INHALT. Wasser-Prawda Mai 2015

Nr. 5/2015 B.B. King • Interviews mit Bill Wyman, Warren Haynes, Jesper Munk • Randy Chortkoff - Nick Moss Band - Billy Walton Band - Jürgen Kerth & ...
Author: Klara Weiss
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Nr. 5/2015

B.B. King • Interviews mit Bill Wyman, Warren Haynes, Jesper Munk • Randy Chortkoff - Nick Moss Band - Billy Walton Band - Jürgen Kerth & iNUTERO - Gov’t Mule • Impressionen vom Bluesfest Eutin • Album des Monats: Guy Verlinde – Better Days Ahead

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INHALT MAI 2015 3 5 6 11 12 14 20 23 26 29 32 35 37 55 57

Inhalt Editorial Auf Tour Musik German Blues Awards 2015: Die Nominierungen Blues Music Awards 2015 B. B. King (1925-2015) Randy Chortkoff (1950-2015) Im Gespräch mit Bill Wyman Warren Haynes: Südstaatenglanz in München Gov’t Mule in der Münchner Theaterfabrik Jesper Munk: Ein Fazit nach 1,5 Jahren It´s not just a show, not just a concert, we have a party Tradition und Moderne in Eutin Party Jersey Style Altstar trifft Jungspund

Platten 59 Guy Verlinde – Better Days Ahead 60 Rezensionen A bis Z 72 Blueskalender 77 Literatur ABC: D wie Drama 78 Jürgen Landt: Der Blick in die Leere des Kopfes 81 Die Vestalinnen 88 English Articles

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EDITORIAL

IMPRESSUM Die Wasser-Prawda ist ein Projekt des Computerservice Kaufeldt Greifswald. Das pdf-Magazin erscheint in der Regel monatlich. Es wird kostenlos an die registrierten Leser des Online-Magazins www.wasser-prawda.de verschickt.

Wasser-Prawda Nr. 5/2015 Redaktionsschluss: 25.05.2015 Titelseite: B.B. King links: Sean Karney (Foto: Raimund Nitzsche)

REDAKTION: C he f r e d a k t e u r : R a i mu nd Nitzsche (V.i.S.d.P.) Redaktion: Mario Bollinger, Bernd Kreikmann, Matthias Schneider, Dave Watkins, Darren Weale Mitarbeiter dieser Ausgabe: Thilo Hornschild, LaRadio, Guido Molzberger, Iain Patience, Christophe Rascle, Torsten Rolfs, Karsten Spehr Die nächste Ausgabe erscheint am 25. Juni 2015.

Adresse: Redaktion Wasser-Prawda c/o wirkstatt Gützkower Str. 83 17489 Greifswald Tel.: 03834/535664 [email protected]

Anzeigenabteilung: [email protected]

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EDITORIAL

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EDITORIAL VON RAIMUND NITZSCHE Letztens gab es folgende Szene in einer Konzertpause: Ein Fan spricht den Musiker, der zum ersten Mal in Deutschland zu erleben ist, an: Ich hab Dich mal im Radio gehört. Es muss irgendeine Samstagnacht gewesen sein. Denn im Deutschlandfunk lief Blues. Über viele Jahre waren der Deutschlandfunk und das Deutschlandradio Kultur die landesweit zu empfangenden Bastionen für Blues. Bei der letzten Programmreform verschwand die nächtliche Bluessendung beim Deutschlandradio. Jetzt ist auch beim Deutschlandfunk das Ende beschlossen: Leo Gehl, der langjährige Redakteur ist im Ruhestand. Und der Kölner Sender nimmt diese Gelegenheit zum Anlass, den Blues aus dem Programm zu streichen. Viel lieber wollen sie mehr Geld in den Ausbau des OnlineRadios stecken. Blues ist nach Meinung des Senders nicht relevant. Und überhaupt kann das ja auch der Jazzredakteur mit machen. Schließlich gibt es auch dort Blue Notes. Für mich waren Sendungen wie die von Leo Gehl oder auch die Bluesbeiträge von „Live on Stage“ einer der Gründe, mich für Rundfunkbeiträge auszusprechen. Auch wenn natürlich über die unmöglichen Sendezeiten irgendwann kurz vor dem Aufstehen immer gelästert werden konnte. Jetzt bin ich als Bluesfan wirklich sauer: Keiner der öffentlich rechtlichen Sender sieht es als seine Pflicht der Grundversorgung an (vom Bildungsauftrag ganz zu schweigen), sich der für die Entwicklung der populären Musik wichtigen Richtung zu widmen. Kein Platz mehr, wo neue Alben und interessante Künstler vorgestellt werden. Blues im Radio spielt sich hierzulande bald nur noch im Internet oder bei Lokalsendern und offenen Kanälen ab. Das ist wirklich eine Schande! Klar, auch in anderen Ländern hat es Blues im Radio immer schwerer. Doch die BBC gönnt sich eine Sendung wie die von Paul Jones. Und im National Public Radio in den USA werden neue Alben auch aus dem Blues ausführlich vorgestellt. Das ist nach deren Meinung

öffentlicher Auftrag. Warum gilt das nicht auch in Deutschland? Vielleicht liegt das auch daran, dass Musiker, Veranstalter, Fans und engagierte Journalisten keine wirklich gemeinsame Lobbyarbeit betreiben. Eine Plattform wie die Bluesfoundation in den USA kann mit ihren Blues Music Awards etwa ein deutliches Gegengewicht zu den in Sachen Blues zu vernachlässigenden Grammys setzen. Da wird die Preisverleihung live im Satelittenradio übertragen. Und die ganze Szene triff t sich in Memphis. Hierzulande ist man sich nicht mal drüber einig, ob German Blues Awards überhaupt notwendig sind. Und man kritisiert regelmäßig deren Vergabe und die Abstimmungsmodalitäten. Und das nur, weil ein Verein einfach gesagt hat: wir machen das jetzt. Ich bin bloß froh, dass bei den vielen Menschen, die mittlerweile die Wasser-Prawda nicht nur lesen und weiterempfehlen sondern sie auch mit Texten und Bildern unterstützen solche kleinlichen Gedanken keine Rolle spielen. Nur so kann man wirklich ein aktuelles und verlässliches Magazin über die Bluesszene hier und in aller Welt machen. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön! Euer Raimund Nitzsche

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TERMINE

Festivals Muddy Lives Blues Festival 29./30.05. Lieberose Waldbühne Johnny Mastro & Mama‘s Boys, Jürgen Kerth & Band, Nick Moss Band, Kai Strauss Electric Blues, Mason Rack Band, Footsteps, Carolyn Wonderland, Chilly Willy und Micke Bjorklof & Blue Strip. Blue Wave Festival 11. - 14. Juni Binz Blues Rudy, Kleinow & Schmidt, Among Lynx, Virgina & The Skybenders, Mike Greene & Band, Black Patti, Have Mercy Reunion, Niels von der Leyen Trio, Minnie Marks, Romek Puchowski, Abi Wallenstein, Ben Prestage, Crazy Hambones, Juke Joint Pimps, Sandera & Posch, East Blues Experience 24. Bluesfest Gaildorf 3. & 4. Juli 2015 Bruce Katz Band, Earl Thomas & Royal Guard, Robert Cray Band, Mud Morganfield, Samantha Fish, Mike Zito & The Wheel, Nikki Hill, Sugaray Rayford Band, Tommy Castro & The Painkillers, The Bunch Bluesband, The Özdemirs feat. Simon Oslender Blues Open Air Niederlehme 31.07. & 01.08. Axel Merseburger Trio, Romek Puchowski & Micha Maass feat Bernd Kleino, Waldi Weiz Band, Postel & Pötsch, Black Patti, Dietmar und Klaus Bluesband 26. Bluesfest Ingolstadt Neue Welt Ingolstadt 01.06. TEE DEE YOUNG & HENRY CARPANETO BAND (USA / EU) 02.06. BABAJACK (UK) 04.06. JON REGEN & BAND (USA) 08.06. CHRIS SMITHER (USA)

Wasser-Prawda | März 2015

11.06. MATHIAS KELLNER (D) 18.06. SOFIA TALVIK (SWE) / THE GOOD LOVELIES (CAN) 22.06. KILBORN ALLEY BLUES BAND 23.06. BIG DADDY WILSON & BAND (USA) 25.06. BRUCE KATZ BAND (USA) 29.06. THE CASHBOX KINGS (USA/F) 30.06. SUGAR RAY & THE BLUETONES feat. Monster MIKE WELCH (USA) 02.07. IMPALA RAY (D) 06.07. RICHARD DOBSON & FRIENDS 07.07. GAL HOLIDAY and the Honky Tonk Revue (USA) 09.07. The 44s (USA) 13.07. WES MACKEY & THE BLUES TRAIN 14.07. BLACK KAT AND KITTENS 16.07. NORMAN BEAKER BAND (UK) 20.07. THE ZINGAROS (ARG) 21.07. MITCH KASHMAR BLUESBAND 23.07. TRAINWRECK QUARTET (AUS) 27.07. MAX GREGER jr. & HIS SOULBROTHERS (D) 28.07. WELL BAD (D) 30.07. JEB RAULT BAND (USA)

Auf Tour 3 Dayz Whizkey 21.06. Regensburg, Bürgerfest 18.07. Buchenhain, Waldgasthof 24.07. Pösing, Open Air 08.08. Hamburg, Cotton Club Bad Temper Joe 31.05. Bielefeld, Santa Maria Strandbar 03.06. Paderborn, AStA Sommerfestival 07.06. Bad Salzufflen, Schlosspark Schöttmar 18.06. Bielefeld, Museum Huelsmann 25.06. Bielefeld, Abendmarkt B.B. & The Blues Shacks 06.06. Lannach, Steinhalle (A)

TERMINE

26.06. Hildesheim, Tag der Niedersachsen 27.06. Luzern, Luzerner Fest Beth Hart 26.07. Burg - Wilhelmstein Wurselen Germany 28.07. Zeltspektakel Winterbach. DE Germany 30.07. Burg Herzberg Festival Breitenbach Germany Big Daddy Wilson 31.05. Koblenz, Cafe Hahn 23.06. Ingolstadt, Neue Welt 03.07. Dülfeld, Gartenfestival 27.07. Hamburg, Ducksteinfestival 08.08. Hohwacht, Boogie & Bluesnight 21.08. Laubach, Blues & Schmus & Appelmus 16.10. Husum, Speicher 24.10. Ellerstadt, Mission in Blues Blue Note Blues Band 05.06. Greifswald, Sotano 06.06. Bielefeld, Extra Blues Bar 04.07. Gerzen, “Runter vom Sofa - Beschallt den Wald” 23.07. Berlin, White Trash Fast Food BNaBB 24.07. Heringsdorf, O‘Man River BNaBB 25.07. Greifswald, Eiscafé Eldena 26.07 Krummin, Zur Pferdetränke, BNaBB 09.08. Höslwang, Vivarium Blues Company 07.06. Münster • Hafenfest 25.06. Paderborn • Kulturwerkstatt/ Jazzclub 04.07. Hattersheim • Blues & Folk Festival Cologne Blues Club 30.05. Zyfflich, Bluesfestival 16.07. Maggia, Magic Blues Festival (CH)

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17.07. Feuerthalen, Kulturzentrum Dolder (CH) 18.07. Winterthur, Music Bar (CH) 05.08. Saarbrücken, Kultur am Schloß Daniel Puente Encina 03.06. Eckernförde, Spieker 04.06. Hamburg, Knust 05.06. Surendorf, Strandoase 11.08. Bamberg, 9. Tucher Blues & Jazz Festival East Blues Experience 14.06. Binz, Blue Wave Festival 26.06. Halle, Objekt 5 27.06. Markneukirchen, Framus & Warwick Music Hall Eb Davis 07.06. Berlin Britz, Brither Mühlenfest 08.06. Berlin Britz, Britzer Mühle 19.06. Berlin, Ratskeller Köpenick 18.07. Grömitz, Hof Klostersee, Bluesnight 29.07. Hamburg, Cotton Club Engerling 06.06. Lübbenau, Kulturhof 12.06. Glauchau, Schloss 13.06. Perleberg, Perleberg Festival 20.06. Berlin, Schlossinsel Köpenick 04.07. Diensdorf-Radlow, Alte Schulscheune 11.07. Königs Wusterhausen, Inselleuchten Georg Schroeter & Marc Breitfelder 12.06. Salzwedel, Café Bürgermeisterhof 13.06. Berlin-Kladow, Havel-Blues im Kulturpark 20.06. Husum, Speicher 24.06. Kiel, Rathausbühne 27.06. Wulfen (Fehmarn), Campingplatz Wulfener Hals 03.07. Grebin, Die Hofkneipe Open Air 09.07. Kiel, Forstbaumschule

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TERMINE

Greyhound George 03.06. Oerlinghausen, m. Big Toe u. Batsman Joe 12.06. Lemgo, Kesselhaus 13.06. Herford, Hoekerfest 03.07. Greifswald, Sotano - m. Karl Valta 05.07. Ueckermünde, Kulturspeicher - m. Karl Valta 09.07. Ludwigsburg, Schloß - m. Karl Valta 10.07. Heringsdorf, O Man River - m. Karl Valta 11.07. Pulow, Cafe Schöne - m. Karl Valta Hans Theessink & Terry Evans 30.05. Baden, Bluesfestival Baden (CH) 01.06. Rovigo Deltablues Festival (I) Jesper Munk 26.06. Chemnitz Kosmonaut Festival 14.08. Stukenbrock Serengeti Festival JJ Grey & Mofro 30.07. Breitenbach, Burg Herzberg Festival Mike Andersen 31.05. Greifswald, Sòtano 05.06. Berlin, Quasimodo 06.06. Köln, Yard Club Pass Over Blues 27./28.06. Mönchhagen, Rosenfest The Sugarhills 20.08. Bernkastel, Sommerbühne 22.08. Holzminden, Marktsommer 27.08. Leverkusen, Topos 28.08. Hameln, Pflasterfest 29.08. Monheim, Altstadtklänge 09.09. Hamburg, Music Club Live 10.09. Hannover, Minchens Livemusic Club 11.09. Detmold, Kaiserkeller 12.09. Aerzen, Schrappmühle

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13.09. Köln, Backes Walter Trout 01.12. Hamburg, Fabrik 02.12. Berlin, Kesselhaus in der Kulturbrauerei 03.12. Bochum, RuhrCongress 06.12. München, Freiheiz

Clubs Barnaby‘s Blues Bar Braunschweig 29.05. Rob Ryan Roadshow 05.06. Johnny Mastro & the Mamas Boys 13.06. Willi’s Poor Boys 15.06. Mason Rack Band 16.06. Mason Rack Band 25.06. The Revolutionaires 26.06. The Crossryre Band Bielefelder Jazzclub 04.06. Mixed Society/Balful Seduction 05.06. SteinerTime 12.06. Pepperchiefs/Irieman & The Deep Roots Band 19.06. B61 Blue Notez Dortmund 05.06. Dan Patlansky 18.06. Larry Garner & Norman Beaker Band 26.06. The Blues Bones Blues & More Eiscafe Temmler, Chemnitz 18.09. Blues Rudy & Kat Baloun im MiO 25.09. Queen Esther Quartet 09.10. Rusty Wright Band 07.11. Eb Davis & The Superband (im „Exil“)

TERMINE

Blues im Bahnhof Mannheim, Hauptbahnhof 12.06. Tolo Marton 11.09. Morblus & Justina Lee Brown 16.10. Otis Taylor 06.11. Blues Company Bluesgarage Hannover Isernhagen 06.06. Micky & The Motorcars 06.06. Oh Yeah! German Blues Festival (Adriano Batolba, Marius Tilly Band, Michael van Merwyk & Bluesoul) 11.06. Us Rails 12.06. Klaus „Major“ Heuser Band 13.06. Mason Rack Band 20.06. Larry Garner & Norman Beaker Band 03.07. Dan Patlansky 04.04. The 44s 09.07. Lloyd Jones & Shaky Ground ChaBah Kandern 03.06. Josh Smith Cotton Club Hamburg 31.05. Tommy Schneller Band 01.06. One Way Out Blues Jam 06.06. Top Priroryty 08.06. Jo Bohnsack 12.06. New Orleans Shakers 22.06. Have Mercy 26.06. Hootin The Blues 29.06. Guy Weber Downtown Bluesclub Hamburg 30.05. Jimmy Cornett & The Deadmen 31.05. Lucifers Friend 10.06. Ryan McGarvey 12.06. The Double Vision

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17.06. Larry Garner & Norman Beaker Band 19.06. Jahn Mohr & The Backscratchers 24.06. Mason Rack Band 26.06. Nine T Nine Extra Blues Bar Bielefeld 06.06. Blue Note Blues Band 09.06. Lou Shields/ Lone Wolf One Man Band 20.06 Varmints and Vagrants 27.06. The Verandas/ Alphatrip 30.06. S.S.WEB Herzog Ernst Celle 14.06. Mason Rack Band 21.06. Johnny Mastro & The Mamas Boys Kulturbastion Torgau 30.05. Joanne Shaw Taylor 19.06. Johnny Mastro & Mama‘s Boys 25.06. Mason Rack Band Kulturspeicher (Bergstraße, Ueckermünde) 06.06. Reverend Schulzz 20.06. Cohen-Project 04.07. Greyhound George & Karl Valta 10.07. Roger Tristao Adao 16.07. Strömkarlen Laboratorium Stuttgart 30.05. Josh Smith & Band 21.06. Sibel, Akustik Trio & Longa Project Late Night Blues Loev Hotel Binz/Rügen 13.06. Sandera & Posch

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TERMINE

Meisenfrei Bremen Hankenstr. 02.06. Statesboro Revue 03.06. Dan Patlansky 11.06. Department of Soul 18.06. Mason Rack Band/ Thirsty Mamas 23.06. Boogie Rockets Music Hall Worpswede 30.05. Caroline Henderson O‘ Man River Friedensstraße 27, Heringsdorf 02.06. Tim Eckert 05.06. Peer Orxon 12.06. Pete Gavin 16.06. O‘ Man River Band 19.06. Capt‘n Crab 23.06. Hans Blues & Boogie 26.06. Blue Tales 30.06. Eric Lenz Quasimodo Berlin 12.06. TONY HURDLE‘S GUARDIANS OF THE GROOVE (Funk) 13.06. MO‘ BLOW (Jazz, Funk, Groove) 20.06. DELLA MILES (Soul) Savoy Bordesholm 04.06. Josh Smith 05.06. Imke & J 12.06. US RAILS 16.06. Hazmat Modine Sótano Greifswald, Markt 31.05. Mike Andersen 05.06. Blue Note Blues Band 08.06. Kaurna Cronin 13.06. On A Sunday 03.07. Greyhound George & Karl Valta

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Speicher Schwerin 06.06. British Blues All Stars Troisdorfer Bluesclub Realschule Heimbachstrasse 19.06. The Working Blues Band 14.08. Blue George Trio 18.09. Morblus 23.10. Wrecia Ford 20.11. Meena Cryle Yard Club Köln 01.06. STATESBORO REVUE 02.06. WELLBAD 06.06. MIKE ANDERSEN 13.06. JACK IS BACK 19.06. KAL DAVID FEAT. MISS LAURI BONO Yorckschlösschen Yorckstr. 15, Berlin 31.05. The Fifth Floor Pickers 03.06. Flo Kern 05.06. Jackie Venson & Friends 07.06. Stand-Arts 10.06. Black Kat & Kittens 12.06. Harald Hertel‘s Jass Tigers 13.06. International Blues Duo 14.06. Whatever Rita Wants 17.06. Niels von der Leyen Trio 19.06. Safe Sane & Single 20.06. Lenard Streicher Tribute to Dean Martin 21.06. Lenard Streicher Tribute to Dean Martin 24.06. Have Mercy 26.06. The Goodnight Circus 27.06. Kat Baloun & Friends 28.06. Carlos Santana & Friends

MUSIK

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GERMAN BLUES AWARDS 2015: DIE NOMINIERUNGEN VON RAIMUND NITZSCHE Journalisten, Veranstalter, Musiker haben wieder ihre Vorauswahl getroffen. Und zwischen 1. und 31, Mai darf daher online nicht nur über die Teilnehmer am Finale der diesjährigen German Blues Challenge sondern auch über die Preisträger der German Blues Awards 2015 abgestimmt werden. Hier sind die Nominierten in den verschiedenen Kategorien:

German Blues Challenge • • • • • • • •

Becker & Keisers East Blues Experience Greyhound George Jürgen Kerth Band Redfox Bluesband Tom Vieth Bluesband Waldi Weiz Band Wellbad

German Blues Awards: Drums/Percussion

German Blues Awards: Fes val

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German Blues Awards: Piano • • • • •

B. B. & The Blues Shacks Dynamite Daze East Blues Experience Richie Arndt & The Bluenatics Tommy Schneller Band

German Blues Award: Solo/ Duo • • • • •

Delta Boys Georg Schroeter & Marc Breitfelder Greyhound George Juke Joint Pimps Netzer & Scheytt

Christian Bleiming Christian Rannenberg Georg Schroeter Henning Pertiet Thomas Scheytt

German Blues Award: Tonträger • • •

German Blues Award: Band • • • • •

Andreas Bock Frank Boestfleisch Martin Roettger Michael Maass Ronny Dehn

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At The End Of The Day Richie Arndt Business Man - BB & The Blues Shacks Cream of the crop - Tommy Schneller Band Playground Blues Jam - Tom Vieth Bluesband The - Pass Over Blues

German Blues Awards: Club • • • • •

Barnabys Blues Bar, Braunschweig ChaBa, Kandern Downtown Blues Club, Hamburg Laboratorium, Stuttgart Meisenfrei, Bremen

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Blue Wave, Binz (Rügen) Blues in Lehrte, Lehrte Grolsch Blues Festival, Schöppingen Osnabrücker Blueslawine, Osnabrück Rother Bluestage, Roth

German Blues Awards: Medien •

Deutschlandfunk, Live on stage • Ems-Vechte-Welle, Bluestime • Muddy Lives • Rockradio.de • Wasser Prawda Verliehen werden die German Blues Awards am 4. Juli in Eutin im Rahmen der German Blues Challenge. Diese findet erstmals im Rahmen eines kleinen Festivals auf dem Eutiner Marktplatz statt. Schon am Freitag, 3. Juli werden zur Eröffnung zwei amerikanische Bands auftreten. Und für den 4. Juli wurde als internationaler Gast The Blues Overdrive aus Dänemark eingeladen. Am 5. Juli wird das Festival dann mit einer Blues Matinee abgeschlossen.

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MUSIK

ELVIN BISHOP RÄUMT AB BEI BLUES MUSIC AWARDS 2015 VON RAIMUND NITZSCHE Hammond (Acoustic A lbum & Acoustic Artist) und Bobby Rush (B.B. King Entertainer of the Year/Soul Blues Male Artist) ausgezeichnet. 2015 ist ein besonderes Jahr für die Blues Foundation. Denn nach einer mehrjährigen Spendenaktion konnte am 8. Mai auch die Blues Hall of Fame eingeweiht werden. Direkt gegenüber vom Museum zur Geschichte der Bürgerrechtsbewegung kann man dort ab sofort eintauchen in die Geschichte des Blues und seiner Künstler. Hier komplette Liste der Preisträger: Bestes Album, beste Band und Song des Jahres: gleich drei Blues Music Awards konnte Elvin Bishop bei den diesjährigen Blues Music Awards in Memphis in Empfang nehmen. „Can‘t Even Do Wrong Right“ setzte sich als Album unter anderem gegen „Memphis Grease“ von John Nemeth oder „Wrapped Up and Ready“ von The Mannish Boys durch, der Titelsong der CD gewann unter anderem gegen das gemeinsam von Bobby Rush und Dr. John gesungene „Another Murder in New Orleans“ (Carl Gustafson % Donald Markowitz) oder „Let Me Breathe“ von Janiva Magness & Dave Darling. Mit je zwei Awards wurden John Wasser-Prawda | Mai 2015

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B.B. King Entertainer: Bobby Rush Koko Taylor Award: Ruthie Foster Traditional Blues Male Artist: Lurrie Bell Contemporary Blues Female Artist: Janiva Magness Contemporary Blues Male Artist: Gary Clark Jr. Soul Blues Male Artist: Bobby Rush Soul Blues Female Artist: Sista Monica Acoustic Artist: John Hammond Band: Elvin Bishop Band Pinetop Perkins Piano Player: Marcia Ball Instrumentalist-Horn: Deanna

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Bogart Instrumentalist-Bass: Lisa Mann Instrumentalist-Harmonica: Charlie Musselwhite Instrumentalist-Guitar: Joe Bonamassa Instrumentalist-Drums: Jimi Bott Album: Can’t Even Do Wrong Right – Elvin Bishop Contemporary Blues Album: BluesAmericana – Keb’ Mo’ Acoustic Album: Timeless – John Hammond Traditional Blues Album: For Pops (A Tribute to Muddy Waters) – Mud Morganfield & Kim Wilson Rock Blues Album: Step Back – Johnny Winter Soul Blues Album: Memphis Grease – John Németh Best New Artist Album: Don’t Call No Ambulance – Selwyn Birchwood Historische Aufnahme: Soul & Swagger: The Complete “5” Royales 1951-1967 – The “5” Royales (Rock Beat) Song: “Can’t Even Do Wrong Right” written and performed by Elvin Bishop

MUSIK

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MUSIK

B. B. KING (1925-2015) In den letzten Jahren wurden seine Konzerte immer mehr zu Geschichtsstunden in Sachen Blues: B.B. King saß auf der Bühne, erzählte vom Blues und ließ nur noch manchmal Lucille wirklich lange Geschichten singen. Die musikalische Seite übernahm hauptsächlich seine großar ge Band. Doch en äuscht waren die Menschen nur selten: Wann ha e man schon mal die Chance, einer echten Legende zu lauschen? Trotz der immer deutlicher werdenden gesundheitlichen Probleme schien B.B. King nur ganz unwillig ein wenig kürzer zu treten. Doch in den letzten Wochen musste er erst ins Krankenhaus eingeliefert werden, später entließ man ihn in die häusliche Pflege. Am 14. Mai ist B.B. King in Las Vegas gestorben. Schnell jagte die Nachricht durchs Netz. Zahllose Nachrufe und Erinnerungen erschienen. Und zwei Wochen später beginnt der Krieg ums Erbe mit Mordvorwürfen gegen den Manager. Die Beerdigung

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musste vorerst verschoben werden. Mit ”Th ree O’Clock Blues“ spielt Ende 1951 in Memphis ein junger Musiker die Platte ein, die den Beginn einer für den Blues einzigartigen Karriere markiert. Anfang 1952 erreicht diese Platte die Spitzenposition der nationalen R&BHitparade und bleibt dort fünfzehn Wochen.Riley B. King ist bereits seit ein paar Jahren Discjockey in Memphis und als ”Beale Street Blues Boy“ populär. Davon abgeleitet nennt er sich B. B. King. Was ist nun das Geheimnis des Erfolges vom ”Th ree O’Clock Blues“? Der Text allein kann es nicht sein, denn er handelt, wie viele Blues, von dem einsamen Mann, der den Verlust seiner Liebsten beklagt. B. B. King hat vor dem ”Three O’Clock Blues“ bereits acht andere Singles eingespielt, die ihm den Ruf eines soliden Könners eingebracht haben, den Namen aber außerhalb von Memphis kaum bekannt werden ließen. Seine Gitarrenarbeit verrät noch deutlich das große Vorbild T-Bone Walker, stimmlich ähnelt er ”sanften“ Sängern wie Charles Brown. Beim ”Three O’Clock Blues“ aber erzeugt er mit der Gitarre eine eigenartig gespannte Atmosphäre und singt dazu wie bei einer Gospelpredigt. Beide Stilmerkmale perfektioniert er und faszinierte damit auch im 21. Jahrhundert noch das breiteste Publikum, das je ein Blueskünstler

erreichte. Dabei verläuft sein Leben wie das vieler anderer Kollegen: Geboren wird er am 16.9. 1925 in der Nähe von Indianola im Mississippi-Delta. Die Eltern trennen sich, als er vier ist. Nach dem Tod der Mutter kommt er zur Großmutter, die ihm ihre tiefe Religiosität übermittelt. Mit zwei Schulfreunden gründet er eine Gospelgruppe. Nachdem er als Baumwollpflücker gearbeitet hat und kurze Zeit Soldat war (zwei Jahre gehörte er zur Reserve der Armee), geht er 1946 nach Memphis. Anlaufpunkt ist Bukka White, ein Cousin seiner Mutter, von dem er zehn Monate lang intensiv unterrichtet wird. Geld verdienen kann er mit der Musik allerdings nicht, und da ihn auch das Heimweh plagt, geht er zurück ins Delta, arbeitet dort als Traktorist und in der Freizeit als Musiker. 1948 zieht er wieder nordwärts, diesmal nach West Memphis, auf der Suche nach Sonny Boy Williamson II, den er im Delta kennengelernt hat und der in der Stadt täglich fünfzehn Minuten in einer kleinen Radiostation als Blues-Discjockey tätig ist. Nach einigen erfolgreichen Auftritten in der Radioshow erhält er erste eigene Engagements in der Stadt. Seine Zuhörer bekommen Ungewöhnliches zu hören: Delta Blues und die Gospelpredigten der Holiness Church auf der einen Seite und der Pionier der

MUSIK elektrisch verstärkten Jazzgitarre Charlie Christian und dessen Fan und Freund T-Bone Walker auf der anderen sind die stilistischen Grundlagen der Musik des jungen Riley B. King. Dazu kommen, für einen jungen Amerikaner dieser Zeit äußerst ungewöhnlich, Einflüsse Django Reinhardts. Die R adiostation W DI A in Memphis, die, eine Marktlücke frühzeitig erkennend, Ende der vierziger Jahre beginnt, ein Programm speziell für schwarze Hörer zu senden, beschäftigt King zuerst als Werbeträger für ein Arzneimittel, dann als Discjockey. Daneben spielt er unter anderem im Handy Park unweit der Beale Street. 1949 erhält der bereits recht populäre Sänger und Gitarrist die Möglichkeit zu Plattenaufnahmen. Den ersten Titel widmet er seiner Frau: “Miss Martha King“. Nach dem Riesenerfolg des “Three O’Clock Blues“ reist er mit einer nach dem Muster des Kansas City Jazz zusammengestellten Big Band durch das Land. Gleich zu Beginn erhält er Engagements in den drei größten Häusern schwarzer Unterhaltung: im Howard Theatre in Washington, D. C., im Royal Theatre in Baltimore und im berühmten Apollo Theatre im NewYorker Stadtteil Harlem. Für das Jahr 1956 registriert er 342 Auftritte, sogenannte One Nighters, das heißt Auftritte an ständig wechselnden Orten. Bald ist er der “King of the One Nighters“. Ein solches Leben ist hart, aber B. B. King hat damit Erfolg. Mit Beginn der Rock’n’RollWelle ist er aber weniger gefragt. In der Mitte der 60er Jahre fallen

auch im Blues die Rassenschranken. Junge weiße Musiker wie Paul Butterfield und Mike Bloomfield spielen den Blues mittlerweile ebenso kompetent wie ihre afroamerikanischen Vorbilder. Trotzdem dauert es noch einige Zeit, bis sich die Erkenntnis allgemein durchsetzt, dass es neben der in Chicago vorherrschenden Spielweise auch andere moderne Bluesformen gibt. Mike Bloomfield kündigt 1966

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einen Auftritt B. B. Kings in San Franciscos Fillmore West einem fast ausschließlich weißen Publikum damit an, dass gleich der beste aller lebenden Bluesgitarristen auf die Bühne komme. Sein aggressiver Vortragsstil, der Reaktionen des Publikums geradezu herausfordert, findet begeisterte Aufnahme. Mit “The Thrill Is Gone“ nimmt King erstmals eine echte Bluesnummer ein, die ein Streicherarrangement

Ja, damals die 3 Kings: Albert, Freddy und Riley. B. –Was für ein Dreigestirn! Ich glaube Freddy hatte am Anfang die größte Auswirkung auf die Gitarristen-Gemeinde. Denn er spielte mit Herz, und er war „aufmüpfig“- und er suchte neues. Albert war mehr die zentrale Schule – vielleicht mehr wie Otis Rush – wenn ich mich richtig erinnere. B.B. hatte die absolute Kraft in seiner Stimme. Da war er absolut „wehrhaft“. Er konnte dies gerade in seinen späteren Jahren mit seinem fast lieblichen Ton mit dem schönsten Vibrato der Welt wieder einfangen. Also ein echtes Wechselspiel zwischen Stimme und Instrument. Das machte ihn wirklich einzigartig, und bei wem sein Spiel und sein Gesang bis ins Herz vorgedrungen war, der wird es nie wieder vergessen- so wie man die Beatles und Stones oder Beethoven und Mozart nie vergessen kann.

Jürgen Kerth Wasser-Prawda | Mai 2015

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For The King Ich bin eigentlich kein großer Freund von Beileidsbekundungen oder Ruhe in Frieden wünschen, die nach dem Tod etwaiger Künstler oder Personen des öffentlichen Lebens durchs Internet geistern. Zu oft erlebt man, dass „likegeile“ Trittbrettfahrer Bilder und Videos posten. In einem 10 Zeilen Statement wird dann ausgedrückt, wie traurig sie sind und wie sehr sie diesen Menschen vermissen werden. Solche Aussagen scheinen dann manchmal unerträglich, hat man vielleicht selber im nahen Umfeld einen Menschen verloren. Am Morgen des 15. Mai musste ich lesen, dass B.B. King im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Puh eins kann ich euch sagen, kein noch so schriller Weckerklingelton hat mich schneller erwachen lassen als diese Nachricht. Ich lag danach noch eine Stunde im Bett und habe mir auf meinem Handy YouTube Videos angeschaut. Ich habe nicht geheult aber um ehrlich zu sein, ich hatte die ein oder andere Träne im Auge. Jetzt, eine Woche danach, kann ich sagen, dass ich viel über ihn nachgedacht habe. Für mich als Mensch, also persönlich, und für mich als Musiker hat dieser Mann viel bedeutet. Bin ich der einzige, der so denkt? Bestimmt nicht und das zeigt wie toll dieser Mann war. Leider kannte ich ihn ja nicht persönlich aber trotzdem dachte ich immer, dass ich keinem anderen Künstler näher bin. Wenn es mir mal nicht gut ging, dann hab ich

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B.B. King gehört. Wenn es mir mal richtig gut ging, dann hab ich B.B. King gehört. Aber nicht nur seine Platten zu hören brachte mich im näher, auch die Videos, Interviews und seine Biographie zu lesen hat mich tief beeinflusst. Ich glaube B.B. war ein guter Mensch. In meiner Familie verglichen wir ihn immer mit unserer Urgroßoma Berta. Sie wurde 100 und strahlte immer diese Wärme aus, von der ich glaube sie auch bei B.B. immer gespürt zu haben. Und beide konnten definitiv eine gute Geschichte erzählen. In meiner Geschichte hat B.B. King einen großen Platz eingenommen. Ich konnte ihn einmal in Hamburg live erleben und bin sehr dankbar für diesen Moment. Bei seinem Konzert in Frankfurt soll es damals Pfiffe gegeben haben. Ich bin froh, dass die Menschen in Hamburg damals mehr Fingerspitzengefühl und Respekt vor dieser Legende gehabt haben. Ich hab kein Plek gefangen und ich konnte mir kein Autogramm holen aber ich habe

jede Geschichte genossen, jeden falschen Ton ignoriert und richtiges Glück empfunden. Jetzt, eine Woche nachdem er gestorben ist, gibt es ein paar Dinge die anders sind. Ich höre zwar immer noch jeden Tag B.B. aber ich glaube jetzt ist es eine andere Art von Selbstverständlichkeit. Sein Wunsch war es seine Musik rund um den Planeten zu tragen und Menschen zu begeistern. Das hat er geschaff t. Er hat seine Geschichte bis letzte Woche selbst erzählt, stand bis zuletzt auf den Bühnen dieser Welt und hat den Blues repräsentiert. Wenn ich nun ‚Blues On Top Of Blues‘, ‚Live At The Regal‘ oder ‚The Jungle‘ auflege, dann wird mir bewusst, wie wichtig ist es, dass die Leute ihn nie vergessen und wir seine Geschichten und seine Musik weitertragen. Ich hoffe, dass alle die ihm letzte Woche die Ruhe im Frieden gewünscht haben, ihn heute nicht anfangen zu vergessen. Danke B.B.

Till Seidel

MUSIK aufweist. Dieser Titel ist sein bisher größter Erfolg, er gelangt auch in die Pop-Hitparaden. In den siebziger Jahren wendet sich King mit seinen Platten an ein immer breiteres Publikum, was z.T. zu einer Verflachung seiner Musik führt. Daneben produziert er jedoch weiterhin ausgezeichnete Bluesplatten, z. B. die LP “In London“, auf der er von Musikern der britischen RockBlues-Elite begleitet wird. 1973 sitzt Stevie Wonder für die Aufnahme “To Know You Is To Love You“ am Piano. Ansonsten versucht sich B. B. King auch mit Philly-Sound und als Soulsänger, nimmt Werbespots für Colgate-Palmolive, Pepsi-Cola und A.T.& T. auf und schreibt die Musik für Fernsehserien. Nebenbei wurde B.B. King zum meistbeschäftigten Globetrotter des Blues, trat bei internationalen Blues- und Jazz-Festivals auf und stattete im Namen des amerikanischen Außenministeriums mehreren afrikanischen Staaten einen Besuch ab. Auf einem seiner stärksten Alben der letzten Jahrzehnte versammelte er Mitte der 90er die Creme de la creme des Blues zu einem Gipfeltreffen. Hier kam es erstmals zu einem Duett mit dem anderen der damals größten lebenden Bluesmusiker: John Lee Hooker. Daneben sind beim „Blues Summit“ auch noch Buddy Guy, Koko Taylor, Ruth Brown und Albert Collins dabei. Mit Eric Clapton spielte er danach noch bei „Riding With The King“ zusammen. Mit den verschiedensten Produzenten erschienen immer neue Alben, während er unermüdlich durch die Welt tourte. Raimund Nitzsche.

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Why I sing the Blues Für einen selbst ist es glasklar, sodass man darüber nicht nachdenken muss. Man muss ja auch nicht darüber nachdenken, dass man essen, trinken und lieben muss. Es geht erst dann los, wenn man, statt zuhause auf dem Sofa zu sitzen und zu spielen und erzählen, anfängt es jemand anderem zu erzählen. Es hat wirklich nichts mit der Idee zu tun dafür etwas zurück zu bekommen. B.B.King hat gesagt „ich hätte es sowieso gemacht, aber die Leute geben mir Geld dafür, worüber ich sehr dankbar bin“. Musik braucht nicht immer Zuhörer, aber immer jemanden, der sie macht. Ein Kind kann alleine mit sich selbst spielen, sich eine Phantasie erschaffen und dabei das Zeitgefühl verlieren. Vielleicht wird deshalb in den meisten Sprachen auch vom „Spielen“ gesprochen, wenn es ums Musizieren geht. Welches Kind denkt darüber nach, ob es beim Abtauchen in die Phantasie von anderen bewundert oder amüsiert beobachtet wird? Man wundert sich, wie ein Kind so schnell von allen Sorgen abgelenkt wird - sich selbst ohne Nachdenken ablenkt. Und wie es durch das Spiel seine Erlebnisse verarbeitet. So geht es vielen Musikern. So geht es allen Bluesspielern. Ich habe B.B.King vor zehn Jahren in Bonn auf der Museumsmeile erlebt. Seine Tournee zum 80. Geburtstag. Es war eine Freude ihm beim Spielen zuzuhören und zuzusehen. Er brauchte keinen Abenteuerspielplatz - nur seine Spielkameradin Lucille.

Guido Molzberger

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MUSIK

Irgendwie hat er die Welt verändert Wie jeder Musiker oder Americanaaffiner Fan traf mich das Ableben BB Kings zwar nicht aus heiterem Himmel aber dennoch ließ es mich ganz sicher nicht kalt. Im Gegenteil. Denn irgendwie hat es die Welt verändert, und ist natürlich auch ein weiteres Zeichen einer sich verändernden Welt... Seit ich auf der Erde bin gab es BB King. Ich komme nicht aus einem übermäßig musikalischen Haushalt, es gab keine elterliche Plattensammlung die mich sozialisierte. Aber Musik wurde in meinem Elternhaus mit dem Respekt begegnet der ihr zusteht, und jeder in unserer Familie – ob man nun einen Titel kannte oder nicht – wusste dass BB King der King of the Blues ist. Das ist eine nicht zu unterschätzende Reichweite für einen Schulabbrecher aus Itha Bena, jenem Städchen im immer noch strukturschwächsten Staat der U.S.A.. Wie hat er das angestellt? Zu allererst eisenharte Arbeit und beeindruckende Ausdauer. Roadwork. Dies ist zwar ein verhältnismäßig weit hergeholter Vergleich und Kings nicht würdig, aber als Teenager stand ich wie so viele auf Punkrock. Also besorgte ich mir „Get in The Van – On The Road With Black Flag“ von Henry Rollins, sein Tourjournal aus den frühen 80ern als er der Frontmann der Band in ihrer erfolgreichsten Phase war. Im Endeffekt heult er sich über knapp 300 Seiten über die Wasser-Prawda | Mai 2015

Beschwerlichkeiten des Tourlebens und die Menge an Gigs aus die er mit der Band in knapp fünf Jahren absolvierte. Das ganze Buch bekommt im Direktvergleich zu Kings Stamina eine tragikomische Note und ist gelinde gesagt völlig diskreditiert, sieht man sich Kings Biografie an. Und BB King erledigte es wie es sich für einen Regenten gehört in Würde. Gut gekleidet, bescheiden, eloquent und lächelnd. Das ist eine Beispielhaftigkeit die ganz und gar universell ist und der jeder folgen sollte, ganz gleich welcher Profession man nachgeht. Es hat ihn also immer gegeben. Man selbst geht irgendwo einkaufen, oder sitzt im Zug, woanders auf der Welt spielt BB King eine Show. Kommt lächelnd auf die Bretter und spielt DIESEN EINEN TON. Es ist nicht auszumalen wen er alles hat kommen und gehen sehen. Jeden. Natürlich war er verhältnismäßig früh bereits eine Projektionsfigur geworden, bei seinem LiveAid Auftritt war er Ende 50, kein Alter für einen Bluesman, aber bereits Legende. Es ist in seiner Biografie ein ziemlicher Glücksgriff dass ihm der Crossover zum weißen Publikum gelang, seit den späten Sechzigern wand sich das Gros der afroamerikanischen Heads anderen Stilen zu, Blues war Onkel Tom und King kommentierte geknickt es sei als wäre man black twice. In England wurde er dankbar aufgenommen und Live in London legt ein beeindruckendes Zeugnis ab. Das war die erste Platte die ich mir von ihm zulegte, es folgten einige andere. Bis auf Riding with

the King und Deuces Wild nur Livealben übrigens. Es ist allgemein bekannt dass BB King auf der Bühne eine Naturgewalt war, dazu braucht es nicht einen Kommentar eines Fans aus dem Rheinland in Deutschland, das ist common sense auf jedem Kontinent dieser Erde. Ja richtig, ich bin zuversichtlich die Wette zu gewinnen dass es selbst in der Chilenischen Captain Arturo Prat Base in der antarktischen Eiswüste jemanden gibt der weiß wer BB King ist. Und er hat sich die Welt trotz seiner diplomatischen Aura völlig kompromisslos Untertan gemacht: mit seiner ureigenen Stimme nämlich. En passant schrieb er dabei das Buch der elektrischen Gitarre. Das Buch der Performance. Seine Leistungen sind schlicht off the charts und übersteigen hundertfach was ich an dieser Stelle schreiben könnte. Ich tue ich mich ein wenig schwer mit diesem Nachruf, es hat den Beigeschmack anmaßend zu sein. Deswegen möchte ich ihn auch bald beschließen. Jedem von euch wird BB King genauso fehlen wie mir. Aber über einen Umstand kann man an dieser Stelle einmal für einige Minuten die Gedanken kreisen lassen: BB King hat diese Welt als einen besseren Ort verlassen als er sie vorgefunden hat, und das ist zu einem nicht unerheblichen Teil sein eigener Verdienst. Das ist königlich.

Thilo Hornschild

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IM PR EESS SSII O N E N VON KARSTEN SPEHR

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RANDY CHORTKOFF (1950-2015) VON RAIMUND NITZSCHE Als Produzent, Labelchef und Konzertpromoter gehörte Randy Chorkoff seit Jahren zu den wich gsten Figuren der Bluesszene in Kalifornien. Auch als Mann hinter der All-Star-Band The Mannish Boys und als Harpspieler Wasser-Prawda | Mai 2015

wird er in Erinnerung bleiben. Am 5. Mai verstarb er in seiner Heimatstadt Los Angeles im Alter von 65 Jahren. Wenn man bei Bluesfans bestimmte Plattenlabel nur nennt, dann haben diese sofort eine klare Vorstellung von deren Musik vor dem inneren Ohr. In den letzten Jahren gehörten das 2005 ins Leben gerufene kalifornische

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Label Delta Groove Productions und das Tochterlabel Eclecto Groove zu diesen prägenden Plattenfirmen. Musiker wie Rod Piazza, Lynwood Slim, The Mannish Boys gehörten ebenso zu dieser Labelfamilie wie Ana Popovic oder Jason Ricci. Schon einige Jahre lang hatte der schon als Kind mit Blues und Jazz aufgewachsene Randy Chrotkoff Alben mit Musikern wie Billy Boy Arnold, King Ernest oder Finis Tasby produziert und bei Labels wie Alligaror oder Evidence veröffentlicht. Doch als er keine Partner für seine Produktionen mit Kirk Fletcher und Franck „Paris Slim“ Goldwasser finden konnte, veröffentlichte er sie selbst und vergab Lizenzen an Cross Cut in Deutschland. Bald danach kamen Rod Piazza & The Mighty Flyers und Mitch Kashmar heraus. Und bald danach gründeten sich The Mannish Boys als Supergroup des Labels, bei denen im Lauf der Jahre Finis Tasby, Johnny Dyer, Kirk Fletcher und viele weitere Musiker spielten und sich Gäste wie Paul Oscher, Mickey Champion oder Roy Gains für Alben und Konzerte einluden. Die Mannish Boys waren so etwas wie die ultimative Bluesband der kalifornischen Szene geworden. Und Chortkoff war nicht nur der Produzent sondern auch der Harpspieler der Truppe. Vor Jahren fragte man ihn in einem Interview, wie seiner Meinung nach die Zukunft der Bluesmusik aussehen würde. Hier eine Übersetzung seiner Antwort:

Gut hoffe ich, oder ich werde nicht viel zu essen haben! Aber ernstha : Wenn so viele junge Menschen den Blues fühlen konnten, als sich Bluespla en noch in Millionenzahlen verkau en, warum können sie das heute nicht? Ich glaube, das liegt daran, dass man ihnen den Blues nicht nahebringt. … Wie Albert King einmal sagte: Wenn Du diese Musik nicht schätzen kannst, dann hast Du ein Loch in Deiner Seele! - Wir brauchen eine weitere Bri sh Invasion!

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INTERVIEW

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I M GESPRÄ C H M I T B I LL W YM A N VON IAIN PATIENCE. FOTOS: KARSTEN SPEHR Wenn man sich mit dem früheren StonesBassisten Bill Wyman unterhalt, beginnt das natürlich musikalisch. Doch schon bald wird man durch und mit Bill und seinen weiteren Leidenscha en Fotografie, Geschichte und Archäologie fortgerissen. Insgesamt ist das ein interessanter Ri , ein überraschendes Abenteur, wo er in einer Minute über Musiker witzelt und in der nächsten über das Finden römischer Münzen, interna onale Foto-Ausstellungen und den ironischen Fakt, dass er niemals in der Lage war, die Stones auf der Bühne zu fotografieren, weil er mit ihnen auf derselben stand. „Aber ich hab all die BackstageFotos. Die interessanteren, wo sich Mick Jagger die Socken anzieht“, lacht er. Da lauert etwas hinter jeder Ecke bei diesem komplexen Mann, der sich für so viele Dinge mehr interessiert, dass allein das Zuhören anstrengen und berauschen kann,

ganz zu schweigen davon, wie er sich über die vielfältigen Aktivitäten dem diesjährigen Meilenstein nähert. Mit der bevorstehenden Veröffentlichung seines ersten Soloalbums seit über 30 Jahren erklärt er, dass das Material auf der neuen Platte „Back To Basics“ aus einem Mix von alten Liedern, die er geschrieben und als Demos aufgenommen aber nie veröffentlicht hat und neuen besteht, die speziell für dieses Projekt geschrieben wurden. Alle wurden auf einem Heimrekorder aufgenommen, reduziert bis auf die Knochen – im wahrsten Sinne „Back To Basics“ – und die musikalische Begleitung wurde auf ähnliche Weise aufgenommen mit Wyman selbst an Bass und Gesangsmikrophon, begleitet von einigen seiner besten Freunde, von Soulblues-Sängerin Beverlee Skeet und Gitarrist Terry Taylor, beide aus der Kernbesetzung seiner anderen großartigen Band The Rhythm Kings. Hinzu kommt noch Mark Knopfler‘s Kumpel Guy Fletcher als Keyboarder und Produzent Glyn Johns. So entstand ein einzigartig kraftvolles, souveränes und selbstbewusstes Album. Schon jetzt erhält es positive Kritiken rund um die Welt, und Wyman ist sichtbar zufrieden zu wissen, dass er noch großartige

Songs wie aus dem Hut hervorbringen kann. „Es ist interessant,“ merkt er an: „Das Feedback war bisher großartig, wirklich positiv. Einige – meistens andere Musiker – haben mir gesagt, einige der Texte seien ein wenig verschroben.“ Ein Stück, der Opener des Albums mit insgesamt zwölf Liedern, „What & How & If & When & Why“ erscheint auch als Single, ein Lied mit einem leicht bedrohlichen, fast unheimlichen Unterton. Er sagt, er habe es urpsprünglich geschrieben, nachdem er Bob Dylans Video für „Subterranean Homesick Blues“ gesehen habe, wo er Blätter mit Wörtern zur Seite wirft. Aber das herausgekommene Lied ist überhaupt nicht wie Dylans, fügt er hinzu. Der Text schildere seine Sorgen über den Lauf der Dinge allgemein und das Leben auf den Straßen heutzutage. „Glyn Johns und ein Haufen anderer Musikerfreunde haben es angehört und meinten, es würde einge gute Single ergeben. So hab ich das gemacht“, sagt er. Gefragt, warum so lange Zeit zwischen seinen Soloalben liegt, legt er nur klar, was aus seinem umfangreichen Lebenslauf deutlich wird: Er war einfach zu sehr damit beschäftigt, sein Leben zu führen und die Unmenge anderer Interessen zu verfolgen: FotograWasser-Prawda | Mai 2015

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fie, Geschichte/Archäologie, die Entwicklung von Metall-Detektoren und The Rhythm Kings. Er ist auch verdientermaßen stolz auf sein preisgekröntes Buch „Bill Wyman‘s Blues Odyssey“, das 2002 von der amerikanischen Blues Foundation mit dem „Keeping The Blues Alive Award“ für Literatur ausgezeichnet wurde. „Buddy Guy und BB (King) sagten mir, es sei das beste Buch über die Musik, das sie gelesen hätten. Das bedeutete mir eine Menge.“ Ein Mann vieler unerwarteter Seiten ist unser Bill, viel mehr als nur ein weiterer alter Rock & Roller, soviel ist klar. Eine Karriere an der Spitze der Musikszene mit Wasser-Prawda | Mai 2015

den Rolling Stones wäre für die Meisten mehr als genug gewesen. Aber er setzte sich nicht einfach zur Ruhe, nachdem er die weltgrößte Rock & Roll Band 1993 verlassen hatte. Während der 80er Jahre, als er noch mit den Stones unterwegs war, begann er eine neue Karriere in der Musikszene mit dem großen internationalen Überraschungshit „Je Suis Un Rock Star“, den er ursprünglich als Demo für den verstorbenen Ian Dury geschrieben hatte. Aufgenommen wurde der Song dann mit großem Erfolg von Bill Wyman. Später gründete er die band Willie and The Poor Boys, eine Gruppierung, die ein Vor-

bild, quasi ein Prototyp für sein gegenwärtiges Vehikel für Touren und Plattenaufnahmen, The Rhythm Kings. „Back To Basics“ ist ein Album, das ohne Anstrengungen Rock mit Bluesuntertönen mischt und eine Aura von trügerischer Lässigkeit mit Songs, die unter die Haut gehen. Und auch wenn er jetzt eine Menge Promotion im Radio und anderen Medien macht, um das neue Album zu bewerben: so bald wird er damit nicht auf Tour gehen - wenn überhaupt. „Ich bin kein offenherziger Mensch. Ich kann das nicht. Das ist eines der Dinge, an denen man wirklich arbeiten

INTERVIEW muss. Aber das bin ich nicht! Ich find es zu schwer zu versuchen, gleichzeitig zu singen und Bass zu spielen! Ich mach das mit den Rhythm Kings mit unseren alten Songs, aber wenn ich Bass spiele, vergesse ich die Worte. Und wenn ich singe, tendiere ich dazu die Basslinie zu vergessen. Das ist also nichts für mich“, spottet er reumütig. „Ich war normalerweise im Hintergrund mit Charlie und hielt den Beat kräftig und solide, hielt den Rhythmus und war nicht im Vordergrund mit Mikro wie Mick.“ Heutzutage komponiert er mit der Hilfe einer akustischen Gitarre, wo er die Melodie zusammenbring mit Bassläufen und dem Spiel auf einzelnen Saiten. „Ich mach keine Akkorde“, sagt er. „Obwohl ich auch ein wenig Piano gespielt habe.“

Als ich beiliäufig meine eigene Liebe zur Bluesmusik erwähne, explodiert er förmlich vor Interesse und erzählt, wie er plötzlich bei einer seiner Töchter im Teenageralter herausgefunden hat, dass sie sich für diese Musik zu interessieren beginnt, ein Musikgenre, das für viele junge Mengen wenig attraktiv zu sein scheint. So frage ich ihn: Hast Du ein Lieblingsstück im Blues? Er wird still und sagt nach paar Sekunden stillem Nachdenken: „Howlin Wolf mit Goin Down Slow, die Version mit Willie Dixon. Und Muddy, das versteht sich ja von selbst.“ Wyman hat natürlich mit Howlin Wolf aufgenommen und erinnert sich sehr gut an die Session. Am Ende kann ich der Versuchung nicht widerstehen und frage ihn, ob er einen Lieblingstrack von den Stones hat. Wieder denkt

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er nach, bevor er bestätigt, das „Parachute Woman“, einer von deren weniger bekannten Songs vom 1968er Album „Beggars Banquet“ sein Favorit ist. Nicht nur das, der Mann steigt mit seiner charakteristischen rauhen Stimme in den Text ein, bevor er noch anmerkt, dass das eines der Stücke ist, die selten zu hören sind oder gespielt werden. “Das erinnert mich an Bo Carter und die Doppeldeutigkeit vieler alter Bluesnummern“, merke ich an. “Parachute woman, land on me tonight,” witzelt er zustimmend und lacht. Bill Wymans neues Album „Back To Basics“ soll am 22. Juni beim Label Proper Records herauskommen.

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S ÜDS TAAT E N G L A N Z I N M Ü NC HE N IM GESPRÄCH MIT WARREN HAYNES (GOV’T MULE). TEXT: MARIO BOLLINGER, FOTOS: CHRISTOPHE RASCLE Nach der Veröffentlichung von 4 umfangreichen Livealben von Gov’t Mule zu deren 20-jährigen Bühnenjubiläum und dem Auss eg von Warren Haynes aus Wasser-Prawda | Mai 2015

der Allman Brothers Band waren wir sehr gespannt, was Warren Haynes uns vor dem Konzert am 8. Mai 2015 in der Theaterfabrik zu erzählen ha e.

WP: Die letzen 4 Alben wurden live zwischen 1999 und 2008 aufgenommen und das letzte Studioalbum war Shout! in 2013. Warum erschienen die Live CDs so spät? Warren Haynes: Die Alben gab es zum 20-Jährigen Jubiläum von uns. Wir haben uns entschieden, in die

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Archive zu gehen, um die Shows zu veröffentlichen, die unsere Fans zu Ehren des 20-jährigen Geburtstags gerne von uns hören würden. W P: Wann gibt es ein neues Studioalbum? Warren Haynes: Ich werde im Juli ein neues Soloalbum veröffentlichen. WP: Im Rahmen von der Warren Haynes Band? Warren Haynes: Nein, es wird ganz was anders. Es wird mehr “Warren Haynes featuring Railroad Earth”. Das ist eine US Band, die komplett akustisch mit Mandoline, Geigen, akustischer Gitarren und Kontrabass instrumentiert ist. Das Ganze kommt aus der Folkrichtung. WP: Ist es wahr, dass Eure Fans Songs und Videos von Eurer Webseite laden können? Warren Haynes: Keine Videos. Aber wir haben eine Webseite muletracks.com und jede Show, die wir seit 2004 gemacht haben, ist dort als Aufzeichnung vorhanden. Wir machen dazu einen speziellen Livemix von jeder Show und selbst heute Abend nehmen wir auf. Wir haben es unseren Fans immer erlaubt, selbst die Konzerte aufzunehmen. Aber hier bieten wir die Songs in besserer Qualität an. WP: Umsonst? Warren Haynes: Nein, es ist nicht umsonst. WP: Viele Eurer Alben sind mit Freunden z.B. Gregg Allman und John Scofield aufgenommen. Was steckt hinter diesen Einladungen und supporting acts? Warren Haynes: Es ist ein Teil vom dem, wie wir so sind. Wir laden

Freunde auf die Bühne oder sogar ins Studio ein. Im Fall von den genannten Gregg Allmann, John Scofield, John Popper oder Toots Hibbert sind das immer lange Shows. Ein großer Teil der Show ist mit uns und ein Teil ist eben mit den Gästen. Wir möchten damit eine lange Show einfach immer interessant machen.

oder 4 Jahren davon sprach, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Wir waren uns dann alle einig, dass der 45. Geburtstag auch die letzte Tour darstellt. Und als es dann langsam näher kam, versuchte eine Person alle zu überzeugen, das Ganze doch am Leben zu erhalten. WP: Die eine Person warst Du? Warren Haynes: Nein. Ich und Derek WP: Allman Brothers Band, Gov’t Trucks hatten bereits Zukunftspläne Mule and Warren Haynes Band! und es gab es kein Weg zurück. War das eine Band zu viel? Wir hatten uns wirklich geeinigt, Warren Haynes: Nein, ich mag es, dass der 45. Geburtstag der richtige von Einem zum Anderen zu gehen. Zeitpunkt war, aufzuhören. Ich mag die Herausforderung, mich in vielen verschiedenen WP: Du spielst Gibson Les Paul und ES Gitarren. Spielst Du auch Zusammenhängen auszudrücken. daneben noch andere Modelle? WP: Du hast die Allman Brothers Warren Haynes: Ja, je nach dem, Band zeitgleich mit Derek Trucks was die Situation erfordert. Bei verlassen. Was das offensichtlich, „Dark Side of the Mule“ habe ich dass damit die Allman Brothers eine Fender Stratocaster benutzt, Band tot war? um ein bisschen mehr an den Sound Warren Haynes: Nein, das wurde von David Gilmore ran zukommen. es in der Presse missverständlich Auf dem neuen Album „Ashes and dargestellt. Die Wahrheit ist, dass Dust“, die im Juli rauskommt, spiele die Allman Brothers Band seit 3 ich viel auf einer D’Angelico Hallow Wasser-Prawda | Mai 2015

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INTERVIEW ausverkauft) ? Warren Haynes: Klar, jeden Tag entdecken immer mehr Menschen unsere Musik WP: Was weist Du von München und was hast Du am Wochenende gemacht? Warren Haynes: Am Wochenende habe ich geschlafen. Ich war ja schon ein paar Mal hier und kenne schon ein bisschen was. Aber ich hatte nie Gelegenheit, rumzugehen und Dinge anzuschauen.

Body Jazz Guitar WP: Wie kontrollierst Du auf der Bühne verschiedene Sounds und Lautstärken? Warren Haynes: Normalerweise verwende ich auf der Bühne 2 Amps, aber nicht gleichzeitig sondern alternativ. Einer ist ein bisschen cleaner als der Andere, aber keiner von Beiden ist komplett clean. Der eine basiert mehr auf einen Fender und der Andere kommt mehr von Marshall. Aber aus den verschiedenen Sounds von Beiden kann ich sehr viele meiner Sound generieren.

„Done Got Wise“ eingespielt habe. WP: In dem Video mit Toots Hibbert kann man einen Roadie sehen, der während des Konzerts permanent auf dem Bühne hinund her marschierte. Stört Dich sowas? Warren Haynes: Er hatte wohl was zu tun und was gemacht werden muss, muss getan werden

WP: Wann warst Du das letzte Mal in Europe oder München? Warren Haynes: Ich war bereits zwei Mal in München, in Deutschland war ich schon öfters. Das letzte Mal WP: Welches Tuning verwendest sogar letzes Jahr. Wir versuchen Du, wenn Du Bottleneck spielst? aber öfters zu kommen, da das tolle Warren Haynes: Die meisten Songs Publikum hier es verdient, uns öfters spiele ich mit standard tuning. Ich zu sehen. verwende natürlich auch andere W P: Die Konzertstätten hier Tunings. Wenn ich in USA unter- sind kleiner als Eure Konzertsäle wegs bin, habe ich viele Gitarren in USA. Wären da nicht größer dabei. Die habe dann open G tuning Venues möglich, damit Euch mehr oder 2 verschiedene open C tunings Menschen sehen können (Anm. oder ein drop D oder manchmal d. Redaktion: Die Theaterfabrik open A. Durch Zufall habe ich ein war mit ca. 1200 Gästen nahezu E7 tuning entdeckt, mit dem ich Wasser-Prawda | Mai 2015

WP: Gibt es einen privaten Warren Haynes und was macht er dann? Warren Haynes: Mein Zeitplan ist sehr dicht. Wenn ich mal nicht arbeite, verbringe ich meine wenige Zeit mit der Familie. WP: Hast Du eine große Familie? Warren Haynes: Nein, ich bin verheiratet und habe einen dreijährigen Sohn. Daher ist es für mich wirklich wichtig, meine Zeit dort zu verbringen.

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G O V ’ T MULE IN D E R M Ü NCHNE R T H EATERFA BRIK ( 8. M A I 2015) TEXT: MARIO BOLLINGER, FOTOS: CHRISTOPHE RASCLE Wenn man auf ein Konzert von Warren Haynes geht, muss man viel Zeit mitnehmen. Auch wenn das Ticket fast 40Euro gekostet hat und die Theaterfabrik nicht unbedingt zu den akus sch besten Hallen

Münchens zählt, war es jeden Cent wert. Nach dem Exklusivinterview mit Warren Haynes waren wir natürlich auf das Konzert gespannt. Die über 1000 Personen fassende Halle war vermutlich

ausverkau . Gov’t Mule kam zeitig auf die Bühne. Ohne Ansage überwältigte eine gewaltige Einakkordfolge mit kleiner Improvisation das Publikum. Die Gewalt des Sounds in den ersten Reihen war fulminant und mit „Brand New Angel“ zelebrierte die Band gleich mal die härtere Seite der Band. Warren Haynes Wasser-Prawda | Mai 2015

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spielte zur Abwechslung mal eine Gibson Firebird Non Reverse mit Humbucker Pickups. Nach dem sich Bassist Jorgen Carlsson mit ein paar Licks und Solos zu Wort gemeldet hat, wurde auch schnell klar, dass der Sound nicht optimal war. Bass und Gesang waren zu diesem Zeitpunkt schwammig eingestellt. In typischer Warren Haynes Manier wurden die Stücke auf die minimalen Gesangsstrophen reduziert und auf maximale Sololänge gespielt. Warren Haynes, Jorgen Carlsson und Keyboader Danny Louis spielten sich sozusagen immer wieder die Bälle gegenseitig zu, um ihre Solos nahtlos aneinander zu reihen. Kein Stück ging hier unter 6-7 Minuten zu Ende. Erst nach 45 Minuten und gefühlten 3 Songs kam Gov’t Mule in ruhigeres Fahrwasser. Überraschend präsentierten sie den Led Zeppelin Song „D‘yer Mak‘er“, ebenso stand plötzlich Keyboarder Danny Louis zur Unterstützung von Warren Haynes mit einer Gitarre hinter seiner Keyboardburg. Mit einem wortkargen, aber mit Endlossolos versehenen “Mule“ ging nach 60 Minuten Spielzeit die Band erst mal in die Pause. Da mich der Sound im vorderen Teil der Halle erst mal förmlich erdrück hat, ging ich in den hinteren Teil der Halle, wo man andere geneigte Musiker und Gov’t Mule Fans wie Rusty Stone samt Bassisten Mr. C. P. traf. Der 2. Teil begann wie der erste Teil geendet hat. Phantastischer, wahwah-geschwängerter Gitarrensound zum Reggae „Unring the bell“, Wasser-Prawda | Mai 2015

Warren Haynes toller melodischer Gesang. Dann ein Drumsolo von Matt Abts - einem Phänomen, das die jüngeren Musikhörenden aus den vorproduzierten Radiosongs gar nicht mehr kennen. Wen die Songfolge des Münchner Konzerts interessiert, kann sie auf muletracks.com nachlesen und auch das Konzert als Bezahldownload erwerben. Gottseidank hatte der Tontechniker ein Einsehen und optimierte den Sound vor allem um den Bass von Jorgen Carlsson. Ca. um 23Uhr15 ging das eigentliche Konzert zu Ende. Gov’t Mule ließ es sich aber in seiner Spielbegeisterung nicht nehmen, nach fast 3 Stunden Spielzeit noch eine Zugabe zu spielen. Und jetzt kommt er doch noch durch - der Blues – meinte der Musikfan. Weit gefehlt, denn was als toller Gitarrenblues begann, endete in Warren Haynes bekanntesten Superstück, nämlich dem „Soulshine“. Warren Haynes, eher ein Mann der wenigen Worte, erklärte zu dem Song sogar, dass der „Soulshine“ sein Kindheitsnickname war, den ihm sein Vater gab. Im zwanzigsten Jahr seines Bestehens hat also Gov’t Mule nichts von seiner Attraktivität verloren. Auch wenn es nicht das typische Bombastkonzert à la „Dub Side of the Mule“ war, hat mich doch die Spiellaune, Solos und Improvisationen von Gov’t Mule gefallen. Wer es noch mal erleben will, geht in den nächsten Tagen auf muletracks.com und geniest das Konzert noch mal zu Hause. Vielleicht sogar in besserer Qualität als in der Theaterfabrik.

Setlist • • • • • • • • • • •

SET ONE Bad Little Doggie > Brand New Angel About To Rage Larger Than Life > No Need To Suffer > Child Of The Earth Frozen Fear > D‘yer Mak‘er > Frozen Fear Jeep On 35 Mule

SET TWO • Far Away • Unring The Bell > with Les Brers In A Minor tease • Endless Parade • Thelonius Beck > • Drums • Whisper In Your Soul • She Said, She Said > • Tomorrow Never Knows



ENCORE Soulshine

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E IN FAZIT NA C H 1,5 JA HR E N I M MUSIKGE SC HÄ FT IM GEPSRÄCH MIT JESPER MUNK BEIM IRSCHENBERG FESTIVAL. TEXT: MARIO BOLLINGER, FOTOS: CHRISTOPHE RASCLE Jesper Munks neue CD ist raus und er spielt bei mir zu Hause um die Ecke auf dem Irschenberg Fes val. Eine gute Gelegenheit, mit Jesper nach unserem ersten Gespräch 2013 Wasser-Prawda | Mai 2015

wieder ein paar Worte zu wechseln. Jespers neue CD Claim haben wir ja schon in der WasserPrawda rezensiert und nun interessieren uns natürlich die Details und vor allem, was seit dem letzten Mal so

alles passiert ist. Zur Erinnerung – Jesper Munks CD sorgte im Blues- und Jazzlager für Furore. Es gab Lorbeeren ohne Ende aber man wollte wissen, was danach kommt.

INTERVIEW Noch heute tun sich die eingefleischten Bluesfans schwer mit Jespers Stil. Aber das Publikum in den Konzertsälen ist begeistert. Wenn einer glaubt, die Halle ist voll kreischender Mädchen, irrt er. Dort steht vor allem ein erwachsenes und begeistertes Publikum jenseits der 30.

verschieden sind. Es wäre auch unnatürlich gewesen, ein ganz homogenes Album abzugeben. So war die Zeit einfach nicht, es ist nun mal eine Reflexion von mir selbst. WP: Was hast Du reflektiert? Jesper Munk: Erfa hrungen, Erlebnisse..

W P: Das A lbum hat mehr Garagenblues wie das erste WP: Was war der von Dir mar- Album. Ist das die Handschrift kierte „Claim“ oder Anspruch der von Jon Spencer? CD? Jesper Munk: Auf der ersten Jesper Munk: „Claim“ ist das Fazit Ebene ist es der Sound, den er als von 1.5 Jahren von was man im Sounddesigner hinterlassen hat und Groben Musikgeschäft nennen auf der anderen Ebene war das von darf. Viel ist an mir vorbeigeschos- mir auch so gedacht. sen, Lehren und Fehler die man so gemacht hat. Der Anspruch ist da WP: Erinnerst Du Dich an Deinen mehr an mich selbst gestellt. Es geht Plan B? Ist der mittlerweile in weite Ferne gerückt? mehr um ethische Dinge. Jesper Munk: Gitarrenbauer? Nicht WP: Zum Beispiel? Jesper Munk: Rücksichtnahme, wirklich viel weiter als vorher schon. Ehrlichkeit, konventionsloses oder Wirklich was darüber gelernt habe ich nie, aber das Berufsbild erscheint konventionsgeführtes Leben mir immer noch charmant. WP: Ordnung? Jesper Munk: Ja, Ordnung ist auch WP: Die Frage geht eigentlich in eine andere Richtung. Ist das, immer so was Schwieriges, gell? was Du jetzt machst, wesentlich WP: Deine neue CD unterscheigesetzter als vor einem Jahr? det sich von Deiner 1. CD vor Jesper Munk: Ich denke auf jeden allem im differenzierten Sound. Fall soweit gesetzt, dass ich mich War das bedingt durch die darauf einstellen kann. Wer sich vielen Produzenten, die Du für nach über einem Jahr nicht auf sein das Album eingesetzt hast (Jon Berufsbild einstellen kann, wird da Spencer, Mocky, Sepalot, Rainer nie wirklich ankommen und das Germann und Jesper Munk)? habe ich nicht vor. Jesper Munk: Ich glaube, dass es WP: Das Album ist immer noch verschiedene Ebenen gibt und man sehr dominiert durch Deine das differenziert betrachten muss. kleine Band mit Deinem Vater Es ist natürlich klar, dass verschieam Bass, Clemens Graf Finck von den Produzenten ihren eigenen Finckenstein/Drums und geleFingerabdruck hinterlassen haben. gentlich Louis von Stebut). Gibt Die Songs sind auch in sich sehr es einen Plan, den Sound durch

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mehr Musiker zu erweitern? Jesper Munk: Wir waren immer zu Dritt und seit einem Jahr spielt der Sasseh am Bass. Der Louis ist jetzt als vierter Mann dabei. Ich selbst spiele die Gitarre und der Louis spielt eben die zweite Gitarre und Keyboard. Damit ist es schon mal breiter geworden und noch breiter brauche ich es nicht. Es muss immer dazu passen, was ausgesagt werden soll. WP: In einem Video spielst Du eine Höfner Strat. Ist das wieder eine typische Leihgabe an Dich oder Dein Understatement? Jesper Munk: Ich habe eine Höfner Akustikgitarre. Ich so ein paar alter Gitarren gesammelt. Es war aber nie das Kriterium, dass sie alt sind. Aber die alten Gitarren bringen den Eigencharakter mit und ich suche danach aus, was passt. WP: Aber das ist jetzt Deine eigene Gitarre? Jesper Munk: Ja, aber meine Hauptgitarre ist immer noch die von einem Freund geliehene Fender Strat, halb Mexico halb Japan. WP: Erzähl uns doch was zu Mocky und Sepalot. Welche Rolle spielen diese Partner für Dich? Jesper Munk: Bei Mocky war ich alleine ohne Band in Los Angeles und habe seine Freunde als Musiker gehabt. Ich konnte dadurch viel lernen. Nicht, dass ich dadurch riesig gewachsten bin, sondern sie haben, ob sie wollten oder nicht, einfach viel an mich weiter gegeben. Es war eine ganz andere Gruppe von Musikern, mit denen ich bis dahin nicht viel zu tun hatte. W P: Wo sind die Musiker Wasser-Prawda | Mai 2015

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INTERVIEW

musikalisch zu Hause? Jesper Munk: Sie sind eigentlich überall, machen viel Sessions und jeder hat sein eigenes Projekt am Start: Studio – Live!

geht, aber von allein kommt‘s natürlich auch nicht. Da muss man halt schauen, wie weit man sich aus dem Fenster lehnen kann.

Blues zu machen, sich auszudrücken und auf das Werkzeug, dass sie Generationen weitergegeben haben. Das sollte man nicht dadurch, weil man sich an Genres bindet, verstauWP: Manche Blueslastigen Radios ben lassen. W P: Der Tourkalender endet haben Schwierigkeiten, Deine CD am 26. Juni bzw. am 14.8.? Was einzuordnen und deren Hörer zu kommt danach? begeistern. Gibt es Reaktionen Jesper Munk: Es geht live weiter, so von der konservativen Bluesfront wie ich das überblicke. Ansonsten oder der Bluespolizei? versuche ich mich auf verschiede- Jesper Munk: Wenig, was ich bisher nen Ebenen fortzubilden. Ich übe mitbekommen habe. Ich muss auch am Klavier und auf der Gitarre. sagen, dass ich das Genre Blues WP: Ist das Ausland ein Thema? als Einstellung und Intension und nicht als Genre aufgefasst habe. Die Jesper Munk: Ins Ausland gehen? Musik aus dem Genre habe ich nicht WP: Nein, spielen! auf das Genre bezogen, sondern auf Jesper Munk: Hoffentlich so viel wie den Mut der Leute, ohne Gedanken Wasser-Prawda | Mai 2015

MUSIK

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I T´S NOT JUST A S HOW, NOT JU S T A CO N C ERT, WE HAV E A PA R T Y NICK MOSS BAND IM MEISENFREI IN BREMEN AM 12.05.2015. VON TORSTEN ROLFS Mit diesen Worten begrüßte Michael Ledbetter die Gäste im Meisenfrei an diesem Abend – und es wurde eine grandiose Party. Bereits im Vorjahr reüssierte die Band, wie mir mit Vorfreude ausgestattete Gäste am Beginn des Konzertes berichteten. Nach dem Eingangsshuffle kam sofort ein Stück, dass ich bereits durch die youtube-Vorbereitung auf das Konzert im Ohr hatte. Eine wunderbare Version von You Were Wrong schloss sich nahtlos an, gesungen vom Meister himself. Nicht so gitarrenlastig vorgetragen wie man es von alten Aufnahmen von Stevie Ray Vaughan mit seinem Bruder Jimmy z.B. kennt, sondern schön smoothy-groovy. Und nach diesem fulminanten Start ging es mit dem Tempo etwas runter, mit einer unglaublichen Spannung vorgetragen folgte ein Slow-Blues, bei dem zunächst die wunderbare Stimme von Michael Ledbetter zum Tragen kam, die dann von Nick Moss´ Gitarre abgelöst wurde. In mehreren Chorussen hintereinander baute er ein spannungsgeladenes Solo auf, das sich auf einem Rhythmusbett aus Orgel, Bass und Schlagzeug gut ausbreiten konnte. Und wieder wurde es leiser und ohne Mikrofonunterstützung konnte der Sänger die letzten beiden Strophen

vortragen. Nach über 10 Minuten endete der Song in einem fulminanten Crescendo. Hier präsentierte sich eine Band – es spielte nicht ein Gitarrengott, der seine Band braucht, um sich zu produzieren – eine unglaubliche Dynamik, Spielfreude und Interaktion prägte die Performance der Band. So wurde es dann im weiteren Verlauf des ersten Sets ganz schön rockig. Somebodys Calling My Name und Time Aint Free vom letzten Album - Gitarren unisono oder zweistimmig, die treibenden Läufe der Gitarren verstärkte zusätzlich noch der Bass. Und hier stand ein so unscheinbar wirkender Könner auf der Bühne – Nick Fane. Patrick Seals am Schlagzeug trieb diese Stücke mit einer Spielfreude voran, sodass das Publikum verzückt mitgroovte. Roots-Music (Gitarrenintro) mit Soulanklängen (die Stimme von Michael Ledbetter und die Orgel von Taylor Streiff ) stellten klar, dass hier das Bluesgenre gekonnt ausgelotet wurde. Dies setzte sich im zweiten Set fort. Die Band begann mit einem schönen swingend-groovenden Instrumentalstück, bei dem alle Instrumentalisten ihr Können zeigen konnten, hier v.a. Tailor Steiff an der Orgel und auch Michael Ledbetter

an der Gitarre. Es ging ebenso rockig wie soulig weiter. In einem sehr intensiv vorgetragenen Stück Soulpower stellte Michael Ledbetter seine Crooner-Fähigkeiten unter Beweis – einfach hinreißend. Und diese Band kann leise spielen – da werden sogar Bierbestellungen am Tresen zur störenden Geräuschkulisse- als dann der Sänger von der Bühne stieg um im Publikum stehend zu singen, folgten alle wie gebannt den Textzeilen. Bevor die Band aber wieder im klassischen Bluesstil den Abend beschloss, zeigten sie dass es auch psychedelisch-bluesrockig geht. Rückblickend betrachtet war das für mich das besondere Schmankerl an diesem Abend – die stilistische Vielfalt mit klarem Bekenntnis zum Chicago-Blues. Eine tolle Band, ein Wahnsinns Sänger und eine schöne Mischung aus 3-KingsStyle-Gitarre und nicht aufdringlicher Soul-Bluesrock-Fetz-Gitarre. Mein besonderer Dank gilt auch dem Mischer im Meisenfrei an diesem Abend – er hat einen tollen Job gemacht und die Qualitäten der Band in ein schönes Soundgewand gepackt.

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TTRADITION R ADITION UND UN D M MOODD E R NE IINN EEUU TI TIN EIN FOTOBERICHT VOM 26. BLUESFEST BLUES BALTICA VON RAIMUND NITZSCHE Wasser-Prawda | Mai 2015

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Zwischen Folk und Blues liegt die musikaliBluesharp auf das Akkordeon. Ein Konzert der sche Heimat des Petra Börnerova Trios, die leiseren Töne, eigentlich für einen Marktplatz das Bluesfest in Eutin eröff neten. Bluesklassiker weniger geeignet als für kleine Clubs. trafen hier auf eigenene Folksongs, Gitarre und Wasser-Prawda | Mai 2015

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Das Konzept des „Power-Trio“ ist tot. Es sind in den letzten Jahrzehnten schon rechnerisch sämtliche möglichen Riffs, Solos etc. gespielt worden, um in der Besetzung Gitarre-BaßSchlagzeug den großen Ahnen wie der The Jimi Hendrix

Experience oder Cream - Band nochwas hinzu zu fügen. Auch Joe Colombo aus der Schweiz gelang dies nicht. In irrsinniger Geschwindigkeit raste die Band (die komplett ohne Gesang auskommt) durch bekannte Riffs, Rhythmen und

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Phrasen: Eine Wiederholung der Bluesgeschichte. Aber kein Blues - hier fehlte einfach jegliche persönliche Anteilnahme, wurden keine Geschichten erzählt, nur abgerockt. Die Biker vor der Bühne haben gehörig gefeiert. Ich fand‘s einfach nur schlimm.

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Der erste Höhepunkt des diesjährigen Bluesfests in Eutin kam gleich am ersten Abend: Die Nick Moss Band machte vom ersten Takt an klar, wie eine hochklassige Bluesshow sein muss: Voller Energie, Spielfreude, guter Songs und großartiger Musiker. Im zeitgenössischen Chicagoblues gehört die Truppe um Songwriter/ Gitarrist Nick Moss mittlerweile zu den absolut Größten. Und das liegt daran, dass Moss nicht nur ein hervorragender Songwriter und Bandleader ist. Nein - er ist auch so wenig eitel, dass er dem zweiten Gitarristen Michael Ledbetter mit seiner unwahrscheinlichen Bluesröhre lange Zeit das Mikrophon überlässt. Und auch der Rest der Band (Taylor Streiff - keyb, Nick Fane - bg und Patrick Seals - dr) hat jede Menge Gelegenheit zu glänzen. Doch im Zentrum steht kein Star, sondern eine umwerfende Band. Wasser-Prawda | Mai 2015

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Man nehme junge Musiker und Bands bis 26 Jahren und schicke sie auf Tour nicht nur durch ihre Heimat sondern wenn möglich auch auf internationale Festivals: In Norwegen fördert man auf diese Weise den Bluesnachwuchs. Und in Eutin konnte man in den letzten Jahren immer wieder spannende Projekte aus diesem Land erleben. Die erste von zwei jungen norwegischen Bands 2015 stand am

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15. Mai auf der Bühne: The Blueskollektivet haben noch nicht mal ein Album veröffentlicht. Doch ihre Songs (oft auch auf Norwegisch gesungen) sind ein erfrischender Blick auf die Wurzeln des Blues von jungen Menschen, die fern des Mississippi aufgewachsen sind. Auf die Entwicklung dieser Band sollte man aufmerksam achten!

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An irgend einer Band entzündet sich bei jedem Festval, egal wo auf der Welt, die Kritik der selbsternannten Bluespolizei. Auch wenn Adrian Batolba mit seinem Orchester durchaus Stücke von Little Walter im Programm hatte: Das klang nicht nach Chicagoblues, sondern nicht nur ein wenig nach dem Bria n Setzer Orchestra: Rockabilly mit fetten Bläsern, die auch mal heftig losjazzen, wild fröhlich, absolut ansteckend und schweißtreibend für Tänzer und Musiker.

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Trotz eines gebrochenen Beins gehör te der nor weg ische Gitarrist Markus Lovdal mit seiner Band zu den unermüdlichsten Musikern beim Bluesfest in Eutin. Neben dem

Konzert auf dem Markt spielten die jungen Musiker gleich bei zwei Nachtsessions und dann noch beim Frühschoppen anlässlich des norwegischen Nationalfeiertags. Ihr frischer

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Bluesrock ist eine äußerst angenehme Entdeckung: keine Klischees, kein aufgesetzes Rockstarposieren - einfach schöne Songs und mitreißend dargeboten. Das macht Spaß!

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Rauher, dreckiger und heftiger Rootsblues war angesagt, sobald der regelmäßig auch in Brasilien lebende Däne Big Creek Slim mit seinen Cockroaches auf der Bühne war. Mit unwahrscheinlicher Energie zelebrierte er seine eigenen Songs und Klassiker des

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frühen Blues: Manchmal konnte man sich dabei an Reverend Peyton erinnert fühlen oder an die Traditionalisten von Black Patti. Auch wenn die wahrscheinlich die Verwendung einer E-Gitarre nicht in Erwähnung ziehen würden...

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In den Niederlanden gehört die John F Klaver Band zu den beliebtesten Bluesbands überhaupt. Schon zweimal waren sie Vertreter ihrer Heimat bei der IBC und bei der European Blues Challenge. In Eutin spielten sie vor allem Songs ihres neuen Albums „The Edge“. Und die sind musikalisch im Grenzgebiet zwischen Blues und

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Jazz angesiedelt. In perfektem Zusammenspiel mit seinen Mitspielern und immer mit einem Lächeln im Gesicht zelebrierte Klaver regelrecht seine gitarristischen Fähigkeiten. Für manche Zuhörer war das schon fast zu perfekt. Aber das dürfte eine Minderheit gewesen sein …

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Wie zelebriert man eine BluesShow? Sean Carney machte es am Samstagabend in Eutin vor: Man nehme eine perfekt eingespielte Band, verbreite von den

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ersten Takten an gute Laune und liefere die für ein Bluespublikum geeignete Musik zum Tanzen. Hier wurde das Festivalmotto „Modern Europe“ nicht so ernst

genommen: Diese Musik ist traditionell. Aber mitreißend. Und dazu trug auch Shaun Booker mit ihrer faszinierenden Bluesröhre bei.

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Bei diesen Musikern aus Krakow treffen Oldtime Jazz, Blues, Bluegrass und mehr zusammen: Der Stil ist der der Street- oder Spasm Bands der 20er Jahre. Doch die Songs, die in Eutin auf dem Programm standen waren durchaus jüngeren Datums. Neben Klassikern des Blues und Soul erklangen auch unerwartete Stücke wie Donna Summers „Hot Stuff “. Mittlerweile arbeitet die Krakow Street Band an einem Album mit eigenen Stücken. Wasser-Prawda | Mai 2015

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Was ist Jumpblues, fragte mich jemand nach dem Blick ins Festivalprogramm. Die Antwort folgte auf der Bühne: Wenn Egidio Juke Inglala zur Harp greift, dann kommt der Sound der 50er Jahre raus, als Swing und Blues noch Nachbarn waren: Hier ist Blues Tanzmusik und verlangt nach schicken

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Anzügen (bei der Band waren sie zumindest vorhanden). Da ist kein Platz für weinerliche schlechte Laune. Und nach dem Konzert waren die einzigen ohne Lächeln im Gesicht einige der Jacknives, die die ganze Zeit mit ernsten Mienen spielten.

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Die Entdeckung des Festivals war auf jeden Fall der Gitarrist Tee Dee Young, der gemeinsam mit der italienischen Henry Carpanet Band in Eutin sein erstes Konzert in Deutschland spielte. Zuweilen sind Paarungen amerikanischer Musiker mit europischen Begleitbands nicht die glücklichsten Entscheidungen. Aber hier stimmte einfach alles: Wie magisch das Zusammenspiel zwischen der prägnanten und sofort ins Ohr gehenden Gitarre Youngs mit den Begleitern. Man kann hier nur die Formulierung eines der Organisatoren des Festivals wiederholen: Das war ganz großes Kino. Tee Dee Young muss man unbedingt zu den kommenden Gitarrenhelden des zeitgenössischen Blues zählen! Wer den Auftritt verpasst hat, sollte sich sein mit eigener Band eingespieltes Album „Born With The Blues“ zulegen. Wasser-Prawda | Mai 2015

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Damit hatte kaum jemand in Eutin gerechnet: Mit blau gefärbten Haaren tänzelt Earl Thomas über die Bühne, extrovertiert bis zum Exzess mag er manchen zunächst seltsam vorkommen. Doch sobald er zu singen beginnt, ist klar: Hier steht einer der ganz Großen des Soul und Blues auf der Bühne. Neben eigenen Songs des bei Kollegen angesehenen Songwriters stehen auch einige Klassiker auf dem Programm. Wenn er Stücke wie „I‘d Rather Go Blind“ interpretiert, dann gibt er damit nicht nur einen kleinen Abriss der Geschichte von Blues & Soul zum Besten. Nein: Irgendwann steht man atemlos da und verfolgt,

wie der Sänger selbst in der tragischen Geschichte aufgeht, wie er sie sich ganz zu eigen macht. Vom Flüstern bis kurz vorm Weinen, vom lyrischen Singen nur vom Klavier begleitet bis zum schmerzerfüllten Aufschrei – in zehn Minuten reißt dieser Sänger seine Zuhörer durch alle denkbaren Gefühlsregungen mit. Begleitet wird Thomas auf seiner aktuellen Europa-Tournee von der britischen Studioband The Royal Guard. Mal sind das eher rockende Grooves, mal ganz lyrische Klänge. Aber niemals verfallen die Musiker der Versuchung, einfach die Vorbilder der klassischen Soulbands oder ihrer heutigen Epigonen der Retroszene

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nachzuahmen. So ergibt sich zwischen dem klassischen Soul- und Bluesgesang Thomas‘ und seiner Begleitung ein Kontrast, der die Wirkung der Performance noch steigert. Das Konzert auf dem Bluesfest in Eutin stand am Ende einer langen Tournee. Und man konnte von Lied zu Lied beobachten, wie sich Sänger und Band immer mehr in ihre Musik hineinsteigerten. Kleinste Blicke und Gesten genügten ihnen, um sich zu verständigen. Heraus kam ein Konzert, das in seiner Intensität und künstlerischen Klasse nur als einmaliges Erlebnis zu bezeichnen ist.

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PAR T Y JE R SE Y S TY L E BILLY WALTON BAND, SOTANO (GREIFSWALD) AM 22. APRIL 2015. VON RAIMUND NITZSCHE Wo andere Bluesrockbands zuerst nach Chicago und Texas blicken bei der Suche nach ihren Vorbildern, da orien ert sich Billy Walton mit seiner Band eher nach Detroit und Memphis mit ihrem Soul. Ein Konzert mit den fünf Musikern wird dadurch zu einer rockenden Soulshow.

In seiner Heimat New Jersey, müsse man ganz anders Musik machen, wenn man Auftritte haben will, meint Bassist William Paris. „Die Leute kommen an den Strand, sie wollen Party machen - die wollen nicht nur harten Gitarrensound hören.“ Und so hat sich die Billy Walton Band in den letzten Jahren immer mehr hin zu einer Truppe entwickelt, die den Bluesrock mit jeder Menge Soul und vor allem mit den Klängen von Saxophon und Posaune anreichert. Klar: Frontman und Gitarrist Billy Walton ist ein

Vollblut-Rocker. Er lässt in fast jedem Song seine Saiten förmlich glühen. Doch bevor Langeweile aufkommt, steigen die Bläser ein. Und je länger der Abend dauert, desto wilder werden die Sprünge durch die Musikgeschichte. Da werden in Medleys völlig überraschend Klassiker aneinandergereiht, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. „Manchmal werden wir auf der Bühne ein wenig albern,“ merkt Walton an. Aber die Fans haben in Greifswald ihren Spaß´gehabt.

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A LT S TA R T R I F F T J U N G S P U ND 2. MAI 2015: DOPPELKONZERT VON JÜRGEN KERTH UND INUTERO IN FROHBURG. VON MATTHIAS SCHNEIDER Um 21 Uhr 30 ging es los. Ungewöhnlich war, dass als erstes Jürgen Kerth mit seinem Sohn Stefan Kerth (Bass) und dem Schlagzeuger Heiko Jung auf die Bühne Am Samstag (02.05.2015) kamen kamen. Mit gewohnter Virtuosität wurden bekannte 150 Bluesfans zu dem mit Spannung Bluesklassiker, wie auch die eigenen Titel (He, junge erwarteten Doppelkonzert. Jürgen Mutti, Gloriosa) gespielt. Kerth, seit Jahrzehnten eine Man sagt Jürgen nach, dass er so ein Konzert ohne feste Größe im Deutschen Blues Setlist spielt und aus dem Bauch heraus entscheidet, und Inutero mit Florian Zimmer was gespielt wird. So kann es sein, dass dem einem oder anderen bestimmte Titel fehlen. Mir fehlte z.B. „What´s (Wasserprawda berichtete bereits), going On“. Ich hatte Anfang der 70´iger meine ersten einem Ausnahmetalent an der Liveblueserlebnisse mit Jürgen und da gehörte dieser Gitarre, traten bei diesem Konzert Titel zum festen Programm. Man kann aber trotzdem auf. Diese Konstella on ist es wert, sagen, Jürgen hat nichts von seiner Faszination eingeüber das Konzert zu berichten.* büßt. Jürgen Kerth spielte mit seiner ganzen Routine ein hervorragendes Konzert. Die Zuschauer, unter ihnen viele Bluesveteranen, waren begeistert. Inutero mit dem jungen Gitarristentalent Flo Zimmer * Dieser Artikel entstand mit der Hilfe von Rex kam als nächstes auf die Bühne. Florian Zimmer hat Bringmann, Rolf Götze, Roland Zimmer und Letscho Letschovsky Wasser-Prawda | Mai 2015

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sich inzwischen zu einer regionalen Bluesgrösse entwickelt. „Wenn Flo Zimmer TYA-Hymnen wie „Im Going Home“, „Love Like a Man“ oder „One Of These Days“ zum Besten gibt, ersteht Alvin Lee scheinbar aus dem Grab, dann vollzieht sich ungeachtet des fehlenden Keyboarders (das kann sich ja ändern) bei den SachsenAnhaltinern die Reinkarnation der britischen Supergruppe. Der 17-jährige Florian Zimmer ist dabei der absolute Fixpunkt, technisch glänzend, versunken, inbrünstig, weltentrückt - nur er und die Musik. Spielerische Leichtigkeit gepaart mit Tiefgang. Er unternimmt eine Reise in eine musikalische Epoche, als er noch nicht mal Quark im Schaufenster war. Und doch spielt er diesen Bluesrock so ausgefeilt, als hätte er diese Musik und die Zeit mit der Muttermilch aufgesogen.“ Zum Abschluss gab es, was auch sonst, I´m going Home. Es kam Woodstockfeeling auf und die Bluesfans tobten. Der von vielen erwartete Höhepunkt, eine gemeinsame Session von Flori und Jürgen, fand leider nicht statt. Schade. Trotzdem haben die beiden doch sehr unterschiedlichen Bluesbands, die beide als Trio auftraten, die angereisten Bluesliebhaber glücklich gemacht,.

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GUY VE R L IND E – BETTER DAYS AHEAD ALBUM DES MONATS MAI 2015 Mit den Bluesnamen ist das so eine Sache - entweder man geht in ihnen völlig auf oder aber stellt fest, dass der Mensch hinter dem Namen doch ein anderer ist, als der auf der Bühne. Dann sollte man ihn ablegen wie eine störende Maske. Lightnin‘ Guy, der mit seinen Mighty Gators zu Belgiens bekanntesten Bluesmusikern gehört, hat mit seinem aktuellen Album diesen Schri vollzogen. Die Songs seien so persönlich, dass das notwendig geworden sei.

Bluesrock. Doch ebenso kommen Country oder Rootsrock zu Gehör. So kann man das Album auch demjenigen empfehlen, der sich für Americana im weiteren Sinne interessiert. Und selbst beinharte Rocker dürften bei Nummern wie bei „The Light“ begeistert ihre Matte schütteln oder die Luftgitarre aus der Ecke holen. Persönlich, direkt und kraftvoll bei aller Melancholie: Better Days Ahead ist eine tolle Scheibe. Unbedingt reinhören und weiterempfehlen! Raimund Nitzsche

Er singt von besseren Tagen in der Zukunft, wilden Nächten mit guter Musik oder dem Gefühl, am Leben zu sein. Vom Scheitern der Liebe und der Verletzlichkeit sing er oder davon, wie man die Liebe erst lernen muss. Von den heiligen Orten, die man vor seinen Gegnern besser geheimhält, damit sie einen nicht genau dort treffen, wo man besonders empfindlich ist. Es sind wirklich persönliche Anmerkungen und Beobachtungen, keine Aneinanderreihung von Bluesklischees, die Guy Verlinde in seinen Liedern erzählt. Meist sind die Lieder melancholisch bis tieftraurig – die besseren Tage sind eine Hoffnung, keine Gewissheit. Doch ist das kein hoffnungslos verzweifeltes oder gar weinerliches Album: Hier hört man einem Geschichtenerzähler zu, der keine Stärke vortäuschen muss, der trotz allem sicher in dem ist, was er will. Die besseren Tage werden kommen, doch um sie auch zu erleben, muss man sich von seiner Angst lossagen, die einen immer wieder zurückhält und klein machen will. Die Musik dazu ist meist schön direkt gespielter Wasser-Prawda | April 2015

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P L AT T E N

REZENSIONEN A BIS Z A

R

Adriano BaTolba Orchestra – Live n Loud 61

RG Band – 21.12 - Live At Teatro del Pane 69

B

Richard Koechli – Searching for the Blues 69

Ben Miller Band – Any Way, Shape or Form 61

S

Bill Wyman – Back To Basics 62

Skylar Wolf – Devil‘s Son 70

Black Sorrows – Endless Sleep 62

T

Bluebeaters – Everybody Knows 63

Tone Fish – On The Hook 71

Blues Rebels – Open Road 63

E Eero Koivistoinen Quartet – Hati Hati 63 Eric Clapton – Forever Man 64

G Gov’t Mule – Dub Side of the Mule 65 Greyhound George & Karl Valta – Apple Street Boogie 66

H Henning Pertiet – Organ Moves & Grooves 66 Hubert von Goisern – Federn 67

J James Burton, Albert Lee, Amos Garrett & David Wilcox – Guitar Heroes 68 Josh Smith – Over Your Head 68

M Mike Andersen – Home 68 Wasser-Prawda | Mai 2015

W Wanton Bishops – Sleep With The Lights On 71

P L AT T E N Klassikern wie „You‘re The Boss“ oder „Harlem Nocturne. Als Bonus gibt es dann noch den „Summertime Blues“ in Triobesetzung und eine Studiofassung des tollen Openers „Hard Luck Bad Luck n Misery“. Empfehlenswert! Nathan Nörgel

Adriano BaTolba Orchestra – Live n Loud Schon länger auf dem Markt ist die Live-EP des Adriano BaTolba Orchestra. Doch quasi als Vorbereitung zum ersten Studiowerk der Rockabilly Bigband kann man das Werk mittlerweile auf auf Vinyl erwerben. Ob als Begleiter von Rock&RollUrgestein Peter Kraus, von Songwriterin Peggy Sugarhill oder als musikalischer Kopf hinter Dick Brave & The Backbeats: Adriano BaTolba ist in Sachen Rockabilly aus deutschen Landen eine echte Institution. Wer ihn allerdings zusammen mit seinem 13köpfigen Orchester hören kann, hat ein Konzerterlebnis, dass man sonst eigentlich nur noch beim Brian Setzer Orchestra haben kann. Hier sind die zehn Bläser voller Spaß und Spielfreude zwischen rockigen Riffs, jazzigen Einwürfen und coolen Swingsounds der passende Background für die wilde Gitarre des Musikers. Auf „Live N Loud“ finden sich neben zwei eigenen Stücken BaTolbas Cover von „Seven Nation Army“ oder „Cotton Eyed Joe“ neben

Ben Miller Band – Any Way, Shape or Form Spätestens seit der Tour mit ZZTop ist die Ben Miller Band dem Blueshörer ein Begriff. Mich und die ca. 4000 Besucher des Konzerts zum Tollwood-Festival haben die 3 Herren sofort ab dem ersten Stück begeistert. Die Ben Miller Band stammt aus Joplin/Missouri und lieferte nun mit „Any Way, shape or Form“ im August 2014 ihre bereits vierte CD ab, wobei aber hierzuland nur die letzten zwei CDs erhältlich sind. Auf der CD sind 13 Songs eingespielt, die sich immer wieder um eine außergewöhnliche Instrumentierung drehen. „Any Way, Shape or Form“ oder auch: Der Zweck heiligt die Mittel. Waschzuberbass, Waschbrett und akustische Gitarren kombiniert mit anderen außergewöhnlichen Dingen wie Löffel und alte

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Telefonmikrofone. Der Sound ist rhythmisch, sehr dem Bluegrass oder Delta-Blues angelehnt. Um den Sound dieses Mal etwas abwechslungsreicher zu gestalten hat der Producer Vance Powell, der auch für Wanda Jackson, Buddy Guy oder Jack White arbeitete, der Ben Miller Band den Lapsteelgitarristen Chad “Gravy” Graves zur Seite gestellt. Chad Graves bringt klare Countrystrukturen in den rauhen Ben Miller Sound. Für meinen Geschmack ist die die Lapsteelgitarre aber etwas zu dick aufgetragen. “I feel for you”, „Tinkle Toes“ oder auch die etwas straffere Nummer „No War“ sind solche typischen Songs im neuen Sound. Die Inhalte von der Ben Miller Band drehen sich um das ländliche Leben und vielen Auseinandersetzungen im Leben. So beschreibt “Prettiest Girl“ den vergängliche Appeal einer Dorfschönheit, über die dann alle lachen, weil der Dorftanz dann doch irgendwann auch für sie vorbei ist. Die authentischeren Ben Miller Band Stücke sind aber jene, wo die ungebändigte Kraft des Country Blues und Hillbillys sich mit dem Einfluss der Mentorenband ZZTOP vermischt. Mit „You don’t know“ geht es mit Vollgas zu Sache: Treibender und slidender Gitarrensound verbunden mit laut schreienden Harmoniegesang. „Hurry up and Wait“ startet mit einem kernigen Riff auf einer der exotischen Gitarren von Ben Miller, fetzige Slidelicks werden von ihm eingeworfen bis hin zum letzten Ton. “Skidoo“ klingt wie ein Vaudevilleliedchen aus den Wasser-Prawda | Mai 2015

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P L AT T E N

20ern des letzten Jahrhunderts. „Burning Building“ setzt wieder massiv in der rhythm section Löffel und Waschbrett ein. Schneidende Gitarrenriffs unterstützen den harten, rhythmusgetriebenen Sound. „Cuckoo“ ist die Weiterführung mit tollen Verfremdungseffekten. Mein Tipp ist „The Outsider“, wo mal zur Abwechslung das Banjo den Sound wesentlich beeinflusst. Durch das dazugehörende Video auf Youtube wurde ich nach dem Münchner Konzert wieder erneut auf die Band Miller Band aufmerksam. Die Band geht im Sommer auf Europatour und wir werden von einem der Konzerte berichten und ein Interview mit Ben Miller wird uns hoffentlich diese außergewöhnliche Band noch etwas näher bringen. Erschienen ist “Any Way, Shape or Form” bei NewWestRecords, wo noch mehr außergewöhnliche Musiker aus dem Bluegrassund Folkbereich unter Vertrag sind. Es lohnt sich, auch da mal vorbeizuschauen. Mario Bollinger

Bill Wyman – Back To Basics Wasser-Prawda | Mai 2015

Eine neue Veröffentlichung des ehemaligen Stones-Bassisten Bill Wyman stößt unvermeidlich auf Interesse bei einer großen Schar von Musikfans. Für Wyman muss es zuweilen schwer sein, ein paar der überhängenden Bürden abzuwerfen, ein Gründungsmitlied der weltgrößten Rock & Roll und R&B-Band gewesen zu sein. Aber mit den zwölf Stücken dieses Albums scheint er die Last der Geschichte abgeschüttelt zu haben. Und das hat er nicht zum ersten Mal in seiner Karriere getan. Über die Dauer seiner mehr als fünfzigjährigen Karriere hat sich dieser Mann immer weiter vom alten lärmenden Röhren von Keef und Mick fortbewegt, um statt dessen einen beständigen Strom toller Sachen zu produzieren, zu dem viele Alben und fast jährliche internationale Touren mit seiner wundervollen Band Bill Wymans Rhythm Kings gehören, eine spontan und mit immer wechselnden Gruppen von Top-Musikern aus dem Vereinigten Königreich und den USA gebildete Band, die weltweit eine riesige Zahl von Fans hat. Mit dem Album „Back To Basics“ legt uns Wyman sein erstes Soloalbum seit mehr als 30 Jahren vor. Wyman meint, dass ein Teil der Stücke aus dem übersehenen Katalog von Songs stammt, die er vor einigen Jahren geschrieben und als Demos hastig aufgenommen hat. Die Stücke tauchten auf, als er sich der Aufgabe widmete, alte Bänder zu katalogisieren und einzulagern für spätere Zeiten. Als er einiges von dem Material hörte, beschloss er, es zu überarbeiten, nahm einige

Stücke auf und schrieb ein paar neue Tracks. Und so entstand ein frisches Solo-Album. Wie man von jemandem mit seinem Format und musikalischer Reife erwarten kann, finden sich hier einige feine Stücke in meist leichtem Rockstil, andere haben ein coolen rhythmischen Groove und grenzen an klassischen Pop. Schaut man sich die Texte an, stellt man fest, dass er ein wesentlich besserer Lyriker ist, als man ihm zutrauen würde: Er scheint rhythmische und sich wie Raps reimende Verse zu mögen, die toll zu seiner im Akzent von East London singenden Stimme passen. Manchmal allerdings kann man auch die gleichen grollenden Stimmen und die Musik hören, die man schon in der Post-PunkHymne „Je Suis Un Rock Star“ in den 80er Jahren vernahm. Wyman ist ein Mann, der niemandem etwas beweisen muss. Und dieses entspannte Gefühl durchzieht auch dieses Album. (Proper Records) Iain Patience

The Black Sorrows – Endless Sleep Zwei LPs mit Coverversionen veröf-

P L AT T E N fentlichten The Black Sorrows 2015 als Beitrag zum Internationalen Record Store Day. Demnächst wird das Doppelalbum auch in Deutschland über Blue Rose in den Handel gebracht. Und das ist eine gute Nachricht nicht nur für die schon eingeschworenen Fans der Band um Joe Camilleri. Schon fast vierzig Jahre ist Joe Camilleri mittlerweile im Musikgeschäft unterwegs. Und kaum jemand hat es in den letzten Jahrzehnten geschaftt, den Geist der Musik vergangener Jahrzehnte in seinen eigenen Songs lebendig zu erhalten. Da liegt eine Hommage an all die mittlerweile verstorbenen Musikerinnen und Musiker nahe, die ihn auf die eine oder andere Weise beeinflusst haben. So bekommen wir auf den zwei Scheiben von „Endless Sleep“ wilden Rockabilly ebenso zu hören wie Blues von Blind Willie McTell, klassischen Rhythm & Blues, Country und Rocksongs. Ob die Stücke nun von Lou Reed, Willy de Ville, Captain Beefheart, Hank Williams oder Skip James handelt: Erst nach „Endless Sleep“ hat man Zeit zum Schlafen. Vorher ist Party angesagt. Nathan Nörgel

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terzogen und damit verfremdet, ohne als Parodie daherzukommen. „Everybody Knows“ ist damit so ziemlich der erste Anwärter für das Sommeralbum 2015. (Record Kicks) Nathan Nörgel

The Bluebeaters – Everybody Knows Die Musik klingt exakt wie man es von Aufnahmen aus Jamaica in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erwarten könnte. Doch „Everybody Knows“ stammt aus dem Jahr 2015. Und The Bluebeaters zählen seit 1994 zu den besten Ska-Bands Italiens. Man muss sich schon manchmal verwundert am Kopf kratzen: Klar, den Song kenne ich doch. Und den nächsten auch. Aber ehrlich: Ob hier „Everybody Knows This Is Nowhere“ von Neil Young, „Hungry Heart“ von Bruce Springsteen, The Smiths „Girlfriend in a Coma“ oder „Teenage Kicks“ von The Undertones erklingen: Alle Stücke erklingen in astreinem klassischen Ska-/Rocksteady-Sound der 60er Jahre: Fröhlich, sommerlich, relaxt und verdammt eingängig. The Bluebeaters, die hier ihr erstes Album seit 6 Jahren präsentieren, haben hier an eine Tradition angeknüpft, die im Reggae schon vor Jahrzehnten üblich war: Hits werden einfach einer karibischen Generalüberholung un-

The Blues Rebels – Open Road 2012 taten sich in Israel Gitarrist Andy Watts und der Sänger/HarpSpieler Dov Hammer zusammen. Aus dem Jam unter Freunden entstanden The Blues Rebels, die mittlerweile schon mit Joe Louis Walker, Lucky Peterson und Bernard Allison gemeinsam auf der Bühne standen. Jetzt ist mit „Open Road“ das erste Album der Band herausgekommen mit 14 son Watts und Hammer geschriebenen Songs. Wenn man einmal entdeckt hat, dass es in Israel eine äußerst lebendige und kreative Bluesszene gibt, stößt man immer wieder auf neue Bands und Musiker. The Blues Rebels sind da vor allem für die Fans des geradeaus gespielten Bluesrock eine Empfehlung wert: Auf „Open Road“ finden sich knackige Gitarrenriffs, eine deftige aber niemals eintönige Bluesharp und eine funky grooWasser-Prawda | Mai 2015

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vende Rhythmusgruppe. Die Songs: Stücke über das Unterwegssein, über die Versuche, an sein Geld zu kommen, über das Leben seiner Träume und über den Wunsch, manchmal die Zeit zurück zu drehen. Und sei es nur wegen der Musik, die damals besser war. Hier wird nichts neu erfunden in Sachen Blues. Aber Watts, Hammer und der Rest der Rebellen haben ihren Sound in den letzten Jahren eindeutig gefunden: Rauh, heftig und emotional rocken sie sich durch ihre Lieder. Und das macht ne Menge Spaß. Raimund Nitzsche

dann ist das nicht nur die oft melancholisch-romantische Einbeziehung skandinavischer Folklore und klassischer Musik sondern immer auch das Gefühl für ein fast klassisches Ensemblespiel. Genau das kann man auf „Hati Hati“ mit seinen acht Stücken auch finden: Melancholische Schönheit von perlenden Pianoläufen und einem Saxophon, das zwischen emotionaler Dringlichkeit und stoischer Gelassenheit die rechte Balance findet. Und darunter pulsierend oftmals Rhythmen, die diese kühle doch niemals leidenschaftslose Musik mit dem Süden verbinden, weniger mit dem Süden Louisianas, sondern mehr mit afrikanischen Küstenregionen. Hier merkt man, dass Koivistoinen als Musiker, Komponist und Dirigent viel und lange auf dem afrikanischen Kontinent gearbeitet hat. Für mich der Höhepunkt dieses hörenswerten Albums ist allerdings seine Bearbeitung von Dylans „The Times They Are A-Changing“. Das wird zu einer romantisch-drängenden Ballade, bei der Piano und Eero Koivistoinen Quartet – Saxophon mit ihrem Spiel allein die Ha Ha Als Saxophonist hat Eero ganze textliche Brillanz von Dylans Koivistoinen schon mit Gil Evans, Klassiker nacherlebbar machen. Dissy Gillespie, Jack DeJohnette (Svart) Nathan Nörgel oder Randy Brecker gemeinsam gespielt. Mit seinem derzeitigen Quartett (Jori Huhtala - b, Alexi Tuomarila - p, Jussi Lehtonen dr) spielt er zeitgenössischen Jazz der sowohl die nordeuropäischen Traditionen des Jazz widerspiegelt als auch afrikanische Rhythmen. Wenn den nordeuropäischen Jazz in meinen Augen etwas auszeichnet, Wasser-Prawda | Mai 2015

Eric Clapton – Forever Man Schon 2014 hatte Eric Clapton angekündigt, sich vom anstrengenden Tourleben zurück zu ziehen. Fast pünktlich zum 70. Geburtstag veröffentlicht Mr. Slowhand jetzt eine Dreifach-CD mit einem Rückblick auf die letzten 30 Jahre seiner Karriere. Nein, das hier ist keine weitere „Greatest Hits“-Sammlung, die auf den Markt geworfen wird. Klar bekommt man auf „Forever Man“ eine Menge der großen Hits von Clapton zu hören von „Layla“ bis „Tears In Heaven“. Doch da „Forever Man“ sich auf die Jahre beim Label Reprise beschränkt, stammen die Aufnahmen eben nicht aus den 60er oder 70er Jahren, sondern von 1983 und später. Die drei CDs sind thematisch sortiert nach Studio, Live und Blues. Die Studio-CD hat Stücke aus Alben wie „Money & Cigarettes“ oder „Journeyman“ neben neuen Aufnahmen von „Old Sock“, „Clapton“ oder „The Breeze“. Die Live-Aufnahmen entnahm man natürlich von „Unplugged“ und „24 Nights“, aber auch von dem gemeinsamen Konzert mit Steve Winwood

P L AT T E N im Madison Square Garden 2008 und von „One more Car, One More Rider“ (2002). Wenn man an Claptons BluesAufnahmen im genannten Zeitraum denkt, fallen einem natürlich gleich die zwei Robert-Johnson-Alben und „From The Cradle“ ein. Diese drei Alben liefern den Kern der dritten CD. Daneben werden natürlich auch Stücke von „Riding With The King“ mit B.B. King oder „The Road To Escondido“ mit J.J. Cale verwendet. Und vor allem finden sich auch Bluesnummern, die auf den anderen Studioalben der Zeit vielleicht ein wenig untergingen. „Forever Man“ ist kein kompletter Karriereüberblick, sondern lediglich ein Teil davon. Doch die Zusammenstellung macht einfach Spaß und sollte besonders Neueinsteigern einen Einstieg in die Musik Claptons geben können. Wer auf Vollständigkeit sammelt, hat die Nummern natürlich alle schon auf den Originalalben im Regal stehen. Aber der kann die drei CDs gut auch in den CD-Wechsler im Auto legen. Raimund Nitzsche

Gov’t Mule – Dub Side of the Mule Ein weiteres Mule Album im Rahmen ihres eigenen 20-Jährigen Jubiläums, das man betiteln könnte: Gov’t Mule and Friends. Ein Konzept, dass sich bei vielen Musikern breit macht: Man macht ein tolles Liveevent, lädt viele Freunde ein und macht ein Spitzenkonzert. Das Ganze wird mitgeschnitten und samt einer Video-DVD herausgebracht. Das Album „Dub Side of the Mule“ ist genau ein Solches, aber auf seine Art phantastisch. Es beinhaltet 3 Audio CDs und 1 Video DVD von einer Aufzeichnung des Silvesterkonzerts von 2006 der Gov’t Mule am in allseits bekannten Beacon Theatre im New York City. Freilich: Damals hat man noch nichts von der viel später erfolgten Auslösung der Allman Brother Band geahnt und daher haben diese Aufnahmen vielleicht auch Seltenheitswert. Aber was bekommt man zu hören? Auf der 1. CD . gibt es 11 Titel entweder aus der Feder von Warren Haynes oder Coverversionen, wobei „Whiter Shade of Pale“ extrem beeindruckend und gefühlvoll ist. Die 2. CD

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ist dadurch, dass man den Sänger Toots Hibbert eingeladen hat, schwer reggaelastig. Aber mit Gov’t Mule als Begleitband entsteht ein tolles Gemenge aus Reggae und dem wuchtigen Sound der Southern Rock Band. Toots glänzt durch gutgelauntes Singen, was auf der 4. Scheibe, nämlich der DVD deutlich zu sehen ist. Zwischendurch zählt man Silvester runter und weiter geht das Programm. Die 3. CD wird wiederum durch Gregg Allman & Friends dominiert, zu denen auch der brilliant harpspielende John Popper gehört. Diese CD birgt phantastische Coverversionen von „It’s a man’s man’s man’s world“ oder „Ramblin‘ gamblin‘ man“ aber natürlich auch „Dreams“ oder „Just like a woman“. Überhaupt geht Gov’t Mule durch viele Coverversionen den sicheren Weg. Insgesamt geht für mich das Gov’t Mule & Friends Konzept mit „Dub Side of the Mule“ auf: Phantastische Musiker und Song und für den Fan reichlich Material zum Hören und Sehen. (Provogue/Mascot Label Group) Mario Bollinger

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Greyhound George & Karl Valta – Apple Street Boogie Auf seinem neuesten Album „Apple Street Boogie“ (April 2015) erzählt Greyhound George, zusammen mit dem Mundharmonikaspieler Karl Valta, der zunächst einmal ein bekannter Grafiker ist und auch das Cover zur CD gestaltet hat, vom Leben in seiner Heimat an der Bielefelder „Apple Street“. Zehn der fünfzehn Titel stammen aus der Feder von Greyhound George. Mit dem reinen Instrumentaltitel „Dunkeltuten“ hat Karl Valta auf diesem Album einen besonderen Akzent gesetzt. „Blind Willie McTell“ von Bob Dylan, eine sehr authentische und äußerst emotionale Interpretation von Fred McDowells Standard „You gotta move“ sowie je ein Song von Evil Willie Dixon und Willie Brown machen das feine Akustikalbum komplett. Das Multitalent Karl Valta, Maler, Grafiker, Kunstpädagoge und gleichermaßen zu den profiliertesten Bluesmusikern im Nordosten der Republik gehörend, lebt und arbeitet im beschaulichen Klein Jasedow in Vorpommern. Schon einige Sommer touren Karl und George Wasser-Prawda | Mai 2015

als Duo an der Ostseeküste entlang, und das ist dem Album anzumerken, denn Karl und George sind inzwischen ein gut aufeinander eingespieltes Team. Beide Musiker haben ein Herz für den traditionellen Blues, aber auf diesem Album haben sie gekonnt den alten und neuen Songs ihre ganz persönliche und zeitgenössische Note verliehen. Das Album erzählt vom Blues, der einen nie verlässt (Blues won’t leave), vom „Back Door Man“ (Evil Willie Dixon) und fordert den Hörer auf sich nicht in sein Leben reinreden zu lassen (Live some life). Wer den melancholischen Blues mag, wird die Coverversion von Fred McDowells „You gotta move“ und das besinnliche „Walk by your side“ lieben, aber das Album hat auch Ironie und Augenzwinkern zu bieten. Mit „Hole in my pocket“ weist Greyhound George dezent darauf hin, dass Geld die Welt regiert und alles anders ist, wenn man keins hat. Außerdem fragt sich Greyhound George „What can I do when I get happy“, ein „schweres Grundproblem“ für jeden, der den Blues hat, aber die Antwort ist einfach: Alltag leben und feststellen, dass das Leben lebenswert ist, vor allem mit dieser Musik. Vom Alltag in der Bielefelder „Apple Street“ handelt der „Apple Street Boogie“ und Gänsehautfeeling (heißt seit der Halbfinalteilnahme von Georges Heimatverein Arminia Bielefeld im DFB-Pokal „GänsehautEntzündung“) kommt bei Karls Eigenkomposition „Dunkeltuten“ auf, einem Bluesharp-Solo vom Allerfeinsten, auf einer „Low Low

F“ Bluesharp gespielt. Landratten ist dieser Ausdruck eher nicht geläufig, da er vermutlich aus der Schiffahrt entlehnt wurde. In alten Zeiten waren Schiffe, die sich in Nebelbänken verirrt hatten, manövrierunfähig und gaben ab und zu ein Signal ab, damit sie nicht von anderen Schiffen gerammt wurden, das Dunkeltuten. So steht dieser Begriff heute in manchen Gegenden als Synonym für das süße Nichtstun. Optimale akustische Aufnahmebedingungen sorgen für kitschfreie Lagerfeuerromantik im Wohnzimmer. Beim Hören der CD hat man immer das Gefühl, dass George unmittelbar neben einem sitzt und einen unverwechselbar zufrieden angrinst. Daumen hoch! „Apple Street Boogie“ wird – bis auf den Titelsong - nicht als digitaler Download erhältlich sein, da die Klangtiefe dieser Aufnahmen als MP3 wohl kaum wiedergegeben werden kann. LaRadio

Henning Per et – Organ Moves & Grooves Beim Blues- und Boogiepianisten Henning Pertiet ist man auf

P L AT T E N Überraschungen immer gefasst. Und (so man kein engstirniger Hörer ist, der nur auf die heiligen zwölf Takte lauert) man freut sich regelrecht drauf, von ihm Stücke zu hören, die kein Bluespurist in sein Programm aufnehmen würde: Jazzklassiker von Monk etwa. Aber auf sein aktuelles Album kann einen auch das nicht vorbereiten. „Organ Moves & Grooves“ ist frei improvisierte Musik an der Orgel des Doms in Verden. Man spricht von der „Königin der Instrumente“. Und immer wieder haben sich im Laufe der Geschichte von Blues und Jazz Musiker daran versucht, den Klang der Kirchenorgel in ihre Musik einzubauen. Man denke etwa an Fats Waller. Oder auch an Keith Jarrett. Aber wenn man ehrlich ist: Gerade die pneumatischen Orgeln vom Anfang des 20. Jahrhunderts sind nicht wirklich in der Lage, zu swingen. Dafür sind sie nicht gebaut. Und die akustischen Verhältnisse der Kirchen, in denen sie stehen, verhindern das auch wirkungsvoll. Sich als improvisierender Musiker ernsthaft mit der Orgel auseinander zu setzen heißt: Hier muss man Abschied nehmen von solchen Konzepten. Musik für die große Orgel - wenn sie sich nicht am polyphonen Barock-Erbe von Bach & Co orientiert, spielt sich eher in sich langsam entwickelnden Klanglandschaften ab, kann aus dem Jazz eher die spirituellen Anregungen etwa von Coltrane aufnehmen oder aus der zeitgenössischen Musik die modernen Komponisten der französischen Tradition.

Genau das hat Henning Pertiet auf seiner CD gemacht: Auch wenn die zwölf einzelnen Improvisationen als getrennte Stücke aufgeführt sind: Von Anfang bis Ende des Albums ist die Suche des Musikers nach immer neuen Klangmöglichkeiten, Melodie- und Rhythmusbögen zu erleben, wie sie sich im Rahmen einer mehrstündigen Aufnahmesession oder bei einem Improvisationskonzert ergeben: Hier werden spontan Melodien oder ganze Klangflächen aufgebaut, die durch sämtliche Register und Manuale der Orgel dahinflirren. Das ist kein Jazz, hat auch selten etwas mit den im Titel erwähnten Grooves zu tun: Hier wird zwischen geistlicher Musik, Klangwelten der Klassik des 20. Jahrhunderts, diversen Verneigungen in Richtung der Romantik und des freien Jazz improvisiert. Darauf muss man sich einlassen wollen - und die nötige Ruhe und Konzentration dafür aufbringen. Dann kann einen Henning Pertiet mitnehmen auf eine faszinierende Klangreise. Raimund Nitzsche

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Folklore der österreichischen Alpen trifft auf Country und den Blues von Louisiana und New Orleans: Bei einem Trip durch die Vereinigten Staaten hat Hubert von Goisern sein die Ideen für sein neuestes Album gefunden In seinen Liedern erzählt er von den Zuständen dies- und jenseits des Atlantiks. Das Etikett des Erfinders des Alpenrocks wird von Goisern wohl nie mehr loswerden. Dabei war der Songwriter schon immer jemand, der sich seine musikalischen Anregungen in aller Welt und nicht nur in der Steiermark geholt hat. Diesmal also – und das setzt gewissermaßen sein Album „Entwerderundoder“ fort – treffen Ländler und Jodler auf die Msuik der amerikanischen Südstaaten, verschmelzen Cajun und Landler, wird aus „Amazing Grace“ ein Mundartlied, wird Hank Williams „Jambalaya“ zum Blues. Mit dem Country von Nashville konnte er weniger anfangen als mit Zydeco, Cajun und den Grooves aus New Orleans. „Federn“ hat von Goisern zwar auf dem Albumcover im Haar. Doch verweist der Titel eher auf den österreichischen Dialektausdruck für „Angst“. Er habe dahin reisen wollen, wo es weh tut. Und so singt er auch von der Wut auf die ewigen Datensammler und von der Wahrheit, die nirgendwo Asyl bekommt. Raimund Nitzsche

Hubert von Goisern – Federn Wasser-Prawda | Mai 2015

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P L AT T E N wer bei dem jeweiligen Lied grad mit Solo dran ist – schnell kann man die durchaus unterschiedlichen Personalstile auseinanderhalten. Wenn man denn so aufmerksam auf die Zwischentöne lauscht und sich nicht treiben lässt in einem Konzert zwischen Blues, Rockabilly, Country und Rock, das einfach zeitlos und gut war. Nathan Nörgel

James Burton, Albert Lee, Amos Garre & David Wilcox – Guitar Heroes Der Sound ihrer Gitarren hat die Popmusik seit den 50er Jahren immer wieder geprägt. 2013 standen die vier Telecaster-Spieler James Burton, Albert Lee, Amos Garret und David Wilcox gemeinsam auf der Bühne des Vancouver Island Music Fest und servierten ein Programm zwischen Blues, Rockabilly, Country und mehr. Jetzt hat Stony Plain den Auftritt ohne Bearbeitung und Glättung als LiveAlbum auf den Markt gebracht. Manche singulären Ereignisse schreien einfach danach, auf Tonträger festgehalten zu werden. Wann hat man schon mal die Möglichkeit, vier der anerkanntesten Meister der Telecaster gemeinsam zu erleben? Ohne viele Proben stürzten sie sich (begleitet von der Tourband von Albert Lee) bei dem Festival in ein Programm aus Klassikern und lieferten eine Performance ab, die auch heute noch von der Konserve ansteckend wirkt: Schon bald braucht man die Hilfestellung des Covers nicht mehr, Wasser-Prawda | Mai 2015

Josh Smith – Over Your Head Manchen muss man Josh Smith kaum oder gar nicht mehr vorstellen. Ein weiterer dieser vielversprechenden jungen amerikanischen Bluesgitarrespielern, der bereits ausgiebig mit Joe Bonamassa auf Tour war und zu Hause in der Bluesszene von Florida ausgiebig Blueslicks mit seinem alten Kumpel Kirk Fletcher austauscht. Er kommt eindeutig aus aus der lauten, heftigen Schule des Spielens, wo jeder glaubt, er wäre Jimmy Page, der auf der Bühne laut mit Led Zeppelin musiziert. Wo das gesagt ist, kann man anmerken: Dieses Album vom deutschen Label Cross Cut beinhaltet einige sehr feine eigene Musikstücke und einen treibenden Backbeat, der vom US-Sideman Lemar Carter am Schlagzeug und dem kraftvoll pul-

sierenden Calvin Turner am Bass angetrieben wird. Bei den zwölf Stücken der Veröffentlichung gibt es wenig Überraschendes: so ziemlich jeder Track ist vollgepackt mit deftig antreibender Power und Können. Zuweilen gibt es auch Stationen, wo die Musik langsamer wird und mehr nachdenklichere Stimmungen an die Oberfläche kommen. Aber im Allgemeinen wirkt es so, als müssten die Musiker um ihr Überleben kämpfen gegen eine dröhnene Klangmauer, die alles vor ihre wie ein von Led Zep gefüllter musikalischer Tsunami fortreißt. Sowohl Kirk Fletcher als auch Bonamassa sind Gäste an Bord. Und sie werden außerdem von der wundervollen Harp des legendären Charlie Musselwhite begleitet. (Cross Cut Records) Iain Patience

Mike Andersen – Home Auch wenn der dänische Songwriter Mike Andersen schon manchmal hierzulande live zu erleben war, ist doch erst sein fünftes Album „Home“ auch auf dem deutschen Markt erhältlich. Und das zeigt ihn als tollen Soulsänger, der seine

P L AT T E N Blueswurzeln niemals verleugnet. Mike Andersen ist ein Mann der leisen Töne, der feinen Nuancen, nicht der lautstarken Bemerkungen. Aber genau das macht ihn für mich zu einem der bemerkenswertesten Soulblueser in Europa. Auf „Home“ singt er kleine Geschichten vom Unterwegssein und Ankommen, vom Gefühl, zu Hause angekommen zu sein und von den Menschen, die letztlich auch zur Heimat gehören. Andersens immer genau und songdienlich platzierte Gitarre wird auf „Home“ von einer tollen Band inklusive Bläsertruppe begleitet. Und auch wenn die meisten Songs eher ruhig und besinnlich daherkommen, kann diese Band in Stücken wie „Sin City“ großartig losgrooven und die Hörer in Bewegung setzen. „Home“ ist eines der Alben, die man als Geschenk für sehr gute Freunde auf Vorrat hinlegen kann: Das sind tolle Songs eines wunderbaren Sängers mit großartiger Band. Schön, dass Andersen jetzt mit seiner Band auch zu einigen Konzerten hierzulande unterwegs ist. Hoffentlich schafft er es auch in Deutschland, was ihm in seiner Heimat längst geglückt ist: Den Status als Geheimtipp zu überwinden. Nathan Nörgel

RG Band – 21.12 - Live At Teatro Del Pane Zwischen Tom Waits, Chuck Berry und Rick Estrin: Die italienische RG Band um Bluesharpspieler Ricardo Grosso lässt sich bei der Wahl ihres Programms nicht einengen. Schön nachvollziehen kann man das auf ihrem aktuellen Live-Album 21.12. aus dem Teatro Del Pane. Erstmals war mir die RG Band mit ihrem 2014 erschienenen Album „Right Now“ aufgefallen. Doch von dieser Scheibe standen bei dem Konzert im Dezember des letzten Jahres nur einige Nummern auf dem Programm. Statt dessen servierte das Quartett (Riccardo Grosso voc, mharm; Stefano Pagotto - g; Massiomo Fantinelli - bg, Andrea De Marchi - dr) eine Revue großartiger Songs zwischen Melancholie und Aufbruch, zwischen Chicagoblues, swingendem Rhythm & Blues und funkigen Einsprengseln. Im Zentrum steht natürlich oftmals die fantastische Harp Grossos, der sowohl Klassiker von Dixon oder Estrin mit eigener Note versieht als auch den Kneipenblus von Tom Waits die richtige Atmosphäre

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verpasst. Überhaupt steht die Atmosphäre bei dieser Aufnahme ganz im Mittelpunkt: Hier wurde nichts mit Overdubs verfälscht, keine künstliche Kompression verfälscht die Dynamik des Quartetts. So altmodisch und puristisch sollten Live-Mitschnitte immer passieren, damit man sich als späterer Hörer in die ursprüngliche Konzertatmosphäre hineinversetzt fühlt. Das ist hier hervorragend gelungen. Für Freunde des Harpblues im Speziellen und des elektrischen Blues überhaupt ist diese Scheibe eine echte Empfehlung! Raimund Nitzsche

Richard Koechli – Searching for the Blues Es ist eher selten, dass die Schweiz Bluesmusiker international hervorbringt. Richard Koechli dagegen ist in Europa und ins besondere im französisch sprachigen Raum bekannt. Mit seinem Album „Searching for the Blues“, das jetzt im April erschienen ist, setzt Richard Koechli einen Meilenstein in seinem Leben, der sein 25-jähriges Schaffen markiert. Das Album kommt mit Wasser-Prawda | Mai 2015

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2 CDs: Auf der ersten CD ist ein Sololivemitschnitt zu hören, der im Hall Blues Club in Pélussin/ Frankreich aufgenommen wurde. Solo heißt nur Richard Koechli und seine Gitarren auf der Bühne: Ohne Effekte, ohne Overdubbing! Die zweite CD ist eine Sammlung von Versatzstücken mit den typischen Blues-Licks und tollen Songs aus dem Film „Der Goalie bin ig“ von Sabine Boss bzw. „Mit den Bärenwaisen durchs Tigerland“ von Beat Bieri. Wenn sich einer auf die Spuren des Blues macht, dann kommt er an den vielen Stationen sprich Genres des Blues vorbei. Richard Koechli ist ein hervorragender Gitarrist, der den harten Blues, den Country Blues, den Folk Blues, das Picken und das Sliden beherrscht. Daher macht es Spaß, dieses abwechslungsreiche Album zu hören, dass sich vor allen auf der 2. CD wieder immer an den Slide-Themen von „You gotta move“ orientiert. Die erste CD bringt vor allem Standards wie „It hurts me too“ oder „Before you accuse me“. Überraschend sind dann seine Interpretationen von „Wish you were here“, „After Midnight“ oder „Mystery Train“. Uns als liberales freiheitliches Magazin freut natürlich der „Blues-Police-Song“: Du kannst alles im Leben anstellen, aber hüte Dich vor der Blues-Polizei. Richard Koechlis Stimme gehört eher zur ruhigeren, melancholischen Gattung und das prägt seine Songs. Einfache Songs zum Teil auf Schwiizertüütsch oder auf Französisch oder gemäß den Originalen auf Englisch. Alle Wasser-Prawda | Mai 2015

Skylar finden. Ein paar biografische Angaben finden sich im Forum cherokeewigman.iphpbb3. com: Geboren wurde er in Denver (Colorado). Aufgewachsen ist er in der Reservation der Navajos und in indianischen Internaten. Als er nach der Ausbildung in New York zurück kam, waren viele seiner Angehörigen verstorben. Offenbar hatte er selbst Alkoholprobleme. So kann man die Bemerkungen in seinem Künstlerprofil bei reverbnation.com verstehen: Er wünscht, sein Lebenswerk den Kindern zu widmen und sie zu einem besseren Leben oder einem Neuanfang zu leiten. Seine Botschaft ist die Hoffnung auf Erlösung. Ein Leben ohne Sucht und Leiden ist ein Leben in Schönheit und Harmonie. Und die Musik? Auf reverbnation. com kann jeder die Songs seines Albums anhören: Der Titelsong ist ein bluesiger Titel mit hervorragender Slide-Gitarre. „Confuzes“ ist in seiner Melancholie ein typischer Singer-/Songwriter-Titel. „Whiskey Train“ ist die bluesigste Nummer des Albums. Hier wird die SlideGitarre durch eine prima Harp unSkylar Wolf – Devil‘s Son Das Cover dieser CD wirft Fragen terstützt. „LA“ ist wieder melanauf: Ist die brennende Gitarre eine cholisch und melodiös. Überzeugt Zustandsbeschreibung der Seele von Euch selbst, ich kann das Album nur Skylar? Anders ist diese Musik, mal empfehlen! Matthias Schneider bluesig, mal rockig und auch mal still nicht zu erklären. Was muss dieser Seele angetan worden sein, um so zu brennen? Ist die brennende Gitarre ein Zeichen für eine brennende Kehle? Sicher, heraus kommt diese wahnsinnige, raue und wundervolle Stimme. Im Netz kann man nicht viel über Sprachen haben bei Richard Koechli ihren absoluten Reiz. Wer sich bei tollem Gitarrenspiel entspannen will, muss dieses Album hören. Richard Koechli zelebriert in den Songs die Schweizer Gelassenheit. Meine Favoriten aus den insgesamt 40 Tracks sind die Songs „Dem Blues auf den Fersen“ im Schwiizertüütsch und „Lucerne is a Blues City“, eine Reminiszenz an seine Geburtsstadt. Beide Stücke zeigen Richard Koechli als Meister des Bottlenecks, eine innige Beziehung, die er auch in dem Song „My Slide is crying“ beschreibt. Mario Bollinger

P L AT T E N als Textlieferant auftaucht. Das alles ist sehr relaxt, eingängig und stimmig. Allerdings kann das Album bei aller Schönheit für mich die Spannung nicht über die gesamte Länge halten. Aber das mag eine private Meinung sein, die man ignorieren kann. Reinhören sollte man hier auf jeden Fall gründlich. Und wenn man die Chance hat, kann man auch mal schauen, wie sich diese Band live macht. Da geht es wahrscheinlich nicht ganz so relaxt zur Sache ... (Timezone) Tone Fish – On The Hook Nathan Nörgel Manchmal könnte man meinen, diese Musik stamme irgendwo aus Irland oder Schottland. Doch Tone Fish ist eine Folkband aus dem deutschen Hameln. Und auf ihrem Debüt „On The Hook“ gehen die Einflüsse weit über den keltischen Raum hinaus. Dass Mark Knopfler sehr viel übrig hat für irische Sounds (neben Blues und Country natürlich), ist bekannt, Doch ob er selbst auf die Idee gekommen wäre, „Sailing To Philadelphia“ die Flötentöne The Wanton Bishops – Sleep beizubringen? Oder Sting sei- With The Lights On nem „Englishman In New York“? The Wanton Bishops sind eine zweiDiese Fragen bleiben unbeantwor- köpfige Blues- und Garagen-Rocktet. Doch klar ist: Darum scheren Band aus Beirut, Libanon. Auf der sich die Musiker um Bandgründer Bühne werden Nader (voc, mharm, Stefan Gliwitzki nicht. Sie sind auf g, keyb) und Eddy (g, back-voc, der Suche nach ihrer Version aktu- banjo) noch von Schlagzeuger und eller Folkmusik. Und das ist auch Bassist unterstützt. Nachdem ihr gut so. Denn nichts ist so langwei- 2012 im Nahem Osten erschienelig wie eine reine Coverband. Wenn nes Debüt „Sleep With The Lights man nicht seinen eigenen Ansatz On“ auch in Europa auf gehörige zur Interpretation hat, sollte man Aufmerksamkeit stieß, wird es jetzt remastered und mit zwei neuen es gleich bleiben lassen. Und neben Coverversionen finden Songs endlich auch hierzulande auf sich auf „On The Hook“ auch eigene den Markt gebracht. Stücke, bei denen selbst Shakespeare Ich möchte die Gelegenheit nutzen und auf die weltweite Bedeutung des

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Blues hinweisen. Welche Religion die Wanton Bishops haben, wissen wir nicht, dass ist auch ziemlich egal. Die Band macht guten Blues und dass zählt. Wir Blueser sind frei von rassistischem Gedankengut, für uns zählt nur guter, völkerverbindender Blues. Ein Blueser kann gar kein Rassist sein, weil dass der grösste Widerspruch an sich wäre. Der Blues ist im tiefsten Rassismus entstanden und hat sich immer dagegen aufgelehnt. Viele der Bluesidole haben eine schwarze Hautfarbe, da ist Rassismus vollkommen fehl am Platz. Ob der Blues aus den USA, aus Europa, aus Israel oder dem Libanon, aus Russland ja selbst aus Asien kommt ist uns egal, solange es sich um guten Blues handelt. Und der Bluesrock bei Eddy und Nader geht auf ganz unterschiedliche Einflüsse zurück. Eddy wurde durch die Rolling Stones, die Kinks, Oasis oder Artic Monkey beeinflusst, währen Nader eher unter dem Einfluss von Muddy Waters, RL Burnside oder Seasick Steve steht. Und wie die beiden zwischen Swamp Blues und Rock-Riffs, zwischen akustischen und elektrischen Sounds, zwischen Garagen-Rock und Blues, zwischen Naders gutturaler Stimmer und seiner jammernden Harp und Eddys rhythmischen Riffs nach Gemeinsamkeiten suchen, das macht die Faszination der Wanton Bishops aus. Schön, dass dieses Debüt jetzt auch hier „normal“ zu kaufen ist! Matthias Schneider

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BLUESKALENDER

BLUESKALENDER Zusammenstellung: Matthias Schneider (blueskalender. blogspot.de)

Ron Wood

1919 1947 1948 1952 1960

01.06. Lafayette Leake* Ron Wood* Sonny Boy Williamson I.+ Karl Valta* Jay Jesse Johnson* Bill Miller *01.06. 02.06.

1908 1941 1952 2008

Othar Turner* Charlie Watts* Brian Brazil* Bo Diddley+ Robert Ross*

1897 1916 1924 1943 1980 2009

Memphis Minnie* Buster Pickens* Jimmy Rogers* Macavine Hayes* Kyla Brox* Koko Taylor+

1957 1966 1980 1983

Tinsley Ellis* Fred Chapellier* Coy „Hot Shot“ Love* Richard Skibiński+

1944 1977

Adolphus Bell* Sleepy John Estes+

03.06.

Bo Diddley

Memphis Minnie

04.06.

05.06.

Koko Taylor

B L U E S K A L E N D E R 73

06.06. 1936 1954 1974 2010

Raful Neal* Sugar Ray Norcia* Raoul Bhaneja* Calvin Leavy+ Jean Marx Santel* Matěj Ptaszek* 07.06.

Sugar Ray Norcia

1964 1993 1997 2012

Meade Lux Lewis+ Milwaukee Slim+ Arthur Prysock+ Bob Welch+ Sören Jordan *07.06. 08.06.

1946 1968 1972 1979 2007 2011

Jimmy Rushing

James Harman* Bumble Bee Slim+ Jimmy Rushing+ Derek Trucks* Nellie Lutcher+ Alan Rubin+ Wolf-Gang Kuhlmann * 09.06.

1902 1927 1929 1934 1941 1949 1953

Skip James* CeDell Davis* Johnny Ace* Jackie Wilson* Jon Lord* Billy C. Farlow* Fruteland Jackson* Fiona Boyes 10.06.

1910 1965 2004 Howlin‘ Wolf

Howlin Wolf* Michael „Dr. Mike“ James* Ray Charles+

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BLUESKALENDER

11.06. 1931 1949 1954 1957 1959

1970

12.06. Mae Mercer* Kenny Wayne Shepherd* J. B. Hutto+ 13.06. Richard M. Jones* Bob Hall* Clyde McPhatter+ John Campbell+ 14.06. ‚Blues Queen‘ Sylvia Embry* Wynonie Harris+ Rory Gallagher+ Gipsy Elise * 15.06. Aron Burton* Grace Brim+ Joe Carter+ Mike Watson* 16.06. Lonnie Johnson+

1962

Julien Kasper*

1932 1977 1983 Hugh Laurie

Bonnie Lee* Frank Lee Beard* Johnny Neel* Ralph Willis + *1910 Hugh Laurie*

1892 1942 1972 1993 1941 1969 1995

1938 1999 2001 Lonnie Johnson

17.06.

1884 1930 1938 1993 1956 1986 Big Bill Morganfield

18.06. Sara Martin* Jerry McCain* Don „Sugarcane“ Harris* Luther Tucker+ 19.06. Big Bill Morganfield* Tiffany Harp*

B L U E S K A L E N D E R 75

20.06. 1933 1947 1987

Lazy Lester* Dan Treanor Marius Tilly* Killer Ray Allison *

1941 1969 1982 2001

21.06. Johnny „Yard Dog“ Jones* Andreas „Äl“ Lindinger* Frank Hovington+ John Lee Hooker+ Nora Jean Bruso (nee Wallace)* „Elmo“ Lee Thomas*

1919 1921 1937 1959

Ella Johnson* J.W. Warren* Cal Green* Mario Bollinger*

2013 2013

1913 Helen Humes* Bobby Bland+ Little Willie Littlefield+ Peter Bonzo Radványi*

1944 1947 1950 1956 2014

Jeff Beck* Mick Fleetwood* Sandy Ross* Michael Coleman* Lee McBee+

1925 1937 1948 1985 2013

Clifton Chenier* Eddie Floyd* Peggy Scott-Adams* Pee Wee Crayton+ Luke Jordan+

Lazy Lester

22.06.

23.06.

24.06. John Lee Hooker

25.06.

Clifton Chenier

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BLUESKALENDER

Big Bill Broonzy

1893 1903 1942 1966 1967 1979 1993 2006

26.06. Big Bill Broonzy* St. Louis Jimmy Oden* Larry „The Mole“ Taylor* Scott Holt* Pat Boyack* Ximena Monzón* James „Son“ Thomas+ Johnny Jenkins+

1925 1927

27.06. Jerome Solon Felder (Doc Pomus)* Johnny „Big Moose“ Walker*

1915

28.06. David Honeyboy Edwards*

1978 1987

Juke Boy Bonner+ Elizabeth Cotten+

1892 1936 1942 1942

Bo Carter* Dave Van Ronk* Klaus Renft* Mac Arnold*

29.06.

Dave Honeyboy Edwards

Elizabeth Cotten

30.06.

F E U I L LTO N

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LITERATUR A B C: D W I E D R A M A Dramatiker, Dramaturg, DramaQueen: Wer macht nun was? Der Begriff Drama kommt aus dem Griechischen und bedeutet an erster Stelle Handlung. Goethe definierte die Dramatik als eine der Naturformen der Dichtung als die Redesituation eines persönlich Handelnden. Jüngere Dramentheorien stellen vor allem ihren performativen Charakter heraus. Ein Dramatiker ist also derjenige, der einen dramatischen Text verfasst, der zunächst unabhängig von einer Realisierung auf einer Theaterbühne existiert, aber auf eine plurimediale Auff ührung hin konzipiert ist, die Augen, Ohren und manchmal auch Nase anspricht – auch wenn die klassischen Dramen vor allem als Lesedramen so manche Schüler quälen. Ein nicht übermäßig sympathischer Regisseur erklärte die Arbeit eines Dramaturgen einmal folgendermaßen: Ein Schauspieler und ein Regisseur haben auf einer Fahrt mit dem Heißluftballon ein wenig die Orientierung verloren. Sie machen den Brenner aus um Höhe zu verlieren und einen unten spazierenden Dramaturgen zu fragen,

wo sie sich gerade befinden, woraufhin dieser antwortet: In einem Heißluftballon. Was ein Dramaturg sagt, ist also aus Sicht des Regisseurs zwar richtig aber wenig nützlich ... Er ist im Theater oft der studierte Literatur-Spezialist an der Seite des Intendanten und ist verantwortlich für die Bearbeitung eines dramatischen Textes für die gewünschte Bühnenfassung. Früher waren sie oft auch Hausschreiber, die Stücke eigens für ihr Theater verfassten, wie z. B. Goethe in Weimar. Heute schreiben die Dramaturgen meist auch die Begleittexte für die Programmhefte oder stehen als Experten für das Stück für Presse und Publikum zur Verfügung. Unsere Drama-Queen ist letztlich unsere Expertin für das Vermischen von Kunst und Leben. Für sie ist die Welt ihre Bühne. Was im Theater der deutlichen Darstellung dient (wie z.B. auch das übertriebene MakeUp, das die Mimik der Schauspieler bis in die letzte Reihe sichtbar werden lässt), ist aus der Nähe betrachtet einfach nur noch überzogen. Aber wie heißt es so schön? Die besten Dramen schreibt doch oft das Leben ... Kristin Gora

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DER B L I C K I N D I E LEERE DE S KO P F E S VON JÜRGEN LANDT es blieb alles zu verstehen. nur, wieso sollte ein mensch alles verstehen? der mann verstand das nicht, grub seine hände in die taschen, versuchte, an nichts zu denken und machte sich von der kneipe auf einen dunklen verbindungsweg von einem ghetto in greifswald zum anderen, sah eine gruppe von jungen leuten auf sich zukommen, registrierte auf den letzten metern der begegnung, daß sie vermummt waren und dachte: ‚die kids werden wohl plakate kleben.‘, bemerkte beim passieren das hervorholen einer baseballkeule hinter dem rücken der ihm am nächsten kommenden person, und dann hatte er das fürchterlich ausgeholte instrument auch schon mitten im gesicht. der mann nahm die hände aus den taschen, taumelte nach vorn und erwartete die nächsten, ihn Wasser-Prawda | März 2015

endgültig umbringenden schläge, hörte: „geil alter, sauberer schlag!“, sah jemanden seitlich den baseballschläger suchen, sah den jungen mann den schläger finden und stellte sich auf ein ihn kopfzermatschendes aus ein, hörte den bengel wegrennen, vernahm noch einmal ein: „sauberer schlag, eh!“, und dann rannten sie alle. der mann versuchte, nicht auf die knie zu sacken, doch suchte er noch seine brille, er fühlte sie im kalten schnee und wiederum das heiße blut an seinen händen, im mund, im hals, im atem. er wankte in richtung straßenlaternen, welche ihm das zuhause in der anderen hochhaussiedlung anzeigten. er hatte es nicht mehr weit, und in den ersten straßen der siedlung schaute er sich um, sah im schein der laternen seine blutspur im schnee.

SPRACHRAUM ‚bloß nicht fallen! bloß nicht liegenbleiben!‘, waren ein paar gedanken, die ihn vorwärtstrieben, die ihn endlich einen bund mit schlüsseln hervorkramen ließen, einen schlüssel ins schloß der tür manövrieren ließen. der mann betrat die wohnung. sie war nicht beleuchtet. „na endlich. ach, es ist schön, daß du kommst.“, hörte er die stimme seiner freundin. „schatz, nicht erschrecken, wenn ich das licht anmache.“ gurgelte er blutend hervor. der mann knipste das licht an. „oh nein!!, oh gott, oh gott!!, hat dich ein bus angefahren!!?“, schreckte die frau vom sofa hoch. „nein, `ne baseballkeule, vielleicht ein gummiknüppel oder ein eisenrohr, keine ahnung.“ „wer? die bullen?“ „ach, irgend `ne idiotische gang aus den plattenbauten hier ringsum.“ der mann ging ins bad, spuckte blut ins waschbecken und schüttete sich händeweise kaltes wasser ins heiße gesicht. „du hast ja ein großes loch zwischen deinen augen im kopf!!“ kreischte die frau. „los, du mußt schnell zum arzt! wir müssen irgendwo anrufen!“ der mann schaute in den spiegel. die frau hatte recht. er blickte in ein großes, blutverkrustetes, doch noch immer blut ausstoßendes loch mitten im gesicht. der mann beugte sich dichter an den spiegel und schaute in das loch in seinem kopf. es war leer in seinem kopf, schwarz, wie in einer sternenlosen nacht. ‚ich hab`s gewußt.‘, dachte der mann, ‚nichts weiter als gähnende leere und dunkelheit! ein vollkommen hohler und leerer kopf!‘ „ich hab`s gewußt!“ fügte er laut hinzu. „was weißt du?“ fragte ängstlich die frau. „nichts!“ sagte der mann, „meine birne ist vollkommen hohl und leer! ich hab`s gewußt!“ stöhnte er vor sich hin. dann waren sie auf der menschenleeren, nächtlichen straße und suchten ein öffentliches telefon. endlich. endlich eine zelle. beim betreten sahen sie den abgerissenen telefonhörer am boden liegen und gingen zurück auf die straße. das heranbrausende taxi hielt. der fahrer betrachtete sich den blutenden mann. „tut mir leid, leute. ich hab `ne bestellte fahrt. aber da vorne fährt gleich ein bus.“ das taxi fuhr wieder

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ab. der mann und die frau warteten auf den bus. der mann hatte sich einen schal vor`s gesicht gebunden, war bemüht, den mund frei zu halten, zog in abständen tief luft, verschluckte sich an seinem blut und würgte. der busfahrer sagte nichts, starrte leer vor sich hin und fuhr das fahrzeug zum bahnhof. kein schalter hatte auf, und vor der bahnhofshalle lallte nur ein betrunkener. die frau kam aus der telefonzelle zurück. „kaputt.“ sagte sie, sah einen streifenwagen langsam auf`s halbrondell des bahnhofs rauffahren, rannte dem wagen entgegen, stoppte ihn, zeigte auf mich und rief: „der mann ist verletzt!!“ der wagen fuhr langsam vor, ein polizist hängte seinen kopf aus dem fenster und fragte: „ist es schlimm sorgenich?“ peter sorgenich zuckte mit den schultern, er wußte es nicht, ging ans fenster des streifenwagens und wickelte seinen schal ab. „meine fresse!“ sagte der polizist, „gib mal durch, daß wir ins klinikum fahren!“, gab er seinem kollegen an. der mann stieg ein und die polizei betrachtete unbehaglich sein tropfendes blut. „das ist nichts für uns!“ sagte der arzt, „der mann muß in der hals-nasen-ohrenklinik operiert werden! und wenn`s geht, gleich! aber vorher mach ich noch ein paar fotos für die studenten! so ein loch hab ich noch nicht gesehen!“ der arzt wickelte den mann in ein paar weiße tücher, ließ nur das loch im kopf frei, und dann hörte sorgenich das klicken der kamera. irgendwie kam der mann in der anderen klinik an. „oh nee!“ sagte der bereitschaftshabende assistenzarzt und nähte auf die schnelle das gewaltige loch zu, entließ den mann mit einer vollkommen schiefen nase und der bemerkung: „kommen sie morgen wieder, wenn der professor im hause ist. und tun sie mir einen gefallen, bauen sie keinen mist, versterben sie mir nicht zuhause!“ die frau und der mann hockten auf ihrer matratze. der mann stand auf, ging etwas schwindelig ins bad und schaute erneut in den spiegel. die nase war so krumm, als wollte sie sich unter allen umständen hautnah die pupille im rechten auge anschauen. das gesicht schwoll an. der mann versuchte sich hinzulegen, doch das angeschwollene gesicht vergrub im liegen seine augen. sie saßen wieder, und jetzt erhob sich die frau: „ich will Wasser-Prawda | März 2015

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versuchen, deine blutübertrockneten schuhe zu putzen.“ „danke, mein engel.“ gurgelte hustend der mann. der professor schrie die ihn umgebenen mediziner an: „welcher idiot hat letzte nacht diesen mann zurück auf die straße geschickt!! der mann geht als erster in den op!“ „ich schau mal auf den dienstplan.“ sagte die ärztin der frühschicht. der mann wurde in weiße tücher gehüllt, spürte unter den verdeckten augen das blitzen einer kamera. „das sind ein paar fotos für die studenten.“ sagte die ärztin, „ich schätze, daß ist ein doppelter, offener, irgendwie zusammengenähter nasenbeinbruch.“ sagte eine andere stimme. „kann sein.“ sagte die ärztin, befreite ihn von den tüchern und fragte: „wie geht`s, herr sorgenich?“ „blendend.“ sagte der mann und schnappte nach der krankenhausluft. er erwachte in hilfloser atemnot sitzend im bett, schaute panisch herunter auf seinen weit aufgerissenen mund, rang immer noch nach sauerstoff, sah feine bändchen aus seiner nase schaukeln, rief irgendwas und schlief benommen wieder ein. in den nächsten tagen besaß er neben seinen stöpseln in der nase hühnereigroße, blutgefüllte und stark bewegliche ovale bällchen unter beiden augen. drehte der mann den kopf zur linken seite, schoben ihn die bällchen die augen zu, drehte der mann den kopf zur rechten seite, taten die bällchen dasselbe, bewegte der mann den kopf nur ein wenig nach hinten, legten die blutgefüllten bällchen sich ganz auf seine augen. „wir versuchen es noch zwölf stunden weiterhin mit eis, sollten die stauungen bis dahin nicht etwas zurückgehen, muß ich das blut ablassen, sonst platzen ihre bälle!“ sagte die ärztin. eine schwester legte ihm wieder die eisbeutel auf die augen. „ach so, das hätte ich beinahe vergessen!“ meinte die zurückgekehrte ärztin, „ich brauche für die studenten auch noch fotos von ihren blutsäcken. und nicht einen happen festes essen! haben sie mich verstanden? und die stöpsel wechsle nur ich bei ihnen!“ „verstanden.“ sagte der mann unter den eisigen beuteln. seine freundin brachte ihm schokolade mit. „wird doch gehen, oder?“ fragte der mann die frau. „klar.“ sagte die frau. der mann brach sich ein stückchen schokolade ab und steckte es in den mund. was für ein irres gefühl. er Wasser-Prawda | März 2015

hätte nicht gedacht, daß bei seinem gewaltigen hunger ein bißchen schokolade den magen und die psyche so entkrampfte. die schokolade begann zu schleimen. der mann rang nach luft. „heh, heh! du wirst mir doch nicht an einem stückchen schokolade ersticken!“ rief die frau, richtete den mann etwas auf und meinte: „du kannst von glück reden, daß du kein boxer bist!“ der mann konnte nicht antworten, schnappte weiterhin nach luft und dachte: ‚wieso boxer?, mit baseballkeulen im ring?‘ und erholte sich ein wenig. „ich gehe jetzt was richtiges essen!“ sagte der mann, stand auf, wickelte vorsichtig seinen schal unter die hängenden, mit blutgefüllten unteraugeneier und suchte seine jacke. als wenn nichts wäre, gingen sie beide den flur entlang, verließen die klinik in richtung eines ihnen bekannten imbisses. „eine currywurst! in kleinen stücken.“ sagte sorgenich, „und du?“ fragte er die frau. „ich auch.“ sagte die, „aber meine brauchen sie nicht zerhacken.“ „boxer, was?“ fragte der mann neben dem kleinen rost. „was macht das?“ fragte sorgenich. „MOOOMENT!“ sagte der mann, wischte seine fettigen hände an der schmierigen schürze ab und tippte irgendwas in die kasse.

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DIE VESTALINNEN Eine Reise um die Erde. Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Erzählt nach eigenen Erlebnissen. Band 1. Von Robert KraŌ 24. DER KAMPF IM FLUSSE Als der überraschten Jagdgesellschaft von allen Seiten Mündungen von Gewehren entgegenstarrten, sahen die Herren sofort ein, daß Widerstand hier nichts half. Eine einzige, auf Geheiß des Rajahs abgegebene Salve hätte den Boden ringsum mit Toten bedeckt. Willig streckten die Gefangenen die Waffen und ließen es ruhig geschehen, immer von den mit angeschlagenen Gewehren auf den Felsen postierten Indiern, wenigstens hundert Mann, bedroht, daß man ihnen die Hände auf den Rücken band, den Herren sowohl, wie den Damen. Ein einziges Mal noch blitzte in Lord Harrlington ein Hoffnungsstrahl auf, als am Eingange der Schlucht ein wildes Geschrei erscholl, Schüsse knallten und er den Ruf hörte, daß Jeremy, Horatios Bursche, entflohen sei. Unwillkürlich wollte er die Hände hinter dem Rücken, welche eben erst einmal vom Strick umschlungen waren, wieder auseinanderreißen, aber der vor ihm stehende Indier setzte ihm mit drohender Gebärde die Mündung einer Pistole an die Stirn. Was hätte es ihm und seinen Freunden geholfen, wenn er jetzt starb? Während des Transportes würde sich vielleicht eher als hier eine Gelegenheit zur Flucht bieten. Außerdem sagte eben der herzukommende Abudahm, dieser elende Verräter, zum Rajah, er habe den Flüchtling mit eigener Hand erschossen. Er habe gesehen, wie derselbe in eine tiefe Schlucht gestürzt sei, zu der es keinen

Abstieg gäbe. Also war auch diese Hoffnung, daß Jeremy Hilfe herbeihole, geschwunden. Harrlington hatte keine Ahnung, daß Jeremy jener Detektiv war, den er mit der Beobachtung und dem Schutze Ellens betraut hatte. Er kannte zwar die seltsamen Gewohnheiten dieses Mannes und wußte, daß derselbe sich immer unter anderer Gestalt demjenigen näherte, für den er sich interessierte, aber unter welcher Maske, das erfuhr selbst Harrlington niemals. Er hielt Jeremy wirklich für den Burschen des Kapitäns, für einen braven und ehrlichen, aber auch sehr beschränkten Menschen. Dennoch ruhte des Lordes einzige Hoffnung jetzt auf dem Detektiven, der Ellen sicher nicht aus den Augen gelassen hatte. Ebenso wie Harrlington, zweifelten auch die anderen Gefangenen nicht daran, daß der Rajah einen Aufstand im Sinne habe, und um dabei sicher zu gehen, die Offiziere beseitigen und die Gäste derselben als Geißeln behalten wolle. Bald versammelten sich der Rajah, Abudahm und alle indischen Offi ziere, welche an dem Jagdausflug teilgenommen hatten, außer Hörweite der Gefangenen und hielten eine Beratung ab, nach deren Beendigung die bewaffneten Eingeborenen von den Wänden der Schlucht herabgerufen wurden. Es waren, wie der erfahrene Harrlington sofort sah, Wasser-Prawda | Januar 2015

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SPRACHRAUM nicht nur Eingeborene aus der Umgegend, sondern die Hälfte von ihnen hatte ihre Heimat in den Bergen, welche sich im Norden der Provinz Heiderabad erheben. Ihr Wuchs ist größer und stärker, als der jener Landbebauer, und dann unterscheiden sie sich auch durch die Waffen von letzteren. Während diese moderne Gewehre mit Bajonetten führen, tragen die Bergbewohner alte Feuersteinflinten und die gefährlichen, krummen Säbel, welche mit glatten oder ausgezackten Klingen von eingeborenen Waffenschmieden hergestellt werden. Der Rajah und Abudahm ordneten den Zug, dessen Endziel natürlich keiner der Gefangenen kannte. Voraus ritt der Rajah selbst, neben ihm Abudahm und die übrigen indischen Offiziere, sich eifrig unterhaltend. Ihnen schlossen sich die Eingeborenen von Sabbulpore an, welche zu Fuß gekommen waren, nun aber auf den Pferden der Gefangenen saßen und den Obersten, dessen Nichte Rosa und die übrigen englischen Offiziere scharf bewachten. Hinterher schritten die zur Jagd mitgenommenen Treiber, welche abwechselnd die aus Zweigen geflochtene Bahre trugen, auf welcher der noch immer bewußtlose Werden lag, und den Schluß endeten die Herren vom ›Amor‹ und die Vestalinnen, unter der Aufsicht der ebenfalls gleich den Gefangenen zu Fuß gehenden Bergbewohner. Es hatte sich zufällig so gefügt, daß Ellen mit dem neben ihr gehenden Wächter die letzte des langen Zuges war. Eine Stunde mochte der Marsch schon gedauert haben, der meist immer zwischen Hügeln durchführte, als der voranreitende Rajah sein Pferd zügelte und mit seinen Begleitern eine lange Unterredung hielt. Sie mußten in irgend einem Punkte nicht übereinstimmen, denn namentlich Abudahm begleitete seine Rede mit lebhaften Gestikulationen, aber immer wieder setzte der Rajah dessen vorgebrachten Ratschlägen ein verneinendes Kopfschütteln entgegen. Dann wurde der Anführer der fremden Indier, ein großer, muskulöser Mann, zu der Gruppe gerufen und mußte eine lange Auseinandersetzung anhören, worauf er zu seinen Leuten zurückkehrte und mit den von ihnen bewachten Gefangenen links in ein Hügelthal einbog, während der Rajah und seine Offi ziere mit den gut bewaffneten Indiern und den gebundenen englischen

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Offizieren nach rechts abschwenkten. Von Harrlingtons Herzen fiel eine Centnerlast. Er hatte aus den Bewegungen Abudahms ganz richtig erraten, daß dieser äußerst mißtrauische Mann auf eine Trennung der gefangenen Gäste bestand, aber der Rajah aus irgend einem anderen Grunde nicht darauf eingehen wollte. Er nahm nur die englischen Offiziere mit sich und überließ die übrigen der Wachsamkeit der Bergbewohner. Ebenso wie Harrlington, atmeten auch dessen Gefährten erleichtert auf, als sie merkten, daß sie nicht voneinander getrennt werden sollten. Nicht ein einziger war unter den Gefangenen, die jetzt wieder bergauf, bergab, durch Wälder und Wiesenflächen geführt wurden, der sich nicht mit den Gedanken abgequält hätte, wie eine Flucht möglich wäre. Aber nirgends war eine Möglichkeit dazu vorhanden: die Banden waren so fest geschnürt und die Stricke bestanden aus dickem Hanf, sodaß selbst der riesige Hastings sie nicht zu sprengen vermocht hätte. Außerdem waren sie waffenlos, ihre Jagdbüchsen hatten die Indier an sich genommen, und selbst wenn sie frei gewesen wären, war es doch keine so leichte Sache, die fünfzig kräftigen Indier, die alle gut bewaffnet waren, zu überwältigen. Lord Harrlington war der erste, welcher versuchte, mit seinem Wächter eine Unterhaltung anzuknüpfen, und der braune Bursche, der sich langweilte, ging sofort darauf ein. »Wohin werden wir geführt?« fragte ihn der Lord. »Ich weiß nicht, Sahib, jedenfalls in die Berge.« »Warum sind wir gefangen genommen worden?« »Unser Rajah, der ein Freund von Skindia ist, hat uns fünfzig Mann hierhergeschickt, mit dem Geheiß, dem Skindia in allen Befehlen nachzukommen. Das haben wir auch gethan.« »Fürchtet Ihr Euch nicht vor der Strafe, die Euch treffen wird, wenn das englische Gouvernement von unserer Gefangennahme hört?« Der Indier lachte höhnisch auf. »Die Engländer werden ihre Rolle hier bald ausgespielt haben,« entgegnete er, »in einigen Tagen erheben sich alle Indier mit einem Male, und sie werden das Häufchen Engländer wie einen Wurm zertreten.« Wasser-Prawda | Januar 2015

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Also das war es, was diesen Rajah zu der Gefangennahme den Mut gab. Eben wollte Harrlington den Indier weiter ausforschen, als dieser von selbst in triumphierendem Tone fortfuhr: »Noch heute fällt Sabbulpore, und mit ihm geraten alle darin befindlichen Offiziere und englischen Soldaten in die Hände des Rajah Skindia. Vielleicht weht schon jetzt die britische Flagge nicht mehr auf der Festung.« Harrlington schrak zusammen. Wie, also schon so weit war die Empörung gediehen? Er hatte gehofft, daß sich die Besatzung von Sabbulpore über das Ausbleiben der Jagdgesellschaft ängstigen und Nachforschungen anstellen würde, so aber war ihnen die letzte Aussicht genommen, durch andere als durch eigene Hilfe sich zu befreien. Wie aber sollte man dies anfangen? Ohne Zweifel wurden sie alle in die Berge geschleppt, jede von ihnen hinterlassene Spur verwischt, und sie getrennt in Verstecken als Geißeln festgehalten. Jene Berge waren durchzogen von Höhlen, welche nur den dortigen Bewohnern bekannt waren. Ebenso wie sie, wurden vielleicht in ganz Indien andere zu Geißeln gemacht, gingen die Engländer auf die ihnen gestellten Bedingungen ein, das heißt, räumten sie Indien, so wurden die Gefangenen freigelassen, nahmen jene aber den Kampf auf und fiel dieser zu ihren Gunsten aus, so mußten die Köpfe der Geißeln unbedingt fallen. Das waren traurige Aussichten. Finster schritt Harrlington neben seinem Wächter her. – Auch Ellen hatte vergebens den Kopf angestrengt, ein Mittel zur Befreiung zu finden, es fiel ihr keines ein. Da merkte sie plötzlich, wie ihr Wächter sie öfters längere Zeit aufmerksam betrachtete. Er mochte für das schöne Mädchen, zu dessen Schütze er auserkoren worden, Teilnahme, oder vielleicht mehr als das empfinden. Sofort beschloß Ellen, darauf einen Fluchtplan zu gründen, denn wenn nur einer von den Gefangenen entflohen war, so war schon viel gewonnen. »Sprichst du englisch?« fragte sie den Indier. Er schüttelte verneinend den Kopf. Das war schade, sonst hätte ihm Ellen etwas Interessantes erzählt, wodurch sie seine Aufmerksamkeit Wasser-Prawda | Januar 2015

ablenken konnte. So aber verging fast noch eine Stunde, ehe sie sich einen Plan zurechtgelegt hatte, nach dem sie ihre Befreiung und vielleicht auch die der anderen bewirken konnte. Die Sonne stieg immer höher und sandte ihre glühenden Strahlen auf die Gefangenen, welche die Hitze nicht so gewohnt waren, wie die Eingeborenen. Ellen begann leise zu stöhnen und sah, wie sie ihr Wächter wieder mitleidig betrachtete. »O,« seufzte sie, »die Stricke schmerzen mich.« Wieder stöhnte sie mehrere Male auf, um das Mitleid ihres Wächters noch mehr zu erregen. Sie versuchte etwas zurückzubleiben, und als letzte gelang ihr dies auch. Der Indier wandte sich zu ihr und sprach sie an, aber leider verstand sie ihn nicht. Ellen begnügte sich damit, ein recht schmerzhaftes Gesicht zu ziehen und von Zeit zu Zeit zu jammern. Da, fast konnte sie einen Freudenruf nicht unterdrücken, legte der Indier bedeutungsvoll den Finger auf den Mund, schaute sie an und zog das Messer aus dem Gürtel. Im nächsten Augenblicke fielen die Bande von Ellens Händen, aber er hielt sie noch zusammen und schaute das Mädchen an, eine Gebärde machend, die zum Schweigen mahnte. Ellen hatte verstanden, sie sollte die Hände auf dem Rücken so liegen lassen, als wären sie noch gebunden, denn da sie die letzte im Zuge war, so konnte niemand diese ihr gewährte Freiheit bemerken. Noch wußte sie nicht, wie sie eine Flucht bewerkstelligen konnte, aber schon betrachtete sie mitleidig den gutmütigen Burschen neben ihr; denn zur Erlangung der Freiheit war es jedenfalls nötig, daß er sein Leben lassen mußte. Vorläufig zögerte sie, irgendwelchen Gebrauch von ihren freien Händen zu machen, eine günstige Gelegenheit dazu mußte erst abgewartet werden. Bei einer Biegung des Weges orientierte sie sich, wie die einzelnen Personen im Zuge verteilt waren. Gleich einer der ersteren war Lord Hastings, von diesem nur durch einen kleinen Zwischenraum getrennt, kam Lord Harrlington, hierauf Johanna, dann Miß Murray, dicht hinter dieser Hendricks, und der nächste vor ihr war John Davids, der zweite Steuermann des ›Amor‹,

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ein ruhiger, stiller Mann, welcher sich nur bemerkbar machte, wenn seine Dienste gebraucht wurden. Diese genannten Personen waren diejenigen, deren Stellung im Zuge sich Ellen merkte, denn von ihnen hoff te sie am meisten Unterstützung zu finden. Sehr froh war sie, daß gerade der besonnene und schnell entschlossene Davids vor ihr ging. Da erglänzte in der Ferne der Spiegel eines breiten Flusses. »Wenn wir diesen passieren,« dachte Ellen, »so ist dies der günstigste Augenblick, den ich zu einer Flucht finden kann. Die Wächter müssen beim Durchschreiten des Wassers in der einen Hand die Flinte, in der anderen die Pistole hochhalten, sodaß sie keine Hand frei haben. Ich bleibe etwas zurück, und in dem Augenblick, da der Wächter Davids beide Arme hochhält, stoße ich meinen Führer nieder, nehme ihm die Waffen ab und laufe dort in jenes Gebüsch. Das Plätschern des Wassers kann vielleicht meine Flucht unbemerkbar machen, wenn nicht, so werde ich mich auch etwaiger Verfolger zu erwehren wissen, und bin ich erst in Sicherheit, so ist schon viel gewonnen.« Aber es sollte anders kommen, als Ellen gedacht hatte. Am Ufer des Flußbettes hielt der Führer und besprach sich mit dem hinter ihm gehenden Indier. Dieser deutete auf eine nicht weit entfernte Stelle des Uferrandes, und sofort schritt ersterer darauf zu. Jedenfalls befand sich dort eine Furt, dachte Ellen. Mit zusammengepreßten Lippen, alle Muskeln anspannend, aber die Hände immer noch auf dem Rücken, sah sie zu, wie einer der Wächter nach dem anderen ins Wasser schritt, das ihm bis zur Brust reichte, Flinte und Pistole hochhielt und neben seinem Gefangenen dem anderen Ufer zustrebte. Nur noch acht Paare waren außer ihr am Land, Ellen überzeugte sich mit einem Seitenblick, wo das Messer ihres Wächters stak. Betrat Davids das Wasser, so mußte es in ihrer Hand sein, und der Leichnam seines Besitzers rollte den Abhang hinunter. Doch, was war das? Die ersten Gruppen hatten das jenseitige Ufer fast erreicht, da entstand in der Mitte des Flusses ein Getümmel, der Zug staute sich, und Ellen sah, wie Lord Hastings seinen Führer unter Wasser drückte und dessen Wasser-Prawda | Januar 2015

Messer einem anderen herzueilenden Indier in die Brust stieß. Dem herkulischen Lord war es gelungen, schon unterwegs seine Bande nach und nach zu lockern, und während das bis zur Brust reichende Wasser seine Anstrengungen verbarg, hatte er die Stricke völlig gesprengt. Die am weitesten vorn befindlichen Wächter drehten sich um, die hinten im Wasser stehenden eilten nach vorn, um den kühnen Mann wieder zu bändigen. Auch Ellens Begleiter wollte ins Wasser springen, da aber riß eine Hand ihm das Messer aus dem Gürtel und stieß es ihm bis ans Heft in den Rücken. Röchelnd brach er zusammen. Im nächsten Augenblick fühlte Davids, wie seine Fesseln durchschnitten, wie ihm der Griff eines Schwertes in die Hand gedrückt wurde, und er hörte Ellens Stimme rufen: »Erst die anderen frei.« Jeder Schnitt löste die Stricke von zwei Händen. Was schadete es, wenn das scharfe Messer dabei das Fleisch streifte? Nur immer schnell von einem zum anderen geeilt und den Stahl kräftig über die Stricke gleiten lassen. Um Hastings hatten sich fast alle die Indier geschart, den Wütenden zu bändigen; wer noch nicht zur Stelle war, eilte so schnell wie möglich dorthin, an die anderen Gefangenen dachte in diesem Augenblick niemand – die waren ja noch gefesselt. Da wurden die Indier plötzlich von hinten umschlungen, die Messer wurden ihnen aus den Gürteln gerissen und ihnen in die Brust gestoßen; sehnige Finger legten sich mit eisernem Griff um die Kehlen der Ueberraschten, sie wurden unter das Wasser gedrückt, und nur ein Gurgeln verriet, daß soeben eine Seele dem Körper entflohen war. Die entsetzten Wächter erkannten jetzt, daß alle Gefangenen frei waren; sie griffen nach den Waffen, aber zu spät. Mann gegen Mann standen sie sich schon gegenüber, kein Schuß ward hörbar, die Männer wie die Frauen kannten kein Mitleid. Wer von den Indiern den Dolch gegen einen waffenlosen Engländer zückte, der erhielt von diesem einen Faustschlag, daß er mit zerschmetterter Kinnlade im Wasser verschwand; wer gegen ein Mädchen die Pistole erhob, der sank im nächsten Augenblick mit einem Schmerzensschrei zurück. Nicht ein einziger der Indier erreichte das Ufer; das

SPRACHRAUM blutgefärbte Wasser schwemmte ihre Leichen mit fort. Fünf Minuten hatte dieser Kampf nur gewährt, dann standen die Geretteten wieder am Ufer, zwar mit Wunden bedeckt, aber doch frei. Die Gefühle, die ihre Herzen erregten, als sie sich nun die Hände schüttelten, lassen sich nicht beschreiben. Der erste, der an die Zukunft dachte, war Harrlington. »Was nun?« fragte er seine Genossen. »Frei sind wir zwar, aber wir haben wenig Aussicht, uns lange dieser Freiheit zu erfreuen. Wie ich vorhin gehört habe, ist Fort Sabbulpore bereits vom Rajah genommen, so können wir also dort keine Hilfe erwarten.« »Was brauchen wir Hilfe?« entschied Ellen. »Wir sind fünfundfünfzig Personen, alle bewaff net wenn auch schlecht. Unsere erste Pflicht ist, dem Rajah die Gefangenen abzujagen. Ich möchte doch diese Indier sehen, wenn wir einige Salven auf sie abgeben, sie würden unserem Angriff nicht lange stand halten.« »Wir wissen aber nicht, wohin sich der Rajah gewendet hat,« entgegnete Harrlington dem feurigen Mädchen. »Nein, wir wollen erst das Fort Sabbulpore den Indiern wieder nehmen, unmöglich ist dies nicht. Die Feinde glauben uns weit entfernt und sich in Sicherheit, und wenn wir dann wie ein Gewittersturm bei Nacht hervorbrechen, so halten sie uns für englisches Militär, und die Ueberraschten werden nicht lange Widerstand leisten!« »Aber der Oberst, Rosa und die gefangenen Offiziere?« »Entweder sind diese bereits im Fort, oder wir erfahren doch wenigstens dort, wo sie gefangen gehalten werden.« Alle übrigen waren mit diesem Vorschlag einverstanden und traten, nachdem sie sich die beim Kampf empfangenen Wunden notdürftig verbunden hatten, ohne Säumen den Rückweg an. Harrlington kannte die Gegend einigermaßen von früherher und diente als Führer. Schnell, aber vorsichtig bewegte sich der Zug vorwärts, ebenso, wie vorhin ihre Wächter, um jedes Dorf einen großen Umweg machend, damit die Kunde von ihrer Befreiung und Rückkehr ja nicht vor ihnen nach Sabbulpore käme und somit ihr beabsichtigter Plan vereitelt würde. Es war Nachmittag, als sie in der Ferne die Bergfestung liegen sahen, und es wurde beschlossen, bis zum Anbruch der Dunkelheit sich in einem mit Unterholz dicht bewachsenen Wäldchen verborgen zu

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halten und sich auszuruhen, um zu dem in der Nacht vorzunehmenden Wagnis Kräfte zu sammeln. Harrlington bat zwar, die Damen möchten sich nicht bei der Ueberrumpelung des Forts beteiligen, sie könnten sich auch dadurch sehr nützlich machen, daß sie den Stürmenden den Rücken deckten, aber er wußte schon vorher, daß er dabei auf Widerstand stoßen würde. Nicht nur die Mädchen, sondern auch die meisten seiner Freunde verwarfen diese Bitte, ja, sogar Hastings, der sonst von den Fähigkeiten des weiblichen Geschlechtes etwas geringschätzend dachte, erklärte dem Lord ganz energisch, daß er seit dem Kampf im Fluß die Vestalinnen vollständig als ihm ebenbürtig betrachte und jede Zurücksetzung derselben als eine Beleidigung gegen sich selbst auffasse. Als die Dunkelheit einbrach, rüsteten sich die Genossen zum Kampf. Noch einmal verbanden sie sich die Wunden, setzten die Waffen in stand und schlichen sich an das Fort heran. Ein richtiger Kriegsplan, wie sie einen heftigen Angriff mit List verbinden wollten, sollte erst kurz vor dem Beginn des Kampfes besprochen werden. Plötzlich hemmten die Vorausgehenden ihren Schritt und deuteten nach einer bestimmten Stelle. Deutlich konnte man wahrnehmen, daß dort einige Feuer brannten, und beim Näherschleichen bemerkte man, daß man nicht, wie man erst annahm, Wachtfeuer von Eingeborenen vor sich hatte, sondern daß dort Gruppen von Weißen lagerten. »Wer da?« hallte ein Ruf durch die Nacht. Vor Harrlington sprang ein Mann auf und hielt das Gewehr gegen ihn. Die Frage war auf englisch gestellt worden. »Engländer,« entgegnete Harrlington freudig, »Gott sei Dank, wir treffen auf englische Soldaten.« Wie waren sie aber erstaunt, als sie in einem der drei ihnen entgegenkommenden Männern Felix Hoffmann, den Kapitän des ›Blitz‹ erkannten, der hier mit vierzig Mann seines Schiffes lag! Bald hatten sie sich verständigt; diejenigen der Engländer, denen die empfangenen Wunden am wenigsten hinderlich waren, brachen sofort unter Führung des Lord Harrlington nach Parahimbro auf, während sich die übrigen mit den Mädchen der Expedition Hoffmanns gegen die Festung von Sabbulpore anschlossen. Wasser-Prawda | Januar 2015

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B B K ING IN PA RI S : M A K I NG T HE WORL D A BETTER PLACE BY GARY BURNETT (JULY 16, 2012) Last week I went, along with my daughter, to see B B King play in Paris, in the stately surroundings of Le Grand Rex theatre. I’d never seen B B live before so I was very excited that we were able to go. He’s nearly 87, but still a great performer – one of those artists who really connects with his audience, whether he’s singing, playing Wasser-Prawda | März 2015

or chatting. He said recently, “The way I feel today, as long as my health is good and I can handle myself well and people still come to my concerts, still buy my CDs, I’ll keep playing until I feel like I can’t”. Good on you, B B. My daughter & I and a couple of thousand French adoring fans certainly felt you handled yourself pretty well.

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There’s a certain amount of pomp about a B B King concert – well, he is the King, after all. His band (hardly one without six decades under his belt) played for at least five minutes, keeping the tension going, until the great man was escorted to his chair on the front of the stage, where he acknowledged the whooping and hollering, and then royally dispensed guitar picks to the front couple of rows, before sitting down to play. The gift showering ceremony took place at the end of the gig as well, before B B’s minders eventually persuaded him to wave goodbye one final time. Well, of course, at 86, you’re not going to get the guitar playing of his younger days – but, man, that voice – still thunderous when he gets going and sweet when he wants it to be. And the guitar licks we did get – still that characteristic B B sound. As slide guitarist Derek Trucks recently said, “Still to this day when you see BB, that’s all it takes – hear…one note and you immediately know who you’re dealing with”. “That one-note thing that BB gets, he’s communicating with you. So he touches that note in the right way to grab your attention. He hits it and it talks to you. It kinda pulls you in…” said Robert Cray, and he’s dead right. Think of all the brilliant guitarists who have played with B B, especially over the past few years – he’s never in their shadow. Because he knows how to communicate, to put heart into every note. Once he got started, he gave us, amongst others, I Need You So, Key to the Highway, Rock Me Baby and, perhaps surprisingly at his stage of life, Blind Lemon Jefferson’s See That My Grave is Kept Clean. And, of course, the song we’d all come to hear – The Thrill is Gone. All the time, he’s playing the blues, and yet – he’s making you feel good the whole time. Kenny Wayne Shepherd commented on this,“He’s one of the single most influential guitar players to ever pick up the instrument. Part of it is indescribable and part of it is identifiable – from a player’s perspective his vibrato…his phrasing – there’s

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something very passionate about his choice of notes that’s also very friendly. His music…just makes you feel good when you listen to it”. That’s it – just makes you feel good – it’s life affirming. A various stages, over the years, the Christian church has been pretty suspicious of the blues, given its association with juke joints, dancing and sex. Michael Bane, in his book, White Boy Singin’ the Blues, says “The blues especially, were the opposite side of sacred …. You could sing gospel or the blues, but never both. The blues belonged to the Devil, with his high-rollin’ ways… and if you sang his music, the door to the Lord’s house was shut to you”. Walter Trout, talking about B B King, however, thinks this is too simplistic, “A lot of people in the church, they go through this thing that it’s the devil’s music, but the way he [B B King] plays and the way he sings, that is a gift from God and if you are at all religious you will believe that he has that gift and he was touched when he was, you know, in the womb. If you have a gift like that…you can make the world a better place by sharing it.” When we heard B B King play last week, I think we all felt this gift of B B’s and we went away feeling enriched from the experience. A B B King concert makes you feel that the world can be a better place. We’ll leave the last word to B B King’s There Must Be Better World Somewhere:

It just ain’t fair, but I know I said I know, Oh yes, I know There must be a better world somewhere There’s just gotta be Gotta be a better world somewhere

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AN INTERVIEW WITH BILL WYMAN BY IAIN PATIENCE. Speaking with the Stones‘ former

and the next about finding Roman

bassist, Bill Wyman, starts off on a

coins, interna onal photo exhibi ons

musical note but before long you‘re

and the ironic fact he was never able

being swept along both by and with

to photograph the Stones on-stage

Bill and his other primary passions,

because he was up there with them.

photography and history/archaeology. All in all it‘s an interes ng ride, a surprising adventure where one minute he‘s quipping about musicians Wasser-Prawda | März 2015

“I‘ve got all the backstage photos, though. The more interesting ones. Mick Jagger putting on his socks” he laughs. There‘s something lurking round every corner with this complex guy who has interests in so many more fields that it can be exhausting and exhilarating just

ENGLISH listening to him, let alone pursuing those multifarious pursuits as he approaches his four score year milestone. With the impending release of his first solo album in over 30 years, he explains that the material included on the new album, ‚Back To Basics‘, comes from a mix of old songs he‘d written and recorded as demos but never released, and new ones written specially for the project. All were recorded on a home tape, stripped down, pared to the bone - back to basics, indeed - and the musical support work added in a similar way, with Wyman himself on Bass and vocals together with support from some of his best buddies, soul-blues singer Beverley Skeet and guitarist Terry Taylor, both of whom form the core of his other great band, The Rhythm Kings. Add Mark Knopfler‘s pal, Guy Fletcher, on keys and producer Glyn Johns to the stew and you have a singularly powerful, poised and confident album. The album’s already gaining positive reviews around the world, and Wyman is clearly gratified to know he can still produce the goods, seemingly almost at the drop of a hat. “It‘s interesting” he remarks. “The feedback so far has been great, really positive. Some - other musicians mostly - have told me they think some of the lyrics are a bit quirky.” One track, the opener on the 12-track album, ‚What & How & If & When &

Why‘ also launches as a single, a song with a slightly menacing, near-sinister undertone. He says it was originally written having seen Bob Dylan’s video for Subterranean Homesick blues where he throws aside the word sheets. But the resulting song is, he adds, nothing like Dylan’s. The lyrics reflect his concerns about the way of things generally and life out on the streets nowadays. “Glyn Johns and loads of other musician friends listened to it and all thought it would make a great single. So that‘s what I‘ve done” he confirms. Asked why it‘s been so long between solo albums he simply states what is evident from his substantial CV - he‘s just been too busy getting on with life and his myriad other passionate interests, photography, history/archaeology, metal detecting and The Rhythm Kings. He‘s also clearly and deservedly proud of his award winning book, ‚Bill Wyman‘s Blues Odyssey‘ which scooped the US Blues Foundation ‚Keeping The Blues Alive‘ award for literature back in 2002: “Buddy Guy and BB (King) told me they thought it‘s the best book about the music they‘ve read, which meant a lot to me.” A man of many unexpected parts is our Bill, much more than just another old Rock‘n‘Roller, for sure. A career at the very top of the musical tree with the Rolling Stones would be more than enough for most but instead Wy-

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man didn‘t just retire when he left the world‘s greatest Rock‘n’ Roll & R&B band in 1993. During the 1980‘s, while still with The Rolling Stones, he carved out a new career in music with a huge surprise international hit song, originally written as a demo for the late Ian Dury, ‚Je Suis Un Rock Star‘, but recorded by Wyman himself to great acclaim. He then went on to found the band Willie and The Poor Boys, an outfit he says was a “template, a prototype” for what became his current touring and recording vehicle, The Rhythm Kings. Back To Basics is an album that effortlessly blends rock with blues undertones and a crafted aura of deceptively casual listen-again get under your skin – songs. And though he‘s doing lots of radio promotion and media exposure to promote the new solo release, he won‘t be taking to the road with it anytime soon, if at all. “I‘m not an upfront sort of guy. I can‘t do that sort of thing. It‘s one of those things you‘ve really got to work at. It‘s not me. Sting works at it, I don‘t. I find it too difficult to try singing and playing Bass at the same time! I do it with the Rhythm Kings with our old songs but if I‘m playing bass, I forget the words and if I‘m singing I tend to forget the bass-line. So it‘s not for me,” he jokes ruefully. “I was usually at the back, with Charlie (Watts), keeping the beat strong and solid, holding the rhythm; not up front with a mic like Wasser-Prawda | März 2015

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Mick.” Nowadays he composes with the help of an acoustic guitar where he brings the melodies together with bass runs and single stringwork. “I don‘t do chords,” he says. “I did play piano a bit, too, though,” he adds. When I casually mention my own love of blues music, he again explodes with interest remarking on how surprised he is to find one of his teenage daughters now beginning to take an interest in it, a musical genre he acknowledges appears to have little attraction to many younger people these days. So, I ask, does he have a personal favourite blues track? He goes quiet and after a few seconds thought says: “Howlin‘ Wolf and ‚Goin‘ Down Slow‘, the version with Willie Dixon on it. And Muddy (Waters), goes without saying.” Wyman of course recorded with Howlin’ Wolf and remembers the session well. To finish, I can‘t resist the temptation to ask if he has a personal favourite Stones track. Again, he thinks it over before confirming that one of their lesserknown songs, ‚Parachute Woman‘ from the 1968 release, ‚Beggars Banquet‘, is his favourite. Not only that but the man immediately launches into the lyrics with his characteristic gritty voice, before adding that it‘s one of those tracks that is seldom heard or played. “Reminds me of Bo Carter and the double entendre of many old blues numbers”, I suggest. Wasser-Prawda | März 2015

“Parachute woman, land on me tonight,” he quips in agreement with a laugh. Bill Wyman’s new album, Back To Basics, is released on the Proper record label on June 22nd.

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GÜNTER „ HOLLY“ HOLWA S (19 50-2014) BY RAIMUND NITZSCHE. TRANSLATION: MATTHIAS SCHNEIDER There are musicians whose importance lies less in the recording, they leave behind, but in their commitment and their live performances. This certainly includes Günter „Holly“ Holwas, who passed away on 11 May 2014 in Bavaria. As co-founder of the Berlin Bluesmeasuring the singer and guitarist is one of the most important figures in the history of the GDR Blues. Born in 1950 as the son of a professional musician, Holly learned to play the guitar by himself. As a child he never wanted to follow in the footsteps of his father. His role model were Muddy Waters as well as BB King and John Lee Hooker. From whom the idea originated, whether from the musicians or by the parish priest, ultimately does not matter. Günter Holwas had founded in 1979 after the time as Bausoldat (conscientious objector) his first blues band and he looked for performance opportunities. In former youth pastor Rainer Eppelmann he found open ears. At the very first „Blues Mass“ in Berlin, came several hundred young people and experienced not only blues but also a sermon. When the church in 1986 ended

this increasingly becoming a meeting opposition in the GDR had become worship, visitor numbers were temporarily increased to several thousand. This event was from the beginning a target of the National Security of the GDR. Similar Eppelmann also Holwas became the target figure of national security “Stasi”. In 1981 he was banned from performing and asked for an application for an exit visa. The old hippie went to West Berlin and later to Canada. And even there it took a long time before he began making music again. He was for a time a member of the Downchild Blues Band, played with Ronnie Hawks and did studio work for Otis Rush and Carey Bell. Finally, he founded Holly´s Blues Corp. and opened concerts even for the late Jeff Healey. In 1998 his health deteriorated. And so his children brought him back to Berlin. Here he started the old 1998 brought him his children back to Berlin after his health broke down. And, starting in 2005, he joined the people who started the old Blues Masses again. He played with different bands there and did alos some gigs around Berlin. Probably his last concert was in 2009.

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Reviews

Bill Wyman – Back To Basics A new release from ex-Stones bassist, Wyman, is inevitably going to be of interest to a vast army of music fans. For Wyman, it must be difficult at times to ditch some of the overhanging burden of having been an original member of the world‘s greatest rock‘n‘roll and rootsy R&B band, but with this 12 track album, he seems to have shrugged off the hound of history. And it‘s not for the first time in his career. Over the course of a remarkable 50+ year lifelong career as a music top-feeder, this guy has moved away from the old, raucous roar of Keef and Mick to produce a steady stream of quality stuff that includes many albums and steady annual, international tours with his wonderful eponymous band, Bill Wyman‘s Rhythm Kings, an ad-hoc, ever changing group of absolutely top-dollar UK and US musicians with a huge following worldwide. With this album, Back To Basics, Wyman gives us his first solo offering in over thirty years. Wyman Wasser-Prawda | März 2015

says some of the material here comes from an overlooked back-catalogue of songs he wrote and squirreled away some years ago. They only came to light when he was doing a tidying job, cataloguing and stashing old tapes away for a rainy day. Listening to some of this material, he decided to revisit it, rerecord some and write a few new tracks and put together a fresh solo album. As you‘d expect from someone with his stature and musical maturity, there are some fine tracks of a mostly lightish rock style and yet others with a cool, rhythmic groove bordering on classic pop. It‘s clear from the lyricism that Wyman is more of a wordsmith than many might give him credit for; he seems to relish rhythm and rap-like rhyming couplets, which positively suit his faux East London accented voice. At times, you can hear the same, growling background vocals and music that gave the world the classic post-punk anthem Je Suis Un Rock Star back in the 1980s. Wyman is a guy who has no need to prove anything and the relaxed feel of this release echoes that sentiment. (Proper Records) Iain Patience

Black Pa Sugar

– No Milk, No

This is an excellent 12 tracker from a quality German duo. Oddly enough, Germany seems to be producing some truly interesting pre-war blues acts these days. Anyone familiar with the work of The Delta Boys, another German duo with a genuine feel and engagement with the music, will have a fair idea of what to expect here. With Mando and acoustic guitar picking and slide work, together with fine Harp in the mix, No Milk No Sugar has a powerful, driving sound that easily belies the fact there are but two guys pouring out the mix onto analog equipment with ribbon mikes and period instruments. Material ranges from oldstyle ragtimey pieces and instrumentals to spirituals/gospel numbers and deep South, delta blues. All of it delivered with a sparkling, comfortable ease and style. This is an album that pulses with deep blues emotion and grit. The vocals of the pair, Peter Crow C and Ferdinand Kraemer - aka Mr Jelly Roll, in Germany

ENGLISH - combine well and the fretwork of both is always pretty well spot-on. Overall, this album is a great discovery for lovers of traditional acoustic pre-war US blues in general and modern-edge acoustic blues of gripping traditional quality coupled with more than a dash of originality. I reckon and hope to hear much more of this pair in the near future. A highly recommended bit of cool blues. (Rhythm Bomb Records 5805) Iain Patience

Charlie Parr – Stumpjumper Leo Kotkke-esque barrelling twelvestring acoustic guitar picking rips this odd mix of modern Americanacum-blues release to a rocking start. Parr spent much of his youth in one of the USA‘s lesser-known rural areas, the home of the great postwar menu fi ller - Spam - Austin, Minnesota, never a noted musical centre, unlike its big Texan brother. Despite - or perhaps because of this seemingly inauspicious background, he manages to capture the essence and thriving, driving power of modern country roots music, coupled with striking Americana influences to great effect. Strangely enough, Parr also appears from

this offering to have clearly swallowed the music menu from the Lone Star State as right from the off, the eleven tracks wash into each other with a marvelous, rolling rhythmic quality that captures the full range of modern country, Appalachian tradition and roots music. Still based in rural Minnesota, Parr recorded the intriguingly titled Stumpjumper in North Carolina, a state with an overwhelming tradition of producing top quality musicians of legendary stature and quality - Rev Gary Davis; Blind Boy Fuller; Doc Watson etc. With one exception, the old standard blues-roots number Delia, all of the tracks included here are self-penned and resonate loudly with a deeply imbued knowledge of the southern roots tradition and music. Shades of Woody Guthrie, Leadbelly style picking at times, even Charley Patton and Lightnin‘ Hopkins, jump out and grab the attention, while his banjo-work is also sure-fired and sparkling. Parr is without doubt a wonderfully talented guitar picker and at times the sheer speed of delivery is near breathtaking. Fortunately, he never falls into the trap of simply being yet another too-fast picking monster and succeeds in remaining tasteful and tight throughout. A mighty fine release. (Red House Records RHR CD 283) Iain Patience

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Greyhound George & Karl Valta – Apple Street Boogie German blues guitar player Greyhound George, based in Bielefeld, Germany, the city that according to an internet satire (Bielefeld conspiracy) does not exist, delivers his sixth acoustic guitarbased blues album supplied by Karl Valta (blues harp) which was recorded in „Maschinenraum Tonstudio“ Herford. Karl Valta is not only a wellknown graphic artist (he designed the album cover) but also an outstanding blues harp player. Apple Street Boogie deals with everyday life on Apple Street, the home of storyteller Greyhound George. Ten of fifteen tracks are written by Greyhound George himself. The awesome blues harp solo „Dunkeltuten“ (on a low low F blues harp) is composed by Karl Valta and presented to produce goose bumps. The album is also enriched with covers from Bob Dylan, Willy Dixon, Willy Brown, and finally with an outstanding version of Fred McDowell’s blues standard „You gotta move“ to complete this fine album in an authentical and emotional way. Multi-talented Karl Valta lives and works in the contemplative little Wasser-Prawda | März 2015

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town of Klein Jasedow but does not only work as a painter and graphic artist. He also belongs to the most distinguished blues musicians in the North East of Germany. During the last few summers he used to be on tour in the Baltic Sea region together with Greyhound George. The album reflects the fantastic team work between Karl and George. Both have a heart for traditional blues songs, however, on this album they „stamped“ old and new songs with a very personal and coeval touch. There are some significant blues songs like „Blues won’t leave“, „You gotta move“ and „Walk by your side“, however, you also find there subtle irony and humorous titles like „Hole in my pocket“ and „What can I do when I get happy“. „Apple Street Boogie“ deals with everyday life in a typical German periphery. Goose bumps will be produced by listening to Karl Valta’s blues harp solo „Dunkeltuten“ on his low low F harp. „Dunkeltuten“ is a synonym for „to idle away“ and comes from the old times when ships got lost in fog and were disabled so they had to give a regular signal to avoid being rammed by other ships: Dunkeltuten (tooting in the dark). Best acoustic recording conditions produce a trash-free campfire romanticism in your living room. Listening to this album you always get the impression of Greyhound George sitting right beside you smiling at you in an unmistakably contented way. Thumbs up! Can’t Miss Tracks: Walk by your side, Hole in my pocket, Dunkeltuten, Apple Street Boogie, Wasser-Prawda | März 2015

What can I do when I get happy Ma sch i nen r au m Tonst ud io, Herford, Germany Mo Tschache

everything before in its wake like a Led Zep-fuelled, musical tsunami. Both Kirk Fletcher and Bonamassa guest onboard, where they are also joined by the wonderful Harp of the legendary Charlie Musselwhite. (Cross Cut Records) Iain Patience

Josh Smith – Over Your Head To some, Josh Smith will need little or no introduction. Another of those seemingly prodigious young US electric blues guitar guys who has already toured extensively with Joe Bonamassa and regularly trades licks back home on the Florida blues circuit with his good ole buddy, Kirk Fletcher, he clearly comes from the loud, wailing guitar school of playing where everybody seems to think they are Jimmy Page roaring aloud onstage with Led Zep. That said, this release from German label Cross Cut, has some mighty fine tracks of original music and a driving backbeat led by US sidemen Lemar Carter on drums and Calvin Turner pulsatingly powerful on Bass. There‘s little, however, to surprise in this 12 track offering albeit every track is packed with gutsy, throbbing power and skill. There are occasional flights where the material slows down, and more reflective moods surface but generally it seems like they have to struggle for their survival against a soaring wall of sound that pushes

Malcolm Holcombe – The RCA Sessions With Holcombe you can always expect the unexpected. A true original, a singer-songwriter with a flair for the unconventional, searing, raw emotion and lyrics and a voice that could stop a bull-elephant in its tracks. With The RCA Sessions, he again pushes the boundaries, a man with an edge in his fretwork, voice and music at all times. For my money, there‘s little not to like on this album, a full 16-track offering giving bang for buck and sterling material to the table. His tortured, gravelly vocals only just manage to push his fine fingerpicked fretwork to the side and not content with just another cD, Holcombe here akso releases the first DVD performance of his playing, riding musical shotgun with a fine bunch of sidemen including Jared Tyler on Dobro and lap-steel; Dave

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most everything he does or has done welcome, for sure. (Proper Records for the past 40 years or so. More PRPCD 128) than just another singer-songwriter, Iain Patience he‘s a revered Irish institution with an astonishing knack, an ability to put together cracking support bands, great albums and top dollar live performances. The Vicar St Sessions (Vol 1) is his latest release, due on April 27th, and again shows us just why he remains such an important figure on the international music stage. Over the years his own written material has been played and recorded by the likes of Tina Turner; Bonnie Raitt; Carole King; Joe Cocker; David Crosby; Cliff Richard,;Trishia Yearwood, Phil Collins and a host of others - a list as long as a proverbial arm with a remarkable range of musical styles, tastes and output of similar size. On this excellent 13-track offering he‘s gathered a few of his buddies to join in the fun with a live recording from a session in 2001 that only now is seeing the light of day. Dire Straits former frontman Mark Knopfler is joined by Sinead O‘Conner, Van Morisson, Bonnie Raitt - an old friend who guests on two numbers - Curtis Stigers, Ronan Keating, Friday & Seltzer and Eleanor McAvoy. The result is a wonderful, at times raucous sounding live performance where the crowd are clearly loving every minute and being treated to a singularly fine evening‘s entertainment. Perhaps the most encouraging thing about this album is as Vol 1, it hints Paul Brady – The Vicar St. tantalisingly at more to come. I Sessions, Vol. 1 Paul Brady is one of those guys, a personally can hardly wait for the man always guaranteeing quality in follow-up. A Vol 2 would be most Roe on Upright Bass; Ken Coomer on Drums; Tammy Rogers, Fiddle & Mandolin, and Jelly Roll Johnson on Harp. Siobhan Maher-Kennedy haelps with the vocals, as does the powerhouse Irish singer Maura O‘Connell. Recorded at Nashville‘s legendary RCA Studios, this album features tracks from each of Holcombe‘s previous ten albums plus a few others, all rerecorded in Nashville - Holcombe often prefers home recordings - specially for this project. I must lay my cards on the table and say I‘m a huge fan of this guy and his music. He sounds like a 60-a-day kind of guy, and at times sounds like he‘s working his way through those very smokes while simultaneously recording and singing. An excellent album for anyone who likes gritty voice and lyrics coupled with fine acoustic-driven guitarwork from the cutting, slicing edge of modern country and Americana music. (Gypsy Eyes Music) Iain Patience

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