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__________________________________________________________ ______________ Übersicht Baurecht Fall 7 A. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I VwGO  B. Zulässigkeit I.Statthafte Klageart (P) Nebenbestimmungen insb. bei Ermessensentscheidungen als „Korrektiv für die Bedenken der Behörde“  „isolierte Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmungen"  Teilbarkeit? e.A.: Art der Nebenbestimmung hier Auflage  Teilbarkeit  a.A.: Art des HauptVA hier: Nachtragsbauerlaubnis gebundene Entscheidung  Teilbarkeit  h.M: wenn vom Grund-VA logisch abteilbar  hier Teilbarkeit  II. Klagebefugnis, § 42 II VwGO Mögliche Verletzung der Baufreiheit, § 75 I NBauO, Art. 14 I GG III. Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO  IV. Zwischenergebnis: Klage zulässig C. Begründetheit der Klage soweit  die Nebenbestimmung rechtswidrig und  materiell vom Verwaltungsakt abteilbar ist und  der Kläger durch die rechtswidrige Nebenbestimmung in seinen Rechten verletzt ist h.M.: Materiell teilbar, wenn Rest-VA ohne NB rechtmäßig und sinnvoll bleibt a.A.: Mat. Teilbarkeit immer (-) bei Ermessens-VA  hier egal, da gebundene Entscheidung, s.o. I. Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung 1. RGL a) Auflagenvorbehalt vom 22.09. (-) Aufl.vorbehalt keine eigenständige RGL  darauf basierende Auflage muss z.Zt. ihres Erlasses mit geltend. Recht vereinbar sein; Aufl.vorbehalt bezieht sich auf erste Baugenehmigung, tatsächliche erlassene Auflage ist Nebenbestimmung der Nachtragsbauerlaubnis Aufl.vorbehalt ist nur Hinweis auf Rechtslage nach § 47 II 2 NBauO

b) § 47 NBauO (-) keine Befugnisnorm c) § 36 VwVfG Nutzungsänderung ist gebundene Entscheidung  § 36 I VwVfG 2. FRM  3. MRM a) Durch Rechtsvorschrift zugelassen (-) b) Zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen aa) Nutzungsänderung gen.pflichtig, §§ 68 I iVm 2 V NBauO bb) Anpassung der Stellplatzzahl nach § 47 II 2 zwingende Genehmig.vorauss.  Auflage soll die Erfüllung einer gesetzl. Genehmigungsvorauss. sicherstellen  Auflage grundsätzlich zulässig cc) Umfang der Stellplatzpflicht Städtische Richtzahlen sind nur norminterpretierende Verwaltungsvorschrift  keine Bindungswirkung für Gerichte! hier: zusätzlicher Zu- und Abfahrtsverkehr ist zu erwarten  Zahl ist angemessen dd) Ablösungsverlangen für den Fall tatsächlicher Unmöglichkeit nach § 47a I NBauO zulässig ee) Koppelungsverbot § 36 III VwVfG  D. Ergebnis Auflage rechtmäßig  Klage unbegründet

RAe Dr. Schlömer/ Daxhammer

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Baurecht Niedersachsen Lösung Fall 7, Seite 1 von 4 Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung zu prüfen. Bei Klagen gegen Nebenbestimmungen kann ohnehin die richtige Klageart zuverlässig erst nach erfolgter Begründetheitsprüfung erfolgen, weil erst dann feststeht, ob der angegriffene Verwaltungsakt auch tatsächlich teilbar ist. Hier noch einmal zur Erinnerung die wichtigsten Argumente zum Problemfeld „isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen“ : a) Man könnte hier stets eine Verpflichtungsklage für statthaft erachten, mit dem Argument, der Kläger erstrebe hier ein „mehr“, also eine Erweiterung seines Rechtskreises1 b) Andere wollen nach der Art der Nebenbestimmung differenzieren und nur dann eine isolierte Anfechtungsklage zulassen, wenn diese gegen eine Auflage oder einen Auflagenvorbehalt gerichtet sei, da nur diese selber Verwaltungsakte seien. Bedingung und Befristung könnten als integrierte Bestandteile des Grundverwaltungsaktes jedoch nicht selbstständig angefochten werden2. c) Ferner wird auf die Art des Hauptverwaltungsaktes abgestellt und bei Ermessensverwaltungsakten eine isolierte Anfechtungsklage für unstatthaft gehalten, da man der Behörde andernfalls einen ungewollten Restakt aufdiktiere3. d) Schließlich differenziert die h.M. zwischen materieller und prozessualer Teilbarkeit und bejaht zumindest die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage, wenn die Nebenbestimmung vom Haupt-VA im logischen Sinne teilbar ist4.

Lösung Fall 7 Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges Fraglich ist, ob der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Streitentscheidende Normen sind § 47 NBauO und § 36 VwVfG. § 36 VwVfG berechtigt einseitig einen Hoheitsträger und ist damit öffentlich-rechtlich, so dass eine öffentlichrechtliche Streitigkeit gegeben ist. Die sonstigen Voraussetzungen von § 40 I 1 VwGO liegt vor, daher ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

II.

Zulässigkeit der Klage

1.

Statthafte Klageart Fraglich ist die richtige Klageart, diese richtet sich nach dem Begehren des Klägers, § 88 VwGO. In Betracht kommen sowohl die isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung als auch die Verpflichtungsklage gerichtet auf Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung. Bei der „Auflage" handelt es sich um eine echte Nebenbestimmung, denn sie besitzt gegenüber dem Grundverwaltungsakt einen eigenständigen Regelungsgehalt. In diesem Fall ist nach nunmehr h.M. grundsätzlich eine isolierte Anfechtbarkeit zu bejahen. Begründet wird dies mit der Teilbarkeit des Gesamtaktes (vgl. Wortlaut des § 113 I 1 VwGO: „soweit"). Die Teilbarkeit ist aber dann zu verneinen, wenn der Grundverwaltungsakt ohne Nebenbestimmung nicht rechtmäßigerweise fortbestehen kann. Diese Frage kann aber sinnvollerweise nur in der Begründetheit beantwortet werden. Für die Zulässigkeit muss genügen, dass eine Teilbarkeit zumindest grundsätzlich abstrakt vorstellbar ist. Hier ist damit zunächst von der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage auszugehen (sog. prozessuale Teilbarkeit). Anmerkung: Die Ausführungen zur prozessualen Handhabung der Nebenbestimmungen müssen im Examen ausführlicher dargestellt werden. Machen Sie gleich zu Beginn deutlich, dass Nebenbestimmungen insb. bei Ermessenentscheidungen das „Korrektiv für die Bedenken der Behörde“ darstellen und die Gefahr besteht, dass bei ihrer isolierten Anfechtung ein VA zurückbleibt, der rechtswidrig oder von der Behörde so nicht gewollt ist. Vergleichen Sie zu diesem Problemkreis auch Fall 10 VerwR AT aus dem Hauptkursprogramm. Es ist hier auch nicht notwendig, parallel auch die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage auf

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2.

Klagebefugnis, § 42 II VwGO K ist auch klagebefugt gemäß § 42 II VwGO, denn er ist möglicherweise in seinem Recht aus § 75 I NBauO auf Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung verletzt.

3.

Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO Das nach § 8 a III 3, 1 AGVwGO erforderliche Vorverfahren wurde ordnungsgemäß und erfolglos durchgeführt.

4.

Passive Prozessführungsbefugnis, § 78 VwGO Die Anfechtungsklage ist nach § 78 I Nr. 1 VwGO gegen die Stadt Goslar zu richten.

1

Fehn, DÖV 1988, 202 (207). Schoch, NVwZ 1995, 15 (20); Schmidt, NVwZ 1996, 1188 (1189). 3 Kopp/Schenke, § 42, Rn. 24. 4 BVerwG in DVBl. 1997, 165; BverwGE 60, 269 (278); Hufen, VerwPR, § 14, Rn. 61.

2

Dezember 11

Juristisches Repetitorium hemmer 5.

Baurecht Niedersachsen Lösung Fall 7, Seite 2 von 4 Auflage angesehen werden. Dem stehen aber – unabhängig von der Rechtsnatur und der Rechtmäßigkeit des damaligen Auflagenvorbehalts (vgl. § 36 II Nr. 5 VwVfG i.V.m. § 1 I NdsVwVfG5) - zwei Gesichtspunkte entgegen:

Beteiligten- und Prozessfähigkeit Der Kläger ist gem. § 61 Nr. 1 1.Alt. VwGO beteiligtenfähig und gem. § 62 I VwGO prozessfähig. Die beklagte Stadt ist gem. § 61 Nr. 1 2.Alt. VwGO beteiligtenfähig und wird gem. § 62 III VwGO i.V.m. § 86 I 2 NKomVG durch den Bürgermeister vertreten.

6.

Zwischenergebnis Die Klage des K ist zulässig.

III.

Begründetheit der Klage

aa) Zum einen könnte die konkrete spätere Stellplatzauflage schon wegen der Unbestimmtheit des damaligen Vorbehalts nicht vollumfänglich auf diesen gestützt werden; vielmehr wäre sie (wie im Ergebnis auch ohne jeden Vorbehalt) allein an den gesetzlichen Maßstäben auszurichten. Die Behörde kann sich durch einen Auflagenvorbehalt keine eigenständige Rechtsgrundlage für den späteren Erlass von Auflagen schaffen. Diese müssen vielmehr mit dem zum Zeitpunkt ihres Erlasses geltenden Recht in Einklang stehen.6 Sinn und Zweck des Auflagenvorbehalts ist somit allein, die Bestandskraft des Verwaltungsaktes zu Gunsten des Begünstigten zu schwächen.7

Die isolierte Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmungen ist (nach h.M., s.o.) begründet, soweit die Nebenbestimmung rechtswidrig und im materiellen Sinne vom Verwaltungsakt abteilbar ist und der Kläger durch die rechtswidrige Nebenbestimmung in seinen Rechten verletzt ist. Die h.M. bejaht die materielle Teilbarkeit einer Nebenbestimmung vom Grundverwaltungsakt, wenn der Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung rechtmäßig und nicht sinnlos ist. Die Gestaltungsbefugnis des Gerichts kann nämlich nicht so weit gehen, dass eine rechtswidrige Auflage ohne Berücksichtigung des Grundverwaltungsaktes erfolgen kann.

bb) Vor allem aber kann ein Auflagenvorbehalt niemals Rechtsgrundlage für der Erlass einer späteren Auflage sein, da sonst der Vorbehalt des Gesetztes umgangen würde, die Verwaltung sich auf diese Weise eigene Rechtsgrundlagen schaffen könnte. Auflagenund auch Widerrufsvorbehalte dienen ausschließlich zur Verhinderung von schutzwürdigem Vertrauen beim Bürger.

Anmerkung: Grundsätzlich müsste der Kläger für den Fall, dass die angegriffene Nebenbestimmung rechtswidrig ist, der Grundverwaltungsakt aber nicht ohne eine Nebenbestimmung ergehen darf, seine Klage auf eine Verpflichtungsklage umstellen. Diese neue Klage wäre dann gerichtet auf die Erteilung einer Baugenehmigung mit rechtlich zutreffender Nebenbestimmung. Eine solche Klageänderung wäre sachdienlich und damit nach § 91 I 2. Alt. VwGO zulässig. Anders ist das jedoch im vorliegenden Fall, denn hier ist die Nebenbestimmung selbst teilbar. Sollte sich im Prozess herausstellen, dass die rechtlich geforderte Zahl der Stellplätze niedriger ist, jedoch höher, als vom Kläger gefordert, würde die Auflage um die überzähligen Stellplätze im Urteil gekürzt werden. Prozessual handelte es sich dann um ein Teilunterliegen (Prozesskosten). I.

Anmerkung: Vertretbar erscheint es hier auch, in dem „Auflagenvorbehalt” einen bloßen Hinweis auf die nach § 47 II 2 NBauO ohnehin bestehende Rechtslage anzunehmen. Der „Auflagenvorbehalt” hätte dann keinen eigenständigen Regelungsgehalt und wäre somit keine Nebenbestimmung i.S.d. § 36 VwVfG.

Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung 1.

Rechtsgrundlage Die Nebenbestimmung bedarf wegen ihres die Baufreiheit aus Art. 14 I GG beschränkenden Inhaltes einer Rechtsgrundlage.

a)

Der Auflagenvorbehalt in der ursprünglichen Baugenehmigung vom 22. September könnte als eigenständige Rechtsgrundlage der jetzigen

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b)

Fraglich ist, ob § 47 NBauO als Rechtsgrundlage in Betracht kommt. § 47 NBauO formuliert jedoch nur Vorgaben für bauliche Anlagen, enthält aber keine Befugnisnorm zum Erlass von Nebenbestimmungen.

c)

Rechtsgrundlage für die Auflage könnte jedoch § 36 VwVfG sein. Dabei wäre hier auf Abs. 1 abzustellen, da es sich bei der Entscheidung über die Nutzungsänderung um einen gebundenen Verwaltungsakt auf der Grundlage des § 75 I NBauO handelt. Für diese Nutzungsänderungsgenehmigung war auch keine Befreiung oder ähnliches erforderlich, so dass eine Ermessensentscheidung gemäß § 31 II BauGB insoweit nicht erging, die

5

Auf den Zusatz wird nachfolgend verzichtet Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36, Rn. 38 7 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rn. 14 6

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Baurecht Niedersachsen Lösung Fall 7, Seite 3 von 4

Anwendung des § 36 II VwVfG hier also schon deswegen nicht in Betracht kam. Anmerkung: Fraglich ist, ob im Falle einer Befreiung von bauplanungsrechtlichen Anforderungen nach § 31 II BauGB § 36 II VwVfG überhaupt anwendbar wäre. Dies ist zu bejahen, weil die Befreiung eine echte Ermessensentscheidung ist. Damit wird die gesamte Baugenehmigung konsequenterweise zur Ermessensentscheidung.8 Allerdings kann das sinnvollerweise nicht jegliche Nebenbestimmungen zulässig machen, denn das Ermessen bezieht sich nur auf die bauplanungsrechtlichen Befreiungen! Die Stellplatzpflicht stellt aber eine bauordnungsrechtliche Anforderung an ein Vorhaben dar.9 In der Praxis hat diese Frage aber nur geringe Bedeutung, denn wenn erst einmal ein bauplanungsrechtlicher Dispens im Wege einer Bebauungsgenehmigung (Vorbescheid über planungsrechtliche Fragen) ausgesprochen wurde, handelt es sich bei der nachfolgenden Baugenehmigung zweifelsohne wieder um eine gebundene Entscheidung! 2.

a)

Die Nebenbestimmung zu einer Baugenehmigung ist nicht nach § 36 I 1. Alt. VwVfG durch Rechtsvorschrift zugelassen.

b)

Fraglich ist, ob sie zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes gemäß § 36 I 2. Alt. VwVfG dient. Dies wäre dann der Fall, wenn die Erhöhung der Stellplatzzahl zwingende Genehmigungsvoraussetzung der beantragten Nutzungsänderungsgenehmigung wäre.

Die Stellplatzpflicht nach § 47 II NBauO ist grundsätzlich eine zwingende Genehmigungsvoraussetzung der Baugenehmigung.

8

Das Bauvorhaben muss der Stellplatzverpflichtung in § 47 II NBauO entsprechen. Während die Einstellplätze gem. § 47 VII NBauO grundsätzlich auf dem Baugrundstück oder in dessen Nähe auf einem anderen Grundstück gelegen sein müssen, kann die Bauaufsichtsbehörde ausnahmsweise auch nach § 47a I NBauO zulassen, dass die Herstellung der Stellplätze durch Zahlung eines Geldbetrages an die Gemeinde ersetzt wird. Die Auflage, die eine Erfüllung der Stellplatzverpflichtung sicherstellen soll, ist demnach grundsätzlich zulässig nach § 36 I 2. Alt. VwVfG (Frage des „Ob” der Auflage). 3.

Voraussetzungen des § 36 I VwVfG Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des § 36 I VwVfG vorliegen.

Anmerkung: Die Nutzungsänderung ist hier nach §§ 68 I i.V.m. 2 V NBauO genehmigungspflichtig, da an die neue Nutzung andere Anforderungen bestehen als an die alte. Die Genehmigungsfreistellung nach § 69 IV Nr. 1 NBauO ist schon immer dann ausgeschlossen, wenn durch die Nutzungsänderung neue Stellplätze nach § 47 NBauO erforderlich werden.

9

Anmerkung: Die Stellplatzpflicht ist grundsätzlich mit Art. 14 I GG vereinbar. Diese Einschränkung der Baufreiheit ist nur eine Inhaltsbestimmung des Eigentums, die im Rahmen der Sozialbindung nach Art. 14 I 2 GG entschädigungslos zulässig ist.

vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 BauGB, Rn. 20 vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1987, 85

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Inhaltliche Rechtmäßigkeit der Auflage Die konkrete Auflage müsste jedoch auch inhaltlich rechtmäßig sein (Frage des „Wie” der Auflage). Insbesondere müssten die geforderten sieben weiteren Stellplätze auch tatsächlich erforderlich i.S.d. § 47 II 2 NBauO sein. Anmerkung: Die Frage nach dem grundsätzlichen „Ob” und dem konkreten „Wie” der Auflage können Sie selbstverständlich auch in einem Prüfungspunkt „Zulässigkeit der Auflage” zusammenziehen. § 47 II 2 NBauO ist ja nur dann zwingende Genehmigungsvoraussetzung, wenn im konkreten Fall durch die Nutzungsänderung tatsächlich eine höhere Stellplatzzahl erforderlich wird.

a)

Die Entscheidung über den Umfang der Stellplatzverpflichtung obliegt der Bauaufsichtsbehörde; dies ist vorliegend die Stadt Goslar als große selbständige Stadt, § 14 V NKomVG i.V.m. §§ 63 I und 65 III NBauO. Hier hat die Stadt Goslar als Bauaufsichtsbehörde bereits vorab durch Erlass der städtischen Richtzahlen als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften festgelegt, was ausreichend im Sinne des § 47 II 2 NBauO ist. Bei dieser Festlegung ist sie allerdings an § 47 II NBauO gebunden. Die hierin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe ermöglichen nicht per se einen Beurteilungsspielraum der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich Art und Anzahl der ausreichenden Stellplätze, da die Auslegung gesetzlicher Regelungen grundsätzlich den Gerichten obliegt. Allerdings erscheint auch Dezember 11

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Baurecht Niedersachsen Lösung Fall 7, Seite 4 von 4

insoweit richterliche Zurückhaltung geboten, als es um die Interpretation solcher Begriffe wie „ausreichende Zahl und Größe" geht, insbesondere, wenn - wie hier - eine sinnvolle Interpretation eine Prognose erfordert. Die hier geforderten sieben weiteren Stellplätze erscheinen jedenfalls als eine angemessene Erhöhung der Stellplatzzahl, wenn man den durch die neuen Nutzungsarten entstehenden zusätzlichen An- und Abfahrtsverkehr betrachtet. Anmerkung: Wichtig ist, dass im Rahmen einer Änderung der baulichen Anlage über § 47 II 2 NBauO nur eine „relative" Erhöhung der Stellplätze erreicht werden kann. Wenn bspw. eine bisherige Nutzung 10 Stellplätze erforderte und durch die Änderung weitere 10 Stellplätze erforderlich werden, so können über § 47 II 2 NBauO nur eben diese 10 Stellplätze verlangt werden, unabhängig davon, wie viele Stellplätze zuvor in der ursprünglichen Baugenehmigung auferlegt waren! b)

Zugleich mit der Entscheidung über die Stellplatzverpflichtung als solche wurde eine Entscheidung über deren Ablösung getroffen, die gemäß § 47a I NBauO zulässig ist. Anmerkung: Nach st. Rechtsprechung stellt die Stellplatzablöse eine zulässige Sonderabgabe im Sinne einer Ausgleichsabgabe dar (BVerfG Beschl. v. 05.03.09 – 2 BvR 1824/05 = L&L 09, 549). Vgl. dazu auch Fall 12 Verfassungsrecht.

II.

Ergebnis Die Auflage ist nach alledem rechtmäßig. Die Klage ist demnach als unbegründet abzuweisen (Anfechtungsklage). Auch die Umstellung der Klage auf eine Verpflichtungsklage gerichtet auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne Nebenbestimmung würde zu keinem anderen Ergebnis führen können.

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Dezember 11