Jetzt sind Sie ein Martial Raysse

Bild Wissen Technik / Zwischen Bildern 1/2012 - 1 Stefanie Stallschus „Jetzt sind Sie ein Martial Raysse“ Von den Handlungsräumen zwischen Bildern ...
Author: Hermann Scholz
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Bild Wissen Technik / Zwischen Bildern

1/2012 - 1

Stefanie Stallschus

„Jetzt sind Sie ein Martial Raysse“ Von den Handlungsräumen zwischen Bildern

Pop Art und die Pluralisierung der Bilder

Forschungsarbeiten haben gezeigt, wie produktiv es

Wenn es um die Thematisierung der Mehrbildlichkeit

sein kann, die Pop Art als künstlerischen Ansatz über

in den künstlerischen Diskursen des 20. Jahrhunderts

die USA und Europa hinaus zu untersuchen und dafür

geht, dann kommt man nicht umhin, der Pop Art eine

auch zeitliche Beschränkungen aufzuheben.1 Erst in

Schlüsselstellung

Mehrbildlichkeit

dieser Perspektive einer vergleichenden Kunstwissen-

meint in diesem Zusammenhang zunächst weniger

zuzugestehen.

schaft wird unübersehbar, dass sie Ausdruck einer

das Kompilieren und Verknüpfen von Bildern zu neuen

Demokratisierung in der Kunst und im Bereich der

zusammenhängenden Konstellationen, obwohl die

Kultur gewesen ist. Voraussetzung für eine solche In-

Pop Art durchaus wirkungsvolle Modelle solcher Bild-

terpretation ist, dass man die Pop Art als eine pro-

ordnungen, etwa serieller Form, entwickelt hat. Ange-

grammatische Neudefnition im Verhältnis von Kunst

sprochen ist vielmehr die Mehrbildlichkeit im Sinne ei-

und Populärkultur auffasst, die auf eine Aufhebung

ner Pluralisierung der Bilder. Denn charakteristisch für

der normativen Unterscheidung zwischen hoher Kunst

diese künstlerische Bewegung war die Verwendung

und Massenware zielte und vielmehr die Verfechtun-

von gefundenem Bildmaterial aus unterschiedlichsten

gen zwischen beidem herauszukehren suchte. 2 Die

Funktions- und Bedeutungszusammenhängen. Im

historischen Voraussetzungen für diese Relativierung

künstlerischen Bild wurde es gesammelt und montiert,

und Demokratisierung des Kulturbegriffs – der soziale

wiederholt, variiert, mal überhöht, mal parodiert. Die

Wandel in den prosperierenden Industriegesellschaf-

Perspektive der Pop Art war expansiv, so dass im

ten, die Entwicklung des Massenkonsums – sind zu

Grunde alles, was an der visuellen Kultur partizipierte

Genüge beschrieben worden. Entscheidender ist hier

und worin sich das Lebensgefühl der Gegenwart aus-

im Kontext der Frage nach der Mehrbildlichkeit, dass

drückte, zum Gegenstand der Aneignung werden

der epistemologische Bruch in der Auffassung von

konnte: von Produktdesign und Werbung über Kino,

Kultur an einer Pluralisierung der Bilder verhandelt

Fernsehen, Presse, Popmusik bis hin zu politischen

wurde. Dem modernistischen Ideal von der Autono-

Ereignissen, Wissenschaft und Technik. Angeeignete

mie der Kunst hielt der künstlerische Ansatz der Pop

Bilder erzählen auf einer Metaebene immer auch von

Art die Heterogenität zeitgenössischer Bildwelten ent-

der Differenz zwischen einem vorgängigen und einem

gegen, die als Mit-, Neben- und Gegeneinander insze-

neuen Bedeutungszusammenhang, so dass die Ver-

niert reichlich Konfiktstoff boten und darin den Plura-

schiebungen und Relationen zwischen Bildern zu ei-

lismus der zeitgenössischen Gesellschaft und moder-

nem eigenständigen Thema werden.

nen Lebenswelt widerspiegelten. So wie in der Nach-

Heute scheint man mit der Bezeichnung Pop Art

kriegszeit Kultur plötzlich nicht mehr hierarchisch,

nur mehr einen künstlerischen Stil zu verbinden, der

sondern als Gleichzeitigkeit verschiedener Alternati-

sich in den 1960er Jahren in der Kunstmetropole New

ven wahrgenommen wurde, so wurden auch Bilder

York entfaltete und auf einer ganz bestimmten Wer-

und Bildmilieus im Plural sowie in ihrer Dynamik ent-

kästhetik fußte. Dabei scheint es speziell für die Pop

deckt.

Art angemessener, von einer künstlerischen Bewe-

Warum aber wurden solche – letztlich epistemi-

gung zu sprechen, die auf bestimmte gesellschaftliche

schen – Verschiebungen ausgerechnet an den Bildern

Entwicklungen der Modernisierung reagierte und des-

verhandelt? So unterschiedlich die Ausprägungen und

halb so weit verbreitet war, aber regional ganz unter-

historischen Voraussetzungen der Pop Art gewesen

schiedliche Ausprägungen gefunden hat. Jüngere

sein mögen, am Anfang stand ein als eklatant emp-

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fundenes Spannungsverhältnis: Das traditionelle Ver-

tung zwischen Bildern der Kunst und Bildern der Mas-

ständnis von der ästhetischen Erfahrung eines Kunst-

senmedien voraus, ohne dass dies deutlich ausge-

werk hatte nur sehr wenig gemeinsam mit den Erfah-

sprochen wird. Auffallend ist dabei die Fokussierung

rungen, die Künstlerinnen und Künstler in der Rolle

auf die wahrnehmungsstrukturierende und handlungs-

von Konsumierenden mit der visuellen Kultur der Mas-

leitende Kraft von Bildern, wie sie in Mythen und Me-

senmedien machten. In den medienkritischen Debat-

taphern zum Tragen kommt und insbesondere in der

ten sind diese beiden Sphären zumeist polarisierend

Werbung angestrebt wird. Die Arbeiten bringen dieses

entgegengesetzt worden. Die Pop Art dagegen suchte

Gewebe zwischen inneren und äußeren Bildern zum

Austauschprozesse dazwischen in Gang zu setzen,

Vorschein und suchen es mittels der Öffnung auf kon-

wobei das Bild die relevante Bezugsgröße darstellte,

krete Handlungsräume zu verändern.

diese beiden konträren visuellen Formationen und ihre Rezeptionsweisen zueinander in ein Verhältnis zu set-

Bühnenbilder des Konsums und der Werbung

zen. In einem ganz praktischen Sinne zeigt sich das

1962 entwarf Martial Raysse für die legendär gewor-

im Sammeln und Neuarrangieren von fremdem Bild-

dene Ausstellung Dylaby im Stedelijk Museum in

material in der Kunst, das zugleich eine Einfühlung als

Amsterdam ein Environment, das vom Publikum nicht

auch Bemächtigung der massenmedialen visuellen

nur betrachtet sondern auch benutzt werden konnte.4

Kultur darstellte. Zudem machten sich die Künstlerin-

Mit relativ einfachen Mitteln war eine künstliche Bade-

nen und Künstler die Formen der Inszenierung und

landschaft eingerichtet worden, die den Sommerur-

der Produktion der visuellen Kultur zu Eigen, indem

laub am Meer gegenwärtig werden ließ (Abb. 1).

sie typische Gestaltungsmittel sowie die technischen Apparate der Bilderzeugung übernahmen. Die künstlerischen Bilder wurden zu einem Werkzeug, mit deren Hilfe die Inhalte, die Gestaltungsweisen, aber auch die Produktionsformen der massenmedialen Kommunikation in Besitz genommen, umkodiert und ästhetisch refektierbar gemacht werden konnten. Der vorliegende Aufsatz nimmt einige Arbeiten des französischen Künstlers Martial Raysse zum Ausgangspunkt, um ästhetischen Strategien im Umgang mit der Wirkungskraft der (massenmedialen) Bilder nachzugehen. Raysse hatte Teil an der Gruppe des

(Abb. 1) Martial Raysse, Raysse Beach, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Nouveau Réalisme in Paris und war durch seine internationale Ausstellungstätigkeit schnell auch über die

Das Zentrum bildete ein mit Wasser gefülltes Plansch-

Grenzen Frankreichs hinaus bekannt geworden. Ob-

becken, auf dem einige Schwäne aus Plastik

wohl sein Werk nicht unbedingt typisch für die Pop Art

schwammen. Darüber spannte sich ein Schirm, der

als solche oder auch nur ihre europäische Ausprä-

mit Hilfe von Leuchtröhren in eine gleißende Sonne

gung ist, liefert es aufschlussreiche Einsichten hin-

verwandelt worden war. Auch ein Strandkorb war vor-

sichtlich der Art und Weise, wie das ‚Dazwischen der

handen, in dem eine Schaufensterpuppe im Badean-

Bilder‘ im Kontext der popkulturellen Wende der sech-

zug platziert worden war, ausstaffert mit Sonnenbrille

ziger Jahre produktiv gemacht wurde. Denn in den

und Sonnenhut. Vervollständigt wurde das Ambiente

ausgewählten Arbeiten führt die Pluralisierung der Bil-

durch diverses Badespielzeug aus aufblasbarem Plas-

der dazu, dass die üblichen Dichotomien in der Be-

tik. Die umliegenden Wände des Raumes waren the-

schreibung und Bestimmung von Bildlichkeit – etwa

matisch dekoriert und umfassten stilisierte Frauenpor-

Stasis/Bewegung,

3

Di-

träts, Spiegel, diverse Kleidungsstücke, Badespiel-

stanz/Überwältigung – unterlaufen werden. Häufg

Begrenzung/Transgression,

zeug und andere Dinge mehr. Darunter befand sich

geht diesen Unterscheidungen eine normative Wer-

auch eine Reproduktion, die das kunsthistorisch tra-

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dierte Motiv der Leda mit dem Schwan zeigte und wie

den Fremdenverkehr, aber auch Ansichten mondäner

ein Echo die Schwimmvögel im Pool wiederholte.

Villen und Gärten. 6 Nirgends machte sich die Verände-

Über den Raum verteilte Radiatoren sorgten für eine

rung der französischen Gesellschaft auffälliger be-

sommerlich warme Atmosphäre, während die Juke-

merkbar als in dieser Ferienregion an der Peripherie,

box und die Transistorradios auf Knopfdruck Musik

die eine verführerische Mischung aus antibürgerlichen

abspielten. In der Mitte des Raumes verkündete eine

Lebensformen und amerikanischer Lebensart, Ju-

bunte Leuchtröhre, dass das Environment unter dem

gendkultur und massenmedialen Inszenierungen an-

Titel Raysse Beach frmierte – eine Art Markenname,

zubieten wusste.7

in dem der Name des Künstlers und des Kunstwerks miteinander verschmolzen.

Die thematischen Bezugnahmen auf die moderne ideale Badelandschaft bei Raysse haben also einen

Obwohl der Kontext, in dem das Environment ent-

biografschen Hintergrund, zielen aber allgemeiner auf

standen ist, ein halbes Jahrhundert zurück liegt, sind

den heterotopischen Charakter von touristisch entwi-

die Vorbilder auch heute noch leicht auszumachen.

ckelten Urlaubsorten. Das wird deutlich in einem Ende

Die Kombination von Sommer, Sonne, Strand ist ein

der 1950er Jahre geführten Gespräch mit den Künst-

Longseller im Tourismusmarketing und das Motiv des

lern Arman, Yves Klein und Raysse, die miteinander

säkularisierten Paradieses nach wie vor fester Be-

befreundet waren und damals alle noch in Nizza leb-

standteil im Repertoire der Werbung.5 Mit Raysse Be-

ten. Raysses dortiger Verweis auf die Ferienregion

ach wurden Versatzstücke dieses semantischen Fel-

liest sich als eine originelle Metapher, um seine künst-

des aufgegriffen und kombiniert, um daraus ein be-

lerische Haltung und die seiner Freunde zu beschrei-

gehbares Bühnenbild für den Ausstellungsraum zu

ben: „Es sollte schon bedacht werden, dass wir keine

kreieren. Schon in früheren Arbeiten hatte der Künstler

Künstler sind. Ein Künstler möchte momentan rühren,

sich der Insignien des Badetourismus und der Freizei-

erklären und so weiter, ist Gefangener des künstleri-

tindustrie bedient, die sich auf einen lokalen Mythos

schen Konzepts, wir dagegen sind Privatiers, wir le-

zurückbeziehen lassen. Raysse war im Hinterland der

ben in den Ferien, wir haben niemals in unserem Le-

Côte d'Azur aufgewachsen und etablierte sich als

ben gearbeitet, ich weiß nicht was das ist, die Gesell-

Künstler zunächst in Nizza, bevor er nach Paris ging.

schaft, ich gehe jeden Tag spazieren…“ 8

Die Côte d'Azur war mit ihren milden Wintern schon

Mit diesem Statement grenzt sich Raysse in strikter

im 19. Jahrhundert eine beliebte Destination für engli-

Weise ab vom Kunstbetrieb in Paris einerseits und

sche und russische Touristinnen und Touristen gewe-

von der bürgerlichen Gesellschaft mit ihrer Überhö-

sen, erlebte aber in den 1950er Jahren einen unge-

hung der Arbeit als Voraussetzung sozialer Anerken-

heuren ökonomischen Aufschwung: Zunächst als gla-

nung andererseits. Während die Touristen nur zeitlich

mouröser Tummelplatz des internationalen Jetsets

befristet bleiben können, leben die Künstler auf Dauer

beworben – und durch das Filmfestival in Cannes ver-

in den Ferien, ist der Ausnahmezustand ihre Wirklich-

stärkte sich dieses Image – wurde die Region zum In-

keit. Eine Welt, in der die Mühen der Arbeit unbekannt

begriff des Hedonismus der Nachkriegszeit und als-

sind und das leichte und unbeschwerte Leben den

bald beliebte Zielregion des aufkommenden Massen-

Normalzustand darstellt, negiert und invertiert gesell-

tourismus. Ein Buch von Agnès Varda über die Côte

schaftliche Verhältnisse – sie wird zur Gegenwelt. Die-

d'Azur, mit dem sie Recherchematerial für einen Film

se Heterotopie aber existiert allein deshalb, weil es

im Auftrag der Tourismusbehörde Anfang der 1960er

den Tourismus als einen Konsum von Zeichen und Bil-

Jahre veröffentlichte, bietet einen Überblick über die

dern gibt, der darauf gründet, dass sich die Bilder der

für den lokalen Mythos wirkmächtigen und in den

Reklame, die Bilder der Vorstellung und die Realität

Massenmedien kolportierten Bilder. Sie versammelt

vor Ort aufeinander zu bewegen und in einen Aus-

darin unter anderem Fotografen von Sonnenanbe-

tauschprozess eintreten.9 Raysse bezieht sich mit sei-

tern, insbesondere von weiblichen Badegästen in

nem Environment auf ein Ferienparadies, das den

knappen Bikinis, für die Touristen zurechtgemachte

suggestiven Versprechungen der Tourismusindustrie

Strände, Reproduktionen historischer Reklame für

entspringt und nach den Regeln des Konsums funk-

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tioniert, aber bringt es gegen die Normen der Mehr-

nenwerk für das Spiel der Verführung potentieller Kun-

heitsgesellschaft in Stellung. Es wird zum Material,

den, die Bilder der Werbung lieferten Schauspiel und

aus dem weitere Bilder und Realitäten generiert wer-

Maskeraden und lockten dabei zur Teilnahme und

den, aber nach anderen Spielregeln als ursprünglich

Partizipation durch den Kauf. Dabei fxiere die Wer-

in der Warenproduktion vorgesehen.

bung ein steriles Wunschbild, das eine permanent

Mit den Ferienlandschaften, die häufg in Raysses Werk zu fnden sind, aktualisierte er das alte maleri-

bunte und fröhliche Welt zeige, die den Konsum als ein ewiges Fest des Beschenktwerdens feiere.

sche Thema der Badenden unter den Vorzeichen des

Das Environment Raysse-Beach forcierte diesen

aufblühenden Massenkonsums. In dem Environment

Ansatz insofern, als sich mit dem künstlichen Bade-

wird das deutlich an den synkretistisch zusammenge-

strand ein betretbares Bühnenbild des Konsums öff-

führten Vorbildern, die aus Gemälden der älteren

nete. Das Publikum konnte nun in das Verweissystem

Kunstgeschichte, Werbung, Kaufhausdekorationen,

der Dinge, Bilder und Zeichen eintreten, darin agieren,

aber auch Modefotografen bestehen. Die Pointe der

sich der angebotenen Utensilien spielerisch bedienen.

Zusammenstellung liegt darin, dass die Bilder und vi-

Wie ein Verkäufer pries der Künstler dem Publikum

suellen Bruchstücke mit Dingen kombiniert und zu ei-

seinen Strand mit einem leuchtenden Reklameschrift-

nem räumlichen Bühnenbild zusammengesetzt sind.

zug an und lud es dazu ein, den Differenzen und Ähn-

Die Heterogenität der zitierten Bilder wird aufgefangen

lichkeiten von Konsum und Kunst handelnd auf die

durch ein szenografsches Kontinuum, ohne dadurch

Spur zu kommen. Alle Elemente des „Kaufkraftfesti-

vereinheitlicht zu werden. Schon vor dem Environ-

vals“, wie es von Baudrillard beschrieben wurde – das

ment fnden sich bei Raysse verschiedene Installatio-

Dekor, die Bühne, die Maskerade, das Schauspiel, die

nen, die Bilder und Gegenstände so miteinander kop-

Verführung, das Fest – kommen hier zusammen. In-

peln, dass die einen als Fortsetzung des anderen er-

dem Raysse den konsumistischen Kreislauf der Be-

scheinen. Mit dem Environment öffnet sich jedoch das

gehrensproduktion am Beispiel des Badetourismus in

erste Mal aus den Bildern heraus ein kompletter

das Als-ob des Ausstellungsraumes transferiert,

Raum, der nicht nur der Fantasie sondern auch den

durchbricht er ihn nicht, sondern schließt ihn vielmehr

Handlungen des Publikums anheim gestellt ist.

mit dem Kunstbetrieb kurz, um eine neue Begehrens-

Denn das Strandparadies will vom Publikum nicht

produktion in Gang zu setzen. Später wird Raysse

nur betrachtet werden, sondern lädt ein zum improvi-

ähnliche Bühnenbilder des Konsums zu Szenenbil-

sierten Spiel. Es fnden sich diverse Spielwaren (Ba-

dern seiner Filme machen, so dass es zu einer stärke-

detiere, Planschbecken) sowie Gebrauchsgegenstän-

ren Kontrolle der Handlungen und semantischen

de des Alltags, die in ihrer Aufmachung an buntes

Transformationen kommt – doch hier im Environment

Kinderspielzeug erinnern (Jukebox, Sonnenschirm).

ist diese Bühne noch ganz der Phantasie und dem

Hinzu kommen die im Raum verteilten Accessoires

Spiel des Publikums überlassen.

zum Verkleiden (Handschuhe, Sonnenbrillen). Die angebote ausdrückt, und die infantil anmutende Aus-

Bildräume kinematografscher und videografscher Installationen

stattung tragen bei zur parodistischen Wirkung der In-

Auch im Folgenden geht es um Arbeiten, die das sin-

szenierung. Dabei verstärkt das Environment lediglich

guläre Tableau zugunsten heterogener Bildkonstella-

Tendenzen, die in Konsum und Werbung zu fnden

tionen hinter sich lassen und in den Raum expandie-

sind. Baudrillard hat den treffenden Begriff des „Kauf-

ren. Die Erweiterung und Überschreitung des singulä-

kraftfestivals“ eingeführt, mit dem er das Theatrale der

ren Bildes verdankt sich in diesen Fällen vor allem der

Werbung, die Nähe zu Spiel und Festivität beschrie-

intermedialen Kopplung von Malerei und Film. Die sta-

ben hat, welche die Szenarien des Konsums offerie-

tischen und dynamischen Bilder werden so miteinan-

ren. Um Absatz zu fnden, müssen die Dinge „auftre-

der verbunden, dass sie sich ergänzen und gegensei-

ten“, ausgestellt und inszeniert werden. Die Auslagen

tig kommentieren, dass ein Medium durch das andere

und das Dekor der Verpackungen glichen einem Büh-

hindurch betrachtet wird. Raysse beginnt in den

Übersteigerung, die sich im Überfuss der Rollenspiel-

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1960er Jahren seine ersten Filme zu drehen und ex-

beerroten Körper der Frau und ihrem gelben Haar die

perimentiert vergleichsweise früh auch mit der Video-

Grauwerte der Reproduktion klar zu erkennen. Die in

technik – diese Offenheit für unterschiedliche Bewegt-

der ikonografschen Tradition obligaten zwei Alten, die

bildmedien und technische Neuerungen ist durchaus

bei Tintoretto noch durch ihre räumliche Anordnung

typisch für die Zeit, die noch keine Konventionen aus-

auffallen, tauchen in der Malerei Raysses nicht mehr

gebildet hatte hinsichtlich der Integration von Bewegt-

auf. Stattdessen ist im Hintergrund eine weiße Fläche

bildmedien in die Ausstellungsräume für zeitgenössi-

ausgespart, auf der ein kurzer Film im 8 mm Format

sche Kunst.

projiziert wird. Dieser zeigt den mit Raysse befreundeten Künstlerkollegen Arman, der mit einem falschen Bart verkleidet aus einem Dickicht heraustritt. Und plötzlich öffnet er für einen kurzen Moment seinen Umhang, so dass darunter sein nackter Körper zum Vorschein kommt. Spöttisch werden Komposition und Aussage des berühmten Vorbildes durcheinander gebracht, die biblische Erzählung um Verführung und Geschlechterrelationen sowie ihre spätere Ausdeutung als erotisches Motiv in der Kunstgeschichte respektlos umformuliert.11 Nicht nur dass alte Vorstellungen der Sexualmoral entstaubt werden, indem der geschlossene Garten als Symbol der Jungfräulichkeit verschwindet und die männliche Sexualität stärker ins Blickfeld rückt. Darüber hinaus werden mit dem obszönen Auf-

(Abb. 2) Martial Raysse, Suzanna Suzanna, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012

tritt des Künstlers Arman auch virulente Künstlermythen karikiert. Die Persifage beruht auf einer Umwer-

Eine der ersten Filminstallationen von Raysse ist

tung von Vorder- und Hintergrund, da mit dem beweg-

Suzanna Suzanna von 1964 (Abb. 2). Die zweiteilige

ten Bild die Aufmerksamkeit von der weiblichen

Arbeit gehört zu einer Serie, die berühmte Werke der

Hauptfgur auf eine Nebenfgur gelenkt wird. Die weib-

Kunstgeschichte adaptierte und bezieht sich auf das

liche Aktdarstellung wird buchstäblich zur stereoty-

Gemälde Susanna im Bade von Tintoretto. Sie besteht

pen, „inhaltsleeren“ Projektionsfäche, während sich

aus einem Tableau, das eine Kopie des Vorbildes

das Gewicht zugunsten der männlichen Beobachter

zeigt, allerdings mit erheblichen Modifkationen. So

verschiebt: Der eine Alte mutiert zu einem lächerlichen

wurde das Querformat in ein Hochformat transferiert,

Exhibitionisten, der andere Alte – bei Tintoretto ur-

das den Bildausschnitt auf die weibliche Hauptfgur

sprünglich auf der linken Seite als rezeptionsästheti-

verengt. Der Schauplatz wiederum hat sich von einem

sche Vermittlungsfgur angelegt – verschwindet nicht

geschlossenen Garten in eine offene Landschaft ver-

im eigentlichen Sinne. Vielmehr wird seine Rolle vom

wandelt. Die Bildgegenstände insgesamt sind verein-

Publikum übernommen, das nun allein den Platz des

facht und schematisiert wiedergegeben; eine zusätzli-

Voyeurs vor dem Bild einnimmt.

che Verfremdung wird durch die grelle Farbgebung er-

Mit der Verwendung der Filmprojektion kommt es

reicht. Beibehalten sind die Figur der Susanna, das

zu einer räumlichen Erweiterung und der Verschrän-

drapierte Tuch zu ihren Füßen sowie die beiden Bäu-

kung von Bild- und Betrachtungsraum. Denn die Film-

me im Hintergrund, die in der Komposition als Reso-

projektion als eine Kombination aus Leinwand, Pro-

nanzlinien den Körper der weiblichen Figur verlängern

jektionsapparat und Lichtkegel eröffnet ein räumliches

und wiederholen. Die verwendete Reproduktion bleibt

Feld, in dem der Betrachter Position bezieht. Das Pu-

im Gemälde unter den transparenten Farben deutlich

blikum steht quasi inmitten des Projektionsraumes.

sichtbar: So sind unter dem weißen Tuch, dem him-

Der in der Filmtheorie viel diskutierte, strukturell be-

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dingte Voyeurismus auf Seiten des Publikums wird hier explizit thematisiert und inhaltlich ausgespielt, indem das Publikum direkt involviert wird und in seiner Rolle das vom Bild organisierte Blickgefüge notwendig ergänzt. Die Transformationen in der Wiederholung des Bildes von Tintoretto sind Ausdruck einer kritischen Auseinandersetzung mit der europäischen Bildtradition. Diese Kritik ist für das Publikum nicht nur gedanklich in der Betrachtung des Bildes nachvollziehbar, sondern wird durch die Integration in das Blickgefüge körperlich erfahrbar. Die Frage, welche Funktion die Kopplung beziehungsweise Gegenüberstellung der beiden Bildmedien in der Installation – Malerei und Film – für die künstlerische Arbeit hat, lässt sich relativ leicht beantworten: Hier verstärkt die mediale Differenz von der Malerei hin zum Film die dramenpoetische Fallhöhe, wenn die nur notdürftig religiös bemäntelte Aktdarstellung gegen den Strich gebürstet und satirisch umgedeutet wird. Zudem lebt das komische Moment der Arbeit von der Leichtigkeit, die das Bewegtbild hineinträgt: Im schlichten Schmalflmformat wird wunderbar lakonisch ein Bilderwitz er-

(Abb. 3) Martial Raysse, Identité, maintenant vous êtes un Martial Raysse, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012

zählt, dessen Pointe für einen kurzen Moment aufblitzt, überraschend und füchtig wie das flmische

Die Installation setzt sich zusammen aus einer Art von

Bild im Tableau.

Tableau, aus dem ein ovaler, stark vereinfachter Um-

Das ‚Dazwischen der Bilder‘, das den Übergang

riss eines weiblichen Porträts ausgeschnitten wurde.

zwischen einem Bild zum nächsten meint und eher

Genau genommen handelt es sich also gar nicht mehr

auf eine Erfahrung mit Bildern abhebt, lässt sich

um eine Bildtafel, da die Form im Negativ erscheint

selbst nicht direkt visualisieren. Es gibt aber eine In-

und zum Rahmen mutiert ist, durch den man hindurch

stallation von Raysse, die wie ein Versuch erscheint,

blickt – eine Inversion von Haupt- und Nebenelement,

diese Abstraktionsleistung im ‚Dazwischen‘ zu be-

wie sie häufg im Werk Raysses auftauchen. Solche

schreiben. Die Rede ist von der Videoarbeit Identité,

schematischen Umrisse, die auf gefundenen Werbefo-

maintenant vous êtes un Martial Raysse von 1967, die

tografen basierten, hatten schon in früheren Arbeiten

ihre technische Realisierung einer Zusammenarbeit

Verwendung gefunden. Der ganz in schwarz gehalte-

mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen verdankt

ne Umriss-Rahmen enthüllt einen Fernsehmonitor, der

und als eine der ganz frühen Closed Circuit-Installa-

mit einer kurzen Zeitverzögerung das Videobild wie-

tionen überhaupt gelten kann (Abb. 3). 12 Es besteht

dergibt, das die schräg oben vor dem Arrangement

durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zu den früheren

befestigte Videokamera aufnimmt. Nähert sich eine

Filminstallationen, da die räumliche Erweiterung des

Person der Installation, dann sieht sie also mit einer

Bildes ebenfalls auf eine Involvierung des Publikums

kurzen Zeitdifferenz sich selbst in der Rückenansicht

zielt. Doch kommt es zu einer spezifschen Weiterent-

vor die Arbeit treten – die Situation der Betrachtung

wicklung hinsichtlich der technischen Möglichkeiten

der Arbeit wird zu ihrem Inhalt. Oder wie es von Rays-

des neuen Mediums Video.

se im Titel auf den Punkt gebracht wird: „Jetzt sind Sie ein Martial Raysse“. Das Publikum wird für einen begrenzten Zeitraum als Gegenstand in das Bildgefüge integriert und zum Teil des Kunstwerks.

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Raysse benutzt die technischen Möglichkeiten der

in konkrete Architekturen, sondern auch in konkrete

Videografe, das Bild mit einer kurzen Zeitverzögerung

Körperkonstellationen und soziale Situationen. Der

sofort sichtbar zu machen, für eine Kopplung von

Schwerpunkt bei diesen Reenactments in den Filmen

Bild- und Betrachtungsraum im Monitor. In den Fil-

liegt auf der Übersteigerung, Parodie und grotesken

minstallationen erfolgte diese Kopplung noch durch

Verfremdung. Mit dem Film wurde der humoristische

die räumliche Ausweitung des Bildes in den Ausstel-

Umgang, der durchaus auch schon im bildnerischen

lungsraum, in der Videoinstallation hingegen ragt um-

Werk angelegt war, weiter ausgebaut: szenisch, dra-

gekehrt der Ausstellungsraum in das Bild hinein. Es

maturgisch, mit visuellen und akustischen Verfrem-

fndet eine Art von Durchdringung der beiden Räum-

dungen, mit dem Slapstick der körperbezogenen Ak-

lichkeiten statt, die sich als singuläre Entitäten weitge-

tionen.

hend miteinander verzahnen und dennoch keine Ge-

Das lässt sich bereits an dem frühen experimentel-

meinsamkeiten ausbilden. Zudem sind zwei unter-

len Kurzflm Jésus-Cola von 1966 demonstrieren, ein

schiedliche Bildtypen in Verbindung gebracht, indem

kollaboratives Filmprojekt von Raysse und Jean-Pierre

der Rahmen die Referenz an das Tafelbild der Malerei

Prévost, der später die studentischen Proteste in

aufrechterhält. Diese Gegenüberstellung ist selbst

Frankreich begleitete und als Regisseur fürs Fernse-

eine Art von Metapher für das Verhältnis der beiden

hen arbeitete. Der Film umfasst eine Vielzahl parodis-

Medien zueinander: Man sieht durch das ältere Bild-

tischer und absurder Rollenspiele und kommt ohne

medium der Tafelmalerei, mit dem sich bestimmte

eine durchgehende narrative Handlung aus. Stattdes-

Konventionen des Bildersehens etabliert haben, hin-

sen reihen sich voneinander unabhängige Szenen an-

durch auf das neuere technische Bildverfahren der Vi-

einander, die auf Grund der minimierten Kamerafahr-

deografe, das eine Aktualisierung der Sehgewohnhei-

ten und Schnitte wie Tableaus wirken. Explizit thema-

ten provoziert. Mit der Hybridisierung verschiedener

tisiert der Film das Verhältnis zwischen hoher Kunst

Bildtypen in der Videoinstallation wird das ‚Dazwi-

und populärer Kultur. Denn leitmotivisch zieht sich die

schen der Bilder‘ als eine Differenz beziehungsweise

Parodie eines Interviews mit André Malraux als Minis-

eine zu durchquerende Passage in der Zeit tatsächlich

ter für kulturelle Angelegenheiten durch den Film, wo-

beobachtbar.

bei nicht nur allgemein die Protektion der bürgerlichen Kunst durch den Staat zur Sprache kommt, sondern

Karneval der Bilder

auch ganz konkret die französische Kulturpolitik. Da-

Das Interesse an den Bewegtbildmedien beschränkt

zwischen sind Szenen montiert, in denen die populäre

sich bei Raysse nicht auf eine kurze Phase, sondern

Kultur in ihrem Einfuss auf die Gegenwart nachge-

begleitet seine künstlerische Arbeit kontinuierlich bis

zeichnet wird anhand von Mode, Musik, Design und

in die Gegenwart. Man kann die ersten selbstständi-

Film. Dies verbindet sich mit einer Refexion über die

gen Filme in gewisser Weise als eine Fortsetzung der

politische Situation des Kalten Krieges, indem immer

Environments und Installationen verstehen: Das Kon-

wieder ironisch auf die beiden Supermächte USA und

sumtheater der Werbung und die enge Symbiose der

UDSSR angespielt wird. Der Film bedient sich einer

Bilder und Dinge wurden dort aufgegriffen, um im

Vielzahl von kolportierten Bildern, die der populären

Ausstellungsraum verfremdet und neu in Szene ge-

Kultur entliehen sind und im wilden Spiel travestiert

setzt zu werden. Diese Erweiterung des Tafelbildes

werden. Einige Formen solcher Aneignungen und Um-

zum Handlungsraum – die gleichzeitig den Wechsel

deutungen von unterschiedlichen Arten von Bildern

vom singulären Bild zum Arrangement der Bilder bein-

sollen im Folgenden näher vorgestellt werden.

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haltet – forciert sich mit den Filmen, da nun verschie-

Zentral sind wie immer Bilder des Konsums und

dene Darstellerinnen und Darstellern in den Dekors

der Werbung. So folgt auf die erste Szene mit dem

und mit den Dingen des Konsums agieren bzw. be-

Kulturminister eine Szene im Studio, in der verschie-

stimmte Bilder und Inszenierungen aus den Massen-

dene Personen auf einer improvisierten Bühne agie-

medien oder aus der Werbung nachgespielt werden.

ren, die entfernt an ein Puppentheater oder einen Ver-

Die abstrakten Bilder werden rückübersetzt nicht nur

kaufstresen erinnert (Abb. 4). Südfrüchte und Blumen

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aus Plastik werden übertrieben vorgezeigt, die beglei-

thematisiert wird, indem einer der Darsteller kurz mit

tenden Dialoge und Handlungen erscheinen ohne

jemandem außerhalb des Bildfeldes scherzt: „J’ai la

sinnvollen Bezug, wodurch sie zu frei fottierenden

vedette“ – ich habe die Starrolle.

Zeichen werden und sich in Mehrdeutigkeiten aufö-

Das zweckfreie Spiel lässt die Szene noch kurioser

sen. Persifiert wird darin ein Werbespot für die fran-

erscheinen als sie durch den artifziellen Schauplatz

zösische Kaufhauskette Prisunic. Und diese Persifage

im Studio ohnehin schon ist. Das symbolische Sur-

steigert sich zu einem ikonoklastischen Gestus, wenn

plus der Ware – also die sekundären Bedeutungen,

es zur mutwilligen Zerstörung von Dingen kommt, die

die Phantasien und Sehnsüchte –, das normalerweise

unter den Vorzeichen des Konsums ja niemals nur

zum Kauf animieren soll, hat sich von der ursprüngli-

Dinge sondern Dinge im symbiotischen Verhältnis mit

chen Werbefunktion ganz losgelöst und verselbststän-

Bildern und Personen sind. Die heile Welt der Rekla-

digt. Die Badelandschaft wird zu einer kunterbunten

me wird nun zum ersten Mal nicht nur auf den Kopf

Spielwiese, die den Anlass für ein exzessives und

gestellt, sondern auch aggressiv angegriffen und se-

rauschhaftes Gebaren liefert, das sich selbst genügt.

mantisch umgewertet.

Die Szene besitzt insofern subversives Potential, als sie eine symbolische Umkodierung vorführt: Die populären Bilder, Dinge und Habitualisierungen werden entgegen der ursprünglich damit verbundenen Absicht angeeignet und gegen die Normen der Konsumkultur

und

Mehrheitsgesellschaft

gewendet.

Der

Traum vom Paradies geht über in die sinnlose und absurde Anarchie des lärmenden Spektakels. Gegen Ende des Films kommt es zu einer Szene, die auf die politische Situation des Kalten Krieges und den damit einhergehenden Krieg der Zeichen zielt und dafür ebenfalls aus den Massenmedien zitiert. Der improvisierte Schauplatz für diese Szene ist der Rohbau eines Hauses. Am Fenster tauchen zwei Personen (Abb. 4) Martial Raysse, Jésus-Cola, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012

auf, die jeweils in einem Ganzkörperanzug – zusam-

Später taucht das schon aus dem Environment be-

mengebastelt aus Plastikmüllsäcken – stecken. Eine

kannte Strandparadies auf (Abb. 4). In der kurzen Sze-

der beiden Personen steigt mit übertriebenen Gesten

ne sieht man zwei Männer und zwei Frauen in bunter

aus dem Fenster und bewegt sich hinaus in die Land-

Badekleidung, die ausgelassen mit einem aufblasba-

schaft, die von Dunstschleiern aus der Nebelmaschi-

ren Ball spielen. Die Badelandschaft wird mit Hilfe ei-

ne erfüllt ist. Dabei hält der Mann demonstrativ ein

niger weniger Requisiten angedeutet, wozu ein

Plastikband empor, das die Verbindung zu der ande-

Planschbecken, eine Sonnenblende und ein bunter

ren Person aufrechterhält. Nachgespielt wird der Aus-

Plastikvorhang gehören. Durch das ungestüme Spiel,

stieg eines Astronauten aus dem Raumschiff ins

das Durcheinander der schnellen und über das Bild-

Weltall (Abb. 4). Ein Jahr zuvor war ein solcher Aus-

feld der Kamera hinausschießenden Bewegungen,

stieg eines Astronauten im Rahmen der amerikani-

aber auch durch die spärlich bekleideten Körper ent-

schen Gemini V-Mission erfolgreich geglückt. Die

steht die Atmosphäre eines modernen Bacchanals –

spektakulären Bilder dieses Vorgangs wurden von der

voller Übermut, Lebenslust und lächerlicher Erregung.

Presse weltweit verbreitet und bilden offensichtlich

Verstärkt wird dieser Eindruck der lärmenden Unord-

den Hintergrund für die Parodie in dieser Szene. Die

nung durch das hektische Hin- und Herschwingen

lächerliche Kostümierung und das übertriebene Spiel

des Vorhangs im Vordergrund und den viel zu schnell

verspotten die kostspielige Weltraumforschung. Im

abgespielten Rock’n’Roll. Die Artifzialität der Situati-

Kontext früherer Filmszenen, in denen territoriale Ex-

on erreicht ihren Höhepunkt als die Aufnahmesituation

pansionen thematisiert werden, erscheint diese Persi-

Stefanie Stallschus

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1/2012 - 9

fage auf die Weltraumpolitik der Supermächte wie

Raysse. In der kunst- und kulturwissenschaftlichen

eine kritische Volte gegen die närrische Anmaßung,

Analyse ist das Karnevaleske ausgehend von Michail

den Weltraum erobern und annektieren zu wollen.

Bachtin zu einem feststehenden Begriff entwickelt

Deutlich wird das im Dialog am Ende der Szene: Der

worden, der ein ästhetisches Prinzip der Ausschwei-

Astronaut auf dem Dach begeistert sich euphorisch

fung und der Verkehrung der Welt bezeichnet und zu

daran, dass ihm allein der Himmel gehöre. Nur wenig

vielfältigen Anwendungen geführt hat.15 Ein Hauptau-

später, im Jahr 1969, wird der Wettlauf um die Erobe-

genmerk in der Forschung galt ausgehend von

rung des Weltraumes in der Mondlandung der Ameri-

Bachtin lange Zeit dem subversiven Potential des

kaner gipfeln, die zu dem symbolträchtigen Bild von

Karnevalesken, das aus dem temporären Aussetzen

der dort aufgestellten US-Flagge geführt hat. Mit die-

der gesellschaftlichen Ordnung und den ritualisierten

sem Bildzitat gerät die Propagandafunktion solcher

Tabuverletzungen hervorgeht. In Jésus-Cola fnden

Weltraummissionen und der diesbezüglich verbreite-

sich diesem Interpretationsansatz entsprechend di-

ten Bilder in den Blick, die einen menschlichen Traum

verse Aspekte, die sich der karnevalesken Subversion

Realität werden lassen und daraus ihre Popularität

zuordnen lassen: Auf der narrativen Ebene gehören

und propagandistische Wirksamkeit beziehen.

dazu unter anderem die Verkehrungen von Handlun-

Die Zitation und Übersetzung von Bildern ist eine

gen und Raumordnungen, die Verspottung von Autori-

andere ästhetische Strategie, mit dem ‚Dazwischen

täten, die sexuellen Anspielungen und Geschlechter-

der Bilder‘ künstlerisch zu arbeiten. Ein Charakteristi-

travestien. Auf der Ebene der Filmform zählen dazu

kum der Bildzitationen Raysses – die sich nicht unbe-

die Verweigerung einer narrativen Chronologie, die

dingt auf ein bestimmtes Bild beziehen müssen, son-

konträre Verknüpfung von visuellen und akustischen

dern auch auf Klischees und Versatzstücke von Bil-

Informationen, die Inversionen im Negativbild, aber

dern im weitesten Sinne anspielen können – liegt in

auch die extremen Brüche im Wechsel von Farb- und

der Komik, die aus den parodistischen und grotesken

Schwarzweiß-Aufnahmen, die eine ganze Szenerie

Überzeichnungen entsteht. In dem Film Jésus-Cola

transformieren. Jeder dieser Aspekte wäre für sich ge-

fnden sich diverse Situationen einer verkehrten Welt,

nommen nicht unbedingt signifkant, aber in der Häu-

weshalb es naheliegend erscheint, eine Verbindung

fung verdichten sie sich zu einem Gesamteindruck ei-

zum Karnevalesken herzustellen.14 Besonders auffällig

ner aus den Fugen geratenen, delirierenden Gegen-

werden die Bezüge zum Karneval in einer kurzen Sze-

welt. Was das karnevaleske Prinzip bei Raysse be-

ne, in der eine Person in Frauenkleidern und maskiert

sonders macht, ist das spezifsche Verhältnis, das es

als Richard Nixon durch den Wald streift. Die nächste

zum Konsum unterhält. Ironie, Parodie und befreien-

Einstellung zeigt eine Gruppe von verkleideten und

des Lachen sind nicht nur beliebte Ausdrucksmittel in

maskierten Personen, die entgegen der üblichen

der populären Kultur, um die herrschenden Machtver-

Raumordnung in den Ästen einer Baumkrone Platz

hältnisse in Frage zu stellen, sie sind mittlerweile auch

genommen haben, während man Wellen rauschen

fester Bestandteil des Konsums geworden, wo sie

und Möwen kreischen hört (Abb. 4).

den ökonomischen Regeln gehorchen. Tabuverletzun-

Auf die Bedeutung des lokalen Mythos der Côte

gen werden in der Werbung, in der Mode, in der Pop-

d'Azur für das Werk Raysses ist bereits weiter oben

musik gerne eingesetzt, um ein Produkt als neu und

hingewiesen worden. Deshalb mag an dieser Stelle

anders erscheinen zu lassen und die Aufmerksamkeit

die Erwähnung genügen, dass Nizza bis heute zu den

des Publikums zu erregen. Raysse greift das Karneva-

französischen Hochburgen des Karnevals zählt. Der

leske durchaus als ein konsumiertes Prinzip auf, radi-

Festakt wird mit einer Parade der geschmückten Wa-

kalisiert es aber in seinen Bildtravestien und fördert in

gen und phantasievollen Figuren durch die Stadt be-

seinen Handlungsräumen das darin enthaltende wi-

gangen und fndet ihren Abschluss in der Verbrennung

derständige Potential zutage. Neuere Forschungsan-

des Karnevalskönigs, einer mitgeführten Pappfgur.

sätze zum Karnevalesken haben genau diesen Zu-

Diese lokalen Bräuche mögen eine Inspirationsquelle

sammenhang zwischen einem konsumierten und wi-

gewesen sein für das karnevaleske Repertoire bei

Stefanie Stallschus

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1/2012 - 10

derständigen Prinzip innerhalb der Konsumgesell-

Zusammenhang mit seiner Poetik der Hypertextualität

schaft problematisiert.

einen ganzen Begriffsapparat erarbeitet und in Anleh-

16

nung daran könnte man das Phänomen als Hyperbild-

Bildlichkeit auf zweiter Stufe

lichkeit oder Bildlichkeit auf zweiter Stufe bezeich-

Die Bedeutung, die der Pluralisierung der Bilder und

nen.18

Bildmedien im Werk Martial Raysses zukommt, sollte

Die Bildlichkeit auf zweiter Stufe ist nicht nur eine

an den Beispielen offensichtlich geworden sein. Bei

künstlerische Methode. Ihre Relevanz erhält sie als

diesem Streifzug durch das Werk sind ganz unter-

Konsumpraxis, der eine konkrete Erfahrung mit den

schiedliche ästhetische Strategien aufgetaucht, die

Bildern der Massenmedien zugrunde liegt. Die künst-

das ‚Dazwischen der Bilder‘ produktiv machen. Bei

lerische Aneignung, Verfremdung, Ausdifferenzierung

Raysse spielt die räumliche Erweiterung des singulä-

der vorgegebenen Bildprodukte liefert eine Antwort

ren Tafelbildes eine wichtige Rolle, die zu verschiede-

auf die Frage, was die Konsumierenden mit all den

nen Environments und Installationen geführt hat. Ähn-

Bildern machen, die sie in den Massenmedien fnden

lich den Bühnenbildern im Theater werden Ensembles

– sie kann, muss aber nicht zu einem regulär nicht

von Bildern und Gegenständen arrangiert, die den ab-

vorgesehenen und somit unstatthaften Gebrauch der

strakten Bildern wieder einen konkreten Dingbezug

Bilder anstiften. Darin liegt ein emanzipatorischer Pro-

abtrotzen. Auch die Kopplungen unterschiedlicher

zess, der sich in neuen Bildern niederschlagen kann.

Bildmedien zielen auf die Erweiterung von Bildern in

Raysse setzt dabei vor allem auf eine theatrale und fl-

den Raum hinein, um das Publikum in das Gefüge der

mische Aneignung des Bildes, die tatsächliche Hand-

Bilder buchstäblich zu involvieren. In der kunstwissen-

lungsräume eröffnet, so dass Interventionen im Gefü-

schaftlichen Forschung sind mehrteilige Bildarrange-

ge der visuellen Kultur konkret erfahrbar werden.

ments ein vielfach untersuchtes Phänomen, da das singuläre Bild, wie es in der Tafelmalerei der Neuzeit

Endnoten

begegnet, in der Geschichte der Künste eher eine

1.

Ausnahmeerscheinung darstellt. So verwundert es nicht, dass in dieser Tradition in jüngster Zeit die Frage nach der Mehrbildlichkeit mit einer methodischen

2. 3.

Schärfung im Kontext der Bildwissenschaften verbunden worden ist.17 Die Mehrbildlichkeit in räumlicher

4.

Hinsicht fügt sich demnach nahtlos in die Kunstgeschichte ein, auch wenn die Mittel und Formen sich im 20. Jahrhundert verändert haben. Deshalb ist es vielleicht interessanter, über die zeitlichen Aspekte einer Pluralisierung der Bilder nachzudenken. Das ganze Feld der Wiederholung von Bildern gehört in diese Kategorie, im Sinne von Zitationen und Übersetzungen, die mit semantischen Ver-

5.

schiebungen einhergehen. In Konsequenz der technischen Reproduktionsmöglichkeiten bekommen solche Verweisstrukturen zwischen Bildern einen vollkommen neuen Charakter: Die Auseinandersetzung mit existierenden Bildern erinnert an eine verfeinerte und hoch

6. 7.

entwickelte Kulturtechnik des Recyclings von Bildern, die in neuen Kontexten immer wieder neue Verbindungen eingehen und dadurch auch mit anderen Bedeutungen angereichert werden. Gérard Genette hat in

8.

Vgl. Pop Art and Vernacular Cultures (Annotating art’s histories – cross-cultural perspectives in the visual arts, Bd. 3), hg. v. Kobena Mercer, Cambridge u.a. 2007. Bazon Brock, Popart und Popkultur – kaum bemerkt und schon vergessen?, in: Meyer's Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 19, Mannheim u.a. 1977, S. 95-99. Den besten Überblick über das Gesamtwerk bietet der Katalog zur Retrospektive: Paris, Galerie Nationale du Jeu de Paume u.a., Martial Raysse, Paris 1992. Dylaby war eine Abkürzung für den eigentlichen Titel (auf deutsch „Dynamisches Labyrinth“) und bestand aus der Abfolge von sieben Räumen, die von den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern mit teilweise partizipativen Elementen als Erlebnisräume angelegt waren. Zur Ausstellung gehörten unter anderem der berühmte von Daniel Spoerri um neunzig Grad gekippte Ausstellungsraum, ein Schießstand von Niki de Saint Phalle und ein Environment von Tinguely mit Luftballons, die durch Ventilatoren in Bewegung gehalten wurden. Vgl. Amsterdam, Stedelijk Museum, Dylaby, Amsterdam 1962; Meredith Malone, Eine kollektive Idee. Environments, in: Hannover, Sprengel Museum, Nouveau Realisme. Revolution des Alltäglichen, Ostfldern Ruit 2007, S. 236239. Zu den verschiedenen historischen Paradiesvorstellungen und ihrer zeitgenössischen Metaphorisierung vgl. Heinrich Krauss, Das Paradies. Eine kleine Kulturgeschichte, München 2004 (insbesondere die Einleitung); Frank Matthias Kammel, Das Paradies im Schlussverkauf – Zwischen Trivialisierung und Orientierungssuche: Religiöse Motive in der gegenwärtigen Alltagskultur, in: Medien und Erziehung, Band 44 Heft 6, 2000, S. 348-355. Agnès Varda, Lieu dit. La Côte d'Azur, Paris 1961. Rosemary O’Neill, The Postwar Riviera. Modernism and the Attraction of Modernity, in: Reassessing the Modern, Modernity and Modernism. Proceedings for the School of Visual Arts. 20th Annual National Conference on Liberal Arts and the Education of Artists, http://media.schoolofvisualarts.edu/sva/media/9983/small/Proceedings2006.pdf, 07.10.09, S. 63-70. Sasha Sosnovsky, Klein, Raysse, Arman. Des Nouveaux Réalistes [1960], in: Paris, Centre Georges Pompidou, Yves Klein, Paris

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9. 10. 11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

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„Jetzt sind Sie ein Martial Raysse“

1983, S. 263-264, hier S. 264, (Übersetzung aus dem Französischen durch die Verfasserin). Vgl. John Urry, The Tourist Gaze. Leisure and Travel in Contemporary Societies, London u.a. 1990. Jean Baudrillard, Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen [1968] (Reihe Campus 1039), Frankfurt u.a. 1991, S. 212-215. Zu den Geschlechterbildern in den unterschiedlichen Fassungen der biblischen Susanna-Erzählung und deren Interpretation in der Malerei vgl. Christina Leisering, Susanna „im Garten“. Eine feministisch-intertextuelle Lektüre der Susannaerzählung, in: Lectio diffcilior. Europäische elektronische Zeitschrift für Feministische Exegese, Jhg. 9 Heft 1, 2008, unter http://www.lectio.unibe.ch/08_1/pdf/Leisering.pdf, 24.10.2009. Zu den Anfängen der Arbeit mit Videorückkopplungen im Kunstkontext vgl. Slavko Kacunko, Closed Circuit Videoinstallationen. Ein Leitfaden zur Geschichte und Theorie der Medienkunst mit Bausteinen eines Künstlerlexikons, Berlin 2005, S. 147 ff. und speziell zur Situation in Frankreich S. 255 ff. Ein Großteil der Filme und Videos ist mittlerweile digital publiziert wurden durch den Filmvertrieb MK2, vgl. Martial Raysse, Les Films / The Movies (1966/ 2008), DVD-Box mit einem Interview von Anaël Pigeat im Begleitheft, Paris 2008. Anaël Pigeat spricht von karnevalesken Anspielungen im Film Jésus-Cola, ohne diese Idee jedoch näher auszuführen. Anaël Pigeat, Martial Raysse „peintre-cinéaste“, in: 1895. Revue de l’Association Française de Recherche sur l’Histoire du Cinéma, Heft 46, 2005, S. 55-73, hier S. 64. Einige Beispiele für Anwendungen in jüngster Zeit: Mathias Mertens, Buñuel, Bachtin und der karnevaleske Film, Weimar 1999; Ritualisierte Tabuverletzung, Lachkultur und das Karnevaleske. Beiträge des Finnisch-Ungarischen Kultursemiotischen Symposiums 9. bis 11. November 2000, hg. v. Matthias Rothes und Hartmut Schröders, Berlin u.a. 2002; Victor I. Stoichita und Anna Maria Coderch, Goya. Der letzte Karneval, München 2006. Vgl. die Ausstellungsreihe „Spektakel, Lustprinzip oder das Karnevaleske?“ in der Shedhalle Zürich. Katharina Schlieben/Sønke Gau, Spektakel, Lustprinzip oder das Karnevaleske? Ein Ausstellungsprojekt in drei Teilen, in: Shedhalle. Zeitung, Heft 1, 2004, S. 9-10. David Ganz und Felix Thürlemann, Zur Einführung. Singular und Plural der Bilder, in: Das Bild im Plural. Mehrteilige Bildformen zwischen Mittelalter und Gegenwart (Bild + Bild, Bd. 1), hg. v. dens., Berlin 2010, S. 7-38. Gérard Genette, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe (edition suhrkamp, Bd. 1683, Neue Folge, Bd. 683), Frankfurt am Main 1993.Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1994, S. 237.

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Zusammenfassung In den künstlerischen Diskursen des 20. Jahrhunderts nimmt die Pop Art eine Schlüsselstellung ein hinsichtlich des Phänomens der Mehrbildlichkeit. Denn als künstlerische Bewegung war sie Ausdruck einer Pluralisierung des Kulturbegriffs, die an der Pluralisierung der Bilder verhandelt wurde. Der Aufsatz zeigt exemplarisch, wie das ‚Dazwischen der Bilder‘ im Kontext der popkulturellen Wende der 1960er Jahre künstlerisch produktiv gemacht wurde. Zu diesem Zweck werden ausgewählte Werke des französischen Künstlers Martial Raysse besprochen, die eine Vielzahl von Bildern zu szenografschen Räumen zusammensetzen, intermediale Kopplungen von Malerei und Bewegtbildmedien schaffen und mittels flmischer Aneignungen von Bildern in das vorgefundene Gefüge der visuellen Kultur eingreifen. Es ist insbesondere die künstlerische Arbeit mit dem Film, die Handlungsräume zwischen Bildern eröffnet und als Aneignungspraxis zu einem unstatthaften Gebrauch der Bilder anstiftet.

Autorin Stefanie Stallschus, Dr. des., Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Soziologie in Hamburg und Berlin, ist seit 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunsthochschule für Medien Köln. 2003 Magisterarbeit über den kanadischen Medienkünstler Michael Snow an der Freien Universität Berlin, 2010 Dissertation über Experimentalflme der Pop Art, ausgezeichnet mit dem Hedwig-Hintze-Frauenförderpreis der Freien Universität Berlin. 2008 Mitgründung der Zeitschrift off topic (http://www.offtopic-magazin.de), 2010 Veranstaltung einer Tagung über den Kunsthistoriker George Kubler und seine Theorie der Dinge (http://www.uni-koeln.de/kubler/index.html). Forschungsschwerpunkte: Kunstgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Geschichte der Medienkunst, Bildwissenschaften, Medientheorie, Kultursoziologie. Titel Stefanie Stallschus, „Jetzt sind Sie ein Martial Raysse“. Von den Handlungsräumen zwischen Bildern, in: kunsttexte.de, Nr. 1, 2012 (11 Seiten), www.kunsttexte.de