leseprobe © verlag ludwig 2008
Jennifer Lorenzen-Peth
Er z ä h l p e r s p e k t i v e u n d S elbstreflexion i n T h o m a s M a n n s Er z ä h l ungen Sinnkonstitution und Sinndestruktion
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I n h a lt s v e r z e i c h n i s
Danksagung
9
Einleitung
11
Teil I: Vorbereitende Betrachtungen
15
I.1 Exkurs: Theorien zur Erzählperspektive
16
I.1.1 Friedemann und Hamburger
17
I.1.2 Lämmert
22
I.1.3 Stanzel
23
I.1.4 Weitere Positionen: Weimann, Füger, Schober und Lindemann 26 I.1.5 Genette
30
I.2 Beispiele zum Verständnis der »Erzählperspektive« bei Thomas Mann
35
I.2.1 Wolfgang Kayser und der »Geist der Erzählung«
35
I.2.2 Das Konzept der »doppelten Optik«
38
I.3 Der phänomenologische, rezeptions- ästhetische Ansatz
42
I.3.1 Roman Ingarden: »Vom Erkennen des literarischen
Kunstwerkes« I.3.2 Wolfgang Iser: »Der Akt des Lesens« I.3.3 Dieter Wolfgang Adolphs: »Literarischer Erfahrungshorizont«
42 61 71
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I.4 Allegorisierung und Selbstreflexivität
80
I.4.1 Der Begriff der »Allegorisierung«
80
I.4.2 Selbstreflexivität
86
I.4.3 Beispiele von Analysen der Selbstreflexion in
Thomas Manns Erzählungen
I.4.4 Parallelen zu einer dekonstruktivistischen Lesart
93 95
I.4.5 Ironie und Perspektivität
100
I.5 Statt eines Resümees: Exemplarische Analyse von Franz Kafkas Die Bäume
102
T e i l II : A n a ly s e a u s g e wä h lt e r E r z ä h l u n g e n von Thomas Mann
111
II.1 Allegorisierung expressis verbis: Der Weg zum Friedhof
112
II.1.1 Raumdarstellung
112
II.1.2 Das Erzählmedium und die Innenperspektiven
115
II.1.3 Allegorisierung und Selbstreflexion
125
II.1.4 Conclusio
129
II.2 »Alles muss in der Luft stehen«: Der Kleiderschrank
132
II.2.1 Analyse einzelner Textpassagen
132
II.2.2 Schlussfolgerungen
157
II.3 Performativer Selbst-widerspruch: Enttäuschung
161
II.3.1 Der Rahmen
161
II.3.2 Die Reden des Fremden
165
II.3.3 Resümee
182
II.4 Die erzählte Metapher: Gefallen
185
II.4.1 Fiktive »Wirklichkeiten«
185
II.4.2 Die metonymische Metapher
192
II.4.3 Das Verhältnis von Rahmen- und Binnennovelle:
Abschluss und Resümee
199
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II.5 Die Täuschung der Zeichen: Die Betrogene
204
II.5.1 Transformation des Seins in Zeichen
205
II.5.2 Die dichterische Sprache als metaphorische
220
II.5.3 Homologie-Zeichen-Anzeichen und Ambivalenz
229
II.5.4 Die mythische Dimension
234
II.5.5 Das Erzählmedium
242
II.5.6 Resümee
249
II.6 Selbstreflexion im Gewande des Maya-Mythos’: Die vertauschten Köpfe
252
II.6.1 Zeichen und Sein, Maya und Schein
252
II.6.2 Die metaleptischen und selbstreflexiven Kommentare
264
II.6.3 Grenzüberschreitung und Selbstreflexion
274
II.6.4 Zusammenfassung und Schluss-Szene
281
II.7 Der eingeschriebene hermeneutische Zirkel: Der Tod in Venedig
286
II.7.1 Mikrostrukturanalyse
287
II.7.2 Die mythische Ebene
299
II.7.3 Zusammenfassung
313
II.8 Die konstitutive Leerstelle: Das Gesetz
316
II.8.1 Die Innen-Außen-Dichotomie oder die Leerstelle »Gott«
317
II.8.2 Ambivalente Sprache: Fiktion und Realität
324
II.8.3 Gestaltslos versus Gestalten
333
II.8.4 Abschluss: Die conditio des Erzählens
337
Abschliessende und weiterführende Schlussbetrachtungen
342
Literaturverzeichnis
358
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Einleitung
»Die meisten Erzählungen Thomas Manns sind unter irgendeinem Aspekt einmal in der Forschungsliteratur untersucht worden, andere freilich sind kaum beachtet und von der Forschung sträflich vernachlässigt worden«, so Hermann Wiegmann in seiner Studie Die Erzählungen Thomas Manns einleitend. Auch die vorliegende Arbeit kann nur einen Aspekt in der Interpretation einzelner Erzählungen beleuchten und muss andere ausblenden. Thema und Ansatzpunkt dieser Untersuchung ist die Erzählperspektive in ausgewählten Erzählungen Thomas Manns und ihr integrativer Zusammenhang mit der Selbstreflexion dieser Texte. Dabei soll deutlich werden, dass diese Fragestellung es ermöglicht, wichtige Konstituenten der Verfahrensweise und Strukturen in Thomas Manns Texten zu erhellen. Acht Erzählungen werden hier exemplarisch analysiert, die signifikante Phänomene der Erzählperspektive besonders in sich verdichten und die in ihrer Selbstreflexion zunehmend an Komplexität gewinnen: Der Weg zum Friedhof, Der Kleiderschrank, Enttäuschung, Gefallen, Die Betrogene, Die vertauschten Köpfe, Der Tod in Venedig und Das Gesetz. Nicht nur weil »die phänomenologische Methode – zu Unrecht (…) kaum mehr im Methodenkanon wahrgenommen wird« , sondern auch, weil sie es ermöglicht, »Perspektive« im Text nicht nur als Beschreibung des Erzählers zu verstehen, sondern das Augenmerk auf die Konstitution der Sachverhalte und Gegenstände, letztlich des Sinnes im Text zu legen, soll sie hier verwendet werden. Die Fragestellung dieser Arbeit rückt damit
Wiegmann, Hermann: Die Erzählungen Thomas Manns. Interpretationen und Realien, Bielefeld 1992, S. 9 Jahraus, Oliver: Literaturtheorie, Tübingen 2004, S. 295
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das Wie? des Erzählens in den Mittelpunkt und nicht (nur) das Wer? des Erzählers. Die Perspektive des Textes wird somit in den Analysen nicht als eine Bestimmung des Erzählers aufgefasst, die eine spezifische Erzählsituation im Sinne Stanzels konstituiert, sondern rezeptionsästhetisch: Die Darstellung bestimmter Sachverhalte und die Ausblendung anderer konfigurieren oder destruieren den Sinn im Leser. Somit strebt diese Untersuchung eine Verbindung von Rezeptionsästhetik und der durch Paul de Mans Allegorien des Lesens geprägten Dekonstruktion an: Die Analyse der Reflexion von Sinnkonstitution und -destruktion in den Texten schließt zwangsläufig mit ein, den Blick auf den Leser als Konstituent des Kunstwerkes zu richten; das bedeutet, die im Text selbst angelegten Rezeptionsperspektiven werden beleuchtet. »Perspektive« dient somit als Vehikel, Rezeptionsästhetik und Dekonstruktion zu vereinen. Erst aus der Gesamtsicht der Perspektive im Text erhellt sich dann der konstruktive Zusammenhang mit dem gewählten Erzählmedium. Roman Ingarden hat bereits in den 1930er Jahren in seinen beiden Hauptwerken Vom Erkennen des literarischen Kunstwerks und Das literarische Kunstwerk die Phänomenologie auf der Grundlage von Husserl zu einer spezifischen Betrachtungsweise von literarischen Texten entwickelt, wobei der Schwerpunkt auf der Rezeption des Werkes durch den Leser liegt. Interessant für die Problematik dieser Arbeit ist vor allem die Weiter entwicklung seiner Thesen durch Wolfgang Iser und sein Konzept des »impliziten« Lesers sowie durch Dieter Wolfgang Adolphs, der in seiner Dissertation den Versuch unternimmt, mithilfe von Ingardens Theorie einige Erzählungen Thomas Manns zu beleuchten. Die Methoden und Ansätze dieser phänomenologischen Arbeiten sollen in der vorliegenden Untersuchung diskutiert und um den Aspekt der Selbstreflexivität, der Sinnkonstitution und -destruktion ergänzt werden, mithin um Fiktionalisierungsstrategien der Werke, die gerade im Konzept Roman Ingardens zu sehr in den Hintergrund gedrängt werden. Es wird sich in den einzelnen Analysen zeigen, dass die zunächst realistische Perspektive, in der die Illusion stabil bleibt, durch eine selbstreflexive de
de Man, Paul: Allegorien des Lesens (aus dem Amerikanischen von Werner Hamacher und Peter Krumme), Frankfurt 1988 Adolphs, Dieter Wolfgang: Literarischer Erfahrungshorizont. Aufbau und Entwicklung der Erzählperspektive im Werk Thomas Manns, Heidelberg 1985