Band 1, Ausgabe 1

Volume 3 | September 2013

JUST FOR SWING GAZETTE Swing is the Thing! - Mitteilungsblatt für Freunde swingender Musik in und um Leipzig Themen der Ausgabe  Klaus Buhé wäre 100 Jahre alt geworden  Steep Wall Stompers aus Meerane stellen sich vor  Die Band Hot & Blue aus Meerane feierte ihren 50. Geburtstag in Ponitz  Jazzgeschichte(n) aus Leipzig, Teil 1 von Peter Colev: der Trompeter Doc Cheatham  „Zwischen den Strömungen― - Interview mit Karlheinz Drechsel, dem „Doctor Jazz“ der ehemaligen DDR  Just For Swing in Polenz  Jazz aus Down Under — neue CD der Caxton Street Jazz Band und und und ….

Jazz im Sächsischen Landtag? Etwas überraschend war die Anfrage schon, im Rahmen einer Auszeichnungsveranstaltung der besten Schüler Sachsens den musikalischen Rahmen zu bilden. Aber auch hier zeigt sich das lebensbejahende Wesen unserer Musik, Freude zu verbreiten. Das soll auch das Anliegen unseres Mitteilungsblattes sein, das von Ausgabe zu Ausgabe mehr Beiträge aufweisen kann und mittlerweile den doppelten Umfang erreicht hat. Der Verteiler von Interessenten, die das Blatt lesen möchten, wird immer größer. Besonders gefreut haben wir uns über den Zuspruch von Karlheinz Drechsel, den ich den Lesern nicht vorstellen muss. Die Besprechung seines Buches und ein interessantes Interview mit ihm ist in dieser Ausgabe enthalten. (Seite 5 ff.) Desweiteren stellt sich die Band „Steep Wall Stompers“ aus Meerane vor (Seite 3). Wer sie z.B. im Hopfenspeicher in Leipzig hörte, kann bestätigen, dass die Musiker mit großem Elan fast vergessene Titel des traditionellen Jazz gut arrangiert vom Staub befreien. Staubwischen im Archiv ist das Anliegen von Peter Colev, der in seinen Erinnerungen und seinem Archiv kramte, um den (fast) vergessenen Trompeter Doc Cheatham zu würdigen. In einer der letzten Ausgaben habe ich über den Gitarristen Tom Buhé geschrieben, der mit fast 93 Jahren noch unsere Band verstärkt. In dieser Ausgabe veröffentliche ich einen Artikel über seinen ebenso bekannten Bruder Klaus, den ich zu Beginn des Jahres für das Journal „Swinging Hamburg― geschrieben habe. Ich hoffe, dass für Alle wieder Interessantes dabei ist und sich weitere Mitarbeiter und Interessenten für unser Journal finden. In diesem Sinne keep swingin‘ Detlef A. Ott

Ein Nachtrag in Erinnerung zum 100. Geburtstag des Lehrers, Arrangeurs und Banjospielers Klaus Buhé Der einflussreiche und begabte Arrangeur und Banjospieler Klaus Buhé, welcher eine ganze Generation von Banjospielern beeinflusste, wurde 1912 im quirligen Berlin geboren, von wo seine Familie 1921 nach Leipzig zog. Vater Walter Buhé hatte eine Professur an der „Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe― erhalten. Während seiner Schulzeit am Petri-Gymnasium in Leipzig kam Klaus mit dem Jazz und Swing in Berührung. Im Musikhaus Julius Heinrich Zimmer-

mann am Augustusplatz arbeitete ein jüngerer, sympathischer und sich für Swingmusik begeisternder Verkäufer, der dem jungen Buhé auf dem Heimweg von der Schule die neusten amerikanischen Platten vorspielte und ihn mit dem Swingvirus infizierte. Die Eltern, streng an Klassik, Bach und Beethoven orientiert, waren über den Einfluss der „Negermusik― nicht begeistert. Klaus war aber vom Dixieland so

Fortsetzung auf Seite 4

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Die Sprache des Jazz Freunde traditioneller Spielweisen des Jazz werden umgangssprachlich auch als ―Moldy Fig‖ bezeichnet. Oftmals kann man im Jazz gebräuchliche Umgangssprache ethymologisch kaum nachvollziehen. In diesem Fall schickte mir der Trumpeter Phil Crumley aus San Francisco folgende Erklärung: "In a letter to Esquire, a serviceman named Sam Platt, who felt that jazz had gone astray, coined the term 'moldy fig.' It was picked up by Leonard and others to mean anyone who only liked the older style of jazz. A 1946 article in the Jazz Record declared: 'Every single year there's a new crop of phoneys trying to pervert or suppress or emasculate jazz. This year it's Diz Gillespie...a few years ago it was Cab Calloway...' Leonard later admitted regretfully that during this period, his own articles were often venomous as well. He likened the figs to fascists in a tirade published in Metronome. A writer for The Record Changer responded by altering Leonard's name and those of other Metronome writers to resemble those of prominent Communists. One Esquire reader wrote a letter in which he declared Leonard incompetent and referred contemptuously to Coleman Hawkins and Roy Eldridge as 'jump boys.'" LESERBRIEF Lieber Jazzfreund Detlef A. Ott; Vielen Dank für Ihren Beitrag über den von mir seit Jahrzehnten hochgeschätzten Henry Walther! Er, die Bescheidenheit in Person, hat eine solche Würdigung wirklich verdient. Und auch Gratulation zu dem Elan sowie aktives Wirken für das Mitteilungsblatt für Leipzig (und rundum) Nur relativ Wenige wissen das (noch) in Leipzig. Berührend das Interview mit Winfried Maier. Meine erste Valaida Snow-Schellack spielte ich (durch meinen Bruder) im Sommer 1943, meine Begeisterung über die unbekannte Trompeterin/Sängerin (wer ist sie ????) war enorm. Natürlich habe ich heute viele Aufnahmen von ihr, auch die von Peter Colev genannten CDs. Ganz herzliche Grüße, keeping jazz in mind Ihr Karlheinz Drechsel

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In Leipzig ist der Jazz zu Hause. Ein Motto, das auf viele Spielarten des Jazz zutrifft. Dieses Foto nahm der Leipziger Jazzfotograf Steffen Pohle auf. Es ist das Titelfoto der Ausstellung mit beeindruckenden Schnappschüsse, die in der Mittelschule Portitz in der Lidicestr. 12 zu sehen sind. Dabei dokumentieren die Fotos nebenbei die Vielzahl der Leipziger Spielstätten für Jazz. Eintritt zur Ausstellung ist frei.

Plakat gefunden im Plattenladen ―Die Plattenrille‖, Hamburg | Juli 2013

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Jazz aus Meerane: Steep Wall Stompers Autor: Johann Klein

Als die STEEP WALL STOMPERS sich Ende der 1970er Jahre formierten, ahnte wohl keiner, dass dieses Unternehmen zu den dauerhaftesten Vertretern des traditionellen Jazz in Westsachsen aufsteigen würde. Die Begeisterung für diese Musik wurde durch die Clubszene in den Universitätsstädten geweckt, und in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts öffnete sich mit dem Dixieland Festival in Dresden ein Fenster zur Welt. Nun wusste man, wozu man ein Instrument erlernt hatte, diese Musik wollte man spielen. Es begann mit der jazzigen Tanzmusik der 1920er und 1930er Jahre, der man den Staub abpustete, die Begegnungen mit anderen Bands lieferten Kritik und Anregungen. Und so bildete sich eine Truppe von Jazzern, die mehr wollte, als in bunten Westen und lustigen Hüten gängige Standards zu spielen. In der enormen Bandbreite der Sächsischen Bands gab es eine ernstzunehmende Band mehr. Den Namen borgte man sich von der Fabrik, in der man proben konnte, die Technik beschaffte man sich durch Beziehungen, die Läden waren nicht so gut bestückt. Irgendwann musste der Probenraum gewechselt werden, man trennte sich vom Besitzer der alten Proberäumlichkeiten im Unfrieden. Ein neuer Name wurde gebraucht. Nun bot die Stadt ein überregional bekanntes Wahrzeichen, die Steile Wand von Meerane. Eine Straße mitten in der Stadt, 436 m lang mit 14 % Steigung, gefürchtet und verflucht bei Radfahrern und schwach motorisierten Kraftfahrern. Die Internationale Friedensfahrt der Radamateure nutz-

te sie oft und gern als spektakuläres Etappenziel und noch heute ist sie eine sportliche Herausforderung. Aus der Steilen Wand wurde Steep Wall und was macht man dort: man stapft keuchend hinauf. Es klang gut, STEEP WALL STOMPERS – ein Hauch Internationalität in der Provinz. Die Rhythmusgruppe als harter Kern der Un-

ternehmung war nach einigen Jahren fest etabliert, nur mit den Bläsern wollte es nicht so recht klappen, ständige Wechsel verhinderten ein eigenständiges Profil und man blieb im musikalischen Mittelfeld. Ein hoffnungsvoller Trompeter gab der Eifersucht der Ehefrau nach, ein Klarinettist ging nach dem gesundheitlichen Abstieg verloren, ein genialer Saxophonist ertrug das Tourleben nicht und mit seinem Ausstieg war die musikalische Leitung ebenfalls wieder vakant. Die 2000er Jahre sollten dann endlich Stabilität und die musikalische Qualität in die Combo bringen, für die sie

heute vom Publikum und den Veranstaltern geschätzt wird. Die Jagd nach einem Trompeter wurde aufgegeben, nachdem der Saxophonist und der Posaunist bei einem Studio-Job wieder einmal erfolglos einen Trompeter ziehen ließen. Kurzerhand wurde das Saxophon von der zweiten Stimme in die Lead-Position gesetzt, der neue Klarinettist dann mit Jazz Stilistik gequält und das Repertoire in monatelanger Arbeit erneuert. Mit der professionellen Bläsergruppe kam es zu einer stärkeren Hinwendung zum Chicago Stil und dem Trad Jazz britischer Prägung, der sehr deutsche Bier-Dixie gehörte damit ebenso der Vergangenheit an, wie die Gesangsimitationen und übernommene Stilblüten der 1950er und 60er Jahre. Viele vertraute Jazzstandards kommen nun frisch und lebendig auf die Bühne, im ZDF Fernsehgarten, im Jazzclub, beim Internationalen Dixielandfestival Dresden. Es ist als kämen gute Freunde zu Besuch, die es immer wieder verstehen uns zu überraschen. Und die eigenen Titel fügen sich in das Repertoire ein, als wären auch sie in der Jazzära geboren. Mit der Pflege musikalischer Tradition ist es ja im Jazz nicht anders, wie in jeder anderen Musikrichtung: Es hat keinen Sinn die Asche anzubeten, sondern man muss des Feuer am Leben halten, und das verstehen die 7 von den STEEP WALL STOMPERS prächtig. Volkmar Köhler, dr; Dietmar Walter, p; Frieder Ohl, bj; Volkmar Hesse, sax; Wolfgang Schmidt, tu; Manfred J•ger, cl; Johann Klein, tb

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hingerissen, dass er selbst ein Tenorbanjo aufbaute, lernte es selbst zu spielen und wurde später ein gesuchter Banjospieler. Dank seiner auffälligen Musikalität lernte er autodidaktisch bald Klarinette und Saxophon bis zum Studienbeginn als Flugzeugingenieur an der TH in Weimar. Sein Praktikum als Aerodynamiker absolvierte er 1936 in Berlin, wo er den Arzt und Jazzgitarristen Hans Korseck kennenlernte - den Autoren der ersten deutschen Schule für Plektrumgitarre. Sein Einfluss machte den hochbegabten Klaus Buhé schnell zu einem Jazzgitarristen. 1938 stieg er bei den Focke-Wulff Flugzeugwerken in Bremen ein. 1941 wurde er als Flakhelfer nach Norwegen eingezogen, wo ihn ein Zufall mit dem berühmten Orchester Heinz Wehners zusammenführte. Dieses war zur Truppenbetreuung in Norwegen auf Tour. Wehner kannte Klaus aus Berlin und erreichte beim Generalstab seine sofortige

Klaus Buhé

Einstellung als Saxophonist, Banjo Solist und Arrangeur! Korseck hingegen fiel 1942. Ab 1946 war Buhé wieder in Bremen. Er schlug ein Angebot der USA für die NASA in Cape Canaveral zu arbeiten aus und blieb Musiker! Bald war er ständiger Freier Mitarbeiter bei Radio Bremen und als Interpret, Komponist und Arrangeur tätig. 1967 begann er in Bremen eine Tätigkeit als Lehrbeauftragter, zunächst an der Pädagogischen Hochschule, später an der Universität und seit 1968 ebenfalls am Konservatorium der Freien Hansestadt Bremen. Nebenher spielte Buhé Banjo in verschiedenen Bands und veröffentlichte die Schule für Tenorbanjo, ebenso mehrere Sammlungen internationaler Folklore aus den USA, England, Ir-

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land und Schottland. Sein acht Jahre jüngerer Bruder, der im anderen Teil Deutschlands eine ähnliche Karriere durchlief und als Vater der Jazzgitarristenausbildung gilt, erinnert sich an ihn: “Mein älterer Bruder war immer der Wissenschaftler unter uns.“ In seinen Lebenserinnerungen

Klaus (li) und Thomas Buhé (re) in Bremen 1960er Jahre (?) | Foto: Archiv Tom Buhé

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schrieb er über einen Besuch in den 1960er Jahren in Bremen: „Klaus war rund um die Uhr beschäftigt: beim Sender als Musiker mit Saxophon, Gitarre und Banjo, als Arrangeur und Komponist. Ganz ähnlich wie ich im fernen Leipzig hatte er eine wachsende Zahl Gitarrenschüler um sich geschart und seine Erfahrungen im Unterricht in einem Schulwerk zusammengefasst,…“ (Mein Kaleidoskop, S. 298). Einer seiner Schüler war der Banjospieler Peter Meyer, der anlässlich des Todes von Klaus Buhé im Jahr 1996 im Banjo-Podium schrieb: “Das Banjo war Klaus‘ große Liebe, und er wurde nie müde, sein Wissen an andere weiterzugeben, mit seinem persönlichen Engagement, mit seiner Tenorbanjo-Schule und mit seinen vielen gedruckten Arrangements für Tenorbanjo.“ Am 12. Januar diesen Jahres wäre Klaus Buhé 100 Jahre alt geworden.

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Ulf Drechsel Zwischen den Strömungen — Karlheinz Drechsel — Mein Leben mit dem Jazz Buch + CD 978-3-9814852-2 NEUAUFLAGE jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg „Karlheinz Drechsel ist einer der unbesungenen Helden des europäischen Jazz". Dieses Statement des englischen Jazzmusikers Chris Barber findet sich auf dem Umschlag eines längst überfälligen Buches, welches durch Anregung des Sohnes Ulf Drechsel - selber u.a. am Rundfunk tätiger Jazzexperte – entstand und nun in einem kleinen Verlag vorliegt. Im Gespräch mit seinem Vater Karlheinz, der mit eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Jazz in der DDR war und auch schon mal „Dr. Jazz― oder der „Behrendt der DDR― genannt wurde, bewältigen sie im Ergebnis eine spannend zu lesende Erinnerungsarbeit. Dabei ist es sehr gut gelungen, persönliche Rückschau auf ein inhaltsschweres, turbulentes Leben mit dem Geist des Jazz zu verbinden und subjektive Ansichten in einer transparenten Form zu schildern, die eine Ära der Zerrissenheit im Durcheinander politischer Ereignisse der damaligen Zeit nachvollziehbar machen. Karlheinz Drechsel wurde 1930 in Dresden geboren. Als Theater- und Kulturwissenschaftler arbeitete er bis 1991 als Regisseur für Hörspiel/ Literatur am Rundfunk in Berlin und hat im Rahmen dieser Tätigkeit immer wieder Zeit gefunden, dem Jazz Aufmerksamkeit zu verschaffen und diesen in die Öffentlichkeit zu tragen. Er hielt Hunderte von Vorträgen, moderierte Jazzsendungen im Radio und Fernsehen, war als künstlerischer Leiter vieler Konzertreihen (nach der Wende auch im Westen Deutschlands) tätig, schrieb unzählige Plattentexte, begleitete Tourneen unterschiedlichster Jazzmusiker im Lande (Louis Armstrong, Dave Brubeck, Oscar Peterson, Albert Mangelsdorff, Chris Barber, Kenny Ball und Acker Bilk u.v.a.) und tat etwas, was im politischen System der DDR als Einzelkämpfer mehr als schwierig war. Er versuchte den Spagat zwischen persönlichem Anspruch und der ständigen Einflussnahme kulturell

Verantwortlicher (ein Leben zwischen den Strömungen), was oft zu unterschiedlicher Wahrnehmung seiner Tätigkeiten führte und ihn sogar in Verdacht brachte, mit der Staatssicherheit zu kooperieren – ein hartnäckiges, aber unhaltbares und i m

Buch widerlegtes Gerücht, das ihm nach der Wiedervereinigung so manches Problem m a c h te. Schon während des Krieges erwachte im jugendlichen Alter sein Interesse am Jazz. „Schuld― daran war sein Bruder, der als Kurier der Wehrmacht nebenbei auch Swingplatten aus Frankreich und den Beneluxstaaten mitbrachte. Als Amateur-Schlagzeuger organisierte er 1946 den ersten Dresdner Jazz-Zirkel und 1964 das erste AmateurJazzfestival der DDR in Berlin. Er ist einer der Mitbegründer des seit 1971 stattfindenden Internationalen Dixielandfestivals Dresden, welches auch heute noch zu den beliebtesten Festivals

traditioneller Musik gehört und durch seine anspruchsvolle Moderation gewürzt wird. 1976 war er Mitbegründer und bis 1989 Moderator der Internationalen Jazzbühne Berlin, die modernere Spielarten des Jazz auf die Bühne brachte. Auch da fühlte sich Karlheinz Drechsel heimisch. Besondere Wertschätzung bezeugt er gegenüber den Dresdner Tanzsinfonikern, einer einzigartigen Formation swingender Tanzmusik und des Jazz, die in den 1990er Jahren ohne großes Aufsehen ihre Arbeit einstellte. Dabei sind seine persönlichen Aussagen über das Wesen des Jazz besonders beachtenswert. War doch Drechsel nie einer, der Jazzmusik in Schubladen einordnete, sondern als eine individuelle, musikalische Ausdrucksform in all seinen Facetten schätzte. Lediglich die sogenannte „Kaputtspielphase― des Free Jazz fiel bei ihm auf Unverständnis. Die vom Sohn Ulf Drechsel gelieferten Stichpunkte führen immer wieder zu neuen Erinnerungen, Episoden, Anekdoten oder augenzwinkernden Offenbarungen, wie die als Moderator beim Schlagerfestival der Ostseeländer gearbeitet zu haben. Verletzlichkeiten werden spürbar, aber auch immer wieder die Freude über große erlebte Momente, was dem Jazz auch als eine besondere Lebenshaltung innewohnt. Persönliche Begegnungen mit Musikern wie Louis Armstrong spielten dabei eine prägende Rolle und gaben dem grauen Alltag in der DDR ein wenig Farbe und ein anderes Lebensgefühl. Wer kann das als Jazzfan nicht nachvollziehen? Das Buch ist eine wichtige Ergänzung im Anliegen, die Problematik der Wahrnehmung von Jazz in der DDR aufzuarbeiten. Viele Statements befreundeter Kollegen und unterschiedlichster Musiker wie z.B. von Chris Barber oder Dave Brubeck lesen sich wie ein nachträglicher Glückwunschreigen zum 80. Geburtstag vor zwei Jahren. Aber auch

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seltene Fotos und eine Auflistung der wichtigsten Aktivitäten Drechsels im Jazz machen das Buch zu einer wahren Fundgrube und einem weiteren zeitgeschichtlichen Dokument deutsch-deutscher Kulturgeschichte. Das Buch wurde im Verlag der Jazzwerkstatt Berlin - Brandenburg neu aufgelegt, nachdem der Greifenverlag zu Rudolstadt und Berlin, wo die 1. Auflage erschien, durch wirtschaftliche Schwierigkeiten im Juli 2011 beschloss, den Geschäftsbetrieb einzustellen. Die redigierte Neuauflage enthält neben zahlreichen Fotos mit verbesserter Bildqualität zusätzlich eine CD, die eine wichtige Ergänzung zur Erstauflage darstellt. Sie enthält unveröffentlichtes Material aus Drechsels Privatarchiv und zeigt die Vielfalt der Jazzszene der ehemaligen DDR auf, wie sie auf Schallplatten sonst nicht dokumentiert wurde. Entstanden sind die Aufnahmen 1965 und 1966 während verschiedener von Drechsel initiierter Konzerte in Dresden. In verschiedenen Besetzungen spielten die besten Jazzmusiker der DDR dieser Zeit, u.a. Joachim Kühn mit dem Bassisten Klaus Koch und ErnstLudwig Petrowsky, die junge Sängerin Ruth Hohmann mit den Dresdner Tanzsinfonikern, der Saxofonist Friedhelm Schönfeld u.v.m. Ein kleiner Leckerbissen ist das traditionelle „See See Rider― des damals 24jährigen Gitarristen Reiner Schöne, der 1968 die DDR verließ und im Westen Deutschlands eine Karriere als Schauspieler und Sänger startete. Die musikalische

Karlheinz Drechsels Vorträge sind immer spannend und unterhaltsam. Am 26. Juli 2008 lässt er in Leipzig Erinnerungen an die berühmte Tournee Louis Armstrongs wieder lebendig werden. Hier im Gespräch mit dem Autoren. (Foto: K. Ott)

Auswahl zeigt, dass in den Nischen des DDR Kulturbetriebs hervorragender Jazz gespielt wurde, der keine Vergleiche zu scheuen brauchte und dokumentiert die Zeitlosigkeit dieser Musik unabhängig von Ort und Zeit der Aufnahmen.

Das folgende Interview wurde mit Karlheinz Drechsel per E-Mail am 25. Juli 2013 geführt, wofür ich mich bei ihm recht herzlich bedanke.

schenk die Zusammenarbeit in Form eines großen, auf Tonband festgehaltenen Interviews an. Das erschien mir als gute Lösung. So haben wir in mehreren Wochen und mit vielen Terminen die Basis für das Buch geschaffen und dann beide die Interviews zu brauchbaren Lesetexten überarbeitet.

Für seine Verdienste wurde Drechsel erst spät gewürdigt. Die DDR versagte ihm die Anerkennung, die mancher Jazzer in Form von staatlichen Auszeichnungen erhielt. Erst 2004 verleiht der Oberbürgermeister Dresdens ihm die Ehrenmedaille der Stadt Dresden. Ebenso erhält er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Am meisten aber hat ihn berührt, dass er Ende des Jahres 1999 in einer Leserumfrage der meistgelesenen Dresdner Tageszeitung neben vielen berühmten Namen zu den wichtigsten Dresdner Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gewählt wurde.

Wie kam die Idee zu dem Buch, welches aus meiner Sicht eine der besten Publikationen über den Jazz in der DDR ist? Die Aufarbeitung dieser Geschichte begann ja ziemlich spät. Mir ist nur eine Publikation als Doktorarbeit bekannt (Jazz in der DDR, Bernfried Höhne, Verlag Eisenbletter & Naumann Frankfurt/Main 1991 ISBN 3927355-05-4)

Die Dr.-Arbeit von Bernd Höhne ist nicht gut, beinhaltet viele falsche "Fakten", man spürt, dass der Autor eigentlich dem Jazz nicht nahe ist. Bei der öffentlichen Verteidigung der Arbeit an der Potsdamer Hochschule war ich zugegen und habe gegen viele falsche Passagen mit klarer Argumentation Einspruch erhoben, worauf die "Fachjury" den Autor aufforderte, Korrekturen vorzunehmen. Nichts geschah, die Arbeit wurde absolut unverändert anerkannt (doktoriert) und letztlich sogar in Buchform veröffentlicht. Daran muss ich tief traurig denken, nachdem Sie das Buch erwähnen. Von Herrn Dr. Bernd Höhne spricht heute kein Mensch mehr, er gehörte auch nie zur Szene. Während seiner Arbeit sah ich ihn des öfteren in Berlin bei "Jazz in der Kammer", weil er die dort gespielte Musik für

That‘s Jazz! Detlef A. Ott

Nachdem ich seit Jahren mit Empfehlungen, ein Buch über meine JazzErinnerungen zu schreiben, von vielen Seiten regelrecht bombardiert wurde, aber wegen der damit verbundenen Arbeit immer wieder ablehnte, bot mir mein Sohn Ulf quasi als Geburtstagsge-

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den einzigen "gültigen Jazz" hielt, wie er es mir selbst sagte. Aber dann sah man ihn nie wieder hinsichtlich Jazz; er war, mit Verlaub, ein Scharlatan, der einen "Parteiauftrag" emsig erfüllte. Was nach der Wende aus B. Höhne geworden ist, weiß ich nicht. Im Lehramt (Musikpädagoge) war er nicht mehr. Nach Erscheinen Ihres Buches sind Sie auch auf Lesereise gewesen. Welche Resonanz hat das Buch erhalten? Das Buch hat überall sehr gute Resonanz gefunden, wobei — offen gesagt - das Publikum im Allgemeinen älteren Jahrgängen, die mich noch aus meiner früheren JAZZ-Radiound Bühnentätigkeit kennen, angehörte. Leider sind jüngere Interessenten nur sehr selten dabei, wie man es ja auch bei Jazzkonzerten beobachten kann. Ihre reichhaltigen Erinnerungen im Gespräch mit Ihrem Sohn reflektieren ja eine große Spannweite der Geschichte des Jazz in der DDR? Was wird aus dieser Zeit Ihrer Meinung nach bleiben? Ja, was wird wohl aus der Geschichte des Jazz in der DDR bleiben? Viele persönliche Erinnerungen für jene, die sie ganz bewusst miterlebt haben, - wenn sie eines Tages sterben, dann sterben auch die Erinnerungen an erregende und "aufmüpfige" Erlebnisse im Zeichen des Jazz in der DDR, wozu viel Eigenproduktives, aber auch Gastspiele wie die von Louis Armstrong´s All Stars, dem Woody Herman - , Duke Ellington oder Thad Jones/Mel Lewis - Jazzorchester, dem Dave Brubeck Quartet, den Bands von Chris Barber und Acker Bilk, der Dutch Swing College Band, auch die Jazzbühne Berlin und das Dresdner Dixielandfestival zählen. Jene persönlichen Erinnerungen werden im Zeitenlauf naturgemäß immer weniger, während viele wunderbare AMIGA-Jazzaufnahmen, wie sie momentan erfreulicherweise und ganz überraschend in großer Zahl auf ihre CD - Wiederveröffentlichung finden, Bestand haben werden, - gewissermaßen von dokumentarischem Wert.

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Wird das Buch auch im Westen D- Dass traditionelle Spielformen dem Vergessen anheimfallen werden, glaube ich nicht, lands wahrgenommen? aber sie werden für viele ihren Reiz wie Die Wahrnehmung des Buches im Westen auch ihre einstmals große Bedeutung verlieDeutschlands erfolgte bei allen namhaften ren, wie es ja schon heute spürbar ist. Es Radiostationen, im "Spiegel" und im wird wohl eher der historische, "Jazzpodium", wobei es sich generell, zu "geschichtliche" Wert Bedeutsamkeit behalmeiner Freude wie auch Überraschung, ten, aber es werden gewiss keine Profimusium außerordentlich positive Einschätzun- ker mehr sein, die sich damit beschäftigen. gen handelte. Allerdings sind Buchbestel- Die Generationsfrage der Musiker spielt lungen aus dem Westen eher selten, es hier eine große Rolle. Hier kommt speziell dominiert absolut der Osten. Ende No- dem Amateurjazz wieder große Bedeutung vember werden mein Sohn und ich das zu, - aber auch Amateure wollen vor PubliBuch erstmals öffentlich im Westen, in kum spielen! In einem Berliner Jazzkonzert Hamburg, vorstellen. begegnete mir vor wenigen Monaten ein junger Besucher (17jährig), der überhaupt Welche Aktivitäten treiben Sie noch nichts mit dem Namen "Louis Armstrong" anzufangen wusste, aber ein wirklicher auf der Jazzszene um? Jazzliebhaber Ich bin jetzt 83, was ich kaum glauben will. Wo sind die Jahre geblieben?! Zu Welche Schallplatten nehmen Sie unbegern würde ich mit Jazz noch beim Radio dingt auf eine einsame Insel mit? arbeiten, wie ich es fünfzig Jahre tun durfte. Aber leider..... Aber ich bin ich noch Auf die "Insel" würde ich an Plattenaufnahauf der Bühne als Moderator aktiv, - seit men mitnehmen: (von einhundert die enge 43 Jahren ununterbrochen beim Dresdner Auswahl): Charlie Parker mit "Parker´s Dixieland festival, beim Berlin - Mood", den "West End Blues" mit L. ArmKöpenickerBlues- und Jazzfestival (auch strong´s Second Hot Five (1928), "What A als Schirmherr), 14-tägig bei meinem Wonderful World" mit L. Armstrong/Oliver Berliner Verein "Jazz Treff Karlshorst Nelson Orch., "Things Ain´t What They e.V." sowie sporadisch hier und dort, falls Used To Be" und "Solitude" mit dem Duke man mich noch haben will. Ellington Orch., Modern Jazz Quartet mit "Django", "Why Was I Born" mit John Wie nehmen sie die vielschichtigen Ent- Coltrane/Kenny Burrell, "The Blues March" wicklungen des Jazz der Gegenwart mit Art Blakey´s Jazz Messengers, und der vielen Nebenströme wahr? "Honeysuckle Rose" mit Fats Waller sowie Gibt es da Musiker, die aus Ihrer Sicht auf AMIGA"Jazzgedichte" mit Gisela May, an die großen Namen der Vergangen- Fred Düren und Friedhelm-SchönfeldSextett. heit anknüpfen können? Die unglaubliche Vielfalt, die der heutige Jazz demonstriert, macht es zunehmend schwieriger, die Gesamtentwicklung und die vielen "Nebenströme" wirklich wahrzunehmen. Die häusliche Plattensammlung "aus alten Zeiten" muss dann für ästhetischen Genuss sorgen. Mein Sohn Ulf, der bei rbb-Kultur als Jazzredakteur arbeitet, macht mich mit dem Wichtigsten der gegenwärtigen Jazzentwicklung bekannt. Ich bin dabei nicht immer glücklich, und ein Musiker, der an die großen Namen der Vergangenheit anknüpft, fällt mir leider nicht ein. Häufig wird die Sorge um den Fortbestand des Jazz geäußert – besonders von Puristen traditionellerer Spielformen. Haben Sie Bedenken, dass traditionellere Spielformen dem Vergessen anheimfallen werden?

La Velle über Billie Holiday

„Billie Holiday ist die Stimme, die weint ohne Tränen zu vergießen.“ Dokumentation ―Billie Holiday forever‖ arte 2012

Leipziger Jazzgeschichte(n) Part 1 von Peter Colev

Begegnung mit Doc Cheatham

In wenigen Jahren wird der Jazz 100 Jahre alt. Die faszinierende Jahrhundertmusik ist längst Bestandteil der Weltmusikkultur und bleibt die bedeutendste musikkulturelle Leistung Amerikas im 20. Jahrhundert. In den 1920iger Jahren d. vorigen Jahrhunderts verbreitete sich der „Jazz-Virus“ sehr schnell in den Hauptstädten Europas und nicht nur dort. So ist unser Leipzig nicht nur Universitäts-, Buch- und Messestadt, sondern auch Jazzstadt! Einer der ersten Jazzclubs Deutschlands 1932 (durch Hot-Geyer gegründet), das erste Jazzbuch (1926 und 1929 Zweitauflage) Deutschlands – Verlag Zimmermann Leipzig, sowie die ersten transatlantischen Jazzaktivitäten: Sam Wooding and his Chocolate Kiddies (mit Doc Cheatham, 1928) sowie die Bands von Jack Hylton, Bobby Hind, die Travellers u.a. prägten damals schon die Szene. Darüber wird noch zu berichten sein. Hier und heute geht es um eine sensationelle Begebenheit, die sich im September 1994 auf der Kulturbühne des Kaufhauses Kar-

stadt ereignet hat. Am 26.09.1994 spielte hier die bedeutende und enorm swingende Barrelhouse Jazz-Band aus Frankfurt/ Main unter Beteiligung einiger amerikanischer Stargäste, unter ihnen Al Casey (g), langjähriger Begleiter Fats Wallers sowie George Kelly (ts) und nicht zuletzt Doc Cheatham (tp). Für 36,00 DM ließen wir (Klaus Hesse und meine Wenigkeit) es uns nicht nehmen, für diese Veranstaltung Plätze zu buchen. Der Saal war nur mittelmäßig besetzt und auf der Bühne sahen wir schon wegen seines Alters auf dem Stuhl sitzend, Doc Cheatham (damals 89 Jahre) die Trompete auf seinem Schoß liegend. Die überwiegend swin-

genden Standards der Band mit ausgiebigen Soli der Musiker lösten bei uns einen Sturm der Begeisterung aus. Der betagte Doc (Cheatham) beeindruckte

dabei mit einer erstklassigen Solobeteiligung in kraftvoller sowie z.T. extrovertierter Spielweise. In dem Wissen, dass Doc Cheatham bereits 1928 im Leipziger CT-Casino mit Sam Wooding als 23jähriger junger Trompeter im Rahmen einer EuropaTournee auftrat, gingen wir in der Pause „Backstage― und sprachen ihn auf dieses Faktum an. Der äußerst liebenswürdige, hagere und schwarzhaarige Trompeter, übrigens ein gebürtiger Cherokee -Indianer, der aufgrund seiner Europa-Tourneen auch etwas deutsch sprach, wunderte sich natürlich, dass zwei Leipziger „Youngster“ seinen musikalischen Lebensweg sowie einige seiner Records kannten. Als ich ihn auf eine in meinem Besitz befindliche LP „Big Apple Bash― (Label: Atlantic) - für mich eine 5 Sterne Record - von 1979 mit Gerry Mulligan, Jay Mc Shann, Dicky Wells und Herbie Mann (mal nicht Flöte, sondern ts!) ansprach, wurde er immer verbindlicher. Offensichtlich hatte er erkannt, dass er hier zwei DEVOTEE’s begegnet war. Sehr gern gab er uns zum Abschluss ein Autogramm und dankte für das Gespräch. Übrigens: Sein freundliches Wesen und seine längste Musikerkarriere als aktiver Trompeter (mehr als 75 Jahre) ist in der Geschichte des Jazz einmalig und die Begegnung bleibt uns noch heute in sehr guter Erinnerung. Jazzkritiker behaupten, im Hinblick auf seine musikalische Karriere, dass die letzten 20 Jahre seines Lebens besonders kreativ waren und seine Spielweise in diesem Zusammenhang zunehmend gereift war. Adolphus „Doc― Cheatham wurde am 13.06.1905 in Nashville/ Tennessee als Sohn eines Barbiers und einer Lehrerin geboren. Er wollte zunächst Pharmazie

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bzw. Medizin studieren, entdeckte aber bald seine Hinwendung zur Musik. Sein ursprüngliches Berufsziel verschaffte ihm von nun an den Nickname „DOC―, also Doc Cheatham. Als Jugendlicher spielte er zunächst Altsaxophon, wechselte aber dann später zur Trompete. 1923 spielte er bereits schon in Vaudeville mit Bessie Smith. 1926 spielte er in Chicago bei George Wynn und traf hier die Blues-Sängerin Ma Rainey. Bald stand er in dieser Zeit unter dem Einfluss von Louis Armstrong, auch von King Oliver, der ihm einen Trompetendämpfer (Chap-Mute) aus KupferMessing schenkte, den der Doc lebenslang nutzte. Seine musikalischen Aktivitäten lesen sich wie ein „Who’s Who― in Jazz: 1927-1928 Wilbur de Paris/Chick Webb, sowie Europatournee mit Sam Wooding: 1931-1932 McKinney’s Cotton Pickers 1932- 1939 Cab Calloway 1939 Teddy Wilson 1940 Benny Carter 1944 Eddie Heywood In den 1950iger Jahren spielte er von nun an als Freelancer öfters in verschiedenen Formationen und sogenannten Pick-Up Bands u.a. mit Sammy Price, Wilbur de Paris, Herbie Man. 1960 gab es dann auch noch einen Kurzauftritt im Orchester von Benny Goodman. Sein Stil ist bzw. war durch Louis Armstrong stark geprägt, manchmal mit leichten Akzenten (Schnörkeln) im Ruby Braff-Idiom. Er konnte aber auch besonders in den späteren Jahren seines Wirkens expressiv sein. Sein Gesang war ausgesprochen emphatisch, manchmal zurückge-

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nommen und leise. Einer seiner Lieblingsgesangtitel war u.a: vokalund instrumental eine einmalige Interpretation des bekannten Standards „I want a little girl― (siehe: YouTube, Concert im ZDF 1987). Unbedingt ansehen! Kurz vor seinem Tod hatte er u.a. noch Gigs in kleinen New Yorker Jazzclubs, so z.B. im berühmten Club „Sweet Basil―. Er spielte faktisch bis wenige Tage vor seinem Tod im Juni 1997 in Washington D.C.. Doc Cheatham gehörte nicht zur Equipe der Trompeter in der ersten

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Reihe, aber er war der dienstälteste Trompeter in der Geschichte des Jazz. Zudem war er als Sympathieträger ein gern gesehener Gast in den Jazz-Clubs weltweit. Yeah, man: Du wirst nicht vergessen! PS: Für Internet-User bei YouTube bedeutende Clips verfügbar, besonders auch Jazz-Fest Bern (1987) Session mit Arnett Cobb und Al Grey. Exzellent! LP- sowie CD-Empfehlungen auf Anfrage

Programmheft des Konzertes im Karstadt Leipzig 1994 — mit freundlicher Genehmigung von Peter Colev

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SLIPPED MY MIND von Warren R. Perry (Schlagzeuger der Natural Gas Jazz Band, San Francisco)

"Weißt du", fährt er fort, "ich habe den ganzen Tag Golf gespielt und es war ein echter Knaller. Ich hatte ein paar richtig gute Läufe und danach sieben oder acht Bier auf dem Golfplatz. Anschließend dann kamen wir wieder hierher für ein paar mehr, plus einige Wodka Tonics. Als ich wieder nach Hause kam und die Tür öffne, kommt meine Frau wie ein Dolch auf mich zu. Sie sagt: "Bist du betrunken? Bist du stoned? Hast Du ein Loch statt eines Gehirns im Kopf? Kannst du dich an nichts erinnern? Keine Blumen, keine Karte?―

Warren Perry (dr), Carl Lunsford (bj) - Tarragona Jazz Fest Spanien 2011 | Foto: Detlef A. Ott

Seien wir ehrlich - Ed Browns "Dew Drop Inn" ist nur ein weiteres Wasserloch, außer dass es der Ort ist, wo ich ein wenig rumhänge, wenn ich in Not bin und ein wenig Unterhaltung benötige. Es ist ein sanfter Tauchgang. Die Beleuchtung ist gedimmt und bunt, mit freundlicher Genehmigung von "Bud Light" und "Coors Beer―. Die Jukebox ist voll von alten Elvis Stücken und verschiedenen Schlagern. Das Personal von Persönlichkeitsgespaltenen Bartenders hilft auch nicht viel, den Verstand von des Tages Mühen und Ärgernissen auszuschalten. Aber das Beste von allem ist der sympathische Haufen unterschiedlichster Typen, die sich dort für ein oder zwei AfterWork-Beer versammeln, bevor sie nach Hause gehen. Von dieser Gruppe ist Milt Casey mein Favorit. Er ist bekannt dafür, dass alle seine Freunde ihn einfach als MC nennen, etwas zu seinem Ärger. Er ist sehr unterhaltsam, ein Spezia-

list für die meisten Themen. Stellt man ihm eine Frage, bringt er einen aktuell auf den Laufenden mit den neuesten Informationen, egal was passiert ist. Er hätte wirklich aufs College gehen sollen. Aus ihm hätte etwas werden können. In fast jedem Fall steht er im Zentrum der Aufmerksamkeit - ein echter Conférencier. MCs Lippe ist gut an ein Glas Bier gewöhnt; dennoch scheint er seinen Verstand beisammen zuhalten, denn mit seiner Frau geht er seit vielen Jahrzehnten durch dick und dünn. Das ist deswegen auch interessant, weil sie einen Doktortitel hat, Eheberaterin ist und sowieso im Allgemeinen ein sogenannter Gutmensch. Es war Montagnacht und ich saß im "Dew Drop" auf ein Bier oder zwei. M.C. saß neben mir und war vollkommen niedergeschlagen. Ich frage: "Hey, MC, was ist das Problem, Mann?" "Verdammte Frauen!", murmelt er, ―man weiß nie, was als nächstes kommt. Ich weiß einfach nicht, wie man sie verstehen soll."

"Nun, ich bin nicht gut in solchen Angelegenheiten―, fährt MC fort: „Hallmark kann es sicher verkraften, wenn ich keine Karten bei denen kaufe, denke ich. Also was ist Sache? Aber ich sehe, dass meine Frau wirklich sauer ist und kann nicht herauszufinden, warum. Sie weiß, dass ich kein Grußkartenschreiber bin. Also frage ich sie, ‚Habe ich irgendwas vergessen?‗ Mann, das war die falsche Frage! Ich konnte fast sehen, wie der Dampf aufsteigt; Meine Frau kocht vor Wut und plötzlich schreit sie mich an: „Bist du jetzt komplett gehirntot? Wie konntest du meinen Geburtstag vergessen?" M.C. erzählt weiter: "Da stehe ich nun und denke, Hölle, das ist doch nun wirklich keine große Sache, aber ich sage ihr trotzdem, es tue mir leid und habe dann beiläufig hinzugefügt: ‚Schatz, man lebt! Es ist mir eben entfallen! ' Aber zu diesem Zeitpunkt war ich schon so in der Defensive! Ich konnte sehen, dass meine Frau mit den Augen rollte und sich auf den Kriegspfad begab. Sie riss mich an sich und schrie: "Du Idiot! Du bist so ein Idiot! Wie kannst Du meinen Geburtstag vergessen, wenn es auch Dein Geburtstag ist?!! (Diese Geschichte ist eine wahre Geschichte. Nur die Fakten, Namen und Orte wurden geändert) Übersetzung: D. Ott

Webseite: www.ngjb.com

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S e i t e

Der Jazz und seine Protagonisten Down Under sind in letzter Zeit – so scheint es - in weite Ferne gerückt, was nicht nur geografisch bedingt ist. Selbst das Ableben der Jazzlegende Graeme Ball im Juni 2012 hat hierzulande nur zu kurzen Zeitungsberichten gereicht, obwohl der Pianist noch im hochbetagten Alter aktiv war und nicht unwesentlich die Jazzgeschichte - nicht nur die Australiens – mitprägte. Auch andere hervorragende Jazzmusiker, außer den in Europa bekannten Namen wie die Trompeter Bob

Barnard oder James Morrison, setzen die Tradition fort und agieren oftmals unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit. Bestes Beispiel ist die Caxton Street Jazz Band. Seit 1977 ist die Band aus Brisbane eine der führenden Bands der Ostküste Australiens. Elf Jahre lang bis 1992 spielte sie regelmäßig in der Baroona Hall und im Caxton Hotel in ihrer Heimatstadt (daher der Name) und war auf zahlreichen Festivals in Queensland und in anderen Bundesstaaten zu hören. Das Repertoire erlaubt der Band, auf unterschiedlichsten Veranstaltungen zu spielen. Selbst nennt sie sich „ a 5 Functions group― (Hochzeiten, Jazzclubs, Dinnermusik, Bälle, private Partys). Die Band versteht sich als LIVE Band und agiert wöchentlich im Jazz Club in Brisbane. Von hier stammen auch die Aufnahmen ihrer erst dritten CD innerhalb von 37 Jahren und geben die typische Atmosphäre des Clubs wieder. Das Repertoire der ausgewählten Titel reicht von Ellingtons „Shout `em Aunt Tillie”, Lil Hardins „Perdido Street Blues―, dem Traditional „Gettysburg March“ bis hin zu Acker

Bilks „Summerset―, um nur einige der insgesamt 16 Stücke zu nennen. In der typischen Besetzung einer traditionellen Jazzband mit dem Trompeter John Braben, dem Klarinettisten Paul Williams, dem Banjo spielenden und singenden Posaunisten Tom Nicholson, der Pianistin und Sängerin Bernice Haydock, dem Bassisten Andrew Shaw und dem Leiter und Schlagzeuger der Band Bob Mair shuffeln und swingen sie sich durch abwechslungsreich arrangierte Stücke, deren Quintessenz ein populärer Mix ist, der durch großer Professionalität ein breites Publikum erreicht und das Erbe des traditionellen Jazz auf unterhaltsame Weise pflegt. Die CD kann man direkt bei Bob Mair ([email protected]) erwerben. Mehr Informationen über die Band findet man im Internet: www.caxtonjazz.com.au Detlef A. Ott

In the middle of nowhere — Just For Swing in Polenz

In einem umgebauten Kuhstall veranstaltet der Engländer Adam Johns und seine Frau, die japanische Pianistin Mariko Mitsuyu regelmäßig Kulturveranstaltungen in „The middle of nowhere― in Polenz. Bisher prägten klassische Konzerte den Veranstaltungskalender. Mit Swing sollte die Bandbreite erweitert werden. Das Wochenende stand im Schatten der

Flutkatastrophe der Umgebung. Das ebenso stattfindende Dorffest fiel aus diesem Grund aus. Nur wenige Zuhörer hatten sich demzufolge eingefunden. Stücke von Schostakovich, die zur Umrahmung der Vernissage der Fotoausstellung des LVZ Fotografen Klaus Peschel aufgeführt wurden, leiteten den Nachmittag ein. Mit swingenden Standards bildete JUST FOR SWING den

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Kontrast, wobei die Atmosphäre ein wenig an die Preservation Hall in New Orleans erinnerte. Eine New Yorker Besucherin gestand der Band in der Pause, dass sie sich in die 1940er Jahre zurück versetzt fühlte , als sie durch die Nachtclubs New Yorks zog. Mit viel Beifall der wenigen verbliebenen Zuhörer ging ein weiterer gelungener Auftritt zu Ende.

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„50 Jahre happy Jazz – glücklich mit Musik“ von Klaus Kirst (hot & blue jazz band Meerane)

roda, die Jazzcompany Chemnitz, die Old Factory Jazzband aus Niedie hot & blue jazz band, im derwiesa, das Trio wunderschönen RenaissanceSpreading Joy schloss Ponitz unseren 40. Geu n d burtstag. Unter dem Motto „50 Jahre happy Jazz – glücklich mit Musik― erinnerten wir gleichzeitig auch an die Gründung der jazz babies jena im Jahre 1963. Von dieser Band waren vier ehemalige Mitglieder anwesend.

Am

22.06.2013 feierten wir,

Daneben präsentierten sich alle sechs Gründungsmitglieder der hot & blue jazz band aus dem Jahre 1973. Die aktuelle Besetzung von hot & blue war natürlich auch dabei mit Klaus Kirst (tb,voc,ld seit 1973), Peter Ohl (bj seit 1973), Götz Methfessel (ss,cl,voc, seit 1979), Volkmar Hesse (cl,as, seit 1989), Wolfgang Schmidt (tuba, seit 2007), Henry Richter (dr, seit 2009). Musikalisch präsentierten sich mit originellen Geburtstagsgrüßen die Bourbon Jazzband aus Zwickau, die Inkspot Swingband aus Zeulen-

Oldtime Company Leuna, der Uni Jazzband Halle, der Greenspan Jazzer aus Schefflenz, der Old Time Memory Jazzband Jena von 1962 und vom Blasmusikverein Meerane 1968 begrüßen.

Daneben

waren auch

weitere Musiker anwesend, viele von ihnen fanden sich am späten Abend zu einer begeisternden Jam Session zusammen. Außer ihnen begrüßten wir zahlreiche Gäste, Freunde, Familienangehödie rige, Wegbegleiter und Fans und freuten uns, mit ihnen zu Steep feiern. Wall Stomp e r s , Komplettiert wurde das Ganbeide aus Meer a n e . Wir durften Vertreter von Porkie ze durch eine von Peter Ohl & Bass aus Radebeul, der legendä- gestaltete Ausstellung mit Plaren Roberts Jazzgesellschaft aus katen, Fotos und Erinnerungsehemals Karl-Marx-Stadt, der stücken aus der BandgeLeipziger Jazzenthusiasten, der schichte sowie ein Benefizkonzert für den Förderverein Renaissanceschloss Ponitz am 23.06.2013 vo r vol l e m Haus mit begeistertem Publikum.

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SIE FINDEN UNS AUCH IM WEB! WWW.JUST-FOR-SWING.DE.VU

DIVERSE AUFTRITTSTERMINE JUST FOR SWING (Leipzig) http://www.jazzfan24.de/JFS/Aktuell.htm

HOT & BLUE JAZZ BAND (Meerane) http://hot-and-blue-jazz-band-meerane.de/

IMPRESSUM Herausgeber JUST FOR SWING Just For Swing ist eine Non-Profit Organisation zur Verbreitung des Swing Virus Redaktion: Detlef A. Ott Mitarbeiter dieser Ausgabe: Peter Colev, Johann Klein, Klaus Kirst, Thomas Buhé

07.09.2013 18.00 Uhr Kunstnacht im Rittergut, Schlossallee Lichtenwalde, 09577 Niederwiesa

08.09.2013 18.00 Uhr Konzert in der Lukaskirche

13.10.2013 17.00 Uhr Konzert in der Emmauskirche

JAZZ ERST RECHT (Leipzig) 28.12.2013 18:00 Waldschänke Reudnitz Gasthof Pelzer

Jeden Freitag ab 20.00Uhr Jazz Session im Papa Hemingway | Münzgasse 1, Leipzig check it out!

Telefon: 0341 5 61 43 62 E-Mail: [email protected] Die Gazette erscheint einmal vierteljährlich und ist ein Magazin, welches durch ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet wird. Für unaufgefordert eingesandtes Material besteht keine Rückgabepflicht. Alle Beiträge sowie das Bildmaterial sind urheberrechtlich geschützt. Nächste Ausgabe erscheint im Januar 2014

Die Leipzigerin Jutta Hipp war nicht nur eine begnadete Pianistin. Wenige wissen, dass sie eigentlich Grafikerin war, die in Leipzig beim Vater von Thomas Buhé studierte. Auch schrieb sie Gedichte, von denen wir in der letzten Ausgabe eines abgedruckt haben. Hier nun ein Cartoon von Jutta, welches sie dem Jazzfreund Kurt Michaelis geschickt hatte, der sie noch 1983 in New York besuchte. Die Grafik stammt aus seiner Sammlung. Kürzlich erschien eine Hommage an Jutta Hipp, die von der Saxofonistin Ilona Haberkamp eingespielt wurde. Cool Is Hipp Is Cool: A Tribute To Jutta Hipp, Laika 2013