Juristisches Repetitorium hemmer Übersicht 30 AT

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Kursorte Münster / Osnabrück / Kiel / Göttingen

Übersicht Konkurrenzen I. Aufgabe der Konkurrenzlehre Die §§ 52 ff. StGB legen fest, welchem von mehreren erfüllten Deliktstatbeständen die Strafe zu entnehmen ist und ob diese Strafe erhöht wird (dann sog. Tatmehrheit = Realkonkurrenz, §§ 53ff. StGB, mit der Folge der Asperation) oder nicht (dann sog. Tateinheit = Idealkonkurrenz, § 52 StGB, mit der Folge einer Absorption). Neben Tateinheit und Tatmehrheit ist als weiteres Konkurrenzverhältnis die sog. Gesetzeskonkurrenz = Gesetzeseinheit anerkannt. Die Gesetzeseinheit bildet die engste Beziehung zwischen mehreren erfüllten Strafgesetzen und führt dazu, dass das „unterliegende“ Strafgesetz vollständig verdrängt oder aufgesogen wird und auch im Tenor des Strafurteils nicht mehr in Erscheinung tritt. II. Begriffe der Konkurrenzlehre - „Handlungseinheit“ und „Handlungsmehrheit“ betreffen die Frage: „Wieviele Handlungen liegen vor?“ - „Gesetzeseinheit“ und „Gesetzesmehrheit“ betreffen die Frage(n): „ Kommen die verletzten Strafgesetze nebeneinander zur Anwendung?“ „ Wenn (-), welche scheiden infolge Verdrängung durch andere aus?“ - „Tateinheit“ und „Tatmehrheit“ (beide nur bei Gesetzesmehrheit!) betreffen die Frage: „Richtet sich die Bestimmung der Rechtsfolge, insb. die Bemessung der Strafe, nach § 52 oder §§ 53, 54 StGB?“ Beachte: Der Ausdruck „Gesetzeskonkurrenz“ ist irreführend, da er auf eine Anwendung aller konkurrierender Gesetze hindeutet. In Wahrheit handelt es sich bei der sog. „Gesetzeskonkurrenz“ um Gesetzeseinheit, da nur eines der Gesetze zur Anwendung kommt (auch unechte bzw. scheinbare Konkurrenz genannt). Daher wird z.T. nur dieser Ausdruck verwendet. Strafgesetze, die nebeneinander zur Anwendung kommen, stehen dementsprechend in Gesetzesmehrheit. III. Hinweise zu Konkurrenzfragen in der Klausur -

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Fälle der Gesetzeseinheit können möglichst früh angesprochen werden, weil bei dieser schon die Strukturen des Gesetzes entscheiden; Überlegungen zur Tateinheit/Tatmehrheit hängen dagegen von der Struktur des zu prüfenden Sachverhalts ab und können erst am Ende der Fallbearbeitung geprüft werden. Es empfiehlt sich daher zurücktretende Tatbestände aus der weiteren Betrachtung auszuschließen und so die Überlegungen zur Tateinheit/Tatmehrheit von zurücktretenden Tatbeständen zu entlasten.1 Letztere dürfte v.a. bei eindeutig gegebener Tateinheit in Betracht kommen.

Für eine Behandlung der Gesetzeseinheit innerhalb der Ausführungen zu Tateinheit/Tatmehrheit spricht sich Wessels/Beulke, AT Rn. 797 aus; wie hier dagegen Haft, AT 12. Teil § 4; Gropp, AT § 14; ähnlich Kühl AT 21/69, 74ff., 79ff. RA Dr. J. R. Mameghani

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IV. Mögliches Prüfungsschema zur Konkurrenzlehre 1. Gesetzeskonkurrenz? a) Spezialität b) Konsumtion c) Subsidiarität 2. Tateinheit bzw. Handlungseinheit (§ 52)? Das Vorliegen einer („derselben“) Handlung, die Handlungseinheit, ist nach § 52 die Voraussetzung der Tateinheit: Tateinheit durch Handlungseinheit! a) tatbestandliche Handlungseinheit Nur 1 Straftatbestand erfüllen mehrere Handlungen in folgenden Fällen: mehraktige und zusammengesetzte Delikte tatbestandslose Handlungen bei Dauerdelikten Unterlassungsdelikte bei Identität des Erfolges Tatbestände mit generalisierender Handlungsbeschreibung b) Formen der Handlungseinheit („dieselbe Handlung“) „Dieselbe Handlung“ kann als Grundlage für die Erfüllung mehrerer Tatbestände (Tateinheit) auf unterschiedliche Weise gegeben sein: Handlung im natürlichen Sinn „Natürliche Handlungseinheit“ • insb. iterative Verwirklichung eines Tatbestandes zu Lasten desselben2 oder verschiedener Rechtsgutträger • insb. sukzessive Verwirklichung eines Tatbestandes Teilidentität der Ausführungshandlungen Klammerwirkung grds. bei Fortsetzungszusammenhang, nach BGHSt 40, 138 aber auf Ausnahmefälle beschränkt Hinweis: Verstößt „dieselbe Handlung“ - mehrmals gegen denselben Tatbestand, spricht man von gleichartiger Tateinheit - hingegen gegen verschiedene Strafgesetze, ist ungleichartige Tateinheit gegeben 3. Tatmehrheit? Tatmehrheit liegt vor, wenn jemand mehrere Straftaten begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden und die weder in Tateinheit noch unter Gesetzeseinheit stehen

2 iterative bzw. schrittweise Begehung zu Lasten desselben Rechtsgutträgers wird in der Literatur z.T. auch als Unterfall der „tatbestandlichen Handlungseinheit“ angesehen, so Gropp, AT § 14 Rn. 32, vgl. auch Ebert, AT S. 222/228

RA Dr. J. R. Mameghani

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V. Fallgruppen für „dieselbe Handlung“ i.S.d. § 52 StGB Fallgruppen

Voraussetzungen

Beispiele

Tatbestandliche Handlungseinheit a) mehraktige und zusammengesetzte Delikte b) Dauerdelikte c) Unterlassungsdelikte bei Identität des Erfolges d) Tatbestände mit generalisier. Handlungsbeschreibung

- ein Willensentschluss - mehrere Willensbetätigungen - vom Strafgesetz zu einer Einheit zusammengefasst

zu a) § 249: Gewalt oder Drohung und Wegnahme zu b) §§ 123, 239, 316 zu c) Täter nimmt mehrere Handlungsmöglichkeiten nicht wahr, um denselben Erfolg abzuwenden zu d) § 231 „Schlägerei“; § 153 mehrere falsche Angaben in einer Aussage; § 225 „Quälen“; §§ 174ff. Vornahme „sexueller Handlungen“

Handlung im natürlichen Sinn

- Ein Willensentschluss - Eine Willensbetätigung

Werfen eines Sprengsatzes, durch das 5 Menschen getötet, 2 Menschen verletzt und fremde Sachen beschädigt werden

Auch bei verschiedenen höchstpersönlichen Rechtsgütern Natürliche Handlungseinheit (teilweise nicht von „Handlung im natürlichen Sinn“ getrennt!) Beachte: Bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen kommt eine natürliche Handlungseinheit nicht in Betracht (h.L., vgl. aber BGH NJW 1985, 1565: ausnahmsweise Tateinheit!

(auf die Zahl der Erfolge kommt es nicht an) - mehrere Willensbetätigungen - enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang - bei sinnvoller Betrachtung als Einheit anzusehen (nicht erforderlich ist ein einziger Willensentschluss, Gesamtvorsatz)

Sachbeschädigung durch Einschlagen der Vitrine und gleich anschließender Diebstahls des Inhalts der Vitrine. Diebstahl mehrerer Sachen durch verschiedene unmittelbar aufeinander folgende Wegnahmeakte (iterativ): 1 Diebstahl in x Einzelfällen, obwohl bei jedem Gegenstand § 242 verwirklicht wird

Teilidentität der Ausführungshandlungen

- ein Teilakt trägt zur Verwirklichung mehrerer Tatbestände bei

Zusammentreffen von Körperverletzung und Raub in dem Gewaltelement des Raubes

Klammerwirkung

- wenn sich 2 an sich selbständige Handlungen jeweils mit einer dritten etwa gleich schwerwiegenden Handlung überschneiden

Im Laufe einer geheimdienstlichen Agententätigkeit (§ 99 I Nr. 1) wird ein Einzelakt in Tateinheit mit § 242 (von Dokumenten), ein anderer in Tateinheit mit § 267 begangen. Auch § 242 und § 267 stehen in Tateinheit zueinander.

Nach der Rspr. sogar (+), wenn eines der verklammerten Delikte schwerer wiegt als das Bindeglied (aber auch nach der Rspr. keine Verklammerung durch Waffendelikte, z.B. § 52a WaffG)

Der Täter begeht im Rahmen einer Freiheitsberaubung eine versuchte Vergewaltigung und eine Straßenverkehrsgefährdung.

- Verletzung desselben Rechtsguts - mehrere Willensbetätigungen - gleichartige Begehungsweise - Gesamtvorsatz (Teil der Lehre lässt Fortsetzungsvorsatz genügen)

(P) Ein Dieb beschließt, einen Apfelbaum zu plündern, und pflückt jede Nacht einen Korb voll Äpfel, bis der Baum leer war.

Fortgesetzte Handlung (sog. „Fortsetzungszusammenhang“) Nach BGHSt 40, 138 aber auf Ausnahmefälle beschränkt, wo es „zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld unumgänglich ist“, jedenfalls (-), bei §§ 173, 174, 176, 177, 242, 255, 263, 266, 266a, 267

(nicht erforderlich: enger, räumlicher oder zeitlicher Zusammenhang)

(P) A hatte mit seiner minderjährigen Tochter aufgrund eines einheitlichen und von vornherein auf wiederholte gleichartige Begehung gerichteten Entschluss in 2 Jahren in 50 Fällen Geschlechtsverkehr.

RA Dr. J. R. Mameghani

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VI. Übersicht über die Konkurrenzformen Konkurrenzformen Eine Handlung

Idealkonkurrenz / Tateinheit, § 52 StGB

Voraussetzungen

Beispiele

Eine Handlung erfüllt 1. denselben Tatbestand mehrmals oder 2. mehrere Tatbestände und erst die Anwendung aller Tatbestände schöpft den Unrechts- und Schuldgehalt aus

A gibt B in der Öffentlichkeit eine Ohrfeige: § 223 und § 185 stehen in Idealkonkurrenz

Gesetzeskonkurrenz (Fälle scheinbarer Idealkonkurrenz)

Mehrere Handlungen

1.

Spezialität

Eine Handlung erfüllt mehrere Tatbestände von denen einer notwendig die Merkmale eines anderen umfasst (nicht im Gesetz geregelt)

A schlägt B mit einer Eisenstange: § 224 ist lex specialis zu § 223

2.

Konsumtion

Eine Handlung erfüllt mehrere Tatbestände von denen einer typischerweise mit einem anderen zusammentrifft, so dass beider Unrechts- und Schuldgehalt durch den schwereren Tatbestand völlig erfasst wird (nicht im Gesetz geregelt)

Ein Einbrecher schlägt eine Scheibe ein und stiehlt einen TV aus dem Haus: Der Unrechts- und Schuldgehalt des § 123 und des § 303 ist typischerweise durch §§ 244 I Nr. 3 erfasst.

3.

Subsidiarität

Eine Handlung erfüllt mehrere Tatbestände von denen einer nur dann eingreift, wenn nicht schon ein anderer angewendet wird (sofern gesetzlich geregelt, (S) „formelle Subsidiarität“, im übrigen (S) „materielle Subsidiarität“)

Ausdrücklich: §§ 316, 145d (spezielle Subsidiariät); §§ 246 I, 248b I, § 265a I (relative Subsidiarität)

Mehrere Handlungen erfüllen 1. denselben Tatbestand mehrmals oder 2. mehrere Tatbestände und erst die Anwendung aller Tatbestände schöpft den Unrechts- und Schuldgehalt aus.

Ein Einbrecher entwendet ein TV und verprügelt einige Tage später den Eigentümer, der ihn angezeigt hat.

Realkonkurrenz / Tatmehrheit, §§ 53ff. StGB

ferner u.a. Versuch/Vollendung; leichtere ggü. schwererer Beteiligungsform; Gefährdung/Verletzung

Gesetzeskonkurrenz (Fälle scheinbarer Realkonkurrenz) 1.

Mitbestrafte Vortat

Mehrere Handlungen erfüllen mehrere Tatbestände die sich gegen dasselbe Rechtsgut richten. Vortat ist als Durchgangsstadium anzusehen während das Schwergewicht auf der Nachtat liegt

§ 246 d. Wagenschlüssels als Mittel zum späteren § 242 des Wagens

2.

Mitbestrafte Nachtat

Mehrere Handlungen erfüllen mehrere Tatbestände, die sich gegen dasselbe Rechtsgut richten. Schwergewicht liegt auf der Vortat Nachtat weist keinen zusätzlichen Unrechts- und Schuldgehalt auf.

Der Dieb zerstört den gestohlenen TV. Der Dieb täuscht den bestohlenen Eigentümer über den Verbleib der gestohlenen Sache (sog. Sicherungsbetrug).

RA Dr. J. R. Mameghani

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VII. Übersicht zur Wahlfeststellung 1. Unechte Wahlfeststellung / Sachverhaltsalternativität Sachverhaltsungewissheit führt nicht zu einer Rechtsnormungewissheit ⇒ Verurteilung aus dem einschlägigen Straftatbestand 2. Echte Wahlfeststellung / Tatbestandsalternativität Sachverhaltsungewissheit führt zu verschiedenen Straftatbeständen 2 x in dubio pro reo ? (-), wenn 1. Stufenverhältnis Verhältnis „Mehr und Weniger“ z.B. Qualifikation, Versuch / Vollendung, Teilnahme / Täterschaft 2. Auffangtatbestand Vorsatz / Fahrlässigkeit jetzt: § 242 und § 246 3. Postpendenz wenn die Vortatbeteiligung unsicher ist, das Nachtatgeschehen aber sicher (z.B. „sich verschaffen“): BGH: Verurteilung aus dem Nachtatgeschehen arg.: dieses steht fest, keine Privilegierung, weil möglicherweise erneuter Strafvorwurf, aber: (-), wenn Nachtatgeschehen nicht sicher h.L.: Nachtaten immer (-), wenn Beteiligung an der Vortat (auch beim Mittäter kein anderer) 4. Echte Wahlfeststellung (P) Art. 103 II GG ↔ Einzelfallgerechtigkeit echte Wahlfeststellung in engen Grenzen (+), wenn Verhaltensweisen rechtsethisch und psychologisch vergleichbar Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit der Taten - ähnliche verletzte Rechtsgüter - ähnliche Einstellung des Täters zu den verletzten Rechtsgütern

RA Dr. J. R. Mameghani