Kannibalismus was wissen wir darüber, was können wir dagegen tun

Dienstleistung Lehre Forschung Klinik für Schweine • Telefonische Beratung • Betriebsbesuche in Absprache mit dem Hoftierarzt 1 Veterinärmedizinisc...
Author: Viktoria Junge
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Dienstleistung Lehre Forschung

Klinik für Schweine

• Telefonische Beratung • Betriebsbesuche in Absprache mit dem Hoftierarzt

1 Veterinärmedizinische Universität Wien

• Annahme von Patienten zur Sektion und weiterführenden Untersuchungen in Absprache mit dem Hoftierarzt Veterinärmedizinische Universität Wien

2

Übersicht

Einleitung

Formen des Schwanzbeißens

Kannibalismus – was wissen wir darüber, was können wir dagegen tun

Risikofaktoren

Spezielle Ausprägungen

Tagung Schloss Seggau 6.11.2012

Neuere Beschäftigungsmöglichkeiten 4 Veterinärmedizinische Universität Wien

Veterinärmedizinische Universität Wien

Prävalenz des Schwanzbeißens

Wildschweine – Urahnen des heutigen Hausschweins

0,5-3,4 %

Schlachthöfe Europas

(EFSA, 2007)

Fähigkeit zur Anpassung

2-12%

Schweden, UK

(Keeling and Larsen, 2004, Hunter et al, 2009)

heimliche Lebensweise

3,5%

UK

(Taylor et al., 2011)

intelligentes Verhalten

2-4%

Belgien

(Smulders et al., 2008, Goossens et al., 2008)

6,3%

Irland

(Boyle et al. 2010)

keine besonderen Ansprüche an Lebensraum

seit Millionen von Jahren unverändert

Schlechtes Sehvermögen

• Schlachthoferhebungen unterschätzen das Problem

Gutes Hörvermögen

• in Ländern mit Schwanzkürzverbot: Schwanzverletzungsbefunde am Schlachthof 34fach höher

Ausgezeichneter Geruchsund Geschmackssinn

• Reduktion des Schwanzbeißens durchs Schwanzkürzen um 40%

Lernvermögen

• Kosten pro Schwein in Finnland: 50% Prävalenz: 4, 80 €, 80% Prävalenz: 20 € (Sinisalo, A. and Niemi, J. (2010), Maataloustieteen päivät)

Gedächtnis Zeitempfinden

Einleitung

Einleitung

Die frühe Lebensphase

Das Hausschwein - kognitive Fähigkeiten

Konventionelle Haltungssysteme

Natürliche Bedingungen

Hausschweine: gleiches soziales und auf Nahrungssuche ausgerichtetes Verhaltensrepertoire wie wilde Vorfahren

Kurze Umstellungsphase auf feste Langer Absetzprozess, Erlernen unterNahrung, plötzlicher Umgebungswechsel schiedlicher Futterquellen und –strukturen

Moderne Haltungssysteme funktionieren wegen Lernfähigkeit und Erinnerungsvermögen von Schweinen (Anpassung an und „Bedienung“ von Technologie)

⇒ einheitliche Ferkelgruppen, geringe Ferkelverluste

⇒ naturgegeben hohe Ferkelverluste

⇒ Sozial- und Lernverhalten weniger ausgereift

⇒ Erkundungsmöglichkeiten Reifung von Sozial- und Lernverhalten:

Gutes Erinnerungsvermögen: 10 Minuten bis 2 Stunden - abhängig davon, was in der Zwischenzeit passiert. Gedächtnis an bestehende soziale und räumliche Strukturen wird auch durch milde Störereignisse (Routineeingriffe, Umstallen) beeinträchtigt Enger Zusammenhang: Komplexität sozialer und räumlicher Strukturen in der frühen Lebensphase ↔ spätere kognitive Fähigkeiten (Lernen/Wahrnehmung)

Aggressionsverhalten ↑

Aggressionsverhalten ↓, („Einschätzungsvermögen“ von Konkurrenten wurde erlernt)

⇒ 2-48 Std nach Zusammenstellung bis stabile, soziale Hierarchie erreicht ist. ⇒ Kürzere Phase der Rangkämpfe

Einleitung

Einleitung

Die frühe Lebensphase Konventionelle Haltungssysteme

Formen des Schwanzbeißens (Taylor et a. 2010, Vet. J. 186, 137)

Natürliche Bedingungen 1. Zweiphasiges Schwanzbeißen

Umgebung ist vorhersagbar/kontrolliert

Umgebung unkontrolliert

⇒ Stress durch Bildung neuer Gruppen und Trennung vertrauter Tiere

⇒ physiologischer Stress, Produktivität ↓, Tageszunahmen ↓ Ferkelverluste ↑

Einheitliche Ferkelgruppen (Gewicht, Alter) angestrebt

Uneinheitliche Ferkelgruppen

⇒ Entwicklung der sozialen Hierarchie dauert länger

⇒ soziale Hierarchie ist schneller geklärt

⇒ Keimdruck ↓, Erkrankungsinzidenz ↓, Unterbrechung von Infektionsketten

A) primäres Ankauen des Schwanzes B) gezieltes Beißen bei blutiger Wunde 2. Plöztliches, verletzendes Beißen - Wettbewerb um knappe Ressourcen, wie z.B. Liegefläche oder Fressplatz

⇒ Keimdruck ↑, keine Unterbrechung von Infektionsketten

3. Zwanghaftes Beißen bestimmter Individuen - eher krankhaft als funktionell ?

Einleitung

Formen des Schwanzbeißens

Flussdiagramm von zum Schwanzbeißen führenden Verhalten Nach Zonderland, J.J. (2010). PhD Thesis, Wageningen University, aus dem Englischen

Beißverhalten (Brunberg, E. et a. 2011, Applied Animal Behaiour Science 133, 18-25) Motivation zur Umgebungserkundung

Täter: • Starke Beißer

⇒ spezialisiertes abnormales Verhalten

• Geringe Beißer

⇒ vielfältiges Repertoir abnormalen Verhaltens

• Keine Beißer

• Schwanzbeißen • Ohrenbeißen • Flankenbeißen • Bauchansaugen

Opfer:

• Besteigen

• Häufig Opfer

• Schwanz ins Maul nehmen

• Selten Opfer

Erkundung des Beschäftigungsmaterials

• Nie Opfer

Ohren Bauch Flanken

ja

Gezieltes Erkundungsverhalten

Erlerntes Verhalten

Schwanz

Schwanz

Rasseunterschiede: Beschäftigungsz.B. Landrasse>Hampshire material ?

Geschlechtsunterschiede ? nein >♀ Täter ♀ > Beschäftigung mit andere Buchtengenossen Gewicht, Rückenspeckdicke:

Opfer

kleine, leichte > große, schwere Schwanz (metabolische Insuffizienz ?) Hormone im Gehirn: Schwanzbeißen neuroendokriner Stoffwechsel (Serotonin ↓)

Erdulden von Schwanzbeißen Schwanzverletzung

Formen des Schwanzbeißens

Formen des Schwanzbeißens

Flussdiagramm von zum Schwanzbeißen führenden Verhalten Nach Zonderland, J.J. (2010). PhD Thesis, Wageningen University, aus dem Englischen

1. Zweiphasiges Schwanzbeißen Einfaches Manipulieren an Schwänzen von Buchtengenossen

Motivation zur Umgebungserkundung

Erkundung des Beschäftigungsmaterials

Gezieltes Erkundungsverhalten

Erlerntes Verhalten

Schwanz

Schwanz

Beschäftigungsmaterial ?

ja

keine Verletzungen, keine Abwehr gegen solche vorsichtigen Manipulationen oftmals Liegen während der Manipulation

nein

Täter Ohren Bauch Flanken

andere

1. Besaugen, Beknabbern ohne zuzubeißen

Opfer

Beschäftigung mit Buchtengenossen

natürlicher Trieb der Schweine zur Erkundung und Futtersuche in einer reizarmen Umgebung kaum Möglichkeiten zum Wühlen und zum Bearbeiten von Gegenständen

Schwanz

Erdulden von Schwanzbeißen

Schwanzbeißen

Schwanzverletzung

Zweiphasiges Schwanzbeißen 2. stärkere Beißaktivität mit deutlichen Verletzungen Verletzungen und Blutungen am Schwanz kein agressives Verhalten des gebissenen Tieres, aber Vermeidungsverhalten Übernahme des Beißverhaltens durch andere Tiere erhöhte Attraktivität für andere Schweine durch austretendes Blut sowie durch die durch Irritationen ausgelösten, verstärkten Schwanzbewegungen

• Übergang von Schwanzmanipulationen ohne Verletzung hin zum verletzenden Beißen dauert oft nur einen Tag • Erstes Verdachtsmoment, dass Schwanzbeißen bevorsteht, sind lang nach unten an das Hinterteil angelegte Schwänze (2-3 Tage vor Ausbruch)

2. Plötzlich auftretendes und heftiges Beißverhalten Ziehen und Reißen am Schwanz des Opfers Wunden unterschiedlichen Grades bis hin zum Verlust der Schwanzspitze Abwehrbewegungen und Lautäußerungen des Opfers

⇒ Frustrationsaggressivität aufgrund des fehlenden Zugangs zu oder der Konkurrenz um bestimmte Ressourcen. (z.B. Futter, Wasser, Liegeplatz, Beschäftigungsmaterial)

Formen des Schwanzbeißens

Präventionshilfen: Risikoabschätzung im Bestand 3. Zwanghaftes, exzessives und wiederholtes Beißen Wunden unterschiedlichen Grades bis hin zum Verlust von Körperteilen Abwehrbewegungen und Lautäußerungen des Opfers, Beißverhalten gegen zahlreiche Buchtengenossen gerichtet kein Versuch, eine bestimmte Ressource zu erlangen möglicherweise Entwicklung aus anderen Formen des Schwanzbeißens ?? - Ein Drittel aller Beißer (?) - „Zwanghafte“ Beißer verbringen bis zu 25% ihrer Zeit mit Schwanzbeißen

SchwIP: Managmenthilfe zur gezielten Beobachtung im Bestand und zur Entscheidung für die jeweiligen Maßnahmen, sowie anwendungsorientierte Studie auf Betrieben (B.C. Tönnies Forschung, Friedrich-Loeffler-Institut & Land Niedersachsen, TiHo Hannover)

Identifikation betriebsindividueller Risiken: A) Managmentfragebogen Fütterung Haltung B) Beobachtungsbogen Stall C) Stallfragebogen

Risikoanalyse

Verbesserungsvorschläge

(vgl. 1,5% Zeitaufwand bei anderen Beißformen) - häufig im Wachstum zurückgebliebene, leichtere Schweine - veränderter Proteinmetabolismus ? - gestörte Neurotransmitterbalance im Gehirn ?

Husbandry Advisory Tool, Bristol Veterinary School (Taylor et al. 2011), http://www.bris.ac.uk/vetscience/webhat - Risikoanalyse anhand von 83 gewichteten Risikofaktoren - Anhand der HAT-Score kann das Risiko für das Auftreten von Schwanzbeißen vorhergesagt werden. Risikofaktoren

Risikofaktor - Stress Höchste Risikofaktoren

1. Transport von Bestand zu Bestand Mischen von Tieren bereits unabhängig vom Transport vorher vollziehen

1. Es haben bereits Tiere Schwanzbeißaktivität gezeigt und/ oder es sind Opfer mit Bißverletzungen aufgetreten ⇒ Schweine haben bereits Schwanzbeißverhalten gelernt

2. Mischen von Tieren mehr als einmal nach dem Absetzen Ausreichend Platz und Rückzugsmöglichkeiten

⇒ Schweine haben bereits den interessanten Geschmack von Blut kennengelernt 3. Umstallen mehr als zweimal zwischen Absetzen und Schlachtung Kleine Gruppen in großzügige Buchten Engpässe in Laufwegen vermeiden (Haufenbildung, Panik) 2. Erkrankungen 4. Umstallen von Sauen oder Mischen mit unbekannten Tieren im zweiten Trächtigkeitsdrittel

⇒ Gesunde Tiere neigen weniger zum Schwanzbeißen Behandlung und Isolation kranker Tiere

⇒ Ferkel von diesen Sauen zeigen aggressiveres Verhalten vor Trächtigkeit mischen / umstallen, so dass Sauen sich kennen, wenn sie wieder in die Gruppe zurückkehren Risikofaktoren

Im ersten Trächtigkeitsdrittel mischen / umstallen Risikofaktoren

Besatzdichte

Kategorien von Risikofaktoren (Taylor et a. 2010, Vet. J. 186, 137) 1. Besatzdichte > 100 kg / m2

(„Reizarme“) Umgebung

Ressourcen

⇒ Soziale Intoleranz zwischen Schweinen, die sich nicht aus dem Weg gehen können ⇒ Konkurrenz um freie Bewegung und Ressourcen Besatzdichte verringern

Schwanzbeißen

Ernährung

2. Es können nicht alle Schweine gleichzeitig im Liegebereich liegen

Tiergesundheit

Stallklima

⇒ Alle Schweine sollen genug Platz haben, um gleichzeitig auf der Seite liegen zu können, ohne sich zu berühren (Störungen ↓, Abkühlung möglich) ⇒ Freie Bewegung in der Bucht soll möglich sein, ohne dass ruhende Schweine gestört werden ⇒ Bauchlage deutet eher auf Aktivität hin

Risikofaktoren

Beschäftigungsmaterial, Ruhe

Risikofaktoren - Ressourcen

Futter, Wasser 1. Automatisierte Fütterung ⇒ niedrigeres Risiko bei manueller Fütterung, da Verlässlichkeit der Futterzuweisung höher ist

1. Begrenzter Zugang zu Beschäftigungsmaterial / -objekten ⇒ Konkurrenz um Beschäftigungsmaterial, Frustration, dass Motivation zur Erkundung nicht gestillt werden kann

2. Wasserdurchflussrate < 1 l/ Minute ⇒ wenn Wasseraufnahme zu mühsam ist, nehmen einige Schweine zu wenig Wasser auf

Anzahl verfügbarer Objekte erhöhen Längliche Objekte: genauso lang, wie erforderliche Anzahl Fressplätze Einzelobjekte (z,B. Stricke): so viele wie Fressplätze

3. Mangelhafte Wasserqualität, Geschmacksbeeinträchtigung, zeitweise Unterbrechung der Wasserversorgung

2. Fressplätze oder Tränken im Liegebereich ⇒ Bewegung von Schweinen zu dem Futterplätzen durch den Liegebereich stört ruhende Buchtengenossen und führt zu Aggressionen Buchtengestaltung verändern

Risikofaktoren - Ressourcen

⇒ Bedürfnis nach ausreichend Flüssigkeitszufuhr ist nicht gedeckt Risikofaktoren - Ressourcen

Futter, Ruhe

Futter, Wasser Fütterung - rationiert 4. Konkurrenz um Tränkplätze

1. zu wenig Futterplätze, Troglänge ↓ Tier- Fressplatz-Verhältnis 1:1

• < 1 Tränke pro 10 Schweine bei rationierter Fütterung

2. < 2 Mahlzeiten täglich

• < 1 Tränke pro 15 Schweine bei ad lib. Fütterung

Anzahl der Mahlzeiten erhöhen, bzw. fressbare Materialien (Stroh) zwischen den Mahlzeiten anbieten (Darmfüllung !)

• erschwerter Zugang zu Tränkplätzen

Zugangserleichterungen zu Tränkplätzen (mehr Tränken, Tränken versetzen, Trittstufen installieren)

kein Auslassen von üblichen Fütterungsterminen 3. > 5 Mahlzeiten täglich ⇒ Ruheverhalten in der Gruppe wird gestört Anzahl der Mahlzeiten schonend auf 4 reduzieren (5. Mahlzeit anfangs noch als Handfütterung, langsam Menge reduzieren) Risikofaktoren - Ressourcen

Risikofaktoren - Ressourcen

Futter

Kategorien von Risikofaktoren (Taylor et a. 2010, Vet. J. 186, 137)

Fütterung – ad libitum

(„Reizarme“) Umgebung

1. > 5 Ferkel pro rechteckigem Futterplatz, bzw. > 4 Ferkel pro rundem Futterplatz Tier- Fressplatz-Verhältnis optimieren (Gruppengröße ↓, Fressplätze ↑)

Ressourcen

2. Einzelne Futterplätze nicht erreichbar (Ecken, Hindernisse o.ä.) Zugangserleichterungen zu Futterplätzen (Automaten versetzen)

Ernährung

Schwanzbeißen Tiergesundheit

3. Keine Einschränkung der seitlichen Kopfbewegungen beim Fressen

Stallklima

⇒ gegenseitige Kontrolle der Schweine bei der Futteraufnahme kann Konkurrenzverhalten erhöhen Unterteilung der Fressplätze im Kopfbereich

Risikofaktoren - Ressourcen

Risikofaktoren - Ernährung

Futterzusammensetzung und -konfektionierung 1. Kochsalzgehalt im Futter zu niedrig (oder zu hoch ⇒ Akzeptanz ↓)

Kategorien von Risikofaktoren (Taylor et a. 2010, Vet. J. 186, 137)

0,2 % NaCl (0,9-1% bei Schwanzbeißen ?), Zugang zu Trinkwasser, Entmischung verhindern

(„Reizarme“) Umgebung

2. Aminosäureimbalancen ⇒ Such-/Erkundungsverhalten/ Unruhe ↑↑

Ressourcen

Lysin, Tryptophan, Tryptophan:Lysin (0,19), stabile Futtermischung

Schwanzbeißen

3. Pellettiertes Futter (Magengeschwüre ?)

Ernährung

mehlförmiges/ flüssiges Futter oder zusätzlich Stroh

Tiergesundheit

4. Futterpartikelgröße ↓ (< 0,5 mm ∅ ) ⇒ Darmgesundheit ↓, vermehrtes Kauen (Speichelproduktion ↑) Futter mit geringerem Vermahlungsgrad

Richtwerte: >25% > 1 mm 15 ppm, H2S > 10 ppm, CO2 < 3000 ppm)

Extreme Wetterbedingungen kompensieren (Wasser zu Kühlzwecken, zusätzliche Heizmöglichkeit, Einstreu, Buchtenabdeckungen verfügbar halten)

Luftströmungen korrigieren Lufteinlässe auf Freiheit kontrollieren

2. Zugluft, v.a. im Liegebereich ⇒ Schweine meiden Bereiche mit Zugluft (Liegen in Haufen, gestörte Schlafphasen)

4. zu hohe oder zu niedrige Luftfeuchtigkeit ⇒ Empfohlen 50-60% relative Luftfeuchtigkeit (60-80%)

Luftgeschwindigkeit der einströmenden Luft senken Abdeckungen im Liegebereich Foto: SUS online 05/12

Risikofaktoren - Stallklima

Risikofaktoren - Stallklima

Kategorien von Risikofaktoren (Taylor et a. 2010, Vet. J. 186, 137)

Buchtengestaltung 1. Liegefläche schwer unterscheidbar von restlicher Buchtenfläche

(„Reizarme“) Umgebung

Ressourcen

⇒ Liegefläche soll trocken sein, im Kotbereich soll Kot effektiv beseitigt werden ggf. niedrige Kante einziehen, um Funktionsbereichstrennung erkennbar zu machen Schweine bei neuer Belegung im Kotbereich abkoten lassen (Kennzeichnung des Funktionsbereiches)

Schwanzbeißen Ernährung

Liegefläche anders lokalisieren

Tiergesundheit

Gefälle überprüfen Dichtigkeit von Schläuchen, Tränken überprüfen

Stallklima

Risikofaktoren - Umgebung

Beschäftigungsmaterial Stroh lang, > 5 cm Tiefe –täglich ergänzt, „Automaten“, Raufen,

Beschäftigungsmaterial 1. Ferkel hatten zuvor Zugang zu Beschäftigungsmaterial, jetzt nicht mehr

Eine Hand voll Stroh pro Schwein für eine Stunde (Konkurrenz vermeiden)

⇒ Erkundungs- und Spielverhalten wurde zuvor gelernt und kann jetzt nicht mehr ausgeübt werden – es wird nach manipulierbaren Alternativen gesucht

Loses Beschäftigungsmaterial

2. Ferkel hatten zuvor Zugang zu Stroh, jetzt nur zu manipulierbaren Objekten

manipulierbar, z. B. holz-, erdhaltig, Sägespäne, Kompost, täglich ergänzt

⇒ Erkundungs- und Spielverhalten wurde an Stroh gelernt und kann jetzt nicht mehr ausgeübt werden

Manipulierbare Objekte ausreichend Platz rings um die Objekte, so dass sie von allen Schweinen ohne Konkurrenz erreicht werden können essbar Befriedigung verschaffend durch: in allen Phasen das gleiche Beschäftigungsmaterial anbieten, da Spiel- und Erkundungsverhalten daran erlernt wurde. verdaulich Aufnahme von Nahrungskomponenten Eine Steigerung (höherwertiges Beschäftigungsmaterial) ist möglich zerstörbar Änderung der sensorischen Beschaffenheit /Textur Darmfüllung (feuchtes, fauliges, kompaktes Tiefstreu ersetzt kein Beschäftigungsmaterial nicht in Kotbereich Material in der Einstreumatte ist Neuartigkeit wenig attraktiv zum Erkunden). verschleppbar

3. Muttersauen hatten zuvor Zugang zu Stroh, in der Abferkelbucht jedoch nicht mehr ⇒ Erkundungsverhalten der Sau (an Stroh angepasst) wird jetzt auf andere Gegenstände gerichtet. Verhalten wird von Ferkeln übernommen / erlernt Kein Wechsel in Beschäftigungsstruktur, Ferkeln auch Beschäftigungsmaterial anbieten Risikofaktoren - Umgebung

Beschäftigungsobjekte

Stroh

1. Objekte faulig, zerstört oder verschmutzt (zu 50% ) ?

1. Kurz- statt Langstroh

⇒ Schweine beschäftigen sich wenig mit verfaulten, schmutzigen Objekten.

⇒ Frustration, da weniger Manipulierbarkeit

Befestigung von Objekten an der Buchtenwand Strapazierfähiges (aber zerstörbares) Material verwenden und in täglichen bis wöchentlichen Intervallen auswechseln

2. Keine tägliche Erneuerung

2. Objekte zu hoch oder zu niedrig fixiert ?

⇒ Nur sauberes, frisches Stroh ist interessant

⇒ Am Boden verfügbare Objekte werden schnell verschmutzt und sind dann nicht mehr interessant

3. Zeitphasen, in denen Stroh nicht verfügbar ist ⇒ Frustrationsphasen

⇒ Objekte > Kopfhöhe werden als Erkundungsobjekte weniger wahrgenommen Foto: SUS online 05/12

Objekte einige Zentimeter über dem Boden erreichbar machen

Risikofaktoren - Umgebung

Risikofaktoren - Umgebung

Stroh

Kategorien von Risikofaktoren (Taylor et a. 2010, Vet. J. 186, 137) („Reizarme“) Umgebung

Ressourcen

Schwanzbeißen Ernährung Tiergesundheit

Foto: Karen Diehn

4. Verminderte Strohqualität (Staub, Schimmel, schlechter Geruch u. Geschmack) ⇒ Stroh wird weniger manipuliert, erhöhte Frustration

Stallklima

⇒ Gesundheitsrisiken (Atemwegserkrankungen, Mykotoxinbelastung) Optimierung des Bezugs und der Lagerung von Stroh Minderwertiges Stroh als Einstreu, zusätzlich andere manipulierbare Materialien Risikofaktoren - Tiergesundheit

Risikofaktoren - Umgebung

Krankheiten 1. Krankheiten des Verdauungstraktes (Durchfall, Endoparasitosen)

Spezielle Ausprägungen :

⇒ Vermehrtes Bedürfnis zu kauen, um Speichelbildung anzuregen

•Hautverletzungen durch Rangordnungskämpfe

⇒ Schwänze werden vermehrt bewegt (Enteritis, Durchfall) und ziehen die Aufmerksamkeit von Buchtengenossen auf sich (optischer Reiz) Infektion mit Räudemilben - Sarcoptes suis 2. Erkrankungen, die mit Juckreiz einhergehen (Ektoparasitosen) ⇒ Manipulationen durch Buchtengenossen werden gerne geduldet 3. Verletzungen (Hautsekret, offene Wunden) ⇒ Blutgeschmack ist sehr attraktiv (z.B. Infektion mit Staphylococcus hyicus)

•Hautverletzungen durch Besaugen •Beißen im Kopf- und Wangenbereich bei Saugferkeln •Vulvabeißen

Ohrrandnekrosen 1. Auswertung Fragebögen (54 Betriebe in Österreich und Deutschland) 2. detaillierte Untersuchung: 96 Schweine in 15 Betrieben in Österreich (Weissenbacher Lang, C. et al.)

(Weissenbacher Lang, C. et al.)

komplexe Pathogenese

89 % der TA sehen Ohrrandnekrosen häufig in der Praxis 91 % stufen diese als problematisch ein

Ohrrandnekrosen - Schlussfolgerungen

Stress

Grundlage: Gefäßveränderungen

Cortisol, Adrenalin

Hypothesen: Ohrbeißen als Ursache ? Durchblutungsstörungen der Endstrombahn, nachfolgende Nekrose ?

Gefäßengstellung Schlechte Wundheilung

(nachfolgende ?) bakterielle Besiedelung der oberen Hautschichten infektiöse Erreger als Wegbereiter Bakterien, Schimmelpilze und Mykotoxine als Kofaktoren Bedeutung von Pilztoxinen bleibt abzuklären Zusammenhang mit Futterwechsel bleibt abzuklären

Juckreiz

Düsser Wühlturm (Bild: Top Agrar Online)

-Strohverbrauch: 30-50 g pro Tier (Kurzstroh) -bisher keine negative Einflüsse auf Flüssigmistsystem oder biologische Leistung

Merkblatt „Beschäftigungsmaterial“, Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH http:// www.ama.at

Merkblatt „Beschäftigungsmaterial“, Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH 2x täglich Stroh: 2x10 g/Tier/Tag (Zonderland 2010)

Beschäftigungsmöglichkeiten

Porky´s Cool Toy

Zusammenfassung

Entstehung des Problems “Kannibalismus” durch mehrere Faktoren aus unterschiedlichen Bereichen möglich Genetische Prädisposition ist nicht auszuschließen: hohe Leistung erfordert hohe Ansprüche an Futterzusammensetzung und Management Beste Vorgehensweise: systematische Abarbeitung sämtlicher in Frage kommender Faktoren: -Stalltechnik -Management -Futter -systemische Krankheiten Tierbeobachtung ausweiten, um Aggressoren schnell zu erkennen Hohe Betreuungsintensität, genaue Aufzeichnungen, Hinzuziehen eines Experten (Schadensminimierung) 48 http://www.pigprogress.net/news/updated-with-video-meier-brakenberg-launches-toy-for-pigs-9360.html

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit !! Danke an: Alle Mitarbeiter der Klinik für Schweine, Veterinärmedizinische Universität Wien und der Klinik für kleine Klauentiere, Tierärztliche Hochschule Hannover 49