Walter G. Pfaus
Unfall.
Ab heute sind wir pleite
IRIS:
E 332
Das hast du auswendig gelernt. Du liest doch schon seit
PERSONEN:
vier Wochen jeden Tag dasselbe.
ULRICH SCHLOTZER, der Vater und Inhaber der Firma, ca.
OMA:
50 Jahre
Ich bekomme jeden Tag eine neue Illustrierte.
BEATE, seine Frau, die Seele des Geschäftes, ca. 45 Jahre
(nach einer Weile)
IRIS, beider Tochter, etwa 20 - 25 Jahre
Ist das nicht schrecklich?
LUKAS, beider Sohn, etwas älter als seine Schwester
IRIS:
OMA, Ulrichs Mutter, etwa 70 Jahre
(hat sich auf das Sofa gesetzt, blättert in dem Ordner)
MAJA, Ulrichs Schwester, um die 40 Jahre
Was?
RALF PFOTE, Majas Freund, ebenfalls um die 40 Jahre
OMA:
JÜRGEN BRUDER, Gerichtsvollzieher und Freund von Iris.
(entrüstet)
Etwa 30 Jahre
Ein nackter Mann auf der Straße.
HEIKE WEINBERG, die Freundin von Lukas
IRIS:
3 Akte, 1 Bühnenbild
(ohne von ihrer Arbeit aufzusehen)
SPIELDAUER:
Er hat doch nur die Tür verwechselt. Er kam aus dem
Ca. 90 Minuten
FKK-Club.
SPIELER:
OMA:
5 weibliche, 4 männliche
Aber er hat einen Unfall verursacht.
1. AKT
IRIS:
(Wenn sich der Vorhang hebt, sitzt die Oma in ihrem
Eine ältere Dame in deinem Alter hat sich den Mann zu
Lehnstuhl und liest in einer Illustrierten. Sie hat keine
lange angesehen und vergessen, auf die Straße zu
Brille auf. Am Stuhl hängt eine Zipfelmütze)
achten. Sie hat ein Vorfahrtsschild umgefahren.
OMA:
OMA:
(grummelt vor sich hin)
Ist das nicht schrecklich?
Sowas hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben ... Was die
IRIS:
sich erlauben ... Kein Schamgefühl ...
Es ist ihr doch nichts passiert. Sie ist mit dem Schrecken
(Iris kommt von links. Sie hat einen Ordner unter dem
davongekommen.
Arm)
OMA:
IRIS:
Ein nackter Mann auf der Straße ... Zu meiner Zeit hätte
(sieht Oma lesen)
es so etwas nicht gegeben.
Wie oft willst du denn die Zeitschrift noch lesen, Oma?
IRIS:
OMA:
Zu deiner Zeit gab es auch noch keine Vorfahrtsschilder
Was hast du gesagt?
... Wir bekommen heute übrigens Besuch.
IRIS:
OMA:
Du hast doch gar keine Brille auf.
(gelangweilt)
OMA:
Wir bekommen doch jeden Tag Besuch.
Natürlich habe ich meine Brille auf.
IRIS:
IRIS:
Ich meine nicht den hirngeschädigten Ralf.
Nein, hast du nicht. Und ohne Brille kannst du nicht mal
OMA:
die Überschriften lesen.
Der Ralf ist nicht hirngeschädigt. Schließlich ist er ein
OMA:
Mann, der drei angesehene Berufe ausübt.
Und was sagst du dazu?
IRIS:
(liest vor, ohne richtig hinzusehen)
(mit tiefem Seufzer)
Nackter Mann überquert Straße und verursacht einen
Ja, ich weiß. Er ist Arzt, Elektriker und Clown. 1
OMA:
(tastet ihr Gesicht ab)
(triumphierend)
Mein Gott, meine Brille ist weg.
Na, ist das nichts?
(jammernd)
IRIS:
Wer hat mir meine Brille weggenommen?
(mehr zu sich selbst)
BEATE:
Als ob wir nicht schon genug mit uns selbst zu tun
Niemand. Du hast sie sicher im Schlafzimmer gelassen.
hätten.
(geht zur Tür hinten)
OMA:
Die Iris holt sie dir.
Was hast du gesagt?
IRIS:
IRIS:
Jetzt nicht ... Mama, ich spreche nicht von Ralf. Heute
Er paßt sehr gut zu Tante Maja.
kommt der Gerichtsvollzieher.
OMA:
BEATE:
Willst du damit sagen, daß Maja nicht alle Tassen im
Kenne ich nicht.
Spind hat?
(will hinten abgehen, bleibt stehen, dreht sich um)
IRIS:
Wer kommt?
Nein, das habe nicht ich gesagt. Die Leute sagen das.
IRIS:
OMA:
Der Gerichtsvollzieher.
Die Leute! Was gehen uns die Leute an? Meine Tochter
OMA:
Maja ist sehr intelligent. Sie schreibt sogar Romane.
Was hast du gesagt?
IRIS:
BEATE:
Ja, das ist es ja.
(zu Oma)
OMA:
Sie hat nichts gesagt.
Wenn in dieser Familie jemand einen Dachschaden hat,
(zu Iris)
dann ist es dein Bruder.
Wer kommt?
IRIS:
IRIS:
Mein Bruder hat keine Macke ...
Der Gerichtsvollzieher.
OMA:
BEATE:
Hat er doch.
Woher weißt du das?
IRIS:
IRIS:
Er denkt etwas langsamer als andere, das ist alles ... Auf
Ich weiß es eben.
jeden Fall bekommen wir heute Besuch.
BEATE:
(Beate kommt von rechts. Sie hat noch gehört, was Iris
Und was machen wir jetzt?
gesagt hat)
IRIS:
BEATE:
Nichts. Ich werde ihm unsere Kontoauszüge zeigen,
Wir bekommen doch jeden Tag Besuch.
dann geht er wieder.
IRIS:
BEATE:
Den wirst du vielleicht nicht mögen.
Aber er wird unsere Möbel pfänden!
BEATE:
IRIS:
Ich habe den Ralf noch nie gemocht.
Welche Möbel? Die gehören doch alle der Oma.
OMA:
BEATE:
(sieht kurz von ihrer Zeitschrift auf)
Genau! Das ist die Idee. Alles gehört der Oma.
Guten Morgen, Beate.
OMA:
BEATE:
Was gehört mir?
Guten Morgen, Oma. Du liest ja schon wieder ohne
IRIS:
Brille.
(laut)
OMA:
Die Möbel! 2
OMA:
IRIS:
Ach was? Das muß einem doch gesagt werden.
Der Gerichtsvollzieher wird gleich da sein.
IRIS:
ULRICH:
Jetzt weißt du es.
(seufzend, voller Selbstmitleid)
BEATE:
Ja, ja, du weißt mir die letzte Freude zu nehmen.
Hat jemand schon die Post hereingeholt? - Niemand? Na
IRIS:
ja, wie immer ...
Papa, sieh' den Tatsachen doch endlich mal ins Auge ...
(hinten ab)
ULRICH:
OMA:
(hastig)
Warum gehören die Möbel mir?
Warum heiratest du nicht endlich den stinkreichen
IRIS:
Brettschneider?
Weil gleich der Gerichtsvollzieher kommt.
IRIS:
OMA:
Genau deshalb. Weil er reich ist und stinkt. Außerdem ist
Unsere Familie hat noch nie was mit dem Gericht zu tun
er steinalt, und ich verachte den Reichtum.
gehabt.
ULRICH:
IRIS:
Den Reichtum kann man nur verachten, wenn man ihn
Unsere Familie hat seit Monaten laufend mit dem
hat. Also heirate den Brettschneider ...
Gericht zu tun. Wir sind pleite!
OMA:
(Ulrich kommt von hinten)
Der Brettschneider sieht aus wie der Hund von den
ULRICH:
Hubers.
(sprüht vor guter Laune)
IRIS:
Guten Morgen, meine Lieben! Alles gesund und
(zu Ulrich)
munter?
Da hast du es.
(beugt sich über Oma, küßt sie auf die Wange)
(zu Beate)
Guten Morgen, liebe Oma ...
Mama, mach' deinem Mann endlich klar, daß wir total
(verbeugt sich vor dem Sofa)
pleite sind ...
Guten Morgen, liebes Sofa ...
ULRICH:
(beugt sich über Iris, küßt auch sie auf die Wange)
(fällt ihr ins Wort)
Guten Morgen, mein Sonnenschein.
Rede deiner Mutter keine so negativen Dinge ein.
(Beate ist inzwischen wieder von hinten gekommen. Sie
Negative Gedanken machen Falten, und davon kann sich
hat ein Bündel Briefe in der Hand)
deine Mutter keine mehr leisten.
BEATE:
BEATE:
Aha, der Herr ist auch schon aufgestanden.
(ärgerlich)
ULRICH:
Jetzt hör' endlich auf mit deinen blöden Witzen. Der
(wendet sich an Beate)
Gerichtsvollzieher kommt ...
Guten Morgen ...
ULRICH:
(deutet auf die Briefe, die Beate ihm unter die Nase hält)
Also gut, ich gehe raus und installiere eine Alarmanlage.
Was ist das?
IRIS:
BEATE:
Gegen den Gerichtsvollzieher schützt uns auch keine
Rechnungen ... Mahnungen, Mahnungen ...
Alarmanlage. Warum will hier eigentlich niemand zur
ULRICH:
Kenntnis nehmen, daß wir bankrott sind?
(will zur Tür hinten)
OMA:
Gute Nacht, meine Lieben ...
(ablenkend)
BEATE:
Jemand muß mich heute noch ins Krankenhaus fahren.
(hält ihn am Hosenbund fest)
Ich muß die Fanni besuchen. Stellt euch vor, die wird
Hiergeblieben!
intranervös ernährt. 3
BEATE:
Na die, die immer ganze Sofakissen als Schulterpolster
Das heißt intravenös.
benutzt.
IRIS:
(streckt Ulrich die Hand hin)
(zuckt seufzend die Schultern)
Papa, ich brauche etwas Geld ...
Ich geb's auf.
BEATE:
(ab)
Was wolltest du eigentlich bei den Wursters?
OMA:
LUKAS:
Habe ich doch gesagt. Du fährst mich, Beate.
Was schon? Telefonieren natürlich. Unser Telefon geht ja
BEATE:
nicht mehr.
Das geht nicht. Ich muß hierbleiben. Die Maja wird dich
BEATE:
fahren.
(jammernd)
OMA:
Großer Gott, das hast du ihnen hoffentlich nicht gesagt.
(zieht eine Schnute)
(Oma hat sich schon beim Eintritt von Lukas die
Mit der fahre ich nicht. Die hatte schon mal einen Unfall
Zipfelmütze über den Kopf gestülpt. Zieht sie jetzt weit
mit mir.
über das Gesicht)
BEATE:
LUKAS:
(stöhnend)
Natürlich habe ich das gesagt. Sonst hätten sie mich
Mein Gott, das ist zwanzig Jahre her. Wie lange willst du
vielleicht nicht telefonieren lassen.
ihr das noch vorhalten?
ULRICH:
OMA:
Aber du hast sicher nur gesagt, daß unser Telefon
(stur)
kaputt ist.
Mit der fahre ich nicht.
LUKAS:
(Lukas kommt von hinten)
Aber, Papa, man soll nicht lügen. Ich habe natürlich
LUKAS:
gesagt, daß unser Telefon abgestellt wurde, weil wir die
Papa, ich brauche Geld.
Rechnung nicht bezahlt haben.
ULRICH:
BEATE:
Guten Morgen, mein Sohn. Gut geschlafen?
(stöhnend)
LUKAS:
Oh Gott, jetzt wissen auch die Wursters, daß wir pleite
Ach ja, guten Morgen und alles was du willst, Papa ...
sind. Die Hälfte unserer Bekannten und Freunde ziehen
Kann ich bitte Geld haben?
sich zurück, seit sie's wissen.
ULRICH:
LUKAS:
Wo kommst du jetzt eigentlich her?
Und was ist mit der zweiten Hälfte?
LUKAS:
BEATE:
Von den Nachbarn ... Papa ...
Die wissen es noch nicht.
BEATE:
ULRICH:
Was? Du gehst so früh zu unseren Nachbarn rüber? Ja,
(schnell zu Lukas)
kamst du da nicht ungelegen?
Frag' jetzt nicht nach der dritten Hälfte!
LUKAS:
LUKAS:
Nein, im Gegenteil, das Schulterpolster hat gesagt, ich
(gleichgültig)
hätte ihr gerade noch gefehlt.
Wie du meinst. Du wirst schon wissen, was mit der
ULRICH:
dritten Hälfte ist.
(streicht Lukas übers Haar, seufzend)
(Oma hält sich demonstrativ auch noch die Ohren zu)
Ist er nicht ein lieber Junge?
ULRICH:
BEATE:
(zu Beate)
Das Schulterpolster? Wer ist das denn?
Kannst du mir sagen, was wir bei seiner Produktion
LUKAS:
falsch gemacht haben? 4
LUKAS:
ULRICH:
(fällt ihm ins Wort)
(zu Lukas)
Streitet euch nicht vor eurem Sohn. Das ist nicht gut für
Hol' mir doch mal die Zeitung von der Oma.
mich. Ich habe sehr sensible Ohren.
LUKAS:
ULRICH:
(nimmt der Oma, die noch immer mit weit über das
Da hast du es. Zu sensiblen Ohren hat es gereicht. Dafür
Gesicht gezogener Zipfelmütze in ihrem Stuhl sitzt, die
hat er eben ...
Zeitung vom Schoß, gibt sie seinem Vater)
LUKAS:
Was willst du denn mit der alten Zeitung?
(hält wieder die Hand auf)
ULRICH:
Würdest du mir jetzt bitte etwas Geld geben?
(rollt sie zusammen, schlägt sie Lukas auf den Kopf)
ULRICH:
Das ist für die Entführung.
Du brauchst kein Geld. Du hast doch alles, was du
LUKAS:
brauchst. Du hast sensible Ohren, ein Elternhaus ...
(nimmt den Schlag gleichgültig hin)
Wozu brauchst du Geld?
Ach, dann wurde gar niemand entführt?
LUKAS:
ULRICH:
Ich will mit meiner Freundin ausgehen.
Geh' rüber zu den Nachbarn und entführe das
ULRICH:
Schulterpolster ...
Das ist natürlich etwas anderes.
LUKAS:
(nimmt seine Geldbörse aus der Tasche, gibt Lukas
Da gehe ich nicht mehr hin. Ich weiß jetzt, warum die so
fünfzig Pfennig)
leidenschaftliche Teetrinker sind.
LUKAS:
ULRICH:
Papa, das sind fünfzig Pfennig!
Und warum?
ULRICH:
LUKAS:
Oh ja, entschuldige, mein Junge. Das war nur ein
Ich habe ihren Kaffee probiert ... Scheußlich, sage ich
Versehen.
dir. Schmeckt wie Tee.
(nimmt ihm die fünfzig Pfennig wieder weg, gibt ihm
BEATE:
dafür zehn Pfennig)
(seufzend)
LUKAS:
Warum gehst du nicht einfach zu Tante Maja und
Aber das sind ja nur zehn Pfennig!
erzählst ihr eine Geschichte?
BEATE:
LUKAS:
(hat sich inzwischen auf das Sofa gesetzt und einige
Das geht nicht, weil ich jetzt mit meiner Freundin
Briefe geöffnet)
ausgehe.
Das reicht. Wir brauchen jetzt jeden Pfennig, um die
(geht zur Tür hinten, dreht sich nochmal um)
Zinsrechnung zu begleichen, sonst nimmt uns die Bank
Übrigens, damit ihr es wißt, ich werde bald heiraten.
noch unser Haus weg.
ULRICH:
LUKAS:
(stöhnend)
Was wollen die mit unserem Haus? Die haben doch
Ja, und ich bekomme bald ein Kind.
schon eines.
LUKAS:
ULRICH:
(grinsend)
(zu Lukas)
Dazu bist du doch schon viel zu alt.
Geh' zu Tante Maja und halte ihr die Hand.
ULRICH:
(nimmt Beate die Rechnung aus der Hand)
(zeigt nach hinten)
Was? Das soll eine Rechnung sein? Das ist keine
Raus!
Rechnung, das ist eine Lösegeldforderung!
LUKAS:
LUKAS:
Ja, ja, ich gehe ja schon.
Wer ist entführt worden?
(zu Oma) 5
Oma, ich gehe jetzt!
Wird auch höchste Zeit.
(ab)
(Iris kommt von links)
OMA:
BEATE:
(zieht sich die Mütze vom Kopf)
(verzweifelt)
Ist er weg?
Jetzt geht das schon wieder los! Ich fahre niemanden ins
ULRICH:
Krankenhaus! Weder dich noch sonst jemanden. Ich
(mit leisem Vorwurf)
bleibe hier, bis wir den Gerichtsvollzieher wieder
Mama, der Lukas ist dein Enkel, falls du das nicht wissen
losgeworden sind.
solltest.
IRIS:
OMA:
Und der kann jeden Augenblick hier sein.
Auch wenn er mein Enkel ist, muß ich mir nicht immer
ULRICH:
anhören, was er sagt.
Woher weiß mein Sonnenschein eigentlich, daß wir
BEATE:
Besuch von einem Gerichtsvollzieher bekommen?
Du hast es gerade nötig. Es liegt doch in deiner Familie
IRIS:
...
Ich weiß es eben, basta!
OMA:
OMA:
(fällt ihr ins Wort)
Was hat sie gesagt?
Wenn du damit wieder andeuten möchtest, daß die
BEATE:
Maja eine Macke hat, dann behalte es für dich. Ich
Basta!
kenne deine Meinung ...
OMA:
BEATE:
So ein neumodisches Zeug nehmen wir aber nicht ins
Dann laß den Lukas in Ruhe.
Geschäft.
OMA:
(Ralf kommt von hinten. Er kommt strahlend
Das mache ich, indem ich mir die Mütze über den Kopf
hereingestürmt, läßt die Tür offen. Er trägt einen weißen
stülpe.
Arztkittel)
BEATE:
RALF:
Dann hörst du mir jetzt zu.
Trara, trara! Ich bitte um große Aufmerksamkeit für die
OMA:
Künstlerin!
Dir höre ich doch immer zu.
(verbeugt sich tief)
BEATE:
(Maja schwebt von hinten herein. Sie ist ziemlich
(zu Ulrich)
verrückt angezogen und hält ein paar Blätter in der
Du auch! - Wir sind pleite! Habt ihr das verstanden?
Hand)
ULRICH: Ja, ja, ich denke schon ...
MAJA:
BEATE:
(strahlend)
(fällt ihm ins Wort)
Ich habe es geschafft! Ich habe die Idee zu einem
Du sollst mir zuhören und nicht denken! Du denkst
Bestseller!
immer schon, bevor ich was gesagt habe, und dann
BEATE:
hörst du nie, was ich sage ...
(läßt sich stöhnend auf das Sofa fallen)
ULRICH:
Mein Gott, wenn jetzt der Gerichtsvollzieher
(unschuldig)
hereinkommen würde, würde er uns sogar noch Geld da
Ich weiß gar nicht, was du hast? Ich habe jedes Wort
lassen.
verstanden.
RALF:
(im gleichen Tonfall, ohne Pause)
(vollkommen überzeugt)
Mama, die Beate fährt dich jetzt ins Krankenhaus.
Jeder wird uns Geld da lassen, wenn er von dieser Idee
OMA:
hört. Das sage ich euch! Ich, Doktor Ralf Pfote! 6
(zu Maja)
(hält inne, sieht Ulrich an, fährt fort, nachdem Ulrich ihn
Beginne, du aufgehender Stern am Autorenhimmel!
mit großzügiger Geste gewähren läßt)
MAJA:
Der kleine Gangster
Danke, mein Gönner.
(spricht wie man es schreibt)
(wirft ihm eine linkische Kußhand zu, räuspert sich)
Nabelschnur sieht sich ganz plötzlich von drei
OMA:
Kommissaren umzingelt! Verzweifelt sucht er nach
(barsch)
einem Ausweg. Es gibt keinen! Er zieht seine Pistole! Er
Aber mach's kurz! Ich muß gleich weg!
ist schneller als die drei Kommissare. Es macht Peng!
MAJA:
Peng! Peng! Die drei Kommissare sinken tot zu Boden.
(etwas verstört)
Der kleine Gangster Nabelschnur verschwindet
Aber Mama ... Ich kann nicht ... Das geht nicht ... kurz ...
unerkannt in der Nacht ... Na, was sagt ihr?
OMA:
ULRICH:
Kurz, habe ich gesagt!
(zu Maja, ohne großes Interesse)
MAJA:
Warum fängst du den Roman gleich mit drei Toten an?
(zieht eine Schnute, beleidigt, in Richtung Oma)
MAJA:
Bumm!
(ist nicht mehr beleidigt, springt begeistert auf)
ULRICH:
Ich wollte eben von Anfang an etwas Leben in den
Was war das?
Roman bringen!
MAJA:
RALF:
(noch immer mit Schnute, setzt sich sehr beleidigt neben
(ebenso begeistert)
Beate auf das Sofa)
Das ist ja der Clou!
Kürzer geht es nicht!
IRIS:
IRIS:
(seufzend)
Da hat sie recht.
Und wie geht es weiter?
RALF:
MAJA:
(nimmt Maja die paar Blatt Papier aus der Hand, stellt
Das weiß ich noch nicht. Meine drei Hauptdarsteller sind
sich in Pose)
ja tot.
Ich werde es vorlesen, und ich werde mich kurz halten.
RALF:
OMA:
(sehr zuversichtlich)
(ebenso barsch wie vorher)
Aber es wird uns ganz bestimmt etwas einfallen. Und
Aber sehr kurz!
dann sind wir alle Millionäre.
RALF:
ULRICH:
Sehr kurz war schon die Maja. Ich muß etwas länger
(zu Maja)
sein.
Wie wäre es mit etwas Feuer?
IRIS:
MAJA:
Dann fang' an, Ralf. Wir haben nicht den ganzen Tag
Du meinst doch mehr Feuer in den Roman?
Zeit.
ULRICH:
RALF:
Nein, ich meine Roman ins Feuer.
(räuspert sich)
MAJA:
Ich zittere ...
(verwirrt)
ULRICH:
Aber dann verbrennt er ja ...
Ich zitiere!
RALF:
RALF:
Und dann sind die Millionen futsch.
Wenn du mich unterbrichst, dauert es noch länger.
BEATE:
(räuspert sich)
(zu Ulrich, mit Nachdruck)
Ich zittere ...
Und was machen wir, wenn das mit der Million nicht 7
klappt?
keine zwei Mäntel für je zweihundert Mark!
ULRICH:
RALF:
(blickt in die Runde)
Aber ich hätte da einen Vorschlag. Warum nicht
Dann eröffnen wir eine Geisterbahn.
Sonderangebote?
RALF:
ULRICH:
(ist sofort begeistert)
Aber das wäre doch dasselbe.
Au ja! Und ich setze mich an die Kasse!
MAJA:
ULRICH:
Eben nicht. Ralf, sag's ihm!
(sarkastisch)
RALF:
Nein, dich brauchen wir drinnen als Kinderschreck.
(stolz)
RALF:
Wer drei Mäntel auf einmal kauft, bekommt einen
Ach ja? Und an was für ein Kostüm hättest du da für
Autoschwamm gratis.
mich gedacht?
ULRICH:
ULRICH:
(jammernd)
An keines. Du kannst so bleiben wie du bist.
Warum höre ich mir das immer wieder an? Das grenzt
OMA:
schon an Masochismus ...
Habe ich da nicht gerade die Ladenglocke gehört?
RALF:
BEATE:
(strahlend)
Ja, ja, ich gehe ja schon.
Nicht wahr? Eine tolle Idee.
IRIS:
OMA:
(hastig)
(streng)
Nein, ich gehe.
Beate, du fährst mich jetzt ins Krankenhaus!
(links ab)
BEATE:
RALF:
Ich habe gerade erst gesagt, daß ich nicht kann.
(vertraulich zu Ulrich)
MAJA:
Über den Laden wollte ich mal mit dir reden. Ich habe
Aber ich kann. Ich fahre dich, Mama.
mir da was überlegt.
OMA:
ULRICH:
Du nicht! Dich habe ich schon abgelehnt.
(stöhnend)
MAJA:
Nicht schon wieder, Ralf! Nicht schon wieder!
Aber warum denn? Ich kann fahren.
MAJA:
OMA:
Nun laß ihn doch erst ausreden!
Ja, das kenne ich. Und dann baust du wieder einen
(zu Ralf)
Unfall, krallst dich am Steuerrad fest und heulst Rotz
Sag's ihm, Ralf.
und Wasser.
RALF:
MAJA:
Also, zunächst einmal: Ich denke, ihr seid zu teuer ...
Jetzt heule ich nicht mehr. Ganz bestimmt nicht mehr ...
OMA:
OMA:
(scharf)
Was machst du dann, wenn du in einen Unfall verwickelt
Wir sind nicht zu teuer! Die Leute haben eben im
wirst?
Moment nur zu wenig Geld!
MAJA:
ULRICH:
(sieht erst Ralf an, dann stolz)
Mama, hier hat der Ralf ausnahmsweise einmal recht.
Ich fahre sofort rechts ran und lasse meine Unschuld
Ich habe mir auch schon gedacht...
feststellen.
OMA:
RALF:
Alles Quatsch! Qualität hat eben ihren Preis! Ich
(wirft sich in die Brust)
verkaufe lieber keinen Mantel für vierhundert Mark, als
Das habe ich ihr beigebracht. 8
MAJA:
Schwester, Sie brauchen die Tasche nicht zu holen.
(himmelt Ralf an)
MAJA:
Ja, das hast du mir beigebracht.
Jawohl, Herr Doktor.
ULRICH:
(winkt Ralf zu sich und flüstert ihm was ins Ohr)
(zum Publikum)
OMA:
Warum bringt den Kerl eigentlich niemand um?
(zu Ulrich)
OMA:
Wenn man sich den so ansieht, fragt man sich, ob
(quengelnd)
damals nicht irgend etwas Schlechtes in der
Mir ist schlecht.
Babynahrung war.
RALF:
ULRICH:
Aha, das ist ein Fall für Doktor Pfote!
Soll ich ihn fragen?
(geschäftsmäßig zu Maja)
MAJA:
Schwester, holen sie mir doch meine Tasche.
(schiebt Ralf zu Ulrich)
MAJA:
Los, sag's ihm.
(strahlend)
ULRICH:
Jawohl, Herr Doktor!
Aber keine Vorschläge, das Geschäft betreffend. Hast du
OMA:
gehört?
(noch bevor Maja gehen kann)
MAJA:
Laß ja die Pfoten von mir, Herr Pfote!
Er hat aber noch eine gute Idee gehabt.
RALF:
ULRICH:
Aber ich bin doch Arzt.
Danke, ich will es nicht hören ... Sag' mir lieber, was du
OMA:
machst, wenn es mit dem Schreiben nichts wird.
Ja, ja, es geht mir schon wieder besser.
MAJA:
ULRICH:
(strahlend)
(scheinheilig)
Dann male ich.
Aber Mama, laß dich doch von Doktor Pfote
BEATE:
untersuchen.
(hat im Ordner, den Iris auf dem Tisch liegengelassen
OMA:
hat, geblättert)
(zu Ulrich)
Vielleicht sollte sie erst mal ein Buch lesen, bevor sie
Er soll mich nicht anrühren.
eines schreiben will.
ULRICH:
OMA:
Aber warum denn nicht?
Das geht dich gar nichts an. Die Maja hat schon tausend
OMA:
Bücher gelesen.
(mit unterdrückter Stimme)
BEATE:
Dummheit ist ansteckend.
Maja, wieviele Bücher hast du gelesen?
ULRICH:
MAJA:
(in gespielter Entrüstung)
(hört nicht auf sie. Schiebt Ralf wieder zu Ulrich)
Aber Mama, was soll denn das? Sagt man sowas auch?
Los, sag's ihm!
RALF:
RALF:
(ernsthaft besorgt)
(schnell, als wäre es ein häßliches Wort)
Es geht ihr wirklich wieder gut?
Fuzzitonieren!
OMA:
ULRICH:
(patzig)
Was?
Ja, es geht mir wieder gut!
RALF:
RALF:
(diesmal etwas deutlicher)
(wendet sich an Maja)
Fuzzitonieren! 9
ULRICH:
Dann mach's endlich mal richtig. Deine
Du meinst fusionieren. Und mit wem?
Lebensversicherung würde uns bestimmt weiterhelfen.
RALF:
MAJA:
(hat Mut gefaßt, begeistert)
Aber das ist doch nicht nötig. Ich habe doch bald viel
Laß uns fuzzitonieren, sagte schon die Henne zum
Geld.
Schwein, dann können wir Schinken mit Ei verkaufen!
BEATE:
ULRICH:
Meine liebe Maja, das hilft uns gar nichts. Selbst wenn
Aha! Und welche Rolle hättest du uns dabei zugedacht?
du tatsächlich einen Bestseller schreiben würdest. Wir
Sind wir nun die Henne oder das Schwein?
brauchen das Geld heute, denn ab heute sind wir pleite.
RALF:
RALF:
Die Henne natürlich!
Was denn? Wir sind pleite?
ULRICH:
BEATE:
(sarkastisch)
Du nicht. Du bist ja Arzt.
Das ist ja sehr nett.
RALF:
MAJA:
Ach so, ja ... Aber wer dann?
Nicht wahr? Ist das nicht eine tolle Idee?
BEATE:
BEATE:
Wir! Unser Geschäft! Jeden Moment kann der
Wenn er uns auch gleich den richtigen Partner hat?
Gerichtsvollzieher kommen, und es ist nicht
Allerdings sollte der vor allem viel Geld mitbringen.
ausgeschlossen, daß er unser Geschäft schließt.
MAJA:
MAJA:
(zu Ralf)
Das kann er doch gar nicht. Es ist doch noch gar nicht
Sag's ihr.
Feierabend.
RALF:
OMA:
(schnell)
(quengelnd)
Weinberg.
Warum kümmert sich eigentlich niemand um mich?
BEATE:
ULRICH:
Daß ich nicht lache. Der würde nicht mit uns
Ja, warum kümmert sich niemand um die Oma? Warum
fusionieren, der würde uns fressen.
redet man hier immer nur Unsinn?
ULRICH:
RALF:
(anerkennend)
(hat sich inzwischen in den Sessel gesetzt und denkt
Allerdings, schlecht gedacht ist es nicht.
angestrengt nach)
MAJA:
OMA:
(strahlend)
(steht auf, geht zur Tür rechts)
Ja, heute ist er wieder mal ganz außer Rand und Band.
Ich gehe jetzt in mein Zimmer und ziehe mich um, und
Sogar Blümchen hat er mir heute mitgebracht. Rosen
wenn ich fertig bin, möchte ich, daß du mich ins
oder Narzissen oder sowas ...
Krankenhaus fährst!
RALF:
(ab)
Gänseblümchen waren es, meine Liebe.
BEATE:
MAJA:
(jammernd)
Ich wußte doch, daß es irgendwas mit Blümchen war.
Du lieber Himmel, das gibt es einfach nicht! Die tut, als
ULRICH:
gäbe es keine Schwierigkeiten ...
(stöhnend)
(fährt Ulrich an)
Großer Gott! Ich glaube, ich bringe mich heute wieder
Und du auch!
mal um!
RALF:
BEATE:
Ich hab's!
(trocken)
BEATE: 10
Was hast du?
beginnt von neuem zu wählen)
RALF:
So ein Idiot! Nimmt den Hörer ab, obwohl ich ihn gar
Die Sache mit dem Gerichtsvollzieher. Das ist ein Fall für
nicht wollte ... Hallo! Bist du es, Tschiskale? - Du bist es
Tschiskale.
... Das ist aber nett. Ich dachte, ich rufe einfach mal bei
ULRICH:
dir an, ob du zu Hause bist. Und glatt ... Du bist glatt zu
(entsetzt)
Hause. So ein Glück! Weshalb ich anrufe? Nun, wir
Nein! Auf keinen Fall Tschiskale! Nicht schon wieder
brauchen den Clown Tschiskale ... Natürlich sofort! Hier
dieser Tschiskale!
hat sich der Gerichtsvollzieher angesagt ... Du kannst
RALF:
sofort kommen? Wunderbar ...
Nur der Tschiskale. Weißt du nicht, daß
(hält die Sprechmuschel zu)
Gerichtsvollzieher wie Kinder sind? Alles, was sie sehen,
Er will wissen, wie er hierher kommt.
wollen sie haben. Und wie bringt man Kinder in
BEATE:
Stimmung? Mit einem Clown.
(ist zu Omas Sessel gegangen, hat sich hineingesetzt und
ULRICH:
die Zipfelmütze tief ins Gesicht gezogen)
Aber nicht den Tschiskale!
ULRICH:
RALF:
Er soll die Ampel am Hoppegarten nehmen. Wenn er da
Ich kenne keinen anderen. Außerdem ist der auf
bei grün losgeht, ist es rot, wenn er in der Mitte der
Gerichtsvollzieher spezialisiert ... Darf ich mal
Straße ist.
telefonieren?
RALF:
BEATE:
(ins Telefon)
Das geht nicht. Das Telefon ist abgestellt.
Du sollst ...
RALF:
(hält inne, sieht Ulrich an)
Dann stellen wir es eben wieder an.
Und dann?
(geht zum Telefon, beginnt zu wählen)
ULRICH:
MAJA:
Dann wird er überfahren.
(stolz)
(Während Ralf verwirrt dreinblickt, fällt der Vorhang)
Ja, ja, wenn mein Ralf mal was im Kopf hat ... ULRICH: (sarkastisch)
2. AKT
Sagtest du, der hat einen Kopf? Dann muß ich wohl das
(Keine Veränderung des Bühnenbildes. Es sind nur
nächste Mal genauer hinsehen. Ich habe das nicht für
wenige Minuten vergangen. Wenn sich der Vorhang
einen Kopf gehalten.
öffnet, ist die Bühne leer. Dann kommen Iris und Jürgen
BEATE:
Bruder von links. Jürgen ist mit Anzug und Krawatte
(tadelnd)
bekleidet. Er hat einen Aktenkoffer bei sich)
Ulrich, bitte!
IRIS:
MAJA:
Na ja, wie üblich. Wenn man die Alten braucht, sind sie
(zu Ulrich)
nicht da.
Was meinst du, was soll ich tun, wenn der
JÜRGEN:
Gerichtsvollzieher kommt? Soll ich mich dumm stellen?
(himmelt Iris an)
ULRICH:
Das ist mir gerade recht. Ich wollte ohnehin erst mir dir
Nein, nein, nicht nötig. Sei einfach so, wie du bist.
reden.
RALF:
IRIS:
(am Telefon)
(lächelnd)
Hallo! Ja, ist dort nicht Tschiskale? - Sie sind nicht
Aber wir haben doch schon alles besprochen.
Tschiskale? Warum haben sie Idiot dann abgehoben?
JÜRGEN:
(knallt den Hörer auf die Gabel, nimmt sofort wieder ab,
Nein, ich habe dir heute noch nicht gesagt, daß ich dich 11
liebe.
sind darin wahre Meister.
IRIS:
(Beate und Ulrich kommen von rechts)
(legt ihm die Arme um den Nacken)
ULRICH:
Dafür hast du es gestern elfmal und vorgestern
(mit aufgesetztem Lächeln)
achtzehnmal gesagt.
Aaah, sieh' mal einer an, wir haben Besuch.
JÜRGEN:
IRIS:
(verschmitzt)
Darf ich euch vorstellen? Das ist der Herr
Siehst du, ich lasse nach. Das darf man gar nicht
Gerichtsvollzieher.
einreißen lassen. Deshalb muß ich heute schon sehr früh
ULRICH:
damit anfangen ... Ich liebe dich ... Ich liebe dich ... Ich
Was für ein schöner Name.
liebe dich...
IRIS:
IRIS:
Papa, das ist nicht sein Name, sondern sein Beruf.
(hält ihm den Mund zu)
JÜRGEN:
Bist du nicht gleich still? Wenn mein Vater hereinkommt
(reicht Beate die Hand, macht eine leichte Verbeugung)
...
Bruder. Jürgen Bruder.
JÜRGEN:
BEATE:
Also, das sage ich dir, ob ich aus diesem Haus
Ich kann leider nicht sagen, daß es mir angenehm ist,
herauskomme, ohne bei deinem Vater um deine Hand
Ihre Bekanntschaft zu machen.
angehalten zu haben, das kann ich dir nicht
JÜRGEN:
versprechen.
(leicht verzweifelt)
IRIS:
Es tut mir wirklich sehr leid, daß wir uns unter diesen
Du hast es aber versprochen.
Umständen kennenlernen müssen...
JÜRGEN:
ULRICH:
Ich gebe dir ein anderes Versprechen.
Aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Warum sind
IRIS:
Sie nicht einfach zu Hause geblieben?
Denk' daran, weshalb du eigentlich gekommen bist.
JÜRGEN:
JÜRGEN:
Das ist ja mein Problem. Die Pflicht ruft ...
Das darf ich ja auch nicht.
ULRICH:
IRIS:
Warum machen Sie es nicht einfach wie ich? Wenn die
Was darfst du nicht?
Pflicht ruft, rufe ich zurück.
JÜRGEN:
BEATE:
Den Kuckuck an die Möbel kleben.
Ulrich, was soll denn der Herr Bruder von uns denken ...
IRIS:
ULRICH:
Aber du darfst daran denken.
(in gespielter Fröhlichkeit)
JÜRGEN:
Ach, Sie sind unser Bruder? Ich wußte bis jetzt ja gar
Großer Gott, wenn mein Chef das erfährt, komme ich in
nicht, daß wir einen Bruder haben!
Teufels Küche.
JÜRGEN:
IRIS:
Ich bin nicht Ihr Bruder, Herr Schlotzer. Ich heiße Bruder.
Du mußt es ihm ja nicht sagen.
IRIS:
JÜRGEN:
(fällt ihm hastig ins Wort)
(jammernd)
Herr Bruder, würden Sie jetzt bitte sagen, weshalb Sie zu
Aber ich kann doch so schlecht lügen.
uns gekommen sind!
IRIS:
JÜRGEN:
Wer sagt denn, daß du lügen mußt? Du darfst einfach
(seufzend)
nur nicht darüber reden. Und wie man das perfekt
Natürlich, ich muß ja ...
macht, das lernst du hier. Mein Vater und meine Oma
ULRICH: 12
(scheinheilig)
JÜRGEN:
Die Pflicht, nicht wahr?
Herr Schlotzer, so geht es nicht. Sie sollten sich der
JÜRGEN:
Ernsthaftigkeit Ihrer Lage schon bewußt sein. Es geht
(legt seinen Aktenkoffer auf dem Tisch ab, geht mit
hier schließlich um Geld ... Geld, das Sie ...
ausgestreckter Hand auf Ulrich zu, schüttelt dessen
ULRICH:
Hand)
Mein Gott, was ist schon Geld? Geld kommt in letzter
Ich freue mich, daß Sie soviel Verständnis für mich
Zeit sowieso aus der Mode. Ich kenne Leute, die haben
aufbringen. Sie dürfen mir glauben, ich hätte viel dafür
schon gar keins mehr.
gegeben, wenn es mir beschieden gewesen wäre, Sie
BEATE:
unter anderen, erfreulicheren Umständen kennenlernen
(sarkastisch)
zu dürfen ...
Die Leute kenne ich auch.
ULRICH:
IRIS:
Warum geben Sie uns dann nicht noch eine Chance? Sie
(seufzend)
gehen nochmal raus, und ich schalte die
Haben wir denn wirklich niemanden, der uns unter die
Selbstschußanlage ein ...
Arme greifen könnte? Warum versuchen wir es nicht
IRIS:
doch noch bei Großmann? Schließlich ist er ja irgendwie
(streng)
mit uns verwandt.
Papa, bitte! Der Herr Bruder tut doch nur seine Pflicht!
BEATE:
BEATE:
Nein, nicht Großmann. Die Leute, denen der unter die
Um welche Rechnungen geht es denn, Herr Bruder?
Arme gegriffen hat, hat er meistens an der Gurgel
JÜRGEN:
erwischt.
(öffnet den Aktenkoffer)
ULRICH:
Vorläufig geht es nur um drei Rechnungen der Firma
(ergänzend)
Michel & Maier ...
Und anschließend gefressen.
ULRICH:
JÜRGEN:
Ach, um Rechnungen geht es ... Wie langweilig.
(mit Blick auf Iris, zuckt bedauernd mit den Schultern)
JÜRGEN:
Tja, dann tut es mir schrecklich leid, dann werde ich
(zu Ulrich)
wohl pfänden müssen.
Sehen Sie, Herr Schlotzer, die Firma Michel & Maier wäre
IRIS:
ja schon mit einem Teilbetrag zufrieden ...
(schnell)
BEATE:
Hier können Sie nichts pfänden. Die Möbel gehören alle
Wieviel?
unserer Oma.
JÜRGEN:
JÜRGEN:
(öffnet seinen Koffer, nimmt ein Blatt heraus)
Aha, der Oma. Und wo ist die Oma?
Mit zehntausend Mark wären sie vorläufig zufrieden.
BEATE:
BEATE:
Sie ist im Krankenhaus.
(seufzend)
JÜRGEN:
Wir haben nicht mal tausend Mark.
Im Krankenhaus? Es wird doch nichts Schlimmes sein?
ULRICH:
BEATE:
Aber Liebling, was redest du da? Wir stellen den
Das weiß man bei unserer Oma erst, wenn sie wieder zu
Michelmaiers einfach einen Scheck aus.
Hause ist.
BEATE:
IRIS:
Sei nicht albern. Der ist nicht gedeckt.
(erklärend)
ULRICH:
Sie besucht nur jemanden.
Das macht doch nichts. Solange sie es nicht wissen,
JÜRGEN:
macht er ihnen Freude.
Ach so ... 13
(Maja und Ralf kommen von rechts. Ralf hat sich in einen
Du meinst zitiert.
Clown verwandelt. Er trägt ein sehr buntes Kostüm mit
(wendet sich an Jürgen)
übergroßen Schuhen. Maja trägt in Ermangelung eines
Das ist meine Tante Maja und ihr Freund ...
Kostüms ein buntes Trägerkleid. Sie ist wie ein Clown
RALF:
geschminkt und hat eine Kindertrompete in der Hand.
(fällt ihr ins Wort)
Außerdem hat sie noch eine Tasche dabei)
Tschiskale. Clown ... Bestes Clown von Welt. Extra für sie
MAJA:
exaltiert und eingeflogen ...
(aufgeregt, ohne Jürgen wahrzunehmen)
IRIS:
Stellt euch vor, was mir gerade Schlimmes passiert ist.
(seufzend)
Etwas ganz Schlimmes ist passiert ...
Engagiert.
ULRICH:
RALF:
(schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und läßt
Das auch ... Also, werter Freund, nehmen Sie Platz und
sich auf das Sofa fallen)
lassen Sie sich unterhalten von Tschiskale, bestes Clown
BEATE:
von Welt, mit seiner Partnerin.
(seufzend)
JÜRGEN:
Was denn?
Ich habe nicht um Unterhaltung gebeten ...
MAJA:
RALF:
Stellt euch vor, wir sind gerade an einer Baustelle
Das ist auch nicht nötig ...
vorbeigegangen ...
MAJA:
IRIS:
Das ist in diesem Hause gesittet und gebraucht.
(fällt ihr ins Wort)
BEATE:
Maja, wir haben Besuch.
(setzt sich in Omas Sessel und stülpt sich die Pudelmütze
MAJA:
über den Kopf)
(fährt unbeirrt fort)
RALF:
... und mir ist ein Träger meines Kleides verrutscht.
Laßt uns also beginnen. Ich bin ein großer Verzauberer
Ziemlich weit runter. Aber keiner der Arbeiter hat
...
gepfiffen.
JÜRGEN:
RALF:
Dann verzaubern Sie sich mal in Luft. Ich muß jetzt
(besänftigend)
meiner Arbeit nachgehen.
Freilich hat einer gepfiffen.
RALF:
MAJA:
(schnell)
(dem Weinen nahe)
Aber das ist doch klar, daß wir Sie durch die Gemächer
Der hat nicht gepfiffen, der hat gebuht ...
begleiten ...
(heult plötzlich los)
ULRICH:
Ist glaube, ich werde alt!
Ja, das ist gut. Begleitet den Herrn durch sämtliche
IRIS:
Räume ...
Tante Maja, wir haben Besuch.
(betont in Richtung Maja)
MAJA:
... damit er sieht, daß alle Möbel unserer Oma gehören!
(hört schlagartig zu heulen auf, strahlt plötzlich)
MAJA:
Ach, wir haben ja Besuch ...
(bläst mit ihrer Kindertrompete Jürgen ins Ohr)
(zieht Ralf am Ärmel her)
Auf geht's! Wir machen jetzt eine Police durch das Haus.
Sieh' mal, Tschiskale, wir haben Besuch.
IRIS:
RALF:
Du meinst Polonäse.
Natürlich sehe ich das. Wegen dem hat man mich doch
(blinzelt Jürgen zu)
herreduziert.
MAJA:
IRIS:
Habe ich doch gesagt. 14
(bläst wieder in ihre Trompete)
ULRICH:
Tschiskale geht voraus, dann komme ich, und dann der
(wütend)
Herr ... Wie heißen Sie noch mal?
Ich könnte ihm auf der Stelle eine reinhauen!
JÜRGEN:
BEATE:
(zuckt resigniert mit den Schultern)
(zieht sich die Mütze vom Kopf, geht zum Sofa, setzt
Jürgen. Ich heiße Jürgen.
sich, nimmt die immer noch nicht sämtlich geöffneten
RALF:
Briefe in die Hand)
Also, los geht's! Alles folgt Tschiskale, bestes Clown von
Ball' deine Zehen zu Fäusten, das sieht er nicht.
Welt!
ULRICH:
(stellt sich in Richtung Tür rechts auf)
Er soll es sehen! Und er soll es spüren!
MAJA:
IRIS:
(legt ihm die Hände auf die Schultern)
(schelmisch)
Und seine Partnerin.
Aber, Papa, das war doch nicht der Tschiskale, das war
(bläst noch einmal in die Trompete)
der Elektriker.
JÜRGEN:
ULRICH:
(in gespielter Strenge)
Jedesmal wenn der glaubt, er müßte wieder mal
Als erstes führen Sie mich jetzt zum Fernseher!
Elektriker sein, ist eines unserer Geräte kaputt.
RALF:
BEATE:
Zum Fernseher? Aber da müssen wir in die
Nicht jedesmal. Er hat auch schon eines repariert.
Abstellkammer.
Wirklich repariert.
JÜRGEN:
ULRICH:
(verblüfft, sieht Iris an)
Ja, ja, und wie. Immer wenn man das Gerät
Der Fernseher steht in der Abstellkammer?
eingeschaltet hat, ist die Hauptsicherung durchgebrannt.
RALF:
BEATE:
(als wäre das das Selbstverständlichste der Welt)
Ich brenne auch bald durch, wenn in diesem Haus nicht
Aber natürlich. Da ist das Gedränge am größten.
ernsthaft darüber gesprochen wird, wie wir unsere
MAJA:
Schulden loswerden.
(strahlend)
IRIS:
Und das mögen wir.
Da brenne ich mit.
IRIS:
ULRICH:
(nickt Jürgen aufmunternd zu)
(tut, als hätte er es gar nicht gehört, blickt nach wie vor
RALF:
zur Tür rechts)
(zu Ulrich)
Bei manchen Leuten wäre es gut, sie würden morgens
Übrigens, falls jemand fernsehen möchte, muß man erst
erst gar nicht aufstehen.
den Klempner rufen.
BEATE:
ULRICH:
(öffnet einen Brief)
Was?! Warum den Klempner?
Damit hast du doch hoffentlich nicht mich gemeint.
RALF:
ULRICH:
Er zwinkert so komisch, seit der Elektriker ihn innen
Wieso sollte ich dich meinen? Ich habe diesen Idioten
gewaschen hat.
Tschiskale gemeint.
(fröhlich)
IRIS:
Und nun auf zur Police!
Manchmal habe ich das Gefühl, der weiß besser über
(rechts ab)
uns Bescheid, als wir über ihn.
(Maja bläst in die Trompete, folgt Ralf. Jürgen wirft
ULRICH:
einen verzweifelten Blick zur Decke, geht ebenfalls
Dann sage ich dir was über ihn. Er sollte eigentlich nur
rechts ab)
versuchsweise geboren werden, aber dann hat die 15
Rückführung nicht geklappt.
ULRICH:
BEATE:
Das ist zu wenig. Es muß für uns alle reichen. Und für
Jetzt hör' aber auf, ja? Kümmere dich lieber um die Post.
die Firma.
Hier, sieh' mal!
IRIS:
(reicht ihm einen Brief)
Gib's auf, Papa. Ich heirate nun mal keinen Mann, um
Die Firma Hansen schreibt, sie liefern die bestellten
die Firma zu sanieren. Ich heirate einen Mann, weil ich
Waren erst, wenn die ausstehenden drei Rechnung
ihn liebe.
bezahlt sind.
ULRICH:
ULRICH:
Mein Gott, Liebe kommt doch genauso aus der Mode
Schreib' zurück: Bestellung annullieren. Solange können
wie Geld. Ich kenne welche, die haben ...
wir nicht warten.
IRIS:
BEATE:
(fällt ihm ins Wort)
Dann sieh' zu, daß endlich Geld ins Haus kommt!
Ja, ja, ich kenne deinen Spruch!
ULRICH:
BEATE:
(zu Iris)
(beiläufig)
Apropos Geld ... Wann heiratest du den Brettschneider?
Wer ist es denn?
IRIS:
IRIS:
Das fragst du mich mindestens zehnmal am Tag. Und ich
Ich glaube, ich muß jetzt in den Laden.
antworte dir genauso oft: Den heirate ich nie!
ULRICH:
ULRICH:
Warum gibst du deiner Mutter keine Antwort?
Dann eben einen anderen Millionär. Zum Beispiel den
IRIS:
Hagmeier.
Ich passe mich den Gepflogenheiten des Hauses an.
IRIS:
Fragen, die ich nicht beantworten möchte, höre ich
Der hat einen Fehler: Er ist schon verheiratet.
nicht.
ULRICH:
ULRICH:
Um den Fehler kümmere ich mich ...
(in gespielter Empörung)
BEATE:
Wieso sind das Gepflogenheiten dieses Hauses? Wer tut
Hör' endlich auf, deine Tochter verheiraten zu wollen.
sowas?
Nimm endlich einmal zur Kenntnis, daß wir total pleite
IRIS:
sind ... Da! Das Finanzamt will wissen, wo unser Gewinn
Du und Oma.
vom letzten Jahr bleibt.
ULRICH:
ULRICH:
(wie oben)
Schreib' zurück: Das will ich auch wissen.
Also, das ist doch einfach nicht wahr! Ich soll ...
BEATE:
IRIS:
Ich kann es dir sagen. Es hat seit etlichen Jahren keinen
Papa, warum nimmst du nicht einfach endlich zur
mehr gegeben.
Kenntnis, daß wir total pleite sind?
ULRICH:
ULRICH:
(zu Iris)
(wendet sich zur Tür rechts)
Und wie wäre es mit dem Reimers?
Diesem Elektriker lege ich das Handwerk auch noch.
IRIS:
IRIS:
Papa, ich habe schon einen Mann, den ich heiraten
(seufzend)
werde.
Na also, da haben wir's ja. Wenn es ums Geld geht, bist
ULRICH:
du taub.
Hat er Geld?
ULRICH:
IRIS:
Gut, kommen wir wieder zu den Millionären.
Für uns beide reicht es.
(Lukas kommt von hinten. Er hat noch gehört, was Ulrich 16