Intervening on Forgiveness in Old Age to Promote Healthy Aging Wissenschaftlicher Schlussbericht

Intervening on Forgiveness in Old Age to Promote Healthy Aging Wissenschaftlicher Schlussbericht 1. Darstellung und Ziele des Forschungsprojektes Fors...
Author: Insa Hofmann
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Intervening on Forgiveness in Old Age to Promote Healthy Aging Wissenschaftlicher Schlussbericht 1. Darstellung und Ziele des Forschungsprojektes Forschungsbefunde weisen darauf hin, dass Verzeihen ein adaptiver Prozess im Umgang mit erlebten Kränkungen und zwischenmenschlichen Problemen darstellt. Jedoch gibt es nur sehr wenige Interventionsprogramme für ältere Menschen, die Hilfestellungen in der Bewältigung von Kränkungen und interpersonalen Verletzungen anbieten. Es gibt jedoch erste empirische Hinweise, dass theoriegeleitete Interventionen, die Bedürfnisse von älteren Menschen explizit berücksichtigen, zu einer Verbesserung des emotionalen Befindens führen können. Zum Beispiel konnte in einer Gruppenintervention zur Bewältigung von Kränkungen und interpersonalen Verletzungen gezeigt werden, dass negative Gefühle und Gedanken infolge der Intervention bedeutsam abgenommen haben (Allemand, Steiner & Hill, 2013). Das von der Stiftung Suzanne und Hans Biäsch zur Förderung der Angewandten Psychologie unterstützte Forschungsprojekt hatte zum Ziel, die theoriegeleitete Gruppenintervention für ältere Menschen zur Bewältigung von Kränkungen weiterzuentwickeln, ihre Wirksamkeit zu überprüfen und die Wirkungsweise genauer zu untersuchen. 2. Geleistete Forschungsarbeit Phase 1: Weiterentwicklung der Gruppenintervention In einer ersten Phase des Projektes wurde die psychoedukative Gruppenintervention für ältere Menschen zur Bewältigung von Kränkungen von Allemand et al. (2013) weiterentwickelt. Die Gruppenintervention ist primär eine psychoedukative Intervention. Innerhalb von drei Sitzungen sollen die Teilnehmenden theoretische und wissenschaftliche Befunde zum Thema verzeihen kennen lernen, die erlebten Verletzungen diskutieren sowie unterschiedliche Übungen zur Bewältigung der Verletzung bzw. der damit verbundenen negativen Gedanken und Gefühle durchführen. Ziel der Intervention ist eine geleitete Auseinandersetzung mit der Kränkung und das Erlernen von Strategien zur Klärung und Bewältigung der negativen Konsequenzen der Verletzung. Die Intervention orientiert sich im inhaltlichen Aufbau an den zentralen Elementen existierender Verzeihensinterventionen (Wade & Worthington 2005) und ergänzt diese um zielgruppenspezifischen Aspekte, mit dem Ziel, die Intervention besonders effektiv für ältere Menschen zu gestalten (Allemand et al. 2013). Für die Interventionsstudie wurden zwei parallele Interventionsprogramme erstellt. Das erste Interventionsprogramm mit

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Fokus auf Klärung legt den Schwerpunkt darauf, Kränkungen und damit verbundene Gedanken und Gefühle besser zu verstehen und in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren. Das zweite Interventionsprogramm mit Fokus auf Bewältigung befasst sich primär mit konkreten Bewältigungsstrategien und Verhaltensübungen im Umgang mit Kränkungen. Im Folgenden werden die wichtigsten inhaltlichen Elemente der drei Sitzungen exemplarisch für das Interventionsprogramm mit Fokus auf Klärung dargestellt. Sitzung 1 Inhalt Unterschiedliche Reaktionen nach Kränkungen diskutieren: Wie kann man reagieren? Wie reagiere ich häufig? Verzeihen definieren

Ziel Thematischer Einstieg und Reflektion

Modalität Offene Diskussion

Verständnis dessen erlangen, was Verzeihen ist (um Missverständnis des Terms entgegenzuwirken)

Offene Diskussion

Psychologische Befunde zum Verzeihen Hausaufgabe: Brief an Person, durch welche die Kränkung erlebt wurde (der jedoch nicht abgeschickt wird)

Psychoedukation

Theoretischer Input

Analyse der damaligen Verletzungssituation und deren Auswirkungen, das eigene Verletztsein akzeptieren

Eigenständige Bearbeitung der Aufgabe vor der nächsten Sitzung

Inhalt Die Kränkung erinnern und reflektieren: Was genau ist passiert?

Ziel Klärung der Kränkung

Attributionsmuster überdenken

Eigene Attributionsmuster aufdecken Aufbau von Empathie für die Person, welche die Kränkung bewirkt hat und Versuch, einen ganzheitlichen Blick auf die Person zu unterstützen Durch distanziertere Perspektive Neubewertung der Situation ermöglichen

Modalität Einzelne Teilnehmer berichten, Gruppendiskussion Übung in Einzelarbeit und Gruppendiskussion Übung in Einzelarbeit über fiktive Person, dann Gruppendiskussion

Sitzung 2

Perspektivwechsel: Fiktive Verletzungssituation, Teilnehmenden versetzen sich in Lage der verletzenden Person Kontextualismus und Langzeitperspektive (z.B. Welchen Rat würden ein Manager, eine Grossmutter oder ein Psychologe geben?) Hausaufgabe: Beantwortung von Fragen, welche auf bisherigen Umgang mit der Kränkung und Bewältigungsstrategien abzielen



Adaptive Bewältigungsstrategien bewusst machen, bisherigen Verarbeitungsprozess der Kränkung reflektieren

Gruppendiskussion

Eigenständige Bearbeitung der Aufgabe vor der nächsten Sitzung

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Sitzung 3 Inhalt Wahrnehmung und Akzeptanz von Emotionen diskutieren

Ziel Eigene Emotionalität bewusst machen und

Kosten und Nutzen des Verzeihens überdenken Commitment zu verzeihen stärken und Strategien zur Bewältigung der Kränkung, wenn Verzeihen nicht möglich ist

Positive und negative Konsequenzen des Verzeihens abwägen Verzeihen als längerfristiges Ziel definieren, Coping-Strategien vermitteln, Verabschiedung

Modalität Kurzer theoretischer Input, daraufhin individuelle Reflektion Übung und Gruppendiskussion Individuelle Reflektion und Gruppenarbeit

Fazit und Ausblick

Phase 2: Durchführung der Studie zur Evaluation der Intervention Zur Evaluation wurde eine Interventionsstudie durchgeführt. Potenzielle Teilnehmende wurden über eine Ankündigung an der Seniorenuniversität Zürich und durch diverse Ausschreibungen an Seniorenresidenzen, an Altersheime sowie an private und öffentliche Seniorenvereine im Kanton Zürich über das Angebot informiert. Das Interesse am Erlernen verschiedener Strategien, die bei Kränkungen nützlich sind sowie eine spezifische bisher noch unverarbeitete zwischenmenschliche Verletzung oder Kränkung galten aus Voraussetzungen für die kostenfreie Teilnahme an der Intervention. Die Interventionsstudie wurde zwischen November 2013 bis April 2014 durchgeführt. Die Teilnahme umfasste eine 3.5 stündige Nachmittagssitzung pro Woche über drei Wochen hinweg im Gruppenformat sowie das Ausfüllen von verschiedenen Fragebögen an sechs Messzeitpunkten zur Evaluation der Intervention. Das Studiendesign ist in Abb. 1 dargestellt. Insgesamt haben 75 Seniorinnen und Senioren an der psychoedukativen Gruppenintervention teilgenommen. Die Gruppengrösse variierte zwischen 9 und 16 Personen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 69 Jahren (86% Frauen). Unabhängig vom individuellen Alter berichteten die Teilnehmenden mehrheitlich eine gute bis sehr gute gesundheitliche Verfassung und relativ hohe Lebenszufriedenheit. Geleitet wurde die psychoedukativen Gruppensitzungen von Frau Dr. Marianne Steiner. Frau Steiner war massgeblich an der Entwicklung der publizierten Intervention (Allemand et al., 2013) beteiligt und ist eine Expertin im Bereich der Erwachsenenbildung und Beratung. Frau Annika Steiner hat die Studie als wissenschaftliche Hilfskraft administrativ unterstützt und im Rahmen ihrer Masterarbeit die Daten ausgewertet (siehe Masterarbeit im Anhang). Im Februar 2015 wurden die Studienteilnehmenden zu einer Abschlussveranstaltung und Diskussion der Befunde eingeladen (siehe verwendete Folienunterlagen im Anhang).



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Intervention group 1: Promoting insight Intervention group 2: Promoting mastery T1

T2

T3

T4

T5

T6

Pretest

Session I

Session II

Session III

Posttest

Follow-up

Time n

n+1 week

n+2 week

n+3 week

n+4 week

n+8 week

Abb. 1. Studiendesign. Das Forschungsprojekt beinhaltete zwei Interventionsgruppenbedingungen (Fokus auf Klärung vs. Fokus auf Bewältigung) mit jeweils 3 Gruppensitzungen à 3.5 Stunden sowie 6 Messzeitpunkte. 3. Hauptergebnisse des Forschungsprojekts Die Teilnehmenden der Interventionsstudie berichteten von Kränkungen, die von Vernachlässigungen durch die Eltern im Kindesalter über Mobbing durch Kollegen am Arbeitsplatz bis zu Untreue des Partners reichten. Emotionale oder verbale Verletzungen wurden am häufigsten berichtet (27.9%), gefolgt von Mobbing oder fehlender Wertschätzung (27.9%), Illoyalität oder nicht eingehaltenen Versprechen (22.1%), Erbstreits (7.4%), Verletzung des Vertrauens (7.4%), Untreue (4.4%) und physischer/sexueller Missbrauch (2.9%). Die meisten berichteten Verletzungen durch nahestehende Personen, hauptsächlich durch Familienmitglieder (38.9%), Partner (30.6%), Partnerinnen und Freunde (8.3%). Genannt wurden auch Personen von der Arbeit (9.7%), Bekannte oder Nachbarn (5.6%), oder nicht näher spezifizierte Personen (7.0%). Über die Hälfte der Verletzungen lag mehr als 5 Jahre zurück, ein Grossteil sogar schon mehr als 20 Jahre. Die Teilnehmenden gaben an, auch heute noch spürbar unter der Verletzung zu leiden, wenn auch deutlich geringer als zum Zeitpunkt des Auftretens. Die Intervention wurde von den Teilnehmenden fast durchgängig als bereichernd eingeschätzt. Dies zeigte sich in der Vielzahl positiver Rückmeldungen. In einer Publikation zur Studie in der Zeitschrift „Psychotherapie im Alter“ wird die Wirksamkeit der Intervention anhand eines Fallbeispiels illustriert und in einem weiteren Fallbeispiel die Grenzen der Intervention verdeutlicht (siehe Martin, Steiner & Allemand, 2015, S. 239-241). Neben der qualitativen Auswertung der Intervention wurde die Studie auch quantitativ ausgewertet. In ihrer Masterarbeit hat Frau Annika Martin die Wirksamkeit der Intervention mittels längsschnittlicher Mehrebenenanalysen untersucht (Martin 2014). Die Wirksamkeit der Intervention zeigte

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sich in positiven Verlaufskurven diverser psychologischer Variablen, welche vor, nach und während der Intervention erhoben wurden. Erstens weisen die Befunde darauf hin, dass beide Interventionsansätze (Klärung und Bewältigung) gleich erfolgsversprechend waren und nur marginale Unterschiede zwischen den beiden Interventionsbedingungen gefunden wurden. Zweitens haben die Befunde für beide Interventionsbedingungen gezeigt, dass die Teilnehmenden nach der Intervention bedeutsam weniger emotional belastet waren und auch eine geringere Grübelneigung in Bezug zur Kränkung im Vergleich zur Prämessung aufwiesen. Drittens zeigte sich in Zusammenhang mit dem Besuch der Sitzungen eine Abnahme der Vermeidungsmotivation gegenüber der verletzenden Person und gleichzeitig eine Zunahme der Motivation, Wohlwollen zu zeigen und weniger nachtragend zu sein. Schliesslich berichteten die Teilnehmenden über abnehmende negative Stimmung in ihrem Alltag. Insgesamt weisen die Befunde darauf hin, dass beide Interventionsbedingungen die emotionale Belastung durch die erlebte Kränkung bedeutsam mindern konnten und einen adaptiven Umgang mit der Verletzung gefördert haben. Eine offene Frage ist jedoch, ob trotz gleicher Wirksamkeit der beiden Ansätze unterschiedliche Wirkmechanismen aktiv sind. Weitere differenzielle, prozessbezogene Analysen sind in Vorbereitung und sollen darüber Aufschluss geben (Allemand & Martin, in Vorbereitung). 4. Wissenschaftlicher Output des Forschungsprojekts Qualifikationsarbeiten Martin, A. A. (2014). Effects of a forgiveness intervention for older adults: Processes and outcomes. Unveröffentlichte Masterarbeit, Universität Zürich, Zürich. Publikationen Martin, A. A., Steiner, M. & Allemand, M. (2015). Eine Gruppen-Intervention für ältere Menschen zur Bewältigung von Kränkungen. Psychotherapie im Alter, 12, 233-244. Manuskripte in Vorbereitung Allemand, M. & Martin, A. A. (in preparation). Different pathways, same effects: Comparative effects of two forgiveness intervention approaches for older adults. 5. Sonstige projektbezogene Ereignisse Im April 2015 war Prof. Dr. Nathaniel G. Wade, Iowa State University zu zwei Vorträgen an der Universität Zürich als Gast des Universitären Forschungsschwerpunkt Dynamik Gesunden Alterns zu Besuch und hat u.a. zum Thema „Psychological Interventions to Promote For-



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giveness: Current Progress and Future Directions“ referiert. Mit Herrn Wade konnten wir unsere Forschungsbefunde mit einem ausgewiesenen Experten im Bereich der Entwicklung von Interventionsprogrammen zur Bewältigung von Kränkungen diskutieren und mögliche gemeinsame Projekte besprechen. Dementsprechend werden aus dem vorliegenden Projekt noch weitere Outputs mittelfristig erwartet.

Zürich, 24. März 2016