IST MEHR ALS FUSSBALL IST MEHR ALS FUSSBALL

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Author: Sigrid Falk
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IST MEHR ALS FUSSBALL

BraSILIEn IST MEHR ALS FUSSBALL





FORTALEZA

MANAUS

• •

NATAL

RECIFE

aufReGenD unD mitReissenD…



CUIABÁ



SALVADOR



BRASÍLIA



BELO HORIZONTE

… wirkt dieses Land in seiner schillernden Farbvielfalt auf viele Touristen. Wer zum ersten Mal Brasilien besucht,

⚑ •

SÃO PAULO CURITIBA



dem stockt der Atem. Eingebettet in sattgrüne Hügel, hellgelbe Strände und das leuchtende Blau von Himmel und Meer, liegt Brasilien mit seiner 198,7 Mio. großen Bevölke-

RIO DE JANEIRO



PORTO ALEGRE

rung im Atlantischen Ozean. Die Landschaft und die Kultur sind so beeindruckend und schön, dass man das Land nur widerwillig verlassen möchte. Denn nicht ohne Grund ist Brasilien eines der schönsten Länder der Welt. Sogar die Armut hüllt sich im Sonnenlicht in bunten Farben. G m

Die im vier-Jahres-Rythmus ausgetragene Fußballwelt-

m eins

meisterschaft der Männer findet im Sommer 2014 in Bra­ Berufskolleg Ost der stadt essen

silien statt. Die besten Mannschaften jedes Kontinents spielen in acht Gruppen á vier Teams um den Einzug in

Textquellen: dw.de, tagesspiegel.de, neon.de, sueddeutsche.de,

die K.O.-Runde. Nur die zwei besten Teams jeder Gruppe werden diese erreichen. Die Nationalmannschaften müssen

spiegel.de, stern.de, rp-online.de

weitere drei Spiele gewinnen, um ins Finale im legendären

Fotos:

stalter dieses bedeutenden Turniers ist der Weltfußballver-

Maracanã Stadion in Rio einzuziehen. Träger und Veran-

Fußballverband Brasiliens Confederação Brasileira de Futebol (CBF) im Jahr 2014 sein 100­jähriges Jubiläum. Insgesamt wird es zwölf Austragungsorte verteilt in ganz Brasilien geben.

Die ZweitGRÖsste staDt BRasiliens… … und auch die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates ist Rio de Janeiro. Sie liegt an der Guanabara-Bucht im Südosten des Landes. Auf den ersten Blick verbindet

sxc.hu, Bruno itan

band FIFA. Die Fußball-WM gilt nach den Olympischen

Mitwirkende:

als wichtigstes Sportereignis der Welt.

Copacabana, dem Zuckerhut und der Christus-Statue auf

Im Jahr 2007 stand aufgrund einer einzigen Bewerbung

Jahr im Durchschnitt bei angenehmen, sommerlichen, tro-

Jan D. walter freier Journalist für wirtschaft, Politik und lateinamerika bei der Deutschen welle, ingo wolf ehem. innen u. sportminister von nRw

Spielen, die 2016 ebenfalls in Brasilien ausgetragen werden,

fest, dass Brasilien der Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft sein wird. Zusätzlich feiert der nationale

man diese Stadt mit den wundervollen Traumstränden der dem Berg Corcovado. Die Temperaturen liegen das ganze pischen 24 °C. Dennoch gibt es weitaus mehr, was die Stadt für den Tourismus interessant macht.

RiO De JaneiRO ist BesOnDeRs… … für sein buntes Treiben und die heißen Rhythmen zur Karnevalszeit bekannt. Es wird viel getanzt, gelacht und gefeiert bis in die frühen Morgenstunden. Des Weiteren spielt in Brasilien der Körperkult eine besondere Rolle. Der Körper gilt in Brasilien als Symbol für die landesübliche Vielfalt an Kulturen. Dieser Kult vereint die Gesellschaft und symbolisiert die Verschmelzung der verschiedenen Lebensstile.

ziskus mitzuerleben und zu feiern.

(Pacifying Police Unit) begleiteten die Befriedung inner-

Weltmeistertitel. Die Nationalmannschaft Brasiliens ge-

halb der Favelas und helfen die bisherige Macht der

wann insgesamt fünf Weltmeistertitel und somit mehr als

Drogenbosse zu brechen, diese zu vertreiben und somit

jedes andere Land.

neue Strukturen aufzubauen.

Viele Jugendliche haben den Traum von einer Fußball-

Die Regierung und die Privatinvestoren investieren für die

Leistung nicht lange zugeschaut und schnell aussortiert. Beim Fußball kommen alle zusammen, die sonst der soziale

Die lieBe Zum fussBall…

gen in Brasilien katholisch und somit ist es auch das Land

Menschen in die Stadt, um den Besuch von Papst Fran-

staatlich zu regieren. Mitglieder der Friedens-Polizei UPP

Fußballs. In seiner Blütezeit gewann er unter anderem drei

Wege geöffnet werden. Jedoch wird bei nicht erbrachter

Der Glaube und die Religion ist ein wichtiger Bestandteil

Janeiro statt. Zu diesem Anlass pilgerten rund 600.000

sorgen. Somit gewinnt dieser das Recht, dort wieder

die sog. schwarze Perle – der Inbegriff des brasilianischen

auf eine erfolgreiche Karriere haben und ihnen so alle

der Stadt.

weit. Ende Juli 2013 fand der Weltjugendtag in Rio de

Für die meisten Menschen ist der Nationalspieler Pelé –

Schule rund 25.000 Dollar im Jahr, damit sie eine Chance

tern die Fahrt zwischen den vielfältigen Sehenswürdigkeiten

mit den meisten katholischen Glaubensanhängern welt-

schaft eine Grundlage, um in den Favelas für Ruhe zu

sprechende Leistung vorweisen können, investiert die

gibt es gute öffentliche Verkehrsanbindungen. Sie erleich-

gestiegen. Dennoch ist die Mehrheit der Glaubensrichtun-

walt verbinden. Der Staat schaffte aufgrund der Weltmeister-

amtierenden spanischen Meister FC Barcelona gewechselt.

Träume zu verwirklichen. Wenn die jungen Kicker eine ent-

ist viel Zeit erforderlich. Trotz der dicht befahrenen Straßen,

in den letzten Jahren durch Einwanderungen deutlich

entgegen, weil sie diese mit Armut, Kriminalität und Ge-

mer ist der 21­jährige Neymar für 57 Mio. Euro zum

de Futebol“ bietet den Jugendlichen die Möglichkeit ihre

und Vielfalt der Stadt entdecken und erleben zu können,

unterschiedlichen Religionen innerhalb des Landes sind

angeboten. Viele Menschen stehen den Favelas kritisch

spieler sind von Weltklasse-Format. Erst in diesem Som-

karriere. Die brasilianische Sportschule „Academia Traffic

Um viele der attraktiven Sehenswürdigkeiten und die Größe

in der brasilianischen Lebensphilosophie. Die Anzahl der

interessierte mit dem Land verbindet.“ Diese Fussball-

… entdeckte Brasilien zum Ende des 19. Jahrhunderts. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dieser Sport sowohl von weißen, wie auch von farbigen Spielern betrieben, da es zuvor eine strickte Rassen- und Klassentrennung in Rio de Janeiro gab. Heute stürmen, dribbeln und verteidigen

Tausende von brasilianischen Kickern, ob weiß oder farbig, rund um den Globus. Der Fußball ist ein internationaler Sport, der Menschen mitreißt und Nationen miteinander vereint. Die Brasilianer spielen nicht nur für ihr eigenes Land, sondern weltweit. Der ehem. Innen- und Sportminister von NRW Ingo Wolf meint: „Brasilien ist ein Land mit einer großen Fußballtradition und zahlreichen bekannten Persönlichkeiten, die diesen Sport seit Jahrzehnten geprägt haben. Pelé, Sócrates, Rico, Romário, Ronaldo, Ronaldinho oder Neymar sind nur einige der Namen, die der Fußball-

Status trennt, denn auf dem Fußballplatz wird nach Können und nicht nach Herkunft beurteilt. Viele Fussballfans werden durch dieses Sportevent nach Brasilien gelockt. Während der Fußballweltmeisterschaft blüht der Tourismus auf, viele kommen zu den WM Spielen und verknüpfen ihren Aufenthalt teilweise mit einem Urlaub. Die Hotels und Restaurants rund um die Austragungsorte erlangen durch die Touristen einen wirtschaftlichen Profit. Selbst in den Favelas werden für die Touristen Führungen

Weltmeisterschaft ca. 11 Mrd. Euro, sodass rund um die Stadien der Austragungsorte eine moderne Infrastruktur entstehen kann. Für die einheimischen Baukonzerne besteht durch das nachhaltige Bauen in den Stadien, die Chance, bei der WM Geld zu verdienen. Denn nach der Weltmeisterschaft werden zusätzlich weitere Renovierungsarbeiten anstehen. Die Fußballweltmeisterschaft bringt ebenfalls für die Brasilianer eine wirtschaftliche Chance und die Möglichkeit auf einen Imagewandel, der die positive Entwicklung des Schwellenlandes in den letzten Jahren beschleunigen kann.

zweifelhafte effekte… … werden bei der Auswahl des Austragungsortes Brasilien für die kommende Fußballweltmeisterschaft

Zusätzlich hat sich der brasilianische Staat mit einem Knebel­ vertrag der FIFA dazu verpflichtet, den Auflagen des Verbandes bedingungslos Folge zu leisten – ein Akt äußerst bedenklicher politischer Unterwerfung und fehlendem Durchsetzungsvermögen. So hat sich z. B. Deutschland damals gegen die Auflagen der FIFA in Bezug auf die Gastro­ nomie rund um die Stadien zur Fußballweltmeisterschaft

Laut Ingo Wolf ist zu bedenken: „Infrastrukturelle Probleme

genen Land stattfindet wird. Doch die anfängliche

gewehrt.

deutlich .In Brasilien war der Jubel groß als bekannt gegeben wurde, dass die Fußballweltmeisterschaft 2014 im eiEuphorie hat massiv nachgelassen. Berichte über gigantische staatliche Investitionen in neue Stadien und Infrastruktur, die voraussichtlich sämtliche Ausgaben aller bisherigen Fußballweltmeisterschaften bei weitem übertreffen und gewaltige Löcher in Brasiliens Haushalt reißen, Korruptionsskandale, zur Verdrängung der Favelados/as durch Bau von Prestige­objekten, schüren die Unzufriedenheit der sonst so sportfanatischen Bevölkerung. Der ehemalige brasilianische Schiedsrichter José Roberto Wright bringt es auf den Punkt: „Brasilien ist ein armes Land, ob es will oder nicht. Es ist absurd, rund 21 Mrd. Dollar für eine Veranstaltung der FIFA auszugeben, wenn Geld für Schulen und Krankenhäuser fehlt. Natürlich ist es ok, einige Stadien zu renovieren, aber hunderte von Mio. Euro in Sportpaläste in Brasilia oder Manaus auszugeben, die in Zukunft nicht mehr genutzt werden, ist Geldverschwendung.“ Viel schlimmer noch: Vor allem die Bewohner der in den WM-Austragungsstädten liegenden Favelas, werden zu Opfern von illegalen Zwangsräumungen und polizeili-

maracanã

Landes offen zu legen. Bei den Protesten wurde den Leuten

cher Gewaltübergriffe. Diese Vorgehensweise verstößt in

Straße gehen. laufen werden diese Menschen auch zum Feiern auf der fast allen Städten des Landes. Sollte die WM positiv veralleine. So sammelten sich bis zu eine Mio. Protestanten in deutlich, dass sie in der Gemeinschaft stärker sind, als sich zusammen geschlossen, um die Missstände des gefühl entstanden. Gerade die ärmeren Einwohner haben den Protesten ist in Brasilien ein neues Gemeinschafts­

werden durch die WM allenfalls punktuell und „ungleich-

Seit dem Confederations Cup und den damit eingehen-

gewichtig“ gelöst; zwar entsteht an den Spielorten eine moderne Infrastruktur, jedoch strahlt diese nicht auf den

nicht mehr dem Willen der Mafiabosse unterliegen sind.

Rest der brasilianischen Staatsfläche aus.“ Der Staat

ist ein wichtiger Schritt für die Favelabewohner, da Sie nun

kommt seinen Aufgaben, die Gelder des Landes auf die

dadurch liegt das Gewaltmonopol wieder beim Staat. Es

sozialschwachen Problemfelder zu verteilen, nicht nach.

Denn diese wurden von den Drogenbossen befreit und

Problematisch ist, dass keine gerechte Aufteilung und

Eine ebenfalls positive Entwicklung gibt es in den Favelas.

vielen Fällen gegen brasilianisches Recht.

resse gut erreichen. nicht nur die Stadien, sondern auch andere Orte von Inteliche Verkehrsmittel günstig und effizient. Sie können so sind. Für die Fußballfans ist die Fortbewegung über öffentmeisterschaft innerhalb Brasiliens mit­einander verknüpft haben dafür gesorgt, dass alle Stadien für die Fußballweltund die Paralympics. Die neuen Verkehrsanbindungen wie zum Beispiel die Olympischen Sommerspiele 2016 genutzt wird, zusätzlich werden Events dort stattfinden, Rio de Janeiro wird gesichert, in dem es von Vereinen einflussen. Die Nachhaltigkeit des ­Maracanã Stadions in lichen Anstoß und werden die Arbeits­losigkeit positiv beAspekte geben dem gesamten Land einen wirtschaft… prägen die WM und schaffen neue Arbeitsplätze. Diese

­intakte Infrastruktur herrscht. Durch die Spaltung von Arm und Reich gelten keine gleichen Menschenrechte.

Zusammenhalt & Gemeinschaft…

„Angesichts der wirtschaftlich eher zweifelhaften Effekte stellt sich aber die Frage, ob die wirtschaftliche und infrastrukturelle Potenz eines Staates bei der Vergabe inter­ nationaler Großturniere, wie der WM, nicht stärker berücksichtigt werden sollten,“ bemerkt der ehemalige Sport- und Innenminister treffend. Es macht sich das Gefühl breit, dass immer unaufhaltsamer in das Bewusstsein der Brasilianer eingedrungen wurde: Ereignisse, wie die WM oder auch die olympischen Spiele waren nie für die Brasilianer gedacht, sondern für die

maracanã

Finanzinvestoren, die Werbewirtschaft, den Fremden­ ­ verkehr, das Prestige ehrgeiziger Politiker und der FIFA.

der WM darf nicht dazu führen, dass die gesellschaft-

Busse, die Fans zum Stadion fuhren, demolierten diese

… werfen die Favelas auf Brasilien, als Austragungsort und Reiseziel in Bezug auf die Fußball­WM 2014, aus

nissen mobilisieren lässt. Der ehemalige Sport- und Innen-

Estadio Castelao, wo Spanien und Italien aufeinander trafen,

und „Brasilianischer Frühling“ sind in aller Munde, womit auf die eher apolitische Gesellschaft dieses Landes ange-

lichen Nahverkehr entzündet. Im Zuge des Confedera-

DOch welch neGatiVen schatten… Sicht der Regierung? Aufgrund dieser wird die ganze Umgebung um die Austragungsorte herausgeputzt, und alles

was weder den Touristen noch dem Geschäft dient, muss

nach dem Willen der Stadtregierung weichen – auch Teile der Favelas, samt der ärmlichen Bevölkerung. Doch ist es

tions Cups kam es zu ersten, heftigen Ausschreitungen. Die Polizei ging in Fortaleza in der Nähe des Stadions

gewaltsam vor. Die Demonstranten stoppten mehrere und zwangen alle Insassen, auszusteigen.

An Gründen für die Proteste mangelt es nicht, laut der brasilianischen Bevölkerung. Denn viele Forderungen der Demonstranten, die während des Confed-Cups gegen

Durch den anfänglichen Ärger um die Preiserhöhungen

in Bildung, Gesundheitswesen und Sicherheit investiert werden? Sind Sanierungen und Neubauten der Stadien,

teure WM-Stadien und Korruption auf die Straße gingen, blieben unerfüllt. Die Unruhen zeigen, dass es die brasilianische Bevölkerung ernst mit den Reformen meine.

gerechtfertigt, dass einerseits hohe Ausgaben für die baldige Fußballweltmeisterschaft gemacht werden, während

auf der anderen Seite große Missstände Brasiliens in den Hintergrund rücken und nicht in das soziale System, wie

auf Kosten der ärmlichen Bevölkerung moralisch vertretbar?

Während sich Brasilien auf die Fußballweltmeisterschaft

vorbereitet, protestieren Hunderttausende gegen Korrup-

kam es zu den tatsächlichen Protesten und Unruhen. Schon zuvor war das Bewusstsein über die allgemeine Unzufriedenheit und die Missstände im sozialen Bereich

unter der Bevölkerung vorhanden. Die Wut richtet sich allge-

mein gegen das politische System, das am Gemeinwohl

Unzufriedenheit. Slogans wie „Brasilien ist aufgewacht“

sich die Proteste an regulären Preiserhöhungen im öffent-

nicht interessiert ist. Die Ausgaben im Zuge der Fußball-

tion, Polizeigewalt, mangelnde Bildungschancen und eine

unzureichende Gesundheitsversorgung. Zuvor hatten

weltmeisterschaft wurden zu einem Ventil der allgemeinen

spielt wird, die sich sonst eher zu Sport- und Musikereigminister von NRW Ingo Wolf merkt an: „Die Durchführung

lichen und strukturellen Probleme Brasilien „übertüncht“ werden. Es muss sicher gestellt werden, dass die einmal

begonnenen Diskussionen auch nach der WM fortgeführt und zu Nutzen aller Bürger Brasiliens fruchtbar gemacht

wird. Vielleicht erweist sich die WM dann insoweit als hilfreich, dass sie einen Anstoß für eine in Brasilien notwendige Debatte gegeben hat.“

Tag für Tag treibt auch die Korruption die Menschen auf die Straßen. Sie wünschen sich mehr Transparenz in der

Politik und fordern ihr Recht auf Mitbestimmung ein. Sie sehen die Gelder, die ausschließlich in den Bau für die WM fließen, als falsch eingesetzt. Die Politik vernachlässigt

die zusätzlichen finanziellen Mittel, die Brasilien in die WM steckt, auch in das Bildungs- und Gesundheitswesen zu

investieren. Dafür stehen jetzt in den Großstädten glitzernde

Fußballtempel in Sichtweite von heruntergekommenen

Grundschulen. Während im Land Stadien aus dem Boden

gestampft werden, sterben in Brasilien Menschen, weil es keine ordentliche medizinische Versorgung gibt. Das

zeigt die Gegenüberstellung des Verhältnisses zwischen Ärzten und Einwohner von Brasilien und Deutschland. In Brasilien kommen auf 1000 Einwohner 1,36 Ärzte, wohin­ gegen in Deutschland die Zahl bei 3,71 Ärzten liegt.

Aus dem Labyrinth der abertausenden Wellblechdächern

der Favela Rocinha ragen nun Betonstandpfeiler der neuen Seilbahn. Diese ist eines der großen Prestigeobjekte des neuen Rios, sie soll den Hügel Morro da Providência mit

dem Bahnhof für die Touristen verbinden. In den Neubau flossen 30 Mio. Euro. Für dieses Bauwerk mussten etwa

300 Unterkünfte der Favelados/as – die sog. Bewohner der Favelas – weichen. Die Vertriebenen wurden vom Staat in

andere Armenviertel, fernab des Stadtkerns, der gewohnten Umgebung und ihrer verwurzelten Gemeinschaft ent-

rissen. Als Alternative bietet der Staat ein Wohngeld an. Doch knüpft sich an dieses Angebot die Problematik des extremen Wohnungsmangels und ist somit kein realer

Ausweg. Mit der Umsiedlung und Enteignung verletzt der Staat die Menschenrechte der Bewohner, die aufgrund ihrer Armut keine finanziellen Mittel für rechtliche Unter­ stützung haben. „Zwangsumsiedlungen sind mit einem

freiheitlich-liberalen Staatsverhältnis unter keinem Gesichts-

punkt vereinbar. Menschen darf ihre Lebensgrundlage nicht ohne ihr Einverständnis entzogen werden,“ unterstreicht Herr Wolf.

um Die kRiminaltÄt Zu schwÄchen… … und der Trennung zwischen Favelas und Reichenvier-

teln entgegenzuwirken stürmten Polizeitruppen in Razzien die Favelas und vertrieben die örtlichen Drogenhändler.

Denn der Staat hat ein neues Pilotprojekt entwickelt, mit dem er Besucher in die berüchtigten Favelas locken möchte. Die Slums von Rio de Janeiro wurden offiziell zur

Touristenattraktion erklärt. Laut Jan D. Walter, freier Journalist der Deutschen Welle, habe die Abwesenheit der Drogenbosse jedoch auch zur Folge, dass die allgemeine

Kriminalität in diesen Regionen gestiegen sei. Zuvor habe

die Drogenmafia als selbsternannte Rechtssprecher im Armenviertel fungiert. Somit seien die Maßnahmen des Staates aus zwei Sichten zu betrachten.

Die Vereinbarungen zwischen der Regierung Brasiliens

und der FIFA beschränken den Verkauf rund um die Stadien und vertreiben die lokalen Verkäufer innerhalb eines zwei

Kilometer großen Radius um die Stadien. Die WM wird ein

großes Geschäft für die globalen Marktführer der Sportbranche und Gastronomie, jedoch nicht für die einhei-

mischen Verkäufer werden, prophezeien Kritiker. „Auswir-

kung auf das brasilianische Bruttoinlandsprodukt welches

stark durch den Dienstleistungssektor geprägt ist (65 % der brasilianischen Wirtschaftsleistung) – sind durch die WM nur punktuell zu erwarten; etwaige Zugewinne fallen

bereits 2015 nicht mehr an und schlagen sich dann negativ

ärmere Leute den Zugang zu erschweren. „Das ganze

Projekt des neuen Maracanã Stadion hat einen elitären

Charakter und zielt auf Ausgrenzung ab,“ so Gustavo Mehl vom Volkskomitee WM. In den Umbaumaßnahmen für die

Fußballweltmeisterschaft wurde das Stadion in Rio de Janeiro für viele Mio. Euro saniert, da es zunächst nicht den FIFA-Maßstäben gerecht wurde.

So werden auch an den anderen elf Austragungsorten neue Stadien errichtet und bestehende von Grund auf erneuert. Die Steuerzahler müssen dafür über 10 Mrd. Euro zahlen, obwohl in Städten wie Cuiabá oder Manaus nicht

einmal Zweitligisten existieren und die regelmäßige Nutzung

nach der WM nicht gegeben ist. Angesichts der geplanten

Eintrittspreise werden die meisten Brasilianer die Spiele nur vor dem Fernseher verfolgen können. Gleich neben

der Arena wird ein neues Einkaufszentrum, eine Kneipenmeile und Parkhäuser entstehen. Zuerst sollten den

Einheimischen vor dem Abriss bewahrt werden konnte.

und Fans europäische Normen aufzudrücken und somit

Sport geplanten Bauten neben einigen bestehenden Sportan-

in der Wirtschaftsbilanz nieder. Hinzu kommen die Kosten für die Durchführung des Turniers und die Errichtung der Stadien in Höhe von 30 – 35 Mrd. Euro,“ fügt Herr Wolf sachkenntlich hinzu. Ziel sei es, den brasilianischen Stadien

lagen und einer Schule auch das historische IndígenaMuseums weichen, welches nach vielen Protesten der

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Berufskolleg Ost der stadt essen

eins

manchmal tRÜGt DeR schÖne schein…



MANAUS



FORTALEZA

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NATAL

RECIFE



CUIABÁ





SALVADOR

BRASÍLIA

BELO HORIZONTE

… des ersten Eindrucks und schnell zerplatzt die sonnige

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Blase von weißen Stränden, temperamentvoller Musik und Fußball-Leidenschaft, der Euphorie und der Gastfreund-

RIO DE JANEIRO

PORTO ALEGRE

de Açúcar in Rio de Janeiro und blickt, fernab von allen

Armut deutlich sichtbar. Wer mit offenen Augen das größte

Ipanemas und Leblons – stehen im harten Kontrast zum

Regionen weltweit.

dw.de, tagesspiegel.de, neon.de, sueddeutsche.de,

Die aRmenVieRtel lieGen einGeBettet…

sxc.hu, Bruno itan

spiegel.de, stern.de, rp-online.de

SÃO PAULO CURITIBA

unbeschwerter Lebensfreude. Brasilien ist das Land der schaft. Doch sitzt man in der Seilbahn Teleférico de Pão

Klischees, herab auf eines der vielen Armenvierteln Brasiliens – der sogenannten Favelas – wird die hier herrschende Land Südamerikas betrachtet, wird schnell die große Kluft zwischen Arm und Reich bemerken. Die Postkartenmotive der Südseite – der Zuckerhut, die Strände Copacabanas,

Nordosten. Dieser gehört durch brutale Drogengangs,

blutige Morde und bittere Armut zu den gefährlichsten

Textquellen:

… in den reichsten Stadtteilen Rios, Ipanema und Copa-

Mitwirkende:

Fotos:





• um die brasilianischen Metropolen schnüren, unaufhalt-

sam. Es entwickeln sich stetig mehr illegale Ansiedlungen,

die ohne Infrastruktur und mit hoher Arbeitslosigkeit in

Verbindung mit der Abwesenheit des Staates, zu einer Hölle aus Armut und Gewalt werden. Durch den sozialen

Ausschluss fehlt es den Bewohnern der Favelas oft an

Bildung, ausreichender Krankenversorgung und reguläre

Beschäftigung. Denn durch ihre Herkunft und der Stigmatisierung der Bevölkerung und Medien haben die meisten

keine Chance auf dem Arbeitsmarkt Brasiliens. Den Jugendlichen, die in einer Welt von Drogen, Gewalt, Mord und

Prostitution aufwachsen, haben meist nur eine Zukunfts-

perspektive. Ein Beispiel ist die Kinderprostitution, in der

Jan D. walter freier Journalist für wirtschaft, Politik und lateinamerika bei der Deutschen welle, ingo wolf ehem. innen u. sportminister von nRw

cabana. Doch trotz der örtlichen Lage sind die Bewohner

der prekären Viertel von ihrer Umgebung ausgeschlossen und stehen am Rande der Gesellschaft. In Bezug auf

ganz Brasilien, wachsen die Elendsgürtel, die sich rund

die 8 –12­jährigen Mädchen mit leeren Versprechungen

auf ein besseres Leben geködert werden und darin die einzige Möglichkeit auf lukrative Beschäftigung sehen. So

schließt sich der Teufelskreis, indem die Jugendlichen den Verlockungen der Kriminalität erlegen sind.