INSTITUT FINANZEN UND STEUERN"

INSTITUT „FINANZEN UND STEUERN" Postfach 1808 5300 B O N N 1 Brief Nr. 282 Bildung von Rückstellungen für Produkthaftung Bonn, i m Dezember 1988 ...
Author: Laura Brandt
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INSTITUT „FINANZEN UND STEUERN" Postfach 1808

5300 B O N N 1

Brief Nr. 282

Bildung von Rückstellungen für Produkthaftung

Bonn, i m Dezember 1988

Alle Rechte

vorbehalten

Bearbeiter: Dr. J ö r g - P e t e r Voß Preis: 39,— D M (darin enthalten 7 % USt

1

Inhaltsverzeichnis Seite

Einleitung

T e i l

4

1;

G r u n d l a g e n

d e r

P r o d u k t h a f t u n q

I. Gegenwärtiges deutsches Recht 1.

Produkthaftung: Richterrecht

5

2.

Gegenstand der Produkthaftung

5

a)

Haftung für Konstruktionsfehler

6

b)

Haftung für Instruktionsfehler

6

c)

Haftung für Fabrikationsfehler

7

d)

Pflicht zur Produktbeobachtung, Warn- und Rückrufpflicht

e)

II.

III.

5

7

Keine generelle Haftung für Entwicklungs­ risiken

8

3.

Haftungsadressat

8

4.

Beweislastverteilung

9

5.

Freizeichnung, Verjährung

10

Künftiges deutsches Recht (ProdHaftG)

11

1.

Gefährdungshaftung

11

2.

Änderungen gegenüber bisherigem Recht

12

3.

Nebeneinander von Gefährdungshaftung und Deliktshaftung

12

4.

Freizeichnung, Verjährung

12

5.

Verwirklichung der Optionen der EG-Richtlinie

13

EG-Richtlinien "Produkthaftung"

13

1.

Aufgabe der Richtlinie

13

2.

Gefährdungshaftung

14

3.

Beweislastverteilung

14

4.

Freizeichnung, Verjährung

15

2 IV.

Produkthaftung nach US-amerikanischem Recht

15

1.

Besonderheiten der US-Produkthaftung

15

2.

Gegenstand der Produkthaftung

15

a)

Vertragliche Garantiehaftung

16

b)

Verschuldenshaftung

16

c)

Gefährdungshaftung

17

Punitive damages

18

3.

T e i l

2:

R ü c k s t e l l u n g e n

f ü r

P r o d u k t h a f t u n q 18

I. Meinungsstand

II.

III.

IV.

19

1.

Rechtsprechung

19

2.

Finanzverwaltung

20

3.

Literatur

20

Rückstellungen nach Handelsrecht

22

1.

Ungewisse Verbindlichkeit dem Grunde nach

23

2.

Ungewisse Verbindlichkeit der Höhe nach

25

Rückstellungen nach Steuerrecht

25

Rückstellungen für Produkthaftunq. insbe­ sondere in Form von Pauschalrückstellunqen

26

1.

Ungewißheit der Verbindlichkeit

26

Unterscheidung Einzelrückstellung - Pau­ schalrückstellung

27

b)

Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme

29

c)

Maßgeblich: Situation des jeweiligen Unternehmens

35

d)

Bedeutung des § 5 Abs. 3 EStG

38

e)

Zulässigkeit von Pauschalrückstellung w e ­ gen Haftpflichtverbindlichkeiten bei A n ­ sprüchen durch Vertragspartner

42

Ergebnis

45

2.

Wirtschaftliche Verursachung

45

3.

Höhe der Rückstellungen

47

a)

f)

3 V.

Bei der Bildung von Rückstellungen für Produkthaftung zu berücksichtigende Rechtstatsachen 1) a)

51

Wichtige neuere Entscheidungen

52

aa) bb)

BGH-Urteil vom 9.12.1986 "Honda" BGH-Urteil vom 7.6.1988 "Limonadenflasche"

53 53

Risiken der Produkthaftung im US-ameri­ kanischen Recht

54

US-amerikanische zivilprozessuale Pro­ dukthaftungsprobleme

55

aa)

Ansteigen von Produkthaftungsklagen

55

bb)

Klageerhebung, Kostenrisiko

56

cc)

Discovery

58

dd)

Entscheidungen durch Jury

61

b)

Neueste Entwicklung des materiellen Pro­ dukthaftungsrechts in den USA

62

aa)

Produkthaftung wegen möglicher Verursachung

62

bb)

Produkthaftung für fehlerfreie Produkte

63

Folgerungen

64

a)

3)

Auswirkungen eines Bestehens einer Produkt­ haftungsversicherung

T e i l

51

b)

2)

VI.

Neuere Entwicklung des materiellen deut­ schen Produkthaftungsrechts Vertragliche und deliktische Produkthaf­ tung bestehen nebeneinander

50

65

3:

Z u s a m m e n f a s s u n g

69

Anhang 1 Literaturverzeichnis

76

Anhang 2 Dokumentation der US-Produkthaftung des Insurance Industry Report 198 6

83

4

EINLEITUNG

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, ob eine Rückstellung

für Produkthaftung, spe­

ziell in der Form der Pauschalrückstellung,

zulässig

ist. Hierzu existieren nur wenige Urteile der steuer­ rechtlichen dem

Urteil

Rechtsprechung. des

BFH

vom

In dem

jüngsten Urteil,

1

30.6.1983 ),

hatte

entschieden, daß eine Pauschalrückstellung pflichtverbindlichkeiten,

insbesondere

der

BFH

für Haft­

solche

für

Produkthaftung, nicht zulässig sei. Diese Auffassung, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat, wird von einem großen Teil der Literatur abgelehnt. Ob der BFH

zu Recht die Bildung

einer

Pauschalrückstellung

wegen Produkthaftungsverbindlichkeiten

ablehnt, soll

im besonderen mit der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

In der zivilrechtlichen Literatur und wird

der

Begriff

"Produkthaftung"

Rechtsprechung

nicht

einheitlich

verwandt. In der älteren Rechtsprechung und z.T. auch heute noch in der Literatur ist statt dessen der Be­ griff

"Produzentenhaftung"

gebräuchlich.

Begriffe lassen sich Argumente der Bundesrepublik tungsgesetz

als

2

finden. )

in naher Zukunft

Umsetzung

der

ein

Für

beide

Da aber

Produkthaf­

EG-Richtlinie

"Pro­

dukthaftung" gelten wird, und der amerikanische griff

für

Produkthaftung

"product

in

liability"

Be­

eben­

falls auf die Verantwortlichkeit für fehlerhafte Pro­ dukte hinweist, soll in der Untersuchung von dem Be­ griff der "Produkthaftung" ausgegangen werden.

l)

BFH-Urteil v. 30.6.1983, A Z : IV R 41/81, BStBl. 1984 II, S. 263ff.

2)

Vgl. von Westphalen, ZIP 1986, S. 139.

5

TEIL 1: GRUNDLAGEN DER PRODUKTHAFTUNG 3

I. Gegenwärtiges deutsches R e c h t )

1. Produkthaftung: Richterrecht

Im Jahre 1968 setzte sich mit dem

Hühnerpest-Urteil

des BGH*) die Erkenntnis durch, daß grundsätzlich die Frage zu beantworten sei, wer bei

zunehmender

Indu-

striealisierung und damit ständig wachsendem Warenab­ satz für Schäden durch mangelhafte Produkte aufzukom­ men

habe.

Für

den

Gesetzgeber

des

BGB

bestand

ein

solches Problem noch nicht. Demzufolge ist seit die­ sem Hühnerpest-Urteil die Produkthaftung als Richter­ recht im Wege der Rechtsfortbildung des Deliktrechtes entwickelt worden. Die Produkthaftung beruht auf ei­ ner

spezifischen

Ausformung

von

Verkehrspflichten.

Den Hersteller von Produkten trifft eine spezifische Gefahrsteuerung- und Gefahrabwendungspflicht; prinzi­ piell handelt

es sich um eine

verschuldensabhängige

Haftung im Rahmen des Deliktrechts.

2. Gegenstand der Haftung

Unter Produkthaftung wird die Haftung des Herstellers für

Folgeschäden

aus

der

Benutzung

seiner

Produkte

verstanden, d.h. für Personen-, Sach- oder Vermögens­ schäden außerhalb der; Fehlerhaftigkeit des Produktes, die

der bestimmungsgemäße

Verbraucher

oder

sonstige

Personen infolge des Fehlers des Erzeugnisses erlei­ 5

den. )

Das bedeutet, daß unter Produkthaftung

im ei­

gentlichen Sinne nicht die Haftung aufgrund vertrag­ licher

Regelungen

(Gewährleistung)

verstanden

wird.

3)

Siehe allgemein zur Produkthaftung: Diederichsen, NJW 1978, S. 1281 ff, Schmidt-Salzer, BB 1980, S. 1 ff sowie die Kommentare zu § 823 BGB.

4)

BGH-Urteil V. 51,S. 91 ff.

5)

Vgl. Palandt/Thomas, § 823 BGB, Anm. 15 A.

26.11.1968,

AZ:

VI

ZR

212/66,

BGHZ

6 Beide Haftungsarten,

nämlich vertragliche

sowie de­

liktsrechtliche, bestehen nach der Rechtsprechung des BGH nebeneinander, da die deliktsrechtliche Verkehrs­ pflicht i.d.R. nicht von den vertraglichen Sanktionen für

die

mangelhaft

6

werden. ^ daher,

gelieferten

Ausgangspunkt

daß

ein durch

für

§ 823

Erzeugnisse

die

erfaßt

Produkthaftung

Abs.

1 BGB

ist

geschütztes

•Rechtsgut durch fehlerhafte Waren bzw. Produkte ver­ letzt

worden

Herstellung

ist.

Die

Haftung

knüpft

dabei

an

die

oder das Inverkehrbringen von Waren an.

Der Warenhersteller hat alle ihm möglichen und zumut­ baren Maßnahmen Rechtsgütern

zu ergreifen, um die Verletzung

Dritter

durch

seine

Produkte

von

auszu­

schließen. Aufgrund dieser Anforderung lassen sich im allgemeinen

folgende

Fallgruppen

Verkehrssicherungspflichten

im

von

Verkehrs-

Rahmen

der

und

Gefahrab­

7

wendungspflicht unterscheiden: ^

a) Haftung für Konstruktionsfehler

Eine derartige Haftung greift ein, wenn das nicht so konstruiert dachten eignet

oder ist;

ist, daß es

zugeschriebenen wenn

es

nicht

für den

Produkt

ihm zuge­

Verwendungszweck

betriebssicher

ist

ge­ oder

wenn es die nach dem "Stand der Technik" Mindestsicherheitserfordernisse

8

unterschreitet. )

b) Haftung für Instruktionsfehler

Ist ein Produkt so konstruiert, daß es bei vorausseh­ barer Benutzung ungefährlich und seine Handhabung un­ problematisch ist, so trifft den Hersteller keine be­ sondere Instruktionspflicht. Anders jedoch, wenn eine gefahrlose

Verwendung

des

Produktes

trotz

einwand-

6)

Zuletzt noch BGH-Urteil v. 16.9.1987, A Z : 334/86, BGHZ 101, S. 337 (344).

7)

Nachweise der umfangreichen Rechtsprechung bei Kullmann, S. 17 ff.

8)

Vgl. Mertens in: Münchener Kommentar, ä 823 BGB, Rdz. 293.

VIII

ZR

7 freier Konstruktion nicht gewährleistet

ist. Hieraus

ergibt sich ggf. eine Hinweispflicht des Herstellers auf schädliche Nebenwirkungen oder aber bei besonde­ 9

ren Gefahren eine Warnpflicht. )

c) Haftung für Fabrikationsfehler

Grundsätzlich ist der Herstellungsvorgang des Produk­ tes so zu gestalten, daß für jedes einzelne Fehlerfreiheit

gewährleistet

ist.

Den

Produkt

Hersteller

treffen insoweit Organisations- und Kontrollpflichten im Hinblick

auf den Fertigungsablauf,

der

lückenlos

überwacht werden muß. Ergänzend sind auch Qualitäts­ 10

kontrollen des fertigen Produkts e r f o r d e r l i c h . )

d) Pflicht

zur

Produktbeobachtuncr,

Warn-

und

Rückruf-

Pflicht

Um

seiner

Gefahrabwendungspflicht

zu

genügen,

muß

sich der Hersteller über die Verwendungsfolgen seines Produkts laufend informieren. Das gilt nicht nur un­ eingeschränkt

für

neuentwickelte

Erzeugnisse,

deren

Gefahren sich trotz ausreichender Erprobung durch den Hersteller oder

häufig

Benutzung

erst

zeigen.

in

der

Auch

täglichen

Anwendung

eingeführte

Produkte,

selbst wenn sie sich als nichtgefahrträchtig erwiesen haben, unterliegen auf

die

Gehen

dieser Verpflichtung

spezifischen

von

den

Risiken

Produkten

ihrer

erhebliche

im

Hinblick

Dauerbenutzung. Gefahren

aus,

trifft den Hersteller eine Warn- oder ggf. eine Rück­ 11

rufpflicht. )

9)

Vgl. Mertens, ( Fußh. 8 ) , Rdz. 294. Vgl. hierzu auch BGH, Urteil V . 7.10.1986, A Z : VI ZR 187/85, DB 1987, S. 168 ff.

10)

Siehe Mertens, (Fußn. 8 ) , Rdz. 297.

11)

Vgl. Mertens, (Fußn. 8), Rdz. 299; zu dem aufsehenerregenden Urteil des BGH v. 9.12.1986, AZ: VI ZR 65/86, BB 1987, S. 717 ff, siehe unten S. 53.

8

Keine generelle Haftung für Entwicklungsrisiken

Eine Haftung

für Risiken,

die

in der

Entwicklungs­

und Konstruktionsphase des Produkts bei Anwendung al­ ler

waren,

be­

steht für den Hersteller nicht. Ausnahme hierzu

ist

das

zumutbaren

Sorgfalt

nicht

12

Arzneimittelgesetz ),

erkennbar

das

eine

entsprechende

Einstandspflicht vorsieht.

Haftungsadressat

Als Haftender für die zuvor skizzierten Gefahrabwen­ dungspflichten

ist

zunächst

der

Hersteller

festzu­

stellen. Haftender kann aber auch der Zulieferer sein für die Fehlerhaftigkeit der von ihm gelieferten Ein­ zelteile. Fehler

Der

des

Zulieferer

haftet

Endproduktes,

die

darüber

aus

hinaus

einer

für

Verletzung

seiner Instruktionspflichten hinsichtlich der Verwen­ dung und Verarbeitung der Einzelteile herrühren. Bei Produkten, die

aus Einzelteilen

hergestellt werden, ergibt dem

Hersteller

des

mehrerer

sich

Zulieferer

somit eine

Endprodukts

und

den

zwischen

Zulieferern

verteilte Pflicht zum Einstehen für die Mangelhaftig­ keit

des

Endprodukts. Weiterhin

kann

als

Haftender

auch der Händler in Betracht kommen, der ein fremdes Produkt mit seinem Namen oder seine Handelsmarke ver­ sieht.

Eine

derartige

Haftung

neben

dem

Hersteller

trifft den Händler dann, wenn er mit der Handelsmarke (z.B.) auf die zumindest konkludente Übernahme einer eigenen

Pflicht

hindeutet. fremden

zur

Prüfung

Schließlich

Erzeugnissen

kann

sind

auch

Haftender

steller im Ausland geringere auferlegt worden

der

Produktsicherheit der

sein,

Importeur wenn

dem

von Her­

Sicherheitsvorkehrungen

oder die Rechtsverfolgung

des 1 3

Herstellers im Ausland erheblich erschwert w i r d . )

Vgl. §§ 84 ff AMG. Vgl. Mertens, (Fußn. 8 ) , Rdz. 288 ff.

9 4. Beweislastverteilunq

Besondere

Bedeutung

kommt

der

Beweislastverteilung

bei der Produkthaftung zu. Zwar ist das gegenwärtige Produkthaftungsrecht daß entsprechend

ein

Teil

des

Deliktrechts,

so

§ 823 BGB der Geschädigte das Ver­

schulden des Herstellers beweisen müßte. Da das Pro­ dukthaftungsrecht

jedoch

Richterrecht

sich hier andere Beweisregeln

1 4

ist, )

haben

gebildet. Der Geschä­

digte hat darzulegen und zu beweisen, daß sein Scha­ den

durch

der

im

einen

Produktfehler

Organisations- und

herbeigeführt

des

Her­

stellers durch Verletzung von Verkehrspflichten

ent­

standen jedoch

Gefahrenbereich

wurde,

ist. Dem Geschädigten kommen darüber Beweiserleichterungen

schen

1 5

zu H i l f e . )

Warenmangelfolgeschäden

Bei

typi­

ein

An­

kommen.

scheinsbeweis für das Vorliegen eines

hinaus

Produktfehlers

und dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Scha­ den

in Betracht.

Hersteller

keine

Zudem

braucht

konkrete

der

Geschädigte

Pflichtverletzung,

Verschulden, nachzuweisen. Bei fehlerhafter

dem also

Instruk­

tion gilt zugleich der Anscheinsbeweis, daß ein Ein­ halten der Instruktionspflichten den Schaden verhin­ dert hätte. Ein Verstoß gegen Schutzgesetze oder Un­ fallsverhütungsvorschriften

begründet

ebenfalls

die

Vermutung, daß dieser für den Schaden ursächlich war. 16

Im Ergebnis bedeuten diese Beweiserleichterungen ) , daß

bei

Fabrikations-

der Fehlerhaftigkeit

und

Konstruktionsfehlern

des Produks

regelmäßig

auf

von ein

pflichtwidriges Verhalten des Herstellers geschlossen werden kann.

14)

Siehe oben S. 5.

15)

Nachweise aus der Rechtsprechung bei Kullmann, S. 69 ff, insb. S. 74 ff.

16)

Neuestes Urteil zur Beweislastumkehr ist das BGH-Ur­ teil vom 7.6.1988, A Z : VI ZR 91/87, BÖ 1988, S. 1624 ff. Näher zu diesem Urteil siehe unten S. 53 f.

10

Sobald

ein

Herstellers

objektiv

pflichtwidriges

anzunehmen

ist, wird

Verhalten

dessen

des

Verschulden

vermutet und der Hersteller muß sich seinerseits ent­ lasten.

Dabei

werden

hohe

Anforderungen

an

seinen

Entlastungsbeweis gestellt. Ihn trifft nicht nur die Nachweispflicht, daß ihm kein

Organisationsverschul­

den vorzuwerfen ist, die gesamte Produktion also lükkenlos organisiert und überwacht worden ist, daß Feh­ lerquellen ausgeschlossen

sind,

sondern er muß dar­

über hinaus beweisen, daß der Produktionsablauf ner Störung durch individuelle Fehlleistungen

kei­

seiner

Mitarbeiter ausgesetzt war, oder aber er muß die infragekommende Person benennen und sich für jede ein­ zelne

von

Überwachung

ihnen

hinsichtlich

entlasten.

der

Auswahl

und

Diese hohen Anforderungen

der an

den Entlastungsbeweis führen dazu, daß dem Hersteller nur in den seltensten Fällen dieser Entlastungsbeweis gelingen wird. So bleibt ihm für den Bereich der Fa­ brikationshaftung als einziger Nachweis, daß es sich bei

dem

mangelhaften

Produkt

um

einen

handelt, der trotz aller Vorkehrungen

"Ausreißer"

nicht

zu ver­

1 7

meiden w a r . )

Freizeichnunq. Verjährung

Eine

generelle

Freizeichnung

für die

Produkthaftung

ist nicht möglich. Im Rahmen vertraglicher Beziehun­ gen ist sie möglich/

sofern auch deliktische Ansprü­

che von den vertraglichen Beziehungen erfaßt werden. Deliktische Ansprüche gegen den Produzenten verjähren in drei Jahren

(§ 852

B G B ) ; die kurze Verjährungs­

frist des § 477 BGB findet auch dann keine Anwendung, wenn

zwischen

dem

Hersteller

und

den

Geschädigten

18

vertragliche Beziehungen b e s t e h e n . )

Siehe auch Mertens, (Fußn. 8 ) , Rdz. 301 mwN. In diesem Sinne auch BGH-Urteil v. 16.9.1987, AZ: VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337 (344 f f ) .

11 Künftiges deutsches Recht

Als

Umsetzung

der

(ProdHaftG)

19

EG-Richtlinie

"Produkthaftung" )

in nationales deutsches Recht hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über die Haftung für feh­ lerhafte 2 0

legt. )

Produkte

(Produkthaftungsgesetz)

vorge­

Der Entwurf hält sich im wesentlichen eng an

die EG-Richtlinie. Die wesentlichen Unterschiede

zum

jetzigen Recht bestehen in folgenden Punkten:

Gefährdunqshaftung

Das

Produkthaftungsgesetz

unterstellt der

die

in

der

Produkthaftung

Gefährdungshaftung.

Hierzu

Form

des

künftig heißt

Entwurfs

dem

es

Prinzip

in der

Be­

das

Pro­

gründung :

"Als

wesentliche

Änderung

dukthaftungsgesetz

die

unterstellt

Produkthaftung

verschuldensunabhängigen

Haftung.

Die

künftig neue

der

Regelung

entspricht in ihrer praktischen Auswirkung auch weit­ gehend der von der Rechtsprechung des Bundesgerichts­ hofs vorgebildeteten wesentliche

Haftung

Ergebnisse

für

Produktfehler,

des künftigen

Rechts

die

bereits

vorweggenommen hat. Änderungen werden sich deswegen künftig nur in Rand­ bereichen nach

ergeben,

bisherigem

und

Recht

zwar dem

im

wesentlichen,

Hersteller

wenn

ausnahmsweise

die Exkulpation gelungen wäre, oder wenn es sich um den Fehler an einem Einzelstück einer Serie handelt, der mit vertretbaren Mitteln

nicht

feststellbar

und

vermeidbar war, und daher auch nicht schuldhaft ver­ ursacht wurde (sog. "Ausreißer")."

Vgl. hierzu unten S. 13. BR-Drucks. 101/88; BT-Drucks. 11/2447.

12

Änderungen gegenüber bisherigem Recht

Die weitere Änderung gegenüber dem bisherigen

Recht

besteht darin, daß künftig jede Person, die sich als Hersteller

ausgibt,

sowie

der

Importeur,

der

Waren

aus Drittländern außerhalb der EG einführt, der Haf­ tung nach dem ProdHaftG unterworfen wäre. Darüber

hinaus

handelt

es

sich

bei

Recht um ein Gesetz zum Schutze des 2

chers,

s o

dem

künftigen

(End-) Verbrau­

daß - entgegen dem bisherigen

Recht -

Sachschäden nur im Bereich des privaten Ge- und Ver­ 22

brauchs erfaßt w e r d e n . )

Nebeneinander von Gefährdungshaftung

und

Deliktshaf­

tung

Das Recht der Produkthaftung wird künftig aus der Ge­ fährdungshaftung nach dem ProdHaftG sowie daneben aus den bisher anerkannten Rechtsgründen bestehen. Bedeu­ tung

erlangt

dies

für Fälle

der

Geltendmachung

Schmerzensgeld; dieser Ersatz des infolge

von

fehlerhaf­

ten Produktes erlittenen Schadens wird nämlich nicht 23

auf der Grundlage des ProdHaftG g e w ä h r t . )

Für die

Zukunft bestehen daher zwei unterschiedliche rechts­ systematische Anspruchsgrundlagen für die Produkthaf­ tung.

Freizeichnung, Verjährung

Die

Produkthaftung

Verhältnis

nach

dem

ProdHaftG

Benutzer bzw. Verbraucher

schränkt

eines

im

Produkts

und dessen Hersteller die Vertragsfreiheit ein. Frei­ zeichnungen

sind

nach dem ProdHaftG

Die Ansprüche nach dem ProdHaftG Vgl. die Begründung 11/2447, S. 13.

nicht

erlöschen

zulässig. 10 Jahre

zu § 1 des Entwurfs, BT-Drucks.

Kritisch zu den deswegen aufgeworfenen Abgrenzungs­ fragen: Ulbrich, ZRP 1988, S. 251 f mwN. Vgl. Schmidt-Salzer, BB 1987, S. 1404

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