INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET

www.savetibet.de INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET JAHRESBERICHT 2008 Liebe Tibetfreundin, lieber Tibetfreund, das Jahr 2008 war für alle Tibeterinn...
Author: Nicole Lang
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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET JAHRESBERICHT 2008

Liebe Tibetfreundin, lieber Tibetfreund, das Jahr 2008 war für alle Tibeterinnen und Tibeter ein wichtiges Jahr. Erlebt haben wir flächendeckende Proteste in ganz Tibet, die sich gegen die verfehlte Politik Pekings auf dem „Dach der Welt“ gewandt haben. Die zum großen Teil friedlichen Proteste wurden von den chinesischen Behörden mit großer Härte und gewaltsam niedergeschlagen. Schätzungen gehen von bis zu 200 Toten und mehr als 1.000 Inhaftierten und „Verschwundenen“ aus. Bis heute gibt es aufgrund der Abschottung und Zensur im Lande keine gesicherten Informationen über die Opfer der Proteste.

ICT organisierte 2008 zahlreiche Protestaktionen im Vorfeld der Olympischen Spiele, Foto: ICT

Atemberaubend dabei der Mut vieler Tibeter – etwa der Mönche vom Jokhang-Tempel in Lhasa, die vor den Mikrofonen ausländischer Journalisten verzweifelt um Freiheit und die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet baten. Beeindruckend auch das Schicksal des Mönches

Jigme Guri, der monatelang in Haft gefoltert und misshandelt worden war und darüber auf Youtube Zeugnis ablegte, nur um einige Zeit danach wieder in Haft genommen zu werden. Tibeter treten ein für ihre Rechte, oftmals in dem Wissen, dass sie damit ihre persönliche Sicherheit aufs Spiel setzen. Bei der Tibetfrage geht es zuvörderst um die Menschen in Tibet. Doch auch wir sind gefragt: wie glaubwürdig ist unser Eintreten für die Menschenrechte und Gerechtigkeit in der Welt? Wie solidarisch sind wir mit den rechtlos gestellten in Tibet? Wie ernst ist es uns mit der Unterstützung für Ansätze friedlicher Konfliktlösung wie der Dalai Lama sie vertritt? Diese Fragen gelten umso mehr als China in aller Welt ein immer stärker werdender politischer und wirtschaftlicher Akteur wird. Die International Campaign for Tibet Deutschland hat mittlerweile mehr als 14.000 Unterstützer. Darauf sind wir stolz, denn es zeigt, dass sich viele Menschen in Deutschland solidarisch zeigen mit den Tibetern und nicht wollen, dass die tibetische Kultur für immer verschwindet. Deswegen werden wir weiter den gewaltlosen Kampf des Dalai Lama unterstützen. Der vor Ihnen liegende Jahresbericht 2008 gibt Auskunft darüber, wie wir dies im Jahre 2008 getan haben.

Mit herzlichem Gruß

Kai Müller Geschäftsführer

INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 2008

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ZAHLEN UND DATEN – DIE ICT 2008 2008 ist die International Campaign for Tibet Deutschland in das sechste Jahr ihres Bestehens gegangen. Als junge Organisation hat ICT aber schon viel erreicht: unsere politische und humanitäre Arbeit zugunsten Tibets wird mittlerweile von mehr als 14.000 Menschen in Deutschland unterstützt. Für das Vertrauen unser Spender und Förderer sind wir sehr dankbar, denn sie machen unsere Arbeit erst möglich. Die International Campaign for Tibet Deutschland arbeitet eng zusammen mit ihren Schwesterbüros in Washington, D.C., Amsterdam und Brüssel. Die ICTFieldteams in Indien und Nepal recherchieren wichtige Informationen über die Situation in Tibet, die Grundlage für die fundierten Berichte der Organisation über die Menschenrechtslage in Tibet sind. Jüngst hinzugekommen ist das Brüsseler Büro des Vereins, das die Arbeit von ICT gegenüber den immer wichtiger werdenden europäischen Institutionen vertritt. Gemeinsam mit den anderen ICTBüros erarbeitet das Berliner ICT-Büro Strategien und Aktionen, die von der Organisation weltweit umgesetzt werden.

WER IST ICT VORSTAND Prof. Dr. Jan Andersson, 1. Vorsitzender Tsering Jampa Sabine Bömmer John Ackerly GESCHÄFTSSTELLE Kai Müller, Geschäftsführer Chompel Balok, Politik und Kampagnen Markus Feiler, Fundraising und Kommunikation Erich Mayer, Finanzen und Organisation Ramona Seisel, Fundraising und Kommunikation Namri Dagyab, freier Mitarbeiter Tsedön Khangsar, Praktikantin Anja Roth, Praktikantin

Die International Campaign for Tibet Deutschland wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet, der die Arbeit der Geschäftsstelle des Vereins in Berlin verantwortet. In der Geschäftsstelle sind 2008 fünf hauptamtliche Mitarbeiter tätig gewesen. Auch 2008 konnten wir wieder eine tibetische Praktikantin bei uns begrüßen: Tsedön Khangsar war von Mai bis August eine wertvolle Unterstützung für unser Büro. Mitgeholfen haben uns auch zahlreiche freiwillige Helferinnen und Helfer – dafür danken wir sehr herzlich. Die International Campaign for Tibet Deutschland e.V. ist mit Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften Berlin vom 4. März 2008 als gemeinnützig im Sinne des §5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetztes anerkannt und im Vereinsregister des Amtsgerichtes Münster unter dem Zeichen VR 4305 eingetragen. Gegründet worden ist die International Campaign for Tibet 1988 in den Vereinigten Staaten.1998 und 2006 nahmen die ICT-Büros in Amsterdam und Brüssel ihre Arbeit auf.

INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 2008

Tibetischer Junge, Foto: ICT

IMPRESSUM VISDP Kai Müller REDAKTION Kai Müller, Markus Feiler FOTOS ICT, www.leavingfearbehind.com, TCV KONTAKT International Campaign for Tibet Deutschland e.V., Schönhauser Allee 163, 10435 Berlin, Web: www.savetibet.de, E-Mail: [email protected] GESTALTUNG text+design Carolin Wrede

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SORGE - TRAUER JANUAR Die „Race for Tibet“ – Olympiakampagne von ICT gewinnt an Fahrt: ICT veröffentlicht aus Anlass einer Bundestagsanhörung zu den Olympischen Spielen einen Forderungskatalog an Politik, Sportverbände und Medien. FEBRUAR ICT veröffentlicht mit „Tracking the Steel Dragon“ einen umfassenden Bericht über die negativen Folgen der chinesischen Wirtschaftspolitik in Tibet. MÄRZ ICT gedenkt des tibetischen Volksaufstandes von 1959 mit der Installation „Empty Robes“ vor der chinesischen Botschaft in Berlin. Am selben Tag beginnt in Lhasa der Protest tibetischer Mönche, der sich in den kommenden Tagen dramatisch zuspitzt. In ganz Tibet kommt es in der Folge eruptionsartig zu Protesten, die die chinesischen Behörden mit brutaler Gewalt beantworten. China erntet massive Kritik und weltweit solidarisieren sich Menschen mit den Tibetern. Die Führung in Peking schottet das Land systematisch ab und verschärft die Repressionen in Tibet nochmals. ICT geht davon aus, dass sich mehr als 1.000 Tibeter noch in Haft befinden und mehr als 100 Menschen, darunter viele Tibeter und auch Chinesen, getötet worden sind. ICT weist als erste deutsche Menschenrechtsorganisation auf die

Chinesische Soldaten durchsuchen das Kloster Tsendrok in der chinesichen Provinz Gansu, April 2008, Foto: ICT

problematische Rolle der deutschen Sponsoren bei den Olympischen Spielen, Volkswagen und Adidas, hin. Ein Schreiben an VW-Chef Martin Winterkorn mit der Forderung an VW, den umstrittenen Fackellauf durch Tibet nicht zu unterstützen, erntet großes Medienecho. ICT veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung einen Aufruf an Bundeskanzlerin Merkel, wegen der Tibetkrise nicht an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Peking teilzunehmen. Ende März gibt die Bundeskanzlerin bekannt, „wie geplant“ nicht an den Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele teilzunehmen. Fehlen wird ebenfalls Außenminister Steinmeier.

APRIL Der scharf kritisierte olympische Fackellauf wird nach massiven Protesten auf seiner Station in Paris abgebrochen. ICT organisiert friedliche Proteste in Berlin, London, Paris und San Francisco. ICT hat bis Ende April mehr als zehn Mahnwachen und Demonstrationen organisiert, darunter einen „Friedensmarsch für Tibet“, an dem rund 1.000 Menschen teilnehmen. Zusammen mit Human Rights Watch, den Kritischen Aktionären und Reporter ohne Grenzen veröffentlicht ICT einen gemeinsamen Appell an Adidas und Volkswagen und fordert unternehmerische Verantwortung der beiden Traditionsunternehmen ein. Die Stiftung RTL gibt bekannt, dass sie ICT mit rund 920.000 Euro bei ihrem Flüchtlingsprojekt in Indien unterstützen wird.

Dank an ICT und RTL: Jan Andersson (ICT), Wolfram Kons (RTL), Hannes Jaenicke, Sabine Bömmer (ICT) und Anja Degenhard (RTL) bei einer Audienz mit dem Dalai Lama im Mai 2008. Foto: RTL

MAI ICT übergibt Adidas-Chef Herbert Hainer eine Appellpostkarte der Aktion „Sponsor gesucht!“, an der sich mehr als 6.000 ICTUnterstützer beteiligt hatten. ICT-Geschäftsführer Kai Müller fordert auf der Adidas-Aktionärsversammlung klare Worte über den Tibetkonflikt und Unterstützung für die Dialogbemühungen des Dalai Lama. Als Gast von ICT in Deutschland: die „Verbotene Mannschaft“, die tibetische Fußballauswahl. Der Dalai Lama bedankt sich persönlich bei ICT und RTL für ihre Unterstützung und spricht auf einer Kundgebung in Berlin vor mehr als zehntausend Menschen. JUNI ICT stellt auf dem Berliner Stadionsportfest „ISTAF“ zusammen mit amnesty international die Initiative „Sports for Peace“ vor. Auf massiven Druck der internationalen Weltöffentlichkeit hin zeigt sich die chinesische Staatsführung zu informellen Gesprächen mit den Gesandten des Dalai Lama bereit. Der olympische Fackellauf macht Station in Lhasa. Pekings Hardliner nutzen seine Bühne für die Ankündigung, die Pläne der „Dalai-Clique zu zerschlagen“.

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HOFFNUNG: 2008 JULI ICT fordert Staats- und Regierungschefs aus Anlass des G8Gipfels in Toyako, Japan, auf, auf Chinas Staatspräsident Hu Jintao in der Tibetfrage einzuwirken. Der Sondergesandte des Dalai Lama bezeichnet erneut stattgefundene Gespräche mit der chinesischen Seite als „schwierig“ und „enttäuschend“. ICT unterstützt „Songs for Tibet“, mit dem Sting, Alanis Morissette, Jackson Browne, Suzanne Vega, Moby und viele andere Künstler ihre Unterstützung für den Dalai Lama ausdrücken. China blockiert daraufhin das Musikportal „ITunes“, über das „Songs for Tibet“ heruntergeladen werden kann. Das Album erreicht in der Folge die Spitzen internationaler Charts. ICT übergibt in Berlin und Washington mehr als 15.000 Unterschriften an 60 Botschaften, mit der Bitte, eine Teilnahme an den Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele von Verbesserungen der Lage in Tibet abhängig zu machen.

Hu Jintao zu konkreten Gesprächen mit den Vertretern des Dalai Lama zu drängen. Jigme Golok kommt aus der Haft frei und berichtet von Folter und Misshandlungen.

AUGUST „Tibet at a Turning Point“ – ICT veröffentlicht einen umfassenden Bericht über die Proteste in Tibet. „Sports for Peace“: ICT, amnesty international und die Initiative „Sports for Peace“ veröffentlichen in der „International Herald Tribune“ drei Tage vor Eröffnung der Olympischen Spiele einen Appell an Präsident Hu Jintao, der ICT veröffentlicht einen derart einzigen von mehr als 100 internationalen und umfangreichen Bericht über die Sportlern, darunter viele aktuelle Proteste in Tibet 2008. und ehemalige Olympiasieger, unterzeichnet worden war. Die Olympischen Spiele beginnen als perfekt inszeniertes Spektakel – doch immer wieder stattfindende Proteste von Tibetaktivisten machen auf die prekäre Lage in Tibet aufmerksam. ICT zeigt in Berlin die aus Tibet geschmuggelte Dokumentation „Leaving Fear Behind“. Die Olympischen Spiele in Peking enden.

DEZEMBER China sagt den Anfang Dezember den EU-ChinaGipfel in Lyon ab. Grund: die Europa-Reise des Dalai Lama und sein Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Sarkozy. Die EU kritisiert die Entscheidung. ICT fordert in der Folge einen EU-Abgesandten für die Tibetfrage. Von ICT organisiert: Gyaljong Tsetrin, Cousin des inhaftierten Dhondup Wangchen, spricht im Berliner Auswärtigen Amt mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung Günter Nooke über „Leaving Fear Behind“. Zum 60. Jahrestag der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte weist ICT auf die dramatisch schlechte Menschenrechtslage in Tibet hin.

NOVEMBER Die Gesandten des Dalai Lama treffen in Peking zu einer erneuten Gesprächsrunde mit der chinesischen Staatsführung ein und legen einen detaillierten Vorschlag für eine Lösung des Tibetkonflikts vor, der von der chinesischen Staatsführung rigoros als „verdeckte Unabhängigkeitsbestrebung“ zurückgewiesen wird. Der Dalai Lama wird in den staatlichen chinesischen Medien in der Folge Ziel massiver Schmähungen. Eine Sonderversammlung im indischen Dharamsala, an der knapp 600 Tibeter teilnehmen, berät sieben Tage lang über die Zukunft Tibets und stützt im Ergebnis die friedliche Politik des Dalai Lama, den „Mittleren Weg“.

SEPTEMBER ICT setzt sich für die Macher von „Leaving Fear Behind“, die inzwischen inhaftierten Tibeter Dhondup Wangchen und Jigme Golok, ein. OKTOBER ICT appelliert aus Anlass des ASEM-Gipfels in Peking an die internationale Staatengemeinschaft, Chinas Staatspräsident

LINKS ICT organisierte eine Premiere des Films „Leaving Fear Behind“ in Berlin, Foto: ICT. RECHTS Dhondup Wangchen, Foto: www.leavingfearbehind.com.

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„RACE FOR TIBET“ UND DIE

Im Olympiajahr sollte sich zeigen, wie notwendig es ist, darauf hinzuweisen, dass deutsche Wirtschaftsunternehmen Gerechtigkeit und fundamentalen Menschenrechten verpflichtet sind.

Schon 2001, dem Jahr der Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an Peking, war klar, dass die Olympischen Spiele in Chinas Hauptstadt in der Weltöffentlichkeit kontrovers diskutiert werden würden. Bereits 2001 hatten Organisationen wie ICT auf die verheerende Menschenrechtslage in Tibet hingewiesen. Doch erst die flächendeckenden Proteste auf dem „Dach der Welt“ und ihre gewaltsame Niederschlagung durch die chinesischen Behörden im Frühling 2008 haben die Spiele zum herausragenden Politikum des Jahres gemacht. Die Frage, die auch ICT gestellt hat, war: kann die Weltöffentlichkeit, können Politik, Sportler, Sportfunktionäre und Sponsoren bedenkenlos dabei mitwirken, ein fröhliches Fest von Frieden und Völkerfreundschaft in einem Land zu feiern, in dem Menschen- und Selbstbestimmungsrechte systematisch und massiv mit Füßen getreten werden? Und welche Verantwortung tragen alle Beteiligten, um im Gastland China Veränderungen zu bewirken? Die Lage in Tibet – schon vor den Protesten in Frühjahr 2008 – hat dabei deutlich gemacht, dass die internationale Öffentlichkeit glaubwürdig für Veränderungen in China und Tibet eintreten muss. ICT hatte daher schon 2007 im Rahmen ihrer Kampagne „Race for Tibet“ begonnen, um Politik, Sport und Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Die Proteste in Tibet haben auch die Arbeit von ICT maßgeblich bestimmt: ICT hat in Reaktion auf die Proteste in Tibet am 22. März in der Süddeutschen Zeitung einen Aufruf an Bundeskanzlerin Merkel veröffentlicht und die Kanzlerin gebeten, in Anbetracht der verheerenden Lage in Tibet nicht an den Eröffnungsfeierlichkeiten zu den Olympischen Spielen teilzunehmen und sich gegen-

über Chinas Staatspräsident Hu Jintao mit Nachdruck auf die Einhaltung der Menschenrechte und für eine Dialoglösung in Tibet einzusetzen. Nach einer intensiven Debatte in der Öffentlichkeit erklärte die Kanzlerin unmittelbar später, dass sie nicht nach Peking zu den Spielen reisen würde, was „ohnehin nicht vorgesehen“ gewesen sei. Auch Außenminister Steinmeier nahm nicht an der Eröffnungsfeier teil. Kontrovers auch das Thema Sponsorenverantwortung. Im Olympiajahr sollte sich zeigen, wie notwendig es ist, darauf hinzuweisen, dass deutsche Wirtschaftsunternehmen Gerechtigkeit und fundamentalen Menschenrechten verpflichtet sind. So hat ICT-Deutschland als erste Nichtregierungsorganisation in Deutschland die inakzeptable Sponsorentätigkeit der Volkswagen AG für den olympischen Fackellauf mit einem Brief an VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn thematisiert und ein Ende der Sponsorentätigkeit für den Fackellauf durch Tibet gefordert. Die „Reise der Harmonie“, so das mehr als zynische Motto des chinesischen Olympischen Komitees für den Fackellauf, war von VW mit gesponsert und damit erst möglich gemacht worden – eine Reise, die die bunten Fahrzeuge des Sponsors auch in die tibetische Hauptstadt Lhasa führen sollte, in der wenige Wochen zuvor noch die Proteste vieler Tibeter blutig niedergeschlagen worden waren. Die Mitwirkung des Unternehmens an der Propagandashow Pekings war ein Skandal – VW selbst zeigte sich einsilbig zu seinen Aktivitäten in Tibet. Immerhin: ein imposanter Werbedreh mit Fahrzeugen der VW-Tochter Audi am für Tibeter hochsymbolischen Mount Everest wurde still und leise „aus technischen Gründen“ ab-

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OLYMPISCHEN SPIELE IN PEKING gesagt – der politische Druck auf Volkswagen dürfte zu hoch gewesen sein. Auch gegenüber dem zweiten deutschen Hauptsponser der Spiele, dem Sportartikelhersteller Adidas hat ICT Druck gemacht. Mit der Kampagne „Sponsor Gesucht!“ hat ICT seine Unterstützer gebeten, Adidas-Chef Herbert Hainer aufzufordern, sich gegenüber seinen Geschäftspartnern in China für eine Dialoglösung und die Verbesserung der Menschenrechtslage in Tibet einzusetzen sowie Sportlern und Mitarbeitern eine Schulung über die Menschenrechtslage in Tibet anzubieten. Und der Druck machte sich bemerkbar: Adidas äußerte sich noch vor den Spielen auf seiner jährlichen Aktionärsversammlung besorgt über die Situation in Tibet, lehnte als Wirtschaftsunternehmen jedoch jede politische Verantwortung ab. ICTGeschäftsführer Kai Müller konnte Herbert Hainer symbolisch für die mehr als 6.000 bei ICT eingegangenen Appellpostkarten eine überdimensionierte Postkarte übergeben. Die Aktion erntete ein großes Medienecho. Neben Politik und Unternehmen standen aber auch die Sportler selbst im Blickpunkt der Debatten rund um Olympia. Viele Sportlerinnen und Sportler haben sich trotz unklarer Vorgaben der Sportverbände mit Nachdruck für eine Ver-

besserung der Menschenrechtslage in China und Tibet ausgesprochen. ICT hat besonders die Initiative „Sports for Peace“ unterstützt und zusammen mit amnesty international mehr als 100 internationale Sportlerinnen und Sportler für einen Aufruf an Chinas Staatspräsident Hu Jintao gewonnen. Zu den Unterzeichnern zählten so bekannte Sportler wie Michael Groß und Imke Duplitzer. Die Veröffentlichung des Aufrufes am 6. August, unmittelbar vor der Eröffnung der Spiele, sorgte ebenfalls für internationales Medienecho. Die Hoffnung, die Olympischen Spiele würden zu einer Verbesserung der Lage in Tibet und in China insgesamt beitragen, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: die Ereignisse in Tibet, die systematische Zensur in Chinas Medien, der unterdrückte Protest der chinesischen Zivilgesellschaft haben gezeigt, dass die Führung in Peking mit den Spielen allein ihr weltpolitisches Image aufpolieren wollte. Dass die Spiele nicht zu einer Propagandashow wurden, haben zahlreiche Organisationen, darunter auch die International Campaign for Tibet erfolgreich verhindert. Aber letztlich haben die Tibeterinnen und Tibeter, die mutig für ihre Meinungen auf die Straße gegangen sind und dafür ihre Freiheit und persönliche Sicherheit aufs Spiel gesetzt haben, dafür gesorgt, dass die Weltöffentlichkeit sich mit der Lage in Tibet und China auseinandersetzt. Ihnen gelten unser Respekt und unsere Hochachtung.

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Viele Sportlerinnen und Sportler haben sich trotz unklarer Vorgaben der Sportverbände mit Nachdruck für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in China und Tibet ausgesprochen.

Zahlreiche Menschen bekunden auf Protestkundgebungen ihre Solidarität für Tibet, Foto: ICT

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DAS KINDERDORFPROJEKT der ICT

Die Bauarbeiten an den zusätzlichen Unterkünften und dem neuen Gesundheitszentrum im tibetischen Kinderdorf in Suja, Nordindien, haben 2008 begonnen. Fotos: ICT, Tsomo

Der 19. März 2008 war ein großer Tag für die International Campaign for Tibet Deutschland: Die Stiftung RTL gibt bekannt, dass sie mehr als 919.000 Euro an ICT-Deutschland für ein bis dato einzigartiges Projekt zugunsten der tibetischen Kinderdörfer in Indien bereitstellen will. Vorausgegangen waren knapp zwei Jahre intensive Arbeit von ICT und der Stiftung RTL, die das von ICT und den Tibetan Children’s Villages (TCV) koordinierte Projekt für das Kinderdorf in Suja, Nordindien im Rahmen des alljährlichen RTL-Spendenmarathons im Fernsehen präsentiert hatte. Prominenter Pate ist der bekannte Schauspieler Hannes Jaenicke, der sich von Anfang an für das Projekt stark gemacht hat. Mit dem Projekt will ICT unter anderem die Infrastruktur des chronisch überfüllten Kinderdorfes in Suja verbessern. So

Projektpate Hannes Jaenicke im Kinderdorf in Suja, Nordindien. Foto: ICT

soll der Bau zusätzlicher Unterkünfte und eines neuen Gesundheitszentrums zur Verbesserung der Situation der Flüchtlingskinder beitragen. In der ersten Jahreshälfte 2008 haben die umfangreichen Bauarbeiten an den zusätzlichen Unterkünften und dem Gesundheitszentrum bereits begonnen. Die Erdarbeiten wurden durchgeführt und die Fundamente für die ersten Unterkünfte und das Gesundheitszentrum gelegt. Zudem wurde eine Mauer um das Grundstück des Gesundheitszentrums errichtet. Die Arbeiten an den Außen- und Innenwänden der Gebäude konnten ebenfalls beginnen. Neben den eingeleiteten Baumaßnahmen wurde von ICT Geld für die Anschaffung eines geländegängigen Krankentransportfahrzeugs für das tibetische Kinderdorf in Suja bereitgestellt. Dieses Fahrzeug wurde dringend benötigt, weil bei schwereren Erkrankungen der Kinder eine ausreichende medizinische Versorgung in Suja bislang nicht gewährleistet und eine Behandlung nur in einem weit entfernten Krankenhaus durchgeführt werden konnte. ICT ist erfreut und stolz, mit diesem großen Projekt einen Beitrag zur Verbesserung der Situation tibetischer Flüchtlingskinder leisten zu können.

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FINANZÜBERSICHT Aufwendungen (in Euro)

967.020,60

Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen und Kampagnen, Projekte, Informationsarbeit* Zuwendungen an Tibetorganisationen Personalkosten Kosten Geschäftsstelle (EDV, Versicherungen, Gebühren) Büromiete Reisekosten Tibet-Shop Abschreibungen Sonstige Ausgaben *enthält projektgebundene Aufwendungen für Personal

791.726,22 15.300,00 50.495,88 51.971,60 12.960,84 4.000,86 34.993,97 3.869,63 1.701,60

Erträge (in Euro)

1.659.007,41

Spenden davon Kinderdorfprojekt von Stiftung RTL Projektunterstützung ICT-Europe Tibet-Shop Zinserträge Sonderzuwendung für Tibetan Children's College Mitgliedsbeiträge Sonstige Einnahmen Bußgelder

1.454.576,43 919.863,00 125.000,00 36.655,94 10.200,20 29.338,09 951,84 284,91 2.000,00

VERMÖGENSÜBERSICHT zum 31. Dezember 2008

AKTIVA

PASSIVA Euro

II.

III.

Sachanlagen 1. Andere Anlagen, Betriebsund Geschäftsausstattung Vereinsausstattung Sonstige Anlagen und Ausstattung Finanzanlagen 1. Wertpapiere des Anlagevermögens 2. Sonstige Ausleihungen

Euro

Euro A. VEREINSVERMÖGEN I. Ergebnisvorträge 1. Ergebnisvorträge allgemein

A. ANLAGEVERMÖGEN I. Immaterielle Vermögensgegenstände 1. Konzession, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte, sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten

691.986,81 160.172,86

157,00

4.323,00 5.851,00 1.528,00

38,03 3.260,00

3.298,03

B. UMLAUFVERMÖGEN I.

Kasse, Bank

842.853,64

852.159,67

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852.159,67

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET International Campaign for Tibet Deutschland e.V. Schönhauser Allee 163 10435 Berlin Tel.: 030 / 27 87 90 86 Fax: 030 / 27 87 90 87 www.savetibet.de [email protected]

International Campaign for Tibet USA 1825 Jefferson Place NW Washington DC 20036 United States of America Tel.: +1 202 785 1515 Fax: +1 202 785 434 www.savetibet.org [email protected]

International Campaign for Tibet Europe Vijzelstraat 77, 1017HG Amsterdam, The Netherlands Tel.: +31 (0)20 330 82 65 Fax: +31 (0)20 330 82 66 www.savetibet.nl [email protected]

ICT Brussels 11, rue de la linière 1060 Brussels, Belgium Tel.: +32 (0)2 609 44 10 Fax: +32 (0)2 609 44 32 www.tibetpolicy.eu [email protected]

Spendenkonto Kontonr.: 3210400 BLZ: 100 205 00 Bank für Sozialwirtschaft Berlin IBAN: DE20100205000003210400 BIC: BFSWDE33BER Onlinespenden unter www.savetibet.de/spenden

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