JAHRESBERICHT DER SCHULDNER- UND INSOLVENZBERATUNG

Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2016 JAHRESBERICHT DER SCHULDNER- UND INSOLVENZBERATUNG 2016 PariSozial – gemeinnützige Gesellsc...
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2016

JAHRESBERICHT DER SCHULDNER- UND INSOLVENZBERATUNG

2016

PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 1

Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2016

Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle G e s c h ä f t s s t e l l e: Bahnhofstraße 27 – 29 (Treffpunkt PariSozial) 32312 L ü b b e c k e Telefon: 05741 3424-0 Telefax: 05741 3424-25

Beratungszeiten: (jeweils nach vorheriger Terminvereinbarung) Lübbecke: Bahnhofstraße 27 (Treffpunkt PariSozial) (Montag bis Freitag) Minden: Hermannstraße 4 (Montag bis Freitag) Bad Oeynhausen: Tannenbergstraße 23 (Oeynhaus) (Mittwoch und Donnerstag) Espelkamp: Schweidnitzer Weg 19 (Montag bis Freitag; außer Dienstag) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Jan Fischer (Schuldnerberater Lübbecke) Ruth Hagenhoff-Lang (Schuldnerberaterin Minden) Heidrun Hofmann (Schuldnerberaterin Minden und Lübbecke) Detlev Schewe (Schuldnerberater Bad Oeynhausen und Lübbecke) Peter Sentker (Schuldnerberater Espelkamp) Daniela Stork Sabrina Griese (Verwaltungskräfte)

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Inhalt

Seite

Personalsituation

4

1.

Vorwort

5

2.

Statistischer Teil

7

a. Fallzahlen (per 31.12.2016)

7

b. Weitere statistische Daten

8

c. Beratung von ehemals Selbständigen

11

d. Statistische Daten zur Insolvenzberatung

11

3.

Überschuldung: Zahlen – Daten – Fakten

12

4.

Arbeitslosigkeit und Armut

13

5.

Nachwort

14

Anhänge: Pressemitteilung: Aktionswoche der Schuldnerberatung 2016 „SCHULDEN MACHEN KRANKheit macht Schulden“ Pressemitteilung: Recht auf ein Basiskonto

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Personalsituation Die Schuldnerberatungsstelle der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford arbeitete im Berichtsjahr 2016 mit einem Team von fünf Beratungskräften und einer Verwaltungskraft in Teilzeit. Jan Fischer ist Diplom-Sozialarbeiter mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Herr Fischer ist seit dem 01.04.1999 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für den Altkreis Lübbecke zuständig. Herr Fischer ist in Lübbecke von montags bis freitags anzutreffen. Ruth Hagenhoff-Lang ist Diplom-Sozialarbeiterin mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung, Insolvenzberatung und Systemischer Familientherapie. Frau Hagenhoff-Lang ist seit dem 01.01.2002 in der Schuldnerberatung tätig. Sie ist für den Altkreis Minden zuständig. In Minden ist Frau Hagenhoff-Lang in der Hermannstraße an drei Tagen anzutreffen. Heidrun Hofmann ist Diplom-Betriebswirtin und Diplom-Sozialarbeiterin mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Frau Hofmann ist seit dem 01.08.1996 in der Schuldnerberatung tätig. Sie ist für die Altkreise Minden und Lübbecke zuständig. Frau Hofmann ist an drei Tagen in Lübbecke und an zwei Tagen in Minden in der Hermannstraße anzutreffen. Detlev Schewe ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung sowie einer Zertifikatsfortbildung „Betriebswirtschaft für soziale Arbeit“. Herr Schewe ist seit dem 01.04.1997 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für Bad Oeynhausen und für den Altkreis Lübbecke zuständig. In Bad Oeynhausen im Oeynhaus ist Herr Schewe zweimal wöchentlich anzutreffen. Peter Sentker ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zertifikatsfortbildung in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Herr Sentker ist seit dem 01.07.2006 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für Espelkamp zuständig und im Büro am Schweidnitzer Weg an vier Tagen anzutreffen. Auf die Stelle der Mitarbeiterin für Verwaltungstätigkeiten ist am 01.06.2016 Frau Sabrina Griese, Bürokauffrau, nach ihrer Elternzeit zurückgekehrt. Frau Stork ist ausgeschieden. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 4

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1. Vorwort Die Zahl der beratenen Personen ist im Jahr 2016 erheblich gestiegen und hat erstmals die 1.500er-Marke überschritten. Dieses ist zum einen möglich gewesen durch, die Aufstockung der Mittel des Kreises Minden-Lübbecke für die Beratung von Personen, die nicht im Bezug von SGB-Leistungen waren. Zum anderen gab es eine weitere Zunahme von Ratsuchenden, die zumindest eine Kurzberatung in den offenen Sprechstunden wahrgenommen haben. Die hohe Zahl der Beratungskontakte in den offenen Sprechstunden ist konstant geblieben. Die starke Inanspruchnahme der offenen Sprechstunde ist insbesondere auf die relativ langen Wartezeiten auf Termine (4-6 Wochen) zurückzuführen. Häufig ist es tatsächlich notwendig, dass dringende Probleme sofort angegangen und gelöst werden – hier sind insbesondere P-Konto-Bescheinigungen, drohende oder vollzogene Energiesperren, aber auch Maßnahmen von Gläubigern und Gläubigervertretern zu nennen. Vielen Menschen kann so tatsächlich kurzfristig geholfen oder der Druck genommen werden – und sie kommen sie oft nicht oder erst sehr viel später wieder. Der Umfang der bearbeiteten Verbraucherinsolvenzverfahren hat folgerichtig gegenüber dem Vorjahr abgenommen, da mehr Zeit in die Kurzberatungen investiert werden musste, aber auch, da eine Tendenz festzustellen ist, nach der die Verbraucherinsolvenzfälle immer umfangreicher und komplexer werden. Näheres zu den Zahlen unter Kapitel 2. des Jahresberichtes. Zum Thema Überschuldung sind, unter Punkt 3. des Jahresberichtes, einige Daten, Zahlen und Fakten zusammengestellt. Unter Punkt 4. des Jahresberichtes sind einige zentrale Aussagen zum Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Armut aus dem Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes zitiert. Das Thema der alljährlichen Aktionswoche der Schuldnerberatung im Jahr 2016 lautete: „SCHULDEN MACHEN KRANKheit macht Schulden“. Der Zusammenhang zwischen Schulden und Krankheit wird auch im Beratungsalltag ständig deutlich. Die Lokalpresse im Kreis Minden-Lübbecke, der Presseartikel zur Verfügung gestellt wurden, hat das Thema nicht aufgegriffen, was unterstreicht, dass es gesellschaftlich noch nicht angekommen ist. Der Bundestag hat im Jahr 2016 die sogenannte „Zahlungskontenrichtlinie“ der EU umgesetzt und das Zahlungskontengesetz verabschiedet, das am 19. Juni 2016 in Kraft getreten ist. Darin festgelegt ist unter anderem das Recht auf ein Basiskonto für jede Person, die sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, ebenso die Verpflichtung für die Kreditinstitute, einem neuen Kunden eine sogenannte Kontowechselhilfe anzubieten. Die Erfahrungen einige Monate nach Inkrafttreten der neuen Regelungen zum Basiskonto sind überwiegend positiv. Es gibt kaum Probleme bei der Einrichtung von Basiskonten. Allerdings erheben einige Kreditinstitute unangePariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 5

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messen hohe Gebühren für die Führung eines Basiskontos. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat daher Klage gegen drei Banken eingereicht. Die verfassten Pressemitteilungen finden Sie im Anhang am Ende dieses Jahresberichtes. Auf der Homepage der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford (www.parisozialmlh.de) gibt es auf der Unterseite der Schuldnerberatung die Rubrik Pressemeldungen, wo Sie weitere aktuelle Informationen finden. Für Ratsuchende, die mit Unterstützung der Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford ein Insolvenzverfahren betreiben, wurde eine mehrseitige Handreichung erstellt, in der über den weiteren Ablauf des Verfahrens nach Verfahrenseröffnung informiert wird. Diese erhalten Schuldnerinnen und Schuldner, quasi als Gedächtnisstütze, wenn sie ihren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einreichen. Das Büro in Bad Oeynhausen ist im Dezember 2016 innerhalb des „Oeynhauses“ in neue Räume mit besserer Erreichbarkeit und besserer Ausstattung umgezogen. Es befindet sich jetzt in direkter Nähe zu den Räumen des Paritätischen Betreuungsvereins und des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes, mit denen die Schuldnerberatung in vielen Fällen kooperiert. Bereits im Mai 2016 wurde in Bad Oeynhausen eine zweite offene Sprechstunde eingeführt.

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2. Statistischer Teil a. Fallzahlen (per 31.12.2016) Die Gesamtzahl der Beratungsfälle ist um 87 Fälle gestiegen auf 1.504 Fälle (1.417 in 2015).

Die Verteilung zwischen Neu- und Alt-Fällen ergibt folgendes Bild: Neu-Fälle Alt-Fälle

(Kontakt (Kontakt

in vor

2016) 2016)

gesamt

= =

895 609 1.504

Im Einzelnen ergab sich folgende Fallstruktur: Telefonberatungen, offene Sprechstunde Einmalige Beratungen Beratungsfälle mit geringem Aufwand* Beratungsfälle mit mittlerem Aufwand* Beratungsfälle mit hohem Aufwand* Beratungsfälle mit sehr hohem Aufwand* Gesamtzahl:

497 147 249 340 185 86 1.504

*Die Differenzierung erfolgt nach Beratungskontakten und Verwaltungsaufwand bzw. Drittpersonenkontakten.

b. Weitere Statistische Daten Grundlage der nachfolgenden Angaben ist die statistische Auswertung von 1.007 Beratungsfällen (Gesamtzahl von 1.504 Beratungsfällen ohne die Telefonberatungen und offenen Sprechstunden). Hier werden die Alters-, Haushalts- und Einkommensstruktur betrachtet. Von diesen 1.007 Beratungsfällen werden 828 Beratungsfälle in Bezug auf die Schuldenhöhe, Gläubigeranzahl und Ergebnisse der Beratungen angeschaut. Diese Zahlen geben somit die Zusammensetzung der Beratungsfälle in 2016 wider, spiegeln jedoch nicht die Struktur der Ratsuchenden insgesamt.

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Altersstruktur älter als 60 Jahre; 8%

unter 20 Jahre; 1%

51 bis 60 Jahre; 18%

20 bis 30 Jahre; 23%

31 bis 40 Jahre; 25% 41 bis 50 Jahre; 25% Ratsuchende in Prozent (N = 1.007)

Haushaltsstruktur

alleinstehend 25% 43%

17%

alleinerziehend

verheiratet / eheähnl. Lebensgemeinschaft 15% verheiratet / eheähnl. Lebensgemeinsch. mit Kindern Ratsuchende in Prozent (N = 1.007)

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Einkommensstruktur Kein eigenes Einkommen; 5%

Sonstiges Einkommen; 6%

Erwerbseinkomm en; 39%

Grundsicherung; 2% Rente; 10%

Arbeitslosengeld II; 33%

Ratsuchende in Prozent (N = 1.007)

Schuldenhöhe

32%

19%

19% 14% 11%

5%

bis 5 T€

6-15 T€

16-25 T€

26-50 T€

mehr als 50 T€

mehr als 100 T€

Ratsuchende in Prozent (N = 828)

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Gläubigeranzahl 40%

30%

14% 10% 6%

1-5 Gläubiger

6 - 10 Gläubiger

11 - 15 Gläubiger

16 - 20 Gläubiger

mehr als 20 Gläubiger

Ratsuchende in Prozent (N = 828)

Ergebnisse der Beratungen

587

Entwicklung Entschuldungsperspektive

564

Psychosoziale Stabilisierung 347

P-Konto 245

Stundungen

209

Keine Einigung mit den Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen

94

Verhinderung von Vollstreckungsmaßnahmen

89 51

Verhinderung von Energiesperren

31

Vergleichsvereinbarungen

22

Sicherung der Wohnung Erlasse/Niederschlagungen

0 22

Aufhebung von Verträgen Umschuldungen

0

(N = 828, Doppelnennungen möglich)

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c. Beratung von ehemals Selbständigen 84 Ratsuchende waren ehemals selbständig. Davon stellten elf Ratsuchende einen Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens für ehemals Selbständige. 15 Ratsuchende waren noch selbständig. Diese werden in Ausnahmefällen und nur, wenn eine persönliche Notlage besteht, beraten. In den meisten Fällen steht das Unternehmen kurz vor der Insolvenz. d. Statistische Daten zur Insolvenzberatung In der vorliegenden Jahresstatistik sind auch die Zahlen zu den InsOBeratungsfällen enthalten. Als InsO-Beratung werden diejenigen Fälle ausgewertet, in denen die beiden Hauptziele der Insolvenzordnung im Sinne des § 1 InsO angestrebt waren:  eine Schuldenbereinigung unter Einbeziehung aller Gläubiger auf der Grundlage eines Planes (gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger)  Befreiung von den Restschulden Die folgenden Zahlen beschreiben Umfang und Wirkung unserer Tätigkeit in diesem Bereich: 199

Fälle in denen ein außergerichtlicher Einigungsversuch begonnen oder durchgeführt wurde (mit überwiegend hohem Aufwand) (2015 = 257 Fälle)

13

Fälle wurden in 2016 mit einer außergerichtlichen Einigung abgeschlossen (2015 = 23 Fälle)

in 170

Fällen konnte keine außergerichtliche Einigung erzielt werden (2015 = 199 Fälle ohne außergerichtliche Einigung)

in

Fällen haben die Ratsuchenden das Verfahren abgebrochen (2015 = 35 Abbrüche)

16

in 161

Fällen wurde in 2016 ein Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt (2015 = 153 Anträge)

in

Fällen erfolgte ein gerichtlicher Vergleich (Schuldenbereinigungsplan) (2015 = 4 Fälle)

4

In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher oder gerichtlicher Vergleich geschlossen werden konnte, wurden die Ratsuchenden in der Umsetzung der getroffenen Zahlungsvereinbarungen unterstützt. In den noch nicht abgeschlossenen Fällen, wird die Beratung und Bearbeitung im Jahr 2017 fortgesetzt.

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Im Jahr 2016 wurden 12 Informationsveranstaltungen zum Ablauf eines Verbraucherinsolvenzverfahrens durchgeführt (abwechselnd an den vier Standorten Bad Oeynhausen, Lübbecke, Minden und Espelkamp). Es nahmen insgesamt 194 Ratsuchende an den Informationsveranstaltungen teil. Die Nachfrage nach Verbraucherinsolvenzberatungen ist seit der Einführung im Jahr 1999 gleichbleibend stark geblieben. Es bestehen nach wie vor Wartezeiten, bis mit der Bearbeitung begonnen werden kann.

3. Überschuldung : Zahlen – Daten – Fakten Im Folgenden werden einige prägnante Aussagen von verschiedenen Instituten wiedergegeben, die sich mit Überschuldung beschäftigen: „Hauptgründe für Überschuldung: 1. Arbeitslosigkeit 2. Einkommensarmut 3. Gescheiterte Selbständigkeit 4. Irrationales Konsumverhalten 5. Krankheit 6. Trennung / Scheidung

27,5 % 10,4 % 9,1 % 8,9 % 8,6 % 8,1 %

Die Einkommensarmut als Ursache für Überschuldung hat sich auf einem hohen Niveau von 10 % stabilisiert. Sie hat sich seit 2008 verdreifacht.“ Institut für Finanzdienstleistungen, Hamburg 2015

„Es fällt auf, dass in der Regel nicht planbare und gravierende Änderungen der Lebensumstände als Hauptauslöser für eine Überschuldung genannt werden, die außerhalb der unmittelbaren Kontrolle der Überschuldeten liegen. Wer überschuldet ist, ist „selbst schuld“ stimmt nicht.“ Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes 2016

„Ein Privathaushalt ist überschuldet, wenn Einkommen und Vermögen aller Haushaltsmitglieder über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen.“ Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008

„647.000 Ratsuchende haben sich an Schuldnerberatungsstellen gewandt. Das sind 10 % der Personen mit Zahlungsschwierigkeiten. Das bedeutet: ein großer Teil der von Überschuldung Betroffenen findet (noch) nicht den Weg in die Schuldnerberatung.“ Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes 2016

„Die Überschuldung von Privatpersonen ist 2016 weiter angestiegen. 6,8 Mio. Bürger über 18 sind in Deutschland überschuldet. Das ist eine Quote von 10%, 131.000 Personen mehr als 2015 (+ 1,9 %). Überdurchschnittlich gestiegen ist die Überschuldung im Alter: um 58 % seit 2013. Es ist davon auszugehen, dass die Überschuldungszahlen in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden.“ Schuldneratlas Creditreform 2016 PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 12

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4. Arbeitslosigkeit und Armut „Der Paritätische Gesamtverband und andere soziale Verbände haben den Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2017 „Menschenwürde ist Menschenrecht“ vorgelegt. Es wird ein 10-Jahres-Vergleich vorgenommen (2005-2015). Der Bericht stellt fest, dass die Armut in Deutschland einen Höchststand erreicht hat. Ein extremer Anstieg ist vor allem bei Rentnerinnen und Rentnern zu verzeichnen.“ Quelle: www.der-paritaetische.de/schwerpunkte/armutsbericht

Dieser Sachverhalt ist vor Ort ähnlich. Da jedoch vorwiegend Menschen im Arbeitslosengeld II-Bezug in die Schuldnerberatung kommen, wurde der Abschnitt „Arbeitslosigkeit und Armut“ aus dem Armutsbericht aufgegriffen. Die in dem Bericht festgestellten Ergebnisse bestätigen sich auch in der Arbeit der Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford:         





Arbeitslose bilden mit 59 % die größte Gruppe der von Armut Betroffenen. Bei Arbeitslosengeld II – Bezieherinnen und Beziehern liegt die Armutsquote bei 84 %. Menschen im ALG II – Bezug müssen mit Leistungen auskommen, die nicht ausreichen, um existenzielle Bedürfnisse abzudecken. 40 % der Menschen im Arbeitslosengeld II – Bezug können sich zuzahlungspflichtige medizinische Leistungen (Zahnersatz oder Brille) nicht leisten. Unerwartete Ausgaben (z.B. defekte Waschmaschine) führen mangels finanzieller Polster zu sofortigen Problemen. Die stärksten Einschränkungen gibt es bei der sozialen und kulturellen Teilhabe. Um ein halbwegs normales Leben in der Gemeinschaft führen zu können, reichen diese Leistungen nicht aus. Es ist schwer, mit den vorgegebenen Leistungen für Miete eine bezahlbare Wohnung zu finden – das sich zurechtfinden müssen mit schwierigen Wohnverhältnissen ist die Regel. Mehr als 3/4 aller Kinder im ALG II – Bezug leben in Haushalten, die sich keine einwöchige Urlaubsreise im Jahr leisten können. In großem Maße drücken Sanktionen die ALG II – Bezieherinnen und Bezieher weiter unter das Existenzminimum. Langzeitarbeitslose werden von vielen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Diese Haltung wird mit der irrigen Annahme begründet, dass sich Arbeitslose „ein schönes Leben machen“. Selbstvorwürfe und materielle Knappheit begünstigen einen weiteren Rückzug dieser Menschen. Arbeitslosigkeit, die länger anhält, macht krank: herbe materielle Verluste, Verluste von Struktur und sozialen Kontakten sowie sinkendes Sozialprestige führen zu Selbstwertproblemen. Besonders psychische Erkrankungen sind häufig. Männlichen Langzeitarbeitslosen geht es im Alter von 45 Jahren so wie Männern in sicheren Beschäftigungsverhältnissen bei Renteneintritt. Die Jobchancen werden umso schlechter, je länger die Menschen arbeitslos sind – sie wurden in den letzten Jahren immer geringer. Nur 1/3 der befragten Arbeitgeber war bereit, diesen Arbeitssuchenden eine Chance zu geben. Förderangebote, die sich an arbeitsmarktferne Personengruppen richten, wurden in den letzten Jahren eingeschränkt. In 2015 wurde nur rund jeder

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12. erwerbsfähige Leistungsempfänger mit einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gefördert. Wenn eine Arbeitsstelle gefunden wird, ist es meistens nur eine vorübergehende prekäre Beschäftigung, die nicht aus der schwierigen Situation von Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut befreit. Es gibt weniger eine funktionierende Aufwärtsentwicklung, als vielmehr eine Verfestigung der Lebenslage.

Der Armutsbericht fordert einen sozial- und steuerpolitischen Kurswechsel, um Armut zu bekämpfen und eine Verringerung sozialer Ungleichheit zu erreichen. Er fordert unter anderem das Recht auf Bildung, auf Wohnung und auf Arbeit - außerdem eine Anhebung der Regelsätze auf 520,- EUR. Am 27. und 28. Juni 2017 findet der von der Nationalen Armutskonferenz in Berlin organisierte 2. Armutskongress unter dem Titel: „Umsteuern: Armut stoppen, Zukunft schaffen“ statt. Die AGSBV (Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände) und die BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V.) sind neben Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, usw. auch Mitglied in der Nationalen Armutskonferenz.

5. Nachwort Die Beratungsnachfrage wird sicherlich auch im Jahr 2017 unverändert hoch sein. Termine für Beratungen werden, aufgrund der begrenzten Kapazitäten, wahrscheinlich weiterhin nur mit Vorlaufzeiten von 4-6 Wochen anzubieten sein – was ebenso wahrscheinlich zu einer starken Inanspruchnahme der offenen Sprechstunden führen wird. Das ist eine Situation, die nicht nur den Beratungsalltag der Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford prägt, sondern in ähnlicher Weise in allen Schuldnerberatungsstellen präsent ist. Das Thema der bundesweiten Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 19. – 23. Juni 2017 wird „Überschuldete brauchen starke Beratung“ sein. Das bedeutet, uneingeschränkten Zugang zur Beratung für alle Überschuldeten durch ausreichende finanzielle, personelle und räumliche Ausstattung der Beratungsstellen zu schaffen, sowie die Möglichkeit, jede Ratsuchende und jeden Ratsuchenden bedarfsgerecht, und nicht beschränkt durch äußere Rahmenbedingungen, beraten zu können. Dies ist eine große Forderung, angesichts einer Situation, in der einzelne Bundesländer sich vollständig aus der Finanzierung der Schuldnerberatung verabschiedet haben. Nicht zuletzt ist unter diesem Aspekt der Ausgang des Wahljahrs 2017 mit großer Spannung zu erwarten. Es stellt sich die Frage, ob es zukünftig auf Bundes- und Landesebene neue Konstellationen und Koalitionen geben wird. Und wie werden die großen ungelösten Probleme zukünftig angegangen? Wird der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft, einhergehend mit zunehmender Verarmung weiterer Teile der Bevölkerung und der sozialen und materiellen Ungleichheit, seitens der Politik entgegengewirkt?

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Oder stehen wir vor einer weiteren konservativen Festigung der bestehenden Verhältnisse oder einer Neoliberalisierung von Rahmenbedingungen, die für Menschen, mit einer geringen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in sozialer und ökonomischer Hinsicht, nicht von Vorteil sein dürften? Für die Schuldnerberatung stehen neben diesen allgemeinen (gesellschafts-) politischen Fragen insbesondere folgende im Raum:    

Wird es eine gesetzliche Regelung für das Recht auf Schuldnerberatung für jede Bürgerin und jeden Bürger geben? Wird sich, wie oben bereits angesprochen, an der Finanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung etwas ändern? Wird die, von der Schuldnerberatung schon lange geforderte, federführende Zuständigkeit nur eines Landesministeriums erreicht? Wird es erneute Änderungen der Insolvenzordnung geben, etwa in Richtung der von der EU-Kommission angedachten generellen Verkürzung der Laufzeit eines Verfahrens zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre?

Die (neuen) Mehrheiten, Regierungsbündnisse und Koalitionsvereinbarungen sind bis Ende des Jahres 2017 geklärt – ob und welche Veränderungen es tatsächlich geben wird, dürfte sich allerdings erst in den Folgejahren herausstellen. Das Thema der diesjährigen, bundesweiten Aktionswoche „Überschuldete brauchen starke Beratung“ ist für die Schuldnerberatung von großer Bedeutung. Hier kann die Forderung an die Verantwortlichen nur lauten, sich verantwortungsvoll für die Menschen einzusetzen, die einer fachlichen Beratung und Unterstützung bedürfen, um ihre Situation angehen und eigenverantwortlich verändern zu können. Hierfür braucht es qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine auskömmliche Finanzierung und einen Zugang für die Menschen, die der Hilfe bedürfen, unabhängig von der Möglichkeit einer beruflichen Wiedereingliederung. Im Mai 2017

Wir danken für Ihr Interesse an unserer Arbeit und den aktuellen Neuerungen! Die PariSozial Minden-Lübbecke/Herford gGmbH Das Team der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle

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Anhänge

Pressemeldung

Krankheit und Schulden auch Thema für hiesige Beratungsstellen „SCHULDEN MACHEN KRANKheit macht Schulden“ – PariSozial Minden-Lübbecke/ Herford informiert über bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatungen Kreis Minden-Lübbecke, 06.06.2016. Anni K. (Name von der Redaktion geändert) ist verzweifelt. Sie ist 48 Jahre alt, alleinstehend und bezieht Arbeitslosengeld II. Weil ihr Rücken die schwere Arbeit nicht mehr mitgemacht hat, konnte sie ihren Job im Einzelhandel nicht mehr ausüben. Nun ist sie zuhause, doch die Rückenschmerzen bleiben. Was dazugekommen ist, sind Schulden. Nie war Anni K. ein verschwenderischer Mensch, doch irgendwie war das Konto auf einmal überzogen. Medikamente, alternative Heilmethoden ausprobiert – da ist der Hartz-IV-Satz schnell aufgebraucht. Dann kam der Kleinkredit für die Autoreparatur, schließlich wollte sie doch wieder arbeiten. Es sind auch Fälle wie diese, mit denen das Team der Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford in seiner täglichen Beratungspraxis zu tun hat. Krankheit und Schulden stehen immer öfter in einer wechselseitigen Beziehung. Hierauf will die bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung in der Woche vom 06. bis 10. Juni aufmerksam machen. Krankheit ist ein wesentlicher Auslöser für die Entstehung einer Überschuldungssituation. Etwa jede zehnte Überschuldung resultiert laut Angaben des Bundesamtes für Statistik aus einer Erkrankung, einer Sucht oder einem Unfall. Die Zahlen der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford bestätigen das. 2015 spielten sogar in nahezu 15% der Beratungsfälle Erkrankungen eine Rolle. Gründe hierfür waren der Verlust des Arbeitsplatzes oder zumindest längerfristige Arbeitsunfähigkeit in Folge einer körperlichen Einschränkung. Häufig sind Rückenleiden aufgrund hoher Arbeitsbelastungen die Ursache. Den größten Anteil machen jedoch psychische Erkrankungen aus, die in sehr vielen Fällen zu vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit und damit zu langfristigen Einkommensverlusten führen. Ein weiterer Faktor ist, dass überschuldete Menschen überdurchschnittlich häufig in ihrem Wohlbefinden sowie ihrem Gesundheitszustand beeinträchtigt sind. Statistisch gesehen haben Sie, gegenüber nicht überschuldeten Personen, ein zwei- bis dreifach erhöhtes

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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2016 Risiko, krank zu werden. Als Reaktion auf die finanzielle Krise kann es zu psychischen, physischen und psychosomatischen Erkrankungen kommen. Hier sind insbesondere Schlafstörungen, Angstzustände und Depressionen zu nennen, die sich im schlimmsten Fall in Suizidgedanken manifestieren. Darüber hinaus beeinflusst die finanzielle Notlage, und die damit verbundene, eingeschränkte soziale Teilhabe auch das Gesundheitsverhalten der Betroffenen. Insbesondere eine ungesündere Ernährung und ein Mangel an sportlichen Aktivitäten wirken sich negativ aus. Als dritten wesentlichen Aspekt sind die geringeren Chancen von Überschuldeten zu nennen, sich mit angemessenen Gesundheitsleistungen versorgen zu können. Überschuldete Menschen lösen häufig ihre ärztlichen Rezepte nicht ein, weil sie die Zuzahlung für Medikamente nicht aufbringen können. Zudem sind sie schlecht über kostenlose Gesundheitsleistungen und Vorsorgeuntersuchungen informiert und nehmen sie daher auch nur selten in Anspruch. Das deutlich erhöhte Krankheitsrisiko schwächt die soziale Handlungsfähigkeit sowie die Selbsthilferessourcen von Betroffenen. Dies wirkt sich auch negativ auf die Beratung und anschließende Schuldenregulierung aus. Die so wichtige Eigeninitiative der überschuldeten Menschen bleibt häufig aus. Eine gelingende Hilfe für Überschuldete muss deshalb die spezifischen gesundheitlichen Belastungen, insbesondere psychische Stressfaktoren, zwingend bearbeiten. Die Schuldnerberatung trägt hier maßgeblich zur Entlastung bei. Das hat kürzlich auch eine Studie zur Wirksamkeit von Schuldnerberatung herausgefunden. Rund 70% der Ratsuchenden berichteten danach, von einer Verringerung ihrer schuldenbedingten Ängste. Auch konnten sie wieder besser schlafen, nachdem sie mit der Beratung begonnen hatten, sie fühlten sich weniger belastet und erlebten ihr subjektives Wohlbefinden besser. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), als Organisator der Aktionswoche, fordert daher neben der Zusammenarbeit von Schuldnerberatung und psychosozialen Diensten, wie sie im Kreis Minden-Lübbecke schon lange besteht, auch eine stärker Zusammenarbeit von sozialer Arbeit und dem Gesundheitsbereich sowie spezielle Programme für Überschuldete zur Krankheitsprävention und Gesundheitsvorsorge. Anni K. hat sich vorgenommen, ihre Sachen nun klar zu kriegen. Sie hat jetzt einen Termin bei der Schuldnerberatung ausgemacht. Ein wenig peinlich war es ihr schon, dort anzurufen. Aber schließlich hat sie eine Freundin ermutigt. Da sei überhaupt nichts bei, sagte sie ihr. Wenn sie den Überblick über ihre finanzielle Situation erst einmal zurückgewonnen hat, kann sie einigen Ballast loswerden. Und wer weiß, vielleicht hilft ihr das auch auf dem Weg dahin, ihren Rücken wieder frei zu bekommen. Schuldnerberatungen der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford: Lübbecke – Bahnhofstraße 27 // 05741 3424-0 Minden – Hermannstraße 4 // 0571 3982583 Bad Oeynhausen – Tannenbergstraße 23 (Das Oeynhaus) // 05731 27058 Espelkamp – Schweidnitzer Weg 19 // 05772 9797765

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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2016

Pressemeldung Neues Basiskonto für alle Rechtsanspruch auf Girokonto für Überschuldete und Flüchtlinge Kreis Minden-Lübbecke, 13.06.2016. Ein Leben ohne Girokonto ist eigentlich nicht möglich. Trotzdem wird in Deutschland bis zu einer Million Menschen der Zugang zu einem eigenen Konto verwehrt. Nur weil sie arm und überschuldet sind oder als Flüchtlinge kein gesichertes Aufenthaltsrecht haben. Damit ist nun Schluss: Ab dem 19. Juni gibt es einen allgemeinen Rechtsanspruch auf ein „Basiskonto“. Damit greift die Bundesregierung eine seit vielen Jahren erhobene Forderung der Wohlfahrtsverbände und der Schuldnerberatungsstellen auf. „Endlich haben überschuldete Menschen wieder eine Chance, am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilzunehmen“, freut sich Schuldnerberaterin Heidrun Hofmann von der Beratungsstelle der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford. „Ohne ein eigenes Konto fehlt diesen Menschen jegliche Perspektive“. Sie haben große Probleme wenn sie eine Arbeit aufnehmen oder eine Wohnung anmieten. Auch Strom, Wasser, Telefon und Zeitungsabonnements sowie zahlreiche Kaufverträge, und damit viele Alltagsgeschäfte, erfordern ein Girokonto. Dies hat zum Beispiel Thomas Müller (Name geändert) erfahren müssen. Seit Monaten besitzt er kein eigenes Konto mehr. Zuerst hatte er seine Arbeit verloren, das Arbeitslosengeld („Hartz IV“) reichte kaum für die wichtigsten Fixkosten. Trotzdem buchte die Bank am Monatsanfang zuerst die hauseigene Kreditrate ab. Damit rutschte Thomas Müller ins Minus. Jeden Monat mehr. Zuletzt war sein Girokonto mit über 1.800 € überzogen. Die Bank kündigte ihm das Konto. Vergeblich versuchte Thomas Müller, bei anderen Banken ein neues Girokonto zu eröffnen. Das Sozialamt stellte ihm Schecks über seine Regelsatzleistungen aus und überwies seine Miete und die Abschlagszahlungen für Energie. Thomas Müller fühlte sich erniedrigt. „Ich möchte ja arbeiten gehen, meine Kosten selber tragen und einfach normal leben.“, sagt er. Aber wie sieht es aus, wenn er dem Arbeitgeber keine Bankverbindung für die Lohnzahlung angeben kann? Mit dem Basiskonto kann Thomas Müller „ein Stück seiner Würde wieder zurückbekommen“, sagt Beraterin Heidrun Hofmann. Dieses Recht ist geregelt in einem neuen „Zahlungskontengesetz“, das den Zugang zu einem solchen Girokonto erstmals für alle Banken in Deutschland verbindlich regelt. Bisher sahen nur einzelne Landesgesetze, unter anderem in NRW, eine Pflicht zur Kontoeröffnung vor. Dies war jedoch beschränkt auf die regionalen Sparkassen. Praktisch half dies den Menschen nicht, die, wie Thomas Müller, bei der PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 19

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eigenen Sparkasse verschuldet waren. Eine Ausnahme machte da in der Vergangenheit die Sparkasse Minden-Lübbecke. Sie ermöglichte es auch in solchen Fällen, manchmal mit Unterstützung durch die Schuldnerberatung, ein Konto zu erhalten. Das Zahlungskontengesetz schafft einen Rechtsanspruch auf ein Basis-Girokonto für alle, gerade auch für Überschuldete, Geringverdiener, Wohnungslose, Asylsuchende und bloß „geduldete“ Flüchtlinge, die bislang häufig vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen waren. Das Basiskonto ermöglicht Ein- und Auszahlungen, Lastschriften, Überweisungen und das Bezahlen mit Karte sowie Onlinebanking. Beinahe hatte Thomas Müller sich schon aufgegeben. Nun schöpft er wieder neue Hoffnung. Die Praxis wird zeigen, ob das neue Basiskonto halten kann, was es verspricht: die ungehinderte Teilnahme auch überschuldeter Menschen am bargeldlosen Zahlungsverkehr und damit am normalen Leben. Für Informationen zum Basiskonto und auch bei Problemen mit der Einrichtung können sich Betroffene unter 05741 3424-0 an die Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford wenden.

Infobox: 

Für die Kontoeröffnung ist ein Antragsformular vorgesehen. Die Banken müssen das Formular sowie Informationen und Unterstützungsleistungen zu dem Basiskonto zur Verfügung stellen. Das Konto muss innerhalb von 10 Geschäftstagen eröffnet werden, wenn der Antragsteller bestimmte Verfahrensschritte einhält, auch bei einer negativen Schufa.



Das Basiskonto kann bereits zugleich als Pfändungsschutzkonto eröffnet werden. Inhaber von Basiskonten dürfen gegenüber anderen Kontoinhabern nicht benachteiligt werden. Inhaber eines überzogenen Kontos können dies nun kündigen und ein Basiskonto eröffnen.



Für das Basiskonto können „angemessene“ Gebühren verlangt werden.



Die Banken dürfen die Kontoeröffnung nur aus bestimmten, enggefassten Gründen verweigern. Bei Problemen können sich Betroffene direkt an die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) wenden zwecks Überprüfung der ablehnenden Entscheidung. Auch hierfür gibt es ein einfach gehaltenes Formular.

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