Juliane Schneider Ein Modell zur optimalen Abteilungsgliederung

Kossbiel / Spengler (Hg.): Modellgestützte Personalentscheidungen 7 S. 41 Hagen Lindstädt / Juliane Schneider Ein Modell zur optimalen Abteilungsgli...
Author: Nelly Schwarz
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Kossbiel / Spengler (Hg.): Modellgestützte Personalentscheidungen 7

S. 41

Hagen Lindstädt / Juliane Schneider Ein Modell zur optimalen Abteilungsgliederung Die Abteilungsgliederung als ein Element der Aufbauorganisation stand vor einiger Zeit im Mittelpunkt einer Reihe von Optimierungsansätzen. Diese Ansätze konzentrierten sich in der Regel auf einzelne Zielsetzungen. In den letzten Jahren ist das Thema jedoch kaum weiterentwickelt worden. Dieser Beitrag wählt einen vergleichsweise umfassenden Ansatz hinsichtlich der organisatorischen Ziele: als zu beachtende Zielsetzungen der Abteilungsgliederung werden Koordinationseffizienz, Anreizund Anforderungskompatibilität identifiziert. Danach wird auf Basis eines Ansatzes von Müller-Merbach (1973) ein eigenes Modell zur optimalen Abteilungsgliederung abgeleitet, das die zum Teil konkurrierenden Zielsetzungen in einer Zielfunktion integriert. Dieser Ansatz ermöglicht es, gegensätzliche Wirkungen zunehmender Untergliederung in Abteilungen hinsichtlich Koordinationseffizienz, Anreiz- und Anforderungskompatibilität gegenüber zu stellen und die Bedeutung dieser Wirkungen in verschiedenen organisationsspezifischen Situationen durch Anpassung der Variablenausprägungen zu untersuchen. Weil von einer heterogenen Partition von Aufgabenbereichen ausgegangen wird, ergeben sich nicht nur Aussagen zur optimalen Abteilungsanzahl, sondern auch zur optimalen Kombination. Typologische Aussagen der Organisationstheorie können durch das Modell nachvollzogen und detailliert werden.

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1.

Lindstädt / Schneider: Ein Modell zur optimalen Abteilungsgliederung

Einleitung

Trotz aller Bemühungen zur Enthierarchisierung bleibt eine gewisse hierarchische Grundstruktur für eine jede Organisation unverzichtbar, 1 da die Bewältigung der Gesamtaufgabe einer Organisation in der Regel für eine Person zu umfangreich ist2. Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung war und ist stark bemüht, Wege für die Gestaltung von Organisationen zu finden, da die Festlegung der Struktur einen starken Einfluss auf die Effizienz und Leistungsfähigkeit einer Organisation hat.3 Obwohl im Rahmen des Prozesses der Differenzierung und Integration die Bildung von Abteilungen eine zentrale Rolle einnimmt,4 befassen sich nur wenige Autoren explizit mit diesem Problem. Weiterhin konzentrieren sich vorhandene Ansätze meist nur auf Teilaspekte der Problematik der optimalen Abteilungsbildung. Wohl deshalb existiert bislang kein integratives Modell, das die verschiedenen Aspekte miteinander verknüpft. Ziel des Beitrags ist es nun, aufbauend auf bisherigen Ansätzen unter besonderer Berücksichtigung von Zielen und Wirkungen der Abteilungsbildung ein Modell auf naturgemäß vergleichsweise hohem Aggregationsniveau zu formulieren, das die Problemstellung möglichst umfassend abbildet und Empfehlungen zur „optimalen“ Gestaltung zulässt. Hierfür wird zunächst auf die theoretischen Grundlagen der Abteilungsgliederung eingegangen, bevor ein Überblick über vorhandene Ansätze gegeben wird. Auf Basis der Überlegungen zu einem Ansatz von Müller-Merbach wird im vierten Abschnitt das Modell abgeleitet und seine Wirkungsweise anhand eines Beispiels dargestellt. Bevor im letzten Abschnitt die Erkenntnisse kritisch zusammengefasst werden, erfolgen Sensitivitätsanalysen sowie die Betrachtung der Tendenzaussagen des Modells hinsichtlich zweier organisatorischer Idealtypen. 2.

Grundlagen der Abteilungsgliederung

Grundlage für die Ableitung eines Modells zur optimalen Abteilungsgliederung ist die Entwicklung eines Grundverständnisses für die zugrundeliegende Problematik und die Präzisierung der Ziele der Abteilungsbildung. 2.1. Problemstellung Die Notwendigkeit der Bildung von Abteilungen tritt etwa auf, wenn es innerhalb der Organisation aufgrund zunehmenden Wachstums zu einem Missverhältnis zwischen der Leitungskapazität der bisher vorhandenen Instanz und dem Leitungsbedarf der nachgeordneten Stellen kommt, 5 oder wenn eine Restrukturierung der vorhandenen Abteilungen erforderlich wird. In jedem Fall liegt eine bestimmte Anzahl von Aufga1

Vgl. Seidel 1980, Sp. 51.

2

Vgl. Schreyögg 1999, S. 113.

3

Vgl. Müller-Merbach 1980, Sp. 188.

4

Vgl. Seidel 1980, Sp. 51.

5

Vgl. Seidel 1980, Sp. 44.

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benbereichen vor, die „optimal“ zu Abteilungen zusammengefasst werden sollen. Bei der Abteilungsgliederung handelt es sich dabei um eine horizontale Segmentierung, d.h. es werden durch die Zusammenfassung von Aufgabenbereichen Subsysteme gebildet, die „gewissermaßen ‚gleichberechtigt‘ nebeneinander auf einer Ebene“ 6 stehen. Die Optimierung der Abteilungsgliederung betrachtet demzufolge nur eine Ebene der Organisation, nicht das gesamte hierarchische Gefüge. Diese Aufgabe im Rahmen der Aufbauorganisation beinhaltet zwei grundlegende Problemstellungen: zum einem geht es um die Frage, wie viele Aufgabenbereiche zu einer Abteilung zugeordnet werden sollen. Zum anderen muss festgelegt werden, welche Aufgabenbereiche dies sind. 2.2. Organisationale Zielkriterien Geht man davon aus, dass die Abteilungsbildung als ein Mittel der Aufbauorganisation der Erreichung des übergeordneten Organisationsziels dient, so stellt dieses Ziel die Grundlage und den Richtpunkt für die Abteilungsbildung dar7. Das Organisationsziel lässt sich nun in Sach- und Formalziel untergliedern, wobei das Sachziel die Zweckmäßigkeit der spezifischen Leistungserstellung betrifft, während sich das Formalziel auf die Wirtschaftlichkeit der Institution bezieht. Dieses Oberziel muss allerdings zur Bewertung konkreter organisatorischer Maßnahmen durch die Auflösung in (Ersatz-)Kriterien operationalisiert werden. Für die weiteren Betrachtungen werden hier zur Präzisierung der organisatorischen Effizienz drei Kriterien herangezogen: Anreiz- und Anforderungskompatibilität sowie Koordinationseffizienz. 8 Die ersten beiden Kriterien beziehen sich dabei auf die Betrachtung der individuellen Ebene, während die Koordinationseffizienz die Mesoebene der Organisation betrachtet. Die Kompatibilitätseigenschaften begründen sich durch die Annahme, dass sich Maßnahmen der Organisationsgestaltung nicht direkt auf den Erfolg einer Organisation auswirken, sondern nur mittelbar durch die Beeinflussung der Tätigkeiten und Entscheidungen der Organisationsmitglieder. Deren Qualität ist wiederum zum einen davon abhängig, inwieweit sie gewillt sind, ihnen übertragene Aufgaben im Sinne der Organisation zu erfüllen, und zum anderen inwieweit sie in der Lage sind, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Demnach wird Anreizkompatibilität als das Ausmaß der Übereinstimmung der Anreize und Motivationen der Organisationsmitglieder mit den Zielen der Organisation definiert. Weiterhin wird unter Anforderungskompatibilität das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den Anforderungen an die Fähigkeiten der Organisationsmitglieder mit deren Qualifikation und Ressourcenausstattung verstanden. 9 Das dritte Kriterium bezieht sich auf die Koordination,

6

Gagsch 1980, Sp. 2159.

7

Vgl. Bleicher 1969a, Sp. 46.

8

Vgl. Lindstädt 2003. Hierbei werden Anreiz- und Anforderungskompatibilität von Laux/ Liermann [Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 239ff.] und Koordinationseffizienz von Frese [Vgl. Frese 2000, S. 264ff.] zusammengeführt.

9

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 240; Kossbiel 1994, S. 77; Lindstädt 2003.

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d.h. „die wechselseitige Abstimmung von Elementen eines Systems“10. Die Auswahl dieses Kriteriums begründet sich durch das Verständnis der Koordination als Komplement zur Differenzierung. Demnach sind Koordinationsmaßnahmen überall dort von Bedeutung, wo die durch Differenzierung bzw. Arbeitsteilung entstandenen, interdependenten organisatorischen Elemente eine Ausrichtung hinsichtlich des Organisationsziels erfordern. 11 Für die weiteren Betrachtungen wird Koordinationseffizienz als das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen Anforderungen an organisatorische Strukturen und Prozesse und deren Effizienz definiert. Das bedeutet, dass organisatorische Regelungen sowohl für eine qualitativ hochwertige Aufgabenerfüllung geeignet sein als auch einen vergleichsweise sparsamen Einsatz von Regelungen und Ressourcen bei der Zielerreichung aufweisen sollen.12 Generell wird von einem positiven Zusammenhang zwischen der Verbesserung der Kriterien und der organisatorischen Effizienz und damit dem Organisationsziel ausgegangen. Zu beachten ist allerdings, dass es nicht sinnvoll ist, die einzelnen Kriterien unabhängig voneinander zu optimieren, da sie einerseits gewöhnlich in einem Zielkonflikt stehen, und da andererseits die Bedeutung bzw. Gewichtung eines einzelnen Kriteriums von den spezifischen Gegebenheiten der Organisation abhängt. Kommt man nun auf die Ziele der Abteilungsgliederung zurück, so ist es notwendig, die abgeleiteten (Ersatz-)Kriterien der organisatorischen Effizienz als Zielvorstellungen für den konkret betrachteten Aspekt zu formulieren. Im Hinblick auf die Anreizkompatibilität sollte demnach die Abteilungsbildung eine möglichst hohe Identifizierung der Mitarbeiter mit den Abteilungszielen und –aufgaben erreichen, d.h. eine hohe Übereinstimmung von individuellen Zielen mit denen der Abteilung. Im Rahmen der Anforderungskompatibilität sollte die Abteilungsbildung unter der Zielsetzung einer guten Ausnutzung der begrenzten Leitungskapazität der Abteilungsleiter und der Spezialisierungsmöglichkeiten der Mitarbeiter durchgeführt werden. Die Koordinationseffizienz als drittes Kriterium erfordert weiterhin einen in Summe möglichst niedrigen Koordinationsbedarf innerhalb einer Abteilung sowie zwischen den Abteilungen. Unter der „optimalen Abteilungsgliederung“ wird im Folgenden das Optimum im Hinblick auf diese drei Zielsetzungen verstanden. 3.

Existierende Modelle zur optimalen Abteilungsbildung

Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über einige wichtige Optimierungsansätze der Abteilungsbildung gegeben werden. Im Anschluss daran wird der beziehungsorientierte Ansatz von Müller-Merbach näher betrachtet, auf dessen Überlegungen das erweiterte Modell zur Abteilungsgliederung aufbaut, das in diesem Beitrag vorgestellt wird.

10

Rühli 1992, Sp. 1165.

11

Vgl. Rühli 1992, Sp. 1165.

12

Vgl. Frese 2000, S. 266; Lindstädt 2003.

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3.1. Optimierungsansätze im Überblick Für einen systematischen Überblick bieten sich die Klassifizierungen von Schneider und von Gagsch an. Schneider unterteilt das Problem der Abteilungsbildung in ein qualitatives und ein quantitatives Teilproblem. 13 Dabei bezieht sich die quantitative Betrachtung primär auf die Frage, wie viele Stellen einer Abteilung zugeordnet werden sollen. Diese Problematik ist ebenfalls unter der Frage nach der optimalen Kontroll- oder Leitungsspanne bekannt. Ansätze hierzu konzentrieren sich auf die Bestimmung der Determinanten der Leitungsspanne. Demgegenüber stellt die qualitative Sichtweise die Frage in den Mittelpunkt, welche Stellen bzw. Aufgabenbereiche zu einer Abteilung zusammengefasst werden sollen. Dabei liegt die Auffassung zugrunde, dass eine Abteilung in sich möglichst homogen sein und von anderen Abteilungen möglichst klar abgegrenzt sein sollte.14 In Abhängigkeit des Bezugspunktes zur Herleitung der Homogenität unterscheidet Gagsch zwischen merkmals- und beziehungsorientierten Ansätzen der Subsystembildung15. Bei ersteren erfolgt die Abteilungsbildung aufgrund von Merkmalen, die die Stellen hinsichtlich ihrer Tätigkeit beschreiben, d.h. die Ähnlichkeit der Aufgaben dient als Kriterium für die Homogenität. Im Rahmen beziehungsorientierter Ansätze stehen die Beziehungen zwischen den Stellen wie Abhängigkeiten, Synergien und Kontakte im Mittelpunkt, wobei grundsätzlich die Minimierung abteilungsübergreifender Beziehungen angestrebt wird. Neben solchen Modellen, die sich auf nur eine Dimension konzentrieren, existieren auch kombinierte Ansätze, die versuchen, sowohl die Aufgabenmerkmale der Stellen als auch ihre Beziehungen zueinander bei der Abteilungsbildung zu berücksichtigen. Eine Übersicht über die angesprochenen Ansätze und deren wesentliche Vertreter ist in Abbildung 1 zusammenfassend dargestellt.

13

Vgl. Schneider 1981, S. 62ff.

14

Vgl. Kieser 1992, Sp. 58.

15

Vgl. Gagsch 1980, Sp. 2163ff.

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Abb. 1:

Überblick über Ansätze zur Abteilungsbildung • Frank (1973) • Hanssmann (1970) • Müller-Merbach (1980)

Quantitative Ansätze

Ansätze zur Abteilungsbildung Qualitative Ansätze

Merkmalsorientierte Ansätze

• Müller-Merbach (1972)

Beziehungsorientierte Ansätze

• Müller-Merbach (1973) • Berg (1978) • Klösgen (1977)

Kombinierte Ansätze

• Schneider (1981)

3.2. Der beziehungsorientierte Ansatz von Müller-Merbach Zu einem der meist genannten Modelle gehört der Ansatz von Müller-Merbach zur optimalen Abteilungsgliederung.16 Im Ausgangsbeispiel liegen 7 Aufgabenbereiche mit einer unterschiedlichen Anzahl von Mitarbeitern vor, die zu 3 oder 4 Abteilungen zugeordnet werden sollen. Zwischen den Bereichen kommt es zu Informationsfällen wie bspw. Akteneinsichtnahmen, deren Anzahl pro Monat aus der Vergangenheit bekannt ist. Die genaue Situation ist folgender Übersicht zu entnehmen. Abb. 2: Zahl der bereichsüberschreitenden Informationsfälle und Mitarbeiter je Aufgabenbereich (Quelle: Müller-Merbach 1973, S. 99)

1 2 3 4 5 6 7

1 0

2 170 0

Aufgabenbereich 3 4 5 200 10 110 40 60 200 0 20 50 0 110 0

6 100 20 80 30 20 0

7 150 30 80 10 100 170 0

Zahl der Mitarbeiter 2 4 3 3 5 1 2

Die Zielsetzung des Modells sieht die Minimierung der abteilungsüberschreitenden Informationsfälle vor, unter der Nebenbedingung, dass jede zu bildende Abteilung 5-7 Mitarbeiter umfasst. Zur Lösung des Problems zeigt Müller-Merbach verschiedene Verfahren auf. Im konkreten Beispiel erweisen sich dabei Vollenumeration und Entscheidungsbaumverfahren als geeignetste Methoden. Die optimale Lösung ergibt

16

Vgl. zur Modellbeschreibung Müller-Merbach 1973, S. 98ff.

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eine Reduzierung der bereichsübergreifenden Informationsfälle von 1.760 auf 1.220 durch Zusammenfassung der Aufgabenbereiche (1; 3; 6), (2; 4) und (5; 7). 17 Geht man nun von den in Abschnitt 2.2. festgestellten Zielen der Abteilungsgliederung aus, so wird deutlich, dass die von Müller-Merbach verfolgte Zielsetzung lückenhaft ist. Das Modell beschränkt sich auf eine Maximierung der Koordinationseffizienz, während die Aspekte Anreiz- und Anforderungskompatibilität nicht berücksichtigt werden. Die Koordinationseffizienz wird durch die Anzahl von Kommunikationsvorfällen operationalisiert. Tatsächlich reduziert eine beginnende Abteilungsgliederung zunächst den Koordinationsbedarf, da sich der Koordinationsprozess durch den Einsatz von Abteilungsleitern grundsätzlich erleichtert.18 Bei weiterer Untergliederung nimmt der Koordinationsbedarf in der Realität durch eine höhere Differenzierung und steigende Interdependenzen zwischen den Bereichen allerdings schließlich wieder zu.19 Eine zunehmende Untergliederung in Abteilungen wirkt sich dann tendenziell negativ auf die Koordinationseffizienz aus. Der Ansatz von Müller-Merbach bezieht nun ausschließlich diese negative Wirkung in die Betrachtung ein. Deshalb ist eine Nebenbedingung notwendig, die eine bestimmte Mindestanzahl an Abteilungen vorgibt. Würde die Minimierung der bereichsübergreifenden Informationsfälle ohne eine solche „künstliche“ Nebenbedingung durchgeführt, ergäbe sich eine einzige Abteilung als optimale Lösung. De facto würde der Koordinationsaufwand so jedoch nur in die Abteilung verlagert. Durch die Festlegung der minimalen und maximalen Mitarbeiterzahl je Abteilung gibt Müller-Merbach nun indirekt 3 Abteilungen als optimal vor. Somit ist der Ansatz stark eingeschränkt. Sein Wert liegt darin, für eine bestimmte Abteilungsanzahl diejenige Kombination von Aufgabenbereichen zu bestimmen, die den Koordinationsaufwand in Form von Informationsfällen zwischen den Abteilungen minimiert – abteilungsinterne Aspekte werden dabei ausgeblendet. 4.

Formulierung eines erweiterten Modells

Nun wird ein Modell abgeleitet, das neben der Koordinationseffizienz auch Anreizund Anforderungskompatibilität als Zielkriterien berücksichtigt. Die Vorgabe einer Mindestanzahl von Abteilungen wird so obsolet. 4.1. Berücksichtigung von Anreiz- und Anforderungskompatibilität Hinsichtlich der Anreizkompatibilität ist zunächst eine komplexitätsreduzierende Wirkung zunehmender Abteilungsgliederung zu bemerken. Durch die Abteilungsbildung wird eine Untergliederung der Gesamtaufgabe in überschaubare, selbstständige Aufgabenbereiche ermöglicht, was zu einer Erhöhung der Motivation der Mitarbeiter und Abteilungsleiter durch eine höhere Identifizierung mit der Aufgabe

17

Vgl. Müller-Merbach 1973, S. 99.

18

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 282.

19

Vgl. Rühli 1992, Sp. 1165; Laux/Liermann 1997, S. 5.

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führen kann.20 Kleine Aufgabenbereiche gestatten weiterhin eine bessere Kontrolle und Steuerung der Tätigkeiten, wodurch die Instanz positiv auf die Motivation der nachgeordneten Stellen einwirken kann. Bei weniger Aufgabenbereichen ist es für die Instanz zum einen leichter, das für kontrollierendes Eingreifen notwendige Wissen zu erlangen,21 zum anderen ist eine bessere Beurteilung der Leistung der Mitarbeiter hinsichtlich des Gesamterfolgs möglich. Dies stellt wiederum die Voraussetzung für Belohnungen oder Anreize dar. 22 Bei der Betrachtung der Wirkung zunehmender Abteilungsgliederung auf die Anforderungskompatibilität sind zunächst Spezialisierungsvorteile zu nennen. Durch weitere Arbeitsteilung ermöglicht die Abteilungsbildung die Spezialisierung der Mitarbeiter auf ähnliche Aufgaben. Dies erleichtert zum einen die Einarbeitung und die Entwicklung von aufgabenspezifischem Wissen sowie relevanten Fähigkeiten. 23 Zum anderen kann durch die Konzentration auf einen bestimmten Aufgabenbereich eine geringere Variabilität der Aufgaben und eine höhere Qualität von Entscheidungen erreicht werden. 24 Weiterhin verringert eine zunehmende Abteilungsgliederung die Gefahr der (qualitativen und quantitativen) Überlastung der Leitungsinstanz, die ebenfalls nur über eine begrenzte Kapazität verfügt:25 der Umfang der Aufgaben nimmt ab und ihre Strukturiertheit zu, wodurch die Anforderungen sinken. 26 Allerdings sind auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen einzubeziehen: jeder Einsatz einer zusätzlichen Instanz ist mit direkten Kosten verbunden (höheres Gehalt, Betriebsmittel, Verwaltungskosten, etc.). 27 Geht man davon aus, dass Instanzen überwiegend dispositive Tätigkeiten wahrnehmen, ist außerdem ein gewisser Produktivitätsverlust der Instanzen zu berücksichtigen, da diese einen eingeschränkten direkten Beitrag zur operativen Wertschöpfung leisten. Im Gegensatz zur Koordinationseffizienz ist damit die Wirkung zunehmender Abteilungsgliederung auf die Anreiz- und Anforderungskompatibilität tendenziell positiv. Dieser Zusammenhang wird in dem erweiterten Modell durch folgende (Teil-)Zielfunktion dargestellt: ! Z1 ( k ) = ( a × S × Q) × k y × ( MA − k ) − k × ∆G  → Max

(k = 1, ..., n )

(1)

20

Vgl. Kieser 1992, Sp. 57. Natürlich ist zu beachten, dass bei zu starker Untergliederung der Bereiche demotivierende Wirkungen wie zunehmende Monotonie der Aktivitäten auftreten können, welche die Anreizkompatibilität mindern.

21

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 288.

22

Vgl. Laux 1992, Sp. 117.

23

Vgl. Bleicher 1991, S. 58; Laux/Liermann 1997, S. 287ff.

24

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 281.

25

Vgl. Koontz/O´Donnell 1975, S. 66f.; Bleicher 1969b, Sp. 1532.

26

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 259.

27

Vgl. Koontz/O´Donnell 1975, S. 66.

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Mit: a – Grundwertschöpfung eines Mitarbeiters in Mengeneinheiten (ME) je Stunde S – Anzahl der Arbeitsstunden eines Mitarbeiters je Monat Q – Bewertung des Outputs in Geldeinheiten (GE) je ME k – Anzahl der Abteilungen, mit k = 1, ..., n y – Produktivitätsparameter, mit 0 < y < 1 MA – Gesamte Mitarbeiterzahl ? G – Gehaltsdifferenz zwischen Abteilungsleiter und operativ tätigen Mitarbeitern in GE je Monat n – Anzahl der Aufgabenbereiche a, S, Q, MA, ?G > 0 Bei der Operationalisierung des Zusammenhangs zwischen Abteilungsgliederung und Anreiz-/Anforderungskompatibilität rückt die Wertschöpfung der Mitarbeiter in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Da eine tendenziell positive Wirkung zunehmender Untergliederung auf beide Zielsetzungen festgestellt wurde, wird im Modell davon ausgegangen, dass sich mit zunehmender Anzahl von Abteilungen (k) die mengenmäßige Arbeitsleistung eines Mitarbeiters erhöht. Diese Steigerung wird durch den Term (a × S × Q) × ky ausgedrückt, wobei (a × S × Q) die bewertete Grundwertschöpfung eines Mitarbeiters in GE/Monat darstellt. Durch die Multiplikation mit ky nimmt diese in Abhängigkeit der Abteilungsanzahl mit abnehmendem Grenzertrag zu, wobei der Produktivitätsparameter y das Ausmaß der Leistungssteigerung angibt. Diese Arbeitsleistung wird mit der Anzahl der operativ tätigen Mitarbeiter multipliziert, um die Gesamtwertschöpfung zu erhalten. Da hier von einer festen Anzahl von Mitarbeitern und einer rein dispositiven Tätigkeit der Leitungsinstanzen ausgegangen wird, nimmt die Zahl der operativ tätigen Mitarbeiter entsprechend der Anzahl der Abteilungen ab, was durch den Faktor (MA – k) ausgedrückt wird. Die zusätzlichen Gehaltskosten, die neben dem Produktivitätsverlust bei zunehmender Untergliederung anfallen, werden im zweiten Summanden der Funktion berücksichtigt. Dabei wurde nur die Gehaltsdifferenz einbezogen, da das Grundgehalt in jedem Fall unabhängig von der Anzahl der Abteilungen anfällt und daher für die betrachtete Fragestellung nicht relevant ist. Diese (Teil-)Zielfunktion, die die Abteilungsanzahl hinsichtlich der Anreiz- und Anforderungskompatibilität optimiert, wird über k maximiert und gibt damit als Ergebnis diejenige Anzahl von Abteilungen an, bei der die Gesamtwertschöpfung aller Mitarbeiter maximal ist. Zu bemerken ist dabei, dass bei Beachtung grundsätzlicher ökonomischer Zusammenhänge die positive Wirkung zunehmender Abteilungsgliederung (ausgedrückt durch die Steigerung der Wertschöpfung) die negative Wirkung (abgebildet durch die Zunahme der Gehaltskosten und die Abnahme operativ tätiger Mitarbeiter) überwiegt und dadurch tendenziell eine höhere Abteilungsanzahl das Optimum darstellt. Hinsichtlich der Anreiz- und Anforderungskompatibilität sind also im Modell lediglich die Anzahl der Abteilungen von Interesse, nicht aber ihre spezifische Kombination zu Aufgabenbereichen (d.h. die Art der Partition).

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4.2. Berücksichtigung der Koordinationseffizienz Die Formulierung der zweiten (Teil-)Zielfunktion, welche den Zusammenhang der Abteilungsgliederung und der Koordinationseffizienz darstellt, orientiert sich an den Überlegungen von Müller-Merbach. So werden zum einen zur Abbildung des Koordinationsbedarfs ebenfalls Informationsfälle zwischen den einzelnen Aufgabenbereichen verwendet, zum anderen wird die Idee der Minimierung der abteilungsübergreifenden Informationsfälle übernommen. Allerdings werden die Informationsfälle, abweichend vom ursprünglichen Modell, mit Kosten bewertet. Dabei wird davon ausgegangen, dass sowohl abteilungsinterne als auch -externe Informationsvorfälle Kosten verursachen. Weiterhin wird auf die Vorgabe einer Mindestanzahl von Abteilungen durch eine Nebenbedingung verzichtet. Die Minimierung des Koordinationsaufwandes wird nun in der Zielfunktion Z2 durch die Minimierung der Koordinationskosten wie folgt ausgedrückt:

    ! P P; i Z2 (P) = ∑ Eij × F + ∑  ∑ Alm × H   → Min ( P ∈ Ρ ({1, ..., n})) i, j ∈ {1, ..., k } l , m ∈ P i =1  i  i> j  l>m  k

(2)

Mit: k = P (Anzahl der Abteilungen) n – Anzahl der Aufgabenbereiche P = {P 1, ..., Pk} – Partition der Aufgabenbereiche in gebildeten Abteilungen, wobei gilt: Pi ∩ Pj = ∅ für i ≠ j; i, j ∈ {1, ..., k} k

U P = {1, ..., n}, d.h. P ist eine Partition von {1, ..., n} i =1

i

EijP – Menge der abteilungsübergreifenden Informationsfälle je Monat zwischen den Abteilungen i und j bei Wahl der Partition P F – Kosten für einen abteilungsübergreifenden Informationsfall in GE AlmP ; i – Menge der abteilungsinternen Informationsfälle je Monat in Abteilung i zwischen den Aufgabenbereichen l und m bei Wahl der Partition P H – Kosten für einen abteilungsinternen Informationsfall in GE EijP , AlmP ;i ≥ 0;

F, H > 0; F > H

Diese Funktion basiert auf der Idee, dass nach der Zusammenfassung von Aufgabenbereichen die Beziehungen zwischen diesen Bereichen, die sich in den Informationsfällen ausdrücken, weiterhin bestehen bleiben, jedoch zu geringeren Kosten. Es wird also davon ausgegangen, dass die Kommunikation und Abstimmung von Entscheidungen innerhalb einer Abteilung einfacher und durch die Nähe der Mitarbeiter kostengünstiger ist als zwischen verschiedenen Abteilungen.

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Der erste Summand der Funktion stellt die Kosten für abteilungsübergreifende Informationsfälle dar, deren Menge zwischen je zwei Abteilungen mit den Kosten je Informationsfall multipliziert und über alle Abteilungen aufsummiert wird. Die Anzahl der Abteilungen und damit auch die Anzahl der abteilungsübergreifenden Informationsfälle sind dabei abhängig von der gewählten Partition P, die die jeweilige Kombination der Aufgabenbereiche zu Abteilungen angibt. Im zweiten Summanden wird die Anzahl von Informationsfällen zwischen allen Aufgabenbereichen innerhalb einer Abteilung der gewählten Partition P ermittelt und diese mit den Kosten je internem Informationsfall multipliziert. Dies wird für alle Abteilungen der Partition P berechnet und aufsummiert, um zu den Gesamtkosten für die abteilungsinternen Informationsfälle zu gelangen. Insgesamt wird der Koordinationsaufwand, der durch die Kosten für Informationsfälle in P operationalisiert ist, minimiert. Da die Kosten für abteilungsüberschreitende Informationsfälle größer als diejenigen für abteilungsinterne Informationsfälle angenommen wurden (F > H), wird das kostenminimale Ergebnis durch eine Kombination von Aufgabenbereichen mit minimalen abteilungsübergreifenden Beziehungen erreicht. So ergibt sich auch in diesem Modell im Normalfall bei alleiniger Betrachtung dieser (Teil-)Zielfunktion eine einzige Abteilung als isoliert optimal. Bei Berücksichtigung der Koordinationseffizienz ist nicht mehr nur die Zahl, sondern auch die Kombination der Aufgabenbereiche (Partition) von Interesse. 4.3. Zusammenführung der Zielsetzungen und Beispiellösung Das erweiterte Modell zur optimalen Abteilungsgliederung ergibt sich nun durch die Zusammenführung der beiden vorgestellten Teilzielfunktionen. Dadurch ist es möglich, die gegensätzlichen Wirkungen zunehmender Abteilungsgliederung hinsichtlich der identifizierten Zielsetzungen in eine gemeinsame Zielfunktion zu integrieren. Um die optimale Abteilungsgliederung zu erreichen, muss die Lösung der Gesamtzielfunktion das Optimum aus den im Abschnitt 2.2. abgeleiteten Zielen wiedergeben. Dieses Optimum ist der „beste Kompromiss“ aus einer möglichst hohen Anreiz- und Anforderungskompatibilität mit einer möglichst hohen Koordinationseffizienz. Im Gegensatz zur Funktion Z1, in der direkt die Kompatibilitätseigenschaften maximiert werden, wird in der Teilzielfunktion Z2 nicht die Koordinationseffizienz maximiert, sondern der Koordinationsaufwand minimiert. Daher muss die Funktion Z2 mit einem negativen Vorzeichen in der Gesamtzielfunktion enthalten sein. Die zu maximierende Gesamtzielfunktion zur optimalen Abteilungsgliederung lautet:28

28

Zur Definition der Variablen vgl. Abschnitte 4.1. und 4.2.

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Z (P ) = Z1 ( P ) − Z 2 ( P )

= (a × S × Q ) × k y × ( MA − k ) − k × ∆G −     ! P P; i − ∑ Eij × F − ∑  ∑ Alm × H   → Max (P ∈ Ρ ({1, ..., n} )) i , j ∈ {1, ..., k } i = 1  l ,m ∈ Pi  i> j  l>m  k

(3)

In dieser Zielfunktion werden nun von der Gesamtwertschöpfung bei einer bestimmten Kombination der Aufgabenbereiche zu Abteilungen die dabei anfallenden Kosten für den Koordinationsaufwand abgezogen. Diese Differenz wird über die Partition P maximiert. Zu beachten ist dabei, dass bei der Teilzielfunktion Z1 die ursprüngliche Maximierung über k durch die Mächtigkeit der Partition ersetzt wurde, was der Anzahl der Abteilungen entspricht. Die Lösung der Zielfunktion gibt an, welche Aufgabenbereiche zu wie vielen Abteilungen zusammengefasst werden sollen. Das bedeutet, dass sowohl die qualitative als auch die quantitative Fragestellung der Abteilungsgliederung durch das Modell beantwortet wird. Hierbei ist zu bemerken, dass nur Teilzielfunktion Z2 direkt beeinflusst, welche Aufgabenbereiche den Abteilungen zugeordnet werden sollen, während sich die optimale Anzahl der Abteilungen durch das Zusammenspiel von Z1 und Z2 ergibt. Im Folgenden soll die Wirkungsweise des erweiterten Modells auf Basis des Beispiels von Müller-Merbach verdeutlicht werden. 29 Dementsprechend wird von n = 7 Aufgabenbereichen und einer Gesamtmitarbeiterzahl von MA = 20 ausgegangen. Für die Bewertung der Informationsfälle werden für abteilungsinterne Beziehungen Kosten von H = € 0,1 je Vorfall und für abteilungsübergreifende Beziehungen Kosten in Höhe von F = € 2 je Vorfall angenommen. Die Auswahl dieser Werte entspricht der Nebenbedingung F > H. Zur Berechnung der Wertschöpfung der Mitarbeiter werden folgende Variablenausprägungen angenommen: a = 10 St./Std., S = 168 Std., Q = 1,5 €/St. sowie y = 0,45. Mit y = 0,45 wird von einem recht deutlichen Steigerungspotenzial der Produktivität durch weitere Untergliederung ausgegangen. Als Gehaltsdifferenz zwischen Abteilungsleiter und Mitarbeitern wird ?G = € 500 gewählt. Bei Einsetzung dieser Werte ergeben sich folgende (Teil-)Ergebnisse: •

29

Isoliert gemäß Z1 (|P|): Bildung von 6 Abteilungen (optimale Anreiz- und Anforderungskompatibilität),

Vgl. Müller-Merbach 1973, S. 99 sowie Abschnitt 3.2. Da in dem Modell davon ausgegangen wird, dass aus einem Aufgabenbereich eine Abteilung mit Leitungsinstanz und mindestens einem operativ tätigen Mitarbeiter gebildet werden kann, ist eine geringfügige Modifikation der Mitarbeiterverteilung auf die einzelnen Aufgabenbereiche notwendig, die durch den Austausch eines Mitarbeiters zwischen den Bereichen 5 und 6 erfolgt.

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• Isoliert gemäß Z2 (P): Bildung von 1 Abteilung (optimale Koordinationseffizienz), • Gesamtoptimum gemäß Z (P): Bildung von 5 Abteilungen aus den Aufgabenbereichen (3), (4), (6), (7), (1; 2; 5). Bemerkenswert ist dabei zum einen, dass auch bei der isolierten Optimierung von Z1 die maximale Abteilungsanzahl von 7 nicht erreicht wird. Der Grund hierfür liegt darin, dass diese Teilzielfunktion nicht nur positive sondern auch negative Wirkungen der Abteilungsgliederung hinsichtlich Anreiz- und Anforderungskompatibilität enthält (Produktivitätsabfall und Gehaltskosten). Zum anderen ergibt sich mit der Bildung von 5 Abteilungen ein Gesamtoptimum, das wie erwartet zwischen den Optima der Teilzielfunktionen liegt. Das bedeutet, dass sich in der Zielfunktion Z (P) die gegensätzlichen Wirkungen zunehmender Abteilungsgliederung hinsichtlich der drei Zielsetzungen teilweise kompensieren. 5.

Modellanalysen

Im Folgenden werden nun die Wirkungen vom Ausgangsbeispiel veränderter Variablen auf den Zielwert analysiert, um Rückschlüsse auf die Bedeutung einzelner Parameter sowie die optimale Abteilungsgliederung bei zwei Idealtypen zu ziehen. 5.1. Sensitivitätsanalysen Zur Analyse des Einflusses einzelner Parameter wurde unter Beibehaltung der übrigen Variablenausprägungen entsprechend des obigen Beispiels der jeweils betrachtete Parameter in einer möglichst großen aber realistischen Spannweite verändert. Die Ergebnisse dieser ceteris paribus Betrachtungen sind in folgender Abbildung zusammengefasst. Abb. 3:

Übersicht Sensitivitätsanalysen

Parameter a× S×Q y ∆G

F–H

Bedeutung

Wirkung auf optimale Abteilungsanzahl

Bewertete Grundwertschöpfung eines Mitarbeiters in GE/Monat

• Positiv • Maximale Abteilungsanzahl wird nicht erreicht

Produktivitätsparameter

• Positiv • Sehr starker Einfluss

Gehaltsdifferenz zw. Abteilungsleiter und operativ tätigen Mitarbeitern in GE/Monat

• Negativ • Vergleichsweise geringer Einfluss im relevanten Bereich

Differenz zw. den Kosten für abteilungsüberschreitende und -interne Informationsfälle

• Große Differenz: stark negativ • Kleine Differenz: sehr gering negativ

Aus der Übersicht ist zu entnehmen, dass sich die Parameter sowohl hinsichtlich der Richtung als auch bezüglich der Stärke des Einflusses auf die optimale Abteilungsanzahl deutlich unterscheiden. Bemerkenswert ist, dass in den Analysen nicht die

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maximale Abteilungsanzahl von 7 erreicht wurde. Das bedeutet, dass bei den gewählten Variablenausprägungen ab einem bestimmten Punkt Spezialisierungsvorteile und ein höherer Wert des Outputs nicht mehr ausreichen, um den Produktivitätsverlust durch die Abnahme der operativ tätigen Mitarbeiter und die höheren Gehaltskosten zu kompensieren. Weiterhin kann festgestellt werden, dass der Produktivitätsparameter die bedeutendste Einflussgröße darstellt, d.h. das Ausmaß der Leistungssteigerung der Mitarbeiter bei stärkerer Untergliederung durch Spezialisierung, bessere Kontrolle und Steuerung. Demgegenüber zeigt der geringe Einfluss von ?G, dass die zusätzlichen Gehaltskosten die Vorteile stärkerer Untergliederung nur begrenzt aufheben. Hinsichtlich der Koordinationskosten wird ersichtlich, dass die Kosten abteilungsüberschreitender Informationsfälle nur bei großer Differenz zu Kosten abteilungsinterner Koordination maßgeblich relevant für die Abteilungsgliederung sind. Der Koordinationsbedarf hat nur in diesem Fall einen nennenswerten Einfluss auf die optimale Abteilungsanzahl. 5.2. Analyse zweier Idealtypen Im zweiten Teil der Modellanalyse sollen die bisher einzeln analysierten Variablen Ausprägungen in Anlehnung an praxisorientierte Beispiele annehmen, um das Zusammenwirken aller Parameter in verschiedenen Situationen zu untersuchen. Für die Auswahl der zu analysierenden Situationen erscheinen aus den vorangegangenen Betrachtungen besonders solche Konstellationen interessant, die sich durch unterschiedliche Ausprägungen der mengen- und wertmäßigen Wertschöpfung auszeichnen. Es werden zwei idealtypische Kombinationen der Fertigung verwendet: (a) hohe Menge in Verbindung mit niedrigem Wert des Outputs als Idealtyp der Strategie der Kostenführerschaft bei Massenfertigung und (b) niedrige Menge in Verbindung mit hohem Wert des Outputs als Idealtyp der Differenzierungsstrategie bei auftragsorientierter Einzelfertigung. Beim Vergleich dieser beiden Idealtypen wurden die Mitarbeiterzahl, die Anzahl der Aufgabenbereiche sowie die Verteilung der Informationsfälle konstant gehalten, während die anderen Parameter an die jeweilige Situation angepasst wurden. Die Situation einer mengenmäßig hohen, aber wertmäßig geringen Wertschöpfung je ME ist z.B. in Abteilungen von Organisationen anzutreffen, die die Strategie der Kostenführerschaft in Verbindung mit Massenfertigung verfolgen. Das Ziel der Kostenführerschaft ist es, Produkte zu niedrigeren Kosten als Wettbewerber herzustellen, was häufig durch Standardisierung der Fertigung sowie Ausnutzung von Mengenvorteilen erreicht wird.30 Dementsprechend zeichnet sich die Massenfertigung idealtypisch durch die Herstellung einer hohen Menge homogener Produkte aus 31 und

30

Vgl. Porter 1985, S. 12f.

31

Vgl. Schweitzer/Küpper 1997, S. 22.

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umfasst Aufgaben niedriger Komplexität und Variabilität32. Zur Modellierung dieser Situation wurde daher ein geringer Wert des Outputs je ME (Q = 1) und eine hohe mengenmäßige Grundwertschöpfung eines Mitarbeiters in ME je Std. (a = 12) verwendet. Nach Heinen weist dieser Produktionstyp im Wertschöpfungsprozess einen vergleichsweise niedrigen Informations- und Abstimmungsbedarf auf, 33 wodurch bei Vorliegen dieser Situation von relativ niedrigen Koordinationskosten ausgegangen werden kann (H = 0,1; F = 1). Die Möglichkeit zur Steigerung der Produktivität durch zunehmende Untergliederung in Abteilungen ist vor allem dann hoch, wenn bei der Aufgabenbearbeitung Spezialisierungsvorteile möglich sind und die Leitungsinstanz bei einem kleineren Aufgabenbereich die ihr nachgeordneten Stellen besser kontrollieren und steuern kann. Im Falle einer hohen Standardisierung und geringen Variabilität der Tätigkeiten sind diese Voraussetzungen allerdings nicht bzw. kaum erfüllt. Vielmehr ist hier die Kontrolle vieler Mitarbeiter über explizite Verhaltensnormen relativ einfach möglich.34 Daher wird in dieser Situation von einem niedrigen Wert von y (y = 0,15) ausgegangen. Für die Gehaltsdifferenz ?G wurde der Wert von 500 beibehalten. Als optimale Lösung für diese Situation ergibt sich gemäß des Modells die Bildung von 2 Abteilungen durch Zusammenfassung der Aufgabenbereiche (1; 2; 3; 5; 6; 7) und der Bildung einer eigenständigen Abteilung aus dem Bereich 4. Demnach minimieren bei diesem Idealtyp die Standardisierung und einfachen Kontrollmöglichkeiten die Vorteile stärkerer horizontaler Segmentierung. Die zweite zu betrachtende Situation einer niedrigen mengen-, aber hohen wertmäßigen Wertschöpfung je ME ist etwa in Organisationen zu finden, die eine Differenzierungsstrategie in Verbindung mit auftragsorientierter Einzelfertigung verfolgen. Dabei ist es das Ziel, dem Kunden ein einzigartiges Produkt anzubieten, das die Zahlung einer Preisprämie rechtfertigt; z.B. durch Eingehen auf kundenspezifische Bedürfnisse oder eine hohe Qualität. 35 In dieser Situation kann von einem hohen Wert des Outputs in Höhe von Q = 500 und einer niedrigen mengenmäßigen Grundwertschöpfung eines Mitarbeiters von a = 1 ausgegangen werden. Bei der idealtypischen auftragsorientierten Einzelfertigung werden kundenindividuelle Produkte hergestellt.36 Dieser Produktionstyp zeichnet sich durch eine hohe Komplexität und Variabilität der Tätigkeiten aus, wodurch an den Prozess der Wertschöpfung hohe Anforderungen hinsichtlich des Informations- und Abstimmungsbedarfs gestellt werden. 37 Es wird daher von relativ hohen Koordinationskosten (H = 10; F = 30) ausgegangen. Bezüglich des Produktivitätsparameters wurde ein relativ hohes Potenzial angenommen (y = 0,45), was sich vor allem durch die hohen Anforderungen an die

32

Vgl. Heinen 1991, S. 405.

33

Vgl. Heinen 1991, S. 407, 464ff.

34

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 306.

35

Vgl. Porter 1985, S. 14.

36

Vgl. Heinen 1991, S. 406.

37

Vgl. Heinen 1991, S. 464ff.

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Mitarbeiter und die Leitungsinstanz begründet. So sind die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten bei hoher Komplexität und Variabilität der Aufgaben begrenzt. 38 Gelingt es jedoch, diese durch stärkere Untergliederung zu reduzieren, ist das Steigerungspotenzial durch bessere Kontrolle und Lerneffekte vergleichsweise hoch. Die Schwierigkeit hierbei spiegelt sich auch in den hohen Koordinationskosten wieder. Es liegen dann vergleichsweise hohe Anforderungen an die Leitungsinstanz vor, weshalb von einer Gehaltsdifferenz ?G = 3.000 ausgegangen wird. Die Optimierung dieser Werte resultiert in der Bildung von 6 Abteilungen durch den Zusammenschluss der Aufgabenbereiche (2; 5) sowie der Bildung eigenständiger Abteilungen aus den Bereichen (1), (3), (4), (6) und (7). Das bedeutet, dass im betrachteten Fall die Möglichkeiten stärkerer Untergliederung die daher zusätzlich notwendigen Kosten nahezu kompensieren. Insgesamt bestätigt das Ergebnis gängige qualitative Aussagen der Organisationstheorie: Bei Vorliegen hoch komplexer und variabler Aufgaben in Verbindung mit einer hohen wertmäßigen Wertschöpfung (Einzelfertigung im Rahmen einer Differenzierungsstrategie) ist eine stärkere Untergliederung in Abteilungen tendenziell vorteilhaft. Bei Aufgaben, die sich durch eine geringe Komplexität und Variabilität in Verbindung mit einer geringen wertmäßigen Wertschöpfung auszeichnen (Massenfertigung im Rahmen einer Strategie der Kostenführerschaft), empfiehlt sich demgegenüber eine Untergliederung in tendenziell wenige Abteilungen. 6.

Fazit und abschließende Beurteilung

Der in diesem Beitrag vorgestellte Ansatz stellt einen ersten Schritt zur Integration der verschiedenen und teilweise konkurrierenden Zielsetzungen der Abteilungsgliederung Koordinationseffizienz, Anreiz- und Anforderungskompatibilität in einem Modell dar. Dabei werden die verschiedenen Zielsetzungen in der gemeinsamen Zielfunktion so integriert, dass die optimale Abteilungsanzahl „frei“ durch die gegenläufigen Wirkungen zunehmender Untergliederung bestimmt wird. Insbesondere ist keine Nebenbedingung notwendig, welche eine Anzahl von Abteilungen vorgibt. Anders als bisherige Ansätze gibt das erweiterte Modell sowohl die optimale Anzahl von Abteilungen als auch ihre optimale Kombination an. Die quantitative und die qualitative Fragestellung der Abteilungsgliederung werden nämlich explizit gemeinsam betrachtet und optimiert. Dieser Fortschritt gegenüber existierenden Modellen sollte jedoch weder über die spezifischen Schwierigkeiten des Modells noch über die grundsätzlichen Grenzen einer quantitativen Modellierung organisatorischer Sachverhalte hinweg täuschen. Die wichtigsten Aspekte sind aus unserer Sicht folgende: Kritisch zu sehen ist zunächst die unvollständige Abbildung der Wirkungen zunehmender Abteilungsgliederung im Modell. Dazu zählt zum einen die zunächst den Koordinationsbedarf reduzierende Wirkung der Abteilungsbildung. Weiterhin beinhaltet das Modell hinsichtlich der Anreizkompatibilität nicht die Gefahr der Monotonie und Demoti38

Vgl. Laux/Liermann 1997, S. 314f.

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vation der Mitarbeiter bei zu starker Untergliederung. Darüber hinaus bleiben mögliche Effekte bei Zusammenfassung bestimmter Aufgabenbereiche aufgrund gemeinsamer Ressourcennutzung unberücksichtigt. Grundsätzliche Anwendungsgrenzen des Modells liegen in der Datenverfügbarkeit und -beschaffung sowie dem relativ hohen Rechenaufwand zur Bestimmung aller möglicher Kombinationen von Aufgabenbereichen. Des weiteren geht das Modell stark vereinfachend von stabilen, überschaubaren Aufgaben aus. Dennoch ist das Modell (hoffentlich) ein guter Ausgangspunkt für Erweiterungen oder spezifische Modifikationen zur Analyse spezieller Problemstellungen der Abteilungsgliederung. Jedenfalls ist es immerhin umfassender als existierende Ansätze.

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