Jahresfachtagung des Fachverbandes der Hessischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten am 6. Mai 2003 in Idstein:

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Author: Hansi Weiß
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Jahresfachtagung des Fachverbandes der Hessischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten am 6. Mai 2003 in Idstein: Rolf Meireis, Hessisches Ministerium des Innern und für Sport: Neuere Entwicklungen im Personenstandsrecht

Anrede, vielen Dank für die Einladung zu Ihrer diesjährigen Landesfachtagung in Idstein. Ich bin mit etwas gemischten Gefühlen angereist, weil es jetzt zum wiederholten Male nicht gelungen ist, die Termine von Landesfachtagung und Jahreshauptversammlung mit denen meiner Hausleitung zu koordinieren. Letztes Jahr hat uns eine außerordentliche Kabinettsitzung mit RheinlandPfalz einen Strich durch den geplanten Ministerbesuch gemacht, dieses mal ist es die Innenministerkonferenz in Weimar und Erfurt. Unsere neue Staatssekretärin, Frau Scheibelhuber, die frühere Kasseler Regierungspräsidentin, hatten wir schon fest gebucht, bevor uns dann dieser Termin dazwischen kam. Sie bedauert das außerordentlich und ich muss Sie daher bitten, erneut nur mit mir vorlieb zu nehmen. Unter diesen Vorzeichen bin ich Ihnen für die unverändert freundliche Begrüßung und Aufnahme heute besonders dankbar. Frau Scheibelhuber hat mir aufgetragen, Ihnen, dem Fachverband und den hessischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten ihre besten Wünsche zu übermitteln und Ihnen auch im Namen von Herrn Staatsminister Bouffier für Ihre hervorragende Arbeit im Aus- und Fortbildungsbereich zu danken. Als ehemalige Chefin einer oberen Standesamtsaufsicht weiß unsere Staatssekretärin um das ebenso geräuschlose wie effektive Wirken des Fachverbands und um seine unentbehrliche Funktion in unserem Personenstandssystem. Die gesamte Aufsichtsschiene, wenn ich einmal die Landräte, die Regierungspräsidien und das Ministerium so zusammenfassen darf, ist dankbar für Ihre Arbeit und bittet Sie herzlich auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, denen unsere gemeinsamen Anstrengungen letztlich zugute kommen, in Ihrem Engagement nicht nachzulassen und sich weiter in bewährter Weise einzubringen. Das Ministerium hat immer, jedenfalls bei uns hier in Hessen ist das so, einen besonderen Anlass, sich bei dem Fachverband für die vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit zu bedanken. Zu unseren Aufgaben zählt, wie Sie wissen, nicht nur die Koordinierung des Verwaltungsvollzugs, sondern auch die Mitwirkung an der Produktion von Rechtsnormen. Auch wenn es sich bei unserem Geschäft überwiegend um Bundesrecht handelt, sind die Länder fachlich schon in der Vorbereitungsphase und dann im Bundesratsdurchgang beteiligt und spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben kommt es sehr darauf an, die Balance zwischen Theorie und Praxis, zwischen Dogmatik und Alltagsgeschäft zu wahren. Hierbei ist uns der Fachverband ein unentbehrlicher Partner und Ratgeber, der dankenswerter Weise mit Argusaugen darüber wacht, dass sich die grünen Tische nicht verselbständigen. Vor diesem Hintergrund ist es nahezu zwangsläufig, dass Vertreter des Ministeriums Sie im Rahmen der Landesfachtagungen über die Entwicklungen im Personenstandsrecht auf dem Laufenden halten. Nach unserem beiderseitigen Verständnis von vertrauensvoller Zusammenarbeit gilt das nicht nur für verabschiedete Rechtänderungen - die bringen Ihnen in erster Linie die Fachberaterinnen und Fachberater in den Frühjahrs- und Herbstschulungen nahe - sondern auch schwerpunktmäßig für die Projekte, die sozusagen noch im Rohr und noch nicht gar sind. Ich persönlich halte es für außerordentlich nützlich, die Praktiker frühzeitig in die Normproduktion einzubeziehen, weil wir Ministerialen dann die Chance bekommen, Rückmeldungen aus der Praxis schon in der Entstehung

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zu berücksichtigen, und weil Sie über die Hintergründe und Motive für so manche Regelung besser Bescheid wissen und so auch dem kritischen Publikum noch überzeugender Rede und Antwort stehen können. Ich will dazu ein Beispiel aus der jüngsten Zeit nennen: Das Regelwerk um die so genannten ius-soli-Kinder. § 26 PStV - Prüfung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch ein Kind ausländischer Eltern - mit der Anlage K setzt zwangsläufig genaue Kenntnisse des § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes voraus. Verstehen - im Sinne von Nachvollziehen und einem Rat suchenden Bürger erklären - kann man diese Regelung nur, wenn man weiß, aus welchen politischen Beweggründen und auf welche Weise dieses Meisterstück von Gesetzgebungskunst zu Stande gekommen ist. Sie erinnern sich, wie das war mit der 2 ½. Generation, ich will das jetzt nicht vertiefen. Jedenfalls hat man nicht auf die Praxis gehört, Beratungsresistenz der Politik nennt man das. Noch schwieriger wird es werden, wenn die im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes vorgesehene Regelung so bleiben sollte, dass Unionsbürger Kraft Gesetzes ein Aufenthaltsrecht besitzen. Dagegen ist aus einer europapolitischen Perspektive gar nichts einzuwenden. Nur wie wir dann angesichts einer sagen wir einmal „legeren“ An- und Abmeldepraxis den für einen Geburtserwerb notwendigen rechtmäßigen achtjährigen Inlandsaufenthalt zuverlässig feststellen sollen, ist nicht nur mir schleierhaft. Ich hoffe daher zuversichtlich, dass es in der politischen Diskussion dieses mal gelingen wird, die Praktikerrückmeldung aufzunehmen und als Bedingung für den ius-soli-Erwerb die Inlandsgeburt von Kind und Elternteil, die sog. „doppelte Inlandsgeburt“, vorzusehen. Das ist für die Prüfung durch das Standesamt eine klare Sache, ist integrationspolitisch unkritisch und nicht nur eine aktuelle Forderung der unionsgeführten Länder, sondern auch eine alte Bundesrats-Position aus Zeiten, in denen die SPD-geführten Länder dort die Mehrheit hatten. Näheres zu dem interessanten Verhältnis zwischen Staatsangehörigkeits- und Personenstandsrecht wird Ihnen morgen mein Mitarbeiter Hans-Michael Schmitt vortragen . Mit dem alljährlichen Vortrag zu den Entwicklungen im Personenstandsrecht löse ich somit einen Dauerauftrag ein, eine weitere Folge aus der gleich lautenden, seit vielen Jahren laufenden Serie. Im vergangenen Jahr habe ich Ihnen schwerpunktmäßig zur anonymen Geburt und zur Personenstandsnovelle berichtet; hier möchte ich gerne auch heute wieder anknüpfen. Sie erinnern sich, wir hatten den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung anonymer Geburten, der im April letzten Jahres als Gruppenantrag von Angehörigen aller Bundestagsfraktionen - ausgenommen die PDS - eingebracht worden war. Sein Ziel war es, die rechtliche Grauzone, die auf diesem Gebiet besteht, zu beseitigen, und es vor allem zum Schutz von Neugeborenen zuzulassen, dass die Mutter anonym bleiben darf. Derartige Geburten sollten ohne jede Elternangabe beurkundet und - wie bei Findelkindern - eine Abstammung von einer deutschen Mutter fingiert werden mit der Folge, dass das Kind bis zum Beweis des Gegenteils als deutscher Staatsangehöriger gilt. Obwohl sich sofort Fragezeichen aufgetan hatten, ?? Was ist mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft? ?? Wie verhindert man die missbräuchliche Ausnutzung des neuen Regelwerks? hatte ich mit vielen meiner Kollegen angesichts der breiten politischen Unterstützung des Vorhabens mit einer Realisierung noch vor der letzten Bundestagswahl gerechnet. Es ist anders gekommen. Es gab eine heftige Presseresonanz und Einwände namhafter Politikerinnen. „Rührend, aber verfehlt und verfassungswidrig“ war der Titel einer Dokumentation in der Frankfurter Rundschau vom 13. Mai 2002, der die Kritik auf einen Nenner brachte. Pro Familia, um nur einen Namen zu nennen, hat dringend von der geplanten Legalisierung anonymer Geburten ab-

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geraten, weil das Ziel, Schutz und Hilfe für betroffene Frauen und Kinder zu verbessern, mit den geplanten gesetzlichen Regeln nicht erreicht werden könne. Besonders eindringlich ist auf die Missbrauchsgefahr hingewiesen worden - Aushebelung des Adoptionsverfahrens oder Schaffung eines neuen Bedarfs. Wenn es derartige Einrichtungen gibt, werden sie auch von solchen Menschen genutzt, für die sie eigentlich nicht gedacht waren: „Findelhäuser machen Findelkinder“ war schon im 19. Jahrhundert ein geflügeltes Wort. Erstaunlicherweise oder auch erfreulicherweise hat hier die Kritik eine neue Nachdenklichkeit ausgelöst. Der Entwurf ist vor Ablauf der Legislaturperiode nicht mehr aufgerufen worden und somit der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Auch der parallel von Baden-Württemberg im Bundesrat eingebrachte Entwurf, der die Missbrauchsmöglichkeiten zwar deutlich einschränken aber die anonyme Geburt grundsätzlich zulassen wollte, ist am 27. Juni 2002 im Innenausschuss vertagt und bisher nicht neu eingebracht worden. Neue Nahrung hat das Thema durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg vom 13. Februar 2003 erhalten. In dem Verfahren hatte eine so genannte „X“-Geborene aus Frankreich - bei anonymen Geburten wird in die Spalte für die Mutter ein X eingetragen - einen Verstoß der französischen, seit 1941 bestehenden Regelung gegen die Menschenrechtskonvention des Europarates gerügt. Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes hat jetzt mit zehn zu sieben Stimmen entschieden, dass die französische Regelung, die den deutschen Absichten sehr nahe kommt, den Konflikt zwischen den widerstreitenden Interessen von Kind, biologischen und rechtlichen Eltern ohne Verstoß gegen die Konvention auflöst. Artikel 8 der Menschenrechtskonvention vermittelt zwar grundsätzlich ein Grundrecht auf Kenntnis der Umstände der eigenen Geburt und Abstammung, das aber insbesondere bei schon älteren Betroffenen – die Klägerin war 38 Jahre alt – hinter den anderen Interessen zurücktreten muss. Ob diese Entscheidung einen Einfluss auf unsere innerstaatliche verfassungsrechtliche Bewertung haben wird, ist aus meiner Sicht durchaus offen, weil es bei uns um die Neuetablierung eines Systems geht, dessen unabweisbarer Bedarf zumindest noch streitig ist, und das nicht mit der gebotenen Stringenz als ultima ratio ausgestaltet ist. Die Beantwortung dieser Frage dürfte aber für den Ermessensspielraum des Gesetzgebers vorgreiflich sein. Zwischenbilanz für heute: Mit einer schnellen gesetzlichen Regelung der anonymen Geburt ist nicht zu rechnen, so dass es staatsangehörigkeitsrechtlich und personenstandsrechtlich weiter bei der Grauzone bleibt. Diese Grauzone ist dadurch gekennzeichnet, dass unvollständige Anzeigen geduldet und nur eingeschränkte Ermittlungen angestellt werden. Oder wie Hepting es sehr dezent umschreibt, dass sich Fakten gegen Normen durchsetzen. Da ich als Vertreter der obersten Standesamtsaufsicht bisher weder mit Babyklappen noch mit anonymen Geburten befasst worden bin, muss ich mich zu dem Thema in dieser Eigenschaft auch nicht äußern. Gleichwohl möchte ich dazu persönlich anmerken: Wenn ein Standesbeamter die Verantwortung für eine Tolerierung eines derartigen Modells auf sich nehmen will, sollte er die Gewissheit haben, dass die betroffene Frau und das Kind vor und nach der Geburt von einer absolut zuverlässigen Organisation verantwortlich betreut werden, die mit den einschlägigen Stellen - Jugendamt, Vormundschaftsgericht, Staatsanwaltschaft - eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Eine missbräuchliche Ausnutzung der Anonymität ist dann nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen. Zu einer derartigen Tolerierung gehört nach meiner Meinung auch, dass entsprechende Modelle im Stillen abgesprochen und gepflegt werden. „Tue Gutes und rede darüber“ gilt hier ausnahmsweise einmal nicht. Zum Stichwort „Missbrauch“ bzw. dessen Verhinderung kann ich an dieser Stelle eine Information über eine Erhebung bei den Ausländerbehörden einstreuen, von der Sie möglicherweise schon gehört haben. Es geht um Vaterschaftsanerkennungen durch deutsche Staatsangehörige vornehm-

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lich aus dem Drogen- und Nichtsesshaftenmilieu zu Kindern ausländischer Frauen, die keine Aufenthaltstitel besitzen und auch keine Chance haben, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Derartige Vaterschaftsanerkennungen sind formalrechtlich in Ordnung und es gibt - durch Rechtsprechung abgesichert - keine Möglichkeit, die Beischreibung eines entsprechenden Randvermerks zu verweigern. Konsequenz ist, dass das Kind kraft Gesetzes Deutscher wird und die Mutter des dann deutschen Kindes einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis erhält. Nach Erkenntnissen, die schwerpunktmäßig in Berlin zusammengetragen sind, soll es dort einen regelrechten Markt mit festen Tarifen für jede Anerkennung geben. Es ist keine Frage, dass dieser Befund in höchsten Maße unbefriedigend ist und nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers ruft. Die Innenministerkonferenz hat das Thema durch eine Arbeitsgruppe, in der auch Hessen vertreten war, prüfen lassen. Ergebnis: Ein nachhaltiges Abstellen derartiger Praktiken ist weder im Staatsangehörigkeits- oder Ausländerrecht und schon gar nicht im Personenstandsrecht möglich; statt dessen werden wohl Eingriffe in das Kindschaftsrecht erwogen werden müssen. Gedacht wird ?? an ein Mitwirkungsverbot der Urkundspersonen - § 1310 BGB lässt grüßen! -, ?? an die Schaffung eines befristeten Anfechtungsrechts für einen Träger öffentlichen Interesses oder ?? an eine Wiedereinführung des Zustimmungserfordernisses des Kindes durch den gesetzlichen Vertreter Jugendamt. Gerade der letztere Punkt zeigt die Problematik des Anliegens: Ein wesentlicher Baustein der 98er Kindschaftsrechtsreform würde wenigstens teilweise wieder aufgegeben. Ich persönliche favorisiere daher ein Anfechtungsrecht durch einen Vertreter des öffentlichen Interesse, weil dies am wenigsten mit den Prinzipien des Kindschaftsrechts kollidiert. Gleichwohl wird es um eine relativ weit gehende Gesetzesänderung gehen, die nur dann eine Chance auf eine politische Durchsetzbarkeit hat, wenn es eine gemeinsame Überzeugung mit der Justizund Sozialschiene hinsichtlich des Handlungsbedarfs gibt. Deshalb bemühen wir uns zunächst einmal um belastbares empirisches Material aus der gesamten Bundesrepublik. Die Ausländerbehörden betreiben seit dem 1. April 2003 für die Dauer eines Jahres eine Rechtstatsachenerhebung zu solchen Fällen, in denen die ausländische Mutter im Zeitpunkt einer Vaterschaftsanerkennung zu ihrem Kind keinen Aufenthaltstitel hatte. Danach wird sich die IMK erneut mit dem Thema befassen und unter Umständen die Justizministerkonferenz bitten, entsprechend initiativ zu werden. Die Gelegenheit, Nägel mit Köpfen machen zu können, ist insofern günstig, als das Bundesverfassungsgericht mit einem Beschluss vom 9. April diesen Jahres den § 1600 BGB teilweise für verfassungswidrig erklärt hat, weil er den biologischen Vater vollständig von einer Anfechtung der Vaterschaft ausschließt. Der Gesetzgeber wird sich daher auch aus dieser Veranlassung mit den Anfechtungsmodalitäten befassen müssen. Mit der Personenstandsnovelle ist es im vergangenen Jahr ebenfalls weitergegangen; die beim BMI eingerichtete Arbeitsgruppe, in der Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfahlen, Rheinland-Pfalz und Hessen vertreten sind, ist gut vorangekommen. Sie tagt morgen und übermorgen in Berlin; die Chancen stehen gut, dass bis zum Spätsommer ein erster vorzeigbarer Arbeitsentwurf steht. Dieser Entwurf wird sodann vom BMI den Ländern, den Kirchen und natürlich Ihrem Bundesverband und den Landesverbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Dies bedeutet, ich kann Ihnen heute noch keinen ersten Entwurf vorstellen. Ich kann Ihnen aber etwas zu den Schwerpunkten sagen, die ich Ihnen im vergangenen Jahr als wünschenswert vorgetragen hatte, mit denen sich die Arbeitsgruppe beschäftigt und weitgehend verständigt hat. Dies

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alles ist, wie Sie sich vorstellen können, noch höchst vorläufig und ich bin sicher, dass die Rückläufe aus der Praxis und den Ländern noch zu manchem neuen Nachdenken und Umarbeiten führen werden. Erster Schwerpunkt: An Stelle der bisherigen Personenstandsbücher werden elektronische Personenstandsregister eingeführt. Es soll also gesetzlich nachvollzogen werden, was in der standesamtlichen Praxis zu einem beträchtlichen Anteil bereits Alltag ist, jedenfalls bei der Erstbearbeitung von Personenstandsfällen. Neu wird sein, dass wir den digitalen Bestand nicht mehr löschen, sondern ihn als das Geburtenbuch, oder besser gesagt Geburtenregister, Sterberegister und Heiratsregister behalten und als solche auch elektronisch fortführen. Keine Verschwendung wertvoller Ressourcen, sondern eine medienbruchfreie Weiterverarbeitung. Nach den positiven Erfahrungen mit dem Einsatz der elektronischen Medien im Grundbuchbereich, der ja in vieler Hinsicht mit unseren Aufgaben vergleichbar ist, nach Beobachtungen im benachbarten Ausland - Frankreich, Niederlande, Schweiz - und der Öffnung des gesamten Verwaltungsverfahrens durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2002 für elektronische Kommunikation und digitale Verwaltung gibt es keinen Grund mehr, im Personenstandsbereich zu zögern. Dies wird uns in der weiteren Entwicklung die Möglichkeit eröffnen, den gesamten Mitteilungsdienst mit anderen Standesämtern und Behörden elektronisch – und damit nahezu automatisch – abzuwickeln. Die Melderechtler sind diesbezüglich schon ziemlich weit; es gibt Konzepte für eine Vernetzung aller Melderegister, die möglicherweise auch für das Personenstandswesen genutzt werden können. Das muss nicht alles auf einen Schlag geregelt werden, aber die Weichen müssen vom Grundsatz her so gestellt werden, dass wir uns jederzeit derartigen Entwicklungen anschließen können, ohne wieder von vorne anfangen zu müssen. Außer der lapidaren Grundsatzentscheidung „Die Personenstandsregister werden elektronisch geführt“ muss daher natürlich noch mehr in Gesetz und Verordnung geregelt werden: Die gute alte Unterschrift, die die Beurkundungen abschließt, scheidet bei dem neuen Medium aus. An ihre Stelle tritt die dauerhaft überprüfbare qualifizierte elektronische Signatur des Standesbeamten, die ja schon in die Formvorschriften des Privatrechts, § 126a BGB, und in das Verwaltungsverfahrensrecht, § 3a VwVfG, Einzug gehalten hat. Damit ist eine zuverlässige Identifizierung der Urkundsperson ebenso gewährleistet wie die Verknüpfung der elektronischen Unterschrift mit dem signierten Dokument. Mit Blick auf die Kommunikationsmöglichkeiten brauchen wir bundeseinheitliche Dateiformate und Schnittstellenvorgaben, die im Verordnungswege abgesteckt werden können. Zu der Informationstechnik und ihren Möglichkeiten wird Ihnen morgen Herr Professor Renz sicher sehr viel Interessantes sagen können. Wie sieht es mit der Sicherheit, der dauernden Aufbewahrung und unseren geliebten Zweitbüchern aus? So ganz wollen wir auf unser vertrautes Papier dann doch nicht verzichten. Im Gesetz soll dazu vorgeschrieben werden, dass die gespeicherten Daten im Anschluss an die elektronische Beurkundung ausgedruckt werden. Der Ausdruck erhält einen Übereinstimmungsvermerk des Standesbeamten und wird in einer besonderen Sammlung, dem Sicherungsregister, außerhalb des Standesamtes aufbewahrt. Das Sicherungsregister wird jährlich abgeschlossen und dann - nein - nicht gebunden und ins Regal gestellt - sondern mikroverfilmt. Auch dieses Medium soll ausdrücklich im Gesetz zugelassen werden, weil es nach dem gegenwärtigen Stand der Technik für eine nahezu un-

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begrenzte Haltbarkeit steht. Selbstverständlich soll dies auch für die Sammelakten gelten, sie dürfen ebenfalls auf Mikrofilm gezogen werden. Das alles fällt natürlich nicht von Himmel. Es genügt nicht, dass das Gesetz hoffentlich am 1. Januar 2005 in Kraft tritt, damit es losgehen kann. Verfahrensmäßige, hard- und softwaremäßige und organisatorische Vorkehrungen sind nötig, um die elektronischen Personenstandsregister mit der erforderlichen Zuverlässigkeit und Sicherheit zum Laufen zu bringen. Hier steht uns und Ihnen noch allerhand an Anstrengungen bevor, die ich nicht verniedlichen will. Aber es ist eine überaus lohnende Investition in die Zukunft. Man kann es auch drastischer formulieren und sagen, wir haben gar keine andere Wahl, als dieses Rationalisierungspotenzial zu nutzen. Jeder Einzelne von Ihnen hat sicher so seine eigenen Erfahrungen mit seinem Kämmerer und seinen Organisations- und Personalleuten, die Ihnen nicht nur kein zusätzliches Personal bewilligen, sondern Stellen streichen wollen, obwohl die Arbeit weiß Gott nicht weniger wird. Also ist es nach meiner Überzeugung zwangsläufig, an dieser Stelle ohne wenn und aber mitzuziehen. Gleichwohl muss es natürlich Übergangsvorschriften geben, weil nicht alle Standesämter am 1. Juni 2005 werden starten wollen oder können. Momentan wird an eine fünfjährige Übergangszeit gedacht, in der noch Papierregister geführt werden dürfen. Die bis zum 31. Dezember 2004 angelegten Heirats-, Geburten- und Sterbebücher werden traditionell fortgeführt, wobei es zugelassen werden soll, sie je nach Möglichkeiten rückwirkend elektronisch zu erfassen und dann auch elektronisch fortzuführen. Zweiter Schwerpunkt: Die Anlegung von Familienbüchern von Amts wegen wird nicht mehr vorgegeben. Neben das Rationalisierungsargument, die betriebswirtschaftliche Perspektive, die für die Digitalisierung insgesamt eine wesentliche Rolle spielt, tritt ein aufgabenkritisches Motiv: Wir brauchen keine Sekundärbeurkundungen mehr, jedenfalls rechtfertigt der denkbare Ertrag nicht den Riesenaufwand, den die Standesämter damit treiben müssen. Der ursprüngliche Sinn des Familienbuches - eine traditionelle Familie an ihrem jeweiligen Wohnort mit Personenstandsurkunden versorgen zu können - ist nie richtig mit Leben erfüllt worden und er droht angesichts der gesellschaftlichen Realität und den heutigen Mobilitäts- und Kommunikationsbedingungen völlig verloren zu gehen. Als Alternative wird künftig das Eheregister fortgeschrieben. Die vorhandenen Familienbücher werden nicht fortgeführt, an ihre Stelle treten die ihnen zu Grunde liegenden Heiratseinträge, in die die Familienbuchfortschreibungen übernommen werden müssen. Dies bedeutet, die Familienbücher werden im Laufe einer längeren Übergangsfrist - auch hier ist an fünf Jahre gedacht - an das Heiratsstandesamt zurückgegeben und dort sozusagen als Bestandteil des Heiratsbuches behandelt. Gibt es vor Ablauf der Übergangsfrist einen Anlass für eine Benutzung oder Fortführung des Heiratseintrags, muss das Familienbuch vorzeitig angefordert werden. An die Stelle der Anlegung eines Familienbuches auf Antrag tritt eine Nachbeurkundung der Eheschließung im Eheregister. Zuständig werden muss nicht zwangsläufig das Standesamt I in Berlin, in Betracht kommt auch das Wohnsitzstandesamt, sofern es einen Inlandswohnsitz gibt. Dritter Schwerpunkt, der in einem engen Zusammenhang mit dem soeben erwähnten aufgabenkritischen Ansatz steht, ist die Konzentration unseres Aufgabenspektrums auf die Dinge, die für die Dokumentation des Personenstandes erforderlich sind. Weder die Berufsbezeichnung noch die Religionszugehörigkeit haben eine personenstandsrechtliche Relevanz. Dies gilt auch für akademische Grade; hierzu gibt es parallel Bestrebungen, sie auch im Meldebereich und im Pass- und Personal-

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ausweiswesen nicht länger zu berücksichtigen. Das sind zwar keine großen Dinge, aber ihre Streichung erspart entsprechende administratorische Vorkehrungen: ?? Ist Key Account Manager oder CIO, Central Information Officer eine zulässige Berufsbezeichnung? ?? Oder: in welcher Form darf ein ausländischer akademischer Grad im Inland geführt werden? Eine Streichung vermeidet Diskussionen und Fehlerquellen. Ich will an dieser Stelle zum Thema Aufgabenkritik und Konzentration auf Personenstandsdaten einen kleinen Ausflug ins Hessische unternehmen. Stichwort Ortsbezeichnungen, genauer Ortsund Stadtteilsbezeichnungen in den Büchern. Die Dienstanweisung lässt in § 60 Abs. 1a zu: „Das Land kann bestimmen, dass neben dem Namen der Gemeinde auch der Name des Gemeindeteils anzugeben ist.“ Von dieser Anordnungsbefugnis haben wir auf Grund einer Entscheidung unserer damaligen Hausleitung mit Erlass vom 22. Oktober 1990 Gebrauch gemacht - gegen den Rat des Fachverbandes übrigens. Das Ergebnis waren so schöne Einträge wie „ist am ... in Ober-Erlenbach, jetzt Bad Homburg, Stadtteil Ober-Erlenbach, geboren“. Die personenstandsrechtliche Relevanz liegt auf der Hand: Null. Außerdem gab es Kritik, weil nicht alle Ortsteile erfasst waren, sondern nur die kommunalrechtlich besonders benannten, und außerhalb Hessens war es auch nicht gerade einfach, mit diesen gemeindlichen Namensketten umzugehen. Wir haben uns daher entschlossen, die Anordnung nach zehn Jahren im Zuge der Erlassbereinigung sterben zu lassen. Was ist passiert? Dankbarer Applaus oder wenigstens stille Genugtuung über eine späte Einsicht des Ministeriums? Im Gegenteil, geharnischter Protest über diese höchst bürgerfeindliche Bürokratenentscheidung. Ich will hier keine Noten verteilen, schon gar nicht in Richtung Bürger, deren Lokalpatriotismus ich bis zu einem gewissen Punkt ganz gut verstehen kann. Wenn sich aber auch ein leibhaftiger Landrat für die Wiederaufnahme von Gemeindeteilsbezeichnungen in die Personenstandsbücher einsetzt, komme ich doch ins Grübeln. Verschlankung der Verwaltung ist nicht nur eine Überschrift, das Thema muss auch dann beherzigt werden wenn es konkret wird. Dazu gehört - auch hinsichtlich der Bagatelle Gemeindeteilsbezeichnung - die Konzentration auf unsere Kernaufgaben. Ich hoffe Sie sind damit einverstanden, dass es an dieser Stelle keine Rolle rückwärts geben wird. Zurück zur Personenstandsnovelle: ich will noch zwei weitere Aspekte beitragen, die ich für wichtig halte und in die Diskussion eingebracht habe. Das eine sind die Standesbeamtinnen und Standesbeamten; ich schaue einmal streng in Richtung der Wiesbadener Kolleginnen, die schon vor Jahren damit begonnen haben, an dieser Stelle unbeugsamen Widerstand zu leisten und unzählige andere brave Standesbeamtinnen dazu verleitet haben, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen. Spaß beiseite, die im PStG der PStV mit ihren Vordrucken und natürlich in der DA enthaltene Funktionsbezeichnung „Der Standesbeamte“ ist renovierungsbedürftig. Aber auch aus einem ganz anderen Grund als der geschlechtsspezifisch korrekten Gesetzessprache:

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Der Siebente Abschnitt des Personenstandsgesetzes, der seit 1975 mit Standesamtsbezirk und Standesbeamter, überschrieben ist, beschäftig sich - wie Sie alle wissen - mit sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten. Mit Fragen der Behördeneinrichtung und des Verfahrens, die den Bund unter der Geltung des Grundgesetzes möglicherweise nichts angehen. Personenstandsaufgaben sind staatliche Aufgaben, das Personenstandsgesetz wird von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Demnach liegt es nach der Grundsatzentscheidung des Art. 84 GG bei den Ländern, die Behörden einzurichten. Es handelt sich hierbei um einen ein alten verfassungsrechtlichen Streit, der im Vorfeld der 57er Novelle zwischen Bundesregierung und Bundesrat heftig ausgetragen, aber nie einvernehmlich gelöst worden ist. Aufgeflackert ist dieses Problem oder jedenfalls ein Ausschnitt daraus im Zusammenhang mit der Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Darf der Staat - Bund oder Land eine staatliche Aufgabe direkt in die Gemeinden transportieren? Das darf er sicher, wenn auch unter Beachtung des Konnexitätsprinzips. Darf er aber auch den Gemeinden deren eigene Organisation vorschreiben? Darf er dabei so weit gehen, dass er sämtliche Aufgaben exklusiv einem bestimmen Amtswalter überträgt mit der Konsequenz, dass im Außenverhältnis diese Person, die Standesbeamtin oder der Standesbeamte, für das gesamte Personenstandswesen zuständig ist? Welche Rolle spielen dann die standesbeamtlichen Sachbearbeiter, die nicht zu Standesbeamten bestellt sind und umgekehrt, dürfen bestellte Standesbeamtinnen in dieser Eigenschaft auch andere Verwaltungsaufgaben erledigen? Um diese Mottenkiste nicht neu aufmachen zu müssen wird erwogen, dass sich der Bund künftig weitestgehend aus diesem Bereich heraushält. Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass im PStG nur noch geregelt wird, dass für das Personenstandswesen Standesämter zuständig sind und dass Beurkundungen und Beglaubigungen innerhalb der Standesämter von hierzu bestellten Urkundspersonen (Standesbeamten) vorzunehmen sind, die über eine bestimmte Eignung verfügen müssen. Alles andere kommt nach dieser Vorstellung in ein landesrechtliches Ausführungsgesetz. Was wird damit gewonnen, außer der Ausräumung eines akademischen Streits, könnte man einwenden. Streitvermeidung zwischen Bund und Ländern ist zum einen nicht wenig. Zum anderen würde sich diese Systematik an andere Verwaltungszweige anpassen. Denken Sie an die Meldebehörde, an die Lebenspartnerschaftsbehörde oder auch das Jugendamt. Der Bund formuliert die Aufgabe und die abstrakte Behörde, während die Übertragung auf eine bestimmte Gebietskörperschaft dem Landesrecht obliegt. Natürlich werden das auch bei einer landesrechtlichen Regelung die Gemeinden sein, denen man aber - und das ist ein weiterer Aspekt - sehr viel weiter gehend das als bisher bei der Bildung von Standesamtsbezirken durch die Aufsicht der Fall ist, freie Hand lassen könnte. Auch ohne eine Aufsichtsstufe könnte es möglich sein, dass zwei oder mehrere kleinere Gemeinden ein gemeinsames Standesamt einrichten, dessen Organisation und Kostentragung sie intern regeln, wenn sie das wollen. Wir alle wissen, dass ein gewisses Fallaufkommen, ein Mindestumsatz sozusagen, wichtig ist für die professionelle Aufgabenbewältigung; der „Nebenbei-Standesbeamte“, der vielleicht nur zu 5 % seiner Tätigkeiten im Personenstand arbeitet und im Übrigen Friedhofswesen, Meldebehörde, Wahlamt, Versicherungsamt, Pässe und Personalausweise und was weiß ich noch alles macht, hat es sicher schwerer als der „Nur-Standesbeamte“, für den vieles Routine ist, was für den ersten Recherchieren, Nachlesen und Zusatzaufwand bedeutet. Auch für den Bürger ist es im Zweifel nicht schlecht, einen Ansprechpartner vorzufinden, der auf alles eine Antwort parat hat. Eine umfassende fachliche Kompetenz gehört nach meiner Auffassung mindestens genauso zu einem modernen Verständnis von Bürgernähe wie geringe räumliche Entfernungen. Jedenfalls könnten derartige Überlegungen vor Ort angestellt und individuell abgewogen werden. Warum sollte es nicht ein Standesamt für drei oder vier Gemeinden geben, die sich dann

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nicht nur die Personalkosten teilen, sondern auch die DV-Ausstattung - elektronische Register, Mikroverfilmung, Netzwerke usw. - nur einmal angehen? Sie sehen, der Zusammenhang ist nicht zufällig und ich bin der Auffassung, man sollte auch an dieser Stelle keine Denkverbote errichten, sondern offen an derartige Fragen herangehen. Ein Trauzimmer kann man ja in jeder Gemeinde belassen, um hier von vornherein keine Emotionen hochkommen zu lassen. Ich hoffe jedenfalls, dass die Arbeitsgruppe sich diese Vorschläge zu Eigen macht und bin sodann auf Ihre und die Reaktion der kommunalen Spitzenverbände gespannt. Mit dem Trauzimmer habe ich mir das Stichwort für einen letzten Aspekt gegeben, den ich Ihnen zur Personenstandsnovelle vortragen will. Lassen wir es bei dem jetzigen § 8 PStG: „Die Eheschließung soll in einer der Bedeutung der Ehe entsprechenden würdigen Form vorgenommen werden.“ Oder wagen wir uns nach vorne in Richtung Traumhochzeit unter dem Motto „Wie es euch gefällt“ oder sollen wir im Gegenteil zusätzliche Daumenschrauben einbauen, um den Wildwuchs einzudämmen? Wir alle kennen den Spagat zwischen den individuellen Vorstellungen und Wünschen der Kundschaft, die in der Politik aus den verschiedensten Gründen auf offene Ohren stoßen, und unserem bürokratischen Regelwerk, das uns hindert, so richtig bürgerfreundlich zu sein und damit vielleicht noch tüchtig Geld zu verdienen. Ich habe mich unlängst auf die Webseite von Las Vegas durchgeklickt; wenn Sie einmal nichts Besseres zu tun haben, versuchen Sie es auch einmal. „Welcome to the marriage capital of the world. This is the only city, that offers 24-hours wedding ceremonies and dozens of variations.“ Begleitet von einem putzigen Amor mit einem klatschroten Herzen in der Hand landet man bei den „10 Marriage Rules of Nevada“, von denen ich einmal nur drei herausgreife: ?? keine Mindestaufenthaltszeiten ?? Öffnungszeiten im Gerichtsgebäude für die marriage license: Montag bis Donnerstag von 8:00 Uhr bis Mitternacht, Freitag von 8:00 Uhr bis Sonntag 24:00 Uhr durchgehend geöffnet ?? marriage license fee 50 Dollar cash, no checks. Weiter geht es mit einer großen Anzahl „highlighted wedding chapels“, die verschiedene packages von 50 $ bis open end anbieten mit allem, was das Herz begehrt. Mit CD oder professional organist, mit Fotoserie oder Video, Champagner und was weiß ich noch alles. Warum starten wir nicht durch und übernehmen das System der marriage licenses? Zugegeben, die Frage ist zu schlicht für diesen Kreis. Marriage licenses haben wir längst. Wir haben sogar eine hessische Übersetzung; bei uns heißen sie „Derff-Schein“. Die Mitteilung an die Verlobten über das Ergebnis der Prüfung der Ehefähigkeit nach § 6 Abs. 1 PStG oder die Bescheinigung für den auswärtigen Standesbeamten nach § 6 Abs. 5 PStG ist inhaltlich nichts anderes. Dass man bei uns eine Eheschließung nicht rund um die Uhr anmelden kann, steht auf einem andern Blatt; das ist aber auch von der Nachfrageseite nicht unser Problem. Unser Problem ist das, was die Amerikaner die ceremony nennen. Im Recht der einzelnen Bundesstaaten sind die Personen festgelegt, die Eheschließungen lizenzierter Partner vornehmen dürfen. In

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Nevada sind das die Friedensrichter, die Richter sowie ordinierte Geistliche. In anderen Staaten zusätzlich der Gouverneur oder der Bürgermeister oder einzelne konzessionierte Würdenträger. Vorgeschrieben ist dann durchweg noch eine Bescheinigung des Zeremonienmeisters über das Jawort, mit der die Ehe dann beim county clerk registriert wird. Theoretisch ginge das auch bei uns, ohne die Ziviltrauung grundsätzlich in Frage zu stellen. Aus dem Verwaltungsrecht kennen wir alle die Figur des beliehenen Unternehmers, also einer außerhalb der öffentlichen Verwaltung stehenden privaten Person, der bestimmte hoheitliche Befugnisse übertragen werden. Praktisch wäre dann aber zu überlegen, wem gebe ich diese Kompetenz? Ordinierten Geistlichen wie in den USA? Das ist wohl nicht im Sinne unseres Publikums, das häufig gerade keine kirchliche Trauung will und daher eine Alternative sucht; außerdem kämen wir außerhalb der großen Kirchen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, ganz schnell in ziemliche Schwierigkeiten. Richter kommen bei uns auch weniger in Betracht, Bürgermeister schon eher; das ist aber - denken Sie an die Eheschließungsstandesbeamten in Bayern oder Schleswig-Holstein - nicht Neues mehr und auch aus der Publikumsperspektive nicht der wirkliche Renner. An Notare könnte man denken, die bayerische Lebenspartnerschaftsvariante lässt grüßen, oder an einzelne konzessionierte Personen, den Direktor der Kurbetriebe oder den Vorsitzenden des Heimat- und Verkehrsvereins, oder den Chef des größten Hotels am Platze, oder den Hochzeitsbeauftragten des Lebensmitteldiscounters Plus, der unlängst für 2.222 € eine komplette Hochzeitsveranstaltung einschließlich der standesamtlichen Trauung angeboten hat. Bei näherem Ansehen der Fußnoten hat sich dann die standesamtliche Trauung doch nicht als das herausgestellt, was ich befürchtet hatte; aber immerhin, ein Anfang ist gemacht. Sie sehen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt; die lockere Aufzählung zeigt aber schon, dass wir bei der Auswahl des Traupersonals, sei es durch den Gesetzgeber selbst, sei es durch eine Behörde, in heillose Schwierigkeiten geraten, weil die Möglichkeiten entweder an den Wünschen der Betroffenen vorbeigehen oder wir in einen reinen Kommerzbereich vorstoßen, dem wir mit der Eheschließungskonzession den Abschluss lukrativer Folgegeschäfte ermöglichen. Dort könnte aber der Kampf um möglichst exklusive Konzessionen entbrennen. Was Plus Recht ist, ist Aldi billig, der Hotelier am Edersee wird genauso gerne dabei sein wollen wie der eine oder andere unseriöse Geschäftemacher, der schnell einmal eine Location vermitteln will. Sie merken schon an meiner bisherigen Herleitung, ich mache keinen Hehl aus meiner Abneigung gegen dieses Modell. Wir könnten uns und damit letztlich den Betroffenen mehr Ärger einhandeln als die Sache wert ist. Schließlich, und das ist für mich ausschlaggebend, könnten wir auch einen kommerziellen Hochzeitsveranstalter nicht alle Verrücktheiten anbieten lassen, die immer einmal hochkommen: unter Wasser, im Fesselballon, beim Fallschirmabsprung, Sie kennen das alles. Besinnen wir uns doch einmal gemeinsam auf die rechtlichen Eckpunkte einer Eheschließung, ohne deren Einhaltung die Sache nicht funktioniert, egal wer die Trauung vornimmt. Die Ehe ist ein familienrechtlicher Vertrag. Wie bei anderen Verträgen mit weit reichenden Konsequenzen hat der Bundesgesetzgeber besondere Anforderungen an das Zustandekommen derartiger Verträge formuliert, die meines Wissens bisher niemand ernsthaft in Zweifel gezogen hat. Die beiden übereinstimmenden Willenserklärungen müssen von den Partnern höchstpersönlich, gleichzeitig und am selben Ort abgegeben werden. Sie müssen - das ist alles nichts Neues für Sie vor einer mitwirkungsbereiten Urkundsperson erfolgen, die in der Lage ist, den Vertragsabschluss

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ohne jeden Zweifel zur Kenntnis zu nehmen und im Interesse der Rechtssicherheit mit Wirkung für und gegen jeden zu dokumentieren. Das bedeutet, die Urkundsperson - ich lasse es einmal bewusst bei dieser allgemeinen Funktionsbezeichnung - lenkt den gesamten Verlauf des Vertragsabschlusses, von der Identitätsfeststellung über die Feststellung, dass die Eheschließungsvoraussetzungen geprüft und bestätigt worden sind, über die Aufforderung zur Abgabe der konstitutiven Willenserklärungen, die nur einen ganz bestimmten bedingungs- und befristungsfeindlichen Inhalt haben dürfen, bis hin zur Wahrnehmung der übereinstimmenden Willenserklärungen und deren amtliche Dokumentation. Auch ein privater Zeremonienmeister müsste für die Einhaltung dieser formalen Mindeststandards stehen, damit ein Streit über wirksam zu Stande gekommene Ehen unter keinen Umständen entstehen kann. Das heißt doch zu Ende gedacht, auch der Kurdirektor muss insoweit genauso dasselbe tun, wie ein Standesbeamter. Das heißt weiter, auch beliehene Unternehmer müssten aus- und fortgebildet und bis zu einem gewissen Grad sicher auch beaufsichtigt werden. An dieser Stelle muss unweigerlich die Feststellung kommen, wozu das alles, wenn wir eine hoch qualifizierte Standesbeamtschaft haben, die alle Anforderungen bestens beherrscht und dies über Jahrzehnte unter Beweis gestellt hat? Klartext: Ich persönlich möchte mich für das amerikanische marriage-license-Modell nicht stark machen, Trauzeremonien können wir, ich meine natürlich Sie, besser als alle anderen. Das soll aber nicht heißen, es muss alles so bleiben. Kommen wir noch einmal zurück auf das, was ich vorhin die rechtlichen Eckwerte einer Eheschließung genannt habe. Wo immer eine Standesbeamtin oder ein Standesbeamter dafür geradestehen kann, dass der vorgeschriebene Ablauf des Vertragsabschlusses genauso unter seiner alleinigen Regie und Verantwortung stattfindet, sollte es künftig nach meiner Meinung jedenfalls keine personenstandsrechtlichen Einwände gegen Trauungen geben, die den individuellen Wünschen der Brautleute weitestgehend entgegenkommen. Dabei muss man sich aber über weitere Rahmenbedingungen im Klaren sein: ?? Es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz. Wer die Trauung im Freien, in einem Hotel oder im Brauthaus vornimmt, darf das nicht nur bei der Tochter des Bürgermeisters, sondern muss dann generell so arbeiten. ?? Das Dienstrecht gilt auch im Standesamtsbereich weiter; es gibt Arbeitszeitregelungen, es gibt Feiertage und es gibt Personalräte. Durchgehend geöffnet geht ebenso wenig wie sonstige Überforderungen oder gar Zumutungen, die mit dem Anforderungsprofil eines Standesbeamten und der Fürsorge eines Dienstherrn unvereinbar sind. Ein Standesbeamter ist weder ein Entertainer, eine Shownummer, noch ein Statist oder ein Pausenfüller, der irgendwann auf die Bühne geschubst wird, wenn es ins Programm passt. Dienstherr und Standesamt legen unter Beachtung dieser Spielregeln die Möglichkeiten fest, die man auch unter dieser Perspektive verantworten kann. ?? Im Klaren sollte man sich auch darüber sein, mit Eheschließungen lässt sich kein Geld verdienen. Auch wenn Bürgermeister, Kämmerer und Haushälter hier gelegentlich andere Vorstellung haben. Es handelt ich trotz Blumenschmuck, Musik und Trauansprache um Verwaltungstätigkeit, um eine Amtshandlung, für die die Grundsätze des Verwaltungskostenrechts gelten. Das heißt: Gebühren und Auslagen mit der Obergrenze Kostendeckung; für Gewinn ist dabei kein Platz. Das schließt natürlich nicht aus, dass wir uns an dieser Stelle systemkonform erneut Gedanken über die Tarife in § 68 PStV machen und auch die Obergrenze von derzeit 60 Euro pro Fall, die im Gesetz festgeschrieben ist, zur Disposition stellen. Der Bundesrat war zu diesem

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Punkt schon wiederholt tätig; nach meiner Auffassung sollte der Betrag wenigstens verdreifacht werden, oder noch besser, ganz aus dem Gesetz gestrichen werden. Parallel dazu kommt auch in Betracht, für die Eheschließung generell, nicht nur für solche außerhalb der üblichen Öffnungszeiten, eine Tarifstelle einzuführen, bei der nicht nur pauschal, sondern auch nach Aufwand abgerechnet werden kann. Lange Rede, kurzer Sinn: Nach meiner Auffassung sollte es auch in der Novelle im Grundsatz bei der bisherigen Konzeption bleiben. Auch die so genannte Zeremonie ist bei der Standesbeamtenschaft am besten aufgehoben. Sofern die Bewältigung der zentralen Anforderungen an die Begleitung des Vertragsabschlusses sichergestellt ist, sollten wir uns einer weiteren Öffnung in Richtung Kundenwünsche gegenüber aufgeschlossen zeigen, dies dann aber auch aufwandsgerecht bezahlen lassen. Ich habe dazu vorgeschlagen, die „würdige Form“ in unseren überkommenen § 8 PStG in einen funktionalen Zusammenhang mit den standesamtlichen Aufgaben zu bringen: „Die Eheschließung soll in einer der Bedeutung der Ehe entsprechenden würdigen Form vorgenommen werden, die dem Standesbeamten eine ordnungsgemäße Vornahme seiner Amtshandlung ermöglicht.“ Dies könnte es erlauben, sowohl Verrücktheiten abzuwehren als auch sich gleichzeitig in dem aufgezeigten Rahmen zu öffnen. Das Ei des Kolumbus ist das natürlich noch nicht, jede und jeder ist herzlich eingeladen, eigene bessere Vorschläge einzubringen. Sobald der Arbeitsentwurf der BMI-Arbeitsgruppe vorliegt - ich schätze wie gesagt Spätsommer - wird dazu Gelegenheit sein. Ich habe die Absicht und den Wunsch, das Papier dann dem Fachverband zuzuleiten und mit ihm in allen Einzelheiten durchzuarbeiten. Ohne dass ich das jetzt mit Frau Linker und Herrn Bangert vorbesprochen habe, könnte ich mir vorstellen, dass Sie den Entwurf in Ihren schönen Internet-Auftritt aufnehmen, so dass Sie alle davon Kenntnis nehmen und sich unter Umständen per E-Mail an der Diskussion beteiligen können. Ich würde das begrüßen, weil wir dann das gesamte hessische Personenstands-Know-How gebündelt hätten und in die Gesetzgebungsarbeit einbringen könnten. Ich hoffe ich habe Sie jetzt nicht überrumpelt, selbstverständlich können wir auch den traditionellen Papierweg wählen, wenn Ihnen das lieber ist. Ich bin für heute am Ende und bedanke mich noch einmal bei dem Fachverband, dass Sie mir erneut eine Plattform geboten haben, Entwicklungen in unserem Verwaltungsbereich aufzuzeigen und vielleicht hier und da Ihr Interesse zu wecken. Ihnen allen danke ich für Ihre Zeit und Ihre Aufmerksamkeit. Nochmals vielen Dank.

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