Kaiser Wilhelm II. in der Postkarten-Karikatur

Geschichte im Postkartenbild Band 2 Otto May Kaiser Wilhelm II. in der Postkarten-Karikatur „Herrliche Zeiten“? franzbecker Bibliografische Info...
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Geschichte im Postkartenbild

Band 2

Otto May

Kaiser Wilhelm II. in der Postkarten-Karikatur „Herrliche Zeiten“?

franzbecker

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ISBN 978-3-88120-926-7 Geschichte im Postkartenbild Band 2 Otto May: Kaiser Wilhelm II. in der Postkarten-Karikatur

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Inhalt: 1. Wilhelm II. – der letzte deutsche Kaiser............................................................ 1 2. Pressefreiheit und Majestätsbeleidigung .......................................................... 16 3. Aussehen und Kleidung des Kaisers in der Karikatur ..................................... 20 3.1. „Es ist erreicht“ – Der Bart des Kaisers ................................................... 20 3.2 Pickelhaube ................................................................................................ 25 3.3. Uniformen ................................................................................................. 27 4. Byzantinismus- und Cäsarismus-Vorwurf ....................................................... 29 4.1. Ludwig Quidde und die Caligula-Schrift .................................................. 29 4.1.1. Caligula und Kaiser Wilhelm .............................................................. 29 4.1.2. Herkunft der beiden Kaiser ................................................................ 29 4.1.3. Ende des alten Kurses ........................................................................ 31 4.1.4. Der Ehrgeiz, bewundert zu werden .................................................... 33 4.1.5. Der Vorwurf des Cäsarenwahnsinns .................................................. 39 4.2. Byzantinismus ........................................................................................... 58 4.3. Orden und Denkmäler............................................................................... 61 5. Reden und Trinksprüche ................................................................................. 64 5.1. Sozialdemokratische Reichsfeinde ........................................................... 64 5.2. „Parvenu“ Napoleon ................................................................................. 69 5.3. Die Boxerrede ........................................................................................... 73 5.4. Trinkspruch zur Moltke-Denkmalseinweihung .......................................... 78 5.5. Die Daily Telegraph-Affäre ....................................................................... 83 6. Die Harden-Affäre ........................................................................................... 88 7. Wilhelm und die „Gelbe Gefahr“ .................................................................... 93 8. Kanonenbootpolitik ....................................................................................... 101 8.1. Die Venezuela-Krise ................................................................................ 101 8.2. Die Marokko-Krisen ............................................................................... 103 9. Wilhelm II. und Europa ................................................................................. 112 10. Wilhelm II. und der Erste Weltkrieg ............................................................ 131 10.1. Kriegskarten in der Tradition der Propagandakarten ............................ 131 10.2. Die Rückkehr Bismarcks ...................................................................... 149 10.3. Bestien- und Gräuelkarten ..................................................................... 152 10.4 Dem Ende entgegen ............................................................................... 167 11. Wilhelm II. im Exil ....................................................................................... 173 Nachwort........................................................................................................... 190 Literatur ............................................................................................................. 192

1 1. Wilhelm II. – der letzte deutsche Kaiser Am 27.1.1859 wurde durch General Wrangel der Thronfolger Wilhelm als ein „strammer Rekrut“ angekündigt. Schon diese erste Erwartung konnte Wilhelm nicht erfüllen, denn drei Tage später stellten die Ärzte fest, dass bei der schweren Geburt sein linker Arm aus dem Schultergelenk gerissen war. Wegen der Beschädigung der Muskelpartien traute sich kein Arzt, den Knochen wieder einzurenken. Der Arm blieb sein Leben lang verkrüppelt (15 cm kürzer als der andere), ja sogar die gesamte linke Seite war in Mitleidenschaft gezogen: Wilhelm klagte oft über Ohrenschmerzen und Schwierigkeiten mit dem rechten Bein. Mediziner der heutigen Zeit streiten immer noch, ob nicht auch sein Hirn geschädigt war, ob also nicht ein partiell geistesgestörter Kaiser das Deutsche Reich regierte. Eine abschließende Antwort wird hier wohl nicht möglich sein. Tatsache aber ist, dass Wilhelm als Junge mit Maschinen und Übungen von den Ärzten gequält wurde, um eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit seines Armes zu erreichen. Schießen, Rudern und Tennisspielen mit einem Arm gehörten zu seiner Ausbildung. Das Erlernen des Reitens war besonders schmerzhaft, da es Gleichgewichtssinn erforderte, so dass Wilhelm oft zu Boden glitt und ohne Mitleid wieder auf sein Pony gehoben wurde. Abb. 1, Wilhelm II mit Vater und Großvater, ca. 1905

Abb. 2, Karte mit verschienen Fotos aus Wilhelms Kindheit, ca. 1905

2 Dazu kam noch die Erziehung durch den calvinistischen Hauslehrer Hinzpeter ohne jegliche menschliche Wärme und die Ablehnung der Mutter, Tochter der englischen Königin, wegen seiner Gebrechen. Immerhin tröstete ihn der Vater mit der uralten Weissagung eines Zisterziensermönches aus dem brandenburgischen Kloster Lehnin, wonach das Reich der Deutschen unter einem einarmigen Kaiser seiner größten Macht entgegengehe. Nicht überliefert ist, ob er ihm auch den Spruch der schlesischen Sibylle erzählte, wonach die Hohenzollernherrlichkeit nach 500 Jahren zu Ende sein sollte [Vergl. Fischer- Fabian, 1983, S.15]. Aber auch er nannte seinen Sohn „unreif“ und „urteilslos“. In der Postkartenkarikatur findet man kaum Hinweise auf Wilhelms verkrüppelten Arm. Lediglich eine russische Kriegskarte zeigt seinen Unterarm verbunden mit dem Bogen einer Geige, die Wilhelm nicht virtuos spielen kann. Man erkennt aber, dass nicht sein rechter, sondern sein linker Arm als geschädigt dargestellt wird.

Abb. 3, Wilhelm mit verkrüppeltem Arm, der fest mit einer Geige verbunden ist, ca. 1915

Abb. 4, Karikatur, die einen zu kurzen linken Arm zeigt, französische Karte von ca. 1905