünsche nach wesentlichen Änderungen des Gesetzes laut.122 Die Entwicklung im Stiftungs___________________

116 Niedersächsisches Stiftungsgesetz v. 24.7.1986 (GVBl. 119), geändert durch Gesetz v. 20.12.1985 (GVBl. 609), Gesetz v. 5.11.2004 (GVBl. 394) und Gesetz v. 23.11.2004 (GVBl. 514). Materialien: Antrag des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen v. 20.6.1968, Niedersächsischer Landtag, Sechste Wahlperiode, Drucks. 463; Gesetzentwurf v. 15.6.2004, Drucks. 15/1129. 117 Niedersächsisches Stiftungsgesetz v. 24.7.1986 (GVBl. 119). 118 Siegmund-Schultze, ZSt 2003, 122 (122); Siegmund-Schultze, NdsStiftG (9. Aufl. 2005), 15 f. 119 Vgl. Gesetz zur Angleichung des ehemals schaumburg-lippischen Rechts v. 12.7.1960 (GVBl. 138). 120 Siegmund-Schultze, ZSt 2003, 122, 124; Siegmund-Schultze, NdsStiftG (8. Aufl. 2002), § 1, Erl. Nr. 1 b. 121 Siegmund-Schultze, ZSt 2003, 122. 122 Siegmund-Schultze, NdsStiftG (7. Aufl. 1999), 16 f. 64 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

wesen in Niedersachsen bestätigt, dass der Gesetzgeber den Stiftungen mit der liberalen Grundtendenz des NdsStiftG entgegen gekommen ist: Niedersachsen ist seit jeher eine der Stiftungshochburgen in Deutschland. Der Anzahl der Stiftungen und der Stiftungsdichte nach liegt das Land mit 1 906 rechtsfähigen Stiftungen, davon 81 Neugründungen im Jahre 2010, im oberen Mittelfeld. Die VolkswagenStiftung liegt mit über 100 Mio. Euro bundesweit auf Platz eins der größten Stiftungen bürgerlichen Rechts nach Gesamtausgaben und verfügt wie auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt über ein milliardenschweres Stiftungsvermögen.123 2. Rechtsentwicklung a) NdsStiftG vor 2002 Das Stiftungsgesetz von 1968 erfuhr bis zu seiner Neufassung im Jahre 2.70 2004 nur wenige kleinere Änderungen. Ziel einer Gesetzesänderung vom 20.12.1985124 war zum einen, die Aufsicht über Stiftungen einzuschränken, die nur private Zwecke verfolgen und nur dem Wohl eines begrenzten Personenkreises dienen (§ 10 NdsStiftG a. F.). Zum anderen wurde die Möglichkeit der Delegation der Stiftungsaufsicht auf den Landkreis, die kreisfreie oder die große selbstständige Stadt oder Gemeinde bei Stiftungen mit örtlich begrenztem Wirkungskreis geschaffen. Die Gesetzesänderung machte auch eine Überarbeitung der 1970 erlassenen Richtlinien zur Ausführung des Gesetzes125 notwendig. Die neugefassten Richtlinien schreiben seit 1986 erstmals vor, dass jede neu eingerichtete Stiftung in ein Stiftungsverzeichnis einzutragen ist, das bei der jeweiligen Bezirksregierung geführt wird und für jedermann einsehbar ist.126 Überlegungen in den 90er Jahren, die Stiftungsaufsicht angesichts knapper werdender Staatsfinanzen in geringerem Umfang wahrzunehmen und etwa auf die Prüfung der Jahresrechnungen (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 NdsStiftG a. F.) unter bestimmten Umständen zu verzichten, wurden angesichts der anstehenden Bundesreform auf Eis gelegt.127

___________________

123 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 124 Gesetz v. 20.12.1985 (GVBl. 609). 125 Neufassung der Richtlinien zur Ausführung des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes v. 16.7.1986 (MBl. 800). 126 Rhode, Die Entwicklung des Stiftungswesens und des Stiftungsrechts im Lande Niedersachsen in der Zeit von 1977 bis 1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 326 f. 127 Gaaz, Niedersachsen, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 326. Weitemeyer/Franzius | 65

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das NdsStiftG von 2004 2.71 Während das Gesetz vom 5.11.2004128 verwaltungstechnische Änderungen zum Inhalt hatte und wegen der Auflösung der Bezirksregierungen an deren Stelle „das für Inneres zuständige Ministerium“ als Stiftungsbehörde bestimmte (§ 3 NdsStiftG a. F.), nahm sich der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes vom 23.11.2004129 den Anforderungen durch die Neuregelung auf Bundesebene von 2002 an. Der Neuregelung der §§ 80, 81 BGB entsprechend wurden die früheren Regelungen zur Genehmigung gestrichen und die Zuständigkeit der Stiftungsbehörde für die Anerkennung normiert (§ 4 NdsStiftG). 2.72 Ferner wurden die Stiftungsbehörden durch den neu eingefügten § 17a NdsStiftG zur Führung von allgemein zugänglichen Stiftungsverzeichnissen verpflichtet, in die den Forderungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe folgend Name, Sitz, der wesentliche Zweck und die Anschrift der Stiftung einzutragen sind. Die Eintragung begründet nicht die Vermutung der Richtigkeit. Darüber hinaus werden Errichtung, Erlöschen, Änderung des Stiftungszwecks, Sitzverlegung oder die Zusammenlegung mehrerer Stiftungen im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht (§ 17 NdsStiftG). Anders als beispielsweise in Hessen und Bayern wurde auf Angaben über vertretungsberechtigte Personen wegen des Gefahr von Fehlerquellen und des erhöhten Verwaltungsaufwands bewusst verzichtet. Mit dem Ziel der Entlastung der Stiftungsbehörden wurde die Regelung zur Rechnungslegung dahingehend geändert, dass die Behörde bei Prüfung durch bestimmte externe Prüfer von einer eigenen Prüfung absehen kann, sofern sich die Prüfung auch auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsmäßige Verwendung der Mittel erstreckt (§ 11 Abs. 4 NdsStiftG). Hervorzuheben ist die Berücksichtigung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache, die dem Schriftbild des NdsStiftG eine Besonderheit gibt. 2.73 Insgesamt bleiben auch nach der Gesetzesänderung von 2004 Charakter, Länge und Tenor des NdsStiftG von 1968 erhalten. Einer weiteren Verschlankung im Sinne einer konsequenten Deregulierung des Verwaltungsverfahren, wie sie im Modellentwurf von Hüttemann/Rawert130 gefordert wird, erteilt der Gesetzgeber eine deutliche Absage: Schon im Jahre 1968 habe der Gesetzgeber darauf abgezielt, die staatliche Beteiligung in Stiftungsangelegenheiten zu vereinfachen und ein vergleichsweise „schlankes“ Gesetz geschaffen. Dies zeige sich insbesondere im ___________________

128 Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen v. 5.11.2004 (GVBl. 394), Art. 17. 129 Gesetz v. 23.11.2004 (GVBl. 514). 130 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. 66 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Verzicht auf einen Katalog anzeige- oder genehmigungspflichtiger Rechtsgeschäfte. Darüber hinaus Vorschriften über die Vermögensverwaltung und Ertragsverwendung (§ 6 NdsStiftG) fallen zu lassen, würde den tragenden stiftungsrechtlichen Grundsatz des Erhalts des Stiftungsvermögens gefährden.131 3. Überblick über das geltende Recht Der Anwendungsbereich des NdsStiftG erstreckt sich auf alle rechts- 2.74 fähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts mit Sitz in Niedersachsen und enthält Regelungen für kommunale und kirchliche Stiftungen (§§ 1, 18, 19 NdsStiftG). Stiftungsbehörde ist das für Inneres zuständige Ministerium. Die Stiftungsbehörde übt gleichzeitig die Aufsicht über die Stiftungen aus (§§ 3, 10 Abs. 3 NdsStiftG). Das NdsStiftG enthält vergleichsweise detaillierte Regelungen über die Vermögensverwaltung, die sich aber im Rahmen der üblichen Vorgaben bewegen (§ 6 NdsStiftG). Danach ist das Stiftungsvermögen in seinem Bestand zu erhalten, es sei denn, der Stifterwille ist nicht anders zu verwirklichen und der Bestand der Stiftung ist auf angemessene Zeit gewährleistet. Das Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten (§ 6 Abs. 1 NdsStiftG). Erträge und Zuwendungen müssen für den Stiftungszweck verwendet werden. Die Verwaltungskosten sind auf ein Mindestmaß zu beschränken (§ 6 Abs. 2 und 4 NdsStiftG). Die Stiftungsaufsicht durch die Stiftungsbehörde (§ 10 Abs. 3 NdsStiftG) 2.75 soll sicherstellen, dass die Entschlusskraft und Verantwortungsfreudigkeit der Stiftungsorgane nicht beeinträchtigt wird (§ 10 Abs. 1 NdsStiftG). Die Befugnisse der Aufsichtsbehörde sind bei rein privatnützigen Stiftungen beschränkt (§ 10 Abs. 2 NdsStiftG). Im Übrigen verfügt die Behörde über die üblichen Unterrichtungs-, Prüfungs-, Beanstandungs- und Anordnungsrechte (§§ 11 bis 13 NdsStiftG). Die Stiftungsbehörde kann Mitglieder von Stiftungsorganen aus wichtigem Grund abberufen oder bestellen (§§ 14, 15 NdsStiftG). Die Mitglieder der Stiftungsorgane sind zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Stiftung verpflichtet und haben der Stiftung bei Pflichtverletzung Schadensersatz zu leisten. Die Haftung wegen grober Fahrlässigkeit kann nicht ausgeschlossen werden (§ 6 Abs. 3 NdsStiftG). Zweck- und Satzungsänderungen sowie Aufhebung oder Zusammenlegung der Stiftung sind zulässig, wenn sie in der Satzung vorgesehen sind oder sich die Verhältnisse seit Errichtung der Stiftung wesentlich geändert haben. Sie bedürfen der Genehmigung der Behörde. Zu Lebzeiten des Stifters ist dessen Zustimmung erforderlich (§ 7 Abs. 1 bis 3 NdsStiftG). Innerhalb von fünf Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres ist bei der Stiftungsbehörde ___________________

131 Gesetzentwurf des Niedersächsischen Ministerpräsidenten v. 15.6.2004, Drucks. 15/1129, 5 f. Weitemeyer/Franzius | 67

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

eine Jahresabrechnung mit einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks einzureichen. Wird die Prüfung von bestimmten anerkannten externen Prüfern vorgenommen und erstreckt sich der Prüfbericht auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsmäßige Verwendung der Mittel, so soll die Behörde von einer eigenen Prüfung absehen (§ 11 Abs. 3 und 4 NdsStiftG).

X. Nordrhein-Westfalen132 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.76 Relativ spät, im Jahre 1977, folgte Nordrhein-Westfalen den meisten übrigen alten Bundesländern, die bereits neue Stiftungsgesetze erlassen hatten (Bayern 1954, Hamburg 1958, Berlin 1960, Hessen und Rheinland-Pfalz 1966, Niedersachsen 1968, Schleswig-Holstein 1972 und Baden-Württemberg 1977) und beendete die bis dahin herrschende Zersplitterung im Stiftungsrecht. Preußisches, lippisches und französisches Stiftungsrecht waren bis dahin nebeneinander anzuwenden und machten die Rechtslage unübersichtlich. Bei der Normierung des Stiftungsrechts im Jahre 1977 konnten die Erfahrungen der vorangegangenen Bundesländer berücksichtigt werden.133 Mit 3 510 Stiftungen bürgerlichen Rechts und 176 Neugründungen im Jahr 2010 steht NordrheinWestfalen in Deutschland an der Spitze, wenn auch die Stiftungsdichte gemessen an der Einwohnerzahl in anderen Bundesländern höher ist. Das Land beheimatet gleich fünf der größten Stiftungen privaten Rechts: Die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Bertelsmann Stiftung, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Stiftung Mercator und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.134 Die in Bonn beheimatete Studienstiftung des deutschen Volkes agiert in der Rechtsform des eingetragenen Vereins.

___________________

132 Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (StiftG NW) v. 21.7.1977 (GVBl. 274), abgelöst durch Gesetz v. 15.2.2005 (GVBl. 52), zuletzt geändert durch Gesetz v. 9.2.2010 (GVBl. 112). Materialien: Gesetzentwurf der Landesregierung v. 22.9.2004, Drucks. 13/5987; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung und Verwaltungsstrukturreform v. 22.1.2005, Drucks 13/6503; Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 17.12.2009, Drucks. 14/10442; Plenarprotokoll des Landtages Nordrhein-Westfalen 14/140 v. 20.1.2010; Plenarprotokoll des Landtages Nordrhein-Westfalen 14/142 v. 3.2.2010. 133 Beuke, Die Entwicklung des Stiftungswesens und des Stiftungsrechts in Nordrhein-Westfalen, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 329. 134 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 68 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

2. Rechtsentwicklung a) NRWStiftG vor 2002 Als einziges der alten Bundesländer war in Nordrhein-Westfalen die 2.77 Versagung der Genehmigung für bestimmte Unternehmensträgerstiftungen zwingend vorgeschrieben bzw. in das Ermessen der Behörde gestellt (§ 4 Abs. 1c, Abs. 2b NRWStiftG a. F.), was von verschiedenen Seiten als Verletzung von Bundesrecht kritisiert wurde.135 Das NRWStiftG von 1977 hatte allgemein einen eher restriktiven Charakter und wies im Vergleich zu anderen Landesstiftungsgesetzen stark ausgeprägte Befugnisse der Stiftungsaufsicht auf, die sich z. B. im Genehmigungskatalog des § 21 NRWStiftG a. F. für bestimmte Vorhaben zeigten. Die Schwierigkeit, dem alten Gesetz eine neue, bürgerfreundliche Grundausrichtung des Stiftungsrechts zu geben, kann als Grund für die komplette Neufassung im Jahre 2005 gesehen werden.136 b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das NRWStiftG von 2005137 Die Neufassung im Zuge der Bundesreform wurde zum Anlass genom- 2.78 men, das seit 25 Jahren unverändert geltende Landesstiftungsgesetz grundlegend zu überarbeiten und wie auch in Rheinland-Pfalz und Brandenburg (s. Rz. 2.33, 2.88) in eine neue Form zu gießen. Das neue Stiftungsgesetz legt besonderes Augenmerk auf die Respektierung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit aller Beteiligten.138 Es zeigt eine deutliche Prägung durch das rheinland-pfälzische Stiftungsgesetz vom 19.7.2004 (s. hierzu Rz. 2.89 ff.), dessen besonderer Charakter in der Stärkung der Stiftungsautonomie bei gleichzeitiger Deregulierung gesehen wird.139 Im Bestreben nach allgemeiner Entbürokratisierung des gesellschaftlichen Lebens wurden bürokratische Hürden wie z. B. die erwähnten Genehmigungsvorbehalte in § 21 NRWStiftG a. F. abgebaut. Deutlich erkennbar wird die Vereinfachung in der Reduzierung der ursprünglich 37 Paragraphen auf nunmehr 17. Das Bestreben nach Optimierung im Stiftungsrecht zeigt sich zudem darin, dass der Gesetzgeber die Neuregelung schon von Beginn an mit einem Verfallsdatum versehen hatte: Gem. § 17 Abs. 1 NRWStiftG a. F. trat es nach Ablauf von fünf Jahren automatisch außer Kraft und ermöglichte auf diese Weise, die Auswirkungen der Neufassung auf das Stiftungswesen kritisch zu ___________________

135 Beuke, Die Entwicklung des Stiftungswesens und des Stiftungsrechts in Nordrhein-Westfalen, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 329, 332. 136 Heuel, NRWStiftG, Einf. 11. 137 S. hierzu auch umfassend Andrick, ZSt 2005, 187–198. 138 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 22.9.2004, Drucks. 13/5987, 9; Heuel, NRWStiftG, Einf. 7 f. 139 Andrick, ZSt 2005, 187. Weitemeyer/Franzius | 69

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

überdenken und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.140 Dies ist kürzlich mit dem Gesetz vom 9. Februar 2010141 geschehen (dazu eingehend unten Rz. 2.81 f.). Das Bestreben nach Modernisierung schlägt sich ähnlich wie in Niedersachsen (s. Rz. 2.72) auch in der Einführung einer genderspezifischen Rechtssprache nieder (z. B. § 5 Abs. 2 NRWStiftG „Stifterinnen und Stifter“).142 2.79 Im Zuge der Neuregelung im Jahre 2005 wurden zunächst die obligatorischen Anpassungen an die BGB-Novelle vorgenommen und die Regelungen zur Entstehung von Stiftungen gestrichen (§ 4 NRWStiftG a. F.) und durch einen Verweis auf die Anerkennung nach § 80 BGB ersetzt (§ 2 NRWStiftG). Den Forderungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe folgend wurde die Führung eines öffentlichen Stiftungsverzeichnisses eingefügt, das für jedermann einsehbar und über das Internet zugänglich ist und in das Name, Sitz, Zweck, Anschrift der Geschäftsstelle, vertretungsberechtigte Organe, Datum der Anerkennung als rechtsfähige Stiftung sowie die zuständige Stiftungsbehörde einzutragen sind (§ 12 NRWStiftG). Das Verzeichnis begründet wie üblich nicht die Vermutung der Richtigkeit der Eintragungen. Auf Antrag stellt die Stiftungsbehörde eine Bescheinigung darüber aus, wer nach Maßgabe der Satzung zur Vertretung der Stiftung berechtigt ist (§ 12 Abs. 1 bis 4 NRWStiftG). 2.80 Anders als in der vorangegangen Regelung wurden unselbstständige Stiftungen vom Geltungsbereich ausgenommen und die Anwendbarkeit auf rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts mit Sitz in NordrheinWestfalen begrenzt (§ 1 NRWStiftG). Die Stiftungsaufsicht wurde dem Gesetzgeber zufolge „im Rahmen des Vertretbaren reduziert“143. In diesem Zusammenhang wurde eine nur eingeschränkte Stiftungsaufsicht bei privaten Stiftungen (§ 6 Abs. 1 NRWStiftG) eingeführt, ein „Paradigmenwechsel“ gegenüber der alten Regelung des § 17 Abs. 1 NRWStiftG a. F., der insofern keine Unterscheidung machte.144 Schon im Vorfeld der Neufassung war dieser Schritt kontrovers diskutiert worden.145 Von einer Prüfung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde kann nunmehr bei Vorlage eines externen Prüfberichts abgesehen werden (§ 7 Abs. 1 S. 2 NRWStiftG). Der Katalog der genehmigungspflichtigen Vorhaben in § 21 NRWStiftG a. F. wurde bereinigt und in Anzeigepflichten umgewandelt (§ 7 Abs. 2 NRWStiftG). Die Organe der Stiftung können nach der Neufassung ohne Zustimmung der Behörde eine Änderung des Stiftungszwecks beschließen, wenn „eine die Grundlagen oder die Hand___________________

140 Heuel, NRWStiftG, Einf. 12. 141 Gesetz zur Änderung des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen v. 9.2.2010 (GVBl. 112). 142 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung und Verwaltungsstrukturreform v. 22.1.2005, Drucks 13/6503, passim. 143 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 22.9.2004, Drucks. 13/5987, 1. 144 Andrick, ZSt 2005, 187, 191. 145 Schewe, ZSt 2003, 173–176. 70 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

lungsfähigkeit der Stiftung berührende Änderung der Verhältnisse eingetreten ist“ (§ 5 Abs. 2 S. 1 NRWStiftG). Auch diese Regelung geriet in die Kritik: Andere Stiftungsgesetze schützten den Stiftungszweck als unveränderbaren Bestandteil der Stiftung stärker und forderten als Voraussetzung für Zweckänderung eine „wesentliche Änderung“ der Verhältnisse.146 c) Überarbeitung des NRWStiftG von 2010 Einigen der von Kritikern gestellten Forderungen wurde durch die Neu- 2.81 fassung im Jahre 2010 nachgekommen. Dem Änderungsgesetz147 war eine Evaluation vorausgegangen, in der 15 Institutionen und die Ressorts der Landesregierung zur Stellungnahme und Angabe von Änderungswünschen aufgefordert wurden.148 Die Evaluierung zeugte von einer hohen Zufriedenheit mit dem Stiftungsgesetz 2005 und der danach praktizierten Stiftungsaufsicht.149 Neben mehreren redaktionellen Änderungen, wie zum Beispiel dem Austausch des Begriffs „Stiftungsaufsichtsbehörde“ durch „Stiftungsbehörde“, was die Bedeutung der Behörde als Beraterin der Stiftungen unterstreichen sollte, wurden Unstimmigkeiten klargestellt und einige inhaltliche Änderungen vorgenommen. So wurde in § 5 Abs. 1 NRWStiftG eingefügt, dass die Stiftungsbehörde innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung über Satzungsänderungen informiert werden muss. Ebenso wurde der kritisierte § 5 Abs. 2 NRWStiftG dahingehend neuge- 2.82 fasst, dass Änderungen, die den Stiftungszweck, den Zusammenschluss oder die Auflösung von Stiftungen betreffen, nur für den Fall wesentlicher Änderungen der Verhältnisse in Betracht kommen. Hiermit sollte der bundesgesetzlichen Vorgabe, wonach die Anerkennung nur bei dauernder und nachhaltiger Erfüllung des Stiftungszwecks erfolgen darf, deutlicher Rechnung getragen werden.150 Die übrigen Änderungen, wie zum Beispiel die Aufhebung der Mindestgrenze von 100 000 Euro für die Anzeige von Veräußerungen oder Belastungen von Grundstücken in § 7 Abs. 2 NRWStiftG, dienen der Klarstellung. Da sich die übrigen Regelungen des NRWStiftG von 2005 nach dem Ergebnis der Evaluation bewährt haben, setzte der Gesetzgeber eine dynamische Berichtspflicht ___________________

146 Andrick, ZSt 2005, 187, 193. 147 Gesetz v. 9.2.2010 (GVBl. 112), zu den Änderungen im Einzelnen s. Andrick, ZStV 2010, 121 ff. 148 S. zu den Zuschriften und Änderungswünschen im Einzelnen Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 17.12.2009, Drucks. 14/10442, 13–15. 149 S. Plenarprotokolle des Landtages Nordrhein-Westfalen 14/140 v. 20.1.2010 und 14/142 v. 3.2.2010, aus denen die inhaltliche Übereinstimmung der Fraktionen zu den Regelungen deutlich wird. 150 Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 17.12.2009, Drucks. 14/10442, 16 f. Weitemeyer/Franzius | 71

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

über die gesetzlichen Regelungen im 5-Jahres-Turnus an die Stelle der alten Verfallsklausel (§ 17 NRWStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht 2.83 Gem. § 1 NRWStiftG ist das Gesetz anwendbar auf alle rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Zuständig für die Anerkennung ist die Stiftungsbehörde und damit die Bezirksregierung, in deren Bezirk die Stiftung ihren Sitz hat (§§ 2, 15 Abs. 2 NRWStiftG). Die Stiftung ist so zu verwalten, wie es die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks erfordert. Das Stiftungsvermögen ist ungeschmälert zu erhalten. Umschichtungen sind nach ordentlicher Wirtschaftsführung zulässig. Erträge und Zuwendungen sind zur Verwirklichung des Stiftungszwecks und zur Deckung der Verwaltungskosten zu verwenden (§ 4 NRWStiftG). 2.84 Stiftungsaufsichtsbehörden sind die Bezirksregierungen, die oberste Stiftungsaufsicht wird vom Innenministerium wahrgenommen (§ 15 Abs. 1 und 2 NRWStiftG). Die Überwachung der Verwirklichung des Stiftungszwecks im Sinne der Stiftungssatzung oder des mutmaßlichen Stifterwillens ist oberster Grundsatz der Stiftungsaufsicht (§ 6 Abs. 2 NRWStiftG). Die Aufsicht über Stiftungen, die ausschließlich oder überwiegend private Zwecke verfolgen (sogenannte Familienstiftungen), ist eingeschränkt (§ 6 Abs. 3 NRWStiftG). Aufsichtsrechtliche Instrumente der Behörde sind die Beanstandung von Beschlüssen sowie die Anordnung rechtlich gebotener Maßnahmen, die im Wege der Ersatzvornahme getätigt werden können (§ 8 NRWStiftG). Ferner kann die Aufsichtsbehörde Organmitglieder bei Pflichtverletzungen abberufen oder andere Personen an deren Stelle setzen. Lässt sich der Stifterwille nicht anders verwirklichen, kann die Behörde in besonderen Fällen einen Sachwalter beauftragen (§ 9 Abs. 1 bis 3 NRWStiftG). Satzungsänderungen, die wesentliche Änderungen des Stiftungszwecks beinhalten, sowie der Zusammenschluss oder die Auflösung von Stiftungen bedürfen der behördlichen Genehmigung und sind zulässig, sofern eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (§ 5 Abs. 1 und 2 S. 1 Nr. 1 NRWStiftG). 2.85 Eine Jahresabrechnung mit Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks ist der Behörde innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres vorzulegen. Von einer eigenen Prüfung kann die Behörde absehen, wenn die Stiftung den Bericht eines anerkannten externen Prüfers vorlegt, der sich auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsmäßige Verwendung der Stiftungsmittel erstrecken muss. Bei Anhaltspunkten zu fehlerhafter Verwaltung kann die Behörde die Stiftung auf Kosten der Stiftung prüfen lassen (§ 7 Abs. 1 und 2 NRWStiftG). 72 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

XI. Rheinland-Pfalz151 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Wie in den anderen westdeutschen Flächenstaaten war das Landesrecht 2.86 in Rheinland-Pfalz aufgrund der Zusammensetzung des Landes aus unterschiedlichen Landesteilen zersplittert. Im Landesstiftungsrecht konnten vier Rechtskreise unterschieden werden: der preußische Rechtskreis in den ehemaligen Regierungsbezirken Koblenz, Montabaur und Trier, der hessische im ehemaligen Regierungsbezirk Hessen, der bayerische im ehemaligen Regierungsbezirk Pfalz und der oldenburg-birkenfeldische im Gebiet des ehemaligen Fürstentums Birkenfeld. Die einzelnen stiftungsrechtlichen Ausführungsbestimmungen regelten nur das Nötigste und wiesen teilweise erhebliche inhaltliche Lücken auf. Anfang der 1960er Jahre nahm der Landesgesetzgeber daher die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in Angriff und ordnete schließlich das Landesstiftungsrecht mit Gesetz vom 22.4.1966 neu. Als Vorbild diente ihm dabei das bayerische Stiftungsgesetz aus dem Jahre 1954,152 das für viele Landesgesetze Modellcharakter hatte.153 Das Stiftungsgesetz von Rheinland-Pfalz vom 22.4.1966 (RhPfStiftG) 2.87 war mit seinen 54 Paragraphen ein vergleichsweise umfangreiches Normenwerk. Es galt für rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts, die ihren Sitz im Lande hatten (§§ 1, 2 RhPfStiftG a. F.). Wie Bayern und Hamburg verwendete das Gesetz den Begriff der öffentlichen Stiftung bürgerlichen Rechts, wenn die Stiftung gemeinwohlorientierte Zwecke verfolgt (§ 2 Abs. 3, 5 RhPfStiftG a. F.). Maßgeblicher Grundsatz für die Auslegung war die Beachtung des Stifterwillens (§ 3 RhPfStiftG a. F.). Die Stiftungsaufsicht oblag den Kreis- oder Stadtverwaltungen. Sie hatten darüber zu wachen, dass die Verwaltung der Stiftung im Einklang mit den Gesetzen, dem Stifterwillen und der Satzung geführt wurde und verfügten für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben über Unterrichtungs-, Anordnungs- und Aufhebungsrechte (§§ 26 bis 38 RhPfStiftG a. F.).154 Mit 843 Stiftungen, davon 37 Neugründungen

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151 Stiftungsgesetz Rheinland-Pfalz (StiftG) v. 22.4.1966 (GVBl. 95), geändert durch Gesetz v. 17.5.1972 (GVBl. 179), Gesetz v. 14.12.1973 (GVBl. 417), Gesetz v. 8.4.1991 (GVBl. 104), Gesetz v. 12.10.1999 (GVBl. 325), in der Fassung v. 19.7.2004 (GVBl. 385). Materialien: Regierungsvorlage v. 9.7.1963, Drucks. 5/101; Empfehlungen des Rechtsausschusses, Drucks. 5/939; Beschluss des Hauptausschusses, Drucks. 5/3305; Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.5.2004, Drucks. 14/3129. 152 Bayerisches Stiftungsgesetz (BayStG) v. 26.11.1954 (GVBl. 301), s. dazu ausführlich Rz. 2.12 ff. 153 Mecking, RhPfStiftG, Einf. 12 f., 24. 154 Mecking, RhPfStiftG, Einf. 25 f. Weitemeyer/Franzius | 73

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

im Jahr 2010, liegt Rheinland-Pfalz im bundesdeutschen Vergleich im Mittelfeld, was die Stiftungs- und Errichtungsdichte anbelangt.155 2. Rechtsentwicklung a) RhPfStiftG vor 2002 2.88 Seit seinem In-Kraft-Treten im Jahr 1966 ist das rheinland-pfälzische Stiftungsgesetz nicht grundlegend überarbeitet oder geändert worden, der Gesetzgeber beschränkte sich bis zur Reform im Jahre 2004 auf kleinere Änderungen: Im Jahre 1972 wurde die zunächst beim Innenministerium angesiedelte Zuständigkeit für die Genehmigung und Beaufsichtigung auf die Bezirksregierungen bzw. auf die Kreisverwaltungen und Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte verlagert.156 Im Jahre 1991 wurde § 34 RhPfStifG a. F. gestrichen, der eine Aufzählung genehmigungspflichtiger Verwaltungsgeschäfte beinhaltete,157 und damit dem gewandelten Verständnis der Stiftungsaufsicht Rechnung getragen.158 Dennoch wird konstatiert, dass das Gesetz in seiner langen Gültigkeit von fast vier Jahrzehnten zu wenig gepflegt und die Anpassung an die gesellschaftliche Wirklichkeit vernachlässigt worden war. Der Gesetzgeber sah sich daher nach der Bundesreform im Jahre 2002 genötigt, über die notwenigen Anpassungen hinaus zu gehen und ein vollkommen überarbeitetes Gesetz vorzulegen, das den allgemeinen Entwicklungen in Verwaltung, Recht und Stiftungspraxis folgte.159 b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahr 2002: das RhPfStiftG von 2004 2.89 Deregulierung, Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Stiftungen und Stiftungsaufsichtsbehörden waren ebenso Ziele der Neuregelung aus dem Jahre 2004 wie die Aufhebung überholter und entbehrlicher Bestimmungen und die Erweiterung des Freiraums und die Stärkung der Selbstverwaltung der Stiftung.160 Das Ergebnis ist ein straffes, modernes Gesetz, das mit seinen nur 15 Paragraphen eines der kürzesten in Deutschland ist und nach Aussagen der Fachöffentlichkeit den Grundanliegen des Reformprozesses im Stiftungsrecht „in nahezu exem-

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155 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 156 Gesetz v. 17.5.1972 (GVBl. 179). 157 Gesetz v. 8.4.1991 (GVBl. 104). 158 Büermann, Rheinland-Pfalz, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 327, 329 f. 159 Mecking, RhPfStiftG, Einf. 26. 160 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.5.2004, Drucks. 14/3129, 12. 74 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

plarischer Weise“ entspricht.161 Auch eine geschlechtsgerechte Rechtssprache wurde eingeführt, wobei jedoch dem Anliegen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, am Begriff des „Stifterwillens“ in seiner Form festzuhalten, Rechnung getragen wurde.162 Das neue Gesetz stellt die Achtung des Stifterwillens und die Gewähr- 2.90 leistung der Entscheidungsfreiheit der Organe an erste Stelle (§ 1 RhPfStiftG). Beim Aufbau wurde stärker als bisher berücksichtigt, dass Adressat des Gesetzes ganz überwiegend die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts ist, deren Regelungen in Teil 2 (§§ 6 bis 9 RhPfStiftG) zusammengefasst sind. Vorschriften über die Verwaltung, Umwandlung und Aufhebung sowie die Stiftungsaufsicht, denen in der alten Fassung ganze Abschnitte gewidmet waren, wurden in je einem Paragraphen zusammen gefasst – die jedoch mit teilweise bis zu sieben Absätzen relativ umfangreich sind (§§ 7 bis 9 RhPfStiftG). Insbesondere die ehemals umfangreichen Vorgaben zur Stiftungsverwaltung der Stiftung wurden mit Verweis auf die Anregungen von Hüttemann/Rawert163 stark gekürzt, um Stifterinnen und Stiftern mehr Spielräume bei der Ausgestaltung des Stiftungsgeschäfts und der Satzung einzuräumen.164 Erreicht wurde die erhebliche Verkürzung nicht zuletzt durch eine Beschränkung der Rechtsaufsicht durch die Stiftungsbehörde nach Maßgabe des Stifterwillens und einen Verzicht auf gesetzliche Melde- oder Anzeigepflichten. Anders als in den meisten Landesstiftungsgesetzen findet sich im RhPfStiftG ein Verweis auf die für die Anerkennung maßgeblichen Vorschriften des BGB lediglich bei der Zuständigkeitsregelung (§ 6 RhPfStiftG), eine eigene Regelung zur Anerkennung gibt es entsprechend den Vorschlägen zu einem Modellentwurf165 nicht. Alle übrigen durch die Bundesreform obsolet gewordenen Vorschriften sind weggefallen. Wie alle anderen neuen Stiftungsgesetze regelt das RhPfStiftG die Füh- 2.91 rung eines Stiftungsverzeichnisses, in das Name, Zweck, vertretungsberechtigte Organe, Jahr der Errichtung, Sitz und Anschrift der Stiftung einzutragen sind und in das jedermann die Einsicht gestattet wird – wie bisher ohne Vermutung der Richtigkeit der Eintragungen. Es soll auch in elektronischer Form zugänglich gemacht werden (§ 5 Abs. 1 bis 5 RhPfStiftG).

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161 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.5.2004, Drucks. 14/3129, 13; zum Gesetzgebungsprozess und den verschiedenen Anhörungen s. auch Mecking, RhPfStiftG, Einf. 28–30. 162 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.5.2004, Drucks. 14/3129, 13. 163 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. 164 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.5.2004, Drucks. 14/3129, 21. 165 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021. Weitemeyer/Franzius | 75

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

3. Überblick über das geltende Recht 2.92 Der Geltungsbereich des Gesetzes erstreckt sich auf alle rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen und öffentlichen Rechts mit Sitz in RheinlandPfalz (§§ 2, 3 RhPfStiftG). Zuständige Behörde und zugleich Stiftungsund damit Aufsichtsbehörde ist die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion. Oberste Stiftungsbehörde ist das für Stiftungsangelegenheiten zuständige Ministerium (§§ 6 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2 RhPfStiftG). Die Verwaltung der Stiftung soll der Erfüllung des Stifterwillens und des Stiftungszwecks dienen. Das Stiftungsvermögen ist möglichst ungeschmälert zu erhalten, mit der üblichen Ausnahme, dass in der Satzung etwas anderes bestimmt ist oder der Stifterwille auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann. Das Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten. Umschichtungen sind zulässig. Erträge sind zur Verwirklichung des Stiftungszwecks und zur Deckung der Verwaltungskosten zu verwenden (§ 7 Abs. 1 bis 3 RhPfStiftG). 2.93 Die Stiftungsaufsicht durch die Stiftungsbehörde hat die Förderung der Entschlusskraft und Eigenverantwortlichkeit der Organe sicherzustellen. Stiftungen, die rein private Zwecke verfolgen, unterliegen nur einer eingeschränkten Aufsicht (§ 9 Abs. 1 RhPfStiftG). Die Aufsichtsbehörde verfügt über die üblichen Unterrichtungs-, Beanstandungs- und Anordnungsrechte (§ 9 Abs. 3 und 4 RhpfStiftG). Sie kann Organmitglieder bei groben Pflichtverletzungen abberufen oder bestellen (§ 9 Abs. 5 und 6 RhPfStiftG). Die Organe der Stiftung dürfen eine Satzungsänderung und bei wesentlich veränderten Verhältnissen eine Änderung des Stiftungszwecks, die Aufhebung der Stiftung oder die Zusammenlegung nach Anhörung des Stifters beschließen. Die Beschlüsse bedürfen der Anerkennung der Behörde (§ 8 Abs. 1 bis 3 RhPfStiftG). Die Stiftung hat innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks zu erstellen und der Stiftungsbehörde innerhalb von neun Monaten vorzulegen. Die Prüfung kann auf Antrag für mehrere Jahre zusammengefasst werden. Bei einer externen Prüfung durch Wirtschaftsprüfer, eine Behörde o. Ä. bedarf es keiner nochmaligen Prüfung durch die Behörde (§§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 2 RhPfStiftG).

XII. Saarland166 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.94 Mit 151 Stiftungen, davon zwölf Neugründungen im Jahre 2010, bildet das Saarland – was die Zahlen anbelangt – zusammen mit Mecklenburg___________________

166 Saarländisches Stiftungsgesetz v. 11.7.1984 (ABl. 899), geändert durch Gesetz von 26.1.1994 (ABl. 509), in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.8.2004 (ABl. 1825), zuletzt geändert durch Gesetz v. 15.2.2006 (ABl. 474). Materialien: Gesetzentwurf der Landesregierung v. 3.3.2004, Drucks. 12/1086. 76 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Vorpommern das Schlusslicht in der deutschen Stiftungslandschaft. Hinsichtlich der Stiftungsdichte – gemessen an der Einwohnerzahl – liegt das Saarland ebenso eher im unteren Bereich der Skala.167 Auch wenn man berücksichtigt, dass das Saarland das kleinste Flächenland der Bundesrepublik ist: Stiftungen führten im Saarland lange Zeit ein Schattendasein, auf eine ausgeprägte Stiftungstradition wie andere westdeutsche Bundesländer kann das Land nicht zurückblicken. Die Gründe hierfür sind zum einen in der Historie begründet. Erst der Versailler Friedensvertrag von 1919 hat das Saargebiet künstlich geschaffen, vorher gab es keine politische oder geschichtliche Einheit. Nach Ende des zweiten Weltkrieges strebte Frankreich zunächst eine feste Einbindung des Saargebiets in seinen Machtbereich an und wählte schließlich die Form der Wirtschafts- und Währungsunion. Erst eine Volksabstimmung im Jahre 1955 eröffnete den Weg der Eingliederung des Saarlandes als eigenständiges Bundesland in die Bundesrepublik. Die lange bestehende Unsicherheit der staatsrechtlichen Verhältnisse hat den Stiftungsgedanken nicht sonderlich gefördert: Über lange Zeit fand der Geldtransfer vor allem aus dem Saarland heraus statt – im Land selbst fehlte somit entsprechendes Vermögenspotential zur Gründung von Stiftungen.168 Bis zur Verabschiedung des Saarländischen Stiftungsgesetzes (SaarlStiftG) 2.95 im Jahre 1984169 war zudem die rechtliche Grundlage unübersichtlich. Nebeneinander kamen bayerisches, oldenburgisches und preußisches Stiftungsrecht zur Anwendung, je nachdem, in welchem Teil des Landes eine Stiftung errichtet werden sollte. Die Regelungen waren unvollständig und inhaltlich sehr unterschiedlich und erschwerten es potentiellen Stiftern im Einzelfall, die zuständige Behörde zu finden. Auf der anderen Seite hat sich die Region des heutigen Saarlandes schon früh als ein einseitig ausgerichtetes Montangebiet herausgebildet, wodurch eine spezifische Bevölkerungsstruktur mit verhältnismäßig wenigen vermögenden Besitzbürgern entstand. Mit dem Erlass des Stiftungsgesetzes von 1984 beendete der Gesetzgeber die beschriebene Rechtszersplitterung und Unsicherheit und versuchte zudem, die neuen rechts- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu berücksichtigen.170

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167 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 168 Klein, Stiftungsrecht und Stiftungswesen im Saarland, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 343, 347. 169 Saarländisches Stiftungsgesetz v. 11.7.1984 (ABl. 899). 170 Klein, Stiftungsrecht und Stiftungswesen im Saarland, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 343, 346 f. Weitemeyer/Franzius | 77

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2. Rechtsentwicklung a) SaarlStiftG vor 2002 2.96 Mit dem neuen Stiftungsgesetz aus dem Jahre 1984 verfolgte der saarländische Gesetzgeber die Grundidee, ein bewusst liberales Stiftungsrecht zu schaffen, das Stiftern und Stiftungen möglichst weite Freiräume eröffnen und staatliche Einwirkungs- und Aufsichtsmöglichkeiten auf ein Mindestmaß beschränken sollte. Als relativ späte Kodifikation im Stiftungsrecht konnte dabei auf die Erfahrungen anderer Bundesländer zurück gegriffen werden. Das 24 Paragraphen umfassende Gesetz galt nur für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Es galt – bis auf eine redaktionelle Änderung im Jahre 1994171 – bis zur Reform im Jahre 2004 unverändert fort. Zuständige Behörde für die Genehmigung und Aufsicht war schon damals der Minister für Inneres. Nach § 3 Abs. 2 SaarlStiftG a. F. setzte die Genehmigung einer Stiftung die Sicherung einer ausreichenden Vermögensausstattung voraus. 2.97 Während auf eine eigenständige Formulierung der Achtung des Stifterwillens verzichtet wurde, bot das Gesetz den Organen der Stiftung vergleichsweise große Freiräume. Diese liberale Ausgestaltung zeigte sich zunächst in der Regelung über das Stiftungsvermögen (§ 6 SaarlStiftG a. F.). Sie bot ein hohes Maß an Flexibilität bei Verwaltung und Einsatz des Stiftungsvermögens sowie seiner Erträge und erlaubte es den Stiftungsorganen, notwendige Rücklagen zu bilden. Oberstes Ziel war der Erhalt und die (finanzielle) Sicherung einer Stiftung. Dabei war die staatliche Kontrolle weitgehend zurückgedrängt. Dies spiegelte sich auch bei den Vorschriften zu Veränderungen bei Stiftungen wider (§§ 7 und 8 SaarlStiftG a. F.): Vor dem Eingreifen staatlicher Organe wurde der Stiftung selbst die Möglichkeit gegeben, die Initiative zur Anpassung der Stiftung an die veränderten Verhältnisse zu ergreifen. Die Stiftungsaufsicht sollte die Entschlusskraft und Verantwortungsfreudigkeit der Organe nicht beeinträchtigen (§ 10 Abs. 2 SaarlStiftG a. F.) und fachgerechte Zusammenarbeit und Beratung gewährleisten. Das Gesetz sah bereits die Führung eines Stiftungsverzeichnisses vor, in das aber nur bei berechtigtem Interesse Einsicht genommen werden konnte. Zudem hatten Stiftungen ihre Errichtung, ihr Erlöschen, die Änderung von Name und Zweck, Sitzverlegung oder Zusammenlegungen im Amtsblatt bekannt zu machen (§ 17 SaarlStiftG a. F.).172

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171 Das vierte Rechtsbereinigungsgesetz v. 26.1.1994 (ABl. 509) setzte lediglich die Aufhebungsvorschrift des § 23 SaarlStiftG a. F., die früheres preußisches, bayerisches und oldenburgisches Recht betraf, außer Kraft. 172 Klein, Stiftungsrecht und Stiftungswesen im Saarland, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 434, 435–437; Baus, Saarland, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 339, 343. 78 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das SaarlStiftG von 2004 Mit Gesetz vom 9.8.2004 wurde das saarländische Stiftungsgesetz erst- 2.98 mals nach 20 Jahren geändert. Das Gesetz wurde zunächst inhaltlich und terminologisch an die Neuregelung der §§ 80 ff. BGB nach der Bundesreform von 2002 angepasst: Die Vorschrift über die Genehmigungsvoraussetzungen wurde aufgehoben und durch den Hinweis auf die Anerkennung nach § 80 Abs. 1 BGB ersetzt (§ 3 SaarlStiftG). Gestrichen wurden auch die Anforderungen an den Satzungsinhalt (§ 4 SaarlStiftG a. F.). Berücksichtigt wurden die Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe bezüglich des Stiftungsregisters: Es enthält nun Angaben über Name, Sitz, Zweck und Anschrift der Stiftung. Die Einsichtnahme hängt nicht mehr von dem Glaubhaftmachen eines berechtigten Interesses ab, sondern ist wie in allen novellierten Stiftungsgesetzen der Länder jedem zu gestatten. Die Eintragungen begründen nicht die Vermutung der Richtigkeit (§§ 18 Abs. 1 und 2 SaarlStiftG). Errichtung, Erlöschen, Änderung des Namens oder des Zwecks, Sitzverlegung und Zusammenlegung werden im Amtsblatt bekannt gemacht (§ 17 SaarlStiftG). Das neue Gesetz berücksichtigt zudem die Empfehlungen der Deregu- 2.99 lierungskommission im Saarland und Erfahrungswerte aus der Verwaltungspraxis. In diesem Sinne wurde die Aufsicht über nicht gemeinnützige Stiftungen eingeschränkt und auf die Überwachung der Handlungsfähigkeit der Organe und der durch das BGB vorgegebenen Maßnahmen beschränkt (§ 10 Abs. 3 SaarlStiftG). In die Vorschriften zur Rechnungslegung wurde die Vorgabe eingefügt, dass ein externer Prüfbericht Aussagen über den Erhalt des Stiftungsvermögens und die zweckentsprechende Mittelverwendung zu treffen hat, und die Pflicht zur nochmaligen Prüfung durch die Behörde aufgehoben (§ 11 Abs. 3 SaarlStiftG). Schließlich wurde die Sprache geschlechtergerecht umformuliert.173 3. Überblick über das geltende Recht Das saarländische Stiftungsgesetz gilt für rechtsfähige Stiftungen 2.100 bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz im Saarland haben (§ 1 SaarlStiftG). Stiftungs- und Aufsichtsbehörde ist nach der letzten Aktualisierung vom 15.2.2006174 das Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport (§§ 2, 10 SaarlStiftG). Die Stiftungsorgane sind zur ordnungs-

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173 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 3.3.2004, Drucks. 12/1086, 1 f., 9. 174 Gesetz Nr. 1587 zur organisationsrechtlichen Anpassung und Bereinigung von Landesgesetzen v. 15.2.2006 (ABl. 474), Nr. 45. Weitemeyer/Franzius | 79

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

gemäßen und wirtschaftlichen Verwaltung der Stiftung verpflichtet und haben gemäß dem Stifterwillen für die Erfüllung des Stiftungszwecks zu sorgen (§ 5 SaarlStiftG). Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand zu erhalten, mit der üblichen Ausnahme, dass der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen ist und der Bestand der Stiftung für eine angemessene Zeit gewährleistet ist. Das Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten. Erträge und Zuwendungen sind ausschließlich für den Stiftungszweck und zur Deckung der Verwaltungskosten sowie zur Bildung angemessener Rücklagen zu verwenden (§ 6 Abs. 1 und 2 SaarlStiftG). 2.101 Die Stiftungsaufsicht durch die Stiftungsbehörde soll so gehandhabt werden, dass die Entschlusskraft und Verantwortungsfreudigkeit der Organe nicht beeinträchtigt wird. Dabei ist die Aufsicht über Stiftungen, die rein private Zwecke verfolgen, etwa bei Familienstiftungen, eingeschränkt (§ 10 Abs. 2 und 3 SaarlStiftG). Die Behörde verfügt über die üblichen aufsichtsrechtlichen Instrumentarien wie Unterrichtungsrechte (§ 11 Abs. 1 SaarlStiftG) sowie über Beanstandungs- und Aufhebungsrechte bezüglich rechtswidriger Maßnahmen der Organe, die sie im Wege der Ersatzvornahme durchführen lassen kann (§§ 12, 13 SaarlStiftG). Sie kann Organmitglieder bestellen oder abberufen und zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Stiftung Beauftragte bestellen (§§ 14, 15, 16 SaarlStiftG). Den Stiftungszweck verändernde Satzungsänderungen, Zusammenschlüsse oder Aufhebungen sind – wie üblich – bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zulässig und werden durch das zuständige Stiftungsorgan vorgenommen. Diese Maßnahmen bedürfen der Genehmigung der Stiftungsbehörde. Stifter können sich in der Satzung das Recht vorbehalten, zu Lebzeiten die genannten Maßnahmen von ihrer Zustimmung abhängig zu machen (§ 7 Abs. 1 bis 3 SaarlStiftG). 2.102 Die Rechnungslegung mit Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks muss innerhalb von sechs Monaten nach Ende eines Geschäftsjahres erfolgen. Darin sind insbesondere die Höhe des Stiftungsvermögens und der Zustiftungen sowie die Höhe und Verwendung der Erträge und der Zuwendungen zur Zweckverwirklichung auszuweisen. Die Behörde kann die Zeitabstände verlängern. Bei Vorlage eines externen Prüfberichts, dessen Ergebnis sich auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsmäßige Verwendung der Mittel beziehen muss, kann die Behörde von einer eigenen Prüfung absehen (§ 11 Abs. 2 bis 3 SaarlStiftG).

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B. Stiftungsrecht in den Ländern

XIII. Sachsen175 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten Mit 392 Stiftungen, davon 24 Neugründungen im Jahr 2010, steht Sach- 2.103 sen an der Spitze der neuen Bundesländer, insbesondere, was die Errichtungsdichte pro Einwohner betrifft.176 Die Zahlen zeugen von der seit der Wiedervereinigung zu beobachtenden Stiftungsrenaissance in Sachsen. Dabei war die Ausgangslage nach dem Ende des DDR-Regimes in Sachsen – wie in den übrigen neuen Ländern auch – für die Stiftungen alles andere als einfach: Von schätzungsweise weit über 2 000 Stiftungen zur Zeit der Gründung der DDR haben kaum mehr als 60 Stiftungen ihre Selbstständigkeit bewahren können. Grund hierfür waren vor allem die Zusammenlegungsgesetze von 1948/49, die die gewachsene Stiftungslandschaft in Sachsen regelrecht einebneten. So wurden allein 1 200 von der Landesregierung beaufsichtigte und verwaltete Stiftungen zu fünf großen Sammelstiftungen zusammengefasst. Auf Gemeindeund Kreisebene wurden in vergleichbarem Umfang zahllose Stiftungen in örtliche Sammelstiftungen überführt – allein in Dresden und Leipzig etwa 400. Die Gründe hierfür dürften vor allem ideologischer Natur gewesen sein. Auch wenn die SED das Bedürfnis nach Verwaltungsvereinfachung vorschob, stellten sich viele Stiftungen als unvereinbar mit den „antifaschistischen Zweckbestimmungen“ der Parteipolitik dar.177 Zum anderen gab es wie in allen Bezirken in der DDR nach der Ablösung des BGB durch das ZGB im Jahre 1975 praktisch keine rechtliche Grundlage für Neugründungen (s. Rz. 2.29). Die Renaissance des Stiftens in Sachsen wurde mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik eingeläutet: Das noch von der Volkskammer der DDR verabschiedete Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen vom 13.9.1990178 galt seit dem 3.10.1990 als Landesrecht fort und bildete die Rechtsgrundlage für Neugründungen.179

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175 Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen v. 7.8.2007 (GVBl. 386), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes v. 29.1.2008 (GVBl. 138, 159). Materialien: Gesetzentwurf der Staatsregierung v. 7.6.2006, Drucks. 4/5508. 176 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 177 S. zu dem Zusammenlegungsprozess und den Motiven ausführlich Sollondz, Die Einebnung der Sächsischen Stiftungslandschaft durch die Zusammenlegungsgesetze 1948/49, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 347–365. 178 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz (StiftGDDR) v. 13.9.1990, GBl. DDR I, Nr. 61, m1483. 179 Sollondz, Sachsen, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 367, 368 f. Weitemeyer/Franzius | 81

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2. Rechtsentwicklung a) DDRStiftG 2.104 Der im Bundesjustizministerium erarbeitete und durch den Ministerrat in die Volkskammer eingebrachte Gesetzesentwurf für das DDRStiftG180 war als in sich geschlossenes Gesetz konzipiert, das ohne Rückgriff auf das bundesdeutsche BGB vollzugsfähig war. Dies erklärt die zahlreichen Wiederholungen von BGB-Vorschriften. Nach Unterzeichnung des Einigungsvertrages galt es insoweit fort, als es „bundesrechtlich nicht geregelte Gegenstände betrifft“ (zum DDRStiftG s. ausführlicher Rz. 2.30 f.). Die verbleibenden, auf ein Mindestmaß beschränkten Regelungen haben sich zwar grundsätzlich bewährt und beim Wiederaufbau der sächsischen Stiftungslandschaft geholfen. Bald zeigte sich jedoch Handlungsbedarf an verschiedenen Stellen, um der spezifischen Situation in Sachsen gerecht zu werden.181 b) Anpassung im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das SächsStiftG von 2007 2.105 Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen vom 7.8.2007182 (SächsStiftG) schuf der sächsische Gesetzgeber eine eigenständige Rechtsgrundlage für Sachsen und berücksichtigte die Rechtsänderungen auf Ebene der Bundesgesetzgebung aus dem Jahre 2002. Das 16 Paragraphen umfassende Gesetz gehört im Vergleich zu den strafferen Regelungen. Als obersten Auslegungsgrundsatz betont das Gesetz den erkennbaren oder mutmaßlichen Willen des Stifters (§ 2 SächsStiftG). Es verzichtet nach dem Vorschlag eines Modellgesetzes von Hüttemann und Rawert183 auf einen Hinweis auf die Anerkennungsvoraussetzungen nach den Vorschriften des BGB, konzentriert die Zuständigkeit, Anerkennung und Aufsicht über alle Arten von Stiftungen bei den Regierungspräsidien (§ 3 SächsStiftG) und normiert in nur zwei Paragraphen die Stiftungsaufsicht (§§ 6, 7 SächsStiftG). Historisch bedingt fallen dagegen die Regelungen zur Aufhebung und Zusammenlegung von Stiftungen relativ detailliert aus (§§ 9, 10 SächsStiftG), derartige Beschlüsse bedürfen der Genehmigung durch die Stiftungsbehörde.184 Wie auch in den übrigen Ländern ist nun ein Stiftungsverzeichnis vorgesehen, in das Name, Rechtsform, Sitz, Anschrift, Stiftungszweck, Vertretungsberechtigung, Zusammensetzung der Organe und Tag der ___________________

180 Drucks. 10/226 v. 5.9.1990; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, Drucks. 10/226a. 181 S. ausführlich hierzu Sollondz, Sachsen, Deutsches Stiftungswesen 1988– 1998, 367, 370 ff. 182 Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen v. 7.8.2007 (GVBl. 386). 183 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021. 184 Gesetzentwurf der Staatsregierung v. 7.6.2006, Drucks. 4/5508. 82 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Anerkennung der Stiftung einzutragen sind. Die Einsicht ist jedem gestattet, die Einsichtnahme in Eintragungen über die Zusammensetzung der Organe wird jedoch nur bei Zustimmung des Organs oder seines Mitglieds gewährt. Die Eintragungen begründen nicht die Vermutung ihrer Richtigkeit (§ 8 Abs. 1 bis 3 SächsStiftG).185 3. Überblick über das geltende Recht Das sächsische Stiftungsgesetz gilt für alle rechtsfähigen Stiftungen des 2.106 Privatrechts und des öffentlichen Rechts einschließlich der kommunalen und kirchlichen Stiftungen, die ihren Sitz im Freistaat Sachsen haben (§ 1 SächsStiftG). Stiftungsbehörden und zugleich Aufsichtsbehörden sind die Landesdirektionen, in deren Bezirk die Stiftung ihren Sitz hat. Oberste Stiftungsbehörde ist das Staatsministerium des Inneren (§ 3 Abs. 1 bis 4 SächsStiftG). Das SächsStiftG schreibt – wie üblich – vor, die Stiftung zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks sparsam und wirtschaftlich zu verwalten. Das Stiftungsvermögen ist wertmäßig in seinem Bestand zu erhalten, es sei denn, die Satzung oder die Stiftungsbehörde lassen eine Ausnahme zu und der Stiftungszweck ist nicht anders zu verwirklichen. Das Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten (§ 4 Abs. 1 und 3 SächsStiftG). Es bestehen keine Genehmigungsvorbehalte für Rechtsgeschäfte, die den Stiftungszweck oder das -vermögen potentiell gefährden. Die Maßnahmen der Stiftungsaufsicht durch die Landesdirektionen be- 2.107 schränken sich auf das Recht zur Unterrichtung über Angelegenheiten der Stiftung sowie das Recht zur Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse oder Maßnahmen und das Recht zur Anordnung von deren Aufhebung. Diese Maßnahmen kann die Behörde im Wege der Ersatzvornahme vornehmen oder vornehmen lassen. Die Stiftungsbehörde kann ferner Organmitglieder abberufen oder andere an deren Stelle berufen oder bestellen (§ 7 Abs. 1 bis 6 SächsStiftG). Satzungsänderungen, Aufhebung oder Zusammenlegung von Stiftungen sowie Sitzverlegungen in oder aus Sachsen heraus bedürfen der Genehmigung der Behörde (§§ 9 Abs. 1 bis 4, 10 SächsStiftG). Der Stiftungsvorstand ist verpflichtet, der Behörde innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres einen Nachweis über die Erfüllung des Stiftungszwecks, die wertmäßige Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsmäßige Verwendung der Stiftungsmittel vorzulegen – entweder durch einen Rechnungsabschluss oder durch den Bericht eines externen Prüfers. Die Behörde kann letzteren im Einzelfall verlangen sowie auf Antrag einen größeren Zeitabstand zwischen den Prüfungen zulassen (§ 6 Abs. 1 bis 3 SächsStiftG). ___________________

185 Zusammenfassend zu den Regelungen Fieseler, LKV 2008, 114 ff. Weitemeyer/Franzius | 83

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

XIV. Sachsen-Anhalt186 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.108 Mit der Neuregelung seines Stiftungsrechts vom 20. Januar 2011 hat Sachsen-Anhalt als letztes der neuen Bundesländer die Vorgaben der Reform auf Bundesebene aus dem Jahre 2002 umgesetzt. Damit haben alle Bundesländer ihre Stiftungsgesetze an die Vorgaben des Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts vom 1.9.2002187 angepasst. Wie in den übrigen neuen Ländern war auch in Sachsen-Anhalt die Lage für Stiftungen während der Zeit der SED-Diktatur alles andere als förderlich. Stiftungen passten nicht in das Bild der DDR-Gesellschaft, denn ein vom Staat unabhängiges Engagement der Bürger wurde nicht gewünscht. Zudem fehlten gesetzliche Grundlagen: Nach der Ablösung des BGB durch das ZGB im Jahre 1975 gab es praktisch keine Rechtsgrundlage für Neustiftungen. Diese wurde erst mit dem DDRStiftG im Jahre 1990188 geschaffen (s. Rz. 2.30 f.). 2.109 Letztlich ausschlaggebend für das Stiftungssterben in der DDR war die parteipolitische Linie, nach der Stiftungen in der DDR systematisch aufgelöst oder nach ideologischen Zwecken zusammengelegt wurden. Von diesem Schicksal blieb auch Sachsen-Anhalt nicht verschont. Von schätzungsweise rund 2 000 Stiftungen haben nur sehr wenige, vor allem kirchliche Stiftungen, bis zum Jahr 1990 überlebt. Allein dem Regierungspräsidium Dessau sind etwa 280 Stiftungen bekannt, die nach 1945 noch bestanden und ihren Sitz im heutigen Regierungsbezirk Dessau hatten.189 Von diesen Stiftungen konnten bis 1998 etwa 19 wieder ermittelt werden. Es wird vermutet, dass mindestens 160 dieser Stiftungen unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg aufgelöst wurden.190 Bis heute ist die Anzahl der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts in Sachsen-Anhalt insgesamt auf 236 angestiegen. Die meisten davon wurden seit 1990 neu gegründet, immerhin 90 sind revitalisierte Altstiftungen.191 ___________________

186 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen in der Fassung der Bekanntmachung v. 1.1.1997 (GVBl. 144), geändert durch das Stiftungsgesetz Sachsen-Anhalt v. 20.1.2011 (GVBl. 14). Materialien: Gesetzentwurf der Landesregierung v. 9.6.2010, Drucks. 5/2651; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres v. 30.11.2010, Drucks. 5/2977. 187 BGBl. I 2002, 2634. 188 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz (StiftGDDR) v. 13.9.1990, GBl. DDR I, Nr. 61, 1483. 189 Zur Stiftungspolitik im Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt nach 1945 s. Miehe, ZSt 2009, 51 ff. 190 Kleinwächter/Krause, Sachsen-Anhalt, Deutsches Stiftungswesen 1988– 1998, 383, 388 ff. 191 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011; Pressemitteilung des Ministerium des Inneren Nr. 075/10 v. 18. Juni 2010. 84 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

2. Rechtsentwicklung a) SachsAnhStiftG vor 2002 Wie auch in den übrigen neuen Ländern galt in Sachsen-Anhalt bis zur 2.110 Wiedervereinigung zunächst das am 13.9.1990 von der Volkskammer verabschiedete DDRStiftG. Nach der Wiedervereinigung am 3.10.1990 wurde es nach Artikel 9 des Einigungsvertrages unmittelbar geltendes Landesrecht (s. dazu im Einzelnen Rz. 2.29 f.). Durch das Rechtsbereinigungsgesetz vom 26.6.1996192 wurde das DDRStiftG für Sachsen-Anhalt geändert und am 2.1.1997 in neuer Fassung bekannt gemacht.193 Dabei wurde das DDRStiftG übernommen und angepasst: es entfielen alle Regelungen, die die Vorschriften des BGB wiederholten und vor der Wiedervereinigung auf dem Gebiet der DDR nicht galten (§§ 4 bis 9, 11 DDRStiftG). Die insofern bereinigte Fassung galt bis zur Neufassung im Jahre 2011 als Stiftungsgesetz von Sachsen-Anhalt (SachsAnhStiftG a. F.) fort.194 b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das SachsAnhStiftG v. 20.1.2011 Während das SachsAnhStiftG a. F. im Wesentlichen auf dem DDRStiftG 2.111 basierte und dieses teilweise wörtlich wiedergab, wurde Anfang des Jahres 2011 die Chance einer umfassenden Neuregelung aus einem Guss genutzt. Die Tatsache, dass das Land Sachsen-Anhalt das Schlusslicht bei der Neuregelung der Stiftungsgesetze der Länder darstellte, machte sich der Gesetzgeber zugute und nutzte die Gelegenheit zu einer Auswertung aller Landesstiftungsgesetze, um so für jedes Einzelproblem die optimale Regelung zu finden. Die dem Entwurf vom 9.6.2010195 vorausgegangene Anhörung verschiedener Stellen zeigte überwiegend Zustimmung.196 Einzelne Kritikpunkte, wie zum Beispiel die Forderung der Verbände von Buch- und Wirtschaftsprüfern nach der Aufnahme in die Aufzählung geeigneter Stellen für die Prüfung der Stiftung in § 7 Abs. 6 SachsAnhStiftG-E197, wurden in die Neufassung aufgenommen. ___________________

192 Rechtsbereinigungsgesetz v. 26.6.1996 (GVBl. 210). 193 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen in der Fassung der Bekanntmachung v. 1.1.1997 (GVBl. 144). 194 S. hierzu umfassend Kleinwächter/Krause, Sachsen-Anhalt, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 383, 384 f. 195 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 9.6.2010, Drucks. 5/2651. 196 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 9.6.2010, Drucks. 5/2651, 18, 21 f. 197 Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zum Entwurf eines Stiftungsgesetzes Sachsen-Anhalt v. 20.5.2010, StiftungsPosition V-2010; Stellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer zum Entwurf eines Stiftungsgesetzes Sachsen-Anhalt v. 28.5.2010; Stellungnahme des Deutschen Buchprüferverbandes e.V. zum Entwurf eines Stiftungsgesetzes Sachsen-Anhalt v. 25.5.2010. Weitemeyer/Franzius | 85

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

Das neue SachsAnhStiftG basiert im Wesentlichen auf dem Entwurf vom 9.6.2010. Die Änderungen nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres vom 30.11.2010198 sind vorrangig formeller Natur – wenn auch die Umformulierung der Entwurfsfassung von „Aufgaben der Stiftung“ (§ 7 SachsAnhStiftG-E) in „Pflichten der Stiftung“ auf der einen Seite und von „Aufgaben der Behörde“ (§ 10 SachsAnhStiftG-E) in „Befugnisse der Behörde“ auf der anderen Seite das im Entwurf vorherrschende Bild von einem Verhandeln auf Augenhöhe in ein etwas anderes Licht rückt. 2.112 Das neue Gesetz stellt die Beachtung des Stifterwillens als vorrangigen Zweck in das Zentrum (§§ 1, 10 SachsAnhStiftG). Die Stiftungsorgane werden in der Wahrnehmung ihrer Hauptfunktionen, der Umsetzung des Stifterwillens und dem Erhalt des Stiftungsvermögens, gestärkt.199 Die Stiftungsbehörde erfasst alle rechtsfähigen Stiftungen in einem elektronischen Stiftungsverzeichnis, das für jedermann im Internet einsehbar ist. Eine Besonderheit des Gesetzes ist, dass einzig und allein das elektronische Verzeichnis zur Information über Stiftungen dient. Es findet keine Bekanntmachung im Amtsblatt statt. Hervorzuheben ist ferner, dass auch privatnützige Stiftungen in das Verzeichnis aufzunehmen sind. Nur auf Antrag werden kirchliche und Stiftungen öffentlichen Rechts eingetragen (§ 5 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 3 Abs. 5 SachsAnhStiftG). Das elektronische Verzeichnis enthält Name und Sitz der Stiftung, die Anschrift der Geschäftsstelle, das vertretungsberechtigte Organ, Zweck und Rechtsnatur der Stiftung sowie den Zeitpunkt ihres Entstehens. Eintragungen begründen nicht die Vermutung der Richtigkeit. Auf Antrag stellt die Behörde eine Vertretungsbescheinigung aus (§ 5 Abs. 1 bis 6 SachsAnhStiftG). 2.113 Wichtiger Eckpunkt200 der Neufassung ist eine Regelung über Altstiftungen: Das Gesetz soll deren Revitalisierung erleichtern und ermächtigt die Stiftungsbehörde, Maßnahmen zur Wiederbelebung inaktiver Altstiftungen zu ergreifen, welche Nachforschungen, die Möglichkeit der Bestellung eines Vorstands oder Zusammenlegungen umfassen können (§§ 15, 16 SachsAnhStiftG). Das Gesetz betont die sprachliche Gleichstellung von Personen- und Funktionsbezeichnungen in männlicher und weiblicher Form (§ 18 SachsAnhStiftG). 3. Überblick über das geltende Recht 2.114 Das SachsAnhStiftG gilt für alle rechtsfähigen Stiftungen des privaten und öffentlichen Rechts (§ 2 SachsAnhStiftG), die ihren Sitz in Sachsen___________________

198 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres v. 30.11.2010, Drucks. 5/2977. 199 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 9.6.2010, Drucks. 5/2651, 3. 200 Pressemitteilung des Ministeriums des Inneren Nr. 075/10 v. 18.6.2010. 86 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

Anhalt haben, und schließt damit an die Systematik der süddeutschen Stiftungsgesetze an (s. Rz. 2.8, 2.16, 2.56, 2.92, 2.106, 2.128, zusammenfassend 2.133). Stiftungs- und zugleich Aufsichtsbehörde für Stiftungen des Privatrechts ist das Landesverwaltungsamt, das wiederum der Fachaufsicht des zuständigen Ministeriums untersteht (§§ 4 Abs. 1 und 3 SachsAnhStiftG).201 Das SachsAnhStiftG definiert als Pflichten der Stiftung, das Grundstockvermögen in seinem Bestand zu erhalten, es sei denn, dass der Stiftungszweck nicht anders erfüllt werden kann. In den Gesetzesmaterialien findet sich hierzu die Aussage, der Bestand des Stiftungsvermögens sei nach seinem Verkehrswert zu bewerten202, was einer Pflicht zur realen Kapitalerhaltung gleich käme und damit ein Novum im Landesstiftungsrecht wäre. Das Grundstockvermögen ist vom übrigen Vermögen getrennt zu halten, Bestand und Veränderungen sind gesondert nachzuweisen. Erträge des Grundstockvermögens und Zuwendungen Dritter, die nicht ausdrücklich zur Erhöhung des Grundstockvermögens beitragen, sind zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu verwenden (§ 7 Abs. 2 und 3 SachsAnhStiftG). Die Stiftungsaufsicht durch das Landesverwaltungsamt beschränkt sich 2.115 darauf, zu überprüfen, ob der Stiftungszweck entsprechend dem Stifterwillen erfüllt wird und das Grundstockvermögen erhalten bleibt (§ 10 Abs. 1 und 3 SachsAnhStiftG). Der Aufsichtsbehörde stehen im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht die üblichen Unterrichtungs- und Informationsrechte zu. Die Behörde verfügt über Beanstandungs- und Anordnungsrechte, die sie auch zwangsweise durchsetzen kann. Sie kann Mitgliedern von Organen bei grober Pflichtverletzung ihre Tätigkeit untersagen, deren Abberufung oder Berufung verlangen oder nach Fristsetzung selbst berufen. (§ 10 Abs. 4 bis 8 SachsAnhStiftG). Die Stiftung kann, soweit die Satzung dies vorsieht oder sich die Verhältnisse seit Errichtung wesentlich geändert haben, ihre Satzung ändern, die Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung oder die Zulegung zu einer anderen Stiftung beschließen, wenn der Stiftungszweck dadurch nicht wesentlich verändert wird und der Stifterwille nicht entgegensteht. Vor einer solchen Entscheidung soll nach Möglichkeit der Stifter gehört werden. Die genannten Maßnahmen bedürfen der Genehmigung der Stiftungsbehörde (§ 9 Abs. 1 bis 3 SachsAnhStiftG). ___________________

201 Damit wurde die seit 2004 bestehende Zuständigkeitskonzentration beibehalten (MBl. LSA Nr. 44/2003). Für sämtliche Rechtsfragen ist das spezialisierte Referat im Landesverwaltungsamt zuständig. Bis 1993 lag die Zuständigkeit gem. § 3 Abs. 1 SachsAnhStiftG a. F. i. V. m. dem Beschluss der Landesregierung von Sachsen-Anhalt über die Zuständigkeiten nach dem Stiftungsgesetz v. 13.8.1991 (MBl. LSA 410) bei den Bezirksregierungen und bis Ende 2003 bei den Regierungspräsidenten. 202 Entwurf eines Stiftungsgesetzes Sachsen-Anhalt (StiftG LSA) v. 9.6.2010, Drucks. 5/2651, 36. Weitemeyer/Franzius | 87

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2.116 Innerhalb von 12 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres hat die Stiftung der Behörde einen Rechnungsabschluss, bestehend aus einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks und einer Jahresrechnung mit Vermögensübersicht, zu übergeben. Anstelle der Jahresrechnung kann auch der Prüfungsbericht einer geeigneten Stelle überreicht werden, der sich auch auf die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel und den Erhalt des Grundstockvermögens beziehen muss (§ 7 Abs. 5 und 6 SachsAnhStiftG). Die Aufsichtsbehörde kann die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel und den Erhalt des Vermögens prüfen oder auf Kosten der Stiftung203 prüfen lassen (§ 10 Abs. 2 und 3 SachsAnhStiftG).

XV. Schleswig-Holstein204 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.117 In Schleswig-Holstein wurden im Jahr 2010 660 Stiftungen gezählt, davon 31 Neugründungen.205 Den regionalen Schwerpunkt bilden traditionsgemäß Stiftungen in der Hansestadt Lübeck. Bis zum In-KraftTreten des Stiftungsgesetzes vom 13.7.1972206 war das Landesstiftungsrecht unübersichtlich und in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich geregelt: für den Bereich der ehemaligen Freien und Hansestadt Lübeck galt das lübsche Stiftungsgesetz von 1926, für die ehemals hamburgischen Gebiete das Gesetz über die Oberaufsicht über milde Stiftungen von 1907 und für die ehemals mecklenburgischen Gebiete die mecklenburgische Verordnung zur Ausführung des BGB von 1899.207 Seit In-Kraft-Treten des Stiftungsgesetzes von 1972 ist die Tendenz, ___________________

203 Die Möglichkeit einer Übertragung der Kosten auf die Stiftung war vom Bundesverband Deutscher Stiftungen kritisiert worden, da den Stiftungen sonst Mittel entzogen werden können, die nicht mehr zur Erfüllung ihrer Stiftungszwecke zur Verfügung stehen, Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zum Entwurf eines Stiftungsgesetzes SachsenAnhalt v. 20.5.2010, StiftungsPosition V-2010, 3. 204 Gesetz über rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (Stiftungsgesetz – StiftG) v. 13.7.1972 (GVOBl. 123), geändert durch Gesetz v. 26.5.1999 (GVOBl. 130) in der Fassung v. 2.3.2000 (GVOBl. 208), geändert durch Gesetz v. 7.10.2003 (GVOBl. 516), Gesetz v. 15.6.2004 (GVOBl. 153) und VO v. 12.10.2005 (GVOBl. 487). Materialien: Gesetzentwurf der Landesregierung v. 17.6.1998, Drucks. 14/1513; Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.8.2003, Drucks. 15/2831; Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechnungsausschusses v. 11.9.2003, Drucks. 15/2897. 205 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 206 Gesetz v. 13.7.1972 (GVOBl. 123). 207 Thorenz, Die Entwicklung des Stiftungswesens in Schleswig-Holstein von 1977–1987, Deutsches Stiftungswesen 1977–1988, 351, 351. 88 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts zu errichten, in SchleswigHolstein deutlich gestiegen.208 2. Rechtsentwicklung a) SchlHolStiftG vor 2002 Ziel des Stiftungsgesetzes vom 13.7.1972 war es, Stiftungsinitiativen 2.118 und Entfaltungsmöglichkeiten der Stiftungen zu fördern, sowie ihre Lebensfähigkeit zu sichern. Mit seinen 32 Paragraphen hatte es für die damalige Zeit eine relativ geringe Regelungsdichte. Es galt für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts und enthielt Sonderregelungen für kommunale, kirchliche und Familienstiftungen (§§ 1, 17, 18, 19 SchlHolStiftG a. F.). Die Zuständigkeit für die Genehmigungen oblag dem Innenminister (§ 3 SchlHolStiftG a. F.), für die Aufsicht waren grundsätzlich die Landräte und Bürgermeister der kreisfreien Städte zuständig. Die Stiftungsaufsicht war relativ stark ausgestaltet, da sie nicht nur eine Kontrolle im Hinblick auf die Einhaltung der Gesetze und der Satzung (Rechtsaufsicht) ausübte, sondern im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion auch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte berücksichtigen durfte. Zudem standen bestimmte Handlungen wie Vermögensumschichtungen und risikobehaftete Rechtsgeschäfte unter einem Genehmigungsvorbehalt der Behörde (§ 9 SchlHolStiftG a. F.). Die Behörde konnte sich jederzeit über Angelegenheiten der Stiftung informieren, ihr standen ferner Beanstandungs- und Anordnungsrechte zu, sie konnte Mitglieder abberufen oder Beauftragte bestellen und die Zusammenlegung oder Aufhebung von Stiftungen veranlassen (§§ 10, 11, 12, 13, 14, 16 SchlHolStiftG a. F.). Bis zum Änderungsgesetz vom 26.5.1999209 galt das Stiftungsgesetz 2.119 ohne wesentliche Änderungen fort. In den Jahren 1989 und 1996 wurden lediglich die Ministeriumsbezeichnungen angepasst. Die erste inhaltliche Änderung im Jahr 1999 wurde notwendig, um private Stiftungsinitiativen stärker zu fördern, die Lebensfähigkeit von Stiftungen besser zu sichern und im Sinne der Deregulierung auch im Stiftungswesen zu einem Abbau staatlicher Hierarchie und staatlichen Verwaltungshandelns zu gelangen.210 So wurde die Aufsicht auf die Landräte der Kreise und Bürgermeister der kreisfreien Städte delegiert (§ 16 Abs. 2 SchlHolStiftG a. F.). Ferner wurde Stiftungen die Möglichkeit gegeben, die Rechnungsprüfung durch externe Prüfer durchführen zu lassen und Jahresrechnungen für mehrere Geschäftsjahre zusammen zu fassen (§ 10 ___________________

208 Söllner-Winkler, Schleswig-Holstein: 1999, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 401, 401. 209 Gesetz v. 26.5.1999 (GVOBl. 130), in der Fassung v. 2.3.2000 (GVOBl. 208). 210 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 17.6.1998, Drucks. 14/1513, Begründung I. Allgemeines. Weitemeyer/Franzius | 89

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

SchlHolStiftG a. F.). Die bisherige Genehmigungspflicht bestimmter Handlungen der Stiftungen wurde in eine Anzeigepflicht umgewandelt (§ 9 SchlHolStiftG a. F.). Schließlich wurde die Rechtsgrundlage für ein bisher nicht existierendes Stiftungsverzeichnis geschaffen, in das Name, Sitz, Zweck, Vermögen, Anschrift, Vertretungsberechtigung und Zusammensetzung der Organe, der Tag der Genehmigungserteilung und des Erlöschens der Stiftung einzutragen sind (§ 15 Abs. 2 und 3 SchlHolStiftG a. F.).211 b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das SchlHolStiftG von 2003 2.120 Mit Gesetz vom 7.10.2003212 hat Schleswig-Holstein das Stiftungsrecht an die bundesgesetzlichen Vorgaben angepasst. Die Änderungen beschränken sich im Wesentlichen auf die notwendigen Anpassungen.213 Neben terminologischen Änderungen im Hinblick auf die Anerkennung der Stiftung (§§ 2, 15, 18 SchlHolStiftG) und der Streichung der Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung betreffenden Vorschriften (§ 4 SchlHolStiftG a. F.) sowie einigen redaktionellen Änderungen wurde eine Regelung über die Ausstellung von Vertretungsbescheinigungen eingefügt (§ 8 SchlHolStiftG) und die Einsichtnahme in das Stiftungsverzeichnis durch die Möglichkeit des elektronischen Zugriffs erleichtert und jeder Person gestattet. Eintragungen begründen nach wie vor nicht die Vermutung der Richtigkeit. (§ 15 Abs. 2 und 3 SchlHolStiftG).214 Änderungen im Jahre 2004 betrafen die rechtsverbindliche Einführung von elektronischer Kommunikation215 und im Jahre 2005 geänderte Ressortbezeichnungen.216 3. Überblick über das geltende Recht 2.121 Dem Gesetzestitel entsprechend ist das SchlHolStiftG nur anwendbar auf rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts (§ 1 SchlHolStiftG). Zuständig für die Anerkennung ist das Innenministerium in Abstimmung mit dem fachlich zuständigen Ministerium (§ 2 SchlHolStiftG). Zuständige Behörden für die Stiftungsaufsicht sind die Landräte und Bürger___________________

211 Zu den Einzelheiten s. auch Söllner-Winkler, Schleswig-Holstein: 1999, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 401, 406–409. 212 Gesetz zur Änderung des Stiftungsgesetzes v. 7.10.2003 (GVOBl. 516). 213 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.8.2003, Drucks. 15/2831, 2, 7 f. 214 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 12.8.2003, Drucks. 15/2831, 10. 215 Gesetz zur Förderung der rechtsverbindlichen elektronischen Kommunikation im Verwaltungsverfahren v. 15.6.2004 (GVBl. 153), Artikel 12. 216 Landesverordnung zur Anpassung von Rechtsvorschriften an geänderte Zuständigkeiten der obersten Landesbehörden und geänderte Ressortbezeichnungen v. 12.10.2005 (GVOBl. 487), Artikel 19. 90 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

meister der kreisfreien Städte, wobei der Innenminister befugt ist, einzelne Aufgaben an sich zu ziehen (§§ 8, 16 Abs. 2 SchlHolStiftG). Wie sonst nur in Thüringen fallen damit Anerkennungs- und Aufsichtsbehörde auseinander (s. Rz. 2.128). Die Regelungen zur Vermögensverwaltung des SchlHolStiftG sind ver- 2.122 gleichsweise detailliert. Es enthält die üblichen Vorgaben, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks zu sichern, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand zu erhalten, soweit die Satzung nicht eine Ausnahme zulässt oder der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen ist, und das Stiftungsvermögen von anderem Vermögen getrennt zu halten (§ 4 Abs. 1 bis 3 SchlHolStiftG). Erträge und Zuwendungen können dem Stiftungsvermögen zugeführt werden, sofern dies notwendig ist, um die Ertragskraft des Stiftungsvermögens in Zukunft sicherzustellen. Die Behörde kann anordnen, die Erträge ganz oder teilweise anzusammeln, wenn ihr die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht mehr gesichert erscheint. Das SchlHolStiftG ermöglicht es, in der Satzung den Ersatz notwendiger Auslagen und entgangener Arbeitszeit sowie die Gewährung einer Aufwandsentschädigung nicht hauptamtlicher Organmitglieder zu regeln (§ 4 Abs. 4 bis 6 SchlHolStiftG). Wie auch in Baden-Württemberg (Rz. 2.9) gibt es einen Katalog anzeige- und genehmigungspflichtiger Rechtsgeschäfte wie Vermögensumschichtungen, der Eingehung von Verbindlichkeiten oder der Veräußerung von Sachen von besonderem Wert (§ 9 SchlHolStiftG). Die Aufsichtsbehörden verfügen über die üblichen aufsichtsrechtlichen 2.123 Instrumentarien wie Aufsichts- und Unterrichtungsrechte (§ 8 SchlHolStiftG), Beanstandungs- und Anordnungsrechte (§§ 11, 12 SchlHolStiftG) und das Recht zur Abberufung von Organmitgliedern oder Bestellung von Beauftragten (§§ 13, 14 SchlHolStiftG). Satzungsänderungen, Zusammenlegung und Auflösung und Sitzverlegung bedürfen der Genehmigung durch die Behörde (§ 5 Abs. 1 bis 4 SchlHolStiftG). Innerhalb von acht Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres ist der Aufsichtsbehörde ein Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks und wahlweise eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung oder ein Prüfbericht vorzulegen. Letzterer hat sich insbesondere auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung der Erträge des Stiftungsvermögens zu erstrecken. Die Unterlagen können bei im Wesentlichen gleichbleibenden Einnahmen und Ausgaben für mehrere Geschäftsjahre zusammengefasst eingereicht werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2, 3 und 4 SchlHolStiftG).

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Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

XVI. Thüringen217 1. Geschichtlicher Hintergrund und landesspezifische Besonderheiten 2.124 Mit In-Kraft-Treten des Thüringer Gesetzes zur Neuregelung des Stiftungswesens vom 16.12.2008 hatte Thüringen als vorletztes der neuen Bundesländer das bis dato fortgeltende DDRStiftG abgelöst.218 Die Entwicklung des Stiftungsrechts und -wesens in Thüringen zwischen 1945 und 1990 unterscheidet sich nicht wesentlich von der in den anderen neuen Bundesländern. Bezüglich der rechtlichen Ausgangslage kann auf die Ausführungen zu Brandenburg verwiesen werden: mit der Ablösung des BGB durch das ZGB im Jahre 1975 fehlte für Neugründungen jegliche Rechtsgrundlage (s. Rz. 2.29 f.). Erst das DDRStiftG vom 13.9.1990 beendete diesen Zustand.219 Auch in Thüringen gab es 1952/1953 eine große Aufhebungswelle. Diese als „großes Stiftungssterben in Mitteldeutschland“ bezeichnete Erscheinung220 weist jedoch in Thüringen eigene Züge auf. Anders als in den übrigen Gebieten der ehemaligen DDR scheint die Welle der Auflösungen und Zusammenlegung von Stiftungen in Thüringen immerhin auf den Einzelfall bezogen gewesen zu sein. Es wurde offenbar nicht nach pauschalen Kriterien verfahren. Die historische Aufarbeitung des nach der Wiedervereinigung vorhandenen Bestandes an Stiftungen ist noch nicht abgeschlossen. Für die Zeit nach 1991 lässt sich jedoch im Bereich der Neuerrichtungen eine langsam einsetzende Normalität feststellen, mit steigender Tendenz.221 Im Jahr 2010 konnte in Thüringen gemessen an der Einwohnerzahl die höchste Stiftungsdichte in den neuen Bundesländern festgestellt werden mit 245 rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, davon 11 Neugründungen.222

___________________

217 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz – in der Fassung der Bekanntmachung v. 2.10.1998 (GVBl. 361), geändert durch Gesetz v. 25.11.2004 (GVBl. 853), geändert durch das Thüringer Gesetz zur Neuregelung des Stiftungswesens v. 16.12.2008 (GVBl. 561). Materialien: Antrag der Fraktion der CDU v. 7.7.2006 zum Stiftungswesen in Thüringen, Drucks. 4/2114; Gesetzentwurf der Landesregierung v. 31.3.2008, Drucks. 4/3949. 218 Umfassend hierzu s. Werner, ZSt 2009, 3 ff. 219 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz (StiftGDDR) v. 13.9.1990, GBl. DDR I, Nr. 61, S. 1483. 220 Franz, Albert K., Das große Stiftungssterben in Mitteldeutschland, Deutsches Stiftungswesen 1948–1966, Tübingen 1968, 435–445. 221 Schlip, Thüringen, Deutsches Stiftungswesen 1988–1998, 411, 412, 422. 222 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Deutsche Stiftungen 2010, Stand: Februar 2011. 92 | Weitemeyer/Franzius

B. Stiftungsrecht in den Ländern

2. Rechtsentwicklung a) ThürStiftG vor 2002 Bis zum In-Kraft-Treten des neuen Stiftungsgesetzes von 2008 galt in 2.125 Thüringen das DDRStiftG von 1990, in der bereinigten Fassung vom 2.10.1998.223 Wie auch in Sachsen-Anhalt (s. Rz. 2.110) wurde das DDRStiftG den neuen Verhältnissen entsprechend angepasst: Es wurden die Regelungen gestrichen, die Vorschriften des BGB wiederholten (§§ 4 bis 9, 11, 12 22 Abs. 1 bis 3 DDRStiftG). b) Anpassungen im Zuge der Reform auf Bundesebene im Jahre 2002: das ThürStiftG von 2008 Wie auch in allen übrigen neuen Bundesländern wurde die Reform des 2.126 Stiftungsrechts auf Bundesebene in Thüringen zum Anlass genommen, ein neues, eigenständiges Stiftungsgesetz zu schaffen.224 Ziel des Gesetzgebers war es, über die durch die BGB-Reform von 2002 notwendig gewordenen Änderungen hinaus zu gehen, das Gesetz vom Übergangscharakter zu befreien und den veränderten Anforderungen an den Umgang mit Stiftungen Rechnung zu tragen. Zunächst wurde der tragende Grundsatz, das Stiftungsvermögen in seinem wirtschaftlichen Wert zu enthalten und den Stifterwillen zu gewährleisten, durch die Voranstellung in § 1 ThürStiftG besonders betont. Ferner sollte das Bündeln der Zuständigkeiten für alle Angelegenheiten der Stiftungsaufsicht beim Landesverwaltungsamt die Grundsätze der Deregulierung und Verwaltungsmodernisierung widerspiegeln (§ 4 ThürStiftG). Die Stiftungsaufsicht wurde insgesamt neu gefasst und stärker als bisher auf die verfassungsrechtlich gebotene Beachtung der Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Stifter, Stiftungen und ihrer Organe ausgerichtet (§ 12 ThürStiftG).225 Auch in Thüringen ist das Stiftungsverzeichnis nun allgemein einseh- 2.127 bar und kann in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. Einzutragen sind Name, Sitz, Anschrift der Sitzverwaltung, Stiftungszweck, Vertretungsberechtigungen und Zusammensetzung der Organe der Stiftung, Tag der Anerkennung, des Erlöschens und der Genehmigung von Satzungsänderungen. Die Einsichtnahme in das Verzeichnis hinsichtlich der Zusammensetzung der Organe ist nur bei Zustimmung der Betroffenen oder bei berechtigtem Interesse an der Kenntnis der Daten gestattet. Die Eintragungen begründen nicht die Vermutung der Richtigkeit (§ 5 Abs. 1 bis 6 ThürStiftG). ___________________

223 Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen – Stiftungsgesetz – in der Fassung der Bekanntmachung v. 2.10.1998 (GVBl. 361). 224 Zum Gesetzesentwurf v. 31.3.2009 s. Weitemeyer/Seelig, BLS Non Profit Law News (4) 2008, 9 ff. unter www.law-school.de/nonprofitlawnews. 225 Gesetzentwurf der Landesregierung v. 31.3.2008, Drucks. 4/3949, 1 f., 13 f. Weitemeyer/Franzius | 93

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

3. Geltendes Recht 2.128 Das Gesetz gilt für alle rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen und öffentlichen Rechts, die ihren Sitz in Thüringen haben (§§ 2, 3 ThürStiftG). Eine Besonderheit des Thüringischen Stiftungsgesetzes sind die Regelungen zu „behördenverwalteten“ Stiftungen (§§ 3 Abs. 3, 14 ThürStiftG). Zuständig für die Anerkennung ist das Innenministerium. Die Stiftungsaufsicht wird durch das Landesverwaltungsamt wahrgenommen (§ 4 ThürStiftG). Die Trennung zwischen Anerkennungs- und Aufsichtsbehörde steht im Gegensatz zu den stiftungsrechtlichen Regelungen der meisten Bundesländer, allein in Schleswig-Holstein sind die Zuständigkeiten ebenfalls getrennt (s. Rz. 2.121). Neu und bislang einmalig in einem Landesstiftungsgesetz ist die Festlegung einer Bearbeitungszeit für die Anerkennung einer Stiftung: hat die Behörde innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Antrags auf Anerkennung keine Entscheidung getroffen, kann der Stifter eine Begründung für die Verzögerung verlangen (§ 7 Abs. 2 ThürStiftG). 2.129 Auch das ThürStiftG verpflichtet die Stiftungsorgane nach den Regeln ordentlicher Wirtschaftführung zu sparsamer Verwaltung, die der dauernden und nachhaltigen Verwirklichung des Stiftungszwecks dienen soll. Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand zu erhalten, es sei denn, die Satzung lässt eine Ausnahme zu, der Stiftungszweck ist nicht anders zu verwirklichen und die Dauerhaftigkeit der Stiftung bleibt dennoch gewährleistet. Das Stiftungsvermögen ist von anderen Vermögensmassen gesondert nachzuweisen. Erträge und Zuwendungen sind zur Verwirklichung des Stiftungszwecks und für die Deckung entstehender Verwaltungskosten zu verwenden (§ 8 Abs. 1 bis 3 ThürStiftG). 2.130 Die Stiftungsaufsicht ist in einem umfangreichen Paragraphen zusammengefasst (§ 12 ThürStiftG). Das für die Aufsicht zuständige Landesverwaltungsamt verfügt über Unterrichtungs- und Auskunftsrechte (§ 12 Abs. 3 ThürStiftG). Es kann rechtswidrige Beschlüsse oder Maßnahmen der Stiftungsorgane beanstanden oder deren Aufhebung verlangen (§ 12 Abs. 4 ThürStiftG) und es kann die Abberufung eines Organmitglieds oder Berufung eines anderen Mitglieds verlangen (§ 12 Abs. 5 ThürStiftG). Satzungsänderungen bedürfen der Genehmigung der Behörde, ebenso Sitzverlegungen in das Land Thüringen hinein (§§ 9, 10 ThürStiftG). Innerhalb von neun Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres muss der Behörde ein Jahresbericht sowie ein Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorgelegt werden, aus dem der Bestand und etwaige Veränderungen des Stiftungsvermögens sowie die satzungsmäßige Verwendung der Stiftungsmittel ersichtlich sind. Bei externer Prüfung kann die Behörde von der Erstellung eines Jahresberichts absehen (§ 12 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 4 ThürStiftG).

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C. Rechtspolitische Bewertung

C. Rechtspolitische Bewertung Mit dem Stiftungsgesetz von Sachsen-Anhalt vom 20. Januar 2011 2.131 haben nun alle Bundesländer ihre Landesstiftungsgesetze überarbeitet und an die bundesrechtlichen Vorgaben angepasst. Dabei haben sich die vormals höchst unterschiedlichen Regelungen angenähert.226 Die Landesgesetzgeber haben ihre Gesetze vor allem von Regelungen befreit, die den §§ 80, 81 BGB zuwiderlaufen. So verzichten nun alle Regelungen auf inhaltliche Vorgaben zur „Geneh- 2.132 migung“ einer Stiftung. Die Ausgestaltung im Einzelnen variiert: So verweist das Bayerische Stiftungsgesetz als einziges auf die für die Entstehung einer Stiftung maßgeblichen zivilrechtlichen Regelungen (Art. 3 BayStiftG), während die meisten Gesetze auf die Entstehung nur im Zusammenhang mit der Behördenzuständigkeit für die Anerkennung eingehen227, teilweise mit, teilweise oder ohne Verweis auf § 80 BGB, wie es der Modellentwurf eines Landesstiftungsgesetzes von Hüttemann und Rawert gefordert hatte.228 Nur hierfür besitzen die Länder nach Wahrnehmung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 166 noch die eigene Zuständigkeit (Rz. 1.16 ff.; Reuter Rz. 3.13). Allein die Stiftungsgesetze von Sachsen und Hamburg verzichten gänzlich auf die Erwähnung der Anerkennung. Ebenso wurden in allen Bundesländern die über das Bundesrecht hinausgehenden landesrechtlichen Regelungen zum Inhalt von Stiftungssatzung und Stiftungsgeschäft aufgegeben. Seit der Änderung des § 81 BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts im Jahr 2002 sind die Entstehungsvoraussetzungen einer Stiftung bürgerlichen Rechts abschließend in den §§ 80 f. BGB geregelt. Dies umfasst auch die Anforderungen an das Stiftungsgeschäft und an die Stiftungssatzung sowie die Ergänzungsbefugnis bei unvollständiger Satzung durch die Stiftungsbehörde. Hierdurch hat sich die früher aus § 85 BGB abgeleitete Gesetzgebungskompetenz der Länder im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes erledigt (Reuter Rz. 3.13, 3.28 ff.).229 Alle Landesstiftungsgesetze gelten nur für rechtsfähige Stiftungen. Auf 2.133 Vorschriften über unselbstständige Stiftungen des privaten Rechts wurde entsprechend dem Modellentwurf von Hüttemann und Rawert durchgängig verzichtet, da es sich um ein Rechtsinstitut des Vertragsrechts handelt, für das den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehlt.230 Die ___________________

226 Zur Entwicklung insgesamt s. Richter, ZEV 2003, 314 ff.; Richter, ZSt 2004, 19 ff.; Richter, ZEV 2005, 517 ff.; Richter/Sturm, NZG 2005, 655 ff. 227 Beispielsweise § 5 BaWürttStiftG, § 2 Abs. 1 BerlStiftG, § 4 Abs. 1 BrbgStiftG, § 4 BremStiftG, § 3 HessStiftG. 228 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021. 229 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021. 230 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2020. Weitemeyer/Franzius | 95

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

Geltungsbereiche für die einzelnen Formen von Stiftungen unterscheiden sich jedoch: So gelten die Stiftungsgesetze einiger Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für alle rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen und öffentlichen Rechts, während alle übrigen Gesetze wie auch der Modellentwurf von Hüttemann/Rawert Regelungen nur für bürgerlich rechtliche Stiftungen beinhalten – eine Einteilung, die vormals als „norddeutscher Typ“ deklariert wurde (siehe Rz. 2.69, 2.114). Stiftungen des öffentlichen Rechts werden durch Gesetz oder Satzung im Rahmen der Bundes- oder Landesgesetzgebungskompetenz für die mittelbare Staatsverwaltung begründet und richten sich nach dem insoweit gegenüber dem Landesstiftungsrecht spezielleren Recht. Dass sie in den Stiftungsgesetzen des „süddeutschen“ Typs mit erwähnt werden, hat allein historische Gründe, da man bei Erlass des BGB selbst die Stiftungen bürgerlichen Rechts als in die öffentliche Verwaltung eingegliedert betrachtete (Reuter Rz. 3.2). Sonderregelungen finden sich auch zu privatnützigen Familienstiftungen, für die einige Länder nur eine eingeschränkte Aufsicht vorsehen,231 was auf einem Vorschlag der BundLänder-Arbeitsgruppe beruht.232 Zum Schutz des Rechtsverkehrs vor nicht kontrollierbaren Managerentscheidungen einer mitgliederlosen juristischen Person wie der Stiftung233 sowie zum Schutz der Stifter ist jedoch auch bei privatnützigen Stiftungen zu Gunsten einer Familie (in Betracht kommen solche Stiftungen auch zu Gunsten eines Unternehmens) eine obligatorische Rechtsaufsicht der Stiftungsbehörde vorzuziehen (s. auch Rz. 1.19).234 Vereinzelt enthalten die Gesetze auch Regelungen zu kirchlichen und kommunalen Stiftungen. Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und Thüringen ist für die Anerkennung und Aufsicht über die Stiftungen dieselbe Behörde zuständig. 2.134 Der Forderung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Schaffung von Stiftungsverzeichnissen auf landesrechtlicher Grundlage sind alle Länder gefolgt, ohne sie mit Publizitätswirkung auszugestalten, was im Sinne der Transparenz wünschenswert gewesen wäre.235 Allein die Stiftungsgesetze von Bayern und Berlin beinhalten nicht den sonst üblichen Zusatz, dass die Eintragungen in das Verzeichnis nicht die Vermutung ihrer Richtigkeit begründen (Art. 4 BayStiftG, § 11 BerlStiftG). Da es sich bei den Zusätzen nur um klarstellende Hinweise handelt (Rawert Rz. 11.29), sind aber auch die Verzeichnisse in diesen Ländern nicht mit ___________________

231 § 10 Abs. 2 S. 1 BerlStiftG; § 4 Abs. 3 S. 2 BrgbStiftG; § 5 Abs. 1 S. 2 HambStiftG; § 6 Abs. 3 NRWStiftG. 232 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, 59. 233 Zur Principal-Agent-Problematik bei Stiftungen vgl. Koss, NonprofitOrganisationen in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, 197, 205 ff. 234 Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021, 2023. 235 S. hierzu Walz, Stellungnahme zum Entwurf eines Hamburgischen Stiftungsgesetzes v. 15.9.2004. 96 | Weitemeyer/Franzius

C. Rechtspolitische Bewertung

einer negativen oder positiven Publizitätswirkung ausgestaltet. Hierzu hätte es einer ausdrücklichen Anordnung wie in § 68 BGB für den Verein oder § 15 HGB für die Personalhandelsgesellschaften bedurft. Die meisten Landesstiftungsgesetze enthalten recht ähnliche Regelun- 2.135 gen zur Vermögensverwaltung, einige sehen Anzeige- oder Genehmigungspflichten für risikobehaftete Rechtsgeschäfte vor (Art. 19 BayStiftG, § 13 BaWürttStiftG, § 9 SchlHolStiftG). Die Gesetze von Bayern und Schleswig-Holstein ermächtigen die Behörden, in bestimmten Fällen die Ansammlung des Stiftungsvermögens anzuordnen (Art. 17 BayStiftG, § 4 Abs. 4 SchlHolStiftG). Allein in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wird, wie im Modellentwurf von Hüttemann/Rawert gefordert, gänzlich auf Regelungen zur Vermögensverwaltung verzichtet. Entsprechende Regelungen über die Vermögenserhaltung und Ertragsverwendung sind weitgehend entbehrlich, weil § 80 Abs. 2 BGB mit dem Anerkennungserfordernis der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks bundesrechtlich vorgehende Vorgaben über die Erhaltung des Stiftungsvermögens erhält. Hiernach bestimmt der vom Stifter gesetzte Zweck ausschließlich das Erfordernis und den Umfang des Stiftungsvermögens ebenso wie der Stifter Vorgaben zur Verwaltung und Geldanlage des Stiftungsvermögens geben kann (Hüttemann Rz. 15.1 ff.). Selbst eine Stiftung auf Zeit und eine Verbrauchsstiftung sind nach § 80 Abs. 2 BGB zulässig, wenn Stifterwille und Stiftungszweck dies fordern und es sich nicht lediglich um ein kurzfristiges Sammelvermögen handelt, bei dem der Sammelzweck eine Unabhängigkeit vom Schicksal der dahinter stehenden natürlichen oder juristischen Personen nicht erfordert (s. auch Rz. 1.35).236 Ob man präventive Anzeigepflichten und Genehmigungsvorbehalte bei bestimmten gefährlichen Geschäften zum Schutz eines mutmaßlichen Stifterwillens landesgesetzlich regelt, ist hingegen nur eine Frage der Rechtspolitik, nämlich inwieweit man auf die Weitsicht des Stifters und seiner Berater in Form von Satzungsregelungen vertraut.237 Die Stiftungsaufsicht ist in allen Ländern meist ähnlich ausgestaltet: 2.136 die Behörden verfügen über Unterrichtungs- und Prüfungsrechte, können Maßnahmen beanstanden oder anordnen, Organmitglieder bestellen oder abberufen. Zweck-, Satzungsänderungen, Auflösungen oder Zusammenlegung bedürfen in allen Ländern der behördlichen Genehmigung mit Unterschieden im Detail. Wieweit es hierbei gelungen ist, den Vorgaben des Bundesrechts zu entsprechen, ist im Einzelnen umstritten, da bereits die Reichweite der bundesrechtlichen Vorschrift des § 87 BGB unterschiedlich ausgelegt wird (s. im Einzelnen von Hippel Rz. 23.1 ff., 24.1 ff.; Arnold Rz. 27.1 ff.).238 ___________________

236 Reuter, npoR 2010, 69, 71 ff. 237 Hütemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021 f. 238 Ausführlich Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021 f. Weitemeyer/Franzius | 97

Kapitel 2

Reform der Landesstiftungsrechte

2.137 Bei der Rechnungslegung variiert der Zeitraum, innerhalb dessen die Jahresrechnung vorzulegen ist. Die meisten Gesetze lassen externe Prüfungen zu. Hervorzuheben ist hier auf der einen Seite das sogenannte „Berliner Muster“, als Überbleibsel der Kameralistik kritisiert: gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 BerlStiftG muss der Jahresbericht „den Anforderungen der Behörde“ und nicht wie üblich den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen (siehe Rz. 2.24), zum anderen das sogenannte „Hamburger Stifterprivileg“ in § 4 Abs. 3 HambStiftG, wonach zu Lebzeiten des Stifters von der Vorlage einer Jahresrechnung oder eines Prüfungsberichts abgesehen werden kann (Rz. 2.44). Die meisten Gesetze sehen ausdrücklich vor, dass die Behörde auf Kosten der Stiftung die Vermögensverhältnisse durch einen externen Dritten wie einen Wirtschaftsprüfer prüfen lassen kann. Diese Befugnisse stehen unter einem Ermessensvorbehalt der Stiftungsbehörde. Das Ermessen wird nur ordnungsgemäß ausgeübt, wenn die Anordnung einer externen Prüfung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, d. h. geeignet, erforderlich und angemessen im engeren Sinne ist.239 Form und Länge der Stiftungsgesetze sind nach wie vor höchst unterschiedlich: die Bandbreite reicht von nur acht Paragraphen in Hamburg bis 46 in Baden-Württemberg. Brandenburg, Hamburg und RheinlandPfalz beziehen sich in den Begründungen ihrer Neuregelungen ausdrücklich auf den Modellentwurf von Hüttemann/Rawert (Rz. 2.33, 2.45, 2.90). Insgesamt haben sich die Landesstiftungsgesetze in Teilfragen angenähert, während sie in nicht unbedeutenden Einzelpunkten wie den Vorgaben zur Vermögensverwaltung und zur Rechnungslegung stark variieren. Vor allem dort, wo die Reichweite der bundesgesetzlichen Regelungen noch nicht abschließend geklärt ist, so z. B. zum Erfordernis einer bestimmten Vermögensanlage (s. im Einzelnen Hüttemann Rz. 14.10 ff.) oder zur Zulässigkeit von Zweckänderungen (s. von Hippel Rz. 23.1 ff.) einschließlich der Möglichkeit von Zu- oder Zusammenlegungen (s. Arnold Rz. 27.1 ff.), bestehen naturgemäß noch Unsicherheiten in Bezug auf die landesrechtlichen Kompetenzen (s. Rz. 1.41). Von einer Vereinheitlichung der Landesstiftungsgesetze sind die Bundesländer derzeit noch weit entfernt. Auch die Gefahr eines „forum shopping“ für Stiftungen besteht nach wie vor. Die Rechtsentwicklung ist also auch mit dem Erlass des letzten modernen Stiftungsgesetzes im Land Sachsen-Anhalt im Jahre 2011 (s. Rz. 2.111) noch nicht abgeschlossen.

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239 Hierzu ausführlich Arndt, npoR 2010, 93–99. 98 | Weitemeyer/Franzius