Informationen Sonderheft 1

Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Informationen Sonderheft 1 ISSN 0940-1148 - Juli 1991 / 2007 - Hrsg. von der ...
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Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Informationen Sonderheft 1

ISSN 0940-1148 - Juli 1991 / 2007 - Hrsg. von der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.

Tradition - Organisation - Innovation __________________________________

25 Jahre Bibliotheksarbeit in Freiburg

Wolfgang Kehr zum 60. Geburtstag Vorgelegt von Mitarbeitern der Universitätsbibliothek und anderer wissenschaftlicher Bibliotheken in Freiburg i. Br. Herausgegeben von Albert Raffelt Band 1

Freiburg i. Br. - Universitätsbibliothek – 1991 – 2007

Abbildungsnachweis: Titelbild: Ulrike Nerlinger - S. 11: Privatbesitz - S. 20-50: Aus Besitz Dr. Helmut Knufmann und aus Beständen der Universitätsbibliothek - S. 52: Handschriftenabteilung der Universitätsbiblithek

2. Auflage - Digitale Version © Freiburg 2007

Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Informationen. Sonderhefte Herausgegeben von der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. ISSN 0940-1148 © Freiburg i. Br. - Universitätsbibliothek - Juli 1991 - 2007 Schriftleitung: Albert Raffelt

INHALT Band 1 Albert Raffelt: Zur Einführung Zur zweiten Auflage in digitaler Form

9 11

* Bärbel Schubel: Wolfgang Kehr zum sechzigsten Geburtstag Helmut Knufmann: Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

13 19

* Die UB Freiburg 1968

53 Erwerbung

Beate Zick: Revision und Sanierung einer Fortsetzungskartei Rita Messmer: Rationalisierung in der Zeitschriftenstelle Hermann Josef Dörpinghaus: Steuern auf Bibliotheksmaterialien. Ein Überblick

63 69 77

Fachreferate Folkert Krieger: Vorläufige Überlegungen zum Aufbau einer EDV-gestützten Bestellkartei am Arbeitsplatz des Fachreferenten Albert Raffelt: Gedanken zum Fachreferat

91 103

5 Inhalt - Band 1

Katalogisierung Hansjürgen Maurer: Sonderarbeiten der Katalogabteilung 1967-1991 Christoph Hermann: Zeitschriftenkatalogisierung im Wandel. Vom Offline- zum Online-Betrieb Jutta Amedick: Der Freiburger Gesamtkatalog Hansjürgen Maurer: Retrospektive Katalogkonversion in einem Verbundsystem Rudolf Piepenbrock: Anwendung und Abwandlung der Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. Eine Skizze

125 136 145 165 193

Handschriften und altes Buch Vera Sack: Arbeit am alten Buch. Eine Rückschau Winfried Hagenmaier: Handschriften- und Nachlaßkatalogisierung

204 230

Benutzung Ekkehard Arnold: Informationsabteilung in der UB Freiburg 1978-1991. Rückblick und Bilanz Barbara Brummer: Informationsvermittlerin in Freiburg Klaus Moser: Leihstelle und Magazin 1967-1978 Hannsjörg Kowark: Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung. Der Ausleihbereich in den Jahren 1978-1990 Jutta Amedick: Spielwiese: Von der AL zur FZ (Akademische Lesehalle, Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung, Freizeitbücherei) Hans-Adolf Ruppert: 15 Jahre OLAF - und noch kein Ende? Fragmentarische Gedanken zum Versuch, ein viereckiges Rad so rund wie möglich zu machen

236 246 251 266 283 307

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Themenübersicht Band 2 Bibliothekssystem Wilfried Sühl-Strohmenger: Das Bibliothekssystem der Albert-LudwigsUniversität Freiburg im Breisgau Albert Raffelt: Kleine Geschichte des Verbunds der Institutsbibliotheken der Theologischen Fakultät Ulrike Nerlinger: Das Institut für Ur- und Frühgeschichte an der Universität und seine Tauschbeziehungen Susanne Röckel: Naturwissenschaftliche Bibliotheken Frauke Vrba: The moving library. Die Bibliothek des Englischen Seminars Claudia Mühl-Hermann: Katalogsanierung mittels Verbundkatalogisierung im Musikwissenschaftlichen Seminar Jutta Dörbecker-Gaigl - Hiltrud Hertel-van Meegen: Die Bibliothek des Romanischen Seminars Jutta Giencke: Die Fakultätsbibliothek Forstwissenschaft im Umbruch Günter Franz Paschek: Die Bibliothek für Rechtswissenschaft Peter Glanzner: Universitätsbibliothek und Bibliothek der Pädagogischen Hochschule. Ein Kooperationsmodell Ingeborg Feige: Die Bibliothek des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg i. Br. (»Caritasbibliothek«) Überregionales Wilfried Sühl-Strohmenger: Das Handbuch der historischen Buchbestände für die Bibliotheksregion Baden-Württemberg Eleonore Engelhardt: Bibliotheksarbeit in der Deutschen For­ schungsgemeinschaft Franz Leithold: Die Bestands- und Katalogsituation an Medien- bzw. Sprachzentren westdeutscher Hochschulen

7 Inhalt – Band 2

Bau, Kunst Ortwin Müller: Der Neubau der Universitätsbibliothek. Ein Baubericht Angela Karasch: Denkmalschutz und Neubauplanung, oder: Der Abriß des Rotteck-Gymnasiums, eine »Chronik der Vernichtung«? Veronika Mertens: Bilder, Bücher und Steine. Kunstwerke in der Universitätsbibliothek Ausstellungen, Publikationen Gerd Biegel: Kulturkooperation im Dienste des Bürgers. Ausstel­ lungsverbund von Universitätsbibliothek und Museum für Ur- und Frühgeschichte 1979-1986 Rita Matysiak - Helmut Staubach: Ausstellungen der Universitätsbibliothek 1980-1990 Albert Raffelt: Die Publikationen der Universitätsbibliothek Bibliographisches Die Praktikanten der Universitätsbibliothek: Die Universitätsbibliothek im Spiegel der »Freiburger Zeitung« (1895-1939) Christel Gnirß: Bibliographie Wolfgang Kehr * Bärbel Schubel: Die UB Freiburg 1991

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Albert Raffelt ZUR EINFÜHRUNG Mit »Sonderheften« beschreiten die INFORMATIONEN des Biblio­ thekssystems der Universitât Freiburg im Breisgau neue Wege. Stellte unsere »Hauszeitschrift« in dem vergangenen Jahrzehnt vielfach begleitend Aktivitäten aus unserem Arbeitsleben - wie aus der Arbeit anderer kooperierender Freiburger wissenschaftlicher Bibliotheken - dar, so konnte der Gedanke nicht allzu fern liegen, zum sechzigsten Geburtstag von Professor Wolfgang Kehr Überblicke, Reflexionen und Beispiele aus Tätigkeitsbereichen Freiburger Bibliotheken gesammelt vorzulegen. Die lockere Form einer solchen Sammelarbeit zeigt sich an vielen Stellen der beiden vorgelegten Bände, die schließlich das Volumen einzelner INFORMATIONEN-Hefte gesprengt haben. Herkunft ist auch Gegenwart - um ein weiter gespanntes Diktum etwas abzuwandeln: So bleibt dieser Band durch seine Entstehung bestimmt. Die Stilart der Beiträge verrät ihre Herkunft aus unter­ schiedlichen Bereichen, die Eigenart der Autorinnen und Autoren soulte durch keine prokrusteshafte Bearbeitung vertuscht werden; die formate Vereinheitlichung - sonst vielleicht Zeichen gründlicher Schriftleitung war hier nur bedingt Eigenheiten der Gliederung und Darbietung des Stoffs zeigen so vielleicht eine größere Variationsbreite aus üblich. Inhaltlich wurde das Material anhand einer herkömmlichen Abteilungsgliederung wissenschaftlicher Bibliotheken angeordnet. Dem aufmerksamen Beobachter wird dabei nicht entgehen, daß manches fehlt: Wäre eine systematische Selbstdarstellung geplant gewesen, müßte man das aus Mangel ansehen. Bei einer neben der tâglichen Arbeit erstellten Sammlung wird man aber komplette Dokumentation nicht erwarten können. Schließlich ist vieles, was auch in diesem Band hâtte Platz finden können, in den gut fünfzig Nummern der INFORMATIONEN erschienen. Verweise in den Anmerkungen der Beiträge dieses Bandes führen zu diesen Veröffentlichungen. Anderes ist in den Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg Br. publiziert worden, vor allem die Arbeit von W. Sühl-Strohmenger über das Bibliothekssystem Freiburg, 9 Zur Einführung

die die hier gebotenen entsprechenden Darstellungen ergänzt; die Studie von Angela Karasch über den Carl Schäfer-Bau der Universitätsbibliothek Freiburg (1895-1903) enthält Wesentliches über die Arbeitsbedingungen vor 1978 (aus der Optik eines Neubaus!) u.a.m. Der Band ist dem Engagement von Mitarbeitern des Freiburger Hochschul-Bibliothekssystems zu verdanken, - wobei der Leiter des Universitätsbauamts sowie der jetzige Direktor des Braunschweigischen Landesmuseums wegen der hier dokumentierten Zusammenarbeit großzügig unter diesem Etikett mitgeführt werden. Der Artikel über den Neubau der Universitätsbibliothek - ein solcher durfte hier nicht fehlen ist den Freiburger Universitätsblättern entnommen und freundlicherweise vom Autor ergänzt worden. Das Überkommene zu bewahren, das Vorhandene ebensosehr zu schützen wie zugänglich zu machen, das Notwendige, Nützliche und Wertvolle zu erwerben und zu erschließen, den Blick aber nach vorne zu richten und die Zeichen der Zeit zu erkennen, die Möglichkeiten der Gegenwart zu nutzen... - all dies kann man mit der Trias Tradition, Organisation, Innovation bezeichnen, die unserer Sammlung den Titel gibt. Der Titel stellt einen Anspruch dar, er ist nicht eine Beschreibung des Geleisteten! Wenn aber einige der hier beschriebenen Aktivitäten Beispiele solch innovativ vermittelnder Traditionspflege darstellten, so wäre dies im Sinne aller Beteiligten wie Bicher auch des Widmungsträgers dieser Blinde. Der erste den universitären Gremien gebotene Jahresbericht von 1968, der mit seinem für diesen Band zusammengestellten Gegenstück am Ende von Band 2 den Rahmen abgibt, zeigt in schlichten Darstellungen und Zahlen, wie sich solch erneuerndes Bemühen um das Erworbene ganz nüchtern »organisiert«. Die folgenden Beiträge wollen in dieser Spur berichten, überlegen, anstoßen und manchmal auch ein wenig erfreuen... * Für das Zustandekommen dieser beiden Bande ist vor allem den Verfassern der einzelnen Beiträge zu danken. Der Umfang der an­ fallenden Arbeiten machte es aber nötig, auf die Hilfe manch anderer Mitarbeiter zurückzugreifen, die nicht im Inhaltsverzeichnis genannt 10 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

sind. So gebührt Monika Bangert, Sybille Hentze, Christina Hermann, Gabriele Langer, Regina Volk und Heinz Ohnemus (abermals neben verschiedenen der Autoren dieser Bände) für Schreibarbeiten sowie den ersteren beiden für vielerlei Hilfen bei Redaktion und Korrektur Dank. Ulrike Nerlinger ergänzte durch fotographische Aufnahmen, was für unsere Dokumentation noch fehlte... Ganz besonders ist den Mitarbeitern von Fotostelle, Drukkerei und Buchbinderei für ihre umfangreichen Sonderleistungen zu danken. Bei den Endkorrekturen haben Dr. Winfried Hagenmaier, Dr. Angela Karasch, Dr. Folkert Krieger, Helmut Staubach und ganz besonders Dr. Eleonore Engelhardt geholfen. Zur zweiten Auflage in digitaler Form Mit dem vorliegenden Band begann die Universitätsbiliothek Freiburg eine Folge von Darstellungen ihrer Leistungen seit Ende der 60er Jahre. Fortgesetzt wurden die beiden Bände Tradition – Organisation – Innovation von 1991 durch den Sammelband Die Universitätsbibliothek Freiburg : Perspektiven in den neunziger Jahren / hrsg. von Bärbel SCHUBEL (Freiburg i. Br. : Universitätsbibliothek, 1994 [Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau ; 17] und – nunmehr bereits gleichzeitig als elektronische Publikation – durch Positionen im Wandel : Festschrift für Bärbel Schubel. (Freiburg i. Br. : Universitätsbibliothek, 2001 [Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau ; 27] = http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/300/). Es lag nahe, diese Dokumentationen auch elektronisch aufzubereiten, womit hier begonnen wird. Nach sechzehn Jahren konnte die digitale Version der Bände Tradition – Organisation – Innovation zwar noch von den Originaldateien ausgehen. Da diese aber über mehrere Betriebssystem- und Programmversionen in das PDF-Format transformiert werden mußten, zumdem 1991 noch der „Klebeumbruch’“ für Abbildungen üblich war, ging das nicht ohne Verschiebungen ab. Die Seitenzählung konnte aber in etwa – jedenfalls für Anfang und Ende der Beiträge – beibehalten werden. Freiburg i. Br. im Juli 2007 11 Zur Einführung

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Bärbel Schubel Wolfgang Kehr zum sechzigsten Geburtstag

»Es ist ja ohnehin die Eigenschaft des Geistes, etwas schnell zu begreifen, aber etwas recht zu tun, dazu gehört die Übung des ganzen Lebens« (J. W. von Goethe)

Zum 60. Geburtstag von Wolfgang Kehr veröffentlichen wir eine Fest­ schrift, veranstalten ein Symposium und feiern ein Fest. Wohl wissen wir, daß der Jubilar solchen Aktivitäten distanziert gegenüber steht, große Festivitäten flieht und Trubel um seine Person nicht schätzt. Über diese persönlichen Bedenken setzen wir uns großzügig hinweg, da wir nicht nur den 60. Geburtstag feiern wollen, sondern auch mit W. Kehr auf fast ein Vierteljahrhundert erfolgreichen Wirkens als Bibliotheksdirektor an der Universität Freiburg zurückblicken können. Die vorliegende Festschrift ist ein Geburtstagsgeschenk der Mit­ arbeiterinnen und Mitarbeiter für den Jubliar. Neben der täglichen Arbeit oder in der Freizeit entstanden ist sie Anlaß innezuhalten, auf gemeinsame Arbeiten zurückzuschauen und die Entwicklung der letzten 25 Jahre zu dokumentieren. Wir hoffen, daß der Jubilar das Ergebnis unserer Rückschau teilen kann und angeregt wird, uns mit neuen Perspektiven auf gangbare Wege in die Zukunft zu weisen. Mit dem Symposium soll darauf hingewiesen werden, daß W. Kehr im Bibliotheksleben über die Grenzen Freiburgs hinaus eine führende Rolle spielt und die deutsche Bibliothekslandschaft aktiv mitgestaltet. Wir freuen uns auf eine hochwillkommene Fortbildungsveranstaltung. - Für die großzügige Einladung zum Geburtstagsfest bedanken wir uns an dieser Stelle recht herzlich. Das bei der Rückschau auf die gemeinsame Arbeit zu kurz gekommene Private soll nur durch einige Streiflichter auf den Lebenslauf des Jubilars erhellt werden. Wolfgang Kehr wurde am 8. Juli 1931 in Mainz geboren und verbrachte dort auch seine Schulzeit. Im familiären Umfeld - ein mit preußischem 13 Wolfgang Kehr zum sechzigsten Geburtstag

Pflichtgefühl als hoher Beamter tätiger Vater, ein zehn Jahre älterer als Musiker erfolgreicher Bruder - finden sich die ihn auszeichnenden Eigenschaften wie hohe Sensibiliät für Menschen und das Künstlerische, rasche Auffassungsgabe, rationales Denken und Disziplin wieder. Die Schule langweilte ihn bald, so daß er mit 15 Jahren anfing Vorlesungen über Kunst, Musik, Ethik und Tierpsychologie zu besuchen. Auch in den ersten Semestern seines Studiums in Mainz und Marburg folgte er seinen breitgestreuten Interessen, las Weltliteratur, studierte Astrologie und Harmonik, beschäftigte sich mit A. Schweitzers LebenJesu-Forschung u.a. Von einem halbjährigen Bildungsaufenthalt in Österreich und Italien zurückgekehrt, bereitete er sich in Marburg drei Jahre lang im Selbststudium auf das Staatsexamen vor, besuchte nur wenige Vorlesungen und die notwendigsten Seminare. 1955 legte er ein glänzendes Staatsexamen in den Fächern Anglistik, Germanistik, Philosophie und Pädagogik ab. Die autodidaktische Lernweise hat er während seines ganzen Lebensweges beibehalten. An Lehrer in engerem Sinn kann er sich nicht erinnern, er übernahm nach eigenem Gutdünken, was ihm richtig erschien. Auf Befragen fällt ihm einzig Gustav Waldt ein, ein Literat, Mitglied des PEN, den er 1945 durch seinen Bruder kennenlernte. Obwohl 49 Jahre älter, war Waldt ein Freund für ihn. Durch ihn lernte er Kreuder, Döblin, Jahnn persönlich kennen und wurde in Literatenkreise eingeführt. Die Hellsichtigkeit, mit der der von Jugendstil und Anthroposophie geprägte Waldt Stellung bezüglich Technik, Zerstörung der Natur und Konsum bezog, beeindruckte ihn tief. Mit seiner Promotion über John Cowper Powys, den er übrigens persönlich kennenlernen konnte, schloß er 1957 sein Studium mit groß­ artigem Erfolg ab. Bibliothekar wurde er, weil er keine Neigung zum Studienrat verspürte und sein älterer Freund ihm zum Bibliothekarsberuf riet. Das übliche Argument: »Dann hast Du viel Zeit und kannst schöne Bücher lesen«, mit dem er in den Beruf gelockt wurde, hat offensichtlich keinen Schaden angerichtet. Seine Referendarausbildung absolvierte er in Darmstadt und Köln. Mit der Kölner Assessorarbeit aus dem Bereich der Buchkunst über Eric Gill legte er ein grundlegendes Werk dieses Schriftkünstlers vor und eignete sich selbst tiefergehende Kenntnisse auf diesem Gebiet an. Am Anfang seines Berufslebens in Frankfurt begegnete W. Kehr so 14 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

unterschiedlichen Persönlichkeiten wir Hanns W. Eppelsheimer, Hermann Fuchs und Clemens Köttelwesch, die in der Bibliotheksgeschichte einen Namen haben. H. W. Eppelsheimer, ehemaliger Direktor der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt und der Deutschen Bibliothek, führte mit ihm anregende Gespräche über Literatur - Bibliothekswesen interessierte ihn zu der Zeit nicht mehr - und machte ihn in den Frankfurter Literatenund Verlegerkreisen bekannt. Hermann Fuchs, den Direktor der Mainzer Universitätsbibliothek, u.a. Verfasser eines grundlegenden Werkes über Verwaltungslehre, lernte W. Kehr als integren Charakter während der gemeinsamen Organisation des Bibliothekartages in München schätzen und blieb ihm menschlich verbunden. Clemens Köttelwesch holte W. Kehr 1959 an die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt, machte ihn bald zum »Mädchen für alles«, später zum »Kronprinzen«. Von diesem Lernfeld - auch durch negative Erfahrungen - profitierte W. Kehr entscheidend für seine berufliche Entwicklung. Er erkannte und nutzte mit wachem Geist die Möglichkeiten, die sich für einen 30jährigen Berufsanfänger boten. Dafür zahlte er mit einem immensen Arbeitspensum, welches nicht selten zu einem 12Stunden-Arbeitstag führte. Aus der Vielfältigkeit der Aktivitäten dieser Zeit seien nur wenige herausgegriffen: Gremienarbeit in der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Umzug in den Neubau der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek, Leiter des Sachkatalogs, Veröffentlichungen eines für viele Bibliotheken grundlegenden Konzepts für den Aufbau von Studentenbüchereien, Organisation von Ausstellungen in Brasilien und Island, schriftstellerische und herausgeberische Tätigkeit. Nur einmal wurde er ernsthaft in seinem Berufsziel verunsichert. Er erhielt das Angebot, als Verlagsdirektor die Verantwortung für die Produktion und das Programm eines großen Frank­ furter Verlages zu übernehmen. Am 4. September 1967 wurde W. Kehr in das Amt des Biblio­ theksdirektors der Universität Freiburg eingeführt. Aus seinem Bericht an die Bibliothekskommission, den wir unserer Festschrift als Ausgangspunkt vorangestellt haben, lassen sich die vorgefundenen Verhältnisse deutlich ablesen. In der Festschrift selbst werden auf fast 700 Seiten die durch W. Kehr bewirkten grundlegenden Veränderungen und positiven Entwicklungen in der Bibliothek dokumentiert. Deshalb sollen an dieser 15 Wolfgang Kehr zum sechzigsten Geburtstag

Stelle nur einige wenige herausragenden Einzelheiten erwähnt werden. Eine wesentliche, entscheidende Erfahrung im Berufsleben von W. Kehr war sicherlich die in konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Universitätsbauamt durchgeführte Planung des Neubaues der Universitätsbibliothek. An diese fünf Jahre seiner Berufszeit erinnert sich W. Kehr gern. Das Ergebnis in Gestalt des funktionellen, für auswärtige »Bauherren« immer noch vorbildlichen Neubaus gibt ihm recht. Der großzügig konzipierte Bau ist die Voraussetzung für die Verwirklichung des Kehrschen Programms. Grund- und Angelpunkt dieses Programms sind die Bedürfnisse des Benutzers. W. Kehr sorgte mit planvollem Bestandsaufbau und Erschließung der Bestände (einschließlich der historischen) für ein attraktives, an Lehre und Forschung orientiertes Angebot. 1973 wurde ihm u.a. hierfür von der Philosophischen Fakultät III der Universität Freiburg die Honorarprofessur verliehen. Durch kon­ sequente Förderung und Ausbau der Serviceleistungen erreichte er eine liberale, offene und freundliche Atmosphäre für den Benutzer. Die 1,5 Millionen Ausleihen pro Jahr stehen für den Erfolg, lassen aber auch die Probleme der Massenbenutzung, denen sich W. Kehr besonders annimmt, augenfällig werden. Trotz seiner innovativen Art, Begeisterungsfähigkeit für Neues und durch überregionale Gremien geprägte Denkweise reagiert W. Kehr eher wie ein sorgsamer Hausvater, wenn es darum geht, Neuerungen wie EDV, neue Medien usw. in die Universitätsbibliothek einzuführen. Seine Devise »eine Bibliothek ist ein Dienstleistungsbetrieb und kein Labor« bestimmt grundlegend seine Entscheidungen. Personalaufwendigen Projekten steht er eher abwartend gegenüber und wägt Kosten und Nutzen sorgfältig ab. Als »Markenzeichen« kann die intensive kooperative Arbeit mit den verschiedenen Bibliotheken innerhalb der Universität und mit anderen wissenschaftlichen Bibliotheken in Freiburg gelten. Sie führte zu einem in seiner Art einzigen ausgebauten Bibliothekssystem, das durchaus als Alternative zu den neuen, einschichtigen Universitäten bestehen kann. Das berufliche Leben W. Kehrs in Freiburg beschränkte sich von Anfang an nicht auf die eigene Bibliothek. In Baden-Württemberg hat er sich 1969 - 1974 besonders als Vorsitzender der Arbeitsgruppe »Bi­ bliotheksgesamtplan Baden-Württemberg«, die einen Entwicklungsplan für das wissenschaftliche Bibliothekswesen des Landes erarbeitet hat, enga­ 16 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

giert. Seit 1983 ist er Vorsitzender des Lenkungsausschusses des Verbundes der Südwestdeutschen Bibliotheken. Außerdem arbeitet er als Mitglied in verschiedenen Expertengruppen des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst an Stellungnahmen und Gutachten zu Einzelfragen des wissenschaftlichen Bibliothekswesens mit. Ein Aufzählen aller über­ regionalen bibliothekarischen Tätigkeiten würde zu weit führen. Es seien herausgegriffen die Herausgeber- bzw. Mitherausgeberarbeit an der Reihe »Bibliothekspraxis« im Verlag Saur, an dem dreibändigen Handbuch »Zur Theorie und Praxis des modernen Bibliothekswesens« im Verlag Saur, der Reihe »Bibliothekswesen in Einzeldarstellungen« im Verlag Klostermann, dem sechzehnbändigen »Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland«... Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist er als Mitglied wie auch als Vorsitzender von Arbeitsgruppen, Unterausschüssen oder dem Bibliotheksausschuß tätig gewesen. Er beschäftigte sich dort mit so verschiedenen Themen wie Leihverkehr, Literaturversorgung der Pädagogik, Literaturerschließung, Bestandserhaltung. Seine Funktionen als Mitglied verschiedener Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates sollen nur summarisch erwähnt werden. Seit 1986 ist er im Rahmen der Kultusministerkonferenz Mitglied der Bund-Länder-Arbeitsgruppe und des »national focus« für »Europäische Bibliotheksangelegenheiten«, seit 1989 im Auftrag des Bundesinnenmini­ steriums Mitglied der Bund-Länder-Kommission »Papierzerfall«. Die intensive Mitarbeit in verschiedenen Gremien ist sicherlich zeitweise recht ermüdend für W. Kehr, hat aber auch die Routine des Arbeitsalltags durch neue Anregungen belebt. Trotz dieser Aktivitäten war und ist die Universitätsbibliothek Freiburg Mittelpunkt des Interesses für W. Kehr geblieben. Er hat die Leitungs- und Entscheidungsbefugnisse nie aus der Hand gegeben, sondern seine erforderliche Abwesenheit durch erhöhtes Arbeitspensum ausgeglichen. Sein kollegialer Arbeitsstil schafft nicht nur eine angenehme Arbeitsatmosphäre für die Mitarbeiter, sondern fördert die Selbständigkeit und Verantwortlichkeit des einzelnen für seinen Arbeitsbereich. Nachdem der 60. Geburtstag in der Festschrift in einer Rückschau auf fast ein Viertel Jahrhundert Freiburger Tätigkeit ausführlich gewürdigt wurde, dürfen zum Schluß die Glückwünsche zum Geburtstag nicht 17 Wolfgang Kehr zum sechzigsten Geburtstag

vergessen werden. Wir wünschen dem Jubilar alles Gute für seinen privaten und beruflichen Lebensbereich und vor allen Dingen Gesundheit, Freude und Zufriedenheit. Für die Zukunft hoffen wir auf weitere gemeinsame, schöne und erfolgreiche Berufsjahre bis die dritte Dekade Kehrschen Wirkens an der Universitätsbibliothek Freiburgs erfüllt ist. * »Die echte Sehnsucht muß stets produktiv sein, ein neues Besseres zu er­ schaffen« (J. W. von Goethe)

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Helmut Knufmann DAS BESONDERE REQUISIT Bemerkungen zum Buch im Bild Hier ein Buch und da ein Buch. Immer wieder Bücher! Wer mit einem daraufhin geöffneten Blick ein Museum oder einen Band mit Abbildungen von Werken bildender Kunst durchstreift, wird es bestätigt finden: Die Kunst, zumal die ältere, scheint für das Buch als Requisit der bildlichen Darstellung eine auffallende Vorliebe zu haben. Propheten, Apostel, Kirchenlehrer, Heilige und später dann auch private Personen - mit einem Buch zur Hand: ein Buch, das sie vorweisen, ein Buch, mit dem sie lesend oder schreibend beschäftigt sind, ein Buch, das sich in ihrer Reichweite befindet, das, immerhin nach der Vorstellung des jeweiligen Künstlers, den Dargestellten signifikativ zugehört. Das Buch ein Element ihrer Welt, ihrer Person, ihrer Bedeutung und Wirkung. Symbolcharakter des Buches Warum gerade das Buch? Was besagt die Anwesenheit von Büchern in einem Bildwerk? Vielerlei jedenfalls - das wäre im Einzelfall nachzuweisen. Abstrakt betrachtet ist es aber doch dies: Das anwesende Buch fungiert als Hinweis auf eine geistige Welt, eine symbolische Wirklichkeit, die, als Schrift fixiert, in Beziehung gesehen wird zu den übrigen Bildelementen, in erster Linie freilich zu den dargestellten Perso­ nen. Das Buch, als Medium eines gedachten und aufgezeichneten Gutes, ist kein mehr oder weniger beliebiges Requisit, es tritt als Symbol des Symbolischen auf, als ein Symbol des Geistigen par excellence. Das Buch fixiert den Gedanken. Aber es transzendiert ihn auch. Ein Buch, zum wiederholten Mal gelesen, ist nicht mehr dasselbe Buch, es wird durch die Lektüre verwandelt. Der Kontext eines Buches ist keine feste Größe. Der Leser, der sich nicht wie der Autor dezisionistisch festlegt, steht im Strom seines Bewußtseins, abhängig, geprägt von den momentanen Umständen seiner Kultur wie seiner Subjektivität. Entsprechend wird sein 19 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

Verständnis des Buches jeweilig anders ausfallen. Das Buch ist der Spiegel, realisiert im Spiegelbild dessen, der sich darauf einläßt - des Lesers. Das Buch im Bild, seit wann gibt es das? Wenn wir von den in spätantiken und byzantinischen Darstellungen vorkommenden Schriftrollen absehen - grosso modo - Antwort: Seit es das Bild im Buch gibt. Mit der Kodifizierung der christlichen Glaubensinhalte erhält das Buch den Rang einer Institution. Es wird nicht nur Medium, es wird auch Symbol der neuen Religion. In der Folge, etwa vom frühen 8. Jahrhundert an, entfaltet es dann sein symbolisch-metaphorisches Potential in den nun nicht mehr nur ornamentalen Illuminationen der Buchmalerei. Das Universum als Buch - so begegnet es uns nicht erst in den Darstellungen romanischer Tympana, wie beispielweise in Chartres oder Arles (Saint-Trophime, Abb. 1), sondern bereits im Stuttgarter Psalter.

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Wir haben es hier mit einem vielfach abgewandelten Bildtypus zu tun. In der Mitte, mit dem Buch des Lebens, der thronende Christus (zumeist in einer Mandorla eingefaßt) und ihm zugeordnet, ihn umrahmend, die Symbole der vier Evangelisten: eine Menschengestalt mit Flügeln (Matthäus), ein geflügelter Löwe (Markus), ein geflügelter Stier (Lukas) und ein Adler (Johannes) - ein jedes mit seinem Buch, seinem Evangelium, im Griff. Evangelisten Bei der reinen Zeichenhaftigkeit des Buch-Symbols wird es nicht bleiben. Denn bald schon wird das Symbol zum Anekdotischen hin aufgeschlossen. Mit anderen Worten: das im Bild gezeigte Buch bekommt, über seine zeichenhafte Funktion hinaus, eine Rolle zugewiesen als materiales Objekt des Umgangs konkret dargestellter Menschen. Wenn uns so, zum Beispiel im Ada-Evangeliar (Trier), der Evangelist Matthäus bei der Tätigkeit des Schreibens gezeigt wird, wie er das Diktat des mit einer Schriftrolle über ihm schwebenden Inspirators in sein Buch überträgt, so ist dies bereits eine Szene - eine Szene, in der uns, rudimentär, etwas über die Entstehung des Matthäus-Evangeliums erzählt wird. Den gleichen Vorgang finden wir in den von Luca della Robbia gestalteten Zwickeln der Pazzi-Kapelle (Florenz) dargestellt: die vier Evangelisten, gelassen dasitzend mit ihrem Buch bzw. ihrer Schreibtafel auf den Knien, die Botschaft protokollierend, die ihnen die jeweils zugeordnete Symbolfigur wiederum aus einem ihr vorliegenden Buch diktiert. Vergleichen wir damit die Evangelisten des Meisters H. L. auf der Predella des Breisacher Schnitzaltars (Stephansmünster), so ist ein Wandel in der Darstellungsweise unverkennbar. An die Stelle der emblemartigen Figuration tritt die mit deutlich realistischen Zügen ausgestaltete Situationsschilderung. Die Evangelisten, wie sie hier zu sehen sind, markant gezeichnete Individuen, verkehren miteinander. Dicht beisammen, an demselben Tisch sitzend, ein jeder mit seinem Buch, die Schreibfeder in der rechten, das Tintenfaß in der linken Hand, bilden sie eine Gemeinschaftsszene - eine bürgerliche Schreibstube. Und bei ihrer Tätigkeit verbindet sie eine angeregte, um nicht zu sagen: aufgekratzte 21 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

Stimmung. Vervollständigt wird die Szene durch die Symbolfiguren, die, zu Haustieren verniedlicht, den eifrigen Schreibern über die Schulter schauen (Abbildung 2).

Maria bei der Verkündigung Lesen - wenn es nicht bloß um der Unterhaltung willen geschieht - heißt, sich einer Begegnung stellen, einem Abenteur. In der Konfrontation mit den Spiegelungen des Textes öffnet sich der Lesende dem Geist des Buches. Er ist bereit, eine ihm geltende Botschaft zu empfangen. So Maria in der Verkündigungsszene. Der plötzlich erscheinende Engel ist die sich erfüllende Erwartung, zu der sie die hingebende Lektüre disponiert hat. Die Jungfrau Maria, als ihr der Engel Gabriel erscheint, um ihr zu verkünden, daß sie die Mutter des Erlösers sein werde, hält ein Buch in Händen. Es gibt kaum einen Maler des Mittelalters und der Renaissance, der hier, in der Darstellung dieser Szene, auf das Buch verzichtet hätte. Kein beliebiges Buch, soviel steht fest. Es ist die Bibel, die Heilige Schrift. Und nicht nur in der Fassung des Matthias Grünewald auf der Innenseite des linken äußeren Flügels des Isenheimer Altars (Colmar) läßt sich die aufgeschlagene Seite erkennen - Jesaja 7,14f.: »Ecce virgo concipiet et pariet filium et vocabitur nomen eius Emmanuel. Butyrum et 22 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

mel comedet ut sciat reprobare malum et eligere bonum«. Das Buch, enthaltend die heilsgeschichtliche Prophezeiung, wird sozusagen bildhaft als Stimulans eingesetzt: es symbolisiert Marias prädestinierte Empfänglichkeit, ihr Disponiertsein durch das Gelesene.

23 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

Wie kein anderes Requisit ist das Buch geeignet, symbolisch verstanden zu werden. Die Verkündigung von Santa Croce (Florenz), ein Werk des Bildhauers Donatello, zeigt Maria, wie sie, vom Engel angesprochen, das aufgeschlagene Buch an ihren Leib drückt und damit die Fleischwerdung des Wortes andeutet (Abb. 3, S. 23). Maria wird vom Verkündigungsengel bei der Lektüre angetroffen - so will es offenbar die vorherrschende ikonographische Tradition. Das Buch, in dem sie soeben noch las, hält sie nun halb zugeklappt in der linken Hand, wobei sie einen Finger zwischen die zuletzt aufgeschlagenen Seiten gesteckt hat. Dieses Detail, in dem

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die Unterbrechung des Lesens zum Ausdruck gebracht wird, finden wir in den Verkündigungen von Simone Martini (Florenz, Uffizien; Abb. 4, S. 24), von Piero della Francesca (Arezzo, S. Francesco) und von vielen anderen. Es verdient, wie später zu zeigen sein wird, unsere Auf­ merksamkeit. Madonna mit Kind Auffallend ist die geradezu zentrale Stelle, die neben dem Jesuskind das Buch in vielen Mariendarstellungen der altniederländischen Malerei einnimmt. Die sitzend frontal dargestellte Gottesmutter hält das Kind in der einen, die Schrift in der anderen Hand. Indem beide, Mutter und Kind, sich mit der Schrift beschäftigen, erscheint ihr Verhältnis zueinander wesentlich durch die Schrift vermittelt. Als illustrierende Muster dieses Motivs wären die Madonnen Rogier van der Weydens (Madrid, Prado) und Hans Memlings (Washington, National Gallery) zu nennen, die den Jesusknaben zeigen, wie er mit der Gebärde des Dozierens in der aufgeschlagenen Bibel blättert. - Zur Bedeutung des Buches - der Bibel - für die Darstellung der Gottesmutter mit dem Jesuskind liefert uns Robert Campin, der frühniederländische »Meister von Flémalle«, ein in seiner weitreichenden Symbolik hervorragendes Beispiel. Seine »Madonna vor dem Ofenschirm« (London, National Gallery), dem Betrachter zugekehrt auf einer Bank sitzend, ist im Begriff, dem Kind, das in ihrem linken Arm liegt, die Brust zu geben. Neben ihr, zu ihrer Rechten, liegt in spiegelsymetrischer Zuordnung zum Jesuskind, durch ein untergelegtes Kissen erhöht, die auf­ geschlagene Bibel. Und so ergibt sich, auf gleicher Höhe, eine höchst signifikante Reihe von links nach rechts: die Bibel - die Brust - der Kopf des Jesusknaben - der Kelch. Das ganze versinnbildlicht, wie Felix Thürlemann festgestellt hat, »mittels zweier "Gleichungen" drei Epochen der Heilgeschichte in ihrer zeitlichen Abfolge«: »Ankündigung des Erlösers im Alten Testament - menschgewordener Gott -Meßopfer«1 (Abb. 5, S. 26).

1

Vgl. F. THÜRLEMANN: Eine Malerei der Inkarnation. In: Neue Zürcher Zeitung (Fernausgabe vom 14. 12. 1990).

25 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

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Bei gemeinsamer Bibellektüre sehen wir Maria mit dem Jesuskind in einer Darstellung Botticellis (Mailand, Museo Poldi-Pezzoli). Der Gestus der rechten Hand der Mutter wie auch der des Kindes ist auf die aufgeschlagene Buchseite bezogen. Der betreffende Text ist auch für den Bildbetrachter lesbar. Unverkennbar der traurig-sinnende Zug im Antlitz der dem Buch zugewandten Gottesmutter. Das Kind hingegen wendet sich zurück zu ihr, als wolle es ihr Trost zusprechen. Die kleine Dornenkrone, die es links um den Arm geschlungen trägt, versteht sich als ergänzender Hinweis auf das in der Bibel verkündete Heilsgeschehen. Was das Bild zeigt und wie dies vom Maler gezeigt wird, ist bestimmt durch das Buch, das seinerseits hier als unerläßliches Bildelement wirkt. In klassischer Ausgewogenheit findet sich die Beziehung des Buches zur heilsgeschichtlichen Verkörperung seines prophetischen Inhalts in der Gestalt des Jesusknaben bei Ambrodigio Bergognone dargestellt. Seine thronende, von zwei musizierenden Engeln flankierte Madonna (London, National Gallery) hält die Schrift zum kleinen Jesus hin aufgeschlagen auf ihrem rechten Knie, während auf ihrem linken Knie, von der Mutter gehalten, aufrecht der kindliche Erlöser steht, mit erhobener Rechte feierlich den heiligen Text bekräftigend. Ein Pendant dazu ist die Darstellung des sogenannten Brüsseler Meisters. Auch hier der Thron und - diesmal mit der Krone über Mariens Haupt schwebend - wieder die beiden Engel. Das Besondere aber liegt darin, daß die Gottesmutter gegenüber dem Kind auf ihrem Schoß als die wissendere erscheint. Dem kleinen Jesus, der kindlich-verspielt in dem ihm dargebotenen Buch blättert, scheint ihr Blick sagen zu wollen: Was da geschrieben steht, du wirst es vollbringen. Ganz anders schließlich Peter Paul Rubens, wenn wir seine Berliner Madonna mit dem Kind (Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz) betrachten. Maria, eine blühende junge Frau, überläßt dem Jesuskind ihre Brust und blättert zugleich in einem üppig illuminierten Buch. Rundum eine Fülle von Blumen und Früchten. Der religiöse Aspekt - hier tritt er zurück gegenüber der Ausmalung eines festlich gesteigerten Lebensmoments, in dem, gewissermaßen analog zur nährenden Mutterbrust, das Buch seinen Platz hat (Abbildung 6).

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In der Verkündigungsszene wie in den Darstellungen der Madonna mit Kind ist das Vorhandensein des Buches symbolisch begründet: es verweist auf die in der Bibel präfigurierte Geschichte der heiligen Personen. Maria lesend Eine Akzentverschiebung demgegenüber zeigen Bilder, auf denen Maria ohne Kind - schlicht als Lesende erscheint. So etwa bei Lorenzo Costa (Dresdner Galerie). Seine Maria, entspannt auf dem Boden sitzend, liest aufmerksam in einem Buch, das sie mit beiden Händen hält - und nichts in ihrem buchvertieften Blick läßt erkennen, daß sie die auf sie zuflatternde 28 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Taube bemerkt. Ähnlich, aber nun gänzlich frei von jedem Hinweis auf die Anwesenheit des Heiligen Geistes, die damenhafte »Lesende Hl. Jungfrau« von Vittore Carpaccio (Washington, National Gallery). - In diesen Dar­ stellungen - wie übrigens bei der als Bildfragment überlieferten Magdalena Rogiers van der Weyden (London, National Gallery) - ist weniger der Bezug der Personen zum Schriftinhalt thematisiert als die Tätigkeit des Lesens als solche. Kurzum, wir haben es hier mit »Lesenden« zu tun, d.h. mit einem Bildmotiv, das uns später, vor allem in der bürgerlichen Bildnismalerei des 18. und 19. Jahrhunderts, in vielfältiger Ausführung begegnet. Propheten, Apostel, Kirchenväter und Heilige Wo immer wir in der Bildenden Kunst Propheten und Apostel antreffen, in den weitaus meisten Fällen sind sie mit einem Buch versehen. Ein jeder der Apostel (bzw. Jünger), die den thronenden Christus im Tympanon des Hauptportals von Vézelay flankieren, hat ein Buch vorzuweisen. Christentum als Buchreligion verstanden - und so ist das Buch auch das Emblem derjenigen, die seinen Geist in die Welt tragen. Ein in anderer Hinsicht markantes Beispiel: das auf vielfache Weise zu deutende ApostelBild Dürers in der Alten Pinakothek (München). Paulus (auf den es hier vor allem ankommt) hält das Buch mit kraftvoller Gebärde gefaßt, mit theologischer Entschlossenheit gleichsam - als eine Sache, die es fest im Griff zu haben gilt. Direkter und nachdrücklicher freilich ist die Gebärde des Täufers Johannes in Grünewalds Kreuzigung des Isenheimer Altars. Er hält das aufgeschlagene Buch in der linken Hand. Die rechte Hand, mit dem gewaltig erigierten Zeigefinger, weist auf den gekreuzigten Erlöser hin - als Ausdruck einer Gewißheit, die in dem von der anderen Hand gehaltenen Buch verbürgt ist. Schlechthin unerläßlich scheint das Requisit Buch bei der Präsentation von Kirchenlehrern. Als Vorlage des Lehrvortrags ist es mehrfach auszumachen in den von Benozzo Gozzoli geschilderten Vorlesungen des hl. Augustinus (S. Gimignano, Presbyterium von S. Agostino, Abb. 7).

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Ein Lehrender in vergleichbarer Position ist auch der hl. Thomas von Aquin in Carpaccios »Sacra Conversazione« (Staatsgalerie Stuttgart). So wie er gezeigt wird, doziert er von einem thronartigen Lehrstuhl herab, auf dem Kniebrett ein aufgeschlagenes Buch mit Lesezeichen, daneben ein geschlossenes. Der Stuhl steht auf einem Sockel, der zugleich eine Art Bücherkasten mit geöffneter Klappe ist - abschließbar, wie der darin steckende Schlüssel bezeugt. Was wohl heißen soll, daß es einer besonderen theologischen Legitimation bedarf, diese Bücher zu benutzen. 30 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Die symbolische Präsenz des Buches gehört unzweifelhaft zu den hervorragenden Merkmalen der religiösen Kunst des Mittelalters und der frühen Renaissance. Es begegnet uns zunächst demonstrativ zu Händen des thronenden Christus, der Propheten und Evangelisten, später dann, in vielfach variierter Beziehung, im Gebrauch oder im Ambiente der Jungfrau Maria. Damit aber ist die Beziehungsfülle des Buch-Motivs keineswegs erschöpft. Klause und Gehäus Für den Menschen, dem es nicht vorrangig darum geht, sich zu zerstreuen oder sich mit weltläufigen Kenntnissen zu rüsten - was bedeutet für ihn der Umgang mit Büchern? Was bedeutet das Buch für den, der Spiritualität und Einsamkeit als Existenzform gewählt hat? - In vielen Darstellungen des Eremiten-Lebens hat das Buch seinen Platz. Um sich ausschließlich heiligen Texten zu widmen, unbehelligt von den Einwirkungen des profanen Lebens, hat sich der Heilige in die Einöde zurückgezogen. So der hl. Benedikt von Nursia, wie er auf einem Altarflügel des Meisters von Meßkirch (Stuttgart, Staatsgalerie) zu sehen ist. Er betet kniend am Eingang einer Felsenhöhle - und vor ihm aufgeschlagen liegt auf dem steinigen Boden das Buch, die Nahrung seiner einsamen Kontemplation, neben Totenschädel und Kruzifix. Daß gleichzeitig ein frommer Bruder von dem darüber ragenden Felsen am Seil einen Korb mit dem ihm zugedachten Brot, der auch für den Einsiedler unerläßlichen Leibesnahrung, herabläßt, bemerkt er offensichtlich nicht. Die spirituelle, die aus der Schrift geschöpfte Nahrung ist ihm wichtiger (Abb. 8, S. 32). Andere Kirchenlehrer sehen wir in komfortablerer Umgebung. Den hl. Hieronymus zumal: Einsiedler in der Wüste zunächst auch er, dann Kardinal und schließlich - in dieser Rolle wird er für uns interessant Übersetzer der Vulgata. Mit ihm betreten wir das von Dürer her bekannte »Gehäus«, die Studierstube. Hieronymus ist nicht mehr der Mann nur eines (symbolischen) Buches. Seine Arbeit als vielsprachiger Bibelphilologe setzt das Vorhandensein mehrerer Bücher, ja einer Bibliothek voraus. Diesem Umstand wissen die meisten Hieronymus-Bilder Rechnung zu tragen: Ansammlung, Anordnung und Aufbewahrung der Bücher werden zum bestimmenden Element der 31 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

Raumgestaltung. Bei Jan van Eyck und/oder Petrus Christus (Detroit, Institute of Arts, Zuschreibung ungewiß) ist es noch ein mit Büchern vollgestopftes Ablagebrett über der truhenartigen Arbeitsfläche. Der Kodex, der den mit kritischer Miene gezeigten Gelehrten gerade beschäftigt, liegt vor ihm ausgebreitet auf einem Lesepult - einem Utensil, das damals schlechthin zur Grundausstattung des Arbeitszimmers gehört.

Niccolo Pizzolo hat seinen in einem Zwickel der Eremitana-Kapelle in 32 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Padua dargestellten Augustinus gleich mit mehreren sinnreichen Vorrichtungen dieser Art bedient. Auf engstem Raum verfügt der Heilige über ein für drei Bücher eingerichtetes Drehpult und zusätzlich ein auf einem Metallfuß erhöht angebrachtes, ebenfalls wohl drehbares Lesegestell. Bücher über Bücher - ganz zu schweigen von den Schriften, die auf seinem Arbeitstisch ausgebreitet liegen und sowohl davor wie dahinter in Schrankfächern untergebracht sind2. War das Buch in den früheren Darstel­ lungen als sakrales Objekt und Symbolträger des heiligen Wortes gegenwärtig, so erscheint es jetzt, etwa von der Mitte des 15. Jahrhunderts an, zunehmend als Gebrauchsgut, als Instrument und Material humani­ stischer, d.h. philologischer Studien. Das »Gehäus«, der Arbeitsplatz des in seine Studien vertieften Gelehrten, wird Gegenstand der Malerei. Erstaunlich, was sich da etwa Antonello da Messina für seinen Hieronymus (London, National Gallery) hat einfallen lassen. In einen Kirchenraum hinein stellt er eine kompakte altanartige Konstruktion mit Pult und zweistöckigen Regalfächern, Bücher und sonstiges Gerät in bequemer Reichweite - das Ganze von so bestechender Funktionalität, daß man es nachbauen möchte. Weniger perfekt in »bürotechnischer« Hinsicht, nimmt sich die Zelle aus, in die der Venezianer Vittore Carpaccio seinen Kirchenvater plaziert (Venedig, Scuola di S. Giorgio degli Schiavoni). Aber welch ein prächtiger, zum Beschauer hin bühnenartig geöffneter, lichtdurchfluteter Raum. Der Arbeitsplatz des hl. Augustinus (oder wiederum Hieronymus, wie man ihn in der älteren Literatur identifizierte?) befindet sich in der rechten Bildhälfte, in Fensternähe: eine schmale Tischplatte, an der Wand befestigt und auf der anderen Seite abgestützt von einem kunstvoll geschmiedeten Metallständer... Und da die Bücher: Bücher auf dem Tisch, ein aufge­ schlagenes Buch auf der Sitzbank neben dem Heiligen, mehrere, zum Teil aufgeschlagene Bücher auf dem Fußboden, auf dem Podest unter dem Arbeitsplatz, Bücher auf einem Lesepult im offenstehenden Nebenraum und eine lange Reihe verschiedenfarbig eingebundener Bücher auf dem Bord links an der Wand. Michel Serres3 hat sie gezählt: insgesamt, über 2

Abbildung in R. HAMANN: Geschichte der Kunst. München ; Zürich : Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur, 1932/1951.

3

Esthétiques sur Carpaccio. Paris : Herrmann, 1975.

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den ganzen Raum verstreut, 94 Bände - was genau der Anzahl der augustinischen Schriften entsprechen soll (Abbildung 9)!

Hieronymus und Maria Magdalena Stellte die Renaissance-Kunst die heiligen Lehrer der Kirche vornehmlich als Buchgelehrte humanistischer Prägung vor, so rückt die Gegenreformation des 17. Jahrhunderts einen anderen Typus heiligmäßiger Existenz in den Vordergrund. Abgesehen von den zahlreichen Inszenierungen ekstatischer Andacht, ist es jetzt der Vanitas-Gedanke, auf dem der Akzent der Darstellung liegt. Exemplifiziert wird er - was ja naheliegt - an der büßenden Maria Magdalena und - wiederum - am hl. Hieronymus, dem Bibelkenner par excellence. Für diesen, den neuen, dem Ideal und Prestige ciceronischer Bildung entsagenden Hieronymus hat Dürer bereits ein Jahrhundert zuvor den Prototyp geschaffen (Lissabon, Nationalmuseum). Das hier vor ihm aufgeschlagene Buch ist nicht mehr Studienobjekt eines von theologischem 34 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Eifer beseelten Gelehrten. Es ist, wie uns der traurig-wissende Blick des alten Mannes verrät, eine Quelle abgründiger Melancholie. Das bezeugt unmißverständlich der neben dem Lesepult liegende Totenschädel, auf den er mit dem Zeigefinger mahnend hindeutet: Memento mori (Abb. 10).

Als Beispiele für die späteren, Dürer nachfolgenden HieronymusDarstellungen seien hier die Werke von Artus Wolffort (Paris, Privatbesitz), Antonio de Pereda (Madrid, Prado) und Pieter C. van Slingelandt (Paris, Louvre) genannt. Sie alle weisen, so verschieden die Ausführung des 35 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

Motivs sonst auch sein mag, stets die gleichen Requisiten auf: Kruzifix, Totenschädel und Buch. Es sind dies die klassischen Insignien der Buße und des Bewußtseins von der Nichtigkeit alles Irdischen. Das Buch - was liegt näher als anzunehmen, daß es sich hier um den Prediger Salomo (Kohelet) handeln könnte? Das weibliche Pendant zum grübelnden Hieronymus ist, wie angedeutet, die büßende Maria Magdalena. Kreuz, Schädel und Buch sind auch für sie unerläßliche Gegenstände der Meditation. So begegnet sie uns u.a. bei Cecco da Caravaggio (Augsburg, Städtische Kunstsammlungen), Philippe de Champaigne (Rennes, Musée des Beaux-Arts) und schließlich, ganz ohne die sonst übliche baroke Pose, bei Georges de La Tour (Paris, Louvre). Hier nichts mehr von jener exaltierten Büßerinnengebärde, wie sie uns in den Darstellungen anderer Zeitgenossen vorgeführt wird. Vielmehr intim, ohne jede Heftigkeit: eine sehr ernste junge Frau -nachlässig gekleidet, das Kinn in die linke Hand geschmiegt, die Rechte auf dem Totenkopf in ihrem Schoß ruhend, blickt sie, mit vom Betrachter halb abgewandtem Profil, in die still brennende Flamme eines vor ihr auf dem Tisch stehenden Windlichts. Dahinter, jenseits des Lichts, liegen, neben Holzkreuz und Geißel, zwei Bücher. Sie liegen geschlossen da: ungenutzt? ausgeschöpft? oder resignierend abgetan (Abb. 11, S. 37)? Immerhin, von der Vielzahl vergleichbarer Darstellungen her gesehen, wäre über das Buch dies zu sagen: Als Melancholie-Zubehör ist es Gegenstand brütenden Nachdenkens - als würde von ihm die Erlösung aus einer niederdrückenden, lähmenden Seelenbefindlichkeit erwartet. Dem Buch wird eine Kraft zugesprochen, die die Seelenlähmung sprengen könnte. Aber das Buch gibt sein Geheimnis nicht preis: Es kann die herbeigesehnte befreiende Erwekung nicht leisten. Wer büßt, wer sich selbst erforscht, wer bestrebt ist, den Sinn des Lebens, den die Seele befreienden Heilsweg zu ergründen - meditierend, fragend und befragt, steht er, der »Melancholiker«, in der Zwiesprache mit dem Buch. Das Buch aber, einer Sphinx gleich, verhält sich in dieser Begegnung rätselhaft. Zwar spricht es zu ihm und hält auch Antworten parat, doch sind seine Antworten von der Art, daß sie sich stets in neue Fragen verwandeln. - So etwa, psychologisch betrachtet, die Situation der melancholisch über dem Buch meditierenden Heiligen, Hieronymus und 36 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Maria Magdalena, wie sie uns die Malerei des 17. Jahrhunderts nahebringt.

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Stilleben: Vanitas und Voluptas Als konstituierendes Element des Bildaufbaus hat das Buch seinen Platz in der Stilleben-Malerei. Zum Beispiel: auf einer Tischplatte, arrangiert mit Sanduhr und ausgedientem Schreibzeug, drei Bände unterschiedlichen Formats - im Zustand der Auflösung (Abb. 12).

Kompositorisch ganz ähnlich diesem anonymen spanischen Beispiel (Ber­ lin, Staatliche Museen), das sinnfällig an die Vergänglichkeit gemahnt, erweist sich ein Bücherstilleben mit erloschener Kerze von Sebastian Stosskopf (Rotterdam, Museum Boymans-van Benningen). Nur sind es diesmal nicht verrottete Schwarten, sondern überaus ansehnliche Folianten, die präsentiert werden. So auch die Bücher in »La Grande Vanité« desselben Künstlers, die in Straßburg (Musée de l'Oeuvre Notre-Dame) zu sehen sind. Sie stehen, aufs sorgfältigste angeordnet, im Mittelpunkt einer aus lauter kostbaren Gegenständen aufgebauten Komposition, darunter mehrere in Gold gearbeitete Gefäße, eine Laute, eine aufgeschlagene Partitur, ein Schwert, eine Prunkrüstung, ein Himmelsglobus. Ausnehmend schöne Dinge dies alles - aber im Bild, an zentraler Stelle aufgestellt vor 38 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

den Büchern, ist da auch der Totenschädel: Vanitas, vanitatum vanitas (Abb. 13).

Freilich stehen nicht alle Stilleben im Zeichen des Totenkopfs. Indem es sich hier um eine semantisch oszillierende Gattung handelt, begegnen wir wohl ebenso häufig auch Stücken, die nicht Vanitas, sondern Voluptas suggerieren. Die Zusammenstellung von Büchern mit Musikinstrumenten (vorzugsweise Guitarren) in scheinbar zufälliger, aber höchst dekorativer Anordnung, begründet ein bis in die Gegenwart zu verfolgendes Motiv. Beispiele dafür sind der in Straßburg (Musée des Beaux-Arts) befindliche »Panneau décoratif« von Jean-Baptiste Oudry sowie diverse Kompositionen des Amerikaners William Michael Harnett. Indem letzterer seine Stilleben mit Titeln wie »Materials for a Leisure Hour« (Lugano, Sammlung Thyssen-Bornemisza) und »My Gems« (Washington, National Gallery of Art) versieht, bestimmt er den Charakter der von ihm abgebildeten »schönen« Dinge, darunter der Bücher, als Mittel des privaten ästhetischen Genusses. Auch wenn es sich, wie zu erkennen ist, bei einem von Harnetts Büchern um einen Band Dante handelt - die hier so liebevoll 39 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

dargestellten Stücke wollen in keiner Weise mehr symbolisch verstanden werden. Ihre Bedeutung erschöpft sich in ihrer gefälligen Gegenständlichkeit sowie in ihrem Gebrauchswert als Lesestoff. Gleichwohl eignet sich das Objekt Buch mehr als andere Requisiten der bildlichen Darstellung zur symbolischen Repräsentanz. Was es im einzelnen Fall bedeutet, ergibt sich aus dem Bildganzen. Je nach Kontext mag es für die geoffenbarte Wahrheit, die kodifizierte Lehre, die gespeicherte Wissenschaft einstehen. Darüber wird erkennbar, was das im Bild vorhandene Buch jeweils bewirkt: Erbauung, Tröstung, Belehrung, Zerstreuung, Verführung, Langeweile etc. Die letztgenannten psychologischen Aspekte resultieren freilich weniger aus der Vertrautheit mit einer entsprechenden ikonographischen Tradition als aus der besonderen Situation der im Umgang mit Büchern dargestellten Personen. Ein Sonderfall liegt vor, wenn Rubens etwa den Altphilologen Justus Lipsius, Fragonard den Enzyklopädisten Diderot und Manet den Schriftsteller Zola portraitiert: die Bücher in ihren Händen charakterisieren ihre Tätigkeit, sie figurieren gleichsam als Standesembleme. Paare mit Buch Davon unterscheiden sich die »Lesenden«. Sie etablieren ein von Rembrandt bis über Matisse hinaus gängiges Lieblingsmotiv der Malerei. Die hier anzuführenden Beispiele sind zahllos. Dabei fällt auf, daß es sich bei den lesend oder mit einem Buch in der Hand dargestellten Personen in der bei weitem überwiegenden Mehrzahl um Frauen handelt. Aufschlußreich, gerade auch in sozialgeschichtlicher Hinsicht, sind da zunächst bestimmte Doppelbildnisse. »Der Geldwechsler mit seiner Frau«, gemalt von Quinten Massys (Paris, Louvre), zeigt uns das Paar in Frontansicht nebeneinander an einem Tisch sitzend. Während der Mann damit beschäftigt ist, die vor ihm ausgebreiteten Münzen und Perlen mit der Goldwaage abzuwiegen, hat sich seine Frau (zur Lektüre?) ein wohl kostbares, illuminiertes Buch vorgenommen. Wir sehen, wie sie gerade die Seite aufschlägt, wo Maria mit dem Jesuskind abgebildet ist - und gleichzeitig die Tätigkeit ihres Mannes mit einem betrübten, aber nicht mißbilligenden Seitenblick bedenkt. Ungeachtet der hier möglichen 40 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

religiösen Interpretation, die sich gewisser Bibelstellen bedienen mag (z.B. Lev 19, 35-36, Dt 25, 13-16), wirft die Szene ein Licht auf die den Ge­ schlechtern herkömmlicher Weise zugewiesenen Rollen (Abb. 14).

Aber - eine ironische Besonderheit - auch dies kommt vor: der in Gegenwart einer Frau lesende Mann. Das von Edouard Manet gemalte Bild »La Lecture« (Paris, Musée d'Orsay) zeigt eine blühende junge Frau im weißen Mousselinekleid, dem Betrachter zugewandt auf einem Sofa sitzend. Dahinter, nicht einmal ein Sechstel der gesamten Bildfläche 41 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

einnehmend, sind von dem lesenden Mann gerade nur, im Profil, der Kopf und die das Buch haltenden Hände zu sehen. Wenn ein junger Mann und eine junge Frau zusammen sind, um gemeinsam ein bestimmtes Buch zu lesen, so ist dies ein Thema nach dem Geschmack der Maler des 19. Jahrhunderts. Die beiden jungen Leute, die da, stimuliert von ihrer Lektüre, in Liebe zueinander entbrennen - natürlich sind es Paolo und Francesca aus Dantes Divina Commedia (Inferno, 5. Gesang). Abgesehen von den überaus zahlreich vorliegenden DanteIllustrationen gibt es dazu selbständige Darstellungen von Ingres (Angers), Delacroix (Zürich, Privatbesitz) und Feuerbach (München, SchackGalerie), die jeweils verschiedene Stadien der amourösen Annäherung festhalten. Bei Ingres etwa ist es der Moment, wo Francesca, von Paolos Kuß überrascht, das Buch zu Boden gleiten läßt. »Quel giorno più non vi leggemo avante«, heißt es bei Dante. Weiter also lasen sie nicht: das Buch als Kuppler und Verführer hatte gewirkt. Die Frau mit Buch Wo in der bildenden Kunst, in welchem Motivzusammenhang kommt das Buch am häufigsten vor? - Weitaus am häufigsten begegnen wir dem Buch in den Händen weiblicher Personen, sei es bei den Darstellungen der Jungfrau Maria, sei es bei den bürgerlichen Frauenbildnissen, wie sie sich vom 17. Jahrhundert an in großer Zahl vorfinden. Rembrandt, der auch seinen Sohn Titus mehrfach als Lesenden gemalt hat, portraitiert seine alte Mutter, wie sie in einer großformatigen, von häufigem Gebrauch gezeichneten Bibel liest (Amsterdam, Rijksmuseum). Die von Rubens, mit dem Ausdruck menschlich anrührender Traurigkeit gemalte Isabella Brandt (Florenz, Uffizien), hält in der Rechten ein Gebetbüchlein - zugeschlagen, aber mit dem Zeigefinger zwischen den Sei­ ten (Abb. 15, S. 43). Dieses scheinbar belanglose Detail - der ein Lese­ zeichen ersetzende Finger zwischen den Buchseiten - hat seine Tradition: Wir kennen es, spätestens seit Simone Martini, aus ungezählten Beispielen der Verkündigungsszene.

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Daß von hier aus eine motivgeschichtliche Verbindungslinie zur profanen Bildnismalerei hinführen soll, mag zunächst überraschen. In der Tat aber gibt es überraschendee Ähnlichkeiten zwischen dem im 19. Jahrhundert gängigen Motiv der »Lecture interrompue« und der Verkündigungsszene 43 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

mit dem Unterschied freilich, daß das in die Situation der lesenden Frau hereinbrechende aufstörende Element, das Äquivalent des Erzengels, bei der modernen Version nicht mehr im Bild erscheint. Ein Bild wie das »La jeune liseuse« von Jean-Honoré Fragonard (Washington, National Gallery), das - zusammen mit der »Liseuse« von Renoir (Paris, Musée d'Orsay) zu den meistreproduzierten Beispielen des Lektüre-Motivs gehört, zeigt ein hübsches Mädchen, das liest - und mehr nicht (wenn man von den beträchtlichen malerischen Qualitäten einmal absieht). Weder charakterisiert das Buch hier die damit beschäftigte Person, noch läßt die Person erkennen, was es mit dem Buch, das sie liest, auf sich hat. Aber Fragonard wäre als Maler nicht der dezidierte Zeitgenosse (und Portraitist) des Enzyklopädisten Denis Diderot, wenn ihn nicht auch die didaktischen Aspekte des Umgangs mit Büchern angeregt hätten. »Das Stu­ dium« - so der betreffende Bildtitel (Paris, Louvre) - zeigt wieder ein junges Mädchen, das über die vor ihm ausgebreiteten Bände hinweg dem Betrachter zulächelt. Dennoch, Gelehrtheit ist hier nicht das Thema, vermittelt wird vielmehr - ganz Rokoko - ein unpedantischer, vergnüglicher Eifer im Umgang mit Literatur. Das außerordentliche Prestige, das Literatur und Künste gerade im französischen Dixhuitième genießen, spiegelt sich in nicht wenigen Bildnissen auch hochgestellter Persönlichkeiten. Ein Pastell der Marquise de Pompadour von Maurice Quentin de La Tour (Paris, Louvre) zeigt die Dame in einer Partitur blätternd vor einem Tisch sitzend, auf dem sich Mappen und Bücher unterschiedlichen Formats befinden - darunter, wie auf dem Rückenschild deutlich abzulesen ist, bezeichnenderweise ein Band der Enzyklopädie von Diderot und d'Alembert (Abb. 16, S. 45). Im 19. Jahrhundert hat dann das Buch - im Idealfall - seinen festen Platz im Haushalt der bürgerlichen Bildung. Die Frau mit dem Buch - jetzt erscheint sie wirklich als lesende, d.h. einer Tätigkeit hingegeben, die sie ehrt und gesellschaftlich auszeichnet. Auch »schmückt« sie das Buch, das sie in der Hand hält, wie sie sonst ein Fächer oder ein Blumenstrauß schmücken könnte. Die Haltung, die Pose, die sie beim Lesen einnimmt, die Spiegelung des Gelesenen in ihrem Antlitz - all das sind, aus der Sicht einer bürgerlichen Ästhetik, Elemente eines überaus reizvollen Motivs. So verwundert es nicht, wenn von Camille Corot bis Max Liebermann nahezu alle Maler das Motiv um eine oder mehrere Varianten bereichert haben. 44 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Was das in diesen Bildern präsente Buch anbelangt, so ist es, anders als das Buch in den Darstellungen der religiösen Kunst, für sich genommen, eher bedeutungslos. Und doch ist es, indem es sozusagen inspirativ das Erscheinungsbild der lesenden Person bestimmt, mehr als ein bloß dekoratives Beiwerk.

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Orte des Lesens Es wird gelesen, viel gelesen in der bürgerlichen Bildnismalerei des 19. Jahrhunderts - was da gelesen wird, ist, zumindest in ikonologischer Hinsicht, ohne Belang. Worauf es primär ankommt, das ist die Tätigkeit des Lesens, die Lese-Situation, sind Ort und Umstände der Lektüre, der soziokulturelle Kontext. Für die Impressionisten etwa, Pioniere der Freiluftmalerei, ist es bezeichnend, daß sie ihre lesenden jungen Frauen mit Vorliebe in blühende Gärten plazieren. Von Claude Monet gemalt, wird die Lektüre, die Aufnahme des Gelesenen gewissermaßen dem Einatmen von Blütenduft assoziiert (La Liseuse; Baltimore, Walters Art Gallery). Den gleichen Eindruck erweckt gelegentlich sein dänischer Zeitgenosse P. S. Krøyer. Schöne, sehr originelle Beispiele für Lesende im Freien finden wir im Werk von Edouard Manet. »Sur la plage« (Paris, Jeu de Paume) zeigt ein Paar, niedergelassen an einem Sandstrand vor dem offenen, windbewegten Meer. Während der Mann versonnen aufs Meer hinausschaut, liest die dreiviertel vom Betrachter abgewandte, Hut und Schleier tragende Frau ein Buch. Ein aufgeschlagenes Buch und überdies ein Hündchen hält auf ihrem Schoß die junge Frau von »Le chemin de fer« (Washington, National Gal­ lery of Art). Gerade als hätten wir, die Bildbetrachter, sie von ihrer Lektüre abgelenkt, blickt sie uns offen und neugierig aus dem Bild heraus an. Die Aufmerksamkeit des in ihrer Begleitung befindlichen kleinen Mädchens, wohl ihrer Tochter, gilt dagegen der Eisenbahn im Hintergrund, von der hinter dem abgrenzenden Gitter freilich nur eine gewaltige Dampfwolke zu sehen ist (Abbildung 17, S. 47).

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Bücherlesen, Lektüre als Zeitvertreib, als kultiviert-angenehme Faute-demieux-Beschäftigung bürgerlicher Frauen und Töchter - ganz profane Lektüre erweist sich, wie wir sehen, als vorzüglich geeignetes Motiv für malerische Gestaltungen. Handelt es sich bei den im Bild gelesenen Büchern in der Regel auch um nicht identifizierbare Werke, so gibt es doch Ausnahmen. Wieder ist es die Bibel, das »Buch der Bücher«. »Mutter und Schwester des Künstlers in der Bibel lesend« - so der Titel eines Gemäldes von Hans Thoma (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle): zwei bäuerliche Menschen, von schwerer Arbeit geprägt, die sich am Sonntag einer sehr ernsten und gar nicht leichten Tätigkeit widmen (Abbildung 18, S. 48). 47 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

Kein Anflug von Heiterkeit auch bei Wilhelm Leibls subtil gemalten »Drei Frauen in der Kirche« (Hamburg, Kunsthalle). Den charakterisierenden Realismus auf die Spitze getrieben hat dann der volkstümliche Schweizer Albert Anker. Seine bibellesene Bauersfrau (Privatbesitz) ist - sicherlich ungewollt - fast schon Karikatur. Lesendes Landvolk - man denke hier gerade auch an Hans Thomas »Abendstunde« - derartiges dürfte, schon zur Entstehungszeit entsprechender Bilder, eher selten vorgekommen sein. Was sich hier ausdrückt, ist die nostalgische Phantasie von Stadtmenschen. Bücherwahn Was ursprünglich Gegenstand eines spirituellen oder wissenschaftlichen Interesses war, wird materiell vereinnahmt. Die Liebe zum Buch entartet zur Besitzgier. Der Geist, überrollt von seinen eigenen Verteilungs­ 48 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

mechanismen, droht auf der Strecke zu bleiben. Das Medium, verdinglicht, wird zum Fetisch. In dieser Situation, wo alles auf Verwechslung hinausläuft, ist der Büchernarr zu Hause. Mit Büchern zu leben, kostbare, berühmte und pikante Bücher in großer Fülle zur Verfügung zu haben, erscheint ihm als ein paradiesischer Zustand. Aber er täuscht sich: da sein Paradies weder Grenzen noch eine Mitte hat, entzieht es sich seiner begierigen Herrschaft. Gleichwohl hört er nicht auf, sich vom paradiesischen Abglanz seines Potentials blenden zu lassen. Was macht es ihm da schon aus, daß er Staub ansetzt - Bücherstaub mit dem darin heimischen Ungeziefer? Die hier fällige Satire »Von vnnutze buchern« - wir finden sie im »Narren Schyff« (1494). Und nicht umsonst haben Sebastian Brant und sein Illustrator den Büchernarren mit einem besenartigen Wedel ausgerüstet, den er - über seinen Schwarten thronend - an Stelle eines Szepters handhabt (Abb. 19, S. 50). Dazu die Verse: Von büchern hab ich grossen hort Verstand doch drynn gar wenig wort Und halt sie dennacht jn den eren Das ich jnn wil der fliegen weren. Eine eher liebevolle Behandlung erfährt der Büchernarr bei Carl Spitzweg, wiewohl auch sie die Karikatur streift. Sein »Bücherwurm« (Privatbesitz) ist kein Bücherschädling, auch deutet nichts darauf hin, daß ihm die Bücherfülle, die ihn umgibt, wahnhaft berauscht. Wahrscheinlich sind es nicht einmal seine eigenen Bücher. Aber er ist begierig, diese Bücher zu nutzen. Er steht, geradezu schwindelerregend, auf der obersten Stufe einer Leiter vor einer zweifach mannshohen Regalwand der Abteilung »Metaphysik«. Und er liest -ein Buch kurzsichtig dicht vor der Nase, ein zweites, ebenfalls aufgeschlagen, in der anderen Hand, ein weiteres unter dem Arm und ein viertes zwischen die Knie geklemmt. Das Licht, das hinter ihm aus einem im Bilde nicht sichtbaren Fenster hereinfällt, wirft den Schatten seiner Gestalt auf die Bibliothekswand. Eine schattenhafte Existenz ist er trotzdem nicht, dieser »Bücherwurm«, auch wenn er dem natürlichen Licht, das von draußen kommt, den Rüken zu­ kehrt. Im Gegenteil: bei aller Komik, die Spitzweg ihm anhängt, erscheint 49 Das besondere Requisit. Bemerkungen zum Buch im Bild

er uns als zwar weltfremder, aber gleichwohl vital-neugieriger, staunender Leser.

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Hier beschließen wir, flüchtig genug, unseren Streifzug durch die ikonographische Landschaft der »Buch-Bilder«. Wenn er uns etwas gelehrt hat, dann dies: Das Buch, so unscheinbar seine Gegenständlichkeit im jeweiligen Bildganzen auch sein mag, erscheint so gut wie nie als ein beliebiges Requisit, das sich ohne Bedeutungsverlust durch ein anderes ersetzen ließe. In aller Regel kommt ihm die Rolle zu, wenn nicht ein zentrales Symbol, so doch ein interpretationsrelevantes Bildelement zu sein. Als Träger kultureller Substanz und Tradition zeichnet es sich vor allen anderen materialen Requisiten aus. Das verschafft ihm eine gradezu unverwüstliche Aura im Sinne Walter Benjamins. Diese freilich verflüchtig sich da, wo im Bewußtsein das modernen Menschen das Buch sich als massenhaft verfügbares Gebrauchsgut etabliert. Damit wird es für die Darstellung der bildenden Kunst uninteressant. Und wenn Braque und Picasso in ihren abstrahierenden Stilleben anstelle des Buches eher Zeitungsfetzen, Kartenspiele und Noten verarbeiten, so ist das nur folgerichtig.

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DIE UB FREIBURG 19681

Raumverhältnisse. Dank der Initiative des Universitätsrates konnten im Januar 1968 150.000 Bücher und Zeitschriften der Naturwissenschaften und Medizin sowie 500.000 Dissertationen provisorisch ausgelagert werden. Die UB hat dadurch in den überfüllten Magazinen des Hauptgebäudes gestapelte und unbenutzbare neuere Literatur aufstellen und Stellraum für die Neuzugänge bis etwa 1973 gewinnen können. Die Verkehrsflächen in der Bibliothek und der Ausstellungsraum mußten für die Verwaltungs- und Publikumsdienststellen voll ausgenutzt werden. Zwecks Rationalisierung des Geschäftsganges sind zahlreiche Dienststellen im Haus in andere funktionell günstiger gelegene Räume umgezogen. Die extrem schlechten Arbeitsplatzverhältnisse konnten dadurch nur wenig verbessert werden. In einigen Jahren wird die Bibliothek durch die Raumnot in Magazin, Publikumsbereich und Lesesaal nicht mehr funktionsfähig sein. Personal Für die Modernisierung der Bibliothek, Reformen, den Aufbau einer Lehrbuchsammlung, die Aufarbeitung von Rückständen und die Aus­ weitung des Benutzungsbetriebs wurden keine neuen Planstellen oder Hilfskräfte bewilligt. Durch die Rationalisierungsmaßnahmen konnten aber in einigen Dienststellen Arbeitskräfte eingespart werden.

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Ergänzung zu dem Bericht des Bibliotheksdirektors vor der Bibliothekskommission im Mai 1968 über den Fortgang der Reformarbeiten. Aus den Akten der Universitätsbibliothek, C II.

53 Die UB Freiburg 1968

18 Mitarbeiter schieden aus der Bibliothek aus, die Planstellen wurden ausnahmslos mit jüngeren Bibliothekaren wieder neu besetzt. Öffnungszeiten Die traditionelle Schließung der Bibliothek in bestimmten Wochen und an bestimmten Tagen wurde aufgegeben, die Öffnungszeiten wurden wesentlich erweitert. Seit WS 1968 sind die Lesesäle, Publikumskataloge, der Sachkatalog und die Bibliographische Handbibliothek durchgehend von 8 Uhr bis 20.45 Uhr geöffnet. Die Leihstelle ist auch in den Mittagsstunden und zweimal wöchentlich bis 19 Uhr geöffnet. Es ist beabsichtigt, durch Einsatz von Hilfskräften die obengenannten Publikumsbereiche durchgehend von 8 bis 23 Uhr offenzuhalten. Die Vermeidung größerer Stauungen in der Leihstelle durch Verlängerung der Öffnungszeit ist nur nach Bewilligung zweier zusätzlicher Planstellen in Ortsausleihe und Magazin möglich. Benutzungsabteilung Benutzungsführer und Benutzungsordnung. - Es finden regelmäßig Einführungen in die Bibliotheksbenutzung statt. Ein ausführlicher geruckter Benutzungsführer liegt aus und wird jedem Leser kostenlos zur Verfügung gestellt. Studenten und Institute werden laufend in Informationsblättern über Neuerungen unterrichtet. Eine neue Benutzungsordnung der UB Freiburg liegt im Entwurf vor. Dieser dienst augenblicklich als Vorlage bei Beratungen über neue Benutzungsordnungen für alle wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes. Ausleihe. - Die Rationalisierung des Geschäftsgangs in fast allen Verwaltungsstellen der UB hat auch in der Bibliotheksbenutzung erste positive Folgen gezeigt. 1968 im Vergleich zu 1967 Gesamtzahl der Bestellungen 54

300.945

259.314

Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Gesamtzahl der ausgegebenen Bände

231.687

183.753

Gesamtzahl der Bestellungen am Ort Gesamtzahl der ausgegebenen Bände aus eigenem Bestand

261.454

220.599

200.031

152.306

nach auswärts gegebene Bestellungen von auswärts erhaltene Bestellungen

17.593 21.898

16.912 21.803

nach auswärts gegebene Bände von auswärts erhaltene Bände

17.221 14.435

17.089 14.358

Gesamtzahl der Kopien für Benutzer

170.796

Die Gesamtzahl der Bestellungen stieg zwischen 1967 und 1968 um 16%, die der insgesamt ausgegebenen Bände um 20,6%, die der aus Beständen der UB Freiburg ausgegebenen Bände um 31,3%. Die UB Freiburg gibt mehr Bücher und Kopien in den Auswärtigen Leihverkehr, als sie von anderen Bibliotheken erhält. Ein Vergleich mit anderen deutschen Universitätsbibliotheken zeigt, daß sie wieder leistungsfähig ist. Magazin. - Es wurden 850.000 Bücher und Dissertationen umgezogen bzw. neu aufgestellt. Für die Neuzugänge ab 1968 wurde das Aufstellungssystem geändert und vereinfacht. Der freie Magazinzutritt mußte auf einen kleinen Kreis von Wissenschaftlern beschränkt werden. Beim Lesesaal wurde eine MagazinAusgangskontrolle eingerichtet. Die Anzahl der im Krieg verlorenen, verstellten oder vermißten Bücher ist groß. In die Leihstelle kehren täglich Bücher zurück, die vor Einrichtung der Kontrollen ohne jeden Nachweis von Benutzern mit freiem Magazinzutritt mitgenommen worden sind. Mit zeitraubenden Revisionsarbeiten wurde begonnen. Die Herstellung der normalen Ordnung im Magazin wird erst nach jahrelanger Arbeit, letztlich nur in einem neuen Gebäude möglich sein. Lehrbücherei. - Sie wurde neu aufgebaut und mit rund 14.000 Bänden ab 55 Die UB Freiburg 1968

Mai 1968 frei zugänglich aufgestellt. Die Zahl der verliehenen Bände ist von 10.459 (1967) auf 44.848 für die Zeit von Mai bis Dezember 1968 angestiegen. Mit fast 70.000 verliehenen Bänden im Jahresdurchschnitt 1968 ist die LB trotz ungünstiger Lage zu einer zentralen Einrichtung der Literaturversorgung der Studenten geworden. Sie soll ab SS 1969 mit der Studentenbücherei räumlich vereinigt, an zentraler Stelle im KG II eingerichtet und durchgehend von 10 bis 18 Uhr geöffnet werden. Es sei hier mit Dankbarkeit erwähnt, daß einige Ordinarien Beträge aus Bleibe- und Berufungsgeldern für die LB zur Verfügung gestellt haben, um die schwierigen Probleme der Literaturversorgung in den Massenfächern lösen zu helfen. Studentenbücherei. - Sie wird im Raum der Akademischen Lesehalle mit Werken der klassischen und modernen Literatur, Schriften zu Geschichte, Politik, Soziologie u.ä. (bisher 3.500 Bände) laufend ausgebaut und ist für alle Studenten und die anderen Universitätsangehörigen frei zugänglich gemacht worden. Die Bücher können neuerdings entliehen werden (Monatsdurchschnitt: rund 1.000 Entleihungen). Im SS 1969 soll die Studentenbücherei mit der Lehrbuchsammlung räumlich vereinigt werden. Die UB ist bestrebt, die wichtigste Studienliteratur, Weltliteratur und aktuelle Informationsliteratur in dieser zentral untergebrachten und erweiterungsfähigen Bücherei frei zugänglich aufzustellen. Die Bücherei ist so organisiert, daß ältere Titel ohne Verwaltungsaufwand in die UB rückgegliedert werden können, sämtliche Titel sind in den Hauptkatalogen der UB nachgewiesen. Die Zahl der Zeitschriften- und Zeitungsleser in der Akademischen Lesehalle stieg von 79.764 (1967) auf 101.786 (1968). Lesesaal. - Die Gesamtzahl der Benutzer sämtlicher Leseräume (ein­ schließlich Handschriftenraum und Akademische Lesehalle) stieg von 192.117 (1967) auf 263.759 (1968) um 37,2 %. Den Hauptlesesaal benutzten 145.743 Leser (1967: 102.153). 56 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Die Benutzungssteigerung ist z.T. auf die Seminarapparate und Präsenzexemplare wichtiger Lehr- und Studienbücher im Lesesaal zurückzuführen. Der alte Dozentenleseraum mußte aus Gründen der Raumnot aufgegeben werden, um 10 Mitarbeiter der Titelaufnahme für die Aufarbeitung der Rückstände unterzubringen. Der neue Dozentenraum mit 4 Arbeitsplätzen und schlechten Arbeitsbedingungen ist eine Notlösung, die von Mitgliedern des Lehrkörpers mit Recht kritisiert worden ist. Handapparate für Seminare und Übungen. - In Zusammenarbeit mit zahlreichen Instituten wurden im SS 68 insgesamt 15 Handapparate mit 503 Bänden, im WS 68 30 Apparate mit 1.052 Bänden für die Dauer eines Semesters im Lesesaal aufgestellt, um die dringend benötigte Literatur für möglichst viele Studenten präsent zu halten. Für den gleichen Zweck wurden 1.650 Xerokopien aus Mitteln der UB angefertigt. Bibliographische Handbibliothek. - Sie wird überdurchschnittlich rege benutzt und enthält jetzt 15.000 Bände. Eine große Anzahl weiterer wichtiger Nachschlagewerke muß aus Raummangel im Magazin aufgestellt werden. Der Ausbau geht zügig voran. Eine größere Anzahl von Nationalbibliographien, Bibliothekskatalogen und Fachbibliographien wurde neu erworben. Die räumlich-zentrale Zusammenfassung von Handapparat der allgemeinen bibliographischen Nachschlagewerke, Sachkatalog, Dokumentationskarteien, Verwaltungsstelle des Signierdienstes und Annahmestelle der Fernleihbestellungen hat sich im Hinblick auf eine optimale sachliche und bibliographische Benutzerberatung bestens bewährt. Sachkatalog. - Der Aufbau eines neuen Sachkatalogs mußte wegen der Aufarbeitung von Rückständen in der Titelaufnahme zurückgestellt werden. Die Planungsarbeiten konnten aber im Herbst 1968 begonnen werden. Erwerbung und Katalogisierung Erwerbung. - Die Erwerbungsabteilung einschließlich Zeitschriften­ 57 Die UB Freiburg 1968

akzession und Zeitschriftennachtragsstelle wurde im Januar 1968 auf Grund einer Analyse des Arbeitsablaufs umorganisiert und rationalisiert. Insgesamt wurden 31.711 Bände neu erworben, inventarisiert, katalogisiert und ausnahmslos benutzbar gemacht. 256 neue wissenschaftliche Zeitschriften wurden ab 1968 ff bestellt; einige Lücken konnten bei wichtigen älteren Zeitschriften durch Reprints geschlossen werden. Katalogisierung. - Seit Januar 1968 werden die Neuerwerbungen sofort katalogisiert; es existieren keine neuen Rückstände. Der Lauf des Buches vom Eingang in der Erwerbungsabteilung bis zur Aufstellung im Magazin und Benutzbarkeit dauert in der Regel bei gebundenen Werken 2-3 Wochen. Insgesamt wurden 27.812 Titel katalogisiert, davon über 7.000 aus alten Rückständen. Bis Ende 1969 sollen sämtliche Rückstände von Neuerwerbungen seit 1958 aufgearbeitet sein. Mit der Kopie der alten Kataloge und der neueren Kataloge im DIN A 5-Format sowie der Katalogvereinheitlichung wurde Ende 1968 begonnen. Die Benutzung des Bestandes vor 1930 wird durch die schlechte Qualität der alten Kataloge erheblich erschwert. Ein Teil des Altbestandes muß völlig neu katalogisiert werden, um normal benutzbar gemacht werden zu können. Diese Arbeiten werden sich über viele Jahre hinziehen. Vor Abschluß eines Teiles dieser Sanierungsarbeiten und ohne zusätzliches Personal sowie zusätzlichen Stellraum kann mit dem Aufbau eines örtlichen Zentralkatalogs nicht begonnen werden. Dissertationen. - Die Neuzugänge werden laufend und innerhalb von acht Tagen benutzbar gemacht. Im Jahr 1968 wurden 14.021 Dissertationen katalogisiert und aufgestellt, ein großer Teil davon stammt aus den Rückständen der letzten Jahre. Die Aufarbeitung sämtlicher Rückstände, einschließlich der seit 1950 liegengebliebenen ausländischen Dissertationen, wird noch ungefähr ein Jahr dauern. Der alphabetische Zettelkatalog der über 500.000 Dissertationen in der UB Freiburg wurde erstmalig für die Benutzer frei zugänglich aufgestellt. Die Raumnot ist so groß, daß dafür nur noch die Verkehrsfläche der 58 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Eingangshalle zur Verfügung stand. Handschriftenabteilung. - Nach der Durchsicht und Revision sämtlicher Handschriften, Inkunabeln und Nachlässe wurde die Bandaufteilung einer Publikationsreihe »Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg« und das Katalogisierungsschema für die mittelalterlichen Handschriften festgelegt. Mit der Beschreibung der mittelalterlichen Handschriften durch zwei wissenschaftliche Mitarbeiter wurde bereits begonnen. Es ist geplant, das Manuskript für den ersten Band im Frühjahr 1971 in Druck gehen zu lassen. Der Aufbau einer über 3.000 Bände umfassenden Handbibliothek mit Nachschlagewerken zur Paläographie, Handschriften- und Inkunabelkunde, Mediävistik ist fast abgeschlossen. Die Spezialsammlung wird schon jetzt rege benutzt. Mit der Katalogisierung der Inkunabeln wird im Februar 1969 begonnen. Die Katalogisierung der Nachlässe wurde entsprechend den Richtlinien der DFG vereinfacht und geht zügig voran. Naturwissenschaftliche und medizinische Abteilung. Pläne zur Einrichtung einer zentralen Zeitschriftenbibliothek im Klinikviertel mit den letzten zwanzig Jahrgängen von möglichst vielen medizinischen Zeitschriften, einem Lesesaal mit Handbibliothek und Xeroxgerät nach dem Vorbild von Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Ulm oder Homburg (Saar) konnten bisher nicht realisiert werden. In summa besitzt die Universität Freiburg nicht weniger laufende medizinische Zeitschriften als die genannten Bibliotheken, ein großer Teil davon ist aber nur einem kleinen Benutzerkreis zugänglich, die Anzahl der Doppel- und Mehrfachexemplare ist vergleichsweise sehr hoch. Ein großer Fortschritt im Hinblick auf eine koordinierte und bessere Literaturversorgung im Institutsviertel konnte hingegen auf dem Gebiet der Chemie erzielt werden. Chemisches Laboratorium, Institut für Physikalische Chemie und UB haben ihre aktiven Bestände zusammengelegt; die UB erhält eine zusätzliche Stelle im Stellenplan und 59 Die UB Freiburg 1968

verwaltet in dem neuen Hochhaus des Chemischen Laboratoriums eine öffentlich zugängliche Präsenzbibliothek (mit Xeroxgerät). Durch Abbestellung von Doppelexemplaren konnte auf diese Weise der Bestand um 50 neue Zeitschriften auf insgesamt 192 laufende Zeitschriften erweitert werden. Die zur Verfügung stehenden Gelder werden optimal im Interesse aller Naturwissenschaftler und Mediziner im Raum Freiburg ausgenutzt, die Bibliothek wird fachgerecht verwaltet. Sie ist für alle Benutzer tagsüber, für Institutsangehörige auch nachts benutzbar. Es besteht Hoffnung, daß es gelingt, im Laufe der nächsten Jahre im naturwissenschaftlichen Institutsviertel einzelne Institutsbibliotheken zu größeren Departmentbibliotheken zusammenzufassen und - mit den Beständen der UB vereint und von dieser bibliothekarisch verwaltet leistungsfähige Fachbereichsbibliotheken einzurichten, die für einen größeren Benutzerkreis zugänglich sind. Zusammenarbeit UB - Institute Der Senat hat am 18. Dezember 1968 folgenden Beschlußentwurf der Bibliothekskommission über die Zusammenarbeit zwischen UB und den Institutsbibliotheken zugestimmt: »Die Bibliothekskommission anerkennt die Tatsache, daß im Bereich der Universität Freiburg inhaltlich und funktionell verschiedene, aber gleichberechtigte Bibliothekstypen nebeneinander existieren. Im Hin­ blick auf die Schaffung eines Systems der koordinierten Buchbearbeitung und -bereitstellung im gesamten Hochschulbereich und zwecks besserer Ausnutzung der zur Verfügung stehenden unzureichenden Mittel empfiehlt sie nachdrücklich eine dauernde enge Zusammenarbeit zwischen zentraler Hochschulbibliothek und allen anderen Bibliotheken der Universität Freiburg, wie sie zum Teil schon besteht. Sie empfiehlt insbesondere laufende Absprachen zwischen Fachreferenten der UB und Vertretern der Institutsbibliotheken bei der Anschaffung von Büchern und Zeitschriften, beim Ausbau der zentralen Lehrbuchsammlung in der UB, bei der Erstellung von Semi­ narapparaten im Lesesaal der UB sowie bei der Beschaffung der für die Seminare benötigten und in den Literaturlisten der Institute aufgeführten 60 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Studienliteratur durch die UB. Weiterhin empfiehlt sie der UB, die einzelnen Institute bei der fachgerechten bibliothekarischen Verwaltung ihrer Bücherbestände zu beraten.« Mit vielen Instituten hat diese laufende Zusammenarbeit seit Frühjahr 1968 bereits zu sehr guten Ergebnissen geführt. Bibliotheksneubau Nachdem die Bibliotheksleitung Anfang 1968 einen ersten Raum- und Funktionsplan ausgearbeitet hatte, konnte mit den vorbereitenden Bauplanungen begonnen werden. Ein detaillierter Raumbedarfs-, Austattungs- und Personalplan ist fertiggestellt und wurde zusammen mit einer Denkschrift über den Raumbedarf im Geisteswissenschaftlichen Zentrum auf der letzten Sitzung der Akademischen Baukommisison vorgelegt und nach Stuttgart weitergeleitet. Die Pläne für den flexiblen Neubau berücksichtigen neben dem raschen Wachstum der Universität zwischen 1970 und 1980, der Einrichtung von möglichst vielen Arbeitsplätzen für Studenten in unmittelbarer Nähe der Bücher auch die Notwendigkeit, zusätzliche Lehr- und Seminarräume zu schaffen. Bibliotheksschule Die Ausbildung von 12 - 15 Anwärtern des gehobenen Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken im zweiten (theoretischen) Aus­ bildungsjahr mit über 600 Unterrichtsstunden, Übungen, praktischer Ausbildung in den Dienststellen u.a. beeinträchtigt erheblich die Reform der Bibliothek und die Aufarbeitung von Rückständen. Der Wunsch der Bibliotheksleitung, eine zentrale Bibliotheksschule des Landes einzurichten oder den Fachlehrgang einer anderen und bereits modernisierten Universitätsbibliothek zu übertragen, wurde vom Kultus­ ministerium abgelehnt.

61 Die UB Freiburg 1968

Benutzerstatistik der Ortsausleihe u. Lehrbücherei 1968 Dozenten, Professoren Akademische Räte, Wissenschaftliche Assistenten Stud. phil. Stud. jur. u. stud. rer. pol. Stud. theol. Stud. med. Stud. rer. nat. Doktoranden Studenten anderer Hochschulen Sonstige Benutzer Behörden Institute (als eingeschriebene Benutzer)

381 591 4.594 2.176 103 970 909 322 609 2.269 83 16 Summe 13.023

Für die Lehrbücherei wurden nur die Benutzer gezählt, die nicht in der Ortsausleihe angemeldet sind. Es wurden alle Studenten gezählt, die im Laufe des Jahres 1968 eingeschriebene Benutzer der UB waren.

62 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Beate Zick REVISION UND SANIERUNG EINER FORTSETZUNGSKARTEI Die Fortsetzungskartei in einer Monographienakzession dient der Über­ wachung des Zugangs einzelner Lieferungen von Serien und mehrbändigen Werken, die zur Fortsetzung bestellt sind. Sie ermöglicht jederzeit die Kontrolle über den regelmäßigen und lückenlosen Eingang der einzelnen Teile eines Werkes und dient gleichzeitig als Interimskartei für die Teile, die sich im Geschäftsgang befinden. Sie kann jedoch ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie sorgfältig geführt und in bestimmten Zeitabständen völlig revidiert und saniert wird. Unterläßt man dies, so wächst sie wegen der vielen »Karteileichen« zu sehr an und wird damit unübersichtlich und schwer zu handhaben. Bereits bei der Anlage einer Karteikarte für eine neue Fortsetzungsbestellung ist darauf zu achten, daß sie alle Angaben ent­ hält, die für eine spätere Revision oder Sanierung erforderlich sind. Es empfiehlt sich daher, kein zu kleines Format zu wählen (am besten DIN A 5), um möglichst viele Angaben in übersichtlicher Form eintragen zu können. Von den auf einer Fortsetzungskartei obligatorischen Angaben wie Verfasser, Titel, Verlag, Erwerbungsart, Zugangsart und Lieferant sowie der Aufführung der gelieferten Einheiten sind einige besonders wichtig. a) Lieferant: Er sollte, soweit es sich nicht um ortsansässige oder sonstige Buchhändler handelt, mit denen ständige Geschäftsbeziehungen be­ stehen, mit voller Adresse angegeben werden. Diese muß bei jeder Lieferung überprüft und eventuell korrigiert werden, damit Reklamationen ohne Umwege ihren Adressaten erreichen können. b) Verfasser: Bei Fortsetzungswerken wie Briefwechsel, Tagebüchern u.ä. empfiehlt es sich, die Lebensdaten des Verfassers zu ermitteln und aufzutragen, um mit ihrer Hilfe den Abschluß des Werkes feststellen zu können. 63 Revision und Sanierung einer Fortsetzungskartei

c) Titel: Aus demselben Grund muß der Untertitel mit festgehalten werden, wenn aus ihm der geplante Umfang des Werkes hervorgeht (z.B. »Eine Dokumentation in 10 Bänden« oder »Geschichte der Stadt NN 1500-1945«). d) Verlag: Eventuelle Verlagsänderungen müssen notiert werden. e) Nachweis der gelieferten Teile: Er sollte so knapp wie möglich, jedoch so umfassend sein, daß er eine eindeutige Identifizierung ermöglicht (z.B. Lexikon ..., Bd 3: H-M; Briefe, Bd 4: 1832-1835; Ges. Werke, Bd 3: Prosa). Inhalt, zeitliche oder räumliche Begrenzung des einzelnen Bandes oder der Lieferung sollten auf jeden Fall genau definiert sein. Bei Reihenwerken genügt es jedoch, hinter der Bandzählung den Namen des Verfassers bzw. die ersten drei Ordnungswörter anzugeben. Das Erscheinungsjahr muß in jedem Fall mit aufgeführt werden, um Rückschlüsse auf den Publikationsrhythmus zu ermöglichen. Ebenfalls sollte der Preis notiert werden. Er kann für Weiterbezug oder Abbe­ stellung entscheidend sein. f) Angabe von ungefähren Erscheinungsdaten oder Lieferhindernissen: Alle Angaben zu einem Fortsetzungswerk, die man auf verschiedenen Wegen erhalten kann (Buchhändlernachrichten, Verlagsprospekte, letzter erschienener Band, CIP-Ankündigungen), müssen unbedingt auf der Karte festgehalten werden. Werden alle diese Kriterien beachtet, läßt sich eine Revision mit weniger Aufwand durchführen. Selbst bei sorgfältigster Führung einer Fortsetzungskartei und sofortiger Reklamation von fehlenden Teilen kann es nicht ausbleiben, daß Lücken entstehen oder gewisse Fortsetzungen einfach »hängen« bleiben. Aus diesem Grunde muß die Kartei in gewissen regelmäßigen Zeitabständen durchgesehen und saniert werden. Sie soll ja kein vollständiger Bestandsnachweis aller Fortsetzungen der Bibliothek sein (denn dazu dient der Katalog), sondern nur die für die laufenden Arbeitsgänge in der Erwerbung erforderlichen Informationen enthalten. 64 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Bei der Revision wird Karte für Karte von den Mitarbeitern der Erwerbungsabteilung nach verschiedenen Kriterien durchgesehen. Fortsetzungskarten für mehrbändige Werke, die keine Lücken auf­ weisen, kann man ohne weitere Bearbeitung wieder zurückordnen, wenn feststeht, daß weitere Bände zu erwarten sind. Bei Reihenkarten sollte - sofern man sich nicht für eine generelle Vorlage an den zuständigen Fachreferenten entscheidet - nicht nur auf Lücken geachtet werden, sondern auch auf den Preis und die Art der Titel, die in diesen Reihen erscheinen. Handelt es sich um Serien mit großen Lücken, sehr teure Werke oder sehr spezielle Titel (soweit sich dies überhaupt von Mitarbeitern ohne Fachkenntnisse beurteilen läßt), kopiert man am besten die Fortsetzungskarte zweifach und stellt sie mit einem entsprechenden Bearbeitungsvermerk wieder in die Kartei zurück. Da die Stücktiteleintragungen auf der Fortsetzungskarte in der Regel nicht sehr aussagekräftig sind, kopiert man am besten auch die Titel der letzten Eintragungen aus dem alphabetischen Katalog. Eine Kopie der Fortsetzungskarte und die Stücktitelkopien gehen an den zuständigen Fachreferenten, der über den Weiterbezug entscheidet. Zuvor sollte jedoch gerade bei sehr teuren oder speziellen Titeln versucht werden, zu ermitteln, ob die Reihe noch in einer weiteren Bibliothek am Ort vollständig bezogen wird, denn in Zeiten besserer Finanzlage wurden oft solche Doppelkäufe getätigt, ohne die Folgekosten zu bedenken. In diesem Fall muß der Referent in seine Entscheidung auch die Frage miteinbeziehen, ob ein weiterer Doppelbezug lohnt bzw. welche Bibliothek ggf. die Reihe weiterführen soll. Bei Karten von mehrbändige Werken, die Lücken aufweisen, sollte man zunächst versuchen, bibliographisch zu ermitteln, ob die fehlenden Titel bereits erschienen sind, und dann auch sofort reklamieren, da hier keine Fragmente entstehen sollen. Werden Bände als vergriffen gemeldet, ist zu prüfen, ob durch antiquarische Suche oder durch eine Kopie die Lücke geschlossen werden kann. Aus urheberrechtlichen Gründen muß unter Umständen vorher die Genehmigung des Verlags eingeholt werden; damit läßt sich auch die Frage nach Restexemplaren verbinden, die ebenfalls häufig zum Erfolg führt. Sind Lücken erkennbar oder stellt man fest, daß die letzte Lieferung schon längere Zeit zurückliegt, kann dies verschiedene Ursachen haben: 65 Revision und Sanierung einer Fortsetzungskartei

a) Unzuverlässige Lieferanten. b) Handelt es sich um Jahresgaben von Gesellschaften u.ä., bei denen eine Mitgliedschaft besteht, muß zuvor geklärt werden, ob nicht evtl. die Mitgliedschaft gekündigt wurde oder die Institution ihren Namen, ihre Adresse oder ihre Statuten geändert hat, was oft einen Lieferverzug zur Folge hat. Manchmal genügt es auch, den Erscheinungsrhythmus der einzelnen Teile zu überprüfen. Bestehen hier größere Zeitabstände zwischen den Lieferungen, kann mit der Reklamation evtl. noch gewartet werden. c) Bei Titeln, die bisher im Tausch geliefert wurden, muß geprüft werden, ob überhaupt noch Tauschbeziehungen bestehen. Ebenso kann man bei bisher geschenkweise überlassenen Reihen durch eine höfliche Anfrage klären, ob mit einem weiteren kostenlosen Bezug gerechnet werden kann oder ob weitere Teile käuflich erworben werden müssen. d) Oft wird bei der Bearbeitung des letzten Bandes einer Fortsetzung einfach übersehen, daß diese abgeschlossen ist. Es empfiehlt sich daher, zunächst einmal Titel und evt. Untertitel auf irgendwelche Umfangsangaben zu überprüfen. Falls dies nicht weiterhilft, läßt man sich am besten den letzten Band vorlegen. Meistens wird im Klappentext oder Vorwort auf den Abschluß des Werkes hingewiesen. Handelt es sich um einen Lexikonband, der mit dem Buchstaben Z endet oder enthält der Band ein Gesamtregister des Werkes, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß das Werk abgeschlossen ist. Bei Kartenwerken überprüft man am besten anhand des Blattschnitts, der meistens vorliegt, die Vollständigkeit. Bei Briefen, Tagebüchern u.ä. kann man unter Umständen aus den Lebensdaten des Autors auf den Abschluß der Edition schließen. Manchmal kann auch der zuständige Referent mit seinem Fachwissen weiterhelfen. Alle Karten abgeschlossener Werke werden mit einem entsprechenden Vermerk abgelegt. Grundsätzlich sollten aber alle unklaren Fälle dem zuständigen Referenten vorgelegt werden. Ist er nämlich am Weiterbezug 66 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

nicht mehr interessiert, braucht man keine Zeit in die Weiterbearbeitung zu investieren. Die Vorlage sollte immer nur mittels einer Kopie der Fortsetzungskarte erfolgen. Eine zweite mit Namen des Fachreferenten und Weitergabedatum versehene Kopie verbleibt in der Erwerbungsabteilung, um den Rücklauf zu kontrollieren, da erfahrungsgemäß doch einige Karten irgendwo »auf der Strecke« bleiben. Der Fachreferent vermerkt seine Entscheidung über Weiterbezug oder Abbruch (möglichst mit einer kurzen Begründung) auf der Kopie der Fortsetzungskarte und leitet diese (ggf. über den Erwerbungsleiter) an die Akzession weiter. Ist ein Weiterbezug nicht mehr erwünscht, wird das Werk - sofern es sich nicht um eine Pflichtfortsetzung handelt - abbestellt und die Karte mit dem Vermerk »lt NN abbestellt am ...« und kurzer Begründung abgelegt. Soll eine Reihe oder Fortsetzung, die bisher problemlos geliefert wurde, weitergeführt werden, kann die Karte ohne weitere Bearbeitung mit der Bemerkung »Weiterbezug« und Bearbeitungsdatum wieder eingestellt werden. Ansonsten muß reklamiert werden. Hat sich ein Buchhändler bei der Aktion als besonders unzuverlässig erwiesen, empfiehlt es sich, bei ihm ab- und auf einen anderen Lieferanten umzubestellen. Bei Werken, zu denen seit langem keine Lieferung und auch vom Lieferanten keine Rückmeldung mehr erfolgte, ist eine Verlagsanfrage einer Reklamation vorzuziehen. Diese sollte nach Möglichkeit in der jeweiligen Landessprache oder bei entlegeneren Sprachen in Englisch abgefaßt sein, um die Antwort zu beschleunigen. Am besten bedient man sich hierzu eines Vordrucks, auf dem auch die möglichen Antworten über Umfang und Erscheinungsdatum schon vorgegeben sind. Je leichter es man dem Bearbeiter macht, desto größer sind die Chancen, eine rasche Rückmeldung zu erhalten. Erfolgt keine Antwort seitens der Verlage, sollte man sich nicht scheuen, ein- bis zweimal zu reklamieren. Bleibt auch dies ohne Erfolg, kann man annehmen, daß keine weiteren Bände mehr zu erwarten sind. Auf alle Fälle müssen alle nicht ganz eindeutig abgeschlossenen Werke, deren Karten in die Ablage gelangen, auch abbestellt werden, um eventuelle spätere Doppellieferungen zu verhindern. Eine Kopie der Abbestellung sollte an die abgelegte Karte angeheftet werden. Da sich kein Nachweis mehr in der aktuellen Kartei befindet, würde beim Erscheinen eines nicht mehr erwarteten Bandes eine Apartbestellung getätigt. Gleichzeitig aber 67 Revision und Sanierung einer Fortsetzungskartei

würde der Band auch aufgrund der Fortsetzungsbestellung ausgeliefert werden. Einzelne Fortsetzungskarten von Werken, zu denen trotz sorgfältigster Bearbeitung nichts ermittelt werden konnte, werden schließlich übrig bleiben. Ist man an einer Fortführung interessiert, sollte man es noch einmal mit einer Reklamation beim bisherigen Lieferanten versuchen mit der Bitte um weitere Information. Die Sanierung ist also eine recht aufwendige Angelegenheit. Daran könnte auch die Umstellung auf EDV nicht viel ändern. Denn im Gegensatz zur Zeitschrifteneingangskartei, bei der aufgrund der periodischen Erscheinungsweise die regelmäßige Lieferung vom Computer gut überwacht und durch eine entsprechende Mahnroutine unterstützt werden kann, erfordert eine Reihen- und Fortsetzungskartei, bedingt durch die völlig unregelmäßige Erscheinungsweise der einzelnen Teile ein hohes Maß an konventioneller Bearbeitung. Der Abschluß einer Revision und Sanierung ist zwar auch rein optisch zu erkennen, da die Kartei danach in der Regel um ca. 20% »geschrumpft« ist. Der eigentliche Vorteil liegt aber nicht nur in der nun komfortableren Handhabung der übersichtlicher gewordenen Kartei, sondern in der Tatsache, daß durch eine Reduzierung der laufenden Verpflichtungen mehr Mittel für den Einzelkauf frei werden.

68 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Rita Messmer RATIONALISIERUNG IN DER ZEITSCHRIFTENSTELLE Das Wort Rationalisierung wird häufig im Zusammenhang mit elek­ tronischer Datenverarbeitung gebraucht und auch im folgenden kommt man daran nicht vorbei. Der Einsatz der EDV in der Zeitschriftenstelle der Universitätsbibliothek Freiburg steht allerdings noch am Anfang. Doch auch mit konventionellen Mitteln lassen sich Verbesserungen und Erleichterungen erzielen und Arbeitsabläufe übersichtlich gestalten. 1. Signaturen als Zugangsnummern Mit dem Erwerbungsjahr 1968 wurde ein neues Signaturensystem eingeführt. Bis dahin gab es eine für Monographien und Zeitschriften gemeinsame systematische Aufstellung, bei der neben dem Kardex das Führen eines Zugangsbuchs und außer den Signaturen das Eintragen von Zugangsnummern in den Zeitschriftenbänden nötig war. Es wurde von einem System nach dem Numerus currens abgelöst, Monographien- und Zeitschriftenaufstellung getrennt. In Anlehnung an die neuen Signaturen des Freihandbereichs (SB-Aus­ leihe) GE, MD, NA, SW wurden für die Zeitschriften die Signaturen­ gruppen ZG (Zeitschriften der Geisteswissenschaften), ZM (der Medizin), ZN (der Naturwissenschaften), ZR (der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) geschaffen, dazu die Gruppe ZT für Zeitungen und Zeitschriften im Großformat. Vervollständigt wird die Signatur durch Hinzufügen einer laufenden Nummer (Numerus currens). Auf Jahresringe wie bei den Monographien wurde verzichtet, um die einzelnen Bandsignaturen übersichtlich zu halten. Außerdem entstand die Gruppe AK für Akademieschriften. Hier werden 2 Numerus currens-Ringe ange­ schlossen, z.B. AK 1/1, wobei der erste für die Akademie vergeben wird, der zweite für deren Veröffentlichungen: so stehen die Titel einer Akademie beisammen. In den siebziger Jahren kam die Gruppe TZ dazu für nicht laufend gehaltene Zeitschriften, d.h. Zeitschriften, bei denen keine 69 Rationalisierung in der Zeitschriftenstelle

Folgebände erwartet werden. Die Vergabe der Signaturen erfolgt mit Hilfe eines Standortkatalogs, der die Aufstellung im Magazin widerspiegelt und somit Auskunft über die zuletzt vergebene Signatur gibt. Die jeweilige individuelle Inventar- oder Zugangsnummer ergibt sich aus dieser Grundsignatur plus Band- und Jahresangabe, z.B. ZG 193445.1979. Der Kardex gilt also ab 1968 als Inventarverzeichnis oder Zu­ gangs-»Buch«. In ihm sind alle notwendigen Angaben festgehalten: Titel, Impressum, Signatur, Lieferant, Erwerbungsart, Zugangsnachweis, Rechnungsdaten. Da er ein alphabetisches Verzeichnis ist, wird zur Ergänzung der Standortkatalog hinzugezogen. 2. Zeitschriften-Lesesaal Mit dem Umzug ins neue Gebäude kam die Einrichtung des ZeitschriftenLesesaals. Er ist nach Fächern gegliedert und innerhalb der Fächer werden die Zeitschriften alphabetisch nach Titeln aufgestellt, und zwar jeweils die letzten zwanzig Jahrgänge. Die Auswahl für den Präsenzbereich trifft der Fachreferent. Es handelt sich um über 1800 Titel, zu denen der Benutzer direkten Zugang hat. Darunter befinden sich überwiegend Zeitschriften, deren Jahrgänge in mehreren Heften erscheinen, die bis zur Bindereife gesammelt werden müssen. Auch diese laufenden Jahrgänge sind im Lesesaal ausgelegt, und daher fallen hier keine zusätzlichen Ausleihtä­ tigkeiten in der Zeitschriftenstelle an. 3. Zusammenarbeit mit der Einbandstelle Für die Abwicklung der Buchbindearbeiten ist in Freiburg die Einbandstelle zuständig. Für die Zeitschriften bedeutet das, daß die bindereifen Jahrgänge von der Zeitschriftenstelle an die Einbandstelle gegeben werden. Um auch diesen Arbeitsablauf rationell zu gestalten, werden die betreffenden Titel zunächst der Einbandstelle gemeldet. Dies geschieht durch die Zusendung der sogenannten Buchbindermeldekarten (Kärtchen im internationalen Bibliotheksformat, mit Titel- und Standortangabe). An Hand dieser Karten kann die Einbandstelle disponieren, wann welche Zeitschriften welchem 70 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Buchbinder mitgegeben werden sollen. Durch die Rücksendung der Karten an die Zeitschriftenakzession ruft sie zur rechten Zeit die Jahrgänge ab und erhält erst dann die Zeitschriftenhefte, kollationiert und gebündelt und mit Laufzettel versehen. Auf diese Weise werden die Zeitschriften nur so lange wie nötig der Benutzung entzogen. 4. Reklamationen Zu den Aufgaben der Zeitschriftenakzession gehört es, die lükenlose Lieferung der Abonnements zu überwachen. Selbstverständlich wird dies beim Inventarisieren der eingehenden Hefte und Bände beachtet und ggf. werden fehlende Ausgaben reklamiert. Gänzlich ins Stocken geratene Abonnements müssen jedoch auch kontrolliert werden. Da der Kardex noch konventionell, also »mit Hand und Kopf« geführt wird, muß er regelmäßig von den Mitarbeitern von A bis Z auf solche Fälle hin durchgesehen werden. Zu diesem Zweck ist die Erscheinungshäufigkeit der einzelnen Zeitschriften durch verschiedenfarbige Streifen an den Kardexkarten markiert. Somit können die Titel sinnvoll, eben rationell, d.h. ihrer Erschei­ nungsweise entsprechend, überprüft werden: die Wochenzeitschriften wö­ chentlich, Monatszeitschriften monatlich, usw., die zweimal jährlich und seltener erscheinenden etwa zweimal jährlich. In einem Reklamationsheft wird festgehalten, bis zu welchem Titel jeweils der Kardex durchgesehen worden ist. 5.Zeitschriftenakzession und FZV Die Einarbeitung des Freiburger Zeitschriftenverzeichnisses FZV in die Zeitschriftendatenbank ZDB brachte auch für die Zeitschriftenakzession Er­ leichterungen. Ende der siebziger Jahre wurde mit der Meldung der Daten des Zettelkatalogs an die baden-württembergische Zentralredaktion in Stutt­ gart, von dort in maschinenlesbarer Form an die ZDB in Berlin begonnen. 1985 wurde die erste Ausgabe des FZV auf Mikrofiche herausgegeben, seit 1990 wird im Online-Betrieb katalogisiert. Durch die Mitarbeit an der ZDB erhält die Dienststelle FZV regelmäs­ 71 Rationalisierung in der Zeitschriftenstelle

sig Informationen über Titeländerungen und Änderungen am Erschei­ nungsverlauf, wie Erscheinen eingestellt, nicht erschienene Bände, Wiederbeginn, Fortsetzung als Monographie. Die Daten, die den Bestand der Universitätsbibliothek betreffen, werden an die Zeitschriftenstelle wei­ tergegeben. Dies erleichtert dort die Überwachung und Pflege der laufenden Abonnements. Unnötige Reklamationen können gespart, scheinbar »neue« Titel mit ihren Vorgängern verknüpft werden. Die Zusammenarbeit mit dem FZV, also mit der Katalogabteilung, ist außerdem in zunehmenden Maße wichtig für die Abgrenzung: mono­ graphisch oder als Zeitschrift behandeln. Somit sollten nachträgliche Um­ arbeitungen - in beiden Richtungen - weitgehend vermieden werden. 6. Negativkartei Die Negativkartei der Zeitschriftenstelle darf sicher ebenfalls als Ra­ tionalisierungsinstrument genannt werden. Täglich treffen Zeitschriften ein, die weder am Kardex als laufend noch im FZV als abgeschlossen noch in der Bestellkartei als bestellt identifiziert werden können. Da für die Auf­ stellung der Fachreferent in Abstimmung mit dem Erwerbungsleiter zuständig ist, werden ihm diese Titel zugeleitet. Die Negativ-Entscheidungen werden in der Negativkartei, einer Steilkartei im DIN A5-Format, festgehalten: Titel, wenn nötig Zusatz zum Sachtitel, Impressum; Negativ-Entscheidung, wie mit eventuell folgenden Lieferungen zu verfahren ist, Name des Fachreferenten und Datum der Ent­ scheidung. Die an Kardex, FZV und Bestellkartei nicht zu findenden Titel können also an der Negativkartei geprüft - und gefunden werden. Diese weitere Identifizierungsmöglichkeit entlastet sowohl die Zeitschrif­ tenakzession als auch den Fachreferenten von dem Neuerwerbungsver­ fahren für neue Zeitschriften. Seit 1985 wird außerdem auf den Karten festgehalten, ob überhaupt weitere Zusendungen erfolgen, indem das jeweilige Zugangsjahr aufnotiert wird. 1990 konnten so die bis dahin einmaligen Lieferungen »ausgemu­ stert« werden; die Kartei wurde von 'Karteileichen' befreit und bleibt so ein übersichtliches Hilfsmittel. Das Risiko, daß nach Jahren wieder einmal eine Lieferung eintrifft, kann als gering eingestuft werden. Im Gegenzug hat 72 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

man die Möglichkeit, diejenigen Lieferanten, bei deren Zeitschriften eine mehr oder weniger regelmäßige Zusendung dokumentiert ist, um Strei­ chung aus der Versandliste zu bitten. Solchen Aufwendungen war in der Vergangenheit allerdings nur mäßiger Erfolg beschieden. 7. Neuerwerbungsformular Einen Fortschritt bedeutete auch das 1985 entstandene Formular »Zeit­ schriftenneuerwerbung«, macht es doch aus drei alten ein neues: Es ersetzt das Blatt »Zeitschriftenneubestellung« des Fachreferenten, auch »Wunschzettel« genannt, das 'Vorlageformular für neue Titel' der Zeit­ schriftenakzession und den Abstimmungszettel »Neue Zeitschrift -Abspra­ che-«. Es wird von der Zeitschriftenakzession oder vom Fachreferenten für neu anzuschaffende Titel angelegt. Angegeben werden die Bezugsmöglichkeit (Kauf - Geschenk - Tausch) bzw. die Bezugskosten, außerdem für die Abstimmung im Lokal- und Regionalbereich Nachweise aus FZV und ZDB über die Bestände in den Freiburger Bibliotheken sowie in den Bibliotheken innerhalb und außerhalb der Leihverkehrsregion Baden-Württemberg. Um noch rationeller zu arbeiten, d.h. um diese umfangreichen und ausführlichen Recherchen auf das tatsächlich Benötigte zu begrenzen, wird seit 1990 bei den unverlangt eingetroffenen Lieferungen zunächst ein Anfragezettel vorgeschaltet und beim Fachreferent rückgefragt, ob in diesen Fällen Erwerbungsinteresse besteht. Erst dann, auf Referentenwunsch hin, wird das Neuerwerbungsformular ausgefüllt. Häufig fällt jedoch schon in diesem Stadium eine negative Entscheidung, die dann in der Negativkartei festgehalten wird. 8. Verfahren »Neue Kaufzeitschriften« Bis 1989 fanden zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst, Zeit­ schriften-Kaufsitzungen statt. Das bedeutete, daß die Kaufdesiderate auf diese Termine hin gesammelt wurden, wobei jeder Fachreferent jedoch nur maximal 5 Titel vorschlagen konnte, oder durfte. Da die Anzahl der 73 Rationalisierung in der Zeitschriftenstelle

Kaufdesiderate ständig steigt, waren die angesammelten Kaufvorschläge nicht mehr im Rahmen einer - wie vorgesehen - zweistündigen Kaufsitzung zu bewältigen. Andererseits haben sich durch die Entwicklung der Wechselkurse die finanziellen Möglichkeiten verbessert. Seit 1990 können jetzt laufend Desiderate vom Fachreferenten vorgeschlagen werden. Er holt Stellungnahmen von mindestens zwei Kollegen ein und legt die Titel dem Erwerbungsleiter vor. Dieser bearbeitet die Fälle innerhalb des wöchentlichen Abräumens der Monographien. Zeit­ schriften, bei denen eine Diskussion nötig ist, können in den vierzehntägig stattfindenden Referentensitzungen erörtert werden. 9. Erwerbungsstatistik Für die Einführung der EDV in der Erwerbungsabteilung bot sich als erstes die Erwerbungsstatistik an, und mit Januar 1986 erfolgte die Umstellung. Um die erfaßten Daten auch ohne zusätzliches Programm für die Deutsche Bibliotheksstatistik DBS nutzen zu können, sollten von da an die DBSFachsigel verwendet werden. Zuvor war mit hausinternen Neuerwerbungsnummern gearbeitet worden und die Daten mußten am Jahresende mit Hilfe einer Konkordanz für die Meldung an das Deutsche Bibliotheksinstitut DBI umgestaltet werden. Für die Zeitschriftenakzession bedeutete dies zunächst Mehrarbeit am Kardex, da zur Vorbereitung alle bisherigen Sigel entsprechend abzuändern waren. Dies geschah Ende 1985 in einer Sonderaktion unter tatkräftiger Unterstützung der Mitarbeiter der Monographienakzession. Von da ab war bzw. ist mit der Erfassung der Daten die Monatsstatistik erledigt: die Auswertung, die häufig mehr als einen Arbeitstag in Anspruch genommen hatte, ist nun dem Computer überlassen. Monatlich wird außerdem eine Kumulierung ausgegeben, so daß am Jahresende auch die Jahresstatistik ohne weiteren Rechenaufwand seitens der Zeitschriftenakzession vorliegt. Seit im September 1990 in der Dienststelle ein PC installiert wurde, kann die Datenerfassung statt wie bis dahin in der Monographienerwerbung in der Zeitschriftenstelle vorgenommen werden. Für die Auswertung der Erwerbungsstatistik werden die Daten per Diskette in den Datenpool der Monographienakzession überspielt. Damit ist eine weitgehende 74 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Unabhängigkeit bezüglich der Datenerfassung, aber auch der Ausgabe von Kontrollisten, Kumulierungen sowie Recherchen nach bestimmten Kriterien gegeben. 10. DataSwets DataSwets heißt der »online-Subscription Service« der Zeitschriftenagentur Swets & Zeitlinger. Dieser Service wird den Firmenkunden kostenlos angeboten. Der Anschluß erfolgt über DATEX-P, die Kosten der Datenübertragung trägt der Benutzer. Seit Ende 1988 (Testphase) bzw. Februar 1989 (Öffnung der Leitung) hat die Zeitschriftenstelle Zugriff auf dieses Informations- und Kom­ munikationssystem. Neben der Swets-Datenbank mit über 100.000 Titeln steht die ISDS-Datenbank mit über 350.000 Titeln zur Verfügung, und somit ein umfangreiches bibliographisches Instrument, das zudem über die üblichen Angaben hinaus gerade für Erwerbungszweke wichtige Informationen bietet, wie Erscheinungsweise, Band- und Heftzählungen, Verlagsanschriften und natürlich Abonnementspreise. Dabei sind verschiedene Suchstrategien möglich. Vorteile für die tägliche Arbeit bringt neben der Information die Mög­ lichkeit der Online-Kommunikation mit dem Lieferanten Swets. Die wich­ tigsten Funktionen sind dabei die Reklamations- und die Mailboxfunktion. Besonders beim Reklamieren kommt es zu einer erheblichen Arbeits­ erleichterung, da man im System feststellen kann, wann das betreffende Heft in der Swets-Zentrale eingegangen ist bzw. erwartet wird. Man kann also besser entscheiden, ob eine Reklamation schon abgeschickt werden soll, was dann per Knopfdruck, ohne Ausfüllen einer Reklamationskarte, recht einfach geschehen kann. Die Übersicht über die erhaltenen und erwarteten Hefte kann auch in der Bibliographiefunktion aufgerufen werden, so daß man Abonnements, die nicht von Swets geliefert werden, ebenfalls dahingehend prüfen kann. Die Anzahl der Reklamationen kann damit insgesamt vermindert werden. Die Mailboxfunktion empfiehlt sich für eilige und dringliche Anfragen und Reklamationen, wobei man sowohl den Subscription Service als auch das Backsets Department »anschreiben« kann. Umgekehrt kann Swets 75 Rationalisierung in der Zeitschriftenstelle

besondere Mitteilungen und natürlich die gewünschten Antworten in den elektronischen Briefkasten der Zeitschriftenstelle schicken. * Die Ausführungen mögen hier enden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Endgültigkeit. Rationalisierung ist eine nicht endende Aufgabe, Organisation in der Bibliothek kann wie alle Verwaltungsarbeiten ständig rationalisiert werden. Das soll heißen, daß man in der praktischen Arbeit nicht starr an bisherigen Arbeitsabläufen festhält, sondern generell bereit und offen für neue Wege ist, wenn auch mit der gebotenen Vorsicht und Kritikfähigkeit. Denn das Neue ist nicht selbstverständlich auch das Bessere.

76 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Hermann Josef Dörpinghaus STEUERN AUF BIBLIOTHEKSMATERIALIEN Ein Überblick Ein Beitrag über die Besteuerung von Bibliotheksmaterialien in einem zu Ehren Wolfgang Kehrs erscheinenden Sonderheft der INFORMATIONEN des Freiburger Bibliothekssystems mag auf den ersten Blick nicht ganz passend erscheinen, traut man W. Kehr Interesse an solch vermeintlich trockener Materie doch kaum zu. Wer so denkt, irrt! Es war Wolfgang Kehr, der sich im Februar 1984 in einer Anhörung vor dem Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft als einer von sechs Sachverständigen entscheidend mit dafür einsetzte, daß den bundesdeutschen Bibliotheken das Privileg der umsatzsteuerfreien Einfuhr von Büchern und Zeitschriften erhalten blieb. Und es war Wolfgang Kehr, der die dieser Anhörung vorangegangene bundesweite bibliothekarische Öffentlichkeitsarbeit zum Erhalt der Einfuhrsteuerfreiheit von Freiburg aus initiierte und mit immer neuen Anregungen beeinflußte. So darf der Verfasser mit einiger Zuversicht auch auf das Interesse Kehrs für den nachfolgenden »trockenen« Beitrag hoffen.

1.

Die Steuersituation in der Bundesrepublik

Neben der Lohn- oder Einkommensteuer, die auf das persönliche Einkommen des einzelnen erhoben wird, ist die Umsatzsteuer eine der bekanntesten Steuern, mit denen in fast allen westeuropäischen Staaten die Bürger zur Kasse gebeten werden. Sie wird in der Bundesrepublik seit 1968 in der speziellen Form der sogenannten Mehrwertsteuer auf alle Lieferungen und Leistungen erhoben, die ein Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuer wird Mehrwertsteuer genannt, weil - z.B. bei der Pro­ duktion von Waren - nur der jeweilige Mehrwert, der auf den einzelnen Produktionsstufen entsteht, besteuert wird. Die dafür im Englischen gebräuchliche Bezeichnung ist »value added tax« = VAT. Die Mehrwertsteuer ist systematisch so angelegt, daß sie wirt­ 77 Steuern auf Bibliotheksmaterialien

schaftlich nur den Endverbraucher belastet. So nehmen z.B. an der Leistungskette bei der Produktion eines Buches eine ganze Reihe von Unternehmen teil, indem sie irgendwelche Güter (z.B. Papier, Druck, Einband, Werbung) produzieren oder bearbeiten oder indem sie (z.B. als Verleger oder Händler) Dienstleistungen erbringen. Jedes dieser einzelnen Unternehmen muß für seinen eigenen Umsatz bzw. seine Wertschöpfung Umsatzsteuer berechnen und an das Finanzamt abführen. Dennoch wird nur der nichtunternehmerisch tätige Endverbraucher mit der Umsatzsteuer wirtschaftlich belastet, weil alle in der Leistungskette mitarbeitenden Unternehmer in den Genuß des sogenannten »Vorsteuerabzugs« kommen. Dies bedeutet, daß jeder Unternehmer die Möglichkeit hat, vom Finanzamt für die von ihm gekauften Güter oder Dienstleistungen eine Steuergutschrift in Höhe der von seinem Vorlieferanten bereits bezahlten Steuer zu erhalten. Damit wird der einzelne Unternehmer nicht mit der Umsatzsteuer belastet. Sie ist für ihn kostenneutral, ein sogenannter durchlaufender Posten; denn die Steu die ihm von den Vorlieferanten berechnet wird, erhält er auf dem Wege des Vorsteuerabzugs vom Finanzamt zurück, die Steuer, die er selbst für seinen Anteil an der Fertigstellung des Produktes berechnen und an das Finanzamt abführen muß, belastet er der nächstfolgenden Produktionsstufe. Dies setzt sich fort, bis die Ware oder Dienstleistung beim Endverbraucher landet. Nur der Endverbraucher kann die Steuer nicht mehr als Vorsteuer von seiner Steuerschuld absetzen und muß sie daher voll bezahlen. Eine Steuer, die nur auf die jeweiligen Wertzuwächse erhoben wird, ist somit hinsichtlich ihrer Bemessungsgrundlage identisch mit einer Steuer, die auf den Preis des Endprodukts erhoben wird. Nur der Endverbraucher ist somit mit der Mehrwertsteuer belastet. Das im Anhang abgedruckte Schema soll diesen Sachverhalt noch einmal anhand eines Beispiels verdeutlichen. Der allgemeine Steuersatz in der Bundesrepublik für die Mehrwertsteuer beträgt seit dem 1. Juli 1983 14%. Es gibt aber auch einen ermäßigten Steuersatz von 7%. Er gilt z.B. für den Personen­ verkehr, für fast alle Lebensmittel außer Getränken und - und das ist für den Bibliothekar besonders wichtig - für »Waren des Buchhandels«1. 1

Detaillierte Informationen zu diesen begünstigten Warengruppen finden sich im Bundessteuerblatt (1983), Teil 1, Heft 22, S. 586-588 bzw. im Bundesgesetzblatt

78 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Dazu zählen konkret: -

Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in losen Bogen oder Blättern, auch antiquarisch; Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern; Kunstmappen mit gedruckten Reproduktionen; Bilderalben, Bilderbücher usw. für Kinder; Noten, handgeschrieben oder gedruckt; gedruckte kartographische Erzeugnisse aller Art; Buchumschläge, Schutzhüllen usw. zu begünstigten Druckwerken; Sammlungsstücke, die mehr als 100 Jahre alt sind.

Die Umsatzsteuerermäßigung für diese Waren des Buchhandels wird vom Staat mit kulturpolitischen Erwägungen begründet: Das gedruckte Wort und seine sinnvolle Verbreitung sollen durch die Steuerermäßigung für Bücher als materielle Träger geistiger Güter gefördert und daher sollen Bücher nicht wie beliebige andere Waren behandelt werden. Rein fiskalisch denkende Politiker, denen es natürlich um volle Steuerkassen geht, haben es in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik nicht an Versuchen fehlen lassen, den ermäßigten Steuersatz für Bücher zu beseitigen und auch für Bücher 14% Mehrwertsteuer zu erheben. Noch 1987 hat der Frankfurter Börsenverein nur mit großer Mühe einen derartigen Versuch abwehren können. Inzwischen haben aber Bundestag wie Bundesregierung in mehrfachen Erklärungen versichert, an der Steuerermäßigung für »Waren des Buchhandels« festhalten zu wollen2. Für alle anderen Bibliotheksmaterialien, insbesondere auch für die Nonbook-Medien, ist derzeit der volle Steuersatz von 14% zu zahlen. Gerade in Bezug auf Mikrofiches und -filme, die ja zunehmend Bücher ersetzen bzw. ebenfalls als Originaltexte erscheinen, empfinden die Bibliothekare den vollen Steuersatz als besonders ungerecht bzw. unlogisch, denn auch (1988), I, S. 204-209. 2

Vgl. dazu Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages 55. Sitzung (Plenarprotokoll 11/55), S. 3861-3867.

79 Steuern auf Bibliotheksmaterialien

Mikroformen sind Verlagserzeugnisse bzw. Waren des Buchhandels. Bibliothekarische Bemühungen, zumindest auch für Mikroformen den ermäßigten Umsatzsteuersatz gesetzlich zu verankern, haben aber bislang keinen Erfolg gehabt3. 2.

Die Steuersituation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft

Generell gilt das in der Bundesrepublik praktizierte Umsatzsteuersystem auch in allen anderen EG-Mitgliedstaaten. Alle Mitgliedstaaten haben Mehrwertsteuersysteme, die nach dem gleichen Prinzip konstruiert sind. Überall fällt die Umsatzsteuer letztlich dort an, wo der Endverbrauch stattfindet. Und fast überall in den zwölf Mitgliedstaaten der EG unterliegen »Waren des Buchhandels« einem ermäßigten Steuersatz, in einigen wenigen Fällen werden sie sogar überhaupt nicht besteuert. Die Höhe der Steuersätze ist zur Zeit allerdings noch sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, daß einige Länder auch noch zusätzlich erhöhte Steuersätze für Luxusgüter haben.

3

Dazu grundlegend Harald MÜLLER: Mikroformen und Umsatzsteuerrecht. In: ZfBB 34 (1987), S. 91-111.

80 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Die Mehrwertsteuersätze in den EG-Staaten in % des Entgelts4

Belgien Dänemark Deutschland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien

3.

ermäßigte Sätze 6 und 17 0 (Zs. u. Zt.) 7 5,5 und 7 3 und 6 0 0 und 10 0 und 9 3 und 6 6 8 0 und 8

Regelsätze 19 22 14 18,6 18 15 25 18 12 20 16 12

erhöhte Sätze 25/33

33,3 36

38

30 33

Die Steuersituation nach Einführung des gemeinsamen Bin­ nenmarktes

Ab 1. 1. 1993 wird in der EG der sogenannte gemeinsame Binnenmarkt eingeführt, d.h. von da an wird es keine Grenzen innerhalb der EG gehen, so wie es jetzt keine Grenzen mehr zwischen der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik gibt. Ah 1. 1. 1993 werden also weder Personennoch Warenkontrollen an den Binnengrenzen der 12 EG-Länder stattfinden. Schon seit einiger Zeit ist deutlich geworden, daß es nicht gelingen wird, bis 1993 die nationalen Mehrwertsteuersätze zu harmonisieren, d.h. sie auf einen gemeinsamen Steuersatz festzulegen. Stattdessen hat die EG-Kommission ab 1993 bis zu einer erst in sehr viel späterer Zeit möglichen Vereinheitlichung für den Normalsatz eine zulässige 4

Aus Herbert HAAG: Die Mehrwertsteuer im einheitlichen Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft. In: Der Buchhandel und der Europäische Binnenmarkt / ARBEITSGEMEINSCHAFT WISSENSCHAFMICHER SORTIMENTSBUCHHANDLUNGEN (Hrsg.). Hannover, 1989, S. 63.

81 Steuern auf Bibliotheksmaterialien

Bandbreite von 14-20 % und für den ermäßigten Satz eine Bandbreite von 4-9% vorgeschlagen. Hinsichtlich des Normalsatzes liegt die Bundesrepublik mit derzeit 14% noch am unteren Ende der Spanne, beim ermäßigten Satz ist sie mit 7% in einer Mittelposition. Sollten Zeitungsmeldungen aus Mai 1990 zutreffen, plant die Bundesregierung allerdings ab 1993 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 16%, so daß der ermäßigte Satz dann 8% betragen würde. Der ermäßigte Satz soll in allen EG-Mitgliedsländern auch für Bücher, Zeitschriften und Zeitungen gelten. Hier sind zur Zeit folgende Steuersätze in Kraft: Die Mehrwertsteuersätze für Verlagserzeugnisse in den EG-Staatens5

Belgien Dänemark Deutschland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien

Bücher 6% 22% 7% 5,5% 3% 0% 0% 0% 6% 6% 0% 6%

Zeitungen Zeitschriften 0% 0% 0% 0% 7% 7% 2,1% 2,1% 3% 3% 0% 0% 10% 25% 0% 0% 6% 6% 6% 6% 0% 0% 6% 6%

Bei Büchern besteht demnach eine Spanne von 22% (Dänemark) bis zu 0% (Irland, Italien. Portugal. Großbritannien), hei Zeitungen eine Spanne von 10% bis 0% und bei Zeitschriften eine Spanne von erstaunlichen 25% (Irland) bis 0% (Belgien, Dänemark, Italien, Portugal, Großbritannien). Natürlich ist der 0%-Satz. wie er vor allem für die englische Buchproduktion gilt, für Bibliothekare und Buchhändler besonders 5

Ebd. S. 64.

82 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

interessant. Da die Engländer befürchten müssen, daß im Rahmen der EG-Anpassung ihre bisherige Steuerfreiheit für Bücher aufgehoben wird, gibt es dort bereits seit einigen Jahren eine großangelegte Kampagne, die unter dem Motto »Don’t tax reading« für die Beibehaltung der sogenannten »zero rate« eintritt. Die Wortführer dieser Kampagne haben auch schon eine zumindest verbal starke Lobby in Brüssel bei der EG aufgebaut, können aber zur Zeit nur eingeschränkt mit der Unterstützung z.B. des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels rechnen, der starke Befürchtungen hat, daß eine Diskussion um eine völlige Steuerbefreiung für Bücher und Zeitschriften eher dazu führen könnte, daß damit auch die vor wenigen Jahren geführte Diskussion, ob es überhaupt notwendig sei, für Bücher einen ermäßigten Steuersatz zu haben, wieder aufleben könnte. Der Frankfurter Börsenverein tritt deshalb - zumindest offiziell für die Beibehaltung des ermäßigten Satzes von 7% ein und stimmt dem deutschen Bundestag zu, der in seiner bislang letzten Stellungnahme zu diesem Thema beschlossen hat, man sollte innerhalb der EG bei der Harmonisierung der Mehrwertsteuer für Bücher keinem höheren Satz zustimmen als dem derzeitigen deutschen Satz, man solle anderseits aber auch nicht den niedrigsten Satz - im Klartext den 0%-Satz - akzeptieren6. Welche Auffassung letztlich in Brüssel die Oberhand gewinnt, läßt sich zur Zeit noch nicht absehen. Daß die Bibliothekare lieber den 0%-Satz sähen, bedarf keiner Worte. 4.

Die Steuersituation bei Einfuhr von Bibliotheksmaterialien aus dem Ausland

Die derzeitigen unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze in den einzelnen EG-Ländern führen logischerweise zu der Frage, welche Steuersätze denn bei der Einfuhr von Bibliotheksmaterialien aus anderen Ländern zu zahlen sind. So wie alle EG-Länder nach dem gleichen Prinzip konstruierte Mehrwertsteuersysteme haben, die vor allem darin übereinstimmen, daß die Umsatzsteuer stets dort anfällt, wo der Endverbrauch stattfindet, so 6

Vgl. H. J. DÖRPINGHAUS: Bundesregierung unterrichtet Bundestag über »Maßnahmen im Bereich des Buches«. In: Bibliotheksdienst 23 (1989), S. 1054-1056.

83 Steuern auf Bibliotheksmaterialien

kennen auch alle EG-Länder das Prinzip, Ausfuhrlieferungen nicht zu besteuern, während für Einfuhrlieferungen das Gegenteil gilt. Man nennt dieses Prinzip »Bestimmungslandprinzip«. Es bedeutet, daß im grenzüberschreitenden Warenverkehr die bis dahin angefallene Mehrwertsteuer beim Export vom Fiskus dem Exporteur auf Antrag erstattet wird und vom importierenden Land, d.h. dem Bestimmungsland, die Umsatzsteuer nach den dort herrschenden Vorschriften erhoben wird. Mit der Steuerrückerstattung beim Export bezweckt letztlich jeder EGStaat und damit auch die Bundesrepublik eine Exportförderung der eigenen Produktion. Um anderseits zu verhindern, daß importierte Waren billiger angeboten werden als gleichartige im eigenen Land produzierte Waren, wird bei der Einfuhr von importierten Waren die sogenannte Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Damit werden die importierten Waren den im eigenen Land produzierten Waren steuerlich gleichgestellt. Die Einfuhrumsatzsteuer wird in der Bundesrepublik im gleichen Prozentsatz erhoben wie die Mehrwertsteuer. Mit anderen Worten: Mehrwertsteuer und Einfuhrumsatzsteuer sind die beiden Seiten einer Medaille, nämlich der Umsatzsteuer überhaupt. Ursprünglich hatte die EG-Kommission beabsichtigt, ab 1. 1. 1993 innerhalb der EG das »Ursprungslandprinzip« einzuführen und dies ist langfristig, und zwar ab 1. 1. 1997, auch weiter vorgesehen. Die Besteuerung nach dem »Ursprungslandprinzip« hätte bedeutet, daß dem Endverbraucher diejenige Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wird, die im jeweiligen Ursprungsland der Ware gilt. Für französische Bücher wäre dann z.B. ab 1. 1. 1993 die französische Umsatzsteuer und eben nicht wie jetzt - zumindest hei Bezug über einen in der Bundesrepublik sitzenden Importeur - die deutsche Einfuhrumsatzsteuer zu zahlen. Diese Pläne haben die Finanzminister der EG aber wegen der zur Zeit noch sehr unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze in den einzelnen EG-Ländern und wegen der Unmöglichkeit, diese Steuersätze bis Ende 1992 zu harmonisieren, zurückstellen müssen. Die Besteuerung nach dem »Ursprungslandprinzip« soll deshalb erst ab 1997 eingeführt werden und die 2 Besteuerun nach dem »Bestimmungslandprinzip« über den 1. 1. 1993 hinaus nach bis Ende 1996 in Kraft bleiben. Gleichwohl wird es aber ab 1. 1. 1993 einen in seinen Auswirkungen derzeit noch nicht abzusehenden, sehr gravierenden Unterschied zur augenblicklichen 84 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Praxis gehen: Zwar wird wie bisher beim Export in ein anderes EG-Land die Mehrwertsteuer dem Exporteur auf Antrag rückvergütet, und wie bisher muß im EG-Bestimmungsland die dortige Mehrwertsteuer auf die Ware abgeführt werden, doch im Unterschied zu bisher fallen ab 1993 sämtliche Grenzkontrollen weg, womit Kontrollen auf Steuerehrlichkeit demnach nicht mehr an der Grenze, sondern nur noch in den Buch­ haltungen der jeweiligen Ex- und Importeure vorgenommen werden können. Nur noch durch Stichproben in den Betrieben soll zwischen Anfang 1993 und Ende 1996 geprüft werden, ob die in einem EG-Land durch Vorsteuerabzug »entsteuerte« Lieferung im Bestimmungsland auch ordnungsgemäß versteuert worden ist. Daß »clevere« Händler im In- und europäischen Ausland diese Situation nutzen werden, um sich Wettbewerbsvorteile durch Steuerhinterziehung zu verschaffen, ist wohl nicht ganz auszuschließen. Mehr noch als bisher werden deshalb Bibliotheken als weitgehend staatliche Betriebe ab 1993 darauf zu achten haben, daß Bibliotheksmaterialien, die sie aus dem EG-Ausland beziehen, entsprechend den geltenden Vorschriften ordnungsgemäß versteuert worden sind. Schließlich ist es schon in der jüngsten Vergangenheit wiederholt zu zollamtlichen Außenprüfungen in Bibliotheken gekommen7. 5.

Derzeitige Praxis bei der Einfuhr von Bibliotheksmaterialien

Für Einfuhren aus EG-Ländern wird es - wie bereits oben ausgeführt noch bis Ende 1992 Grenzkontrollen geben, für Einfuhren aus Nicht-EGLändern werden Grenzkontrollen auch nach Einführung des gemeinsamen Binnenmarktes ab 1. 1. 1993 weiterhin selbstverständlich sein. Unabhängig aus welchem Land Bibliotheksmaterialien importiert werden, sind somit für den Bibliothekar zumindest noch bis Ende 1992 drei Fragen von Interesse: - Wer überwacht die Einfuhr von Waren? 7

Vgl. H. J. DÖRPINGHAUS: Zollamtliche Außenprüfungen in Bibliotheken. In: Bibliotheksdienst 24 (1990), S. 1670-1671.

85 Steuern auf Bibliotheksmaterialien

- Was wird überwacht und was nicht? - Welche Einfuhrabgaben kommen für Bibliotheken infrage? 5.1 Wer überwacht die Einfuhr von Waren? Die Einfuhr von Waren in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wird zollamtlich überwacht. Als Ware gilt in zollamtlicher Interpretation jede bewegliche Sache. Die Überwachung der Einfuhr erfolgt durch die Grenzzollämter bzw. durch sogenannte Verzollungsämter, die sich innerhalb größerer Postämter befinden und bei denen die aus dem Ausland angelieferte Ware ankommt. Die örtlichen Verzollungspostämter sind allerdings seit dem 1. 1. 1991 in ihrer Funktion stark beschränkt worden und werden vermutlich langfristig aufgelöst. An ihre Stelle treten sogenannte »Grenzeingangsämter«, die die zollamtliche Überprüfung von Sendungen dann zentralisiert nach Herkunftsland vornehmen. So werden z.B. seit Jahresbeginn 1991 Sendungen des Erdwegs aus Österreich in München, Sendungen des Erdwegs aus der Schweiz zentralisiert in Freiburg i. Br. überprüft. Differenzen über die zollamtliche Abfertigung können nur noch mit den Grenzeingangsämtern, nicht aber mit den örtlichen Verzollungspostämtern geklärt werden. Will die Bibliothek das vermeiden, muß sie ihre Lieferanten im Ausland veranlassen, den deutlichen Vermerk »Selbstverzollung« auf allen »gestellungsptlichtigen« Sendungen anzubringen. Nur in diesen Fällen leiten die Grenzeingangsämter die ausländischen Sendungen an die örtlichen Postzollämter zur Prüfung weiter8. 5.2 Was wird überwacht und was nicht? Zweck der Wareneingangsüberwachung ist es, die Erhebung von Zoll und den anderen gesetzlichen Eingangsabgaben zu sichern. Zu diesem Zweck müssen eingeführte Waren zollamtlich abgefertigt werden. Dies geschieht durch die sogenannte »Gestellung« der Waren beim zuständigen Zollamt. Zur Gestellung ist derjenige gesetzlich verpflichtet, der die Waren in das Gebiet der Bundesrepublik verbringt, also z.B. der 8

Für Einzelheiten U. MONTAG: Selbstverzollung : Neue Verfahrensweise ab 1. 4. 1989. In: Bibliotheksdienst 23 (1989), S. 392 und S. 1053.

86 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Spediteur oder die Deutsche Bundespost. Sobald die Waren dem zuständigen Zollamt »gestellt«, d.h. vorgeführt werden, sind sie »Zollgut«. Unabhängig davon, ob die zollamtliche Prüfung ergibt, ob Eingangsabgaben zu erheben sind oder nicht, darf bis zur Freigabe durch das Zollamt nicht über die Ware verfügt werden. Für Bibliotheken wichtig ist, daß bei Einfuhr durch die Post -und das macht ja den Großteil der Sendungen aus - folgende vier Sendungsarten nicht gestellungspflichtig sind und damit auch nicht überwacht werden: -

-

Sendungen, egal welchen Inhalts, bis zu einem Warenwert von DM 25,- aus einem nicht der EG angehörenden Staat. Sendungen, egal welchen Inhalts, bis zu einem Warenwert von DM 50,- aus einem Mitgliedsland der EG. Briefe und Päckchen mit Waren des Buchhandels, wobei als »Waren des Buchhandels« nur diejenigen Waren zu betrachten sind, für die eine Steuerermäßigung von zur Zeit 7% gilt. Mikro­ formen z.B. sind also nicht Waren des Buchhandels und demnach bei der Einfuhr immer zu gestellen, soweit ihr Wert DM 25,- bzw. DM 50,- übersteigt. Drucksachen bis 5 kg mit »Waren des Buchhandels« in der gerade genannten beschränkenden Definition. Die Sendung muß außen als »Drucksache« bzw. »Printed matter« gekennzeichnet sein, da sie sonst nicht als gestellungsfrei anerkannt wird. Besonders diese Versandart ist die am häufigsten für Bibliotheken in Frage kommende. Die Gestellungsfreiheit und damit auch die Abgabenfreiheit kommt nur zum Tragen, wenn die Bibliothek die Sendung direkt von einem ausländischen Lieferanten bezieht. Wird ein inländischer Importeur zwischengeschaltet, also eine bundesdeutsche Importfirma, und läuft die Sendung körperlich über den inländischen Importeur - was vor allem beim Bezug von Monographien der Fall ist - handelt es sich beim Weiterverkauf der Monographien an die Bibliothek um ein Inlandgeschäft, das wie alle anderen Inlandsgeschäfte mehrwertsteuerpflichtig ist. Dies bedeutet bei Büchern einen Aufschlag von 7% auf den Warenpreis. Es gibt aber eine ganze Reihe deutscher Importbuchhändler, die um gegenüber der ausländischen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu 87

Steuern auf Bibliotheksmaterialien

bleiben - bereit sind, die 7% Mehrwertsteuer selbst zu tragen und nicht an die Bibliotheken weiterzugeben. Darauf sollte beim Aushandeln von Konditionen besonders geachtet werden. Es muß nun allerdings an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß es sich bei der sogenannten »5 kg-Regelung« seit jeher um eine letztlich nicht gesetzlich verankerte Sonderregelung des Finanzministeriums handelt, die schon 1983 abgeschafft werden sollte (vgl. die Vorbemerkung dieses Aufsatzes), dann aber aufgrund einer für Bibliothekare geradezu außergewöhnlichen bundesweit geführten Aufklärungskampagne beibehalten wurde9. Zur Zeit völlig unklar ist, oh diese Sonderregelung der gestellungsfreien Einfuhr von Waren des Buchhandels als Drucksache mit maximal 5 kg Gewicht für Sendungen aus EGLändern nach dem 31. 12. 1992 noch Bestand haben wird. Sollte sie wegfallen, wird das für die Bibliotheken eine sehr erhebliche finanzielle Mehrbelastung bedeuten. Ein erster Hinweis des DBV auf diese Problematik10) blieb ohne konkretes Ergebnis, weitere Schritte zur Klärung der Sachlage wären dringend notwendig. Mit den gerade beschriebenen vier Sendungsarten sind die wichtigsten Möglichkeiten genannt, mit denen Sendungen in das Gebiet der Bundesrepublik Bestellungsfrei und damit auch frei von Abgaben eingeführt werden können. Alle anderen Sendungen müssen zollamtlich abgefertigt werden. 5.3. Welche Abgaben kommen für Bibliotheken in Frage? Bei der Einfuhr in das Bundesgebiet werden von den Zollämtern je nach Herkunftsland, Wert, Versandart und Art der eingeführten Waren sehr unterschiedliche Abgaben gefordert. Für Bibliotheken kommen praktisch allerdings nur zwei Abgabearten in Frage: 1. Die Einfuhrumsatzsteuer für alle Sendungen von Bibliotheks­ 9

10

Vgl. H. J. DÖRPINGHAUS: Die Kontroverse um die Einfuhrumsatzsteuer : Hintergründe - Verlauf - Konsequenzen. In: ZfBB 31 (1984), S. 314-333 = http://www.freidok.unifreiburg.de/volltexte/2957/ . Vgl.: DEUTSCHER BIBLIOTHEKSVERBAND: Stellungnahme zum Protokoll des NairobiAbkommens. In: Bibliotheksdienst 23 (1989), S. 388ff., hier bes. S. 390.

88 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

materialien, die nicht in den oben beschriebenen vier gestellungsfreien Sendungsarten eingeführt werden. Die Einfuhrumsatzsteuer wird in der für die jeweiligen Bibliotheksmaterialien vorgesehenen Höhe von zur Zeit 7% bzw. 14% erhoben. 2. Der Zoll als von der Einfuhrumsatzsteuer unabhängige, zusätzliche Abgabe. Der Zoll wird berechnet bei der Einfuhr bestimmter Bibliotheksmaterialien aus sogenannten Drittländern. Er wird z.B. erhoben für Tonträger und Videokassetten aus Drittländern. Drittländer sind alle Länder, die weder der EG noch der EFTA angehören. Die EFTA ist eine freie Handelsgemeinschaft verschiedener europäischer Länder, die nicht Mitglied der EG sind. Für Tonträger und Videokassetten aus den USA sind demnach z.B. neben der Einfuhrumsatzsteuer auch Zollabgaben zu zahlen. Dies gilt allerdings nur für nicht von der öffentlichen Hand finanzierte Bibliotheken. Bibliotheken der öffentlichen Hand haben erfreulicherweise die Möglichkeit nachzuweisen, daß diese Materialien bestimmt sind »zur Verwendung durch öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen und Anstalten erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters«. Dieser Nachweis kann nicht generell abgegeben werden, sondern muß bei jeder einzelnen Einfuhr erfolgen11. Bei Vorliegen des Nachweises werden keine zusätzlichen Zollabgaben erhoben, sondern nur die Einfuhrumsatzsteuer. In der Praxis bedeutet dies, daß alle Bibliotheksmaterialien unabhängig vom Ursprungsland, der Zugangs- und Versandart durch Bibliotheken der öffentlichen Hand zollfrei eingeführt werden können. Zu zahlen ist nur die Einfuhrumsatzsteuer. *

11

Benötigt wird dazu das zollamtliche Formular 0120.

89 Steuern auf Bibliotheksmaterialien

Es versteht sich, abschließend gesagt, wohl von selbst, daß dieser knappe Überblick zur derzeitigen Praxis der Besteuerung von Bi­ bliotheksmaterialien nur die wichtigsten Bestimmungen aufführen konnte. Für alle Einzelheiten dieser sehr komplizierten und aus Sicht des Verfassers keineswegs trockenen Materie sei auf die Broschüre Einfuhr von Bibliotheksmaterialien verwiesen12. Anhang Schematische und stark vereinfachte Darstellung zur Herstellung eines Produkts in drei Stufen zum Preis von DM 200,zuzüglich 14% MWst zwecks Verkauf an einen privaten Kunden Produktionsstufe

Wert- Rechnungs- Gesamt- VorsteuerAn das Finanzschöp stellung* preis abzug amt abzuführen fung ____________________________________________________________________ A: Produzent A 100,- 100,- + 14,-

114,-

00,-

14,-

B: Produzent B 50,-

150,- + 21,-

171,-

14,-

7,-

C: Verkäufer

200,- + 28,-

228,-

21,-

7,-

50,-

D: Privater Endkunde 200,- + 28,228,00,0,____________________________________________________________________ * Produktwert + Mehrwertsteuer

12

Einfuhr von Bibliotheksmaterialien : Ein praktischer Ratgeber für Bibliotheken. Erarb. von der ERWERBUNGSKOMMISSION DES DEUTSCHEN BIBLIOTHEKSINSTITUTS. Berlin : dbi, 1989 (dbi-materialien. 86). – Vgl. dazu INFORMATIONEN / BIBLIOTHEKSSYSTEM DER ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG I.BR. 43 (1989), S. 397

90 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Folkert Krieger VORLÄUFIGE ÜBERLEGUNGEN ZUM AUFBAU EINER EDV-GESTÜTZTEN BESTELLKARTEI AM ARBEITSPLATZ DES FACHREFERENTEN 1.

Ausgangslage

An der Universitätsbibliothek Freiburg erhalten die Referenten von jedem von ihnen bestellten oder aus unverlangter Ansicht bzw. standing order gekauften Titel zwei Durchschläge: 1. für eine eigene Bestellkartei am Arbeitsplatz -

zur Dublettenprobe, d.h. um Mehrfachdesiderate möglichst zu vermeiden (auch wenn die verantwortliche Kontrolle in der Vorakzes­ sion erfolgt); ggf. zur eigenen Information; zur Beantwortung von Benutzeranfragen.

2. zur Information für Kollegen benachbarter Fächer oder 3. für Erwerbungsabsprachen. - Die Universitätsbibliothek hat - in vielen Fächern mit Erfolg - intensive Erwerbungskooperation mit den dezentralen Bibliotheken des Bibliothekssystems sowie mit einzelnen nicht zur Universität gehörenden Bibliotheken angestrebt, deren Be­ stände im Freiburger Gesamtkatalog nachgewiesen werden und somit als Ergänzung des Bestandes der Universitätsbibliothek betrachtet werden können. Die an diese Partner weitergegebenen Bestelldurch­ schläge können dienen -

u.U. als Unterlage für beabsichtigte Parallelanschaffungen, als Information für den Gesprächspartner zu dessen persönlichem Gebrauch (z.B. für den eigenen Zettelkasten), d.h. als »Belohnung« oder »Anreiz« für gute Zusammenarbeit, 91

EDV-gestützte Bestellkartei des Fachreferenten

-

vor allem aber als »Warnung« vor unbeabsichtigten Mehr­ fachanschaffungen. Dies setzt natürlich die Bereitschaft voraus, die Durchschläge in geordneter Form zur Verfügung zu stellen (als eigene Kartei oder durch Einlegen in die Instituts-Bestellkartei) und die Kenntnis bereits laufender Bestellungen der Universitätsbibliothek in die Kaufentscheidung im Institut mit einzubeziehen.

Daß es für die Arbeit des Referenten Vorteile bietet, wenn ihm eine solche Bestellkartei am Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist wohl kaum zweifelhaft. Strittig dagegen ist, ob der mit ihrer Führung verbundene Arbeitsaufwand zeitlich und wirtschaftlich zu vertreten ist. Bereits das Alphabetisieren der Bestelldurchschläge ist zeitraubend; noch mehr gilt das für das Einlegen in die Bestellkartei, vor allem bei Referenten, die mehrere 1.000 Titel pro Jahr bestellen und/oder mehrere Erscheinungsjahre in einem Alphabet zusammengefaßt haben. Da es nie dazu gekommen ist, diese Tätigkeit Hilfskräften zu übertragen, ist die Bereitschaft der Referenten zur Führung einer Bestellkartei sehr unterschiedlich. 2.

Vorüberlegungen

Solange keine Alternative zu einer solchen von Hand geführten Bestellkartei erkennbar war, wurde die ungeliebte Sortierarbeit noch einigermaßen akzeptiert. In dem Maß jedoch, in dem in den Dienststellen Arbeitserleichterungen durch EDV eingeführt wurden, nahm die Bereitschaft dazu ab und es wurde die Frage gestellt, ob es nicht auch für die Zusammenarbeit zwischen Fachreferenten und Akzession komfortablere Möglichkeiten geben könnte. Natürlich ist eine Umstellung der Erwerbung auf EDV mit zentral geführter Bestellkartei und direktem Abruf für jeden Referenten von seinem Arbeitsplatz aus geplant, aber für die Zeit bis zur Realisierung dieses Fernziels sollte eine Zwischenlösung gefunden werden, die folgende Anforderungen erfüllte: 1. Sie sollte sich kurzfristig verwirklichen lassen. 2. Sie sollten keinen (großen) Schulungs- und Einarbeitungsaufwand verursachen. 3. Sie sollte keine (großen) oder nur solche Sachmittel erfordern, die sich 92 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

hinterher nicht als Fehlinvestitionen erweisen und damit u.U. die weitere Entwicklung präjudizieren würden. 4. Sie sollte nicht nur vorübergehend die Arbeit des Referenten erleichtern, sondern vor allem dazu dienen, die Möglichkeiten des EDV-Einsatzes für die Tätigkeit der Fachreferenten im Rahmen des derzeitigen Geschäftsgangs zu erproben. 5. Gleichzeitig sollte sie der geplanten Umstellung in der Monogra­ phienerwerbung zugute kommen. Die bei diesem Testlauf gewonnenen Ergebnisse sollen dazu dienen, die Anforderungen zu formulieren, die Referenten an eine in der Akzession geführte Bestellkartei stellen. Der EDV-Arbeitsgruppe sollen dann bei der Programmentwicklung nicht nur die Mitarbeiter der Akzession, sondern auch die am Test beteiligten Referenten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um die Voraus­ setzung für eine beide Seiten befriedigende Lösung zu schaffen. 3.

Testaufbau

3.1 Testpersonen An dem Versuch beteiligen sich zwei Referenten, die beide in großem Umfang monographische Literatur bestellen (wobei es sich überwiegend um Einzelbestellungen und nur zum geringen Teil um Kauf aufgrund von Fortsetzungsbestellungen handelt) und intensive Erwerbungsabsprachen mit Institutsbibliotheken betreiben. Während einer der Beteiligten auf langjährige EDV-Praxis zurückgreifen kann (seine Erfahrungen bleiben in der folgenden Darstellung unberücksichtigt), verfügte der andere zu Beginn des Projekts nur über in zwei Einführungskursen erworbene Grundkenntnisse. 3.2 Hardware Beiden Referenten steht ein PC mit 80286-Prozessor und 40 Mb Festplatte zur Verfügung, d.h. eine nicht über den normalen Standard hinausgehende Geräteausstattung. 93 EDV-gestützte Bestellkartei des Fachreferenten

3.3 Software Das für den Versuch ausgewählte relationale Datenbankprogramm TDB-4 bietet den Vorteil, daß es preisgünstig (ca. DM 100,-), trotzdem vielseitig anwendbar ist und auch über gute Import- und Exportfunktionen verfügt. Die Einarbeitungszeit ist relativ kurz; nach dem Aufbau der Datenbank kann die Datenerfassung auch durch Hilfskräfte erfolgen. 3.4 Ausgangsdaten Um von Anfang an genügend »Spielmaterial« zur Verfügung zu haben, wurden im Lauf von etwa zwei Monaten alle vorliegenden Bestellungen mit den Erscheinungsjahren 1990 und 1991 eingegeben. Nach Abschluß dieser Arbeit in der zweiten Aprilhälfte enthielt die Datenbank knapp 4.000 Titel. 4.

Durchführung

4.1 Aufbau der Datenbank Die Datenbank sollte nicht nur als Nachweis über bereits erfolgte Bestellungen dienen, sondern auch Angaben enthalten, die dem Referenten für seine Kaufentscheidung zur Verfügung stehen sollten. Sie besteht daher aus folgenden Einzeldateien: -

Verfasser- und Titeldatei. - Sie enthält unter dem Verfasser/Herausgeber und dem Titel alle Bestellungen mit den für den Referenten wichtigen bibliographischen Angaben wie Erscheinungsjahr, Auflage, Verlag, Reihe, Dissertationsvermerk, Vorhandensein von Originalveröffentlichungen und Vorauflagen.

-

Verlagsdatei. - Sie enthält zunächst alle bisher in Listenform zusam­ mengefaßten Verlage, für die Sonderkonditionen gelten (z.B. Standing order, keine Ansichtsbestellung möglich, Geschenk usw.), und gibt an, in welcher Form Titel dieser Verlage desideriert werden sollen. Weitere

94 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Verlage werden aufgenommen, sobald der erste Titel aus ihrer Produktion bestellt wird. Ergänzend wurde inzwischen damit begonnen, in dieser Datei auch die bearbeiteten Verlagsprospekte in knapper Form festzuhalten in der Hoffnung, das Durchsehen der oft in mehreren Exemplaren umlaufenden Verlagsprospekte zu vermeiden. -

Reihendatei. - Wünschenswert wäre es gewesen, als »Grundstock« alle zur Fortsetzung bestellten Reihen aufzunehmen. Auf diese Weise hätte man eine Art »Negativkartei« erhalten, d.h. Titel aus den hier enthalten Reihen brauchen nicht bestellt zu werden. Dies ließ sich in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklichen. Stattdessen wurden Reihen erst dann erfaßt, wenn der erste in ihnen erscheinende Titel erfaßt wurde. Für jede Reihe ist angegeben, ob sie zur Fortsetzung oder in Auswahl gekauft wird.

-

Dissertationendatei. - Sie enthält diejenigen Universitäten, mit denen die Universitätsbibliothek Buchhandelsdissertationen tauscht, und nennt die für den Bezug geltenden Regeln (z.B. nur in Auswahl, Anfrage erforderlich usw.). Jede dieser Dateien kann als Einzeldatei geführt und als Aus­ kunftsinstrument benutzt werden. Gleichzeitig sind sie so miteinander verknüpft, daß bei der Eingabe in die als Primärdatei geführten Verfasserdatei die in den drei anderen Dateien enthaltenen Angaben übernommen werden können.

4.2 Bearbeitung -

Eingabe. - Bei den Vorüberlegungen war zunächst offen, ob die Eingabe der Titel beim Desiderieren oder erst aufgrund der von der Vorakzession ausgeschriebenen Bestellungen erfolgen sollte. Für die erste Lösung sprach die Überlegung, die zwischen der Titelauswahl und dem Ausschreiben der Bestellung liegende Frist zu überbrücken und die in dieser Zwischenzeit mangels Bestellnachweis erfolgenden Mehr­ fachdesiderate zu vermeiden. Für den hier beschriebenen Test wurde die zweite Lösung gewählt, d.h. die Erfassung erfolgt in der von der Ak­ zession vorgegebenen korrekten Ansetzungsform und erst, wenn die 95

EDV-gestützte Bestellkartei des Fachreferenten

Bestellung tatsächlich erfolgt ist. Ergibt sich bei der Lieferung eines Buches die Notwendigkeit, die bibliographischen Angaben aus der Bestellung zu ändern, so erhält der Referent einen korrigierten Bestelldurchschlag; statt diesen in seine Bestellkartei einzuordnen, kann er jetzt die entsprechenden Änderungen einfacher in seiner Datei durchführen. -

Bestellung. - Bei der Durchsicht der Erwerbungsunterlagen stehen dem Referenten alle vier Dateien zur Verfügung. Im Vordergrund steht dabei die »Verfasserdatei«, die aufgrund der angelegten Indices sowohl in einem Verfasser- als auch in einem Titelalphabet dargestellt werden kann. Schon die Schnelligkeit, mit der sich ein Titel durch die Eingabe von 3-4 Buchstaben aufrufen läßt, wäre - im Vergleich zu der müh­ samen und zeitraubenden Suche nach einem Bestelldurchschlag in einer umfangreichen Kartei - ein hinreichendes Argument für eine solche Umstellung. Dazu kommen jedoch noch die über eine formale Kontrol­ le hinausgehenden Vorteile, die im weiteren dargestellt werden sollen. Je nach Bedarf kann während der Prüfung der Bestellunterlagen auch auf die drei anderen Dateien zugegriffen werden, so daß z.B. Titel aus Standing-order-Verlagen gar nicht mehr an die Vorakzession gegeben werden, solange es sich nur um Vorankündigungen handelt. Dagegen werden Titel aus Reihen, die zur Fortsetzung bestellt sind, weitergeleitet, um in der Fortsetzungskartei die Vollständigkeit der Lieferung zu überwachen.

-

Titelauswahl. - Soweit es sich nur um die formale Prüfung im Hinblick auf bereits erfolgte Bestellungen in einem Verfasseralphabet handelt, leistet eine mit PC erstellte Bestellkartei nichts anderes als eine von Hand geführte mit Bestelldurchschlägen - nur eben alles schneller und bequemer. Der große zusätzliche Gewinn besteht in den inhaltlichen Informationen, die sie bietet, und die sich in die Kaufentscheidung mit einbeziehen lassen. Schon die Tatsache, daß hier die Bestellungen mehrerer Jahre problemlos kumuliert werden können und nicht jeweils alle zwei oder drei Jahre ein neues Alphabet angefangen werden muß, um den Bearbeitungsaufwand in Grenzen zu halten, erhöht den

96 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Informationswert beträchtlich: Entscheidungen über Neuauflagen, Paperbackausgaben oder Übersetzungen können unter Berücksichtigung von Vorauflagen oder Originalausgaben getroffen werden, zahlreiche Titel eines Verfassers lassen durch die Häufigkeit bestimmter Themen oder aber durch thematische Breite - zumindest cum grano salis gewisse Rückschlüsse auf die Kompetenz des Autors oder die zu erwartende Nachfrage seitens der Benutzer zu, d.h. es stehen am Arbeitsplatz des Referenten Informationen zur Verfügung, die bisher nur am Katalog zu erhalten waren. Einen Schritt weiter führt die Umschaltung vom Verfasser- auf das Titelalphabet. Bereits die Sortierung nach dem ersten Ordnungswort läßt thematische Erwerbungsschwerpunkte erkennen, wenn bei der Eingabe von »DDR« gleich 11 Veröffentlichungen oder bei »de g« sogar 14 mit »de Gaulle« beginnende Titel angezeigt werden (Vgl. Abb. 1).

97 EDV-gestützte Bestellkartei des Fachreferenten

Noch aufschlußreicher - wenn auch zeitaufwendiger - ist die sequentielle Suche, die eine Recherche nach Stichworten oder Wortbestandteilen ermöglicht. Sie erhöht bei de Gaulle die »Trefferquote« auf 21 (darunter dann auch eine »Nouvelle bibliographie internationale sur Charles de Gaulle«) und bei DDR sogar auf 50 (!) und kann dann durchaus zu einer kritischeren Auswahl weiterer Titel führen. 5.

Auswertung

Wie bereits erwähnt, ist der Aufbau der Bestellkartei erst vor etwa einem Monat abgeschlossen worden, d.h. erst seit diesem Zeitpunkt steht sie als Arbeitsinstrument zur Verfügung. Abgesicherte Ergebnisse liegen also im Augenblick noch nicht vor. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen können aber doch schon einige Feststellungen getroffen werden: 1. Wenn man akzeptiert, daß es zwar generell unsinnig, bis zum Abschluß der geplanten Veränderungen in der Akzession aber nicht zu vermeiden ist, daß Referenten die für ihre eigene Bestellkartei benötigten Daten noch einmal selbst erfassen müssen, bringt der PC-Einsatz bereits für den Aufbau der Bestellkartei erhebliche Verbesserungen mit sich. Setzt man durchschnittliche Fähigkeiten an der Schreibmaschine und Grundkenntnisse der PC-Bedienung voraus, liegt der Zeitaufwand für die »schriftliche« Datenerfassung zwischen der für das Alphabetisieren und der für Alphabetisieren und Einlegen benötigten Zeit, wobei sich das Verhältnis mit der Größe der Datei immer mehr zugunsten des PC verschiebt. 2. Probleme mit der Speicherkapizät sind bisher nicht zu erwarten. Trotz der relativ umfangreichen Maske für die Titelerfassung benötigen die derzeit 4400 Titel erst ca. 1,2 Mb, die gesamte Datei einschließlich aller Indices könnte bisher wahrscheinlich noch auf drei HD-Disketten gesichert werden (das Sicherungsprogramm wurde prophylaktisch auf fünf Disketten aufgeteilt und kann jederzeit ohne Aufwand erweitert werden). 98 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3. Bei der Suche im Verfasser- oder Titelalphabet sind die Antwortzeiten sehr kurz; hier hat das Anwachsen der Dateien auch noch zu keinen erkennbaren Verzögerungen geführt. Weniger günstig sind die Zugriffszeiten bei den Datenbankverknüpfungen: während sie für den Arbeitsplatz des Referenten noch akzeptabel sind, wäre das Programm für die in der Akzession anfallenden Datenmengen wohl zu langsam. Am wenigsten kann die sequentielle Suche befriedigen; sie führt zwar zu guten Ergebnissen, erfordert aber so viel Zeit, daß man sie bei der Durchsicht von Bestellunterlagen nur ausnahmsweise anwenden kann. 4. Die Annehmlichkeiten, die eine mit EDV geführte Bestellkartei dem Referenten bietet, sind kein Luxus, sondern erhöhen durchaus die Effektivität: je bequemer der Zugriff auf die Bestellkartei ist, desto geringer ist die Neigung, sich auf sein Titelgedächtnis zu verlassen und die Erwerbungsunterlagen »auf gut Glück« zu bearbeiten. Die Zahl der für Referenten wie Erwerbungsabteilung unnötige Arbeit verursachenden Mehrfachdesiderate wird ebenso reduziert wie die von Bestandslücken aufgrund der irrtümlichen Annahme, einen Titel bereits bestellt zu haben. Nebenbei wird durch das bereitwilligere und damit häufigere Prüfen auch noch das Titelgedächtnis gestärkt. 5. Als Hilfsmittel zur Vorakzession am Arbeitsplatz des Referenten hat sich die Datenbank voll bewährt. Da die Mitarbeiterinnen der Erwerbungsabteilung dankenswerterweise bereit waren, alle Desiderate auf Titel, die bereits in der zentralen Bestellkartei enthalten waren, mit genauer Angabe der Bestelldaten zurückzuleiten, kann diese Behauptung mit Zahlen belegt werden. Läßt man alle Titel unberücksichtigt, die bei dem geschilderten Versuchsaufbau per definitionem nicht erfaßt sein können (Bestellungen anderer Referenten oder aus der Zeit vor 1990 sowie Redundanz oder Fehler bei den Bestellunterlagen), so ergeben sich folgende Zahlen: 4 Titel fehlten in der Datei (offensichtlich waren die Bestell­ durchschläge verlorengegangen). 3 Titel wurden bei der Vorprüfung übersehen. 1 Titel wurde wegen eines Eingabefehlers nicht gefunden. 99 EDV-gestützte Bestellkartei des Fachreferenten

Die Zahl der in dieser Zeit vorgelegten Bestellungen wurde nicht genau ermittelt; nach eigener Schätzung lag sie zwischen 500 und 600. Das ergibt eine Fehlerquote von knapp über 1%. 6. Für die Auskunftstätigkeit des Fachreferenten bedeutet die am PC geführte Bestellkartei wegen der vielfältigen Zugriffsmöglichkeiten eine wesentliche Hilfe. Bei der Beantwortung der selten sehr willkommenen Frage »Haben Sie vielleicht in letzter Zeit ein Buch zum Thema X bestellt?« kann man auch die Schwerfälligeit der sequentiellen Suche in Kauf nehmen, die die Bestellkartei zum Stichwortkatalog und damit zum interimistischen Sachkatalog macht. Durch die Report-Funktion ist auch der schnelle Ausdruck solcher Recherchen mittels Stichwörtern und Verfassernamen möglich. 6. »Vorläufige Überlegungen« Der vorstehende Überblick gibt den derzeitigen Stand und die bisherigen ersten Erfahrungen wieder. Im folgenden werden einige weitere - denkbare, aber noch nicht erprobte - Einsatzmöglichkeiten für eine EDV-gestützte Bestellkartei aufgeführt. Die Liste ist sicher unvollständig, Vorschläge werden daher dankbar entgegengenommen. 1. Die in der Bestellkartei erfaßten Daten können nach unterschiedlichen Kriterien selektiert und nicht nur auf den Bildschirm ausgegeben, sondern auch ausgedruckt werden. Es wäre daher möglich, die verschiedensten Listen zu erstellen, z.B. für die Bestellungen eines bestimmten Zeitraums (sozus. vorgezogene Neuerwerbungslisten) oder abgestimmt auf die Bedürfnisse des jeweiligen Empfängers (Titel zu einzelnen Epochen, Personen oder Stichworten). 2. Ein erhebliches Hindernis für eine erfolgreiche Erwerbungskooperation besteht darin, daß bei Bestellungen der dezentralen Bibliotheken, soweit sie nicht nicht vorher mit dem Referenten der Universitätsbibliothek abgesprochen wurden, Bestände der Universitätsbibliothek häufig unberücksichtigt bleiben. Zwar ist es möglich, die Bestellungen vorher 100 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

an den Katalogen der Universitätsbibliothek zu prüfen, und je nach der Finanzlage und dem Grad der Kooperationsbereitschaft geschieht dies auch, doch ist eine solche Prüfung sehr arbeitsaufwendig. Außerdem fehlt damit immer noch die bei kontinuierlicher Erwerbungspolitik wichtige Kenntnis der noch offenen Bestellungen, da eine Mit­ benutzung der Bestellkartei der Universitätsbibliothek in der Regel nicht möglich ist. So wie es bisher teilweise üblich ist, daß der Referent die Bestelldurchschläge des Seminars erhält und mit auswertet, könnten durch einen Austausch jeweils aktualisierter Disketten an alle an den Erwerbungsabsprachen beteiligten Partner unbeabsichtigte Mehrfachbestellungen vermieden werden. Nach einer Mitteilung des zuständigen Kollegen geschieht dies bereits in der Verbundbibliothek der Theologie. Dort ist die Bestellkartei in elektronischer Form installiert, der Austausch erfolgt durch Import der jeweiligen Zugangsnummern von der Diskette. Die Bestellkartei wird zum Abgleich für die Erwerbungen der Universitätsbibliothek genutzt und durch Eingabe bewußt nur in der Fakultät gekaufter Titel ergänzt. 3. Als Alternative ist auch die Möglichkeit denkbar, die Titel für die Bestellkartei nicht aufgrund der Bestelldurchschläge der Akzession zu erfassen, sondern bereits bei der Durchsicht der Bestellunterlagen, und dann diese Titel als Ausdruck an die Akzession weiterzugeben. Das setzt allerdings voraus, daß der Referent über ausreichende RAKKenntnisse für eine korrekte Ansetzung verfügt. Außerdem entsteht die Gefahr, daß Angaben nicht berücksichtigt werden, die für die Akzession bei der Prüfung an den Katalogen und aufgrund ihrer Vertrautheit mit den Arbeitsabläufen bei den Lieferanten wichtig oder hilfreich sind, ohne daß dies für Außenstehende erkennbar wäre. Im übrigen gehen Er­ fassungsfehler dann zu Lasten des Referenten. Zwar wäre damit das Problem der Mehrfachdesiderate bis zur Bearbeitung der Bestellung ge­ löst, nur bedeutet das eine Verlagerung von Aufgaben der Vorakzession auf den Referenten. 4. Wünschenswert wäre eine Reduzierung der Mehrfacherfassung. Sobald die Bearbeitung der Bestellungen in der Akzession mit EDV erfolgt, könnte die Weiterleitung von Bestelldurchschlägen an den Referenten 101 EDV-gestützte Bestellkartei des Fachreferenten

durch die Überspielung auf Disketten ersetzt werden. 5. Zu den Erwerbungsunterlagen der Referenten gehören neben dem Werbematerial der Verlage auch Zetteldienste verschiedener Lieferanten. Da diese alternativ auch auf Diskette angeboten werden, wäre die Möglichkeit zu prüfen, diese Daten für die Bestellung zu nutzen und sie gleichzeitig in die eigene Bestellkartei aufzunehmen (sofern sich keine Ansetzungsprobleme ergeben). Dadurch ließen sich sowohl Mehrfachdesiderate als auch Mehrfacherfassung vermeiden. 6. Eine weitere Form der Fremddatennutzung wäre der Abruf von Daten aus dem Verbund. Zu den unter 5. genannten Vorteilen käme ein weiteres Argument: bei Titeln, die so speziell sind, daß sie nicht in jeder Bibliothek vorhanden sein müssen, wäre es auch möglich, die bereits vorhandenen Nachweise aus dem Leihkreis in die eigene Kaufentscheidung mit einzubeziehen. Wie bereits erwähnt, läuft der Versuch noch zu kurz, um schon definitive Aussagen machen zu können. Vor allem bestand noch keine Gelegenheit, auch die weiteren Anwendungsmöglichkeiten zu erproben. Schon jetzt kann aber festgestellt werden, daß eine solche EDV-gestützte Bestellkartei am Arbeitsplatz des Fachreferenten die Zusammenarbeit zwischen diesem und der Erwerbungsabteilung (und evtl. auch mit weiteren Partnern) für alle Beteiligten effektiver gestalten und die Zwischenzeit bis zur Ver­ wirklichung umfassender Lösungen überbrücken kann.

102 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Albert Raffelt GEDANKEN ZUM FACHREFERAT 1. Zwischen Fach und Referat In Organisationsplänen von Bibliotheken sucht man meist vergeblich, welche Stellung dem Fachreferenten eigentlich zukommt. In Lei­ stungsberichten taucht er selten auf. Selbst die neugegründeten Universitätsbibliotheken - die ja z.B. besonders intensive Aufgaben im Bestandsaufbau zu bewältigen hatten - haben ihm kaum die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet; eine Ausnahme stellen die dis­ kussionsfreudigen Kollegen in Konstanz dar1. Sieht man die INFORMATIONEN des Freiburger Bibliothekssystems auf ihre Weise als repräsentativ für das berufliche Leben an, so ist das gleiche Bild zu beobachten. Im Register der (vor-)letzten zwanzig Hefte (Heft 31-50) taucht »Fachreferat« nur einmal auf, »Fachreferate« zwar gleich doppelt so häufig, - aber zum einen heißt das auch nur »zweimal«, zum andern geht es an diesen Stellen nur um die Verteilung der Referate in Freiburg. Das Bild ändert sich auch nicht sehr, wenn man das Register des Dokumentationsdienst Bibliothekswesen statt desjenigen der INFORMATIONEN heranzieht. Die nicht ganz vergleichbare Konstanzer Situation rettet dort die Statistik. So ist es vielleicht nicht ganz überflüssig, über die Tätigkeiten des Fachreferenten am Freiburger Beispiel zu berichten und nachzudenken. Die Darstellung mischt dabei Tätigkeitsspektrum und Ereignisse, in der Hoffnung, das rätselhafte Wesen auf diese Weise ein wenig anschaulicher machen zu können. Die Beispiele stammen - ergänzt durch weitere Hinweise - aus dem eigenen Arbeitsfeld. Sie sind daher bestenfallls als exemplarisch oder stellvertretend auch für andere Fachgebiete, nicht als systematisch den Gesamtkomplex umschrei­ bend anzusehen. 1

Entsprechendes ist öfter in Bibliothek aktuell dokumentiert worden. - Die gegenwärtig im Rundschreiben / VdDB ; VDB (1991) geführte Diskussion um berufspolitische Themen hat natürlich auch Implikate, die in unseren Bereich gehören. Eine Bestandsaufnahme des Spektrums »Fachreferat« scheint mir aber dort noch zu fehlen. Der vorliegende Beitrag mag auch ein Baustein dafür sein.

103 Gedanken zum Fachreferat

Gehen wir dazu von dem aus, was den Fachreferenten seiner Aus­ bildung nach von den anderen Sparten des gleichen Berufs eines Biblio­ thekars an wissenschaftlichen Bibliotheken unterscheidet2. 2. Erwerbung Setzt man das »Hegelsche« Prinzip der Sinnhaftigkeit des Bestehenden und infolgedessen den Sinn eines fachwissenschaftlichen Studiums für die bibliothekarische Tätigkeit des Fachreferenten voraus, so bleibt die Frage, für welche Tätigkeiten fachwissenschaftliche Kenntnisse vonnöten sind3. Es fällt einem zunächst wohl die Erwerbung ein. Doch ist die Sache komplizierter, als es den Anschein haben mag. Zum einen gibt es Hilfsmittel, die die Beurteilung von Literatur nach bloß formalen Kriterien ermöglichen. Dabei ist nicht einmal an Rezen­ sionsorgane, auch nicht an bibliothekarisch zugeschnittene (Choice wäre zu nennen), zu erinnern. Vielmehr muß auch der Fachreferent bei dem Über­ maß an Literatur, das er zu sichten hat, bloß formale Kriterien entwikeln, die eine sinnvolle Entscheidung ermöglichen. Er lernt seine relevanten Verlage kennen, traut entsprechend ihren guten Lektoraten und den Prospekten mit einem Quentchen Skepsis; er entwickelt »Themengefühl«, weiß oder glaubt zu wissen, was gebraucht und bestellt wird, und nützt die quantifizierenden und objektivierenden Möglichkeiten zur Selbstprüfung (die Durchsicht relevanter durch die Fernleihe eingegangener Titel; die Ar­ beit mit Ausleihprofilen etc.). Zum andern verringert sich die Relevanz vorauszusetzender Fachkenntnisse anscheinend noch, wenn man eine Tätigkeit unter guten finanziellen Rahmenbedingungen voraussetzt. Je mehr gekauft werden kann, desto überflüssiger der Fachreferent, könnte man als Leitsatz formulieren. 2

3

Wobei Fachreferent hier insoweit mit »Bibliothekar des höheren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken« gleichgesetzt wird. Da die fachliche Qualifikation Eingangsvoraussetzung ist und fast durchweg auch die Eingangstätigkeit bestimmt, mag das erlaubt sein. Die Frage, inwieweit organisatorische Tätigkeiten die Qualifi­ kationen des höheren Dienstes voraussetzen, ist damit nicht angesprochen. Vgl. auch A. RAFFELT: Wissenschaft, Spezialistentum, Fachreferat. In: INFORMATIONEN 46 (1990), S. 499-500.

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Die Argumentation läßt sich vom Wissenschaftsbetrieb her noch verstärken. In einer normativen »klassischen« Kultur4 kann man die Auswahltätigkeit des Fachreferenten von seinen wissenschaftlichen Kennt­ nissen her konstruieren. Beispiele reichen von Gabriel Naudés Avis à dresser une bibliothèque bis zu Eppelsheimer5. In einer postmodernen pluralistischen Kultur, wo mindestens angeblich das Feyerabendsche anything goes gilt, geht das nicht oder jedenfalls nicht mehr so einlinig. 2.1 Das Fachprofil Dennoch bleibt bestehen, daß der kompetente Aufbau des Buchbestandes für ein Wissenschaftsfach an fachlichen Kenntnissen festzumachen ist. Im Rahmen der hier vorausgesetzten Fächer, der Philosophie und der Theo­ logie, ist die Situation dabei unterschiedlich: Die Philosophie ist ein einigermaßen streng umrissenes Fach; sieht man von dem ominösen Omraan Mikhaël Aïvanhov und ähnlichem ab6, was manchmal die Nationalbibliographien unter dieser Sparte füllt, streicht man noch das weg, was als lebenskundliche Reflexion ohne wissenschaftliche Methodik gelegentlich vorgelegt wird, so hat man im Grunde schon einen reinen Kern fachlicher Literatur, der abzuwägen bleibt. Die Theologie ist dagegen ein Fach mit wesentlich größeren »Rändern«: Es beginnt bei populärem Schrifttum - auch sehr zweifelhaftem -, geht wei­ ter mit praktischem Schrifttum verschiedenster Absicht (vom Meßdienerkalender bis zu offiziellen liturgischen Büchern), mischt sich mit »angewandtem« Gut aus anderen Wissenschaften und umfaßt im streng wissenschaftlichen Bereich schließlich ein großes Spektrum, das mit der klassischen Dreiteilung der Theologie - historisch/biblisch, systematisch, praktisch - nur grob angedeutet ist. Die Übersicht zeigt, daß Profile für die fachliche Erwerbung unerläßlich sind. Auch wenn sie nicht ausformuliert sind, strukturieren »Hand­ lungsprofile« allemal die Erwerbungsentscheidungen. 4 5 6

Vgl. hierzu etwa die einschlägigen Aufsätze in Bernard J. F. LONERGAN: A second collection. London : Darton, Longman & Todd, 1974. Vgl. W. KEHR: Gespräche über der StUB im alten Rothschildhaus. In: INFORMATIONEN 49 (1990), S. 595-599, hier 599, Spalte 2, Anfang. Vgl. A. RAFFELT: Philosophie, - bibliographisch. In: INFORMATIONEN 44 (1989), S. 433.

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2.2 Inhaltliche Abgrenzungen und Schwerpunkte Solche Profile haben in der Fachstruktur ihren Ausgangspunkt. Von hier aus läßt sich eine erste inhaltlichen Abgrenzung vornehmen. Um bei der Theologie fortzufahren, so ist von vornherein klar, daß der Meßdienerkalender auf der Negativseite, das offizielle liturgische Buch (jedenfalls von den Freiburger Bedingungen her) auf der Positivseite steht. Kurz: Das Erwerbungsprofil hat den Umfang der nicht mehr zu sammelnden Literatur zu bestimmen; Ausgrenzungen ergeben sich durch mangelnden wissenschaftlichen Wert, bloß »praktische« Ausrichtung (soweit nicht die praktische Theologie solches z.B. als Anschauungsma­ terial erfordert, dazu später), mangelnde fachliche Relevanz (z.B. Sekten­ schrifttum), mangelnden Bezug zu Sammelgut und Lehrumfang der Freiburger Universität, zu periphere Thematik u.ä.m. Positiv ließe sich manches in Umkehr des Gesagten formulieren. Im Wesentlichen käme es aber darauf an, die fachlichen Bereiche möglichst präzis zu benennen, die für die Freiburger Sammlung, für Forschung und Lehre (in Absprache mit den Fächern) und für die Gesamtrepräsentation des Faches wichtig sind. Wir wollen dies nun anhand der Philosophie ein Stück weiter treiben. Da ein Teil der Grenzen für die Philosophie schon oben abgesteckt ist, gleich einige Bemerkungen zum inhaltlichen Profil der Freiburger Sammlung. Es ist wohl selbstverständlich, daß die Universitätsbibliothek Leistungen der Universität von Weltgeltung in ihrem literarischen Nieder­ schlag entsprechend gründlich zu repräsentieren hat. In der Philosophie ist dieser Fall zweifellos gegeben. Wenn die bedeutenden Neukantianer noch andere Standorte - auch in Baden - vorzogen und in Freiburg bestenfalls Station machten, so sind die Phänomenologie Husserls und Heideggers Existenzialphilosophie bzw. sein - mit diesem Etikett nicht ganz zu fassendes - philosophisches Werk überhaupt an Freiburg gebunden. Daß die Universitätsbibliothek entsprechend umfangreich die Phänomenologie in ihren Verzweigungen sammelt, liegt daher nahe. Da die Phänomenologie eine lebendige philosophische Richtung geblieben ist und intensive Kontakte etwa zur französischen Phänomenologie (Paul Ricœur, besonders aber Emmanuel Levinas) in Freiburg auch gegenwärtig bestehen, ist hier inzwischen eine beträchtliche Literatursammlung zustandegekommen. Die Universität selbst pflegt diese Tradition auf vielfältige Weise. Die 106 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Freiburger Arbeitsstelle des Husserl-Archivs wäre zu nennen, die Feier der Gedenktage der großen Freiburger Philosophen hat sich auch literarisch niedergeschlagen, jedenfalls für Edmund Husserl7 und Martin Heidegger8. Die Sammeltätigkeit der Universitätsbibliothek hat dem zu entsprechen. Die Dokumentation des etwa 800 Titel umfassenden Katalogs der Sekundärliteratur zum Werk Martin Heideggers in den INFORMATIONEN ist ein Nebenprodukt solcher Tätigkeit9. - Als ein etwas untypisches kleines Beispiel einer solchen der eigenen Institution verpflichteten Sammlung mag das Werk des deutschjüdischen Philosophen Felix Grayeff gelten, der in Freiburg vor der Nazizeit studiert hatte, dessen Lebensweg über Australien und Neuseeland nach England führte und dessen Nachlaß durch Vermitt­ lung des Philosophischen Seminars in die Universitätsbibliothek ge­ kommen ist. Die Schriften von Felix Grayeff sind selbstverständlich komplettiert worden10. - Ein anderes Beispiel für die Pflege Freiburger Tradition ist die Erwerbung nachgelassener Materialien zu dem Philoso­ 7

Vgl. Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung. In: INFORMATIONEN 38 (1988), S. 240-242 und den Katalog der dort beschriebenen Ausstellung: Hans Rainer SEPP (Hrsg.): Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung. Freiburg : Alber, 1988. 8 Vgl. Edelgard SPAUDE (Hrsg.): Große Themen Martin Heideggers : Eine Einführung in sein Denken. Freiburg : Rombach, 1990. - Als Beitrag zu solch universitärer Traditionspflege, die durchaus in das Spannungsfeld eines Fachreferates fallen kann, sei auch die Mitarbeit bei der Tagung der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg zum 100. Geburtstag Martin Heideggers verstanden. Die heftige außer­ philosophische Diskussion um Heideggers Rektorat und seine Beziehungen zum Nationalsozialismus mag hellhörig für manches machen; eine Auseinandersetzung mit Heideggers Philosophie - und für den Fachreferenten: die Präsentation seines Werks einschließlich der Rezeption und Auseinandersetzung - kann sie nicht ersetzen. Vgl. A. RAFFELT (Hrsg.): Martin Heidegger weiterdenken. München : Schnell & Steiner, 1990. 9 Vgl. A. RAFFELT: Katalog der in der Universitätsbibliothek Freiburg vorhandenen Sekundärliteratur zum Werk von Martin Heidegger (1989-1976). In: INFORMATIONEN 50 (1990), S. 659-667; 51 (1991), S. 705-715; 52 (1991), S. 759-763. 10 Die Edition seiner Autobiographie und die darin zusammengestellte Bibliographie sind auch als Akt der Pietät und als Verpflichtung zur Veröffentlichung von Doku­ menten dieses beschämenden Teils unserer Geschichte anzusehen. Vgl. Felix GRAYEFF: Migrant scholar : an autobiography / Eleonore ENGELHARDT ; Albert RAFFELT (Hrsg.). Freiburg : UB, 1986 (Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. 11).

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phen Jakob Sengler im Jahre 1982 auf Vermittlung des Freiburger I. H. Fichte-Forschers Hermann Ehret11. Die inhaltliche Abgrenzung des im jeweiligen Fach zu Erwerbenden ist im Vorangehenden einmal hinsichtlich der »Wissenschaftlichkeit«, zweitens hinsichtlich lokaler oder regionaler Besonderheiten angesprochen; letzteres berührt sich bei den konkreten Beispielen allerdings mit Fragen der Forschungsschwerpunkte der Universität. Man könnte hier fortsetzen. Die Renaissancephilosophie - von den Professoren Martin Honecker bis Werner Beierwaltes besonders gepflegt - wird als Sammelge­ biet natürlich auch bei geänderten Forschungsinteressen zu pflegen sein, um dem Bestand die nötige Kontinuität zu geben. Entsprechend werden neue Schwerpunkte der Universität im Blick zu halten sein. So ist es mehr als ein nützlicher Zufall, daß die Universitätsbibliothek beim gegenwärtigen Interesse an mittelalterlicher Logik einen guten Reprintbestand der neuzeitlichen Rezeption der mittelalterlichen Logik - zum Teil aus Instituts­ rückläufen - anbieten kann, der selbstverständlich entsprechend weitergeführt wird. Ein ausgefeiltes Erwerbungsprofil (ein »implizites« auf seine Weise auch!) wird noch andere Fragen dieser Art zu klären haben: Die großen Traditionen können derzeit mit hoher Vollständigkeit der wichtigen Primärund Sekundärliteratur gepflegt werden. Dazu gehören auch Traditionen, die in früheren Zeiten nach Ausweis der Bestände (aber auch der philosophischen Veröffentlichungen aus Freiburg) nicht besonders intensiv zur Kenntnis genommen wurden, z.B. die analytische Philosophie angelsächsischer Prägung. Hier hat es einen Wandel des Interesses in der kontinentalen Philosophie gegeben, der früher geschaffene Lüken bedauern läßt. Durch Nachkäufe sind diese zwar vielfach geschlossen. Für die Zukunft ist daraus aber sicher zu lernen, daß eine zu einseitige Fixierung auf die aktuelle Forschung auch nicht angebracht ist12. Genauer ist zu über­ legen, wieweit die außereuropäischen Traditionen darzustellen sind; hier ist 11 Vgl. Ein Freiburger Philosoph. In: INFORMATIONEN 9 (1982), S. 4. Vielleicht sind diese Materialien im Rahmen der Erforschung des Spätidealismus auch einmal für Editionen von Bedeutung. 12 Zum Schutz der Vorgänger, in deren Amtszeit diese Lücken fallen, muß man allerdings erwähnten, daß Inflation, knappe Devisen, Naziideologie und Kriegszeit ebenso für diese Bestandslücken verantwortlich sind, die seit den Sechziger Jahren allerdings zum Gutteil geschlossen werden konnten.

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das Fachreferat Philosophie allerdings nicht mehr allein zuständig. Das Problem, inwieweit der östlich Schulmarxismus zu dokumentieren ist, hat sich praktisch erledigt. Ob die Auswahl in der Vergangenheit richtig war, werden die historischen arbeitenden Wissenschaftler bald feststellen...13. So ließe sich Sparte für Sparte, Tradition für Tradition, Fachgebiet für Fachgebiet durchgehen. Die Beurteilung entsteht aus einem Raster, dessen Koordinaten aus Fragen der Qualität und Relevanz gebildet sind, die sich dann dem Gegenstand nach entsprechend differenzieren. Der fachlich kompetentere Kollege hat hier sicher Vorzüge14. Die eigene Arbeit zeigt, daß Wissenslücken die Arbeit erschweren und vermutlich auch das Ergebnis geringwertiger machen, wenngleich die praktische Übung und Erfahrung manches ausgleichen mag und die Formalität bibliothekarischer Arbeit uns die Kunst der Auswahl auch nicht überbewerten lassen sollte. Wenn sogar schon Lichtenberg feststellen konnte, daß die Kunst, Bücher zu beurteilen, ohne sie gelesen zu haben, erstaunliche Fortschritte gemacht hätte, sollte bibliothekarische Professionalität natürlich auch hierin einiges leisten: aber eben nicht alles!

13 Im Erwerbungsprofil aus dem Jahre 1981 war formuliert worden: »Kauf nur mit Einschränkungen, um repräsentatives Material vorrätig zu haben; aus diesem Grund Kauf der zentralen Lehrbücher diverser Autorenkollektive in gößeren Abständen (nicht jede revidierte Auflage).« Daß daneben versucht werden mußte, lebendiges Philosophieren - auch wichtige historische Darstellungen - ausfindig zu machen, versteht sich von selbst. Aus Freiburger Optik gehören dazu etwa die Arbeiten zu Heidegger und Jaspers von Hans-Martin GERLACH, die lange vor der »Wende« eine sachliche Beschäftigung mit Heidegger und der Existenzphilosophie in der früheren DDR darstellten. 14 Was auch rechtfertigt, etwas »Komplexität« hinzunehmen: So ist das Fachgebiet »Religionswissenschaft« in Freiburg von der »Theologie« abgetrennt, da durch eine Kollegin mit einschlägigem Fachstudium bessere Voraussetzung gegeben sind als bei einer Mitverwaltung durch den Theologen.

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2.3 Institutionelle Bedingungen Zu den Rahmenbedingungen der Erwerbung gehören wesentlich insti­ tutionelle Konstellationen. An zweigleisigen universitären Biblio­ thekssystemen ist das Vorhandensein einer eigenen zusätzlichen Fachbibliothek eine der wesentlichsten und auffälligsten. Die Praxis der Kooperation ist unten noch zu besprechen. Für die inhaltliche Seite der Erwerbung ist die Fachbereichsbibliothek Entlastung wie Kontrolle. Entlastung, insofern angenommen werden kann, daß forschungsrelevante Literatur auch durch die Informationskanäle der Wissenschaft bekannt wird und dadurch dort u.U. auch schneller vorhanden sein kann; Kontrolle, da die Durchsicht der Erwerbungen der Fachbereichsbibliothek15 einen Einblick in das Interessenprofil der Fachwissenschaftler ermöglicht und zugleich auch erlaubt, die formalen Verfahren der Zentralbibliothek (standing order, Dissertationentausch u.a.m.) anhand von Einzeltiteln wenigstens punktuell zu überprüfen. 2.4 Organisatorisch-technische Voraussetzungen Wenigstens am Rande sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, daß die Erwerbung des Fachreferenten in Großbibliotheken durch eine ganze Reihe von organisatorischen Entscheidungen betroffen ist, die zunächst einmal die Abläufe der Erwerbung bestimmen: Verfahren wie standing order oder auch der Schriftentausch, interne Vorschriften über Geschäftsgangsabläufe (zur Behandlung von Ansichtssendungen, zur Bearbeitung von Geschenken...), formale Genehmigungsverfahren (Durchsicht sämtlicher Bestellungen und Ansichtskäufe durch den Erwerbungsleiter). Diese Vorgaben können leicht in inhaltliche Richtung ausgeweitet werden (etwa: kein Kauf von Reprints, kein Kauf von »Readern«, keine pädagogische 15 In Freiburg für die Philosophie anhand der Durchschläge der Bestellzettel; zum komplizierteren Verfahren und den intensiveren Absprachen in der Theologie unten. Wirklich praktikabel ist das Einarbeiten der Erwerbungen der Philosophie allerdings erst, seit die Elektronisierung der Bestellkartei die schnelle Möglichkeit des Abgleichs und die Verzeichnung der »Überschüsse« der Philosophie ermöglicht (Doppelbestände zum Bestand der Universitätsbibliothek werden nicht eingegeben, wohl aber ist eine Übersicht über die Doppelkäufe mittels Durchsicht der Titel nützlich.

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Literatur »für die Hand des Lehrers«...), wenn etwa nach Einspa­ rungsmöglichkeiten gesucht wird. Es sei darauf hingewiesen, daß anderes fachliches Material u.U. auch umgekehrt auf organisatorische Abläufe rückwirken kann. Ein solcher Fall ist die Erwerbung von Ausstellungskatalogen im Fach Kunstwissenschaft. Sie setzt einerseits vom Fachreferenten andere Formen der Ermittlung als die üblichen voraus (z.B. wegen der Sponsoren - etwa aus- und inländische Sparkassen -, deren Herausgebertätigkeit zum Teil bequem nur über die Buchmesse festzustellen ist; regelmäßige Besuche wichtiger Kunstmessen und -märkte, um die publizistischen Aktivitäten von Galerien zu erfassen; regelmäßige Auswertung insbes. der überregionalen Presse hinsichtlich Ausstellungsbesprechungen usw.), sie setzt anderseits bei der Erwer­ bungsabteilung - will man Ausstellungspreise nützen, keinen Zeitverzug durch Verlagsauslieferungen erleiden etc. - größere Flexibilität bei der Beschaffung voraus. 2.5 Die historische Dimension Eine wesentliche Voraussetzung für die fachliche Erwerbung liegt im historischen Bestand des Hauses. Die Kenntnis dieses Bestands ist neben der Alltagsarbeit kaum systematisch zu erwerben. Einzig im Fachreferat Buch- und Bibliothekswesen war durch die Aufgabenkoppelung mit der Inkunabelkatalogisierung (und der Drucke des 16. Jahrhunderts) eine Situation gegeben, die eine sinnvolle Erweiterung des Bestands aus Kenntnis des Vorhandenen ermöglicht hat. Insofern ist es als ein Glücksfall anzusehen, daß die Mitarbeit am Handbuch der historischen Buchbestände dies - wenn auch mit erheblicher Zusatzarbeit - auch für andere Fächer ermöglicht hat. Die Ergebnisse waren zum einen zu erwarten: So ist die starke Präsenz von Jesuitica nicht verwunderlich bei einer durch zwei Jahrhunderte von diesem Orden bestimmten Universität. Trotzdem gibt es auch hier im einzelnen durchaus unerwartete Bestände, so etwa - als beliebiges Beispiel - das »Nest« zeitgenössischer Schriften zur Aufhebung des Jesuitenorden in Portugal mit seinen Begleiterscheinungen16. Daß regionales Schrifttum breiter vorhanden sein dürfte, war auch vorauszuset­ 16 Vgl. dazu A. RAFFELT: War Pater Malagrida schuldig? In: INFORMATIONEN 42 (1989), S. 366-368.

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zen. Trotzdem fanden sich auch hier überraschende Köstlichkeiten17. Ande­ res differenzierte sich durch Durchsicht des Bestands: Die gute oder schlechte [!] Auswahl an Originalausgaben relevanter Fachschwerpunkte (etwa der großen deutschen Philosophen), der eher durchwachsene Bestand bei der Neuscholastik des 19. Jahrhunderts und die noch wesentlich schwä­ chere Präsenz nicht linientreuer katholischer Theologie dieser Zeit... Schließlich gab es auch Überraschungen, so etwa die - trotz aller Erwar­ tungshaltung - ungewöhnliche Dichte der katholischen gegen­ reformatorischen Kontroverstheologie oder - um ein ganz anderes Beispiel zu nennen - das Vorhandensein manch kleiner Publikationen, die als Quelle heute eigenständigen Wert haben18. Aus anderen Fächern ließen sich andere - ähnliche und unähnliche Erfahrungen berichten. So ergab die Bearbeitung des Faches Kunst einen guten Bestand an Kunstinventaren und Denkmälerverzeichnissen, der zur weiteren Pflege verpflichtet, eine Sammlung früher Architektur- und Säulenbücher vor 1800, eine kleinere von Emblembüchern des 16. bis 18. Jahrhunderts usw. Das führt zu einer anderen Frage der Erwerbung. Im normalen Berufsalltag ist das neue Buch der Erwerbungsgegenstand, die Präferenzen gelten dem vielfach durch Ausleihe Umgeschlagenen. Hier wird die Effizienz der Erwerbung gemessen. Die Sicht auf das Ganze des Bestands ergibt aber die Verpflichtung, den Blick auch nach rückwärts zu schärfen und zu versuchen, durch antiquarische Käufe das Überkommene zu ergänzen. Die Forderung klingt einfach, sie ist aber nicht selbstverständlich - jedenfalls außerhalb des frühen historischen Bestandes, der schon immer eine Wertschätzung und Pflege weit oberhalb seines bloßen »Ge­ brauchswertes« genossen hat und - wie schon erwähnt - in Freiburg in den 17 Vgl. etwa A. RAFFELT: Freiburger Predigerkritik. In: INFORMATIONEN 41 (1989), S. 338341 mit der Ergänzung 43 (1989), S. 394. Das schöne Beispiel eignet sich auch für etwas Bibliotheksbestands-Werbung nach außen: Vgl. Freiburger Almanach 41 (1990), S. 90-93. 18 Ein Katechismus im bairischen Dialekt der »sette commune« im Gebiet von Vicenza vgl. INFORMATIONEN 37 (1988), S. 212-214 ist solch ein sprachgeschichtlich interessantes Beispiel. - Daß daneben auch manches eher ins Curiose gehende vorkam, zeigen etwa die 50 Confirmationsschein-Formulare, die sicher nicht die praktische Theologie revolutionieren, aber dennoch inzwischen das Aufheben wert sind, vgl. INFORMATIONEN 52 (1991), S. 742.

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letzten Jahren auch kompetent und konsequent ergänzt worden ist. Nicht ohne Grund hat Richard Landwehrmeyer hinsichtlich der (mangelnden) Antiquariatskäufe sein plakatives Diktum von »unbemerkten nationalen Skandal« geprägt19. Der antiquarische Buchkauf ist seither im allgemeinen wohl nicht besser gepflegt worden. Im Gegenteil, die Diskussion um Buch­ schäden und Papierzerfall führt zu einem apriori-Verdacht gegen die Bücher bestimmter Jahrzehnte, der eher zur Abstinenz als zum verstärkten Engagement führt. Ohne dieses Problem - an seinem Ort! - für gering anzusehen, sollte hierdurch jedoch keine neue Barriere aufgebaut werden20. 2.6 Und nochmals: Qualität Bei all diesen Überlegungen zur Erwerbung ist vorausgesetzt, daß der Einzelkauf schließlich doch von einem wie immer gearteten Qualitätsurteil getragen ist. Daß die Grenze dafür in mancher Hinsicht heute weiter gesteckt ist als früher, ist zugegeben. Die postmoderne Buchwelt unterläuft normative Urteile oft - und ähnliches mehr. Am Beispiel mag dies dikutiert werden. So ist das Buch von Franz Alt Jesus, der erste neue Mann sicher durch flüchtiges Anblättern als wissenschaftlich wertlos zu erkennen; die Bekanntheit des Autors würde es auch noch nicht nötig machen, das Buch zu kaufen. Selbst die Werte der Bestsellerliste reichten nicht aus. Erst durch die öffentliche Diskussion - um Themen wie »der erste antisemitische Bestseller seit dem Krieg in Deutschland« - machen ein erkennbar schlechtes Buch zum Sammelgegenstand, sogar zum unverzichtbaren, will 19 In: Hochschulen und zu wenig Bücher. 1982 (AWL. 7), S. 26. - Vgl. A. RAFFELT: Zur Frage antiquarischer Buchkäufe. In: INFORMATIONEN 36 (1987), S. 194-199. 20 Zur Frage nach praktischen Kriterien des Umgangs mit geschädigtem Bibliotheksgut und zu Geschäftsgangsproblemen vgl. A. RAFFELT: Zum Geschäftsgang Buchschäden : Die Problematik des Umgangs mit »Unreparierbarem«. In: Arbeitshilfen für Spezialbibliotheken 6 : Einband und Buchpflege, Signaturen und Beschriftung. Berlin : dbi, 1990 (dbi-materialien. 94), und: Geschäftsgang Buchschäden : Probleme und Beispiele. In: INFORMATIONEN 51 (1991), S. 685-687. - Die sachgerechte Beteiligung des Fachreferenten an den Aufgaben der Bestandserhaltung bis hin zur eventuellen Makulierung wäre ein eigenes Thema. Daß die Stellraumbedarfs-Elle des Wissenschaftsrats nicht einmal betriebswirtschaftlich das letzte Maß sein kann und wie diffizil die Fragen der Aussonderung sind, zeigt W. KEHR: Vom Wachstum wissenschaftlicher Bibliotheken : Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Magazinbedarf. In: INFORMATIONEN 34 (1987), S. 120-126.

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man nicht an den Forderungen der Zeit vorübergehen. Unter der Hand hat sich das Qualitätsurteil also verschoben. Die geforderte Qualität hat ihren Referenzpunkt eben manchmal nicht im Objekt »Buch«, sondern im Vorgang »Forschung« (Forschungen zur Trivialliteratur etwa setzen bei der Erwerbung andere Qualitätsurteile als historisch gewohnt voraus) oder auch im Vorgang »Lehre« (hier wären parallele, wenn auch inhaltlich anders gelagerte Beispiele etwa für pädagogische Literatur zu nennen); sie setzt einen breiteren Kennt­ nisrahmen voraus als bloßes Buchwissen. Zu diesem Rahmen gehört unverzichtbar das Fachwissen; es gehören dazu aber auch institutionelle Erfahrungen, besonders eben was den universitären Bereich angeht21. Hier ließe sich dann anfügen, daß am Ende doch die Bildung des Bibliothekars, die bei Leyh noch Gegenstand der Reflexion war, heute aber einschlägig kaum genannt wird, entscheidend wichtig ist. Auch und gerade die literarische Bildung22 gehört dazu. Ein fachliches Beispiel mag die Aufgabe sein, die Freizeitbücherei zu gestalten. Hier ist eine literarische »Nase«, Kenntnis gesellschaftlicher Tendenzen und ihres Ausdrucks im Buch, kurz ein auf intensiver Kenntnis und Lektüre beruhendes Fingerspitzengefühl gefordert23.

21 Schwierigkeit der Einzelbuchbeurteilung hinsichtlich der Relevanz und der Problematik der »Akzeptanz« macht auf schöne Weise folgender Aufsatz deutlich: Wolfgang FALKE: Zum Innenleben eines Fachreferenten. Oder »Kindlers Enzyklopädie Der Mensch«. In: Infothek (Ulm) Nr. 6 (1991), S. 4. Einzelbeispiele ließen sich wohl täglich in einer Bibliothek finden. 22 An den eingangs zitierten Aufsatz von W. KEHR über Eppelsheimer wäre hier nochmals zu erinnern. Eine aufmerksame Lektüre zeigt, daß manches aus historischer Distanz etwas betulich Aussehende in Wirklichkeit unter anderen Vorzeichen ganz aktuell ist. Und so ist es dort ja auch wohl gemeint. 23 Zur Konzeption der Freizeitbücherei vgl. Helmut KNUFMANN: Freizeitbücherei? In: INFORMATIONEN 6 (1981), S. 1-2.

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3. Kooperation mit den Fachbereichen Daß Erwerbungsentscheidungen nicht in einsamer Zwiesprache mit dem Buch sondern in einem institutionellen Geflecht stattfinden, führt uns ge­ wissermaßen nahtlos zu Fragen der Kooperation, wie sie in zweigleisigen Bibliothekssystemen24 heute wohl unvermeidlich gegeben sind. Daß dies historisch nicht in gleicher Weise galt, ja auch engst benachbarte Arbeitsbereiche früher eher »autonom« arbeiteten, ist andernorts skizziert worden25. Die Einbindung in die Fachbereiche ist für den Referenten der Universitätsbibliothek zunächst wieder einmal ein formales Geschäft. Die gut zwanzig Jahre Bibliotheksarbeit in Freiburg, die wir hier im Blick haben, haben verschiedene Modelle ausprobieren lassen. Zum Teil ist darüber schon publiziert worden26. Erwerbungskooperation will zum einen erreichen, daß der Einsatz der finanziellen Mittel für den Bücherkauf möglichst wirkungsvoll für die Buchversorgung der Universität verwendet wird. Ein Mittel dazu ist die möglichst große Titelbreite, ein weiteres die gezielte Standortauswahl (was eben Absprachen erfordert); der Kontakt ermöglicht zudem, gezielter Lehrbuchbestände aufzubauen u.a.m. Wie ausgedehnt man Abspracheverfahren durchführen will, wie »bürokratisch« sie geregelt sein sollen etc. hängt von mehreren Komponenten ab. Neben der betrieblichen Effektivität gehören dazu auch fachliche Voraussetzungen, die an das unter 2.1 Gesagte anknüpfen: Ein (von der Literatur her!) relativ einfach strukturiertes Fach wie die Philosophie, das zudem Grundlagenliteratur für die gesamte Wissenschaft bietet, die - jedenfalls im Bereich der Geisteswissenschaften - auch faktisch in den Lektürekanon anderer Fächer gehört, verbietet einen zu großen Aufwand hinsichtlich der Auswahl von Titeln, die später ohnehin im Bereich der Universität vielfach vorhanden sein müssen. Nimmt man die eingeschränkten zeitlichen Möglichkeiten bei der Belastung durch andere Aufgaben - anderes Fachreferat, organisatorische Tätigkeiten - hinzu, so ist 24 In eingleisigem natürlich auch, aber eben anders, weshalb wir diesen Bereich für unsere Verhältnisse ausblenden. 25 Vgl. in Band 2 dieser Festschrift A. RAFFELT: Kleine Geschichte des Verbunds der Institutsbibliotheken der Theologischen Fakultät. 26 Vgl. insbesondere den Versuch von Hermann J. DÖRPINGHAUS: Zur Praxis der Erwerbungskooperation im Bibliothekssystem einer »alten« Universität. In: ZfBB 24 (1977), S. 405-427.

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eine Reduktion hier sachlich vertretbar und betriebswirtschaftlich eigentlich notwendig. In einem komplizierten Fachgebiet wie der Theologie mit einem breiten und teilweise diffusen Literaturangebot und einer komplexen Struktur der Fakultät, ist ein größerer Aufwand zu rechtfertigen. Das im Artikel über die Theologische Verbundbibliothek (vgl. Band 2) dargestellte Verfahren hat folgende in unserem Zusammenhang wichtige Implikationen: Es bietet den an den Absprachen Beteiligten möglichst umfassende Informationen. Überhaupt setzt Absprache Titelkenntnis auf beiden Seiten voraus. Das fachliche bibliographische Prae des Bibliothekars muß so eingesetzt wer­ den, daß die Beteiligten mit gleicher Kenntnis ihre Entscheidungen treffen. Die zweiwöchentliche Verteilung aller Titel (ausgesondert sind allerdings in einem ersten Arbeitsgang Peripheres, Populäres, Kinderbücher, formal Auszuscheidendes [das können z.B. Übersetzungen aus dem Deutschen sein] etc.) auf die Profile der Arbeitsbereiche soll dies leisten. Durch weitgehende Verwendung von Zetteldiensten ist dies derzeit formal ziem­ lich gut und bequem möglich. Der Rücklauf erlaubt in einem zweiten Durchgang die Sichtung des Materials unter der Rücksicht des Kaufs: für die Universitätsbibliothek; für die Fakultät trotz fehlenden Interesses der Arbeitsbereichem falls dies notwendig erscheint (Lesesaal oder ggf. mit abermaliger Rücksprache für die Arbeitsbereiche); hinsichtlich der Ent­ scheidung, ob Doppelbestand in Freiburg notwendig ist, sowie der son­ stigen notwendigen Kauf(vor)entscheidungen für die Erwerbung der Universitätsbibliothek27. Solche intensiveren Kooperationsverfahren sind wohl dort besonders günstig durchzuführen, wo die Einbindung des Fachreferenten der Universitätsbibliothek über die bloße Teilnahme an Kaufsitzungen hinausgeht. Die Konstruktion in der Theologischen Fakultät, in der der Fachreferent für Theologie gleichzeitig als organisatorischer Leiter der Verbundbibliothek der Institute fungiert, scheint von daher günstig. Im Grunde ist es hier nicht anders, als in den Bibliotheken selbst: Die 27 Nach dem Freiburger Verfahren ist formal der Erwerbungsleiter für den Kaufvollzug zuständig. Der Fachreferent kann nicht aus seinem Kontingent Entscheidungen treffen. Für die Praxis der Absprache bedeutet dies, daß der Fachreferent zum effektiven Arbeiten praktisch voraussetzen muß, daß seine Sachentscheidungen respektiert werden.

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Ortlosigkeit des Fachreferenten in der Hierarchie wird erst durch die Koppelung mit organisatorischen Funktionen überwunden. Sie geben ihm schließlich auch bei den fachlichen Entscheidungen mehr Gewicht. Als Beispiel, wie Absprachen und Integration der Organisation einander stützen können, mag die Erarbeitung eines Zeitschriftenkonzepts für Theo­ logie und Religionswissenschaft in Universitätsbibliothek und Fakultät gelten. Es sollte das in Freiburg Vorhandene - der Schwerpunkt liegt hier in der Fakultät - überprüft und sachgemäß ergänzt werden. Die Referenzliste der zu überprüfenden Zeitschriften konnte relativ leicht mit Hilfe der im Tübinger Sondersammelgebiet erstellten Dienste geschehen28. Für manche Titel gab die Fernleihfrequenz, die in der Dienststelle mit einer Titelkartei festgehalten wird, Anhaltspunkte. Da Benutzung von Information abhängig ist, ist dieses Mittel aber von begrenztem Wert. Die Überprüfung der Titel, die Beschaffung von Ansichtsbänden durch die Fernleihe, die Absprache mit den Fachvertretern der Fakultät durch die Fachreferentin für Religionswissenschaft und den Fachreferenten für Theologie führte auch deshalb zu einem konzisen Ergebnis, weil die bibliothekarische Verwaltung der Verbundbibliothek Theologie die Abwicklung eines solchen Projekts auf Seiten der Fakultät relativ problemlos durchführbar machte. Die letzten Jahre haben das Ergebnis faktisch auch als ausgewogen bestätigt. Kooperation der Bibliothek mit den Fachbereichen beschränkt sich aber nicht auf den Erwerbungsbereich und Fragen der Bibliotheksorganisation. Ein besonders Feld, das sich hierfür anbietet, ist die Benutzerschulung. Da sie allerdings die Fragen der Kooperation überschreitet, stellen wir sie unter eine eigene Überschrift.

28 Vor allem des Zeitschrifteninhaltsdienst Theologie.

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4. Benutzerschulung Zweifellos ist sie eine allgemeine Aufgabe der Bibliothek. Es kann hier also nur um die fachliche Ergänzung dessen gehen, was durch Merkblätter (auch im Bereich der Fakultätsbibliotheken, vgl. in Band 2 den Beitrag über die Theologie), allgemeine Führungen u.a.m. ohnehin von der Bibliothek gelei­ stet wird. Im Rahmen unserer fachlichen Aufgaben bleiben im Grunde zwei bzw. drei Formen: Die erste wäre das Einbringen der bibliothekarischen Themen in Proseminare der Fakultät. Es geht dabei vor allem um Fragen der allgemeinen und fachbezogen Bibliotheksbenutzung, dabei insbesondere auch um die Frage der fachlichen Literatursuche. Für die beiden Fächer der Philosophie und Theologie sind dafür Merkblätter mit einer kurzen Übersicht zur Allgemeinbibliographie und zur Fachbibliographie angefertigt worden. Darüber hinaus wird der Sachkatalog erklärt und zu seiner Benutzung angeleitet. Je nach zur Verfügung stehender Zeit lassen sich dann weitere allgemeine Fragen der Bibliotheksbenutzung besprechen. Das gleiche wäre - zweitens - natürlich auch in einer eigenständigen Veranstaltung als fachbezogene Einführung zu leisten und ist im Bereich Philosophie auch schon so angeboten worden. Wichtig war dabei die Unterstützung durch den Fachbereich in Form von Ankündigungen. In Fächern, bei denen die bibliographische Erschließung weniger gut geregelt ist - wie bei der Slavistik -, bieten sich solche Kurzveranstaltungen geradezu an und werden durchgeführt. Wo noch schwierigere Darbietungsformen der bibliographischen oder sonstigen fachlichen Nachschlagewerke hinzukommen, wie beim Marburger Index in der Kunstwissenschaft oder auch beim Beilstein und den Chemical Abstracts in der Chemie, kam es ebenfalls zu solchen Veranstaltungsformen. Die bekannte Problematik dieser Art Veranstaltungen liegt im »Trockenkurs«-Syndrom«. Formale Kenntnisse sind nur für »geborene Bibliothekare« (und die gibt es bekanntlich nicht) und für verwandte Menschentypen ohne Anwendung anschaulich zu machen. So liegt es drittens - nahe, anhand praktischer Übungen die Formalia einzubringen. In Proseminaren29 unter dem Titel »Einführung in das wissenschaftliche 29 Die Frage nach dem günstigsten Zeitpunkt im Studienablauf verdient eine eigene Reflexion, was hier aber entfallen muß.

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Arbeiten« ist das in der Theologie seit Anfang der 80er Jahre versucht wor­ den. Der allgemeine Teil ist publiziert worden30, im speziellen Teil werden Interpretationsaufgaben durchgeführt. Die berufliche Beschränkung bringt es mit sich, daß man hier auf ein Repertoire angewiesen ist, dessen Umfeld man kennt und das genügend leicht zu bewältigende Fragestellungen bietet. In den letzten Jahren sind dazu die in ihrer Werk- und Interpretations­ problematik sehr geeigneten Pensées von Pascal herangezogen worden. Das Modell hat u.E. den Vorzug, an Beispielen praktische Erfahrungen vermitteln zu können. Soll wirklich der »Trockenkurs-Effekt« vermieden werden, so ist jedoch eine nicht ganz gering zu veranschlagende Begleitung der Studenten nötig. Insofern wäre vermutlich die Schulung von Fort­ geschrittenen ein befriedigenderer Weg. Gunther Franz hat das in seinem genannten Aufsatz geschildert.

30 Vgl. A. RAFFELT: Proseminar Theologie. Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten und in die theologische Bücherkunde. 4., völlig neubearb. Aufl. Freiburg : Herder, 1985. Das Buch geht zurück auf frühere Lehrveranstaltungen als Assistent am Dogmatischen Seminar der Theologischen Fakultät. - Besonders anregend zum Thema ist der Bericht von Gunther FRANZ: Benutzerschulung und Literatursuche für Fortgeschrittene und Graduierte. In: ZfBB 29 (1982), S. 101-109.

119 Gedanken zum Fachreferat

5. Sachauskunft, Sachkatalog, Sachrecherchen Bei der Benutzerschulung ging es schon kräftig um »Sachen«; die Verdreifachung der »Sache« soll nun optisch so etwas wie einen gehobenen Zeigefinger darstellen: Sachliche Kenntnisse sind ja nicht nur Entscheidungsvoraussetzungen - wie etwa bei der Erwerbung -, sie sind auch weiterzugebendes Kapital. Es ist dabei selbstverständlich, wenn auch relativ unauffällig im Tageslauf, daß es in Universalbibliotheken fachliche Auskünfte gibt. Doku­ mentiert wird das selten. Zum Informationssystem des Hauses gehört es unabdingbar. Die neuen Technologien ergänzen dies, sie ersetzen es nicht. So gehört der Umgang mit der CD-ROM (abhängig vom faktischen Angebot der Bibliothek) dazu, wenngleich dies wohl eher eine »Anschub-Informatisie­ rung« im Rahmen der Benutzerschulung (in Gruppen oder einzeln) darstellen dürfte, da bei fachlich vorgebildeten Benutzern die formalen Kenntnisse - soweit sie nicht schon mitgebracht werden - auch oder gar besser bei den Auskunftsstellen vermittelt werden können. Die Recherche im Südwestverbund ist im Rahmen der Freiburger Fachreferate derzeit noch die Ausnahme, was mit dem relativ späten Anschluß an den Südwestverbund und der Geräteausstattung zusam­ menhängt (die fehlende Sacherschließung dieses Datenpools stellt natürlich eine weitere Eingrenzung seiner Relevanz in unserem Zusammenhang dar). Zudem hat die Entscheidung, eine eigene Informationsvermittlungsstelle im Haus einzurichten, bewirkt, daß fachliche Recherchen hier durchgeführt werden. Die Bewegungen im Datenbankbereich werden hier aber ganz sicher bald verschiedene Lösungen nebeneinanderstellen. Diese Überlegungen sind nicht aus einem Konkurrenzdenken skizziert; vielmehr führen Sachrecherchen von sich aus zu fachlichen Fragen, die auch bislang ggf. vor Recherchen besprochen werden mußten. Für den Fachreferenten ist wohl wesentlich, daß er sich dem Problem der Vermittlung von technischen Möglichkeiten und fachlichen Kenntnissen nicht entzieht, sondern in seinen Informationsdienst die erreichbaren Techniken einfügt. Nach diesen Vorläufen den Schritt zum Sachkatalog zurück zu tun, fällt nicht ganz einfach, da die Situation der Freiburger Sacherschließung noch 120 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

gänzlich traditionell geprägt ist. Eine Übersicht über die Freiburger Anwendung des Systems von Eppelsheimer ist an anderer Stelle gegeben. Die großen Leistungen der Bearbeiter in der Sachkatalogstelle in der Pflege und Überarbeitung dieses Katalogs haben ein praktikables Instrument daraus gemacht. Trotz der großen Flexibilität dieses Systems (pointiert gesagt könnte man ihm eine anarchische Komponente zubilligen) und der dadurch bedingten leichten Handhabbarkeit für den Katalogisierenden ist es aber unbefriedigend, neben einer EDV-Formalkatalogisierung weiter traditionell zu arbeiten. Vollends unhaltbar wäre der jetzige Zustand, wenn der Benutzer in einem Bildschirmkatalog (OPAC) gleichzeitig die Daten der alphabetischen Katalogisierung online recherchieren könnte. Die Über­ tragung des Eppelsheimer-Katalogs in die EDV mag anderswo (Saar­ brücken) sehr verdienstlich und als Hauslösung praktikabel sein. Regionale alphabetische Katalogisierung einerseits und lokale Sachkatalogisierung anderseits - zudem bei gleichzeitigem umfassendem Fremddatenangebot für alle deutschsprachigen Titel durch die Beschlagwortung der Deutschen Bibliothek nach den Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK) - er­ scheinen aber doch als Skurrilität. Des weiteren stände dieses Fremdda­ tenangebot auch für alle Katalogisate in Fachbereichen zur Verfügung, in denen derzeit die Literatur vielfach nur durch die Aufstellung sachlich erschlossen wird. Die Diskussion um die Schwächen der Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK)31 ist sicher notwendig, da solche Instrumente nicht für Jahrhunderte geschaffen sind und sich selbstverständlich Anwen­ dungsvoraussetzungen geändert haben und ändern werden. Es gibt aber auch Alibi-Diskussionen, die Entscheidungen nur verzögern. Aus diesen Gründen ist der Verfasser der Meinung, daß die Möglichkeiten regionaler Sacherschließung in Baden-Württemberg baldmöglichst genutzt werden sollten32. 31 Es scheint mir nicht so entscheidend wichtig, ob man in einem Katalog erkennen kann, ob ein Buch den Fall behandelt, daß ein U-Boot einen Zerstörer beschießt oder den anderern, daß ein Zerstörer ein U-Boot beschießt, obwohl das für die Beteiligten natürlich einen erheblichen Unterschied darstellt! Vgl. In: Bibliotheksdienst 25 (1991), S. 188. Die Wünschbarkeit anderer, dokumentarischer Formen der Sacherschließung bleibt davon ganz unberührt. 32 Zu den mühsamen Ansätzen im Lande vgl. A. RAFFELT: Sachkatalogisierung, RSWK, Verbund : Fortbildungsveranstaltung des Landes in Oberwolfach. In: INFORMATIONEN 45 (1989), S. 455-456 und die Besprechung des Berichtsbandes dieser Tagung in

121 Gedanken zum Fachreferat

6. Bestandsdarbietung Um den Eindruck zu vermeiden, mit der Erwerbung und Sachkata­ logisierung seien die Pflichten des Fachreferenten erledigt, sei dieser Punkt eigens ausformuliert und aus dem Rahmen der Erwerbung herausgenommen. Das Vorhandensein des Titels allein genügt noch nicht zu einer effizienten Literaturversorgung. Vielmehr gehört die rechte Be­ standsdarbietung dazu. Grundsatzentscheidungen wie die Einrichtung des Freihandmagazins gehören zu den »historischen« Voraussetzungen der Arbeit in Freiburg. Die Kriterien, welche Literatur in das Tiefmagazin »abgesenkt« werden soll, welche in Freihand aufzustellen ist, gehören aber zum Alltag. Die Entscheidung wird nach bestimmten Kriterien (Sprachen, Literaturgattungen, Umfang) entweder formal vorgenommen oder im Einzelfall vom Fachreferenten entschieden (z.B. bei Geschenken). Auffälliger für den Benutzer sind die Entscheidungen, die der Fachreferent hinsichtlich der in Freihand zugänglichen Präsenzbestände trifft, also hinsichtlich des Lesesaals (LS) und der Nachschlagewerke, Bibliographien etc. in der sogenannten »Handbibliothek der Auskunft« (HBA). Für den Lesesaal waren - angesichts der damals als ungemein großzügig angesehenen Aufstellungsmöglichkeiten - Kriterien zu entwickeln, die über das in älteren Universitätsbibliotheken - etwa dem Freiburger Vorgängerbau - Übliche hinausgingen33. Die Prinzipien haben sich - bis auf kleinere Retuschen (etwa Änderungen in der Abgrenzung von LS und HBA) - als praktikabel erwiesen. Allerdings ist die Erstellung eines Lesesaalbestandes - anders als zu Zeiten der normativen Bibliothek in Gabriel Naudés Avis - nichts, was lang­ fristig ohne Pflege und Änderungen, ohne Ausarbeitung und Anpassung an neue Gegebenheiten auskommen kann. So ist der Wechsel von Fachreferaten häufig der Anlaß zu mehr oder minder großen Retuschen, vielfach durch rein organisatorische Vorgaben eingeschränkt (die problematische Darbietung von Theologiegeschichte und Kirchenge­ schichte im »LS Rel« erklärt sich etwa aus den eingeschränkten INFORMATIONEN 49 (1990), S. 610-613. 33 Vgl. die in den INFORMATIONEN 7 (1981), S. 8-9 mitgeteilten »Kriterien für die LesesaalBuchauswahl«.

122 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Möglichkeiten, einen einmal installierten Bestand bei geänderten Interessen umzubauen). Qualifizierte Benutzerwünsche können Gründe für Änderun­ gen abgeben oder Planungsvorhaben wesentlich stützen. Änderungen im universitären Bereich (z.B. die Einrichtung des Frankreichzentrums) erfordern auch hier ergänzende Maßnahmen (sei es die Neuaufstellung von Literatur, seien es Benutzungshilfen).

123 Gedanken zum Fachreferat

7. Ortlosigkeit des Fachreferenten? Das Eingangsszenario ist durch den Rundgang durch das Fachreferat nicht bereinigt worden. Vielleicht ist aber das Tätigkeitsspektrum anhand konkreter Beispiele etwas deutlicher geworden. Vielleicht ist klar geworden, wie intensiv die einzelnen Komponenten in andere Zu­ sammenhänge eingebunden sind. Das macht es nötig, die Stellung des Fachreferenten nicht bloß von seinem Fach und den klassischen Komponenten - Erwerbung, Sachkatalogisierung - her zu sehen. Es gehört ein institutionelles Umfeld dazu, das die Einbindung seiner Tätigkeiten in das Ganze der verschiedenen Felder ermöglicht. Innerhalb der Bibliothek ist ein effizienter Informationsaustausch nötig, um den fachlichen und bibliothekspolitischen Rahmen seiner Arbeit überblicken zu können. Hier wäre etwa über Zweck und Funktion der Referentensitzung34 zu reden. Das in der Universitätsbibliothek Freiburg allgemein als sinnvoll erkannte Aufgeben einer eigenen Kaufsitzung innerhalb der Bibliothek erfordert eine andere Form, grundlegende Fragen der Erwerbung zu be­ sprechen. Konzeptionelle Arbeit ist auch in einem effizienten System immer wieder neu zu leisten. Die verschiedenen Erfahrungen fachlicher Art, vor allem aber die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten, die unterschiedliche Funktionen in Universitätsbibliothek und Bi­ bliothekssystem mit sich bringen, müssen an einer Stelle effizient vermittelt werden. Die schwache institutionelle Stellung des Fachreferenten, wie sie aus der Literatur zu entnehmen ist, verlangt derartige Strukturen. Es ist die Kunst einer effizienten Bibliotheksführung, solche Strukturen zu schaffen, zu pflegen und zu erneuern und Sinn eines Festschriftenbeitrags für Gelungenes zu danken.

34 Die Frage des Steuerung von Informationen beschränkt sich natürlich nicht auf den Kreis der Fachreferenten. Der Abdruck der einschlägigen Protokolle in UB intern für alle Mitarbeiter zeigt dies. Die INFORMATIONEN als Mitteilungsorgan für das ganze Bibliothekssystem suchen von ihrer Konzeption her (vgl. etwa das »Vorab...« zum Heft 50, 1990 und in Band 2 dieser Festschrift A. RAFFELT: Die Publikationen der Universitätsbibliothek) das ihrige zu einem besseren Informationsfluß beizutragen.

124 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Hansjürgen Maurer SONDERARBEITEN DER KATALOGABTEILUNG 1967-1991 Aus einer Katalogabteilung ist in der Regel wenig Interessantes zu berichten. Die Routine überwiegt, im Bereich Monographien stellt die tägli­ chen Hausaufgaben die Erwerbungsabteilung in Form des Neuzugangs, bei den Zeitschriften steht die Bestandspflege im Vordergrund. Als besonderes Ereignis in jüngster Zeit, weit weg von der Alltagsroutine, kann die Umstellung auf die Online-Katalogisierung in beiden Bereichen angesehen werden oder auch der Beginn der retrospektiven Konversion alter Titel­ karten. Über den Einstieg in die Online-Katalogisierung im SWB-Verbund im Jahre 1990 hat Hilmar Werth im letzten Heft der INFORMATIONEN berichtet1, die Umstellung der Zeitschriftenkatalogisierung vom Offline- auf OnlineBetrieb sowie die ersten Erfahrungen mit der im gleichen Jahr begonnenen retrospektiven Konversion behandeln die auf diesen Bericht folgenden Bei­ träge von Christoph Hermann und dem Verfasser. Trotzdem gibt es außer diesen sehr einschneidenden Ereignissen im Rückblick auf die Jahre seit dem Amtsantritt von Wolfgang Kehr auch in der Katalogabteilung einige weitere, eigentlich sogar zahlreiche Arbeiten, die außerhalb der üblichen Alltags-Routine liegen. Über die umfangrei­ cheren dieser Sonderaufgaben soll im folgenden eine knappe Übersicht gegeben werden. (Ausführlicheres dazu läßt sich in vielen Fällen in den INFORMATIONEN nachlesen). Ausgeklammert bleiben neben kleineren Sanierungsarbeiten auch die inzwischen weitgehend zur Routine geworde­ nen Sonderbereiche der Non-Book-Bearbeitung mit den Schwerpunkten Mikrofilm und Schutzverfilmung, Tonträger und Video. Die von der Katalogabteilung in nahezu 25 Jahren geleisteten Son­ derarbeiten lassen sich fast alle unter den Schlagwörtern »Neustrukturie­ rung« oder »Sanierung« einordnen. In vielen Fällen war dabei die Kata­ logsanierung zugleich mit einer grundlegenden Sanierung des zugehörigen 1

WERTH, Hilmar: Ein Jahr Katalogisierung im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB). In: INFORMATIONEN 52 (1991), S. 755-758.

125 Sonderarbeiten der Katalogabteilung

Bestandes verbunden. Daß diese Arbeiten überwiegend aus eigenen Kräften der Universitätsbibliothek, d.h. in vielen Fällen ohne zusätzliche Mittel oder Planstellen, neben den Alltagspflichten erledigt werden konnten, ist dabei aus der Sicht von heute fast ein Wunder und eigentlich nur durch die große Motivation aller Beteiligten erklärbar. 1. Die Weichenstellung der ersten Jahre Schon vor der endgültigen Bewältigung unglaublicher Rückstände bei der Katalogisierung des Neuzugangs2 begannen die ersten Sonderprojekte, die alle darauf abzielten, offensichtliche Strukturmängel im Katalogbereich der Universität schnellstmöglich zu beseitigen. Ein Teil dieser Arbeiten erstreckte sich dabei bis in die jüngste Zeit (Katalogsanierungen in der Universitätsbibliothek und im Bibliothekssystem), andere konnten z.T. in kürzester Zeit erledigt werden. 1.1 Beginn der Sanierung der UB-Kataloge Noch 1968 besaß die Universitätsbibliothek Freiburg neben dem erst in diesem Jahr den Benutzern allgemein zugänglich gemachten Katalog der Dissertationen insgesamt drei verschiedene Alphabetische Kataloge der Monographien: einen alten Katalog bis zum Jahr 1929 (im Benut­ zungsbereich noch als Bandkatalog!), einen mittleren Katalog für die Jahre 1930-1959 und einen neuen Katalog, der 1960 begonnen wurde. Im November 1968 startete das erste Teilunternehmen, die Zu­ sammenlegung der ca. 150.000 Titelkarten des mittleren Kataloges mit dem neuen Katalog. Die Arbeiten hierfür konnten nach knapp drei Jahren abgeschlossen werden. Im Anschluß daran begannen 1971 die Vorbereitungen und die ersten Testläufe für die wesentlich aufwendigere Einarbeitung des alten Katalo­ ges, für die zunächst klare Arbeitsrichtlinien erstellt werden mußten, um 2

KEHR, Wolfgang: Der Aufbau eines Bibliothekssystems. In: Freiburger Univer­ sitätsblätter Heft 42 (1973), S. 39-68. Kehr berichtet zum Ende des Jahres 1967 über einen Arbeitsrückstand von 22.000 neuen Monographien und von über 22.000 neueren Dissertationen.

126 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

den immensen Aufwand für notwendige bibliographische Normierungen und Verbesserungen der Altkatalogisate in vertret- und damit machbaren Grenzen zu halten. Diese zusätzlichen Arbeiten waren erforderlich, da es sich bei dem Alten Katalog um Titelaufnahmen aus der Zeit vor der Anwendung der Preußischen Instruktionen handelte. Die Arbeiten an dieser Zusammenlegung sollten sich dann über 13 Jahre hinweg erstrecken (s. 3.1). 1.2 Erweiterung des FZV Das Freiburger Zeitschriftenverzeichnis (FZV), das 1962 in erster Auflage für den Teil Naturwissenschaften/Medizin und 1967 für die Geistes­ wissenschaften erschien, wurde mit Hochdruck und intensiver Kontaktpflege auf insgesamt 150 Bibliotheken aus dem Bereich der Hoch­ schulregion erweitert. Schon im Jahre 1971 erschien dann erstmalig eine Gesamtausgabe des Freiburger Zeitschriftenverzeichnisses mit allen Be­ ständen (auch der Universitätsbibliothek) in einem Alphabet mit insgesamt 38.000 Titel-Nachweisen. 1.3 Aufbau des Freiburger Gesamtkataloges Ergänzend zum Nachweis der Zeitschriftenbestände und damit zur weiteren Verbesserung der lokalen Literaturerschließung und -versorgung begann 1971 der konzentrierte Auf- und Ausbau des Freiburger Gesamtkataloges der Monographien teils durch Zusammenlegung vorhandener Titelkarten, oftmals aber auch unter gleichzeitiger Sanierung der anzuschließenden Institutsbibliotheken sowie der Bildung größerer Betriebseinheiten in Form von Fachbereichs- und Fakultätsbibliotheken. Es sei hier auf die Darstel­ lung von J. Amedick in diesem Sonderheft der INFORMATIONEN verwiesen. 2. Die Aufbauzeit der 70er Jahre In der ersten Hälfte der 70er Jahre konzentrierte sich die Katalogabteilung auf die begonnenen Sonderarbeiten, das war zum einen der weitere Ausbau von Zeitschriften- und Monographien-Gesamtkatalog, zum anderen die 127 Sonderarbeiten der Katalogabteilung

mühselige Weiterarbeit an dem Großprojekt Katalogzusammenlegung. Mitte der siebziger Jahre drängte sich eine neue Sonderarbeit in den Vordergrund, der Aufbau eines großen Präsenzbestandes an Monographien und Zeitschriften für die zukünftigen Lesesäle des Neubaus. Die umfangreichen Arbeiten wurden unter großem Termindruck durchgeführt, so daß die anderen Sonderaufgaben zeitweilig vollständig ruhen mußten. 2.1 Aufbau großer Präsenzbestände Paralell zum Beginn der Arbeiten am Neubau der Universitätsbibliothek begannen auch die Vorbereitungen zum Aufbau großer Präsenzbestände, die zur Einrichtung eines eigenen Arbeitsbereiches, der sog. Sonder­ aufstellung, führte. In einer großen Kraftanstrengung konnten für die neuen Lesebereiche des Neubaus bis zum Einzug im Herbst 1978 bearbeitet werden (inklusive aller notwendigen Arbeiten im Bereich der Kataloge und Sonderkataloge): 47.000 Monographien der einzelnen Fächer für die Lese­ säle und den Sonderlesesaal, 1.600 Zeitschriftentitel mit den Beständen ab 1968 (fast 20.000 Bände) sowie 25.000 Bände der Bibliographischen Auskunft. Durch den weiteren Ausbau sind diese Bestände heute auf nahezu das Doppelte angewachsen: In den Lesebereichen stehen insgesamt 120.000 Bände Monographien sowie 38.000 Bände Zeitschriften (1.800 Titel mit den jeweils letzten 20 Jahrgängen). 2.2 Weiterer Ausbau des FZV Im Jahre 1974 wurde nochmals ein komplettes Freiburger Zeit­ schriftenverzeichnis in gedruckter Form mit auf über 40.000 Titel ange­ wachsenem Bestand herausgebracht und 1976 durch ein Supplement mit über 6.000 Titeln ergänzt. Bis Ende des Jahrzehntes war das zunächst nur als Zettelkatalog weitergeführte Zeitschriftenverzeichnis auf rund 55.000 Titel angewachsen. Aus diesen Zahlen läßt sich der stetige Ausbau der Zeit­ schriftennachweise im Bibliothekssystem und in der Hochschulregion ablesen. 128 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3. Der Umbruch zum EDV-Zeitalter in den 80er Jahren Während die 70er Jahre durch das weitgehende Überwinden der Struk­ turmängel im Katalogbereich der Universität charakterisiert sind, brachten die 80er Jahre bei den Monographien neben dem Abschluß der langwie­ rigen Katalogzusammenlegung zahlreiche Sanierungsarbeiten im sicheren Bewußtsein, »daß die EDV kommt« und dann Altbestandssanierungen gar nicht oder nur noch schwer möglich sein werden. Die Zeitschriftenkatalogisierung dagegen war im Hinblick auf technische Innovationen der fortschrittlichere Bereich: Hier begann schon Ende 1979 das EDV-Zeitalter, allerdings mit Offline-Techniken. Der Gesamtkatalog der Monographien (der trotz des Namens keine UBBestände verzeichnet) wurde 1980 in die Zuständigkeit der Abteilung Bibliothekssystem überführt und von dort als wichtiger Bestandteil des Systems über zahlreiche Institutssanierungen beständig weiter ausgebaut3. Über den erstmaligen Einsatz der EDV-Katalogisierung im SWBVerbund (ab Sommer 1988) anläßlich einer weiteren Institutssanierung berichtet C. Mühl-Hermann4 ebenfalls in diesem Heft. Die dabei ge­ wonnenen Erfahrungen waren zugleich eine grundlegende Basis für den gelungenen Start der SWB-Katalogisierung der Universitätsbibliothek zu Beginn des Jahres 1990.

3 4

Es sei hier nochmals auf die Arbeit von J. AMEDICK verwiesen. MÜHL-HERMANN, Claudia: Katalogsanierung mittels Verbundkatalogisierung..., in Band 2 dieser Festschrift.

129 Sonderarbeiten der Katalogabteilung

3.1 Abschluß der Katalogzusammenlegung Nach 16 Jahren intensivster Arbeit konnte gegen Ende 1984 das Mam­ mutwerk »Katalogzusammenlegung« beendet werden. Endlich war das Ziel eines einzigen Kataloges der Monographien der UB-Bestände erreicht. Mehr als 30 Mannjahre ausschließlich aus Planstellen der Universitätsbibliothek wurden in diese Zusammenlegung und damit in eine entscheidende Verbesserung der Benutzungsverhältnisse investiert. Dabei wurden ca. 550.000 Zettel verarbeitet, die in vielen Fällen verbessert oder neu geschrieben werden mußten, um leserliche Katalogisate nach PI-Anset­ zungsregeln zu erhalten, wobei Autopsie auf unumgängliche Fälle beschränkt wurden. Wenn man so will, war dies eigentlich die erste retrospektive, allerdings konventionelle Konversion von Titelkarten. Zugleich war damit auch die Basis gelegt für den Umstieg auf die EDVKatalogisierung, die zu einem erneuten Katalogabbruch zwingt. Durch die Zusammenlegung kann dieser Abbruch auf den Übergang vom nunmehr einheitlichen, konventionellen Zettelkatalog auf einen Online-Katalog reduziert werden. 3.2 Das neue FZV auf Mikrofiche Ende 1979 begann die Universitätsbibliothek damit, die im Freiburger Zeitschriftenverzeichnis nachgewiesenen Zeitschriftenbestände im Rahmen der Mitarbeit am Baden-Württembergischen Zeitschriftenverzeichnis (BWZ) in die Zeitschriftendatenbank (ZDB) in Berlin einzuarbeiten. Diese Umarbeitung im Offline-Verfahren über die BWZ-Zentrale in Stuttgart war zugleich Anlaß, alle bisherigen Meldungen anhand der jewei­ ligen Bestände zu überprüfen, eine riesige Arbeit, die nur durch die bereitwillige Mitarbeit aller Institutsbibliothekare zu bewältigen war. Beim UB-Bestand wurde zusätzlich bei lückenhaftem Bestand eine umfangreiche Lückenergänzungs-Maßnahme durchgeführt und dabei auch nicht Archi­ vierenswertes ausgeschieden. Nicht zuletzt dank der Förderung der Arbei­ ten durch die DFG und zusätzlich über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gelang es, bis 1985 alle abgeschlossenen und alle laufenden Titel und Bestände umzuarbeiten und ein neues FZV auf Mikrofiche herauszubrin­ gen, das nahezu 60.000 Titel, davon über 7.000 Unikate, enthielt. 130 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

In einer daran anschließenden, von der DFG geförderten Maßnahme wurden die Sonderbestände der Bibliothek des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg, einer Fachbibliothek für Wohlfahrtspflege, überwiegend erstmalig erfaßt und in die ZDB eingearbeitet (Bestände zu 6.400 Titeln, davon 2.000 Unikate). Seit 1985 erscheint das FZV in der Regel zweimal im Jahr auf Mikrofiche und wird jeweils an alle angeschlossenen Bibliotheken verteilt. Die letzte Ausgabe (Anfang 1991) verzeichnete rund 67.000 Titel und mehr als 100.000 Bestandsmeldungen. 3.3 Die Sanierung alter Dissertationen Nachdem der Dissertationenkatalog im Benutzungsbereich aufgestellt worden war, stellte sich sehr schnell heraus, daß die bis Mitte der 60er Jahre geübte Praxis, die eigentlichen Dissertationen ohne Standnummer aufzustellen, angesichts der beginnenden Massenbenutzung sehr proble­ matisch war. Die Aufstellung nach Ort, Fakultät, Verfassernamen und Jahr bewirkte nicht nur für den Benutzer beim Bestellen eine umständliche Prozedur, sie führte vor allem bei der Erledigung von Bestellungen zu sehr zeitaufwendigen und damit personalintensiven Recherchen. Auch die Integration in das bestehende EDV-Ausleih-System war unter diesen Umständen schlichtweg unmöglich. Dank einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und dem intensiven Einsatz von Mitarbeitern der Katalogabteilung in den Jahren 1981-1986 konnte das Groß-Projekt erfolgreich abgeschlossen werden. Angesichts 417.500 zu bearbeitender Dissertationen lag es nahe, bei der Bearbeitung zugleich kritisch zu prüfen, was auf Dauer vom Zustand her archivierbar und von den Sammelschwerpunkten der Universitätsbibliothek und der Benutzungserwartung her archivierenswert ist. Diese Prüfung erfolgte sehr sorgfältig unter zusätzlicher Berücksich­ tigung der Existenz weiterer Exemplare in Baden-Württemberg (Abgleich der Tauschpartner). So konnten über 200.000 Dissertationen ausgeschieden werden, wobei über 80% davon auf medizinische Dissertationen vor­ wiegend des 20. Jahrhunderts entfielen. Das ergab einen Stellplatzgewinn von ungefähr 1.000 Stellmetern. Für viele Kollegen war das eine umstrittene Maßnahme, die aber im Hinblick auf die allerdings erst später 131 Sonderarbeiten der Katalogabteilung

erschienenen Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Magazinbedarf5 voll zu rechtfertigen ist. - Am Ende des Projektes waren alle verbleibenden 205.000 Dissertationen und deren Titelkarten erstmalig mit Standnummern versehen und damit per EDV bestell- und entleihbar. Daß dabei für 35.000 Dissertationen erstmalig Titelkarten erstellt werden mußten, da sie nur in Bibliographien oder überhaupt nicht nachgewiesen waren, war einerseits eine erhebliche zusätzliche Belastung, zeigte aber andererseits zugleich die Wichtigkeit der Maßnahme für die Bestandserschließung auf. Inzwischen sind bei der Aufarbeitung weiterer Altbestände, die bisher nicht oder nur unzureichend erschlossen waren, zusätzlich weitere 2.200 ältere, bislang nicht nachgewiesene Dissertationen aufgetaucht, deren Katalogisierung demnächst abgeschlossen sein wird. 3.4 Übernahme von Institutsbeständen Die Abgabe von in den Instituts- und Fakultätsbibliotheken entbehrlicher Literatur konnte angesichts zunehmender Stellplatzprobleme durch die Übernahme noch nicht vorhandener und archivierenswerter Titel in den Bestand der Universitätsbibliothek zufriedenstellend gelöst werden. Die Bearbeitung erfolgt dabei arbeitsteilig: Bei den Monographien wurden bisher durch die Katalogabteilung rund 12.000 Bände übernommen, wobei etwa das 5-fache an Titeln zu prüfen und zu bearbeiten war. Dabei wurden diese Bestände auf eigene Signaturen gesetzt, um sie später ggf. en bloc auslagern zu können. Die Zeitschriftenübernahme wird von den Mitarbeitern des Gesamt­ kataloges bearbeitet, wobei bisher ca. 25.000 Zeitschriftenbände über­ nommen und in den Bestand der Universitätsbibliothek eingearbeitet wurden. 3.5 Vorlesungs- und Personalverzeichnisse Eine weitere Sanierungsaktion beschäftigte sich (1986/87) im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit der Erschließung von Personal5

WISSENSCHAFTSRAT: Empfehlungen zum Magazinbedarf wissenschaftlicher Biblio­ theken. Köln 1986.

132 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

und Vorlesungs-Verzeichnissen, die ohne sonstige Nachweise und ohne Standnummern im Magazin standen. Angesichts einer steigenden Nachfrage, insbesondere nach Personalverzeichnissen wurde dabei zugleich festgelegt, welche der im Tausch eintreffenden Verzeichnisse nach der Auslage im Lesesaal auch in Zukunft archiviert werden sollen. Insgesamt wurden fast 12.000 bisher kaum benutzbarer Bände bearbeitet und mit neuen Standnummern versehen und ingesamt 465 Bestandsmeldungen in die ZDB eingebracht, wobei insgesamt 21 Titel dort bislang nicht nachgewiesen waren. 3.6 Amerikanische Parlamentaria Nach mehreren gescheiterten Versuchen eine umfangreiche Sammlung amerikanischer Parlamentaria vollständig zu erschließen, konnte ab 1986 durch eine konzentrierte Aktion zwischen Zeitschriften- und Monographienkatalogisierung in über dreijähriger Arbeit ein befriedigender Abschluß der Arbeiten erreicht werden. Darüber wird Th. Argast in den nächsten INFORMATIONEN berichten6. Hier nur so viel: Die Sammlung von rund 12.0000 Bänden mit Veröf­ fentlichungen des amerikanischen Kongresses mit Beständen von 1871 bis 1964 enthält zahlreiche Zeitschriften und ist nun erstmals vollständig in der Zeitschriftendatenbank nachgewiesen und Band für Band im Katalog der Reihen/Zeitschriften erfaßt.Dabei wurden auch alle darin enthaltenen Stücktitel ermittelt und bei der Bandaufführung festgehalten. Ob daraus noch »richtige« Stücktitel gemacht werden (können), ist zur Zeit eine offene Frage. Bei der hohen Priorität und dem Umfang der retrospektiven Konversion scheint das auch noch lange so zu bleiben. 3.7 Schul- und Hochschulprogramme Die Universitätsbibliothek Freiburg besitzt eine größere Sammlung von Schul- und Hochschulprogrammen, die bisher nur teilweise erschlossen und vielfach noch ohne Standnummer waren. Die vollständige Erfassung aller 6

ARGAST, Thomas: Abschluß der Bearbeitung der »House documents«. Vorgesehen für INFORMATIONEN 53 (1991).

133 Sonderarbeiten der Katalogabteilung

in den Schulprogrammen enthaltener Stüke kann in Kürze abgeschlossen werden. Es wurden insgesamt 5.500 Stücktitel neu angefertigt. Die badi­ schen Schulprogramme von 224 Schulen konnten darüber hinaus erstmals als Zeitschrift an die ZDB gemeldet werden. Nach Abschluß dieser Arbeiten ist die Sanierung der Hochschul­ programme fest vorgesehen und es bestehen derzeit gute Aussichten, auch diesen letzten Sanierungskomplex mit Beständen ohne Standnummer in absehbarer Zeit beenden zu können. 4. Am Beginn der 90er Jahre Mit der zu Beginn des Jahres 1990 vollzogenen Umstellung der Mono­ graphienkatalogisierung vom rein konventionellen Betrieb auf die OnlineKatalogisierung im SWB-Verbund und mit dem Wechsel der Zeitschriftenkatalogisierung von offline zu online in der Zeitschriften­ datenbank in Berlin ist die Katalogabteilung der Universitätsbibliothek Freiburg für die Anforderungen der 90er Jahre gut gerüstet. Das bedeutet aber nicht, daß damit zugleich die Sanierung des Altbestandes als abgeschlossen betrachtet werden könnte, obwohl bis zum Ende des Jahres 1991 damit zu rechnen ist, daß es keine Bestände mehr ohne irgend einen Titelnachweis im Magazin der Universitätsbibliothek Freiburg gibt, obwohl natürlich die Tiefe der Erschließung in vielen Fällen noch große Wünsche offen läßt. Neben dem riesigen Komplex der retro­ spektiven Konversion der alten Titelaufnahmen (über das derzeitige Ziel 1975 hinaus, zumindest zurück bis 1945) bleiben viele kleinere und einige große Verbesserungen als hoffentlich zu bewältigende Desiderate für die nächsten Jahre: -

Im Bereich des Gesamtkataloges Abschluß der Katalogsanierungen in den Institutsbibliotheken (Mittellateinische Philologie) sowie die Integration aller weiteren Institutsbibliotheken in die EDVKatalogisierung - Abschluß der Sanierung der Hochschulschriften - Sanierung der »Nester« mit Sammelsignaturen für mehrere Abteilungen im alten alphabetischen Katalog 134 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

-

Mehrere Schutzverfilmungsprojekte mit gleichzeitiger Erschliessung wertvollen Altbestandes im SWB-Verbund (Altspanische Druke, Bestände des 16. und 17. Jahrhunderts, vom endgültigen Zerfall be­ drohte maschinenschriftliche Freiburger Dissertationen der Philosophi­ schen Fakultäten u.a.)

Als vermutlich zumindest für die nächste Zeit nicht erfüllbare Wünsche sind anzusehen: -

Zusammenlegung des Dissertationen-Kataloges und des Alphabetischen Hauptkataloges Erfassung der Stücktitel der oben erwähnten Sammlung amerikanischer Parlamentaria Sanierung aller Unklarheiten im alten Zettelkatalog oder die retro­ spektive Konversion auch älterer Titel.

Bei der für 1993 vorgesehenen Einführung eines OPACs werden mit Sicherheit weitere Sanierungsmaßnahmen notwendig, da weder RAK-WB noch die Erfassungsregeln des SWB-Verbundes die strukturellen Anforderungen eines OPACs vollkommen abdecken. Es bleibt zu hoffen, daß der Aufwand hierfür in machbaren Größenordnungen liegen wird. Ich bin sicher, daß wir trotz aller Vorsicht und aller Überlegungen und im Glauben an vermeintlich perfekte Lösungen auch Entscheidungen tref­ fen, die spätestens der nächsten Generation die »schönsten« Sanierungsfälle bescheren. Das soll uns aber nie von planvollem Handeln abhalten.

135 Sonderarbeiten der Katalogabteilung

Christoph Hermann ZEITSCHRIFTENKATALOGISIERUNG IM WANDEL Vom Offline- zum Online-Betrieb Seit 1979 beteiligt sich die Universitätsbibliothek Freiburg am Aufbau der Zeitschriftendatenbank (ZDB) in Berlin. Die ZDB erfüllt als nationales Zeitschriftenverzeichnis mehrere Funktionen: sie ist bibliographisches Nachschlageinstrument und damit auch Katalogisierungshilfe für Biblio­ theken bei der Zeitschriftenkatalogisierung nach den RAK-WB1, dient als Grundlage für die Katalogausgaben der beteiligten Bibliotheken und ist vor allem auch Steuerungsinstrument für den Leihverkehr. Das Freiburger Zeitschriftenverzeichniss (FZV), das die Zeitschriftenbestände der Universitätsbibliothek und 146 weiterer Bibliotheken der Hochschulregion Freiburg nachweist, entsteht im Rahmen der Zusammenarbeit mit der ZDB und erschien 1985 erstmals als ZDB-Auszug in Form eines COM-Kata­ loges (Computer-Output on Microfiche). Die Daten für das FZV, die von der Universitätsbibliothek Freiburg zentral für alle dem FZV angeschlosse­ nen Bibliotheken verwaltet werden, wurden von 1979 bis 1989 im OfflineVerfahren an die ZDB gemeldet. Seit 1990 ist die Universitätsbibliothek Freiburg mit der ZDB online verbunden. Im folgenden Beitrag werden die Arbeitsverfahren vor, während und nach der Umstellung vom Offline- auf den Online-Betrieb dargestellt und die Freiburger Erfahrungen seit dem Start ins »Online-Zeitalter« beschrieben.

1

RAK-WB: Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken.

136 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

1. Katalogisierungspraxis 1979 bis 1989 Grundlage für die Offline-Bearbeitung der Freiburger Daten bildeten von 1979 bis 1989 die Mikrofiche-Ausgaben der ZDB und der »GKD«, der Ge­ meinsamen Körperschaftsdatei der Staatsbibliothek Preußischer Kultur­ besitz (Berlin), der Deutschen Bibliothek (Frankfurt am Main) und der Bayerischen Staatsbibliothek (München). Nach Prüfung dieser Verzeich­ nisse konnten die entsprechenden Formulare für die Meldung von Titeln, Körperschaften und Beständen ausgefüllt werden. Die Trennung einer Titelaufnahme in diese drei Elemente war notwendig, da in der ZDB die Daten für Titel, Körperschaften und Bestände in verschiedenen Dateien verwaltet werden. So konnte der Vorteil der Verbundkatalogisierung mit der Ausnutzung von Fremddaten (Katalogisate anderer ZDB-TeilnehmerBibliotheken und der GKD) auch schon im Offline-Verfahren genutzt wer­ den: war ein Titel bereits in der Mikrofiche-Ausgabe der ZDB nach­ gewiesen, mußte für eine Bibliothek, die zu diesem Titel Bestand meldete, i.d.R. nur noch ein Formular für die Bestandsdatei ausgefüllt werden. Ent­ sprechendes galt für die Katalogisierung von Körperschaften: oft war die zu verknüpfende Körperschaft bereits in der GKD nachgewiesen, so daß nur noch die Körperschaftsnummer der GKD ins Titelaufnahmeformular über­ tragen werden mußte. Ein Nachteil des Offline-Verfahrens bestand jedoch im Zeitverlust, der zwischen der Datenerfassung in der Universitätsbibliothek Freiburg und dem Einlesen der Daten in Berlin bei der ZDB entstand. Es vergingen mehrere Wochen, bis die in Freiburg erfaßten Bestände, und z.T. mehrere Monate, bis die neuen Freiburger Titel- und Körperschaftsaufnahmen in der ZDB nachgewiesen waren. Die Erfassungsformulare wurden von Freiburg aus wöchentlich mit dem Bücherauto an die Zentrale für das Baden-Württembergische Zeit­ schriftenverzeichnis bei der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (BWZ-Zentrale) geschickt, dort geprüft und - wenn nötig - korrigiert, auf Diskette gespeichert (»abgelocht«) und in dieser Form nach Berlin an die Zeitschriftendatenbank geschickt. Von der ZDB wurden nach Einspielung der Daten Einleseprotokolle ausgegeben, die wiederum über die BWZ-Zen­ trale an die Universitätsbibliothek Freiburg weitergeleitet wurden. Anhand der ebenfalls zurückgeschickten Erfassungsformulare mußten die Ein­ 137 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

leseprotokolle Korrektur gelesen werden. Dabei entdeckte Fehler wurden über Stuttgart nach Berlin gemeldet. Diese Prozedur wiederholte sich so oft, bis die Aufnahmen korrekt in der ZDB nachgewiesen waren. Bei diesem Verfahren war unnötige Doppelarbeit nicht zu vermeiden: eine neu erschienene Zeitschrift wurde z.B. von einer Bibliothek katalogisiert, ohne daß diese feststellen konnte, ob die Titelaufnahme bereits von einer anderen Bibliothek in die ZDB eingebracht worden war. Auch die Freiburger Korrekturwünsche, die sich auf Titel- und Körperschaftsnamen bezogen, waren von dem umständlichen OfflineVerfahren betroffen: sämtliche Korrekturen wurden auf Formularen über Stuttgart in Berlin beantragt und dort nach Prüfung bearbeitet; auch hierbei wurden Korrekturen, die bereits von anderen Bibliotheken veranlaßt worden waren, unnötigerweise nochmals beantragt. Erst das monatliche Supplement zur Mikrofiche-ZDB sorgte wieder für den Nachweis der neu katalogisierten und korrigierten Titel. Bei den häufig vorkommenden Bestandskorrekturen (Meldung von lückenhaftem Bestand, Abschlüsse u.a.) wurden die entsprechenden Formulare für die Bestandsdatei, die in der Dienststelle FZV in insgesamt 208 DIN-A-4 Ordnern abgeheftet sind, korrigiert und erneut an die BWZZentrale geschickt. Auch für Bestandskorrekturen gab es Einleseprotokolle der ZDB, die auf Richtigkeit geprüft werden mußten. Die Verwaltung der Bestandsformulare (im FZV und bei den mit­ arbeitenden Bibliotheken als »rosa Blätter« berühmt-berüchtigt geworden) stellte einen nicht unerheblichen Zeitaufwand dar: sortieren nach Titelnummern, in Ordner einlegen, für Korrekturen wieder heraussuchen, mit rosa Tippex korrigieren, nach Sigeln geordnet nach Stuttgart schicken, nach der Erfassung in Stuttgart wieder nach Titelnummern sortieren und in Ordner einlegen. Das Offline-Verfahren machte es zudem erforderlich, in der Dienststelle »FZV« ein Zettelsupplement zu führen, das die laufenden Nachträge zur jeweils letzten FZV-Mikrofiche-Ausgabe verzeichnete und zugleich für die FZV-MitarbeiterInnen das einzige Nachweisinstrument über neue und neu korrigierte Titel und Bestände war, bis die an die BWZ-Zentrale versandten Erfassungsformulare wieder nach Freiburg zurückgeschickt waren. Ein Vorteil des Offline-Verfahrens lag in der normierenden und kontrollierenden Funktion der BWZ-Zentrale in Stuttgart: innerhalb der 138 Zeitschriftenkatalogisierung im Wandel

Leihverkehrsregion Baden-Württemberg konnte so eine einheitliche Anwendung und Interpretation der Katalogisierungsregelwerke (ZETA2 und RAK-WB) erreicht werden, was sich auf die Qualität der Titelaufnah­ men positiv auswirkte.

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ZETA: Format und Konventionen für die Zeitschriften-Titelaufnahme in der Zeitschriftendatenbank. 5. Aufl. Berlin 1989.

139 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

2. Die Umstellung von Offline- auf Online-Betrieb 1989/90 Das Jahr 1989 sollte für die MitarbeiterInnen der Zeitschriftenkatalogi­ sierung einschneidende Änderungen in Bezug auf die Katalogisierungs­ technik bringen. Die ZDB wurde ab April 1989 für Titel- und Körper­ schaftsaufnahmen und ab Juli 1989 für Bestandsmeldungen geschlossen. Während der halbjährigen Schließungszeit bis Ende September wurden die ZDB-Daten in das neue IBAS-Format3 überführt; neue Daten und Korrekturen konnten während der Schließungszeit nicht eingegeben werden. Das FZV erschien deshalb 1989 nur in einer Mikrofiche-Ausgabe im Mai mit den Daten, die bis zur Schließung der ZDB angefallen waren. Die Universitätsbibliothek Freiburg machte von dem Angebot der BWZ-Zentrale Gebrauch, alle Neuaufnahmen und Korrekturwünsche wie bisher üblich nach Stuttgart zu schicken, wo sie bis zum Ende der Schlie­ ßungszeit gesammelt wurden. Dadurch wurde verhindert, daß die Einzelbibliotheken beim Start der Online-ZDB auch noch einen halbjähri­ gen Rückstau an Neuaufnahmen und Korrekturen abzuarbeiten hatten. (Die BWZ-Zentrale hatte unter diesem Verfahren natürlich zu leiden, da nun in Stuttgart die aus ganz Baden-Württemberg angesammelten Erfas­ sungsformulare abgearbeitet werden mußten.) Es war vorgesehen, daß sich die an der ZDB beteiligten Bibliotheken während der Schließungszeit in das neue Format einarbeiten sollten; für die Bibliotheken der BWZ-Region sollten Schulungen in Stuttgart stattfinden. Das theoretische Lehrmaterial, das »Handbuch für die IBAS-ZDB«, hatten die beteiligten Bibliotheken auch rechtzeitig erhalten, allerdings kam es in der BWZ-Region zu Verzögerungen beim Einsatz der hier verwendeten Hardware. Die Bibliotheken der Leihverkehrsregion Baden-Württemberg wollten mit den Tandberg-Terminals, mit denen bereits im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) katalogisiert wurde, auch in der ZDB katalogisieren. Der Programmieraufwand, der dazu vom Deut­ schen Bibliotheksinstitut in Berlin zu leisten war, war größer als ur­ sprünglich geplant. So konnte erst im November 1989 der Anschluß der Tandberg-Terminals an die ZDB realisiert werden. 3

IBAS: Informationssystem beliebiger Anwendungsstrukturen.

140 Zeitschriftenkatalogisierung im Wandel

Zur Vorbereitung auf die Online-Katalogisierung nahm ich von Oktober bis November 1989 an der von Herrn Werth für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Monographientitelaufnahme abgehaltenen SWB-Schulung teil. (SWB und ZDB benutzen beide diesselbe Grundsoftware, so daß die Arbeitstechnik vergleichbar ist). Ab Mitte November hatte ich als »Gast« der Monographientitelaufnahme die Möglichkeit, an einem Tandberg-Ter­ minal erste Versuche in der Test-Version der Online-ZDB durchzuführen. Ende November fand dann in der BWZ-Zentrale in Stuttgart eine zwei­ tägige Schulung für die Vertreter der einzelnen BWZ-Bibliotheken statt. Frau Hoffmann erläuterte Änderungen des Regelwerks ZETA und wies uns vor allem in den Umgang mit dem neuen IBAS-Format ein. In Stuttgart erhielt ich auch den »geheimen« Zugangscode für die »echte« Katalogisierungs-ZDB ausgehändigt, der uns endlich den Blick in die neue Epoche ermöglichte. Im Dezember wurden zum letzten Mal die rosa Bestandsformulare mit dem Bücherauto an die BWZ-Zentrale geschickt; damit ging die Periode der Offline-Erfassung für Freiburg zu Ende. Die »heiße Phase« begann dann für alle MitarbeiterInnen des FZVs im Januar 1990. Da in der Dienststelle FZV zunächst noch kein Anschluß an die ZDB vorhanden war, begannen wir mit der Schulung im »Bunker« der Universitätsbibliothek. Nach kurzer Zeit stand uns aber im FZV das erste Tandberg-Terminal zur Verfügung und wir konnten schon im Januar die ersten Bestandsmeldungen online eingeben. Der offizielle Start für die Online-Titelaufnahme erfolgte (wie für die Katalogisierung im SWB) am 1. Februar 1990.

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3. Erfahrungen mit dem Online-Betrieb seit 1990 Die Einarbeitung in das IBAS-Format verlief ohne größere Schwierig­ keiten. Für uns änderte sich zwar die Katalogisierungstechnik durch die Einführung der EDV, das Regelwerk (ZETA) blieb aber - abgesehen von einigen Ergänzungen und Korrekturen, die durch das neue Format erforderlich wurden - unverändert; die Strukturierung der Titelaufnahme in einzelne Kategorien und die »Mehr-Dateien-Technik« (Titel, Körperschaften, Bestände) mit den entsprechenden Verknüpfungsmög­ lichkeiten waren schon aus dem Offline-Verfahren bekannt. Die Vorteile dieser Technik sind allerdings nur im Online-Betrieb unmittelbar »er­ sichtlich«: mußten früher bei der Recherche eines Titels oder einer Kör­ perschaft u.U. mehrere Mikrofiche-Verzeichnisse (ZDB, GKD, da­ zugehörige Supplemente, FZV) benutzt werden (bei Verweisungen auf andere Titel und Körperschaften z.T. unter mehrmaligem Wechseln der Mikrofiches), so sind jetzt die aus den verschiedenen Dateien stammenden Daten auf dem Bildschirm durch die entsprechenden Kategorien untereinander verknüpft und ein Wechsel in die GKD oder zu Bezugswer­ ken (Vorgänger/Fortsetzung, Beilagen u.a.) ist problemlos durch »Markie­ ren« der entsprechenden Kategorie auf dem Bildschirm möglich. Der gesamte Erscheinungsverlauf einer Zeitschrift über mehrere Titelände­ rungen hinweg kann nun auf schnellstem Weg nachvollzogen werden. Die Recherchemöglichkeiten, die im Online-Betrieb zur Verfügung stehen, sind mit der herkömmlichen Titelsuche nicht zu vergleichen: es ist nun nicht mehr erforderlich, das erste Ordnungswort eines Titels zu kennen; die Eingabe von (möglichst spezifischen) Stichwörtern aus dem Hauptsachtitel oder Nebentiteln in beliebiger Reihenfolge führt oft schon zum Erfolg. Gerade bei der Suche nach Zeitschriftentiteln ist es aber notwendig, geeignete Recherchestrategien zu beherrschen, um eine zu große »Trefferquote« von vornherein zu verhindern bzw. sie nachträglich zu verringern. Viele Titel enthalten dieselben Wörter, die z.T. wenig aus­ sagekräftig sind. (Ein wichtiges Selektionskriterium der MonographienRecherche, der persönliche Name eines Autors oder Herausgebers, steht ja in der ZDB nicht zur Verfügung). Deshalb muß die Titelsuche u.U. durch die Eingabe weiterer Suchaspekte (Erscheinungsort, körperschaftliche Urheber, Titelanfang) sinnvoll eingeschränkt werden. Es ist aber auch 142 Zeitschriftenkatalogisierung im Wandel

möglich, die Bestände eines bestimmten Bibliothekssystems (z.B. des FZVs) oder einer einzelnen Bibliothek zu einem Titel gezielt zu suchen; ebenso können Zeitschriftentitel über die ISSN oder die Signatur ermittelt werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Titelsuche ist allerdings die fehlerfreie Eingabe der Suchbegriffe, da der Rechner Begriffe mit Schreibfehlern oder in falscher grammatischer Form nicht dem gesuchten Titel zuordnen kann. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Mikrofiche-Ausgaben der ZDB und GKD einen besseren Überblick als die Bildschirmseite verschaffen: große Körperschaftskomplexe der GKD oder Titelaufnahmen, die sich über mehrere Bildschirmseiten erstrecken, sind in den Mikrofiche-Ausgaben übersichtlicher dargestellt. Das Online-Verfahren bewährt sich vor allem in der täglichen Katalogisierungspraxis: alle neu eingegebenen Daten sind sofort für alle ZDB-Teilnehmer, die über einen Online-Anschluß verfügen, nutzbar; dadurch wird die früher nicht zu umgehende Doppelarbeit vermieden. Jeder Titel wird jetzt für die ZDB nur noch einmal katalogisiert, an eine neue Titelaufnahme der Universitätsbibliothek Heidelberg kann z.B. sofort nach der Eingabe in die ZDB die Bestandsmeldung einer Freiburger Bibliothek angehängt werden. Bestandskorrekturen, die das FZV betreffen, werden jetzt von uns sofort am Terminal erledigt; Korrekturwünsche zu Titel- und Körperschaftsaufnahmen werden über einen »elektronischen Briefkasten«, die »Mail-Box« online an die Zentralredaktionen der ZDB in Berlin übermittelt und dort i.d.R. zügig bearbeitet (Titelkorrekturen werden innerhalb von 1-2 Tagen durchgeführt). Über die Mail-Box können auch Anfragen an die BWZ-Zentrale oder die Zentralredaktionen gerichtet werden, die die Interpretation der Regelwerke oder schwierige Titelkom­ plexe betreffen. Einige Wünsche aus der Sicht des »Online-Bearbeiters« sind allerdings bisher noch offen geblieben: die Kurztitellisten, die nach einer Titelre­ cherche auf dem Bildschirm angezeigt werden, sollten in alphabetischer und nicht wie bisher in chronologischer Reihenfolge (d.h. die zuletzt einge­ gebene Titelaufnahme erscheint an erster Stelle) geordnet werden. Ein größeres Problem stellen die häufigen Ausfallzeiten der ZDB dar: Störungen traten sowohl im Bereich des Vorrechners im Deutschen Bibliotheksinstitut als auch im Wissenschaftsnetz auf, vor allem aber sind 143 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

die Programme für die Tandberg-Terminals noch ziemlich instabil. Die Ausfallzeiten im ersten Betriebsjahr schwankten von einigen Minuten bis zu mehreren Stunden täglich; es gab Zeiten, in denen es sinnvoll war, eine Titelaufnahme in mehreren Schritten einzugeben und nach jeder Teileingabe die Daten zu sichern, um nicht ständig von vorne beginnen zu müssen. Wir mußten uns erst daran gewöhnen, daß nun die Technik darüber bestimmte, wann und wie lange wir mit der ZDB arbeiten konnten. Insgesamt gesehen haben sich aber die Ausfallzeiten der ZDB in letzter Zeit verringert. Die Einführung der Online-Katalogisierung hatte auch auf den internen FZV-Geschäftsgang ihre Auswirkungen: die Weiterführung des FZVZettelsupplements konnte eingestellt werden, die aufwendige Verwaltung der rosa Bestandsformulare und das Korrekturlesen der Einleseprotokolle entfiel mit dem Start des Online-Betriebs. Dafür ist bei der Online-Arbeit erhöhte Konzentration gefordert: da die BWZ-Zentrale ihre Funktion als direkte Kontrollinstanz verloren hat, sind die Einzelbibliotheken stärker als zuvor für ihre Katalogisate verantwortlich; die kritische Selbstprüfung der eingegebenen Daten ist unerläßlich, um möglichst fehlerfreie Aufnahmen zu erstellen. Ein Schreibfehler im Sachtitel oder Erscheinungsort kann einen Titel für die Online-Recherche in der Datenbank unauffindbar machen! Für die Benutzer des Freiburger Zeitschriftenverzeichnisses hat sich durch die Umstellung der Katalogisierungstechnik keine sichtbare Änderung ergeben: das FZV erscheint weiterhin halbjährlich als Mi­ krofiche-Ausgabe. Diejenigen Institutsbibliotheken, die jetzt an der OnlineKatalogisierung im SWB teilnehmen, haben - wie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Monographientitelaufnahme der Universitäts­ bibliothek - auch im SWB lesenden Zugriff auf die FZV-Daten, die künftig monatlich (Titel) bzw. vierteljährlich (Bestände) aktualisiert werden sollen. Der geplante OPAC soll dann auch für die Benutzer den Online-Zugriff auf die Daten des Freiburger Zeitschriftenverzeichnisses ermöglichen.

144 Zeitschriftenkatalogisierung im Wandel

Jutta Amedick DER FREIBURGER GESAMTKATALOG1 1. Allgemeines 1.1 Allgemeine Voraussetzungen Seit 1968 wird in Freiburg ein Bibliothekssystem aufgebaut2. Der Gesamtkatalog ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Unternehmung. Der Aufbau von Gesamtkatalogen lag in den 60er und 70er Jahren mehr oder weniger »in der Luft«, genährt vor allem durch die eklatanten Mängel in der Literaturversorgung an vielen alten Universitäten, die besonders im Vergleich mit den eher »amerikanischen« Verhältnissen Freihandbestände, Sofortausleihe - an den neugegründeten Universitäten auffielen. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und später die Empfeh­ lungen der DFG hatten die Einrichtung von Gesamtkatalogen an Universitäten mit zweigleisigem Bibliothekssystem für unerläßlich gehalten, im Bibliotheksgesamtplan Baden-Württemberg und im Hoch­ schulgesetz fanden die Empfehlungen ihren Niederschlag, und schließlich wurden auch Mittel zu ihrer Verwirklichung bereitgestellt. 1971 begann man in Freiburg, Heidelberg und Tübingen mit dem Aufbau von Monographien-Gesamtkatalogen. »Gesamtkatalog« im oben gebrauchten Sinn heißt stets Nachweis von Büchern und Zeitschriften. Da in Freiburg die zentrale Erschließung der Zeitschriften in Form des - gedruckten - »Freiburger Zeitschriften­ 1

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Eine ziemlich ausführliche Darstellung der Entstehung des Freiburger Gesamtkatalogs findet sich in: DORSCH, Klaus-Dieter: Gesamtkataloge in Baden-Württemberg : die lokalen Monographien-Gesamtkataloge im Bezugsnetz mehrschichtiger Hochschulbibliothekssysteme in Baden-Württemberg. Heidelberg : UB, 1985 (Heidelberger Bibliotheksschriften 21). Vgl. die Darstellung in Band 2 dieser Festschrift von W. SÜHL-STROHMENGER: Das Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.

145 Der Freiburger Gesamtkatalog

verzeichnisses (FZV)«3 schon lange gelöst war, ging es hier um den Aufbau eines Gesamtkatalogs der Monographien, zunächst der Universität, später der Gesamthochschulregion. Der jahrzehntelange Kontakt zwischen FZV einerseits und Institutsbibliotheken und sonstigen Bibliotheken anderseits4 hatte bereits Formen der Zusammenarbeit institutionalisiert, auf die zum Teil zurückgegriffen werden konnte. Alle bisher mit dem FZV kooperie­ renden Bibliotheken waren mit Sigeln versehen. Die Freiburger Bibliothekslandschaft war gekennzeichnet durch eine Vielzahl bibliothekarischer Einrichtungen unterschiedlichster Größe; sie reichten von Bibliotheken mit mehreren hunderttausend Bänden und Verwaltung durch Fachpersonal bis zu nebenamtlich betreuten Buch- und Zeitschriftenbeständen von wenig mehr als tausend Bänden. Seit 1968 waren mehrere naturwissenschaftliche Fakultätsbibliotheken aufgebaut und die Bestände dabei neu katalogisiert worden; die Entwicklung war 1971 noch im Gang. Die Katalogisierung fast aller Neuzugänge in diesem Bereich war gesichert, die Erfassung der Altbestän­ de geplant. Die in den Bibliotheken vorhandenen Kataloge waren äußerst uneinheitlich und von unterschiedlichster Qualität. Es gab keine einheitliche Regelanwendung. Bei der Planung für den Aufbau des Freiburger Gesamtkatalogs ging man von einem Ansatz von 125 Bibliotheken mit einem geschätzten Bestand von 1 Mio Bänden aus. Pro Jahr wurden 50.000 bis 80.000 Bände Neuzugang erwartet. 1.2 Grundsätzliche Festlegungen Einige grundsätzliche Entscheidungen mußten im Vorfeld des Kata­ logaufbaus getroffen werden: - Trennung vom UB-AK: Die Monographien-Kataloge der Univer­ sitätsbibliothek waren zu dieser Zeit noch »preußisch«, das FZV benutzte die GAZS-Ordnung. Der neue Katalog sollte die mechanische 3

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Das Zeitschriftenverzeichnis seinerseits wurde Anfang der 80er Jahre in das BWZ eingearbeitet und trug damit auch zur überregionalen Erschließung der Freiburger Zeitschriftenbestände bei. Vgl. oben H. MAURER: Sonderarbeiten der Katalogabteilung 1967-1991.

146 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

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Wortfolge ohne Auslassungen zur Ordnung verwenden. (Die Preußi­ schen Instruktionen galten als nicht mehr zukunftsträchtig, der UB-AK stand sozusagen »auf Abbruch«, bestand zudem noch aus zwei Teilen.) Damit war die Trennung vom UB-AK5 festgeschrieben; allerdings verwendeten nun alle alphabetischen Kataloge unterschiedliche Regeln. Das sollte ein vorübergehendes Problem sein: der UB-Katalog würde in absehbarer Zeit6 abgebrochen werden, das FZV seinerseits war im Begriff, als Teil des BWZ bearbeitet und damit ebenfalls auf neue Regeln umgestellt zu werden. Zweiteilung: Wegen der sehr unterschiedlichen Ausgangssituation wurde der Katalog zunächst in zwei Teilen aufgebaut, als »GK Geisteswissenschaften« und »GK Nat./Med.« (später GK I und GK II). Einmal wegen der Benutzung: die räumliche Lage der naturwissen­ schaftlichen Institute und der medizinischen Einrichtungen hat zur Folge, daß die Studenten der entsprechenden Fächer im Verlauf ihres Studiums fast gar nicht ins Zentrum kommen; das führte auch zur Teilung der Lehrbuchsammlung. Zum anderen wegen der Bearbeitung: die naturwissenschaftlichen Kataloge waren durch die Vorarbeiten sehr viel homogener, die Karten kamen bereits über die Titelkartenvervielfältigung der Universitätsbibliothek, und die Bearbeitung konnte wesentlich schneller erfolgen. Die Trennung wurde nie festgeschrieben, aber bis zur Stunde hat es, trotz der offenkundigen Nachteile, keinen Anlaß gegeben, die Zweigleisigkeit aufzugeben. Sigel: Die bisher im FZV benutzten Sigel der Bibliotheken wurden zur Kennzeichnung in dem neuen Katalog übernommen. Titelkartendruck: Wichtig für die Führung des geplanten Kataloges war, daß nach erfolgter Erfassung des Altbestandes die Nachmeldung des Neuzugangs gesichert sein mußte. Die Universitätsbibliothek bot dazu die Teilnahme am Titelkartendruck der Universitätsbibliothek an, die bald für alle an den Gesamtkatalog angeschlossenen Bibliotheken der Universität kostenlos war. Wichtig: die Trennung der GK- und der Institutskarten erfolgt bereits in der Universitätsbibliothek. Auch technisch und raummäßig wäre ein integrierter Gesamtkatalog zu dieser Zeit nicht zu verwirklichen gewesen. Was allerdings erst 1990 der Fall war.

147 Der Freiburger Gesamtkatalog

* Um den Katalog zu erstellen, wurden die Kataloge der dezentralen Bibliotheken der Universität kopiert (im Internationalen Bibliotheksformat - IBF), die Karten zu einem Alphabet vereinigt, Mehrfachnachweise dabei durch Sigelübertragung auf einer Karte vereinigt, und ab Erfassungszeit­ punkt wurde der nachgemeldete Neuzugang laufend eingearbeitet. So war das also. War es so? Nach Radio Eriwan: im Prinzip ja...

2. Erfassung des Materials 2.1 Bestandsaufnahme der Kataloge Die Kataloge der Seminar- und Institutsbibliotheken wurden in Augenschein genommen, und die Entscheidung über die weitere Bearbeitung getroffen. Mit der Bibliotheksleitung wurden die Bedingungen der Zusammenarbeit geklärt (zuverlässige Meldung des Neuzugangs, Zulassung fachfremder Benutzer). Bei der Besichtigung der Kataloge wurde u. a. geprüft: a) Art und Zahl der geführten Kataloge, Vollständigkeit. b) Umfang (errechnete Menge der Karten). c) Regeln, bibliographischer Standard. d) Kartenformat, technische Qualität (wie etwa schwaches Schriftbild, handschriftliche Eintragungen, farbige Karten). Entsprechend fielen die Kataloge im wesentlichen unter eine der folgenden Kategorien: 1. Kopierbar 1:1. 2. Abweichendes Format, aber kopierbar auf IBF ohne zu große Qualitätsverluste. 3. Nach Vorarbeiten kopierbar. 4. Nicht für Kopie geeignet. Alle Kataloge, die tragbar schienen, wurden kopiert; der Rest mußte teilweise oder ganz neu katalogisiert werden. 148 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

2.2 Kopieren von Katalogen Die Kosten der beiden Möglichkeiten - Kopieren oder neu Katalogisieren mußten gegeneinander abgewogen werden. Die zunächst billigere Lösung, das Kopieren, brachte, wenn der Katalog in der Qualität zu schlecht war, bei der Einarbeitung in den Gesamtkatalog derart viele Folgearbeiten mit sich, daß letzten Endes die Kosten einer Sanierung wieder eingeholt wurden, ohne daß deren Ergebnis erreicht wurde. Leichter fiel die Entscheidung über die technische Qualität: die Erfahrungen der Universitätsbibliothek mit den stark verkleinerten und teilweise handschriftlichen Karten des »alten« Katalogs, die die Qualität des UB-AK insgesamt ziemlich beeinträchtigten, waren frisch in Erinnerung, und wiederholen wollte man diesen Fehler nicht. Kopieren stellte natürlich das schnellere Mittel dar, denn die Karten lagen innerhalb weniger Wochen zur Bearbeitung vor, während sich auch die beste Sanierung bei optimalen Bedingungen mehrere Monate hinziehen mußte. So wurden im Mai 1971 die ersten Kataloge zum Kopieren wegge­ schickt - in Pappkartons verpackt wie schon beim Kopieren der UBKataloge. Die Originale gingen an die Bibliotheken zurück, die Kopien an den Gesamtkatalog. Beim Kopiervorgang wurde um 10% verkleinert und auf alle Karten das jeweilige Sigel eingeblendet. Von diesem Zeitpunkt an mußten die Bibliotheken auf den Karten ihres Neuzugangs das Sigel angeben. Mußte von abweichenden Formaten kopiert werden, wurde der komplette Katalog auch für das Institut kopiert, das von da an für den Neuzugang auf IBF umstieg. Das zog auch die Anschaffung von Katalogschränken in den Bibliotheken nach sich, für die mit Unterstützung durch die Universitätsbibliothek möglichst Sondermittel beantragt wurden. 2.3 Sanierung »Nach Vorarbeiten kopierbar« bedeutete entweder Umordnen auf mechanische Wortfolge und/oder Befreiung des Kataloges von »Ballast« (bibliographische Einträge) oder »Teilsanierung«, d. h. Nachschreiben 149 Der Freiburger Gesamtkatalog

sehr schlechter Karten oder teilweise Neukatalogisierung. Nicht immer war es möglich, diese Arbeiten vor dem Kopieren zu erledigen; die Zeitplanung und die Befristung der Mittel sowie der Mangel an verfügbarem Fachpersonal zwangen vielfach zur Kopie vor Bearbeitung. Auch ließ sich das Ausmaß der Folgearbeiten bd der GK-Bearbeitung eines derartigen unsanierten Katalogs zuweilen nicht genau einschätzen. Kataloge dieser Art wurden in den ersten Jahren notgedrungen unverndert kopiert; spàter konnten einige zuerst revidiert und anschließend kopiert werden. Die gänzlich unbrauchbaren Kataloge mußten völlig neu erstellt werden. Bei »Totalsanierung« bot sich die Gelegenheit, den Bestand zu sichten, zu verkleinern und u. U. auch neu aufzustellen, was in vielen FäIlen längst nôtig war. Da durch solche Maßnahmen die Bibliothek einige Zeit nicht oder nur schwer benutzbar war, erforderten derartige Sanierungen sorgfâltige Zeitplanung, genügend Personal zur rechten Zeit und vor allem gute Zusammenarbeit zwischen der GK-Leitung und der Bibliothek. Die Sanierung selbst fand in den Bibliotheken statt und wurde von »fliegenden Kolonnen« durchgeführt, teilweise unter Mithilfe des Institutspersonals; in einigen Fällen wurden und werden Bibliotheken auch ausschließlich aus eigenen Mitteln saniert. Selbstverständlich ergab jede Art von Sanierung auch Abzüge für den Gesamtkatalog7.

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Zum Thema Sanierung siehe auch unten 3.4. und 3.6.

150 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3. Der Freiburger Gesamtkatalog 1971 – 1991 3.1 Kurzer Überblick über die Entwicklung Im Mai 1971 wurden die ersten Kopien hergestellt. Vorrang bei der Bearbeitung hatten die großen Seminar- und Institutskataloge der Geisteswissenschaften sowie der einzige bis dahin vorhandene Fakultätskatalog, der ZK Theologie. 1971 wurden 217.503 Karten für den GK I kopiert, und zum Jahresende waren 27.000 Karten (= 2 Bibliotheken) in einem ersten Alphabet vereinigt; für den GK II lagen 24.500 Karten vorsortiert vor. Ende 1973 waren insgesamt 271.500 Karten benutzungsfertig be­ arbeitet. Der Katalog wurde zum WS 1973174 ôffentlich zugänglich aufgestellt. 1974- : Der Katalog wird erweitert um den Nachweis relevanter Buchbestände aus weiteren Bibliotheken in Freiburg (und der Gesamthochschulregion). Zum Jahresende 1978 (Zeitpunkt des Einzugs in den Neubau der Universitätsbibliothek) enthielt der GK 1712.000 Karten, der GK II 140.000 Karten. Der augenblickiiche Stand (Zahlen von Ende 1990) ist: GK I mit 52 enthaltenen Bibliotheken und ça 1,5 Mio Karten, der GK 11 mit 48 Bibliotheken und 230.000 Karten. 3.2 Mittel Ab 1971 standen für 5 Jahre Landesmittel für den Aufbau eines universitären Gesamtkataloges in Freiburg zur Verfügung; dazu kamen 1976 bis 1980 noch einmal Mittel für die Erweiterung des Projekts auf einen Gesamtkatalog der Gesamthochschulregion. Da die Sach- und Personalmittel befristet waren und pro Haus­ haltsjahr bewirtschaftet werden muBten, war eine exakte Situationsanalyse und Planung nötig, um die Vorgaben einigermaßen zu erfüllen. Die Beantragung und Verwendung der Mine] und schließlich der Nachweis der Ausgaben fand ihren Niederschlag in jährlichen Rechenschaftsberichten an das Kultusministerium. 151 Der Freiburger Gesamtkatalog

3.3 Der Aufbau des ôrtlichen (universitären) Gesamtkatalogs ( 19711975) In den Jahren 1971 bis 1975 wuchs der Katalog auf 512.300 (0K I) bzw. 87.600 Karten (GK II) und enthielt nun die Bestände von 32 (bzw. 488) (0K I) bzw. 26 (GK II) Bibliotheken. Dabei wurden sowohl die kopierten Kataloge eingearbeitet wie die Karten der laufenden Sanierungen und des Neuzugangs. Als 1975 die Sondermittel für Kopien ausliefen, war der Aufbau aber noch keineswegs abgeschlossen. Im Bereich des GK I standen u. a. noch aus die Bibliothek für Rechtswissenschaft (Kopie nach Sanierung) sowie die übrigen Bibliotheken der Juristischen Fakultät (Sanierung aus eigenen Mitteln der Fakultät), Sportwissenschaft, Pädagogik, Philosophie, Sprachwissenschaft, Soziologie und Musikwissenschaft. Dazu kamen unvollständig erfaßte Altbestände aus verschiedenen Bereichen. Dem GK II fehlten fast alle Klinikbibliotheken und eine Reihe der naturwissenschaftlichen Institute sowie Teile der Forstwissenschaft. 3.4 Der Gesamtkatalog der Gesamthochschulregion - GHS-GK (1976 ff.) Obwohl also das Ziel eines universitären Gesamtkatalogs noch nicht erreicht war, wurde der Katalog in den nächsten Jahren erheblich erweitert um eine Reihe außeruniversitärer und teilweise sogar außerörtlicher Bibliotheken. Der Modellversuch »Aufbau eines Gesamtkatalogs und eines gemeinsamen Zeitschriftenverzeichnisses für die bibliothekarischen Einrichtungen in der Gesamthochschulregion Freiburg« brachte noch einmal Mittel für Kopie sowie Personalmittel, wenn diese allein für die Bearbeitung der neuen Zettelmengen auch nicht ausreichten. Es kamen also hinzu die Pädagogische Hochschule, das Militär­ geschichtliche Forschungsamt, die Caritasbibliothek (deren Einarbeitung sich wegen des schwierigen Materials allerdings länger hinzog), Das 8

»bzw. 48«: im internen Gebrauch (z. B. Jahresberichte) wird nach Sigeln gezählt; hier erscheinen daher die theologischen Institutshihliotheken als eigene Einheiten neben der Verbundbibliothek.

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Arnold Bergstraesser-Institut (nur neuerer Teil) sowie die Fachhochschule für Verwaltung in Kehl - alle in den GK I, sowie die Ingenieurfachhoch­ schule Furtwangen in den GK II. Die Erweiterung erhöhte den Informationswert des Katalogs be­ trächtlich; lediglich die auswärtigen Bibliotheken - die Fachhochschule für Verwaltung in Kehl für den GK I und die Ingenieurfachhochschule in Furtwangen9 für den GK II - brachten eigentlich keinen nennenswerten Gewinn für die Benutzung. Bis 1988 waren im geisteswissenschaftlichen Bereich alle noch ausstehenden universitären Bestände erfaßt, mit Ausnahme des Musikwissenschaftlichen Seminars, dessen Bestand seit Ende 1988 als erster auf Freiburger Boden im Rahmen des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB) katalogisiert wird10. - Im Bereich der medizinischen Bibliotheken wurden zwei Klinikbibliotheken saniert. Neben diesen von der Universitätsbibliothek initiierten und vom Personal der Dienststelle getragenen Sanierungen liefen und laufen ständig Sanierungen, die von den Institutionen selbst getragen werden. Neben der noch andauernden Sanierung im Bereich der Rechtswissenschaft waren es vor allem außer-universitäre Bibliotheken, die sich selbst um die Sanierung ihrer Bestände kümmerten und dem Gesamtkatalog ihre Mitarbeit anboten: 1980 Bibliothek des Erzbischöflichen Ordinariats (nicht abgeschlossen) 1982 Landesstelle für Volkskunde (nicht abgeschlossen; unterbrochen) 1983 Alemannisches Institut (ABM) 1985 Augustinermuseum (nur Neuzugang) 1986 Fachhochschule für Sozialwesen, Religionspädagogik und Ge­ meindediakonie, zunächst nur mit dem Neuzugang 1988 Museum für Ur- und Frühgeschichte (ABM) 1989 Fachhochschule für Sozialwesen, Religionspädagogik und Ge­ meindediakonie (Altbestand; keine Sanierung, sondern Katalog­ kopie). 9

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Die Zettel aus Furtwangen wurden zunächst teilweise bearbeitet. Da die Nach­ lieferungen aber in einer für den Katalog nicht tragbaren Form erfolgten, wurde der Nachweis dieser Bibliothek bald wieder aufgegeben; der GK II enthält nur die Meldungen weniger Jahre. Vgl. dazu den Bericht von C. MÜHL-HERMANN: Katalogsanierung mittels Verbundkata­ logisierung im Musikwissenschaftlichen Seminar, in Band 2 dieser Festschrift.

153 Der Freiburger Gesamtkatalog

Es stehen nun noch drei Klinikbibliotheken und mehrere medizinische Institutsbibliotheken aus, dazu einige Altbestände, die nicht oder nur unzureichend erfaßt sind. Außerhalb der Universität gibt es ebenfalls Bibliotheken, deren Erfassung im Freiburger Gesamtkatalog wünschenswert erscheint, wie das Johannes Künzig-Institut oder das Rumänische Institut. 3.5 Räumliche Verhältnisse Für die Bearbeitung stand 1971 in der Universitätsbibliothek kein Raum zur Verfügung, für die nötigen Katalogschränke schon gar nicht. Zunächst wurde die Arbeit in drei Räumen im Hinterhaus Werderring 6 aufgenommen. Der schnell wachsende Katalog brauchte aber möglichst längerfristig einen ausreichenden und für Benutzer erreichbaren Standort. So erhielt nach dem Umzug des Rektorats in das neue Gebäude (Heinrich von Stephan-Straße) der Teil »GK Geisteswissenschaften« im August 1973 seinen Platz im 1. OG des KG I im sog. »Rektoratsgang«. Ausreichende Arbeitsräume für die Mitarbeiter standen nicht gleichzeitig zur Verfügung; zunächst wurde ein Raum auf dem gleichen Geschoß, später ein weiterer im EG des Gebäudes bezogen, während ein Teil der Mitarbeiter noch immer im Werderring arbeitete, wo die Räume erst 1977 geräumt werden mußten. - Der »GK Nat.Med.« wurde im Sommer 1973 in die Bibliothek des Chemischen Laboratoriums (heute: Fakultätsbibliothek Chemie und Pharmazie) »umgezogen«, wo er bis heute steht. Von da ab wurde auch ein eigenes Arbeitsteam gebildet. Gleichzeitig - zum WS 1973/74 - wurden beide Katalogteile der Benutzung übergeben (was die Bearbeitung selbst nicht erleichterte). Dem Aufbau des GK I wurde nun Priorität zuerkannt. Der GK I blieb an seinem Platz, bis der Bezug des UB-Neubaus endlich seine Aufstellung neben dem UB-AK möglich machte. Der GK II, weiterhin in der Fakultätsbibliothek Chemie und Pharmazie, wurde 1979 und 1984 komplett verfilmt, und die hergestellten Microfiches wurden nicht nur in der Universitätsbibliothek als Ergänzung zum GK I, sondern auch in mehreren Bibliotheken im naturwissenschaftlichen und medizinischen

154 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Bereich angeboten11. Das Problem der Arbeitsräume löste auch der Einzug in den Neubau zunächst nicht befriedigend; aber nach einem Umzug vom 3. ins 2. OG befinden sich die Bearbeiter wieder auf dem gleichen Geschoß wie der Katalog. 3.6 Personal Während der Aufbauphase war zwar, vereinfacht ausgedrückt, genügend Geld da, aber zu wenig Arbeitskraft. Es erwies sich als nicht einfach, an qualifiziertes Personal (Dipl.bibl.) heranzukommen, zumal für nicht planmäßige, befristete Arbeitsverhältnisse. An studentischen Hilfskräften dagegen war kein Mangel. So ist die gesamte Aufbauzeit des Gesamt­ katalogs gekennzeichnet durch ein ausgesprochenes Ungleichgewicht zwischen Fachkräften, vor allem solchen mit längerer Verweildauer und längerer Erfahrung, und den ständig wechselnden studentischen Hilfskräften. Das bedeutete minutiöse Stunden- und Arbeitspläne, häufiges Einarbeiten ständig wechselnder Mitarbeiter, Vor- und Nachbereiten von deren Arbeit; dazu noch drangvolle Enge, weite Wege zum Katalog und vor allem zu den Nachschlagewerken. Die Auflistung der verschiedenen Arbeitsverhältnisse im Jahresbericht füllt mehrere Seiten - als Beispiel die Lage im Jahr 1975: 3 Dipl.bibl. ganzjährig + 5 mit Arbeitsverhältnissen von drei bis zu elf Monaten + 13 (!) mit wechselnden Arbeitsverhältnissen, die aus Sondermitteln bezahlt wurden, dazu 11 Hiwis aus UB-Mitteln + 13 aus Sondermitteln + 2 aus Institutsmitteln. Davon hatten insgesamt 19 Personen die Arbeit im Berichtsjahr neu aufgenommen, 14 beendeten sie. Ein und dieselbe Person erscheint u. U. in mehreren Rubriken, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten aus unterschiedlichen Mitteln bezahlt wurde. Nach dem Auslaufen der Sondermittel blieben nur beschränkte Mittel für »Hiwis«, die seit 1983 gänzlich entfielen. Seitdem arbeitet die Dienststelle ohne studentische Hilfskräfte. 1981 endete auch die Beschäftigung einer eigenen Bearbeiterin für die 11

Seit der letzten Verfilmung wird ein Supplement geführt, das 1987 verfilmt wurde und mit dem Stand 1990 verfilmt werden wird.

155 Der Freiburger Gesamtkatalog

Führung des Gesamtkatalog II (24 Stunden/Monat), die allerdings durch etwa ebenso viele Arbeitsstunden aus der Dienststelle unterstützt worden war. Seit 1982 wird der Gesamtkatalog II von den Mitarbeitern der Dienststelle betreut und bis zum Einlegen in den Katalog auch in den Arbeitsräumen vorbereitet. Die Schulung der eigenen, häufig wechselnden Mitarbeiter nahm unverhältnismäßig viel Zeit und Arbeitskraft in Anspruch, zumal wenn die Zahl der Fachkräfte klein, die der Hilfskräfte groß war (siehe oben). Ein ähnliches Problem stellte die Ausbildung der nicht bibliothekarisch vorgebildeten Betreuer von diversen kleinen Bibliotheken dar: sie wurden in mehreren Kursen auf die Grundregeln der Titelaufnahme geschult. Die Kurse erfreuten sich großer Beliebtheit und wurden z. T. mit sehr gutem Erfolg durchgeführt. Die Rechnung ging insgesamt nicht auf insofern, als die betreffenden Mitarbeiter(innen) häufig versetzt wurden oder aus dem Beruf ausschieden (überwiegend Halbtagsbeschäftigte), die Schulung also jeweils »verloren« war und die Nachfolger wieder neu eingearbeitet werden mußten. In anderen Fällen blieben zwar die Bearbeiter längere Zeit auf einer Stelle; das jährliche Aufkommen an Büchern und damit an Titelaufnahmen war aber so gering, daß auch die besten Kenntnisse sich kaum erhalten oder gar festigen konnten. Nach einigen Jahren wurde diese Art der Katalogisierunghilfe als wenig wirtschaftlich wieder aufgegeben. Als brauchbar hat sich erwiesen, die Katalogisierung (und nur die Katalogisierung) solcher Bibliotheken von Bibliothekaren durchführen zu lassen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: a) Kleinere Bibliotheken im Umfeld einer größeren werden von deren Personal katalogmäßig laufend mitbetreut - z. B. auf Anforderung oder mindestens 1x jährlich. Beispiel: Fakultätsbibliothek Chemie und Pharmazie mit mehreren umliegenden Instituten. b) Die Arbeitsgruppe Gesamtkatalog betreut sanierte Bibliotheken nach der Sanierung laufend katalogmäßig weiter, ebenfalls auf Anforderung, mindestens aber 1x jährlich. Beispiel: Sportwissenschaft, Hautklinik, Neurophysiologie, Sprachwis­ senschaft. In beiden Fällen ist das Ergebnis für den Gesamtkatalog (der das eigentliche Ziel einer qualitativ hochwertigen Katalogisierung ist) sehr befriedigend. 156 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

In Zukunft werden die Recherchiermöglichkeiten im SWB bei der raschen Erledigung dieser Aufgabe eine größere Rolle spielen. Aus diesem Grund wird der Transport der Bücher (oder die Kopie und Übersendung der Titelblätter) in die Universitätsbibliothek der Katalogisierung vor Ort vor­ gezogen, obwohl das vom Standpunkt der dezentralen Bibliothek her nicht die ideale Lösung ist. Während in der Aufbauphase ein Sanierungsteam eine Bibliothek nach der anderen bearbeitete, werden nach Abschluß der »heißen« Phase die verbleibenden Sanierungen vor allem aus Kräften der Dienststelle bestritten12. Es wird versucht, neben der Bearbeitung des Neuzugangs möglichst immer noch eine Sanierung »am Laufen« zu halten. Daß die Sanierungsarbeit nicht als fester Arbeitsbereich gilt, gibt der Dienststelle vermehrte Manövrierfähigkeit. Mitarbeiter können zusätzlich temporär in der Sanierung eingesetzt werden, bei Stokungen etc. aber auch jederzeit ohne organisatorischen Aufwand an ihre Arbeit in der Dienststelle zu­ rückkehren. Ebenfalls praktikabel ist der Einsatz von halbtags in Institutsbibliotheken tätigen Mitarbeitern in der Bearbeitung des Gesamtkatalogs mit der anderen Hälfte des Arbeitstages. Auch hier kann leicht einmal auf vermehrten Arbeitsanfall und Terminarbeiten im Institut reagiert werden; die Durchlässigkeit wirkt sich auch positiv aus auf das Verständnis für den jeweils anderen Arbeitsbereich.

12

Vgl. zum »Personalpool« der Dienststelle die schon genannte Darstellung von W. SÜHL-STROHMENGER im 2. Band dieser Festschrift.

157 Der Freiburger Gesamtkatalog

4. Inhaltliche Bearbeitung, Regeln 4.1Titelkartenmaterial Die Bearbeitung des Kartenmaterials in der Aufbauzeit wurde durch mehrere Faktoren erschwert: - wenig Fachkräfte, ausreichend (oder zuviele) Hilfskräfte; - keine Regeln bzw. Unsicherheit zwischen zwei Regelwerken; - sehr ungleichmäßiges Material - und nicht zuletzt auch durch die Raumverhältnisse. Der Start wurde auch dadurch nicht erleichtert, daß das »Erstlingsmaterial« die großen philologischen Bestände enthielt, - die Theologie sowie die Ge­ schichte mit anonymen Texten und mittelalterlichen Namen. Das Ineinanderordnen der kopierten Alphabetischen Kataloge zeigte sehr bald, daß es mit dem korrekten Einordnen nicht getan war: identische Titel erschienen an ganz unterschiedlichen Stellen im Alphabet, gekennzeichnete Verweisungen waren nicht vorhanden, dafür solche, die nicht auf der Aufnahme verankert waren. Stücktitel existierten, obwohl das aus der Gesamttitelaufnahme nicht zu entnehmen war, und fehlten womöglich bei Reihen. Natürlich divergierten auch die Namensansetzungen, sobald man den festen Boden der modernen Familiennamen verließ (und der war so fest auch nicht). Da die Aufnahmen teilweise extrem verkürzt waren, ließ sich auf Grund der Karte selbst auch nicht unbedingt die richtige Entscheidung treffen. Die kopierten Alphabete mußten ineinandergeordnet werden - aber nach welchen Regeln? Die unbrauchbaren Kataloge mußten durch Neukatalogisierung ersetzt werden - nach welchen Regeln? Entscheidungen über Art und Zahl der nötigen Eintragungen mußte getroffen werden woran konnte man sich orientieren? 4.2 Regeln Nun muß also doch etwas über Katalogisierungsregeln gesagt werden! Für das Verständnis des Gesamtkataloges, wie er ist, aber auch wie er so geworden ist, sind ein paar grundsätzliche Überlegungen nicht ganz zu vermeiden. 158 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Die Aufbauzeit des Freiburger Gesamtkatalogs fiel, was Katalogisie­ rungsregeln angeht, in ein ausgesprochenes Interregnum - die »Preußischen Instruktionen« hatten abgedankt, die RAK befanden sich noch in statu nascendi, und mehrere Zwischenlösungen beherrschten die Szene. 4.2.1 In den Bibliotheken »vorgefundene« / angewandte Regeln: Die vorhandenen Kataloge wurden weitgehend zwar nicht korrekt nach »Preußischen Instruktionen« geführt, lehnten sich aber in vielem an diese an. Die Namensansetzung war häufig nicht vereinheitlicht; die Ordnung erfolgte häufig mit vereinfachter nicht-mechanischer Wortfolge, also z. B. zwar 1. Substantiv, danach aber mechanische Ordnung. Auch die durchbrochene mechanische Wortfolge der GAZS-Regeln fanden sich (Übergehung »unwichtiger« Wörter). Die eigentliche Titelerfassung dagegen erfolgte nach äußerst unterschiedlichen Vorstellungen von bibliographischer Beschreibung. Originaltitel wurden fast nirgends zur Ordnung herangezogen, trotzdem aber häufig auf der Titelaufnahme genannt. In vielen Bibliotheken war die Titelaufnahme stark verkürzt, fast nirgends wurde das Titelblatt wiedergegeben, und allgemein herrschte die einfache Eintragung unter dem »Verfasser« vor, der aber auch ein (evtl. nicht gekennzeichneter) Herausgeber sein konnte. 4.2.2 Neue Regeln Bis zur Fertigstellung der RAK (1977) gab es zahlreiche Versuche, für kleinere oder auch für die neu gegründeten Bibliotheken Kata­ logisierungsregeln zu schaffen, die die nur für Fachleute anwendbaren und in vielen Punkten als unzureichend empfundenen »PI« ersetzen konnten und die vor allem dem Benutzer mehr entgegenkamen. Auch die angloamerikanischen Regeln spielten in die Überlegungen natürlich stark mit hinein. Sie alle zeichneten sich vor allem durch die Ordnung nach der gegebenen Wortfolge aus (eine Erleichterung, die sich gelegentlich als Erschwernis herausstellt), setzten in der Regel unter dem vorliegenden Titel an und versuchten, sofern sie für Laien gedacht waren, die Entscheidung über die Haupteintragung so einfach wie möglich zu machen. Von den sehnlich erwarteten »Regeln für die Alphabetische Katalo­ 159 Der Freiburger Gesamtkatalog

gisierung (RAK)« lagen 1971 nur partienweise einzelne Abschnitte als Vorabdrucke vor; entscheidende Paragraphen befanden sich noch im Umbruch, es gab keinen Überblick über das Regelwerk als Ganzes, und die Teile ergaben in manchem ein falsches Bild. Was von den im Vergleich mit den »PI« sehr detaillierten und umfangreichen Regeln zu sehen war, erweckte berechtigterweise den Eindruck, als seien sie von Laien kaum einzuhalten, und, ebenfalls zu Recht, als seien sie viel »eintragungsintensiver« als die Preußischen Instruktionen, von den in den Instituten angewandten Verschnitten ganz abgesehen. 4.3 Regelanwendung im Gesamtkatalog Das führte in den ersten Jahren dazu, daß ein Konglomerat aus Preußischen Instruktionen (PI), RAK nach Vorabdrucken, Konstanzer Regeln usw. mit einem stützenden Gerüst aus Absprachen benutzt wurde. Die RAK wurden auch nach dem endgültigen Erscheinen (1977) nicht konsequent angewendet, auch nicht bei den Sanierungen, sondern viele PIElemente weiter beibehalten und Hausregeln definiert, immer mit dem Ziel, Arbeit zu sparen und nicht zu aufwendig zu arbeiten. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von RAK-WB (1983) folgte der Katalog eigentlich keinem Regelwerk. Geordnet wurde nach der gegebenen Wortfolge und streng nach RAK (von geringfügigen formalen Abweichungen abgesehen). Angesetzt wurde teilweise noch nach den Preußischen Instruktionen. Körperschaftseintragungen wurden zunächst benutzt; nach den desaströsen Erfahrungen (ohne eine brauchbare Körperschaftsdatei) wurde die Verwendung von noch nicht im Katalog vertretenen Körperschaften für einige Jahre ganz aufgeben. Seit 1982 zunächst vorsichtig, später streng nach RAK-WB werden Körperschaftseintragungen den Regeln entspre­ chend angewandt. Seit 1983 wird versucht, die laufende Katalogführung ausschließlich an den RAK-WB und seit 1989 auch an SWB-Konventionen zu orientieren ohne im Altbestand abweichende Entscheidungen zu verändern - soweit die gelieferten / vorliegenden Aufnahmen das zulassen. Titelaufnahmen, die mit allen vorgeschriebenen Nebeneintragungen vorliegen, werden mit (fast) allen Eintragungen nachgewiesen; verkürzt katalogisierte dagegen u.U. nur 160 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

mit der in jedem Fall regelkonformen Haupteintragung und den nach Ab­ sprache für unumgänglich notwendig erklärten Nebeneintragungen. Das Prinzip, jede angebotene Information zu erhalten, die fehlenden aber nur nach Notwendigkeit zu ergänzen, beeinträchtigt die Benutzbarkeit des Kataloges nicht (wenn es auch gelegentlich zu Irritationen der Mitarbeiter führt). 4.4 Bearbeitungsmodus Das Einarbeiten in den Katalog besteht - natürlich - darin, daß in das Grundalphabet laufend kleinere Alphabete13 eingelegt werden, wobei für die neuen Karten zunehmend weniger Recherchen nötig werden, weil der Katalog selbst allein durch die Zahl der Nachweise immer mehr zu einem bibliographischen Hilfsmittel wird. Identische Titel (Mehrfachnachweise) werden durch Sigelübertragung nur auf einer Karte nachgewiesen, was nicht nur den Umfang des Katalogs etwas begrenzt, sondern vor allem seine Übersichtlichkeit steigert: das Hinter- und Nebeneinander inhaltlich wie formal stark abweichender Aufnahmen für ein und denselben Titel ist für den ungeschulten Benutzer kaum durchschaubar und führt auch beim Be­ arbeiten leicht zu »Nestern«. Die Entscheidung wird nach der »besseren« Aufnahme (inhaltlich, formal, technisch) getroffen. Verweisungen bleiben ohne Sigelübertragung, werden daher konsequenterweise nur in einem Exemplar eingelegt und auch nur einmal für alle titelgleichen Auflagen (mit »u. öfter«). Grundsätzlich gilt »Sigelübertragung nur an einer Stelle«. Häufig vorhandene Nachschlagewerke (Typ: Sprachwörterbuch) werden nicht im Katalog nachgewiesen. Orientalia, Noten14, AV-Medien, Karten und Sonderdrucke wurden ausgeschlossen. Auf den Nachweis unter Reihen wurde, von Eröffnungskarten abgesehen, verzichtet. Von unklaren Zeitschriftentiteln wird ggf. auf das FZV verwiesen. 13

14

Die laufenden Nachmeldungen sind in einem Nachtragsalphabet vereinigt, das laufend von A - Z durchgearbeitet wird, und zwar von allen Mitarbeitern gemeinsam; es gibt also kein Trennung nach Bibliotheken / Instituten oder nach Alphabetabschnitten. Die Noten aus der Bearbeitung des Musikwissenschaftlichen Seminars werden trotz der Schwierigkeiten, die ihre Katalogisierung nach RAK-Musik mit sich bringt, in den GK eingearbeitet; das scheint vertretbar, obwohl die Noten der Pädagogischen Hochschule und des Volksliedarchivs nach wie vor nicht im Katalog enthalten sind.

161 Der Freiburger Gesamtkatalog

Eine Besonderheit ist das Bearbeiten mit »geklammerten« Karten, d.h., es wird nur auf der Grundlage der Hauptaufnahme über die Aufnahme in den Katalog entschieden; die vorläufig angeklammerten Verweisungen15 werden erst anschließend in das Alphabet entlassen, evtl. analog zur Hauptaufnahme verändert. Im Prinzip wird, mit Ausnahme der SWB-Zettel, bei der Bearbeitung bis heute so verfahren. Der Freiburger Gesamtkatalog ist ein recht überzeugendes Beispiel dafür, daß sich trotz Anwendung unterschiedlicher Regelwerke in zeitlichen Schichten ein nicht gerade homogener, aber durchaus eindeutig geordneter und benutzbarer Katalog ohne ungewollte Doppelungen aufbauen und führen läßt. Natürlich ist die Intensität der Erschließung des Materials durch den Katalog nicht nur zeitlich, sondern auch je nach Herkunft des Zettelma­ terials sehr unterschiedlich.

15

Nach wie vor wird im Gesamtkatalog mit Verweisungen, nicht mit Nebeneintragugen gearbeitet (diese müssen durch Einschub von »s.« zu Verweisungen umfunktioniert werden). Das hängt mit der auf die Hauptaufnahmen beschränkten Sigelübertragung zusammen - auf eine echte Nebeneintragung müßten auch die Sigel übertragen werden.

162 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

5. Der »Nutzen« des Gesamtkatalogs Seine Bewährungsprobe mußte der mit so viel Mühe aufgebaute Katalog natürlich in der Benutzung bestehen. Wenn er seinen Zweck erfüllt, müßte das vor allem die Zahl der Fernleihbestellungen beeinflussen. Von 1974 bis 1982 wurden daher die »rosa Zettel« des passiven Leihverkehrs am Gesamtkatalog geprüft und die Fundquote notiert. Von stolzen 11 % im ersten Jahr sank sie bis 1979 auf 6,7 %, stieg dann wieder etwas an, bis sie 1982 bei 8,1 % lag, wobei der »Erfolg« im Bereich GK II meist etwas höher lag als im anderen Bereich. Auch ohne Statistik läßt sich in jedem Semester wieder beobachten, daß der Katalog zu Anfang einem Teil der Benutzer unbekannt ist, daher hohe »Erfolge« beim Nullen der Fernleihbestellungen; im Lauf des Semesters lernen ihn die meisten kennen, und die Zahl der gefundenen Titel sinkt. Aus dieser Beobachtung läßt sich zwar auf die Benutzung des Kataloges schließen, unberücksichtigt bleiben dabei aber alle diejenigen Bestellungen, die gar nicht erst aufgegeben werden, weil der Benutzer vorher bereits den Gesamtkatalog konsultiert. Daher wurde die Entwicklung der Fernleihbestellungen in Relation gesetzt zur (wachsenden) Zahl der Benutzer im gleichen Zeitraum; hier zeigte sich ein Absinken der Fernleihbestellungen ab Eröffnung des Gesamtkatalogs und später, mit wachsendem Umfang des Gesamtkatalogs, ein zumindest unterpropor­ tionales Anwachsen der Fernleihbestellungen16. Obwohl sich also der »Nutzen des Gesamtkatalogs« nur schwer in Zahlen auszudrücken läßt, ist er inzwischen doch unbestritten. Der Katalog ermöglicht die Orientierung im Dickicht der verstreuten Buchbestände, erlaubt Kaufabsprachen bzw. -verzicht und hat durch die Teilnahme der Bibliotheken der Universität an einem gemeinsamen Katalog auch die Katalogsituation und damit die Literaturerschließung in den Bibliotheken selbst verbessert. Nachdem der Gesamtkatalog seit 1989 (Musikwissenschaft) bzw. 1990 (Pädagogische Hochschule) sozusagen in kleinen Dosen an die Verarbeitung von SWB-Karten gewöhnt wurde, stehen für das laufende Jahr größere Änderungen ins Haus: der Anschluß mehrerer Fakultäts- und 16

Vgl. Hermann Josef DÖRPINGHAUS: Zum Nutzen von örtlichen Gesamtkatalogen. In: Mitteilungsblatt / VERBAND DER BIBLIOTHEKEN DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN. N.F. 32 (1982), S. .142-157; vgl. dazu INFORMATIONEN 11 (1982), S. 26-27.

163 Der Freiburger Gesamtkatalog

Fachbereichsbibliotheken an den Südwestdeutschen Bibliotheksverbund wird einen erhöhten Anteil derartiger Zettel bringen, die das Gesicht des Katalogs allmählich verändern werden. Der Assimilation von gewachsenem Katalog und Verbundaufnahmen sehen die Bearbeiter gespannt entgegen!

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Hansjürgen Maurer RETROSPEKTIVE KATALOGKONVERSION IN EINEM VERBUNDSYSTEM1 Der Beitrag berichtet über die seit Mai 1990 an der UB Freiburg laufende Katalogkonversion, die online im Verbund der Südwestdeutschen Bi­ bliotheken (SWB-Verbund) abgewikelt wird. Zunächst soll jedoch versucht werden, das in Freiburg praktizierte Verfahren in einen Ge­ samtrahmen mit den derzeit laufenden Aktivitäten zur retrospektiven Katalogkonversion zu stellen. Es liegt dabei in der Natur einer kurzen Zu­ sammenfassung, daß hierbei z.T. auch wichtige Details übergangen werden und weniger wichtige Details zu pointiert ausfallen können. Deshalb sei auf die genannten Quellen verwiesen, die die einzelnen Aspekte detailliert und im jeweiligen Kontext darstellen. 1. Zur Situation der Katalogkonversion in Deutschland Die retrospektive Katalogkonversion ist laut Haller2 »das Zauberwort, das uns seit 1980 in der Bundesrepublik fasziniert«. Durch die Ka­ talogkonversion ergibt sich die Perspektive, in einem OnlineKatalog nicht nur die seit Einführung der EDV-Katalogisierung erworbenen Titel anbieten zu können, sondern auch Titel des Altbestandes, die noch konventionell erfaßt wurden. Man erhoffte sich dadurch eine Ver­ besserung der Nachweissituation nicht nur am Ort, sondern auch im auswärtigen Leihverkehr. Aus der Sicht von heute scheint diese Faszination aber zunächst mehr theoretischer Natur gewesen zu sein, denn abgesehen von den durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Altbestandspro­ jekten in Göttingen und München war sie längere Zeit ohne größere kon­ krete Wirkung. Erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre versuchte man, 1

2

Abdruck des in ZfBB 38 (1991), S.109-128 erschienenen Beitrags. Mit freundlicher Genehmigung durch Herausgeber und Verlag. HALLER, Klaus: Altbestandserfassung oder Altbestandskatalogisierung? In: Bibliothek 13 (1989), S. 3-10, hier S. 3.

165 Retrospektive Katalogkonversion

Anschluß an die Entwicklungen im Ausland (USA, Großbritannien) zu gewinnen, wo bereits ab Mitte der 60er Jahre konventionelle Katalog­ daten mittels EDV-Verfahren konvertiert wurden. Die neu aufflakernde Diskussion über einen deutschen Gesamtkatalog auf EDV-Basis führte zwar nicht zum Erfolg, aber zumindest zur Bereitschaft, das Problem des EDVNachweises konventioneller Titeldaten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene weiter zu verfolgen. Etwa 1985 fällt auch die Entschei­ dung der DFG, weitere Altbestandsprojekte zu fördern, um die Litera­ turerschließung und durch die geplante Zusammenführung der Kata­ logisate in einem Katalog maschinenlesbarer Daten auch die Literatur­ versorgung im auswärtigen Leihverkehr zu verbessern. Es ist zu vermuten, daß neben finanziellen Aspekten insbesondere die Vorstellungen und Forderungen Fabians3 zur Verbesserung der Lite­ raturversorgung in den Geisteswissenschaften den Ausschlag dafür gaben, daß es im Verlauf der vorbereitenden Studien durch E. Lapp4 und L. Syré5 zu einer Beschränkung auf die historischen Buchbestände kam, definiert als die bis 1850 erschienene Literatur. Inzwischen fördert die DFG die retrospektive Konversion von Kata­ logdaten vor 1850 in einer Reihe weiterer Bibliotheken, die nach strengen Kriterien ausgewählt wurden und die sicherstellen, »daß die im Rahmen der Altbestandserfassung konvertierten Daten sowohl in die regionalen Verbünde als auch in den überregionalen VK einfließen«6. 3

4

5

6

FABIAN, Bernhard: Buch, Bibliothek und geisteswissenschaftliche Forschung. Zu Problemen der Literaturversorgung und der Literaturproduktion in der Bundes­ republik Deutschland. Göttingen 1983. (Schriftenreihe der Stiftung Volks­ wagenwerk. 24). LAPP, Erdmute: Nachweis des deutschen Schrifttums des 18. und 19. Jahrhunderts in Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins. Berlin 1988 (dbi-materialien. 72), und: LAPP, Erdmute: Katalogsituation der Altbestände (1501-1850) in Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West). Berlin 1989 (dbi-materialien. 82). SYRÉ, Ludger: Retrospektive Konversion. Theoretische und praktische Ansätze zur Überführung konventioneller Kataloge in maschinenlesbare Form. Berlin 1987 (dbi-materialien. 66), und: SYRÉ, Ludger: Altbestandserfassung in wissenschaftli­ chen Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1987 (dbimaterialien. 67). DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT: Altbestandserfassung in wissenschaftlichen

166 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

So bedeutend diese Projekte für die Verbesserung der Literaturver­ sorgung in den Geisteswissenschaften auch sind, so verständlich die Beschränkung auf das damals finanziell Vertretbare ist, so bedauerlich ist es aber zugleich, daß sich die DFG bei den Planungen auf die Altbestandserfassung und damit auf die historischen Bestände be­ schränkte. So wäre das Zauberwort »retrospektive Katalogkonversion« für die meisten Bibliotheken in der Bundesrepublik wohl für lange Zeit noch ein Traum geblieben, wenn nicht der Wissenschaftsrat im Jahre 1988 in seinen »Empfehlungen zur retrospektiven Katalogisierung«7 gefordert hätte, »nicht nur die historischen Altbestände, sondern auch die Katalogdaten nach 1850, insbesondere nach 1945, zu konvertieren«. Be­ gründet hat der Wissenschaftsrat seine Forderungen damit, daß in den wissenschaftlichen Bibliotheken nachweislich die neuere, nach 1945 erschienene Literatur einen Anteil von über 80 Prozent an den Entlei­ hungen aufweist und daß daher die Konversion der diesbezüglichen Kata­ logdaten besonders vordringlich für die Wissenschaft sei. Die Höhe der vom Wissenschaftsrat geschätzten Kosten (150 Millio­ nen DM) für eine Katalogkonversion von Monographien ab dem Jahre 1945 haben weder den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (BMBW) noch die zuständige Bund-Länder-Kommission davon abge­ halten, die Notwendigkeit der Aufgabe anzuerkennen und damit noch im Jahre 1988 eine entsprechende Finanzierung nicht auszuschließen. Wie wir alle wissen, ist trotzdem bis heute unser Traum immer noch nicht Wirklichkeit geworden, denn die Empfehlungen des Wissenschaftsrates trafen uns mehr oder weniger konzeptionslos an. Mit ein entscheidender Grund dafür dürfte die schon erwähnte Konzentration auf die Altbestandserfassung gewesen sein. Diese Ver­ mutung bestätigt z.B. das noch im gleichen Jahr stattfindende Kolloquium zur retrospektiven Katalogisierung in Niedersachsen8, bei dem ein großer

7

8

Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West). In: ZfBB 35 (1988), S. 51-60, hier S. 58. WISSENSCHAFTSRAT: Empfehlungen zur retrospektiven Katalogisierung an wissenschaftlichen Bibliotheken. Konvertierung vorhandener Katalogaufnahmen in maschinenlesbare Daten. Köln 1988. S. 16. Kolloquium zur retrospektiven Katalogisierung in Niedersachsen am 3. und 4. Mai 1988. Göttingen 1988.

167 Retrospektive Katalogkonversion

Teil der Vorträge von der Konversion historischer Bestände handelt. So muß E. Mittler gut ein Jahr nach der Veröffentlichung der Wissen­ schaftsratsempfehlungen bei seiner Frage »Katalogkonversion - Wende­ punkt für deutsche Bibliotheken?«9 feststellen, daß die Empfehlungen »trotz ihres Alters noch nirgendwo realisiert und so gut wie gar nicht dis­ kutiert worden sind«, und er fordert »Handeln ist angesagt«10. Landwehr­ meyer11 beschreibt noch im gleichen Jahr, was noch alles zu leisten ist: »Von der Ausarbeitung eines langfristig konsistenten Rahmenkonzeptes bis zur experimentellen Erprobung..., von der Definition von Maximalund Minimalkonzeptionen bis zur Nutzung vorhandener Datenres­ sourcen und der Abgrenzung zwischen intellektuellen und maschinellen Verfahren...«. Inzwischen sind, vom DBI betreut, acht verschiedene Teilprojekte im Rahmen des BMBW-Projektes »Entwicklung und Erprobung von Arbeitsverfahren zur Ermittlung der Kostenhöhe und Kostenverteilung der Retrospektiven Katalogisierung« angelaufen, die nach Beyersdorff12 zur Klärung folgender Haupteinflußfaktoren bei der retrospektiven Katalogkonversion beitragen sollen: -

Titelmengen, Qualitätsanforderungen an die konvertierten Daten, Fremddatennutzung, Verfahrensweisen.

Mit definitiven Ergebnissen ist bis zum Frühjahr 1992 zu rechnen. Ob diese schon ausreichen, um ein ausgereiftes Rahmenkonzept zu erstellen, wird sich erst dann herausstellen können. Erste methodische Bedenken ­ 9

10

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12

MITTLER, Elmar: Katalogkonversion - Wendepunkt für deutsche Bibliotheken? In: ZfBB 36 (1989), S. 408-418, hier S. 417. Siehe MITTLER, Elmar: Katalogkonversion - Wendepunkt für deutsche Bibliotheken? S. 416. LANDWEHRMEYER, Richard: Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur retro­ spektiven Katalogisierung an wissenschaftlichen Bibliotheken. In: ZfBB 36 (1989), S. 19-29, hier S. 26. BEYERSDORF, Günter: Retrospektive Katalogisierung : So geht es weiter. In: ZfBB 37 (1990), S. 375-384.

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seien hiermit angemeldet: Die Teilprojekte werden in der Regel nur von einem Partner und nur mit dessen Beständen durchgeführt. Es wird daher nur sehr schwer möglich sein, die an der Bibliothek X mit deren Daten und nach einem bestimmten Verfahren gewonnenen Ergebnisse mit denen zu vergleichen, die an der Bibliothek Y mit deren Daten nach einem anderen Verfahren gewonnen wurden. Eine Übertragbarkeit oder Verallgemeinerung der Ergebnisse ist dann aber praktisch kaum möglich. Im übrigen verwundert es, daß das bei der Altbestandserfassung seit längerer Zeit und an mehreren Bibliotheken praktizierte Verfahren nicht Bestandteil der Untersuchungen ist. Es könnte durchaus als Basisver­ fahren betrachtet werden, bei dem mit Fachkräften und (noch) nicht besonders intensivierter Fremddatennutzung gearbeitet wird, d.h. mit einem Aufwand, den es unter Kostenaspekten vermutlich zu unterbieten gilt. Ein weiterer, zeitverzögernder Faktor darf nicht außer acht gelassen werden: Konzepte zu realisieren, heißt in der Regel, für das Verfahren entsprechende Software zu entwikeln oder vorhandene Software zu adap­ tieren. Und hier lehrt die Erfahrung, daß der zeitliche Aufwand für diese Entwicklungen fast immer erheblich unterschätzt wird. So ist z.B. seit spätestens 1987 festgelegt, daß die im Rahmen der Altbestandserfas­ sungsprojekte der DFG konvertierten Daten zentral im Verbundkatalog maschinenlesbarer Daten (VK) des Deutschen Bibliotheksinstitutes (DBI) zusammengeführt werden sollen. Der Wissenschaftsrat hat ein Jahr später dieses Verfahren auch für die Zusammenführung der neueren konver­ tierten Daten übernommen und zusätzlich gefordert, daß der VK dann auch als Fremddatenressource nutzbar sein soll, wobei »die verfügbaren maschinenlesbaren Katalog- und Titeldaten in einem Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren online abruf- und übernehmbar sein« sollen13. Bis heute (Januar 1991) ist noch nicht einmal die Zusammenführung der in den Verbünden seit 1985 erfaßten Daten erfolgt, da die Entwicklung des neuen VK noch im Gange ist. Heißt das nun weiter abwarten, bis eine gesicherte Konzeption gefunden wurde und die dafür notwendigen technischen und organisato­ rischen Grundlagen geschaffen wurden? Weiter fasziniert von der retro­ 13

Siehe WISSENSCHAFTSRAT: Empfehlungen zur retrospektiven Katalogisierung an wissenschaftlichen Bibliotheken, S. 22.

169 Retrospektive Katalogkonversion

spektiven Katalogkonversion träumen, auch auf die Gefahr hin, daß die Millionen weniger werden oder gar »verfallen«? Wer so fragt, muß Alternativen anbieten können. Diese Alternativen gibt es, wie das Beispiel der Altbestandserfassung zeigt. Daß darüber hinaus Konver­ sionsverfahren existieren, die schon jetzt eine retrospektive Katalogkon­ version ermöglichen, ohne daß hierdurch der noch ungewisse Weg in die Zukunft verbaut wird, möchte der vorliegende Beitrag beispielhaft aufzeigen. Sollte sich herausstellen, daß diese oder auch andere sofort einsetzbare Verfahren unter den jeweils gegebenen Randbedingungen die Forde­ rungen an bibliographische und datentechnische Normen erfüllen und die damit verbundenen Kosten konkurrenzfähig sind, erscheint es sinnvoll und notwendig, schon jetzt baldmöglichst entsprechende Mittel für diese Verfahren bereitzustellen. Nur so läßt sich schnellstmöglich eine breite Basis für die Lösung des sehr heterogenen Komplexes mit seinen gewaltigen Datenmengen schaffen. Unter dem Gesichtspunkt der Zukunftskompatibilität als wichtigstem Gebot für alle Konversionsvorhaben verbieten sich autonome Projekte von selbst. Ziel von Konversionsprojekten darf nicht nur der lokale Online-Katalog sein, ein unabdingbares Ziel muß in Übereinstimmung mit den Forderungen der DFG bei der Altbestandserfassung auch der zen­ trale Nachweis im jeweiligen Verbundsystem und damit in Zukunft auch im DBI-VK sein. Ob die Konversion nun offline oder online, per Hand oder weitgehend maschinell, mit oder ohne Fremddatennutzung bzw. -nachbereitung, durch Bibliotheken oder durch kommerzielle Firmen, mittels ausgebildeter Fach- oder (ggf. angelernter) Hilfskräfte erfolgt, ist dabei sekundär. Die primäre Forderung heißt außer Wirtschaftlichkeit stets auch Erfüllung der bibliothekarischen, strukturellen und technischen Normen eines Verbundsystems. Nur so erscheint der vom Wis­ senschaftsrat geforderte Datenfluß der konvertierten Katalogisate von den Verbünden in den VK und von dort zur Vergrößerung der Fremddaten­ nutzungsmöglichkeiten zurück in die Verbünde mit vernünftigem Aufwand realisierbar. Diese Forderung ist automatisch dann erfüllt, wenn die Konversion der Katalogdaten in einem Verbundsystem (off- oder online) erfolgt. Daher seien als Beispiel drei im SWB-Verbund praktizierbare Verfahren 170 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

skizziert, die je nach Anwendungsfall und Zielvorstellungen brauchbare Ergebnisse liefern könnten. 2. Verfahren der Katalogkonversion im SWB-Verbund Es kann angenommen werden, daß die nachfolgend geschilderten Möglichkeiten auch in anderen Verbünden zumindest teilweise realisiert sind, bzw. mit relativ wenig Aufwand realisiert werden könnten. Alle drei derzeit schon praktizierbaren Verfahren werden hier kurz vorgestellt, da sie bei den erwähnten BMBW-Test-Projekten nicht berücksichtigt sind, obwohl zumindest das Online-Verfahren eine recht interessante Alternative zu den in Angriff genommenen Teilprojekten der BMBW-Studie sein könnte. Hinsichtlich der weiteren im SWB-Verbund derzeit in Entwicklung bzw. Erprobung befindlichen Konversionsver­ fahren sei auf die Darstellung von Beyersdorf14 verwiesen. 2.1 Offline-Verfahren Der SWB-Verbund hat zwei Offline-Verfahren realisiert, die bei einer Katalogkonversion Hilfestellung geben können: Zum einen einen Kurz­ titelabruf, zum anderen einen Abruf mittels der ISBN. Beide Verfahren ermöglichen die Nutzung der im SWB-Verbund nachgewiesenen Titel, indem mit einem PC und vom SWB-Verbund gelieferten Disketten mit Kurztiteln bzw. ISBN die benötigten Titel selektiert werden können. Nachdem diese mit den entsprechenden Lokaldaten versehen wurden, erfolgt die Übernahme in den SWBVerbund durch das Überspielen der wiederum auf Diskette gelieferten Daten. (Die Erweiterung beider Ver­ fahren auf einen Abgleich mittels ISBN und Kurztitel bei bereits extern konvertierten Daten zur Übernahme in den SWB-Verbund ist Gegenstand zweier Teilprojekte der BMBW-Studie, nicht jedoch diese beiden Abrufverfahren.) Abruf bedeutet bei beiden Verfahren also nicht primär eine Über­ nahme von SWB-Verbund-Daten in ein lokales System, sondern die 14

BEYERSDORFF, Günter: Retrospektive Katalogisierung.

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Offline-Nutzung von im SWB-Verbund vorhandenen Daten in Ver­ bindung mit dem Einbringen der Lokaldaten in den Datenpool des SWB-Verbundes. Erst in einem zweiten Schritt können die Daten, falls erforderlich, über einen Datendienst des SWBVerbundes (Zetteldruck, Magnetband, Diskette, in Zukunft auch File-Transfer) in ein lokales Katalogsystem übernommen werden. Beide Verfahren weisen einen Nachteil auf, den praktisch alle Offline-Verfahren haben: Sie erfordern eine intellektuelle Nachbereitung. Theoretisch sind die per Kurztitel oder ISBN abgerufenen Daten eindeutig und ohne zusätzliche Kontrolle übernehmbar, wenn man mit den Fehlern bei den vorhandenen Daten leben will oder kann. Die Praxis allerdings zeigt, daß man um eine bestimmte Nachbereitung auch in diesen Fällen nicht herumkommt, da insbesondere die Altdaten auch bei einer reinen Konversion ohne Autopsie nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen. Zusätzlich erhebt sich bei beiden Verfahren sofort die Frage nach der Behandlung der dadurch nicht »abrufbaren« Titel, sei es, daß keine ISBN vorliegt, sei es, daß der benötigte Titel nicht im SWB-Verbund nachgewiesen ist. Diese Frage führt unmittelbar zum dritten vom SWB-­ Verbund angebotenen, sofort realisierbaren Verfahren, das zur retro­ spektiven Konversion eingesetzt werden kann: 2.2 Online-Konversion Die Online-Konversion ist ein im SWB-Verbund praktiziertes Verfahren, das in seinen Grundzügen sowohl bei der Altbestandserfassung durch die DFG-Projekte in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und in der Universitätsbibliothek Tübingen eingesetzt wird, als auch bei mehreren Konversionsprojekten mit neueren Titeldaten, u.a. auch bei dem hier vorzustellenden Verfahren in der Universitätsbibliothek Freiburg: Die Konversion erfolgt dabei online im Katalogisierungssystem des SWB-Verbundes, das auch für die Katalogisierung des Neuzuganges zur Verfügung steht. Hierbei wird lediglich eine wichtige Unterscheidung hinsichtlich der Qualität der durch eine Konversion neu einzubringenden Daten getroffen. Der SWB-Verbund unterscheidet bei Titeldaten zwei verschiedene 172 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Katalogisierungsebenen: - Das I-Niveau für interimistische Katalogisate, die nicht zwingend nach RAK-WB-Regeln angelegt werden, wie z.B. Erwerbungsdaten, Altdaten aus der Vor-RAK-WB-Ära oder nach einem bestimmten Minimalformat angelegte Titeldaten. Titeldaten mit I-Niveau können von jedem Teilnehmer verändert werden. Die nach RAK-WB unter vollständiger Anwendung des Kategorienschemas des SWB-Ver­ bundes erstellten Titelaufnahmen erhalten im Gegensatz dazu das sogenannte - K-Niveau zur Kennzeichnung eines endgültigen Katalogisates. Dies kann in der Regel nur von der Bibliothek korrigiert werden, die das Katalogisat angelegt hat. Für die Konversion von konventionellen Titelaufnahmen wurde im SWB-Verbund grundsätzlich festgelegt, daß alle konvertierten, d.h., alle nicht durch Autopsie neu eingebrachten Katalogisate nur im interimisti­ schen Niveau angelegt werden können. Dadurch ist sichergestellt, daß notwendige Korrekturen an den durch die Konversion eingebrachten Titeln ohne aufwendige Benachrichtigungsprozeduren, direkt durch jede Bibliothek vorgenommen werden können. Durch diese Maßnahme wird der Aufwand für die Korrektur der ohne Autopsie eingebrachten und dadurch oft korrekturbedürftigen Titelaufnahmen minimiert. Zugleich er­ möglicht das Verfahren auch bei einer Konversion die sofortige Korrektur von sonstigen Titelaufnahmen im I-Niveau. Selbstverständlich beziehen sich diese Korrekturmöglichkeiten ausschließlich auf die Titeldaten. Lokaldaten sind stets nur von der einbringenden Bibliothek veränderbar. Die Online-Konversion im SWB-Verbund geschieht in zwei Stufen: Stufe 1 umfaßt die Titeldaten. Sie werden bei der Konversion entweder -aus den im SWB-Titel-Pool vorhandenen Katalogisaten übernommen oder, falls das nicht möglich ist, -aus dem Fremddatenbereich in den Titelbereich (mit I-Niveau) überführt oder, falls auch das sich als unmöglich erweist, -als neue Titelaufnahme im I-Niveau in den Titelbereich eingebracht. In der Stufe 2 werden die entsprechenden Lokaldaten (Signatur, Standort etc.) erfaßt und mit der entsprechenden Titelaufnahme verknüpft. Der Aufwand für das direkte Umsetzen von Konversionsdaten in eine Online-Katalogdatenbank erscheint insbesondere beim ausschließlichen 173 Retrospektive Katalogkonversion

Einsatz von ausgebildetem Fachpersonal relativ hoch und dies vor allem unter dem Gesichtspunkt einer nicht besonders intensiven Fremd­ datennutzung. Es seien daher ein paar Bemerkungen zur Nutzung von Fremddaten gestattet, die im weiteren Verlauf des Berichtes auch mit Erfahrungen aus der Praxis unterstützt und ergänzt werden. 2.3 Fremddatennutzung: Theorie versus Praxis? Die Forderung nach größtmöglicher Nutzung vorhandener Daten bei der Katalogkonversion leuchtet unmittelbar ein, die Vorteile einer Übernahme von maschinenlesbaren Katalogisaten liegen auf der Hand. Der Begriff Fremddatennutzung sei im folgenden auf den Import extern erzeugter Katalogdaten beschränkt. Damit fällt die Nutzung von in der Katalogisierungsdatenbank schon vorhandenen Daten durch einfaches Anhängen hier nicht unter den Begriff »Fremddatennutzung«. Über die bei einer Direktübernahme auftretenden Probleme wird im Zusammen­ hang mit der nachfolgenden Beschreibung des Verfahrens berichtet. Daß bei einer Fremddatenübernahme für einen wirklichen Nutzen aber neben einer möglichst hohen Qualität der Titelaufnahme auch eine Mindest-Kompatibilität bezüglich des Regelwerkes und der Datenstruk­ turen der zu übernehmenden Daten erforderlich ist, wurde von einem Teil der Befürworter einer möglichst intensiven Fremddatennutzung zumin­ dest in der Vergangenheit oft stark heruntergespielt. Ein neues Zauber­ wort, das »Austauschformat«, wird bemüht, um aufkommende Dis­ kussionen über Probleme der Fremddatennutzung im Keim zu ersticken. Dabei wird nur zu leicht übersehen, daß das Austauschformat lediglich eine Art formatierter Transporthülle ist, die eine klar definierte Umsetzung der übernommenen Daten in die eigenen Dateistrukturen ermöglicht. Kein Austauschformat der Welt kann aber aus schlechten Daten bessere machen, fehlende Daten oder Datenstrukturen ergänzen oder z.B. die unterschiedlichen Ansetzungen von Namen, Sachtiteln u.a. automatisch korrigieren. All dies muß bei der, ggf. auch nach der Über­ nahme durch eine geeignete manuelle Nachbereitung verändert bzw. ergänzt werden und zwar durch entsprechend ausgebildete Kräfte. So kann es schon ein kleines Abenteuer sein, einen nach den Preußischen Instruktionen angefertigten Titel über einen Abruf einer nach den Anglo-­ 174 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

American Cataloguing Rules erstellten Titelaufnahme in einen RAK-WB anwendenden Verbund zu konvertieren. Originalton aus der Praxis: »Da bleibt außer dem Sachtitel oft kaum was stehen«! Haller15 beschreibt die dabei auftretenden Probleme detailliert: Die Komplikationen ergeben sich nicht nur für Listen-, sondern auch für Online-Kataloge und damit nicht nur bei den für die Ansetzung und Ord­ nung relevanten Elementen, sondern auch bei allen anderen in einem Online-Katalog relevanten Suchbegriffen, und damit zumindest bei allen Wörtern des Sachtitels. Dabei spielen nicht nur Regelwerksunterschiede, wie z.B. in der Autorenansetzung, eine Rolle, sondern auch sprachliche Besonderheiten, wie z.B. die unterschiedliche Behandlung von Umlauten und Bindestrichen, sowie orthographische Unterschiede. Diese bleiben auch bei einer verschiedentlich geforderten Regelwerksanpassung existent. Haller fordert daher zu Recht, bei der Fremddatenübernahme generell die Namen und die Sachtitel unter Nutzung vorhandener Normdateien nach RAK-WB zu redigieren. Dies erfordert eine intellektuelle Nachbereitung übernommener Fremddaten und zwar völlig unabhängig vom Übernahmeverfahren. Eine maschinelle Umsetzung durch ein geeig­ netes Expertensystem erscheint bei der Komplexität der Probleme auf absehbare Zeit noch nicht einsetzbar. Die Vernachlässigung dieser Grundforderung durch Abstriche bei der Nachbereitung von übernommenen Fremddaten zahlt sich langfristig nicht aus. Alle bisherigen Erfahrungen mit großen bibliographischen Datenbanken zeigen, daß mit der Größe der Datenbank auch die Forde­ rung an die Qualität der Daten wächst. Nachträgliche Sanierungen sind oftmals nur schwer möglich und meist mit einem erheblichen Mehr­ aufwand verbunden. Daß die Hallersche Forderung noch nicht einmal alle notwendigen Aspekte eines Online-Kataloges abdeckt, zeigen erste Erfahrungen an der Universitätsbibliothek Tübingen: Bei der Entwicklung eines Online-­ Kataloges unter Verwendung von Daten aus dem SWB-Verbund stellte sich heraus, daß weder RAK-WB noch das differenzierte Datenformat und die Datenstruktur des SWB-Verbundes bisher eindeutig genug sind, 15

HALLER, Klaus: Altbestandserfassung oder Altbestandskatalogisierung? S. 6ff.

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um bestimmte Fragestellungen in einem Online-Katalog ausreichend zu beantworten. Hierfür sind weitere Normierungen in der bibliographischen Beschreibung mit Konsequenzen für das Datenformat erforderlich. Als Beispiele seien die inzwischen im SWB-Verbund eingeführte normierte Ansetzung des Erscheinungsjahres oder der Sprachbezeichnung genannt, um einen unspezifischen Titel z.B. über das Erscheinungsjahr einzu­ grenzen oder, um die Literatursuche auf eine bestimmte Sprache zu beschränken. Berücksichtigt man, -

daß in vielen Fällen bei der Fremddatenübernahme zusätzliche Kosten für die Übermittlung und/oder Nutzung der Daten anfallen und daß trotzdem eine intellektuelle Nachbereitung unerläßlich ist, und der Aufwand hierfür beträchtlich sein kann,

kann unter Kostenaspekten eine Katalogkonversion ohne oder mit nur geringer Fremddatennutzung durchaus wirtschaftlicher sein. So berichtet Mallmann-Biehler16, daß der Nachbereitungsaufwand von in den SWB-Verbund zu übernehmenden Fremddaten mit DM 2,50 zu kalkulie­ ren ist. Bei einer ausschließlichen Nutzung der in einem Verbundsystem vorhanden Datenressourcen (vorhandene Katalogisate und ggf. Frem­ ddaten, wie z.B. die Daten der Deutschen Bibliothek) und einem geeig­ neten Konversionsverfahren können unter bestimmten Randbedingungen durchaus wirtschaftlich interessante Ergebnisse erwartet werden. Als Beispiel hierfür soll das an der Universitätsbibliothek Freiburg praktizierte Verfahren nachstehend beschrieben werden. Dabei wird besonderer Wert auf die Schilderung der Rahmenbedingungen gelegt, um so eine grobe Einordnung des Verfahrens in die derzeit laufenden Dis­ kussionen und Aktivitäten zu ermöglichen.

16

MALLMANN-BIEHLER, Marion: Anforderungen an regionale Verbundsysteme: lokal, regional, überregional. In: Regionale und überregionale Katalogisierung. Berlin 1990 (dbi-materialien. 96) S. 18.

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3. Die retrospektive Katalogkonversion an der Universitätsbibliothek Freiburg Die UB Freiburg katalogisiert den seit Januar 1990 erworbenen Neuzugang online im SWB-Verbund nach den dort als verbindlich festgelegten Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissen­ schaftlichen Bibliotheken (RAK-WB). Ausgehend von den Überlegungen einer Arbeitsgruppe des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg17 und den entsprechenden Vorstellungen des Wis­ senschaftsrates wurde gleichzeitig mit dem Einstieg in den SWB-Ver­ bund das Ziel verfolgt, baldmöglichst mit der retrospektiven Katalog­ konversion zu beginnen, da nur so eine zügige Verbesserung der Lite­ raturerschließung und -versorgung am Ort, aber auch in der Region zu erwarten ist. Dank einer personellen Verstärkung der Katalogabteilung für die Umstellung auf die Online-Katalogisierung im SWB-Verbund, vor allem aber dank der vorzüglichen Einstellung aller beteiligten Mitarbeiter erfolgte die Umstellung auf die Online-Katalogisierung des Neuzugangs so zügig und ohne nennenswerte Rückstände, daß die kühnsten Erwar­ tungen übertroffen wurden. Daher konnte schon im Mai 1990 mit der retrospektiven Konversion begonnen werden. Der vorliegende Bericht faßt die bisher bei der Konversion gemachten Erfahrungen bis zum Ende des Jahres 1990 zusammen. 3.1 Die Situation bei den alphabetischen Katalogen Bis zur Einführung von Online-Katalogen für die Benutzer in allen grossen wissenschaftlichen Bibliotheken werden noch einige Jahre ver­ streichen. Deshalb stellt der SWB-Verbund trotz Online-Katalogisierung und schon vorhandener Online-Benutzerkataloge an den Univer­ sitätsbibliotheken Karlsruhe, Konstanz und Tübingen auf absehbare Zeit 17

Die Informationssysteme der Universitäten in Baden-Württemberg. Gegenwärtige und zukünftige Aufgaben nach dem Einsatz neuer Medien und Techniken. In: ZfBB 34 (1987), S. 257-275, und: Die mittelfristige Informationsversorgung für das Land Baden-Württemberg. Bericht einer Arbeitsgruppe des Ministeriums für Wissen­ schaft und Kunst. Stuttgart 1988.

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für seine Hauptteilnehmer Katalogzettel der übernommenen oder einge­ brachten Katalogisate her. Damit ist die Kontinuität des Nachweissystems Zettelkatalog bis zur Ablösung durch Online-Kataloge gesichert. Trotzdem hat die UB Freiburg ihre alten Zettelkataloge abgebrochen, da sie bis einschließlich 1989 nach den Preußischen Instruktionen (PI) angefertigt wurden. Zwar besteht im SWB-Verbund die Möglichkeit, die nach RAK-WB erstellten Zettel zusätzlich mit PI-Köpfen zu versehen, doch ergaben umfangreiche Tests mit relativ einfachen Titeln sowie die Erfahrungen anderer am SWBVerbund teilnehmender PI-Bibliotheken, daß die Fortführung von PI-Katalogen mit RAK-WB-Zetteln trotz zusätzlicher PI-Köpfe derartig komplex ist, daß dabei ein Mehraufwand von bis zu 30 Prozent kalkuliert werden muß. Unter diesem Gesichtspunkt war die Entscheidung, die PI-Zettelkataloge abzubrechen und durch neue Kataloge mit RAK-WB-Zetteln fortzuführen eigentlich zwingend, vor allem dann, wenn man berücksichtigt, daß dadurch Ar­ beitskapazitäten für die retrospektive Katalogkonversion gewonnen werden können. Daß diese Entscheidung durch den harten Schnitt bei den Zettelnach­ weisen sehr benutzerunfreundlich ist, da in zwei Katalogen recherchiert werden muß, wurde zunächst in Kauf genommen. Dieser Nachteil kann durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der retrospektiven Katalog­ konversion wieder abgeschwächt werden. Er wird in dem Maße reduziert, wie es gelingt, die älteren PI-Katalogdaten vor dem Katalogabbruch durch eine retrospektive Konversion in das neue System nach RAK-WB im SWB-Verbund zu transferieren und dann in Form eines Online-Kata­ loges zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung zugunsten eines Kata­ logabbruches erscheint auch im Hinblick auf die relativ kurze Lebensdauer des neuen Zettel-Kataloges tragbar: Nach Einführung des Online-Kataloges mit den konvertierten Titelaufnahmen und den Titelaufnahmen des Neuzuganges ab 1990 ist der neue Zettelkatalog überflüssig und kann dann entfernt werden. Derzeit besteht die Hoffnung, daß dies 1993 in der UB Freiburg der Fall sein wird. Bei dieser Konstellation ist die bibliothekarische Gretchenfrage »Abbruch nach Erscheinungs- oder Erwerbungsjahr?« rasch zu lösen. Ein Abbruch nach Erscheinungsjahr würde bei allen vor 1990 erschienenen, aber nach 1990 erworbenen Titeln zu einer Doppelkatalogisierung führen: 178 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Als Neuzugang zunächst konventionell nach PI, dann im Rahmen der Katalogkonversion online nach RAK-WB. Dies sollte auf alle Fälle vermieden werden, zumal die UB Freiburg durch die Übernahme von in den Instituten der Universität entbehrlicher Literatur in den nächsten Jahren beim Neuzugang mit einem verstärkt wachsenden Anteil älterer Literatur rechnen muß. Neben diesem sehr gewichtigen Argument für den Abbruch nach dem Erwerbungsjahr kann zusätzlich angeführt werden, daß die Entscheidung, den Abbruch nach dem Erscheinungsjahr zu regeln, in der letzten Konsequenz dazu führt, daß die Arbeiten am alten Katalog nie abgebrochen werden können und daher letzten Endes alle Katalogabbrüche in einer bestimmten Phase auf den Abbruch nach dem Erwerbungsjahr übergehen müssen. So klar und eindeutig der Abbruch nach Erwerbungsjahr bei dem Magazinbestand ist, so problematisch erscheint dieses Vorgehen bei den in Sonderaufstellungen befindlichen Beständen. Die UB Freiburg hatte am Ende des Jahres 1990 insgesamt 245.700 Bände in Sonderaufstellun­ gen, davon 156.700 Bände im Präsenzbestand. Der Anteil der Monogra­ phien beläuft sich dabei auf insgesamt 179.000 Bände in folgenden Sonderaufstellungen: -12.000 Bände in der Freizeitbücherei, -77.000 Bände in den beiden Lehrbuchsammlungen, -71.000 Bände in den Lesesälen (inklusive Sonderlesesaal), -19.000 Bände im Bibliograpien- und Auskunftsbereich. Diese Standorte sind aufgrund der räumlichen Verhältnisse mit eigenen alphabetischen Katalogen ausgestattet, deren Abbruch auf Dauer keine akzeptable Lösung darstellt. Da aber auch hier eine Fortführung der Kataloge durch SWB-Zettel mit PI-Köpfen zu aufwendig erschien und daher ebenfalls vermieden werden sollte, bot sich als einzige, und damit zwingende Alternative die komplette Umarbeitung dieser Bestände im Rahmen der retrospektiven Katalogkonversion an. Als weitere Abweichung sei die Behandlung der sogenannten eigent­ lichen Dissertationen angemerkt, die bis 1989 in einem eigenen, kon­ ventionell erstellten Zettelkatalog nachgewiesen wurden. Sie bleiben bei der retrospektiven Konversion zunächst ausgeklammert. 3.2 Das Ziel des Verfahrens 179 Retrospektive Katalogkonversion

Die Zielvorstellungen der Freiburger Katalogkonversion lassen sich auf einen kurzen, aber anspruchsvollen Nenner bringen: Möglichst viel, möglichst gut, möglichst wirtschaftlich. Das Ziel hinsichtlich der Art und Menge der zu konvertierenden Daten kann man teilweise aus der vorstehend beschriebenen Katalogsi­ tuation ableiten. Konvertiert werden sollen -alle in Sonderaufstellungen befindlichen Monographientitel, -möglichst viele der vor 1990 erworbenen Titel (mit Ausnahme der Dis­ sertationen) von dem Erwerbungsjahr 1989 aus rückwärts. Während die vollständige Konversion der in Sonderaufstellungen befindlichen Titel zwingend ist, muß die Menge der zu konvertierenden Titel des Magazinbestandes in Abhängigkeit von der Effektivität des daraus resultierenden Online-Kataloges einerseits und den finanziellen, personellen und technischen Ressourcen andererseits ermittelt werden, da eine vollständige Konversion aller vorhandenen rund 2 Millionen Katalo­ gisate auf absehbare Zeit nicht realisierbar ist. In diesem Zusammenhang sei an die Empfehlungen des Wissen­ schaftsrates erinnert, die zwei wichtige Kriterien hinsichtlich der Effek­ tivität nennen: Es soll die neuere, nach 1945 erschienene Literatur konvertiert werden, die die höchste Benutzungsfrequenz mit über 80 Pro­ zent der Entleihungen aufweist. Durch die EDVAusleihstatistiken der letzten Jahre konnte ermittelt werden, daß an der UB Freiburg rund 80 Prozent der Entleihungen auf die Neuerwerbungen der letzten 20 Jahre entfallen. Die Bestände dieser 20 Jahre sollen daher beim Abschluß des Projektes in einem OnlineKatalog zur Verfügung stehen. Bei einer auf fünf Jahre geplanten Laufzeit des Konversionsprojektes bedeutet das, die Neuerwerbungen der letzten 15 Jahre, also von 1975 1989 zu konvertieren. Zusammen mit den laufend ab 1990 online im SWB-Verbund katalogisierten Titeln ergeben sich am Ende der Projektlaufzeit insgesamt die angestrebten 20 Jahre. Nach vorläufigen Schätzungen werden dann über 700.000 Bände online nachweisbar sein, davon mehr als 500.000 aus dem Konversionsprojekt. Soweit zu dem Ansatz »möglichst viel«. Wie das Verfahren die Ziel­ vorstellungen »möglichst gut« und »möglichst wirtschaftlich« zu rea­ lisieren versucht, soll in den nächsten Abschnitten beschrieben werden. 180 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3.3 Die Methode Der Wissenschaftrat legte in seinen »Empfehlungen zur retrospektiven Katalogisierung« trotz der Verwendung des Wortes »Katalogisierung« eindeutig fest: »In Anbetracht der zu bewältigenden Datenmengen kommt analog zur Erfassung der historischen Altbestände als Methode nur die Konversion vorhandener Titelaufnahmen in maschinenlesbare Form in Frage«18. Davon ausgehend konvertiert die UB Freiburg die vorhandenen PI-Titelaufnahmen ohne Autopsie online im SWB-Verbund im I-Katalo­ gisierungsniveau. Die Zettel der PI-Titelaufnahmen verbleiben nach der Konversion in dem jeweiligen PI-Katalog, und es werden keine neuen Zettel nach RAK-WB erzeugt. Der Nachweis der konvertierten Bestände erfolgt mit dem Einsatz des Online-Kataloges. Das Verfahren ist damit vom Ansatz her identisch mit den von der DFG geförderten Altbestandserfassungsverfahren in Stuttgart und Tübingen. In der Praxis ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede: - Datennutzung: Die Konversion der Daten im SWB-Verbund beruht in starkem Maße auf der Nutzung der dort schon vorhandenen Daten, sei es im eigentlichen Titeldatenbereich oder im sogenannten Fremddatenbe­ reich. Im Fremddatenbereich stehen zur Zeit u.a. die Daten der Deutschen Bibliothek und der Britischen Nationalbibliographie ab 1982, sowie die Körperschaftsaufnahmen der Gemeinsamen Körperschaftsdatei (GKD) zur Verfügung. Es ist vorgesehen, baldmöglichst die Daten der Deutschen Bibliothek ab 1972 zusätzlich bereitzustellen. Weiterer Nutzen ist aus der AutorenNormdatei zu ziehen, die seit 1988 durch eine beim Zentralkata­ log Baden-Württemberg eingerichtete Autorenredakion bearbeitet wird. Die »Altersstruktur« der im SWB-Verbund nachgewiesenen Titel und Fremddaten mit überwiegend neueren Titeln bedingt beim Freiburger Projekt eine erheblich größere Datennutzung als bei der Altbestandserfas­ sung (ABE). Inwieweit sich das Fremddatenpotential auch für die Altbestandserfassung durch das Einspielen der Daten der Bayerischen Staatsbibliothek München am Ende des Jahres 1990 verbessern ließ, muß 18

WISSENSCHAFTSRAT: Empfehlungen zur retrospektiven Katalogisierung : Kon­ vertierung vorhandener Katalogaufnahmen... S. 24.

181 Retrospektive Katalogkonversion

sich noch herausstellen. - Personaleinsatz: Bei den ABE-Verfahren in der WLB Stuttgart und in der UB Tübingen soll ausgebildetes, bibliothekarisches Fachpersonal eingesetzt werden: In Stuttgart sind sechs Stellen für Diplomkräfte für das Projekt vorgesehen, die bislang noch nicht alle besetzt werden konnten. In Tübingen stehen ebenfalls sechs Stellen für Diplomkräfte zur Verfügung, deren Besetzung sich als problematisch erwies, da die zu Beginn einge­ stellten Diplomkräfte sich nach kurzer Zeit unterfordert fühlten und sich auf andere Stellen bewarben. Zur Zeit leitet daher eine Diplomkraft ein Team mit drei Kräften des mittleren Dienstes und einer geprüften wissen­ schaftlichen Hilfskraft. Unabhängig davon hat die UB Freiburg von Anfang an das Konversions­ projekt auf der Basis eines größtmöglichen Einsatzes von ungeprüften wissenschaftlichen Hilfskräften geplant, da im Gegensatz zu den Altbe­ stands-Projekten bei der Neu-Daten-Konversion mit einem geringeren Schwierigkeitsgrad zu rechnen war. Dabei erschien der ursprüngliche Ansatz von einer ausgebildeten Kraft (gehobener und mittlerer Dienst) auf vier bis sechs halbtags arbeitende wissenschaftliche Hilfskräfte, also eine zeitliche Aufteilung zwischen ausgebildeter Fachkraft und angelern­ ter Hilfskraft von 1:2 bis 1:3 realisierbar. Nach den ersten Erfahrungen mit der Katalogisierung im SWB­ Verbund wurde nicht zuletzt unter dem positiven Eindruck einer hohen Nutzung schon vorhandener Daten das Konversionsprojekt trotzdem mit einem grösseren Anteil an ungeprüften wissenschaftlichen Hilfskräften begonnen, um schnellstmöglich eine Obergrenze auszuloten. Die Erfah­ rungen damit waren so gut, daß durch eine nochmalige Aufstockung des Anteils der Hilfskräfte das Verhältnis von zunächst 1:5 mittlerweile auf 1:7 vergrößert werden konnte, wobei sich im Mittel der bisherigen Laufzeit ein Verhältnis von 1:6 ergibt, wie folgende Aufstellung zeigt: -

0,5 Diplomkraft (A9) 0,5 Kraft des Mittleren Dienstes (A5) 6,0 Stellen Hilfskräfte (knapp 900 Stunden pro Monat).

Noch ein Wort zur Qualifikation der studentischen Hilfskräfte. 182 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Verlangt werden: -

Zwischenprüfung bzw. Vordiplom, gute Schreibmaschinenkenntnisse, Erfahrung im Umgang mit einem PC und Kenntnis eines Texter­ fassungssystems, Mindestdauer von 1,5 Jahren bis zur Ablegung des Examens. Pro Arbeitstag mindestens zwei und maximal vier Arbeitsstunden, bei mindestens 40 und höchstens 80 Stunden pro Monat.

Auf die nicht gering einzuschätzenden sozialen und arbeitsmarkt­ politischen Aspekte des Einsatzes studentischer Hilfskräfte (im Gegensatz zu maschinellen oder anderen kommerziellen Verfahren) sei am Rande verwiesen. 3.4 Die Technik An den Arbeitsplätzen für die Katalogkonversion wurden zunächst sechs Bildschirmterminals der kostengünstigen Marke »Falco« installiert, da der SWB-Verbund hierfür bereits in früheren Jahren eine Schnittstelle entwickelt hatte. Infolge von Preissenkungen im PC-Bereich und einer mehrfach verbesserten PC-Emulation für das Katalogisieren im SWB-­ Verbund im Page-Mode-Verfahren erfolgte im September 1990 eine Erweiterung der Anzahl der Arbeitsplätze durch zwei PCs. Den bibliothekarischen Fachkräften stehen in der Regel Bildschirm­ terminals Tandberg TDV 2220 S in der für den SWB-Verbund entwikel­ ten Bibliotheksversion sowie ein Drucker Mannesmann MT 90 mit SWB-Zeichensatz zur Verfügung. Die Datenübertragung erfolgt (über einen 8fach PAD) im Deutschen Forschungsnetz durch Mitbenutzung eines vorhandenen 64 kB-Anschlus­ ses.

183 Retrospektive Katalogkonversion

3.5 Die Praxis Die Universitätsbibliothek Freiburg begann im Mai 1990 mit der Schulung von zunächst 15 wissenschaftlichen Hilfskräften, deren Gesamtstundenzahl in etwa fünf Ganztagsstellen entsprach. Dabei wurden in einem zweiwöchigen Kurs täglich zwei Stunden die Grundlagen der Katalogisierung im SWB-Verbund vermittelt. Nach diesen zwei Wochen waren die Studenten soweit geschult, daß sie mit der Konversion der Titel der Freizeitbücherei anhand des Standortkataloges mit PI-Titelkarten beginnen konnten. In der Freizeitbücherei, einer Art Studentenbücherei, stehen überwiegend deutschsprachige Neuerscheinungen der letzten Jahre mit weitgehend einfacheren Titelaufnahmen, die für den Einstieg beson­ ders geeignet schienen. Das große Engagement der schulenden Mitarbeiter wurde reichlich belohnt: Das Team der Studenten zeigte große Begeisterungsfähigkeit und einen überdurchschnittlichen Leistungswillen, so daß die Lernphase sehr zügig in eine Produktionsphase überging. Nach knapp drei Monaten waren die Bestände der Freizeitbücherei mit knapp 12.000 Bänden bearbeitet. In nur 2,5 Monaten wurden anschließend die Bestände von beiden Lehrbuchsammlungen eingebracht. Von den 77.000 Bänden mußten nur 15.600 bearbeitet werden, da keine identischen Mehr­ fachexemplare erfaßt wurden. (Diese sind definiert als identisch in Auflage- und Bandzählung und werden wie bisher nur in einem internen Standortkatalog nachgewiesen.) Im September 1990 konnte nach den guten Erfahrungen der An­ fangsphase und durch die Bereitstellung weiterer Mittel das Studenten­ team auf insgesamt 21 Personen vergrößert werden, deren Gesamt­ stundenzahl sieben Ganztagsstellen entspricht. Die neuen Studenten fügten sich nahtlos in das vorhandene Team ein. Sie waren schon nach einer einwöchigen theoretischen Grundschulung in der Lage, einfachere Titel zu konvertieren, da stets erfahrene Kollegen zur Hilfestellung zur Seite saßen. Das zahlenmäßig verstärkte und immer routinierter werdende Team konnte Mitte Oktober 1990 mit der Konversion der Lesesaal­ bestände beginnen. Bis zum Jahresende waren weitere 18.600 Bände aller Schwierigkeitsgrade konvertiert. 184 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3.6 Die Ergebnisse Zunächst eine Vorbemerkung: Die hier mitgeteilten Ergebnisse und Leistungszahlen beruhen überwiegend auf einer maschinellen Statistik nach Bänden und nicht nach Titeln. Die Erfassung nach Titeln hätte einen zusätzlichen manuellen Aufwand erfordert, sie erschien als zusätzliche Belastung überflüssig, da der Faktor Titel zu Bänden bei den zu bearbeitenden Beständen bekannt ist. Er liegt infolge des hohen Anteils mehrbändiger Werke im Bereich der Sonderaufstellungen bei 1:1,25. Die nachstehend genannten Ergebnisse können daher mit folgenden Faktoren auf Titel umgerechnet werden: Bandanzahl * 0,80 = Titelanzahl Kosten pro Band * 1,25 = Kosten pro Titel 1. Gesamtergebnis: Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Die bisherigen Ergebnisse sind verheißungsvoll! In der Zeit von Mai bis Dezember konnten mit dem Team der studentischen Hilfskräfte insgesamt über 46.000 Bände konvertiert werden. Die Studenten haben dabei anhand der alten PI-Aufnahmen nach dem in Abschnitt 2.2 geschilderten Online-Ver­ fahren -in 66 % der bearbeiteten Aufnahmen vorhandene Katalogisate übernom­ men, wobei allerdings in mehr als 80 % der Fälle Korrekturen der übernommenen Daten notwendig waren, -in 6 % aller Fälle Fremddaten abgerufen und -in 28 % aller Fälle neue Titelaufnahmen im SWB-Verbund angefertigt, -für alle Bände die entsprechenden Lokal- und Exemplarsätze angelegt, -sowie alle notwendigen Korrekturen bei K-Niveau-Daten veranlaßt bzw. bei I-Niveau-Daten selbst durchgeführt. Die bisher festgestellte Fehlerquote entspricht derjenigen des hauptamtlichen Fachpersonals. Bei der bisherigen Gesamtleistung ist zu berücksichtigen, daß fast die gesamte Startphase durch zahlreiche Ausfallzeiten des Systems und der Datenübertragung belastet wurde. Von 7.640 eingesetzten Stunden entfielen 540 Stunden durch Urlaub 420 Stunden durch die theoretische Schulung 1.140 Stunden durch sonstige Ausfälle, überwiegend im gesamten DFÜ-­ 185 Retrospektive Katalogkonversion

Bereich. Es verblieben 5.540 Stunden, in denen konvertiert wurde. 2. Durchschnittswerte: Aus der bisherigen Gesamtleistung ergibt sich bei der Konversion eine Nettoleistung (auf der Basis der reinen Konver­ sionszeit) von 8,3 Bänden pro Stunde und eine Bruttoleistung (inklusive aller Ausfallzeiten) von 6,0 Bänden pro Stunde. Auf eine getrennte Auswertung für die Fälle »Titelaufnahme neu« und »Titelaufnahme übernommen« wurde bisher verzichtet, da Unterschiede im Aufwand hierfür kaum festgestellt werden können. Der Vorteil einer Übernahme von in der Datenbank vorhandenen Katalogisaten wird durch den sehr hohen Prozentsatz von über 80% notwendiger Korrekturen praktisch aufgebraucht. Dieser erstaunlich hohe Wert für Korrekturen bei der Übernahme von vorhandenen Katalogisaten ist in nur geringem Maße durch Bearbeitungsfehler verursacht. Er wird vielmehr im wesentlichen durch den hohen Anteil an Altdaten begründet, die weder den Regeln der RAK-WB noch den heutigen Datenstrukturen des SWB-Verbundes entsprechen. Aber auch bei neueren Katalogisaten können Korrekturen durch zwischenzeitlich vorgenommene Formatänderungen bzw. -er­ gänzungen erforderlich sein. Berücksichtigt man die hohen Ausfallraten im DFÜ-Bereich zu Beginn des Projektes, die inzwischen weitgehend behoben sind, berück­ sichtigt man außerdem die Tatsache, daß der angegebene Schulungsauf­ wand eine über den bisherigen Zeitraum weiterwirkende Anfangsinve­ stition darstellt, und daß die Lernphase »by doing« noch nicht ganz abge­ schlossen ist, erscheint bei einer längeren Laufzeit des Projektes eine Bruttoleistung von 7,5 Bänden pro Stunde durchaus realistisch. Dabei muß man außerdem berücksichtigen, daß diese Werte in einer starken Überlastungsphase des SWB-Rechners mit recht ungünstigen Antwortzeiten erzielt wurden. Es ist zu hoffen, daß die derzeitigen 186 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Bestrebungen der SWB-Verbundzentrale, diesen Engpaß zu beheben, bald zum Erfolg führen. Dann kann durchaus mit Bruttoleistungen von über 8 Bänden pro Stunde gerechnet werden. Im günstigsten Fall, bei gleichzeitig leicht zu bearbeitenden Beständen, dürfte die Obergrenze von 10 Bänden pro Stunde erreichbar sein19. 3. Autopsie: In gut zwei Prozent aller bisher konvertierten Fälle, die ausschließlich aus den Sonderaufstellungen mit z.T. reichhaltigen Alt­ beständen (insbesondere aus den Jahren vor 1975) und komplexen Titelbeschreibungen stammen, mußte eine Autopsie der Vorlage erfolgen, da eine Konversion ohne Autopsie nicht sinnvoll möglich erschien. Als wichtigste Gründe hierfür können genannt werden: Rudimentäre PI-Titelbeschreibungen bzw. Verbundkatalogisate, insbesondere bei den älteren Daten, und Inkompatibilitäten zwischen PI- und RAK-WB-­ Regeln, vor allem bei der Ansetzung unter Körperschaften. Es ist anzu­ nehmen, daß dieser Prozentsatz auf unter eins gesenkt werden kann, wenn die Konversion des Neuzuganges 1975 - 1989 anläuft, da hier mit bes­ seren Titeldaten zu rechnen ist. 4. Problemfälle: Die vorstehend genannten Werte beziehen sich auf die Leistungen der studentischen Hilfskräfte und der halbtags eingesetzten Fachkraft des mittleren Dienstes. Die eingesetzten Diplomkräfte (eine hauptamtlich, eine nebenamtlich als Vertretung) sind ausschließlich mit organisatorischen Tätigkeiten betraut, die zeitlich im Mittel eine Halb­ tagsstelle beanspruchen. Zu den Aufgaben gehören u.a. die Schulung und laufende fachliche Betreuung der studentischen Hilfskräfte, die Ar­ beitsorganisation und die Koordination der Bearbeitung schwieriger Fälle, die von den Hilfskräften nicht bearbeitet werden können. Diese speziellen Problemfälle werden an Diplomkräfte mit den jeweils erforderlichen Spezialkenntnissen zur Bearbeitung gegeben. Schwierige Titel, die die studentischen Hilfskräfte überfordern, machen nur etwa gut zwei Prozent aller Fälle aus und sind durch die Aufteilung auf die jeweiligen Spezialisten unter den hauptamtlichen Katalogisierern keine große zusätzliche Belastung der Katalogabteilung. Auf die Erfas­ 19

Inzwischen konnte ein Wert von über 10 Bänden pro Stunde erreicht werden.

187 Retrospektive Katalogkonversion

sung des Arbeitsaufwandes hierfür wurde daher verzichtet, er ist weder in den o.g. Werten noch bei den nachstehenden Kosten berücksichtigt. Es bleibt als wichtiges Ergebnis festzuhalten, daß die komplette Konversion von PI-Titelaufnahmen in einem Online-System nach RAK-WB-Regeln mit allen notwendigen Arbeiten, einschließlich dem Einbringen bisher nicht vorhandener Titel, in einem sehr hohen Maße, nämlich in rund 98 % aller Fälle, von studentischen Hilfskräften durch­ geführt werden kann. 3.7 Die Finanzierung Die für das Verfahren benötigten Mittel und Personalstellen kommen aus den unterschiedlichsten Quellen. Grundstock sind die vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg be­ reitgestellten Mittel für ein Pilotprojekt »Verbesserung der Standort­ nachweise«. Dieses Projekt ging aus einer Empfehlung einer Exper­ tengruppe zur mittelfristigen Informationsversorgung für das Land Baden-Württemberg hervor20. Eine wesentliche Voraussetzung der Be­ willigung war die Eigenbeteiligung der geförderten Institution in Höhe der Förderung. Diese Eigenbeteiligung setzt sich zusammen aus: -

20

Mitteln der Universität, Mitteln aus dem Sachetat der Universitätsbibliothek, Mitteln aus der Kapitalisierung nicht besetzter Planstellen der Univer­ sitätsbibliothek, Einsatz vorhandener Planstellen (z.Zt. je 0,5 A9 und A5).

Die mittelfristige Informationsversorung für das Land Baden-Württemberg, S.38f.

188 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3.8 Die Kosten Nicht alle bei dem Konversionsprojekt anfallenden Kosten können derzeit direkt ermittelt werden, da z.B. der Anteil des Projektes an den Investitionskosten des SWB-Verbundes nur schwer ermittelbar ist. Es soll hier daher keine vollständige Kostenrechnung versucht, sondern nur ein Überblick über die bisher entstandenen und direkt bezifferbaren Kosten gegeben werden. 1. Hardware-Installation: Für die Installation eines Arbeitsplatzes mußten im Mittel inklusive der DFÜ-Komponenten rund DM 5.000 auf­ gewendet werden. Daraus lassen sich die anteiligen Kosten pro konver­ tiertem Band auf mindestens DM 0,05 und höchstens DM 0,08 ab­ schätzen, und damit auf einen Betrag, der bei der Gesamthöhe der Kosten kaum zu Buche schlägt. Eversberg21 geht bei seinen Berechnungen von vernachlässigbaren DM 0,05 aus. 2. Personalmittel: In der Zeit von Mai bis Dezember 1990 wurden fol­ gende Personalmittel eingesetzt: DM 109.000 Wissenschaftliche Hilfskräfte DM 14.500 aus 0,5 Planstelle A9 DM 11.000 aus 0,5 Planstelle A522 Daraus errechnen sich die Gesamtkosten der acht Monate des Jahres 1990 auf DM 134.500. Auf die in dieser Zeit konvertierten 46.000 Bände umgerechnet, ergibt sich der interessante Preis von DM 2,92 pro konvertiertem Band. Interessant ist dieser Wert nicht zuletzt deshalb, weil er die Obergrenze darstellt, die im weiteren Verlauf des Verfahrens erheblich, d.h. unter den oben genannten Annahmen um 20 Prozent und mehr, unterschritten werden kann. 21

22

EVERSBERG, Bernhard: Nutzbare Datenquellen und Verfahren für die Retrospektive Katalogisierung. In: Anm. 9, S. 8-26, hier S. 16. Verwendet wurden die aktuellen Richtsätze des Finanzministeriums BadenWürt­ temberg mit DM 43.265 für A9 und DM 32.815 für A5.

189 Retrospektive Katalogkonversion

3. Datenübertragung: Durch die Datenübertragung im deutschen For­ schungsnetz unter Mitbenutzung eines der Katalogisierung zur Verfügung stehenden Anschlusses entstehen keine zusätzlichen, laufenden Kosten bei der Konversion von Titeldaten. 4. Direkt kalkulierbare Gesamtkosten: An bisher angefallenen, direkt kalkulierbaren Kosten lassen sich somit mit DM 3,00 pro konvertiertem Band angeben. Bei Verwendung des o.g. Umrechnungsfaktors Band : Titel ergegeben sich DM 3,75 pro konvertiertem Titel Diese Kosten sind unter den ausführlich beschriebenen Randbedingungen der UB Freiburg real entstanden. Sie beschreiben damit nur eine Größenordnung und vor allem im Hinblick auf mögliche weitere Anwendungen keine fixe Größe. Die hier genannten Werte können nur bei weitgehend analogen Bedingungen erzielt werden. Trotzdem er­ scheinen die Kosten so interessant, daß weitere Anwendungen des Verfahrens sinnvoll und wünschenswert sind. Sollte dabei das Ergebnis in der vorliegenden Größenordnung bestätigt werden, dürften alle externen Verfahren mit grösseren Konversions- und Nachbereitungskosten finanziell zweifelhaft erscheinen.

190 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3.9 Die bisherigen Erfahrungen Die bisherigen Erfahrungen mit der Online-Konversion im SWBVerbund sind durchweg positiv. Trotz mannigfaltiger Anlaufschwierigkeiten, wie Systemausfälle oder schlechte Dialog-Antwortzeiten (letztere nicht zuletzt durch die zusätzliche Belastung des SWBRechners durch das Konversionsprojekt), konnten gute, z.T. überraschende Ergebnisse erzielt werden: - Der Einsatz studentischer Hilfskräfte als Grundlage für ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis des Verfahrens hat sich bestens bewährt. Rund 98 Prozent der zu konvertierenden Titelaufnahmen konnten von den an­ gelernten Studenten nach kurzer Einarbeitungszeit online im SWB-­ Verbund bearbeitet werden (Datenübernahme und neue Titel). Eine Vergrößerung des Teams bei gleichbleibendem Einsatz von Fachpersonal erscheint möglich. - Die Nutzung von Daten im Fremddatenpool des SWB-Verbundes (DB und BNB) ist bisher mit etwa sechs Prozent sehr gering und ein deutlicher Nutzen ist bisher nicht quantifiziert. Die Erfahrungen bei der Übernahme von BNB-Daten deken sich mit den Aussagen in Abschnitt 2.3 (umständlich und dadurch praktisch kein Nutzen). - Die Datennutzung von in der SWB-Katalogdatenbank vorhandenen Titelaufnahmen ist bisher wegen der Altdatenproblematik nur in weniger als 20 % der Fälle ohne Korrekturen möglich. Der Aufwand für die Verbesserung der vorhandenen Katalogisate ist in der Summe bei über 80 % der übernommenen Katalogisate so groß, daß ein Nutzen der Übernahme vorhandener Daten kaum erkennbar wird. (Bei dieser Aussage ist die z.T. aufwendige Korrekturprozedur im SWB-Verbund zu berücksichtigen.) Durch die sehr hohe Korrekturquote entsteht jedoch ein zusätzlicher Nutzen in Form der damit verbundenen Verbesserung der Datenqualität, die zukünftigen Konversionsprojekten und den Online-Katalogen zugute kommen wird, durch das geplante Überspielen der SWB-Daten an den VK auch außerhalb des SWB-Verbundes. Dieser Nutzen ist angesichts der geforderten hohen Datenqualität bei Online-Katalogen hoch einzu­ schätzen. - Neben den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten haben bei dem hier 191 Retrospektive Katalogkonversion

geschilderten Online-Verfahren die Verfügbarkeit und die Antwortzeiten des Online-Systems einen hohen Einfluß auf die entstehenden Kosten. So kann der ermittelte Wert von DM 3,00 pro konvertiertem Band bei optimalen Bedingungen auf DM 2,00 fallen oder auf über DM 4,00 klet­ tern, wenn die Systemverfügbarkeit schlechter wird. Diese Spannbreite der Konversionskosten macht die Kostenrelevanz einer größtmöglichen Verfügbarkeit eines Online-Katalogisierungssystems mit kurzen Antwort­ zeiten mehr als deutlich und sie zeigt zugleich, daß instabile Online-Sy­ steme nicht nur ein arbeitspsychologisches Problem, sondern in besonde­ rem Maße auch ein Problem der Wirtschaftlichkeit darstellen, das mit der Anzahl der Teilnehmer exponentiell wächst. Außerdem kann daraus abgeleitet werden, daß Leistungssteigerungen bei Online-Verfahren im Katalogisierungs- und Konversionsbereich nicht nur von einem hohen Leistungswillen der beteiligten Mitarbeiter abhängen, sondern auch ent­ scheidend von den Dialogqualitäten und damit wohl viel weniger, als bisher angenommen, von sonstigen Prozeduren.

192 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Rudolf Piepenbrock ANWENDUNG UND ABWANDLUNG DER SACHKATALOGISIERUNGSMETHODE EPPELSHEIMERS IN DER UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK FREIBURG I. BR. Eine Skizze I. Nachdem in der Universitätsbibliothek Freiburg Ende 1967 die Entscheidung für einen neuen Sachkatalog nach der Methode Eppels­ heimers gefallen war, stellte sich sogleich die Frage, inwieweit die Erfahrungen anderer Bibliotheken, die schon nach dieser Methode katalogi­ sierten, genutzt werden könnten. Unterlagen aus mehreren Bibliotheken, besonders aus der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a.M., standen zur Verfügung. Eine mehrtägige Information in der Sachkatalogstelle dieser Bibliothek vermittelte dem Katalogleiter darüber hinaus eine Vorstellung von der dort praktizierten Eppelsheimer-Katalogisierung. Noch während der Vorüberlegungen für den Freiburger Katalog erschien die Arbeit von Arthur Brall: Anwendung und Abwandlung der Sachkatalogisierungs­ methode Eppelsheimers an deutschen Bibliotheken1. Darstellung und kriti­ scher Vergleich der Eppelsheimer-Kataloge besonders an neun wissen­ schaftlichen Allgemeinbibliotheken gaben nun erstmals die Möglichkeit, die bisherigen Anwendungsformen der Methode zusammengefaßt kennenzulernen und zu beurteilen. Bralls Arbeit war daher bei den Planungen für den neuen Freiburger Katalog eine Hilfe von besonderem Wert. Der folgende Überblick über die Sachkatalogisierung nach Eppelsheimers Methode in der Universitätsbibliothek Freiburg steht nicht nur unter einer Überschrift, die Bralls Titel entlehnt ist, sondern folgt auch im Aufbau im wesentlichen seiner Arbeit. 1

Köln 1968; im Folgenden: Brall, Seitenzahl.

193 Die Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in Freiburg

II. Die Übernahme der Methode Eppelsheimers an der Universitätsbibliothek Freiburg bestätigt die Beobachtung Bralls, daß ihre Verbreitung in starkem Maß vom Weg Eppelsheimers, seiner Schüler und derjenigen Bibliothekare bestimmt wurde, denen sie aus ihrer früheren bibliothekarischen Tätigkeit bekannt war (Brall, S. 36). W. Kehr, der in der Stadt- und Universitätsbi­ bliothek Frankfurt jahrelang die Katalogisierung nach Eppelsheimers Me­ thode praktiziert und geleitet hatte, konnte 1967 als neuer Leiter der Frei­ burger Bibliothek Eigenart und Vorzüge eines Eppelsheimer-Katalogs aus seiner Erfahrung überzeugend darstellen und damit den entscheidenden Anstoß zur Übernahme der Methode in Freiburg geben. Als standortfreier Zettelkatalog erfaßt der neue Sachkatalog die seit der Umstellung des Geschäftsgangs am 1. 2. 1968 erworbene sowie die seit 1950 erschienene Literatur. Bis auf das Fachgebiet Rechtswissenschaft ist er im wesentlichen fertiggestellt. III. Wie an den übrigen wissenschaftlichen Allgemeinbibliotheken besteht der Eppelsheimer-Katalog auch in der Universitätsbibliothek Freiburg aus mehreren Teilen. Neben dem Systematischen Katalog wird ein Regionalka­ talog und ein Personenkatalog geführt. 1. Der Systematische Katalog. Der Systematische Katalog umfaßt bis auf einzelne Disziplinen der Natur­ wissenschaften, für die ursprünglich ein eigener Katalog geplant war, sämtliche Fachgebiete. Die Gliederung geschieht wie üblich zunächst in drei Stufen: 1. Fachgebiete, 2. Großbuchstabengruppen, 3. Hundertergruppen. Letztere werden sodann nach dem Allgemeinen Schlüssel weitergegliedert. Nur wenn ausnahmsweise für wenig Titel­ material aus systematischen Gründen eine eigene Großbuchstabengruppe gebildet werden mußte (z.B. für Französische Sprache und Literatur [50 F] 194 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

vor Französische Sprache [50 G] und Französische Literatur [50 H]), entfal­ len die Hundertergruppen. Der Einbau von Zwischenstufen mit eigenen Notationselementen (vgl. Brall, S. 40ff.) war in keinem Fall erforderlich. a) Bei der Bildung und Anordnung der Fachgebiete auf der ersten Gliederungsstufe ist die Universitätsbibliothek Freiburg am auffallendsten von den übrigen Eppelsheimer-Katalogen abgewichen. Sie ordnet die Fächer nicht alphabetisch, sondern systematisch und setzt dabei auch speziellere Disziplinen (z.B. einzelne Philologien) als Fachgebiete der ersten Stufe an. Die in den Eppelsheimer-Katalogen übliche alphabetische Abfolge der Fächer erlaubt zwar eine unbegrenzte Ausgliederung und Einfügung neuer Fachgebiete, aber sie reißt Zusammengehörendes auseinander, und zwar umso mehr, je größer die Anzahl der Fächer ist, - also gerade dann, wenn man Bralls Empfehlung folgt, Teildisziplinen schon auf der ersten Stufe anzusetzen, um eine bessere Tiefengliederung zu erreichen (Brall, S. 47; vgl. auch S. 41, 44). Sucht man andererseits der Zersplitterung dadurch zu begegnen, daß man auf der ersten Stufe möglichst umfassende Fachgebiete bildet (z.B. Sprach- und Literaturwissenschaft), so hat dies einen Verlust an Gliederungsmöglichkeit für die Teildisziplinen (z.B. die einzelnen Philo­ logien) zur Folge. Diesem Dilemma läßt sich nur entgehen, wenn man soweit zur Erzielung einer ausreichenden Tiefengliederung wünschenswert - auch Teildisziplinen als Fachgebiete auf der ersten Stufe ansetzt und zugleich die Fachgebiete nach ihrer Zusammengehörigkeit ordnet. Die so entstehenden Fächergruppen lassen sich dann in Anlehnung an eine sonst (z.B. in Nationalbibliographien oder Freihandaufstellungen) übliche Praxis zusammenstellen. Eine solche »systematische« Abfolge der Fachgebiete ist, worauf Brall bereits hingewiesen hat, ohne Konsequenzen für die übrigen Systemteile auch in Eppelsheimer-Katalogen möglich (Brall, S. 45, 134) Allerdings kann die systematische Anordnung der Fächer nicht ohne Folgen bei der Bildung der Notation bleiben. Ein Wortkürzel als erstes Notationselement, wie es bei den Eppelsheimer-Katalogen mit alphabetischer Fächerfolge üblich ist, würde bei systematischer Abfolge seine Leitfunktion verlieren. In Freiburg wird daher eine Zahl mit bis zu zwei arabischen Ziffern als erstes Notationselement verwendet. Es entsteht so eine Notation mit der Abfolge Zahl-Buchstabe-Zahl (z.B. 12 H 384). Sie 195 Die Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in Freiburg

ist zugleich einfacher, unmißverständlicher, kürzer und jedenfalls nicht weniger leicht merkbar als eine mit einem Wortkürzel beginnende Notation (z.B. psychol H 384). Werden die Zahlen 1-99 den systematisch zusammengestellten Fächern in sinnvollen Sprüngen zugeordnet, so bleiben genug Möglichkeiten, im Bedarfsfall neue oder ausgegliederte Fachgebiete auf der ersten Stufe ein­ zufügen. b) Auf der zweiten Gliederungsstufe hat das Alphabet in allen Fächern zur Bildung der Großbuchstabengruppen ausgereicht. Auch auf dieser Stufe sind Teile verschiedener systematischer Ebenen nebeneinander angeordnet. Wie schon bei den Fachgebieten ist auch hier darauf verzichtet worden, jede in der Sache gegebene vertikale Gliederung in der Notation abzubil­ den. Für die Folgerichtigkeit und Durchsichtigkeit der Systematik genügt es, wenn das Speziellere auf das Allgemeine folgt (z.B. 50 F Französische Sprache und Literatur, 50 G Französische Sprache, 50 H Französische Literatur). c) Bei der Bildung der Hundertergruppen, der dritten Gliederungsstufe, wurde ebenfalls die Möglichkeit genutzt, in der Horizontalen statt in der Vertikalen weiterzugliedern. Zahlen mit mehr als vier Stellen brauchten dennoch nicht vergeben zu werden; vielfach reichten schon die dreistelligen Hunderterzahlen aus. d) Der Allgemeine Schlüssel zur weiteren Ordnung innerhalb der Hundertergruppen vereint in sich wie üblich (vgl. Brall, S. 63f.) formale und sachliche Gesichtspunkte. Mehr noch als in der Universitätsbibliothek Tübingen und in der Universitätsbibliothek Saarbrücken (vgl. Brall, S. 67f., XVIIIff.) wurde eine Straffung angestrebt mit dem Ziel, schon von der Schlüsselstelle 80 an Platz für eine fachspezifische Besetzung und damit ggf. für eine systematische Weitergliederung zu gewinnen. Wie in Saar­ brücken (vgl. Brall, S. XXIIf.) gilt der regionale und der zeitliche Schlüsselteil sowohl für Darstellungen wie für regional oder zeitlich be­ grenzte Quellen. Die Abfolge der Gruppen von Schlüsselstellen (Nachschlagewerke usw.) ist so gewählt, daß sie von formalen Kategorien über allgemeine sachliche bis zu fachspezifischen fortschreitet. 196 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Im Fach Geschichtswissenschaft bildet der chronologische Schlüsselteil - anders als in einigen anderen Bibliotheken (vgl. Brall, S. 73) - kein Hindernis einer sachgerechten Systematik. Vielmehr wurden die Hunderter­ gruppen so gebildet, wie es von der Sache her und nach der Literaturmenge sinnvoll erschien. Erhalten danach schon Hundertergruppen einen zeitlich begrenzten Inhalt (z.B. Deutsche Geschichte [1918-1933]), so ist der chronologische Schlüsselteil zwar nicht mehr in seiner allgemeinen Gestalt anwendbar, wohl aber in abgewandelter Form. Daher wurden in diesen Fällen, wie es Brall vorschlägt (Brall, S. 74), die zeitlichen Schlüsselstellen dazu benutzt, je nach den fachlichen Besonderheiten Stellen für Unter­ epochen der Hundertergruppe einzurichten, z.B.: 60 H 3600 Deutsche Geschichte (1918-1933) 3645 3646 3648 3652 3656

Vorgeschichte 1918/1919 1919-1923 November 1923-1929 1930-1933

Die im Allgemeinen Schlüssel nicht besetzten Stellen 80ff. konnten in jeder Hundertergrupppe völlig frei nach den Bedürfnissen des Fachs und der Titelmenge belegt werden. Die Möglichkeit, in diesem Schlüsselteil weiter (auch vertikal) systematisch zu ordnen, bedeutet einen erheblichen Gewinn zugunsten einer sachgemäßen Gliederung. Die Notation braucht eine solche zusätzliche Tiefengliederung auch hier nur horizontal abzubilden (vgl. oben b]). Dazu ein Beispiel aus der Hundertergruppe Deutsches Gesellschafts­ recht:

197 Die Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in Freiburg

184 185 186 187 188 189

Personengesellschaften Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Offene Handelsgesellschaft Kommanditgesellschaft GmbH & Co KG Stille Gesellschaft

190 Kapitalgesellschaften 191 Aktiengesellschaft 192 Einzelheiten 193 Kommanditgesellschaft auf Aktien 194 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Insgesamt bietet der Katalog in diesem Bereich ein buntes Bild. Neben Hundertergruppen mit nur einer Schlüsselstelle für Einzelheiten finden sich solche, in denen (fast) jede der Stellen ab 80 besetzt ist. Neben Stellen mit ausgedehnten Schlagwortreihen stehen andere mit sehr wenigen Schlagwörtern und solche ohne ein Schlagwortalphabet. Das Ziel einer sachgerechten Gliederung unter Berücksichtigung der Titelmenge hat hier Vorrang vor unnötiger Vereinheitlichung. Häufig sind Einzelheiten mit vielen Titeln aus der Schlagwortreihe, in die sie an sich gehörten, herausgenommen und auf eine eigene Schlüssel­ stelle gesetzt worden mit der Möglichkeit (nicht Notwendigkeit!), diese Einzelheiten nun ihrerseits durch Schlagwortreihen weiterzugliedern. Wenn bei der Anwendung des Allgemeinen Schlüssels mehrere Stellen unterschiedlicher Art miteinander konkurrieren, entsteht die Gefahr unnötiger Doppeleintragungen und uneinheitlicher Handhabung des Schlüssels (vgl. Brall, S. 74ff.). Wie in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz wird auch in der Universitätsbibliothek Freiburg dieser Gefahr dadurch zu begegnen versucht, daß der Vorrang bestimmter Schlüssel­ stellen generell festgelegt wird. Dies bedeutet, daß die fraglichen Titel nur an einer der konkurrierenden Stellen, nämlich an der, die den Vorrang hat, eingelegt werden. e) Erschlossen wird der Systematische Katalog durch ein alphabetisches 198 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Register, für dessen Bearbeitung ein Regelwerk erstellt wurde. In Zweifelsfällen (z.B. bei der Wahl eines Synonyms als Schlagwort) wird jetzt auch die Schlagwortnormdatei zur Orientierung herangezogen. 2. Der Regionalkatalog a) Der Regionalkatalog folgt in seinem Aufbau auf der ersten Stufe der an der Staatsbibliothek, der Universitätsbibliothek Saarbrücken und der Landesbibliothek Fulda praktizierten Lösung: Anordnung der regionalen Einheiten jeder Art und Größe in einem Alphabet. In Freiburg sind auch Völkerstämme, die regional schwer zuzuordnen sind (z.B. Kelten), in dieses Alphabet einbezogen. Da die Bezeichnung »Geographischer Katalog« die unrichtige Vorstellung erweken könnte, es handle sich um einen Katalog des Fachs Geographie, wird dieser Katalogteil in Freiburg »Regionalkatalog« genannt. Eine weitere sachliche Ordnung der Titel erübrigt sich bei der großen Anzahl regionaler Einheiten, zu denen nur wenig Literatur nachgewiesen wird. Größere Titelmengen unter einem Regionalbegriff werden jedoch durch Schlüsselung gegliedert. Der Schlüssel besteht mit einigen Ausnahmen (z.B. Wegfall der speziellen Philologien) aus den Fachgebiets­ nummern des Systematischen Katalogs (»Kleine Schlüsselung«), bei sehr großer Titelanzahl erweitert um die - teilweise zusammengezogenen Großbuchstabengruppen des Systematischen Katalogs (»Große Schlüsselung«). Nur in wenigen Fällen folgt die Schlüsselung noch weiter der Gliederung und Notation des Systematischen Katalogs. b) Die Funktion des Regionalkatalogs, der die auf einzelne regionale Einheiten und regional schwer erfaßbare Völkerstämme bezogene Literatur nachweisen soll, wird in der Universitätsbibliothek Freiburg wie in den meisten Bibliotheken mit Eppelsheimer-Katalogen in einer Ergänzung des Systematischen Katalogs gesehen (vgl. Brall, S. 99ff.). Hieraus wurde aber nicht die rigorose Folgerung gezogen, im Syste­ matischen Katalog stets auf den Nachweis regional orientierter Literatur zu verzichten (vgl. Brall, S. 99f.). Diese Literatur gehört so sehr zur Substanz mancher Fachgebiete, daß ohne sie nur ein Torso des Fachs im 199 Die Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in Freiburg

Systematischen Katalog übrigbliebe (z.B. in der Geschichtswissenschaft). Daher wurde die Möglichkeit eröffnet, einzelne Fachgebiete auch mit ihrer regional orientierten Literatur im Systematischen Katalog zu führen und zwar in einer regional bestimmten Ordnung. Praktiziert wird dies in den Fächern Geschichtswissenschaft und Rechtswissenschaft. In diesem Zusammenhang von »geographischen Ausbeulungen« im Systematischen Katalog zu sprechen1, wird dem Umstand nicht gerecht, daß in solchen Fällen die regionale Gliederung für eine sachgerechte Systematik des Fachs konstitutiv ist und daher nicht im Gegensatz zur »sachlichen« Ordnung steht. Da eine nochmalige Verzeichnung dieser Literatur im Regionalkatalog keinen Gewinn bringen würde, wird hier bei den betroffenen Regionalbegriffen nur auf den Systematischen Katalog verwiesen. Insoweit übernimmt der Regionalkatalog die Funktion eines Registers zum Systematischen Katalog. Die ergänzende Funktion des Regionalkatalogs schließt auch zusätzliche Eintragungen in anderen Katalogteilen nicht aus. Im Regional­ katalog verzeichnete Titel können zusätzlich in den Systematischen Katalog aufgenommen werden, wenn es erforderlich erscheint, sie auch dort nachzuweisen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn ein Titel auch un­ abhängig von seinem regionalen Bezug eine nicht unwesentliche sachliche Bedeutung hat. In dieser Hinsicht können auch generelle Regelungen getroffen werden. So werden regional orientierte Titel der Politischen Theorie stets auch im Systematischen Katalog nachgewiesen, da der regionale Aspekt hier gegenüber dem sachlichen in aller Regel nur von untergeordneter Bedeutung ist. - Beziehen sich im Regionalkatalog verzeichnete Titel auf einzelne Personen, so werden sie zusätzlich in den Personenkatalog aufgenommen.

1

BRALL, S. 102, 136 im Anschluß an H. W. EPPELSHEIMER: Der neue Sachkatalog der Mainzer Stadtbibliothek. In: ZfB 46 (1929), S. 416, und C. NISSEN: Der Mainzer Sach­ katalog in Theorie und Praxis. In: Beiträge zur Sachkatalogisierung. Leipzig 1937, S. 105.

200 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3. Der Personenkatalog Dieser Katalogteil dient der einfachen Bearbeitung und dem raschen Auffinden der Literatur über Leben und Werk einzelner Personen. Die Be­ zeichnung »Biographischer Katalog« wurde vermieden, da sie den unzu­ treffenden Eindruck erwecken kann, der Katalog verzeichne nur Lebensbeschreibungen, nicht aber auch Literatur über die Werke der Perso­ nen. Anders als die übrigen Katalogteile (vgl. oben II) enthält der Personenkatalog auch die vor 1950 erschienene Literatur. Der Benutzer kann sich so an einer Stelle über die selbständige personenbezogene Literatur, die in der Bibliothek vorhanden ist, informieren. a) Geordnet ist der Personenkatalog alphabetisch nach den Personennamen. Ist die unter einem Namen nachgewiesene Titelmenge sehr groß, so wird sie nach einem sechzehnstelligen Schlüssel gegliedert. Dieser Schlüssel für den Personenkatalog ist in der Universitätsbibliothek Freiburg neu entworfen worden, da die bis dahin bekannten Schlüssel für die Weiter­ gliederung personenbezogener Literatur zu ausführlich waren (vgl. Brall, S. 110f.). Der Schlüssel verzichtet auf alle unergiebigen Differenzierungen. Andererseits kann die Stelle »Sachliche Einzelheiten« in Ausnahmefällen durch Beifügung von Kleinbuchstaben in mehrere Schlüsselstellen aufge­ teilt werden, wenn es erforderlich ist, einzelne Bereiche mit großer Titel­ anzahl aus dem Alphabet der Sachschlagwörter herauszunehmen und evtl. weiterzugliedern oder sonst eine dem Titelmaterial angepaßte Ordnung zu ermöglichen. So können auch extrem große Titelmengen bei einzelnen Personennamen (Goethe, Shakespeare) angemessen, ausreichend und über­ sichtlich geordnet werden. Bei Konkurrenz mehrerer Schlüsselstellen gelten für den Vorrang bestimmter Stellen sowie für zusätzliche Eintragungen allgemeine Regeln. b) Der Personenkatalog wird wie der Regionalkatalog als eine Ergänzung des Systematischen Katalogs angesehen. Der Aspekt Leben und Werk einer Person wird nur im Personenkatalog erfaßt. Ist ein Titel darüber hinaus für eine im Systematischen Katalog geführte Sache von nicht unerheblicher Bedeutung (z.B. die Biographie eines UNO-Generalsekretärs für die Ver­ 201 Die Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in Freiburg

einten Nationen), so wird er zusätzlich im Systematischen Katalog bei dieser Sache nachgewiesen. Eine Sonderregelung gilt für biblische Personennamen. Sie werden nur im Systematischen Katalog geführt, da dieser in wichtigen theologischen Disziplinen nicht zu sehr ausgehöhlt werden sollte. 4. Koordination Die für eine möglichst gleichmäßige Katalogführung unerläßliche Koordinierung der laufenden Katalogarbeiten (vgl. Brall, S. 116ff.) wird in der Universitätsbibliothek Freiburg einerseits durch generelle Regelungen angestrebt. So ist der Allgemeine Schlüssel mit Anmerkungen versehen, die nicht nur zu einzelnen Schlüsselstellen Erläuterungen geben, sondern auch den Vorrang bei Konkurrenz mehrerer Stellen festlegen (vgl. oben 1. d]). Eigene Regelwerke gibt es für das Schlagwortregister zum Systematischen Katalog sowie für den Regionalkatalog mit Bestimmungen u.a. über den Inhalt des Regionalkatalogs, über Wahl und Form der regionalen Schlagwörter (Regionalbegriffe) und deren Ordnung. Dem Schlüssel zum Personenkatalog schließlich sind Anmerkungen angefügt, in denen Weiter­ ordnung, Vorrang und zusätzliche Eintragungen geregelt sind und der Inhalt einzelner Schlüsselstellen erläutert wird. Mit diesen allgemeinen Regelungen ist zwar noch keine einheitliche Katalogisierung gesichert. Wohl aber können sie einer allzu starken, unkontrollierten Auseinanderentwicklung entgegenwirken. Darüber hinaus dient es einer gleichmäßigen Katalogführung, daß die von den Fachreferenten vergebenen Notationen und Register-Schlagwörter in der Sachkatalogstelle, die mit einem Bibliothekar des gehobenen Dien­ stes und einer Bibliotheksangestellten besetzt ist, anhand der Systemübersichten und eines Registerduplikats auf ihre formale Richtigkeit überprüft werden. Schließlich wird die Einheitlichkeit der Katalogisierung auch dadurch gefördert, daß die Führung des Regionalkatalogs und des Personenkatalogs in der Hand der beiden Mitarbeiter der Sachkatalogstelle konzentriert ist. 202 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

IV. Überblickt man die in der Universitätsbibliothek Freiburg praktizierte Sachkatalogisierung insgesamt, so kann man feststellen, daß sie weithin derjenigen anderer Bibliotheken, die bereits nach Eppelsheimers Methode katalogisierten, entspricht, - ohne daß sich allerdings der Freiburger Katalog einem bestimmten Typ der Eppelsheimer-Kataloge zuordnen läßt. Neue Wege beschreitet die Universitätsbibliothek Freiburg unter den nach der Methode Eppelsheimers katalogisierenden wissenschaftlichen Allgemeinbibliotheken vor allem mit der systematischen Anordnung der Fachgebiete auf der ersten Stufe des Systematischen Katalogs und - damit verbunden - mit der Ersetzung des Wortkürzels als ersten Notationselements durch eine Zahl. In der Gestalt, die er in Anwendung und Abwandlung der Sachka­ talogisierungsmethode Eppelsheimers gefunden hat, hat sich der Freiburger Sachkatalog bisher bewährt. Ob und inwieweit er in der Zukunft neben mo­ dernen Formen verbaler Sacherschließung unter Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung Bestand haben wird, ist eine andere noch offene - Frage.

203 Die Sachkatalogisierungsmethode Eppelsheimers in Freiburg

Vera Sack ARBEIT AM ALTEN BUCH Eine Rückschau 1. Reformprogramm 1967 In einem Reformprogramm1, das Wolfgang Kehr im Herbst 1967 anläßlich der Übernahme seines neuen Amtes als Direktor der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau erarbeitete, findet sich bereits ein Maßnahmenkatalog »zur besseren Erhaltung, Erschließung und kontrollierten Benutzung der historischen Buchbestände« in der dortigen Bibliothek. W. Kehr hatte schon damals erkannt, daß er sich - ein Erfordernis Freiburger Bi­ bliotheksverhältnisse - vordringlich auch als Sachwalter der alten Bücher und Manuskripte sehen mußte. Der Ausbau der Freiburger Institution zu einer modernen und leistungsfähigen Bibliothek für Forschung und Lehre hieß auch, ihre historischen Strukturen transparenter zu machen2: Gut fünf Jahrhunderte lang haben akademische Sammlungen, Vor­ gängerinnen der heutigen Universitätsbibliothek, Bücher beherbergt, die das Wissen und die Gedanken ihrer Zeit in sich bargen, tradierten, die zur geistigen Auseinandersetzung anregten. Etliche Jahrhunderte auch hat die universitäre Sammlung als eine der großen Regionalbibliotheken am Oberrhein gegolten, hat sie im Laufe der Geschichte viele kleinere und größere, private und kirchliche Büchersammlungen im Breisgau, im Schwarzwald, im nahen Elsaß und im Bodenseegebiet aufgenommen, besonders zu Zeiten der josephinischen und badischen Säkularisationen. Ihre dominierende Stellung am Ende der napoleonischen Ära beschrieb 1

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Vgl. dazu W. KEHR im Vorwort zum Inkunabelkatalog der UB Freiburg: V. SACK: Die Inkunabeln der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Frei­ burg im Breisgau und Umgebung. T. 1-3. Wiesbaden 1985. In einem knappen historischen Überblick verstand schon J. REST die Universitäts­ bibliothek »als Kulturträger im oberrheinischen Raum«, vgl. J. REST: Die Universitäts­ bibliothek Freiburg und ihre Aufgaben im oberrheinischen Raum. Aus: Oberrheinische Heimat 28 (1941) S. 293-310.

204 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Ignaz Speckle, der letzte Abt von St. Peter im Schwarzwald, 1807 in seinem Tagebuch wie folgt: »In ganz Breisgau ist nur noch eine einzige Bibliothek zu finden, und von Freiburg keine mehr bis Karlsruhe«3. 2. Praktische Umsetzung: Aufbau einer Sonderabteilung für das alte Buch Doch vorbei die (gar noch nicht so fernen) Zeiten, da Bibliotheksdirektoren die Beschäftigung mit dem alten Buch zu ihren vordringlichsten und vornehmsten Aufgaben zählten. Heutzutage hat der Leiter einer größeren und stark frequentierten Universitätsbibliothek ganz andere Aufgaben, wenn er seinen Pflichten dieser Institution gegenüber gerecht werden will. Doch wird vom Leiter einer traditionsreichen Bibliothek mit alten Buchbeständen heute erwartet, daß er für dieses Kulturgut, seine Erhaltung, Pflege, Erschließung und Benutzung das richtige Verständnis besitzt und Mittel und Wege findet, speziell ausgebildetes Personal dafür einzusetzen. W. Kehr machte sich auch bei dieser Aufgabe, die er sich bei Übernahme seines Amtes gestellt hatte, sogleich ans Werk. Wenige Wochen später holte er mich als Mitarbeiterin aus Frankfurt: mein dortiger Inkunabelkatalog war kurz zuvor erschienen, mich reizte die neue Aufgabe. Außerdem kannten wir uns beide aus einer jahrelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit im Frankfurter Sachkatalog. Nach seinen Zielvorgaben und jeweils in enger Absprache mit ihm habe ich nun in Freiburg ab Januar 1968 seine Vorstellungen und Pläne hinsichtlich der alten Buchbestände zu verwirklichen geholfen. Der Aufbau einer Sonderabteilung für das alte Buch im vergangenen Vierteljahrhundert trägt seine Handschrift. Im folgenden werde ich diese Arbeit aus der Erinnerung heraus schildern - eine Rückschau auch für mich am Ende der letzten Strecke meines beruflichen Weges.

3

Vgl. E. MITTLER: Die Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. 1795-1823. Freiburg 1971, S. 12 ff.

205 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

2.1 Der Beginn: Zustände im Bereich des alten Buches Welche Verhältnisse im Bereich des alten Buches fand ich nun vor, als ich Anfang 1968 meinen Dienst in Freiburg antrat? Insgesamt war das Bild noch ganz bestimmt und getrübt von den Verlusten und Mängeln der Kriegs- und Nachkriegszeit. Anders als in Frankfurt, wo Neubau und Reorganisation schon eine Wende bewirkt hatten, - hier eine eher trostlose Situation und durch krankheitsbedingte Handlungsunfähigkeit der Leitung in den vorhergehenden Jahren stellenweise geradezu unerträgliche Zustände. Das Bibliotheksgebäude war durch Bombeneinwirkung stark beschädigt. Der bis ins Erdgeschoß zerstörte Südflügel war bis 1957 mit Verwaltungstrakt und angrenzenden Magazinteilen in einem Betoneinbau neu hochgezogen worden, jedoch um ein Geschoß vermehrt und daher »phasenverschoben« zu den übriggebliebenen Gebäudeteilen4. Die »Schnittstellen« im Magazinbereich, wo auch die Altbestände lagerten, hatte man durch schräggelegte Laufplanken recht provisorisch verbunden, was den Transport der oft dickleibigen und schwergewichtigen Bände für die hier tätigen Magaziner und auch für mich, die ich oftmals »tätlich eingreifen« mußte, nicht eben leicht machte; zudem wurden infolge von Notlagen im Magazin des öfteren ganze Teile der Altbestände versetzt. Die Frühdrucke selbst hatten die Kriegszeit zahlenmäßig ohne nennenswerte Einbußen überstanden, allerdings in ihrer Substanz durch Wasserschäden stark beeinträchtigt, wie ich im folgenden noch ausführen werde. Durch leichtsinnige Vergabe von Magazinschlüsseln im akademischen Umkreis und, dadurch bedingt, unkontrolliertem Zugang war aber - höchstwahrscheinlich in der ersten Nachkriegszeit - die Signa­ turengruppe »T« im Altbestand um ihre wertvollsten Bücher gebracht worden, also unter den naturwissenschaftlichen und medizinischen Früh­ drucken empfindliche Verluste!

4

Vgl. J. REST: Freiburg i. Br., Universitätsbibliothek in: G. LEYH (Hrsg.): Die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken nach dem Krieg. Tübingen 1947, S. 84-93, dazu: H. D. RÖSIGER: Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 1457-1957. In: Der Wiederauf­ bau seit 1945. Freiburg i.Br. 1957, S. 100-104.

206 25 Jahre Arbeit am alten Buch

2.2 Aufbau einer Handbibliothek Nachdem ich mich mit den Katalogverhältnissen im Bereich der alten Bestände vertraut gemacht hatte, und insbesondere mit der Geschichte dieser Sammlung, die wie überall mit der Geschichte der Stadt, des umgebenden Landes eng verflochten ist (für auf diesem Gebiet Tätige ein unentbehrliches Fachwissen), begann ich zunächst mit dem Aufbau eines Handapparates, der in den folgenden Jahren zur Handbibliothek und im Neubau zum Bestand des Sonderlesesaales für Handschriften und Inkuna­ beln (später mit wachsender Aufgabenstellung: Frühdrucke) ausgebaut wurde. Die Aufstellung sei kurz skizziert: den allgemeinen und diversen einschlägigen Lexika und Wörterbüchern folgen fachliche Nach­ schlagewerke, die man hauptsächlich zur Handschriftenbestimmung nutzt: Initien- und Werkverzeichnisse, Repertorien und grundlegende Handbücher. Im Anschluß stehen Gruppen zur Kodikologie, zur Paläographie, dann reihen sich die Handschriftenverzeichnisse an, zuerst die fachlichen, dann die regional übergreifenden, endlich diejenigen einzel­ ner Bibliotheken, alphabetisch nach Orten mit »sprechenden« Signaturen geordnet. Ähnlich ist die Abteilung der Auskunftsliteratur für Frühdrucke angelegt. Ein dritter Komplex, gegliedert nach den einzelnen Sparten des Buchwesens, soll mit Grundlagenliteratur buchgeschichtlichen Forschungen (Sammler-, Exlibris-, Einbandbestimmungen etc.) dienen, ohne hier nun die Dimensionen einer Spezialbibliothek anzustreben. Daneben entstand noch eine umfangreiche Zusammenstellung von Matrikeln, sowie von lokalgeschichtlicher Literatur zur Erforschung von Provenienzen, die nun jedoch in den Beständen des allgemeinen geistes­ wissenschaftlichen Lesesaals aufgegangen sind. Einige Zahlen zur Größenordnung: Ende 1975 umfaßte diese Handbibliothek 3118 Bände, kurz nach Einzug in den Neubau Ende 1978 standen im neugeschaffenen Sonderlesesaal 3357 Bände, im Januar 1985 war der Bestand auf 4222 Bände, Ende 1989 auf 6167 Bände angewachsen, usf. Der Beginn des Sammelns war mühselig: unübersichtliche Magazinverhältnisse, Magaziner, die bei den Anforderungen des normalen Betriebes schon an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gehen mußten, - den Großteil dieser Handbibliothek habe ich in den ersten Jahren Stück für Stück selbst auf 207 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

verwinkelten Wegen im Magazin zusammengeklaubt. 2.3.1 Sonderaufstellung im Magazin: Handschriften und Inkunabeln Anfang 1968 waren die Handschriften und Nachlässe an einer peripheren Stelle des Magazins in einem nur mit Vorhängeschloß gesicherten Holzverschlag untergebracht. Weit davon entfernt an einer sehr unübersichtlichen Gebäudeecke unter dem Dach hatte man den größeren Teil der Inkunabeln bereits aus der allgemeinen Büchermasse aussortiert, auf kaum erreichbaren Regalen, eingepfercht von meterhohen Du­ blettenbergen aus mehreren Jahrzehnten, die sich an manchen Stellen bis in den Dachfirst türmten. Mit einer seiner ersten Anordnungen setzte W. Kehr dem ungehinderten und unkontrollierbaren Magazinzutritt ein Ende, indem er neue Schlösser einsetzen ließ: zuletzt sollen im Universitätsbereich rund 90 Magazinschlüssel im Umlauf gewesen sein, vermutlich der Grund für die vorher erwähnten »Abgänge«. Dann begann er kontinuierlich, von den oberen Verwaltungsräumen ausgehend, die Flucht eines angrenzenden Dachgeschosses in Abschnitten ausbauen zu lassen. Das schaffte Platz, um die Handschriften und Inkunabeln nun »hinter Schloß und Riegel« zu bringen, gab auch Raum für wenige, dringend benötigte Verwaltungszimmer. Die separate Aufstellung der Wiegendruke war bislang »störanfällig« gewesen. Immer wieder hatten Bände nach einer Benutzung den Weg zurück zu den gleich ausgeschilderten Signaturengruppen im allgemeinen Magazin gefunden, auch eine farbliche Unterscheidung hatte daran nichts zu ändern vermocht. Nun zeigten verschiedenfarbige Stellvertreter mit austauschbarem Tascheninhalt terminierten (durch Ausleihe, Bearbeitung etc.) oder zeitlich unbegrenzten Standortwechsel an, ein Ausleihbuch überwachte außerdem die Entnahme im Sondermagazin (noch war eine Benutzung dieser Bestände nur im allgemeinen Lesesaal möglich). Später wurden im Zuge der Neukatalogisierung die Inkunabeln auch »umsigniert«, d.h. der vorangestellte Zusatz »Ink.« wurde fester Bestandteil der Signatur. So war einerseits der Sonderstandort für Inkunabeln endgültig gesichert, andererseits blieben die alten Signaturen erhalten und somit der rasche Zugriff über Zitate in der älteren Fachliteratur. Die Aussonderung der Inkunabeln war aufgrund alter Meldungen an 208 25 Jahre Arbeit am alten Buch

den Gesamtkatalog der Wiegendrucke erfolgt, die in einem durchschossenen Hain-Exemplar notiert worden waren. Um den Bestand auch über Hain hinaus abzurunden, durchkämmte ich jahrelang die Kataloge mit ihren oft ein Jahrhundert alten Aufnahmen, die kaum an mo­ dernen Bibliographien überprüft worden waren, sowie den gesamten Altbe­ stand im Magazin, - viele tausend Bände mußten damals Stück für Stück untersucht werden, mit dem Ergebnis, daß die Sammlung wirklich Voll­ ständigkeit erreichte. Nach Abschluß der Katalogisierung fanden sich bis heute lediglich 4 weitere Inkunabeln, die in früherer Zeit falsch datiert, entsprechend falsch katalogisiert und beschriftet und daher auch bei den eben geschilderten Aktionen nicht auffindbar waren. 2.3.2 Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts Im Jahre 1968 hatte W. Kehr auch bereits die Sicherung und Neu­ katalogisierung der Bestände des 16. und 17. Jahrhunderts im Auge. Gewisse Vorarbeiten dazu waren schon von J. Rest geleistet worden, der direkt nach dem Kriege die Drucke vor 1701 aus der allgemeinen Signaturenfolge aussondern ließ, um sie »in lückenloser Enge in den (feuchten!) Kellerräumen« aufzustellen; dies war jedoch nicht als Maßnahme des Schutzes von altem Buchgut gedacht, sondern aus der Raumnot im Magazin geboren5. W. Kehr ließ Anfang der siebziger Jahre die früher nur unzureichend durchgeführte Aktion wiederholen, nun aber in der Absicht, die Frühdrucke in Form einer Reserve zu sichern. Bücher ohne Jahresangabe wanderten zu Hunderten über meinen Schreibtisch zur Überprüfung und wenigstens annähernden zeitlichen Bestimmung. Diese neugebildete Gruppe des Altbestandes erhielt in der Folge neue Signa­ turenschilder mit der Kennzeichnung »16./17. Jh.«, die zwar nicht Signaturenbestandteil ist, deshalb auch nicht im Katalog verankert werden mußte, dennoch aber eine feste Standortbindung schuf. Auch diese Bestandsgruppe verlegte man in das immer weiter ausgebaute Sondermagazin im Dachgeschoß.

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Vgl. REST, a.a.O. S. 92.

209 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

2.3.3 Sondermagazin im Neubau Aus drangvoller Enge und vielen Provisorien in den Stellmöglichkeiten befreite dann der Umzug in den Neubau. Hier haben die alten Drucke (bis 1700 inkl.) zusammen mit den Handschriften und den Rara-Beständen, auf deren Bildung ich weiter unten noch kurz zurückkommen werde, eine optimale Aufstellung gefunden in einem klimatisierten Tiefmagazin, übersichtlich in einer logischen Signaturenabfolge aufgestellt, in einer Compactus-Anlage leicht erreichbar auch in der »Höhenlage«, in verschiedenen Formaten, die schwergewichtigen und großformatigen Bände um die Raummitte und in der Nähe des Zuganges geordnet und so mit dem geringsten Kraftaufwand zu transportieren. Ein letzter noch offener Wunsch wird gerade erfüllt: trotz alter Katalogaufnahmen im Frühdruckbereich, die keine Raumhinweise geben, lenkt unser nun mit einer Info-Datei versehenes, computergesteuertes Ausleihsystem OLAF II Bestellungen nicht nur direkt in das Sondermagazin, sondern dort auch an den genauen Standort unter den Formaten. 2.4.1 Sanierung der Altbestände: ihr Zustand um 1970 Die Altbestände mußten einem Betrachter, der um 1970 seine Augen über die vollgestopften Regale gleiten ließ, ein desolates Bild bieten: die Bände verdreckt, ungepflegt, buchstäblich aus den alten Fugen geraten. Aber das waren nicht alles Schäden und Versäumnisse der letzten Jahrzehnte. Schon in den vergangenen Jahrhunderten waren Bücher arg gebeutelt worden und trugen davon die Spuren: in Pest- und Kriegszeiten am oft heimgesuchten Oberrhein vom ursprünglichen Standort verschleppt, manchmal von Feuersbrünsten gezeichnet, in verstaubten Dachkammern von mancherlei Ungeziefer benagt, hatte die spätere Verstaatlichung im Zeitalter der Säkularisationen auch kaum Besserung gebracht. Die aus dem Desaster geretteten Bände wurden in der ärmlich ausgestatteten Univer­ sitätsbibliothek im 19. Jahrhundert nicht gerade pfleglich behandelt. Wegen weitgehenden Befalls durch Bücherwürmer, dem man anders damals nicht zu steuern wußte, entfernte man das Gros der alten, mit blindgeprägtem Leder bezogenen Holzdeckel oder doch zumindest die Holzkerne dieser Deckel. Später riß man die alten Sammelbände auseinander, um der Einord­ 210 25 Jahre Arbeit am alten Buch

nung von Einzelschriften nach dem streng systematischen Aufstellungsprinzip von Hartwig gerecht zu werden, vorher auch schon, um über Dubletten verfügen zu können, die man verkaufen mußte, - viele Hundert der so ihrer alten »Kleider« beraubten, »bloßgestellten« Drucke wurden auf billigste Weise wieder bemäntelt, zu mehr reichte offensichtlich das Geld nicht. Die Aufbewahrung im Keller auf oft wasserdurchfluteten Gängen - die Außenmauern ohne Drainage und Isolation ließen Regen stets in den tiefergelegenen Keller fließen, wo die Bände manchmal nur wenige Zentimeter über dem knöcheltiefen Wasser auf feuchten Holzregalen standen - schuf da nur eine Klimax6. Sie dauerte an, als man die Altbestände nach dem Einbau des Betontraktes (1957/58) auch mehr wegen ihrer geringeren Benutzungsfrequenz als aus Sicherheitsgründen auf ein provisorisch errichtetes Zwischengeschoß dicht unter dem Dachfirst umquartierte, wo sie dem Staub, aber auch einem Wechselbad von Sommerglut und Winterkälte und -feuchtigkeit ausgesetzt waren. Die Folgen all dieser Torturen: zerschlissene Einbände, Wasserschäden mannigfacher Art, die eigentlich den gesamten Bestand überzogen, mit teilweise starkem Schimmelbefall, aufgesprengte Pergamentbände, usf.7.

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7

In der Literatur nicht belegte Details nach Aussagen eines Zeitzeugen: Martin Keller, der 1948 in der Freiburger UB seine Ausbildung begann, später dort der Benutzung und der Verwaltung (bis 1990) als Oberamtsrat vorstand. Auf diese Ausgangssituation verwies schon W. KEHR: Das Landesrestaurie­ rungsprogramm in Baden-Württemberg und die Restaurierung und Konservierung alter Handschriften und Drucke in der Universitätsbibliothek Freiburg. In: INFORMATIONEN 38 (1988), S. 227 f., der S. 228 ff. auch die im folgenden beschriebenen Sanierungsmaßnahmen vorstellte.

211 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

2.4.2 Erste Instandsetzungen. Instandsetzungsprogramme Der Schaden schien unermeßlich, und war, wenn überhaupt, nur langfristig zu beheben oder doch zu mindern. Nach dem Krieg hatte in den Bibliotheken der Mangel geherrscht, und bei meinem Amtsantritt waren reparierte Einbände im Altbestand an einer Hand abzuzählen. Auch in den nächsten Jahren mußte vordringlich der allgemeine Bestandsaufbau forciert werden. Nach einer groben Schadensermittlung konnten aber in der Hausbuchbinderei zunächst planvoll die schlimmsten Fälle gebessert werden. Mitte der siebziger Jahre zweigte W. Kehr aus dem Buchetat Mittel für eine grundlegende Sanierung ab, anfangs waren es jährlich 5.000,- DM, dann 10.000,- DM, schließlich 20.000,- DM und mehr. Nun konnten Ar­ beitsstrategien entwikelt werden, um den Altbestand von über 50.000 Bänden möglichst flächendeckend, effizient und wirtschaftlich in­ standzusetzen, übrigens längst bevor Themen der Restaurierung und Konservierung in einer breiten und in Fragen einer bedrohten Umwelt sensibilisierten Öffentlichkeit erörtert wurden. Dutzende Male ist er durchgekämmt worden, um geeignete Objekte für die oft jahrelang laufen­ den Programme zu sammeln. Beispielsweise konnte in der Firma E. Liehl eine preisgünstige, örtliche Buchbinderei gefunden werden, die - in die Problematik eingewiesen und mit ausgesuchten Einbandmaterialien ausgestattet -sich 1977/85 darauf spe­ zialisierte, zunächst sämtliche dünnen Papierheftungen (insgesamt 1.470 Stück), die längst zwischen stabileren Bänden zerschlissen worden waren, in solider Fassung neu zu binden. 1985/86 verpaßte sie 584 Dissertationen des 16. bis 18. Jahrhunderts, die man bisher höchst provisorisch, in grobe Pappe eingeschlagen, verwahrt hatte, ein passendes Gewand, um sich darauf Hunderter auseinanderbrechender, alter Pappbände in 8o anzu­ nehmen. Weiter stieß man nach einer Testphase auf eine geeignete Werkstätte, die sich noch darauf verstand, über echte Bünde zu binden und zu restaurieren. Viele der dickleibigen Bände in den größeren Formaten wurden so versorgt. Insgesamt 2.893 alte Drucke sind bis zum Frühjahr 1988 in auswärtigen Buchbindereien repariert worden. 2.4.3 Hausbuchbinderei: Sanierungsprogramme und Restaurierung 212 25 Jahre Arbeit am alten Buch

Auch die Werkstätte im eigenen Haus wurde leistungsfähiger im Altbe­ reich, nachdem große Partien von Reparaturen aus dem allgemeinen Magazin außer Haus gegeben werden konnten: Ein Sanierungsprogramm, das die Tausende aufgesprengter oder sonst defekter Pergamentbände erfassen soll, läuft derzeit noch. Außerdem versieht die Hausbuchbinderei kontinuierlich alle instandgesetzten Pergament- und Ledereinbände mit Schubern - dies schon eine Konservierungsmaßnahme. Flankierend zu dem Einsatz eigener finanzieller Mittel wurde eine zweckentsprechende Quali­ fizierung des Fachpersonals der Buchbinderei angestrebt. Der Meister der Werkstatt, Gerhard Fahrländer, ist auf Lehrgängen, Seminaren und Reisen zum Restaurator fortgebildet worden, 1981 wurde er mit Hilfe der Stiftung Volkswagenwerk für die Dauer von drei Jahren auch ganz für Restau­ rierungsarbeiten an besonders geschütztem Bibliotheksgut eingesetzt. Seine so erworbene Fertigkeit in den Restaurierungstechniken zeigen schon jetzt einige Hundert wertvoller Einbände aus dem Handschriften- und Früh­ druckbestand8. Und wem ein Herz für alte Bücher schlägt, kann ermessen, mit welchem Genuß, welcher Freude, ja welchem Glücksgefühl man einen der vorher verkommenen Schätze in Händen hält, befühlt, durchblättert, denen er nach vielen Tagen voller Mühen wieder Wert und Glanz zurück­ gegeben hat. 2.4.4 Restaurierung im Ausblick. Landesrestaurierungsprogramm Inzwischen ist das Gros der Schäden beseitigt, die durch die soeben ge­ schilderten Maßnahmen behoben werden konnten. Es bleiben die nur langfristig zu lösenden Restaurierungsprobleme. Hierbei stoßen wir manchmal an Grenzen, die man mit dem Einsatz eigener Mittel kaum über­ winden kann, und ergreifen dann dankbar die Hilfen zentraler Einrichtun­ gen. In der Vergangenheit konnten wir in Fällen einiger Zimelien die 8

In der hauseigenen Buchbinderwerkstatt und in der speziellen Restaurierungswerkstatt wurden 1975-78 insges. 1.263 Bände umfassend restauriert, vgl. KEHR a.a.O. S. 229. In den drei Jahren, in denen G. Fahrländer sich mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk ganz auf die Restaurierung wertvoller, alter Bände konzentrieren konnte, wurden von ihm 263 Bände, darunter 12 Zimelien, instandgesetzt, vgl. darüber in: INFORMATIONEN 19 (1984), S. 22 f.

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Amtshilfe des Instituts für Buch- und Handschriftenrestaurierung bei der Bayerischen Staatsbibliothek in Anspruch nehmen, in der Zukunft wird die sich gerade für den Standort Ludwigsburg konstituierende zentrale Restaurierungswerkstatt des Landes Baden-Württemberg unsere durch Neukatalogisierung und Benutzung von Altbeständen listenmäßig teilweise schon erfaßten Schadensfälle mit ihren optimalen Möglichkeiten be­ arbeiten9. Sie hilft in ihrem provisorischen Domizil Tübingen schon seit Jahren bei unserem Problem des Schimmelbefalls und hat bereits viele Meter der am stärksten heimgesuchten Bände mit Chloroxyd begast. 2.5.1 Maßnahmen der Bestandserhaltung: Sondermagazin und kontrollierte Benutzung Allmählich griffen auch Maßnahmen der Bestandserhaltung. Der wohl einschneidendste Akt hierbei war der Neubau, der zum Segen auch für das alte Buch wurde. Der gut 50.000 Bände umfassende Altbestand findet in einem großen Raum des Tiefmagazins, einer Zementwanne, eine fachgerechte Aufstellung bei optimalen Bedingungen: staub- und schad­ stoffrei belüftet, unter ständig überprüften klimatischen Verhältnissen, etc., und kann nun auch entsprechend gepflegt werden. Das Pendant in der Benutzung ist der neugeschaffene Sonderlesesaal mit anschließenden Verwaltungsräumen für die Mitarbeiter am alten Buch. Durch die allgemei­ ne Klimaanlage sind die Werte beider Raumeinheiten aufeinander abgestimmt: Die Bücher aus dem Tiefmagazin, dem »Tresor«, erleiden bei der Benutzung keinen »Klimaschock«. Die Lesesaalaufsicht kann die über­ sichtlich angeordneten und nicht sehr zahlreichen Plätze gut überwachen und vermag die alten Werke so vor Schäden durch unsachgemäße Benutzung und vor Diebstahl zu bewahren, wobei sie von zusätzlichen Kontrollmaßnahmen unterstützt wird.

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Über das Landesrestaurierungsprogramm informierte KEHR a.a.O. S. 227.

214 25 Jahre Arbeit am alten Buch

2.5.2 Ausbau einer »Reserve« (Rara-Bestand) Dem Verschleiß wertvoller Bestände wurde darüber hinaus vorgebeugt, daß man die »Reserve« kontinuierlich ausbaute: 1980 zählte man beispielweise 3459 »Rara«, 1990 standen dort 6439 Drucke. Freilich sind in dieser Son­ dersammlung nicht nur besonders erhaltenswerte alte Drucke vereinigt, sondern auch Erstausgaben, moderne Pressendrucke, teure Faksimilia, charakteristische, historische Einbände und ungebundenes Schriftgut mancherlei Art, das sich für die normale Ausleihe nicht eignet. Die Rara werden wie die (übrigen) Altbestände nur im Sonderlesesaal benutzt und sind den »Belastungen« des Fernleihverkehrs entzogen. 2.5.3 Schutzverfilmung Schließlich werden wertvolle, häufig benutzte, auch »kranke« Druke planmäßig erfaßt und schutzverfilmt10. Filme und Reproduktionen treten so in der Benutzung nach und nach an die Stelle des »leidgeprüften» Originals, das in einer Schutzverpackung im Regal seinen Platz nur noch in Ausnahmefällen verläßt. Jetzt schon und weitaus stärker in naher Zukunft müssen sich die Benutzer im Bereich des alten Buches daran gewöhnen, mit Kopien zu arbeiten und die Handschrift, den alten Druck nur noch in seltenen Fällen zum Vergleich heranzuziehen, damit auch kommenden Ge­ nerationen das von alters her tradierte Kulturgut »Buch« erhalten bleibt.

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Zur Schutzverfilmung auch von Altbeständen vgl. W. KEHR: Schutzverfilmung in der Universitätsbibliothek. Zum Problem der Bestandserhaltung. In: INFORMATIONEN 51 (1991) S. 681-684. - Über die Schutzverfilmung aller mittelalterlichen und früh­ neuzeitlichen Handschriften der UB Freiburg durch die Hill Monastic Manuscript Library in Collegeville/Minnesota (USA) berichtete W. HAGENMAIER in: INFORMATIONEN 37 (1988) S. 219 f.

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2.6.1 Erschließung des Altbestandes: Handschriften Die gut bestückte Handbibliothek, das planvolle Aussortieren und Sammeln von alten Drucken bis 1700 im Magazin schufen notwendige Voraussetzungen für die erschließenden Arbeiten an Handschriften und Frühdruken, die ab 1968 bzw. 1970 nacheinander einsetzten. In der Mitte des Jahres 1968 fing Hans Hornung mit der Katalogisierung der Hand­ schriften an, verließ uns freilich bereits nach Jahresfrist. Im Januar 1969 folgte ihm Winfried Hagenmaier. Seine Katalogisierungsarbeit wurde einige Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert, dann übernahm die Universität Freiburg ihn 1975, nun als Leiter der Handschriftenabteilung. Eine Darstellung seines Wirkens wird er in diesem Heft an gesonderter Stelle vornehmen. 2.6.2 Inkunabeln Ich selbst begann 1970 nach auch hier z.T. geschilderten Aufbauarbeiten mit der Katalogisierung des nun vollständig zusammengetragenen Bestandes an Wiegendrucken. Im Detail wird in der Einleitung des 1985 erschienenen, dreibändigen Inkunabelkatalogs der Universitätsbibliothek Freiburg11 über Vorarbeiten, Umfang und Anlage des Katalogteils, die Form der einzelnen Katalogaufnahme, die ausführlichen Registerteile, sowie über die Ergebnisse der über zehnjährigen Katalogisierungstätigkeit berichtet, so daß ich mich im folgenden auf einige kursorische Zusammen­ fassungen beschränken möchte. Ergebnisse der Inkunabelkatalogisierung. - Im Freiburger Inkunabelkatalog werden 3775 Wiegendrucke verzeichnet, d. h. 3501 bibliographische Ein­ heiten mit 274 Doppelstücken. Außer den Inkunabeln der Universitätsbibliothek Freiburg (3443 Werke inkl. Dubletten) sind auch kleinere Sammlungen und Einzelstücke in öffentlichen Bibliotheken der Umgebung aus dem Umkreis von Kirche, Stadt und Universität aufgenommen worden (insges. 332 Drucke), weil sie - aus gleichem oder doch gleichartigem Vorbesitz wie die Frühdrucke der Universitäts­ 11

Die Inkunabeln der Universitätsbibliothek... (s. Anm. 1), Einleitung, S. IX-XC.

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bibliothek stammend - vor allem die lokale Färbung des untersuchten Bestandes in willkommener Weise ergänzten und vertieften. Geschichte der Sammlung. - »Inhalt, Schwerpunkt und Eigenart dieser Sammlung genauer bestimmen zu können, heißt ihre Geschichte schreiben« - mit diesem Satz fing ich an, in der Einleitung zusammenzutragen, was ich über die Geschichte der Sammlung aus der Untersuchung jeder einzelnen Inkunabel eruiert hatte. Die einzelnen Bücher waren meine Quellen, meine Zeugnisse, so daß man den historischen Überblick auch wie einen archäolo­ gischen Fund- oder Ausgrabungsbericht lesen könnte. Dabei tauchten nach und nach die Umrisse einer früheren Bibliothekslandschaft am Oberrhein auf, manchmal schemenhaft, weil nur vereinzelte Bücher zusammenkamen, manchmal auch konturenreich, in bisher noch nicht bekannter Schärfe. Anfänge akademischer Büchersammlungen in Freiburg. - So sind die Anfänge akademischer Büchersammlungen in Freiburg greifbar geworden, ihre Bildung, Zusammensetzung, ihr Fortbestehen. Beispielsweise glückte es, frühe Notizen in den Fakultätsakten über Käufe und Legate für eine sich bald nach der Universitätsgründung (1457) formierende Artistenbibliothek, der wegen ihrer Bedeutung rasch die Rolle der allgemeinen Universitäts­ bibliothek zufiel, an noch heute vorhandene Bücher zu binden. Es gelang, die Geschicke dieser universitären Sammlung über die Zeit hinweg zu ver­ folgen, wo die Jesuiten den Lehrbetrieb in der philosophischen und theo­ logischen Fakultät übernahmen, bis hin zu ihrem Aufgehen in der eigentlichen Universitätsbibliothek, die erst als Teil der Studienreformen Maria Theresias entstand. Einige Büchersammlungen in Freiburger Bursen und Stiftungshäusern, gewissermaßen Vorläufer unserer Seminarbiblio­ theken und Lehrbuchsammlungen, waren, wie sich zeigte, reich an Literatur der septem artes liberales, allen voran die des Collegium Sapientiae. Hier ist der Wert der den Unterricht begleitenden Lektüre früh erkannt worden: »Es schöpft nämlich Wasser mit dem Sieb, wer ohne Buch lernen will« (Haurit enim aquas cribro qui discere vult sine libro), heißt es in Anwendung einer mittelalterlichen Sentenz schon 1497 in seinen Statuten. Säkularisierte Klosterbibliotheken: aus Freiburger Klöstern. - Und auch die zweite wesentliche Komponente der Inkunabelsammlung trat jetzt 217 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

deutlicher zutage: die vielen Wiegendruke aus aufgehobenen südbadischen und oberschwäbischen Ordens-, Kloster- und Stiftsbibliotheken, die in der Epoche josephinischer und badischer Säkularisationen von der UB Freiburg übernommen worden waren. Die einzelnen klösterlichen Provenienzen lösten sich aus dem uniformen Grau bloßer Aufzählungen in älterer Literatur und gewannen durch die Untersuchungen an Plastizität und Farbe: etwa die Bibliotheken der Freiburger Kartäuser, Dominikaner und Franziskaner, wo sich noch Reste der Bibliothek des 1515 vertriebenen Konventualenkonvents feststellen ließen, interessanterweise belegt auch durch zwei Bücher aus dem ehemaligen Besitz von Thomas Murner (1508/09 in Freiburg Lektor) und Johannes Pauli (1501 hier Guardian), beide in ihrer Zeit bekannte Schriftsteller, die von literarischen Traditionen am Oberrhein geprägt waren. Säkularisiertes Bibliotheksgut aus den Benediktinerklöstern des Schwarzwaldes: St. Georgen. - Die durch die badische Säkularisation ent­ eigneten und untergegangenen Bibliotheken der großen Benediktinerklöster des Schwarzwaldes nahmen wieder Gestalt an. Durch Eintragungen in Wiegendruken kann man beispielsweise den Wiederaufbau der 1637 abgebrannten Bibliothek von St. Georgen durch den bücherliebenden Abt Georg II. Gaisser in den Notjahren des Dreißigjährigen Kriegs verfolgen, von dem sich Spuren auch in seinen »Tagbüchern« finden: Im Dezember 1637 kaufte Gaisser für 200 Gulden, für eine Kuh und ein Malter Getreide von Jakob Merck, dem Heidenheimer Pfarrer und Dekan des Landkapitels Villingen, die ererbte und in Resten noch im heutigen Bestand zu dokumentierende Bibliothek. Voller Freude kommentierte der Abt den Erwerb: »Quod foelix, faustum et monasterio salutare sit«. St. Blasien. - Die Kenntnis vom Schicksal der einst berühmten Bibliothek des Benediktinerklosters St. Blasien ist um einige nicht unbedeutende Fakten bereichert worden: so läßt sich noch aussagekräftiger Altbestand aus dem 16. Jahrhundert nachweisen, der die Brandkatastrophe von 1768 überlebt hat. Wir erfahren weiter, auf welche Weise der Abt Martin Gerbert diese alte Sammlung neu erstehen ließ, und offenkundig wird auch die - in diesem Detail bisher nicht belegte - Tatsache, daß St. Blasien noch kurz vor dem eigenen Ende Hoffnung hegte, der drohenden Aufhebung zu entgehen. 218 25 Jahre Arbeit am alten Buch

In großem Maße hat man hier um 1802/04 versucht, wertvolles Bibliotheksgut aus bereits aufgelassenen Klöstern vor allem der weiteren Umgebung an sich zu ziehen. Zum Buchhandel im Oberrheingebiet. - Ergebnisse brachte die Kata­ logisierung auch für andere Sparten der Buchkunde. Schon ein kurzer Blick auf das Register, welches die Wiegendrucke nach Druckorten und Drukern auflistet, gewichtet die damaligen Verhältnisse im Buchdruck des Oberrheingebietes und erhärtet damit einmal mehr die Tatsache, daß Freiburg als Druckplatz zwischen Straßburg und Basel, die aufgrund ihrer günstigen Verkehrslage und politischen Situation auch auf diesem Sektor des Wirtschaftslebens eine monopolartige Stellung erlangt hatten, ins Hintertreffen geriet. Weitere Handelsstraßen in der Region zeichnen sich ab: Lyon hatte auf dem Wege über die Burgundische Pforte, Köln und Speyer über den beschiffbaren Rhein Freiburg als Absatzmarkt ihrer Buchproduktion entdeckt. Vorwiegend wohl rheinabwärts über den Messeplatz Frankfurt ist man in Freiburg mit der Buchproduktion der bedeutenden Drukorte in Süddeutschland (Augsburg und Nürnberg) und Italien (vor allem Venedig) versorgt worden. Zum Freiburger Buchmarkt. - Doch der Literaturbedarf der jungen Univer­ sität konnte durch den noch wenig geregelten Zufluß von Büchern aus auswärtigen Offizinen kaum befriedigt werden. Der heimische Buchhandel hat sich bei der erdrückenden auswärtigen Konkurrenz nicht recht zu entfalten vermocht, der örtliche Buchdruck kam erst im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts auf und nach kurzen Jahren einer gewissen Blüte am Ende des Jahrhunderts wieder zum Erliegen, was sich auch im Drukerre­ gister andeutet. In der Frühzeit der Universität findet man in den Protokollen der Artistenfakultät bewegende Klagen über die penuria librorum, den Mangel an geeigneten Lehrbüchern, so unter dem 17. März 1466 einen dringenden Appell an alle Magister, doch »textus bonos librorum Aristotelis et solida commentaria eisdem« aufzutreiben und der Fakultät den Kaufpreis mitzuteilen, und in den neunziger Jahren zog die Artistenfakultät aus dieser Notlage heraus selbst einen kleinen, universitätseigenen Buchhandel auf, eine Tatsache, die erst bei diesen Katalogisierungsarbeiten in den Fakultätsakten entdeckt und interpretierbar 219 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

wurde12. Sachliche Zusammensetzung der Inkunabelsammlung. - Literarische Bedürfnisse und Vorlieben auch außerhalb des akademischen Umkreises werden in den ausgegrabenen Resten alter Bibliotheken erkennbar, wenn man die Inkunabelsammlung der Freiburger Universitätsbibliothek nach der sachlichen Zusammensetzung ihres Bestandes untersucht. So lassen sich auch auf diese Weise geistige Strömungen am Oberrhein in einer Zeit kul­ tureller Blüte ausloten: spätmittelalterliche Frömmigkeit, religiöses Gedankengut am Vorabend der Reformation, literarische Tendenzen, das Eindringen humanistischer Ideen, und die dunklen Seiten einer Epoche des Umbruchs, Ängste und Bedrohungen, schlagen sich in Pest- und Syphi­ listraktaten, in etlichen Ausgaben des Hexenhammers, mantischen Beschwörungen, astrologischen Prognostiken, usw. nieder. 2.6.3 Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts Wie weiter oben berichtet hatte W. Kehr schon 1968 den Plan gefaßt, nach Erscheinen des Inkunabelkatalogs auch die Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts rekatalogisieren zu lassen, - in Freiburg waren sie oft bibliographisch nur unzureichend in Katalogaufnahmen aus dem vorigen Jahrhundert verzeichnet. Das Zusammenziehen des Altbestandes im Magazin zu einer Sonderaufstellung schuf zunächst die Grundlage für eine vorläufige, zahlenmäßige Erfassung. Nun erst konnte man sich ein Bild von der ungefähren Größenordnung dieser Sammlung machen: nach letzten, revidierten Schätzungen läßt sie sich auf ca. 44.000 Titel veranschlagen, die etwa je zur Hälfte dem 16. oder dem 17. Jahrhundert zuzurechnen sind. 1987/88 hat man dann die Katalogaufnahmen der Frühdrucke aus dem all­ gemeinen Verwaltungskatalog herausgesucht und Kopien dieser (nach den alten Regeln der »Preußischen Instruktionen« geordneten) Titelkarten getrennt nach beiden Jahrhunderten - als provisorische Aus­ kunftsinstrumente im Bereich des Sonderlesesaals aufgestellt. Diese 12

Vgl. V. SACK: Der Vertrag eines Freiburger Zwischenbuchhändlers mit der Universität. Zur Geschichte buchhändlerischer Vertriebsformen und Usancen im ausgehenden 15. Jahrhundert. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 27 (1986), S. 163-169.

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Verwaltungsmaßnahme bildete auch ein gewisses Korrektiv zur Schätzung des Bestandes im Magazin. Katalogisierung mit Hilfe des VD 16. - Lange wurde nach einem gangbaren Weg gesucht, die überaus große Menge dieser Drucke mit einem möglichst geringen Aufwand an Personal und Zeit neu zu katalogisieren. Faktisch stand und steht dazu derzeit nur meine Arbeitskraft für eine Spanne von wenigen Jahren zur Verfügung. Das wohl sinnvollste Vorgehen, sich einem landes- oder besser noch bundesweiten Sonderprogramm zur maschi­ nenlesbaren Erfassung von frühen Drucken anzuschließen, wo in einer redaktionellen Schlußstelle laufend alle Meldungen überprüft und ggf. korrigiert, evtl. Varianten oder verschiedene Ausgaben definiert werden, ist z. Zt. leider noch nicht praktizierbar. Das Erscheinen des konventionell und nach vorläufigen RAK- und ergänzenden Hausregeln gearbeiteten VD 16, sowie die Freiburger Mitarbeit am Supplement, das in Wolfenbüttel erstellt wird, ermöglichten es dann, wenigstens für einen Teilbereich, d. h. für die im deutschen Sprachbereich erschienenen Druke des 16. Jahrhunderts, mit der Übernahme von Fremddaten, nämlich den in München und Wolfenbüt­ tel hergestellten Katalogisaten, das Projekt voranzutreiben. Für jeden über­ prüften oder neukatalogisierten Druck wird zusätzlich eine ergänzende Katalogkarte angelegt, die folgendes festhält: 1. normierende Fassungen von Druckort, Drucker und Erscheinungsjahr für eine spätere maschinenles­ bare Erfassung des Katalogisats, 2. eine sachliche Erschließung durch Sachwortreihung, 3. exemplarbezogene Angaben zur Vollständigkeit, zu Provenienzen und zur Einbandbestimmung. Details dieses Katalogisierungsprogramms sind in den INFORMATIONEN nachzulesen13. Dort angekündigte Vorarbeiten sind inzwischen abgeschlossen, z. Zt. »läuft« die eigentliche Katalogisierung. Meldungen an die Redaktionsstelle in Wolfenbüttel sind zum Supplement für bisher noch nicht nachgewiesene Drucke bis zur Buchstabengruppe »Reh« (Ende des bislang letzten, 16. Bandes) erfolgt, Meldungen von zusätzlichen Exem­ plaren zum ausgedruckten VD 16 bis zu den vielen Ausgaben des Artikels »Biblia«. Zugleich ist nach konventionellen Methoden an meinem Ar­ 13

Über Ziele, Verfahren und Fortschritte der Rekatalogisierung von Druken des 16. und 17. Jahrhunderts berichtete W. KEHR detailliert in den INFORMATIONEN 38 (1988), S. 231-234, 45 (1989) S. 463 und 46 (1990) S. 505.

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beitsplatz im Bereich des Sonderlesesaals ein neuer alphabetischer Katalog im Entstehen, korrespondierend zu diesen Meldungen, mit gesonderten Registern zu Druckorten und Druckern, Provenienzen, Einbänden und Sachbegriffen. Ich hoffe, an diesem Projekt auch nach meiner Pensionie­ rung Anfang nächsten Jahres auf freiwilliger Basis weiterarbeiten zu können, damit das Ganze nicht als »Torso« zurückbleibt. Vorläufige Ergebnisse und Zielvorstellungen dieser Katalogisierung. Natürlich ist es viel zu früh, beim derzeitigen Stand dieser Katalogisierung von Ergebnissen zu sprechen. Allerdings zeichnet sich bereits ab, daß die Aussagen des Inkunabelkatalogs im exemplarspezifischen Bereich noch bestimmter, noch umfassender formuliert werden können, handelt es sich doch weitgehend um denselben Vorbesitz. In bodenständigen Sammlungen des Freiburger Altbestandes rücken nun beispielweise etliche Professoren­ bibliotheken des 16. Jahrhunderts stärker ins Licht14, etwa die Bibliothek des Gräzisten Johannes Hartung, der höchstwahrscheinlich an der Edition so manchen griechischen Werkes in Basel beteiligt war und als Gegengabe von den dortigen Drukern Freiexemplare erhielt, des Theologen Jodokus Lorichius, der in Freiburg als Zensor über diverse Druckvorhaben wachte und dann auf ähnliche Weise seine Büchersammlung vergrößerte, u.a.m. Sachlich erfaßt steht in diesen Drucken die ganze geschichtliche Entwicklung des 16. Jahrhunderts vor uns auf, die religiösen, politischen, sozialen und literarischen Bewegungen, Strömungen und Kämpfe werden sichtbar, die Entfaltung beispielsweise der Fachdisziplinen in der hiesigen Universität, aber auch ihre zunehmende geistige Enge und Erstarrung durch staatliche und kirchliche Restriktionen im Zeitalter der Gegenreformation, usf. Bestimmung alter Einbände. - Es blieb bisher ausgespart, über ein letztes Teilgebiet der Katalogisierung im Bereich des alten Buches, der Handschriften wie der Frühdrucke, zu berichten: die Bestimmung alter Einbände. Josef Rest, ehemaliger Direktor der Universitätsbibliothek 14

Vgl. dazu auch die Untersuchungen von J. REST: Freiburger Bibliotheken und Buchhandlungen im 15. und 16. Jahrhundert. In: Aus der Werkstatt. Den dt. Bibliothekaren zu ihrer Tagung in Freiburg... dargebracht. Freiburg i. Br. 1925, S. 19 ff., auch S. 15.

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Freiburg, hat 1934 in einer sehr umfangreichen Untersuchung zu Freiburger Buchbindern des 15. und 16. Jahrhunderts viele Akten des Stadt- und Universitätsarchivs ausgewertet, Namen und Daten Freiburger Werkstätten zusammengetragen, aber in keinem Falle vermocht, vorhandene Bände der Freiburger Universitätsbibliothek als Arbeiten einer von ihm genannten Buchbinderei auszuweisen15. Grundlagen für die Zuweisung an Werkstätten des deutschen Südwestens im 15. und 16. Jahrhundert legte erst das Lebenswerk von Ernst Kyriß16; auch Konrad Haebler17 hat für Einbände mit Rollen- und Plattenstempeln des 16. Jahrhunderts hier Voraussetzungen geschaffen, die allerdings zu verläßlichen Ergebnissen in Lokalisierung und Datierung nur führen, wenn man sorgsam auch den übrigen exemplarbezogenen Hinweisen nachgeht, namentlich den Provenienzen. In der Einleitung zum Inkunabelkatalog ist auf S. LXXXV-LXXXIX detailliert über die Katalogisierung von Einbänden berichtet worden, sowie über ihre Zuweisungen an bekannte oder umschreibbare Werkstätten, die auch das Einbandregister im 3. Band aufführt (auf S. 1663-1667). So sind nun insbesondere zahlreiche Buchbindereien im von Kyriß wenig erfaßten oberrheinischen Raum örtlich festzulegen; Straßburg und Basel, Zentren oberrheinischer Buchproduktion, sind vermehrt auch mit den Erzeugnissen ihres Buchbinder-Handwerks bekannt geworden, und auch aus Freiburger Werkstätten haben sich zahlreiche Einbände erhalten, wie sich jetzt zeigte: Freiburger Werkstätten. - Im Jahre 1525 vermachte der Buchbinder Ludwig Wirtenberger, der jahrelang im Freiburger Stadthaus der Kartause gewohnt und wohl auch gearbeitet hatte, dem Kloster neben anderen Habseligkeiten sein Buchbinderwerkzeug, was der Nekrolog der Kartause festgehalten hat. Da recht viele Frühdrucke aus dem Ende des 15. und den Anfangsjahren des 16. Jahrhunderts aus dem Vorbesitz dieses Klosters ihr ursprüngliches, im Dekor und der Bestempelung recht uniformes Gewand bewahrt haben, 15

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Vgl. J. REST: Freiburger Buchbinder des 15. und 16. Jahrhunderts. In: Schau-ins-Land 61 (1934), S. 66-77, insbes. S. 66 f. Die weiter unten genannten Buchbinder Wirtenberger und Waffenschmidt führte er auf S. 68 auf. E. KYRISS: Verzierte gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet. [Nebst] Tafelbd 1-3. Stuttgart 1951-58. K. HAEBLER: Rollen- und Plattenstempel des XVI. Jahrhunderts. Unter Mitwirkung von I. SCHUNKE. Bd 1.2. Leipzig 1928-29.

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kann man hier wohl unbedenklich den Meisternamen an die vorhandenen Werkstücke binden. Die an ihrer Produktion gemessen weitaus bedeutendste Freiburger Werkstatt, welche Kyriß noch anonym und nicht lokalisiert als Werkstatt 169: Stempelblüte I beschreibt, arbeitete vom Ende des 15. Jahrhunderts bis hin zur Mitte des 16. Jahrhunderts vornehmlich für akademische Kunden. Ihr Meister dürfte mit dem Buchbinder Jakob Waffenschmidt zu identifizieren sein, der sich ab 1499 bis 1549 in städtischen Steuerbüchern nachweisen läßt; die Katalogisierung der Drucke des 16. Jahrhunderts wird dies zu bestätigen haben. Konrad Haebler identifizierte einen Buchbinder, der etliche Rollen­ stempel mit seinen Initialen I. H. prägte, mit dem Meister Jakob Holl, der in Augsburg von ca. 1538-1562 sein Handwerk ausgeübt habe18. Nach For­ schungen von Buckeisen soll ein Jakob Holl 1563 in Freiburg zünftig geworden sein, die Freiburger Steuerbücher führen seinen Namen aber bereits von 1554 an und nennen ihn noch im Jahre 1594. Sohn und Enkel(?) haben das ererbte Handwerk in Freiburg weiter ausgeübt19. Einbandmakulatur. - Die systematische Durchforstung der Einbandmakula­ tur20 bei den Katalogisierungsarbeiten führte zu überraschenden Ergebnis­ sen. Das für die Erforschung der frühen Druckzeit herausragende Ergebnis war wohl der Fund eines in der Gutenberg-Literatur bisher unbekannten 29zeiligen Donat-Fragments in der Donat-Kalender-Type, der die »bibliographische Lüke« zwischen den schon bekannten 26-, 27-, 28- und 30zeiligen Ausgaben schloß. Zwei makellos erhaltene Blätter aus einem um 1473 vermutlich in Basel gedruckten xylographischen Donat bezeugen, daß 18

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A.a.O. I S. 186. Jakob Holl war 24 Jahre lang Obermeister in Augsburg, trat 1562 von seinem Amt zurück wegen Differenzen mit der Stadt über die neu in Kraft tretende Innungsordnung, vgl. I. SCHUNKE: Krause-Studien. Leipzig 1932, S. 48. Mög­ licherweise handelt es sich bei dem Freiburger Buchbinder Jakob Holl um einen Sohn, so wohl auch H. HELWIG: Handbuch der Einbandkunde. Hamburg 1954, II, S. 33. Vgl. REST, Buchbinder S. 69. Zu Funden in Einbandmakulatur vgl. außer der in Anm. 11 erwähnten Einleitung zum Inkunabelkatalog (S. LXXXIV f.) auch den Fundbericht in den INFORMATIONEN 22 (1984), S. 48 f. u. V. SACK: Zwei frühe Volkskartenspiele mit italienischen Farben. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 16 (1976), Sp. 1217-1278.

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Holztafeldrucke dieser viel gebrauchten Kleinliteratur einige Jahrzehnte lang neben Druken existierten, die mit beweglichen Lettern hergestellt wur­ den. Für die Erforschung spätmittelalterlicher Kultbilder im Oberrheinge­ biet ist sicher das lange vermißte Wallfahrtsbild von Marienthal im Elsaß interessant. Die Fundgeschichte des Bogenfragments eines venezianischen Trappola- oder Tarockspiels konnte die bisherige falsche Datierung eines zweiten, in der Literatur schon bekannten Exemplars der Sammlung Four­ nier richtigstellen. Unter Falzen aus oft nicht unbedeutenden Akten, Ur­ kunden und frühen Handschriften ist besonders der Fund von 38 schmalen Pergamentstreifen zu erwähnen: wieder zusammengefügt tradierten die Fragmente nicht nur das reichhaltige Vokabular zu einem alemannischen Dialekt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, sondern zugleich auch die früheste Übersetzung der Augustinerregel ins Deutsche, die Satzung eines der ersten deutschen Dominikanerinnenklöster, den seltenen Textzeugen für eine wichtige Stufe der Dominikanergesetzgebung und lösten damit auch das Rätsel um den Inhalt der noch von H. Grundmann verschollen geglaub­ ten sog. »Konstitutionen von St. Markus in Straßburg«, einer wichtigen Quelle für die Frühgeschichte des deutschen Dominikanerordens und der von ihm betreuten Frauenklöster. 2.6.4 Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland In den letzten Jahren hat W. Kehr engagiert ein Projekt gefördert, dessen Erwähnung einerseits in den thematischen Rahmen dieser Abhandlung gehört (Erschließung von Altbestänaden), andererseits zeitliche (Drucke bis 1700) und räumliche Begrenzungen (UB Freiburg) sprengt. So soll es hier nur in lexikalischer Kürze vorgestellt werden; zugleich sei auf die eingehende Darstellung verwiesen, die sich an anderer Stelle dieser Festschrift findet. Es handelt sich um das von dem Münsteraner Anglisten Bernhard Fabian postulierte, nun federführend redigierte »Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland«21. Es will mit finanzieller 21

Ziel, Anlage, Finanzierung und Plan der Durchführung des Projektes stellte W. KEHR einleitend in den INFORMATIONEN 23 (1984), S. 61 f. vor. Über Problematik und jeweiligen Stand der am 1. Oktober 1986 in der Regionalredaktion für Baden-Würt­ temberg begonnenen Arbeiten informierte Wilfried SÜHL-STROHMENGER bislang in den INFORMATIONEN 32 (1986), S. 54 f., 38 (1988), S. 243 ff., 48 (1990), S. 583, 51 (1991),

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Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk die älteren Literaturbestände vom Beginn des Buchdrucks an bis zum Druckjahr 1900 erfassen im Sinne eines nationalen Bestandsinventars von historischem Schrifttum, will als Vademecum und Reiseführer in Bibliotheken besonders der geisteswis­ senschaftlichen Forschung durch umfassende bestandsgeschichtliche und -beschreibende Einträge dazu verhelfen, gesuchtes, aber oft in Bibliotheken mit großem Altbestand vergrabenes oder weit und in kleinen öffentlichen Büchereien verstreutes Material aufzuspüren. 1986 hat W. Kehr die Leitung der Regionalredaktion für Baden-Württemberg und das Saarland übernommen. Nach letzten Informationen sind - dank auch des tatkräftigen Einsatzes des Bearbeiters W. Sühl-Strohmenger - bis Mai 1991 die Einträge für ca. 160 Bibliotheken in Baden-Württemberg komplett bearbeitet worden. Der ausführliche Beitrag der UB Freiburg ging schon 1990 an die Zentralredaktion in Münster ab. In jüngster Vergangenheit hat sich W. Kehr bemüht, auch Bibliotheken des angrenzenden Auslands, insbesondere Basel und Straßburg, zur Mitarbeit zu bewegen, um die gemeinsame, oft aus denselben Quellen gespeiste, regionale Überlieferung zu sichern. 2.7 Abrundung des Bestandes durch Neuerwerb Die verschiedenen erschließenden Arbeiten, aber auch die oft sehr ins Detail gehende Auskunftstätigkeit ermöglichen recht genaue Einblicke in den Altbestand, man erfährt, auf welchem Gebiet, zu welchen Fragen er besonders dicht und aussagekräftig ist, man gewinnt mit den Jahren eine gründliche Kenntnis der Sammlung, wie es auch im Bericht von der Inkunabelkatalogisierung demonstriert wurde. Das läßt dann natürlich Wünsche aufkommen, bei passender Gelegenheit, etwa mit einem Angebot von privater Hand oder aus Antiquariats- oder Auktionskatalogen hier und da Lücken zu füllen, anderswo etwas abrunden zu können. Obgleich der Universitätsbibliothek Freiburg im Gegensatz zu den Landesbibliotheken keine Sondermittel für diesen Zweck zur Verfügung stehen und obgleich auch keine Fördergesellschaft am Ort vorhanden ist, welche die Universitätsbibliothek beim Sammeln von altem, bodenständigem Schrift­ tum unterstützen könnte, hat es W. Kehr vom Beginn seiner S. 691f.

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Amtsübernahme an als verpflichtend angesehen, hier eine alte Tradition weiterzuführen. Er entwickelte dafür ein Erwerbungsprofil, in dessen Rahmen wir mit begrenzten Mitteln ggf. tätig werden können. So sind in der Zeit von 1968 bis 1990 insgesamt 3 Handschriften, 28 Inkunabeln und 666 Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts erworben worden, vornehmlich Friburgensia, Werke zur Geschichte und Lehre der alten Universität, zur oberrheinischen Kultur- und Geistesgeschichte, sowie gegenreformatori­ sches und jesuitisches Schrifttum. 2.8 Verbessertes Angebot in der Benutzung Abschließend sei betont, daß alle bewahrenden und erschließenden Arbeiten am alten Buch natürlich letzten Endes den wissenschaftlich in­ teressierten Benutzern zugute kommen, die sich mit den historischen Buchbeständen vor allem der Universitätsbibliothek Freiburg beschäftigen. Der Sonderlesesaal mit der umfangreichen Handbibliothek, die qualifizierte Auskunftsmöglichkeiten bietet, die zunehmende Erschließung durch detaillierte Kataloge, die sich auf dem Stande gegenwärtiger Forschung befinden, intensivieren die Dienste der Bibliothek in dieser Richtung. Sie werden noch erweitert durch Lehrveranstaltungen22 der Universität in den Räumen der Universitätsbibliothek und des Sonderlesesaals und durch didaktisch betreute Ausstellungen23: so soll Studenten und einer breiteren Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben werden, mit dem alten Buchgut, Quelle so mancher wissenschaftlichen Arbeit, vertraut zu werden, mit den typographischen Besonderheiten alter Druckerzeugnisse und dem pflegli­ chen Umgang mit ihnen in der Benutzung. Man wird nur hin und wieder erfahren, wo oder wie diese Bemühungen Früchte getragen haben, kann 22

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Vgl. dazu W. KEHR: Handschriften und alte Drucke der Universitätsbibliothek in Lehrveranstaltungen der Universität. In: INFORMATIONEN 46 (1990), S. 489. Die letzte, zum beträchtlichen Teil aus Altbestand der UB Freiburg gespeiste Ausstellung (über Thomas Murner), wurde hier vom 16. Okt. bis zum 24. November veranstaltet übrigens gemeinsam mit der Bibliothèque Nationale et Universitaire in Straßburg und der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe im Rahmen der Zusammenarbeit der Universitäten und Bibliotheken im Oberrheingebiet, vgl. dazu V. SACK: Thomas Murner, elsässischer Theologe und Humanist 1475-1537. In: INFORMA­ TIONEN 49 (1990), S. 602-605.

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aber zumindest an den Zahlen der Benutzung im Sonderlesesaal ablesen, daß deren Frequenz in den letzten Jahren stark zugenommen hat: wurden beispielsweise 1975, also in einem Jahre noch vor dem Umzug in den Neubau, 391 Bände in der Sonderabteilung für Handschriften und Frühdrucke benutzt, so stieg diese Zahl nach dem Umzug 1980 auf 1834 Bände, 1985 auf 3138 Bände und 1989 auf 3685 Bände24. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Benutzer, die sich mit Handschriften, Früh­ drucken und Rara, sowie mit gleichartigen Bänden aus der Fernleihe beschäftigten: 1975 waren es 1263 Personen (damals noch inkl. Benutzer der Handbibliothek), 1980: 1592, 1985: 2617 und 1989: 3742 Benutzer.

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Übrigens scheint die oben als Schutzmaßnahme beschriebene »Schutzverfilmung«, die verstärkt erst in den letzten zwei bis drei Jahren und vorrangig an häufig benutztem Altbestand durchgeführt wird, zu »greifen«: erstmalig sank 1990 die Anzahl der be­ nutzten alten Drucke erheblich.

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3. 25 Jahre Arbeit am alten Buch als Ergebnis und Erfolg biblio­ thekarischer Leitung Nach dieser Rückschau auf 25 Jahre Arbeit am alten Buch darf man gewiß urteilen, daß Wolfgang Kehr mit vielfältigen Anregungen und einem beharrlichen Einsatz Wesentliches zur Bewahrung und Erforschung des kulturellen Erbes am Oberrhein bewirkt hat. Seine Initiativen haben nicht nur im allgemeinen Gedächtnis schon versunkene, einst bedeutende Bibliotheken dieser Gegend wieder ans Licht gebracht, sondern auch Strukturen und Details einer längst vergangenen Buchkultur ins - wie ich hoffen will - tätige Bewußtsein der Gegenwart treten lassen.

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Winfried Hagenmaier HANDSCHRIFTEN- UND NACHLASSKATALOGISIERUNG 1. Handschriften Im Rahmen eines umfassenden Konzepts zur Erschließung der Altbestände der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung ergriff Wolfgang Kehr 1968 die Initiative zur Katalogisierung der Handschriften. Diese waren bisher gar nicht oder völlig unzureichend beschrieben. In der Universitätsbibliothek existierten verschiedene, bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende Kataloge und Verzeichnisse, die nur der Kurzinformation dienten. Ein Bruchteil der Codices war in den Jahren 1903 bis etwa 1916 und wieder 1933 auf Zetteln bzw. Karteikarten im Sinne einer detaillierten Beschreibung des Äußeren und des Inhalts etwas ausführlicher erfaßt worden. Hinzu kam 1926/27 ein handschriftliches Verzeichnis der deutschsprachigen Handschriften des Germanisten Richard Newald. In den übrigen Sammlungen - dem Universitätsarchiv, dem Stadtarchiv, dem Augustinermuseum, dem Erzbischöflichen Archiv und dem Collegium Borromaeum in Freiburg sowie dem Erzbischöflichen Priesterseminar in St. Peter im Schwarzwald gab es allenfalls Bestandslisten oder -karteien. Mit der Entscheidung, die Handschriften - d.h. zunächst einmal die mittelalterlichen Codices und Fragmente - in einem gedruckten Katalog für die Wissenschaft und Forschung zugänglich und nutzbar zu machen, schloß sich die Universitätsbibliothek Freiburg dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 1960 durch Personal- und Druckbeihilfen geförderten Programm zur Katalogisierung der abendländischen Handschriften in der Bundesrepublik Deutschland an. Sie war damit nach der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und der Badischen Lan­ desbibliothek Karlsruhe die dritte wissenschaftliche Universalbibliothek des Landes Baden-Württemberg. Beispielgebend war - wie übrigens auch bei den Inkunabeln - die von vornherein geplante, nicht selbstverständliche und übliche Einbeziehung anderer öffentlicher Sammlungen, deren Träger zur Erarbeitung von 230 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

gedruckten Handschriften- und Inkunabelkatalogen finanziell und personell nicht in der Lage waren. So wurden in der Folgezeit alle abendländischen mittelalterlichen, d. h. vor etwa 1520 entstandenen Handschriften der Universitätsbibliothek und der übrigen Sammlungen katalogisiert. In den Jahren 1974-1988 erschienen 4 Teilbände, die von mir erarbeiteten Teile 1, 3 und 4 mit den lateinischen und deutschen Handschriften und Teil 2, der die Beschreibungen der mittel­ alterlichen und neuzeitlichen Musikhandschriften durch Clytus Gottwald enthält1. Bei den nun katalogisierten abendländischen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek handelt es sich um 340 Codices und 159 selbständige Fragmente. Einschließlich der bei Gottwald miterfaßten 50 neuzeitlichen Manuskripte und der im »Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland«2 beschriebenen 8 hebräischen Manuskripte sind damit etwa 39 % des Handschriftenbestandes der Universitätsbibliothek in gedruckten Katalogen verzeichnet. Die gesamte Sammlung umfaßt aufgrund der Zählung nach physischen Einheiten nach dem neuesten Stand 1431 Einzelstücke. Es ist ein bunt zusammengewürfelter Bestand, über dessen schon vorher bekannte Geschichte hinaus sich bei der Katalogisierung Zusätzliches und Genaueres ermitteln ließ. Endgültiges läßt sich erst nach der Erfassung aller Handschriften sagen. Der Grundstock stammt aus dem Lehr- und Studienbetrieb an der 1457 gegründeten und 1460 eröffneten Universität. Dazu kommt eine größere Zahl von Handschriften aus den 1773-94 von den Kaisern Joseph II. und Franz II. in den vorderösterreichischen Gebieten aufgehobenen und den 1806-07 in Baden säkularisierten Klöstern, vielfach 1

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Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Herausgegeben von Wolfgang KEHR. Bd 1, Teil 1-4. Wiesbaden : Harrassowitz, 1974-88. - 1: Winfried HAGENMAIER: Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften der Universitäts­ bibliothek Freiburg im Breisgau (Hs. 1-230). 1974. - 2: Clytus GOTTWALD: Die Musik­ handschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung. 1979. - 3: W. HAGENMAIER: Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau (ab Hs. 231). 1980. - 4: W. HAGENMAIER: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek und die mittelalterlichen Handschriften anderer öffentli­ cher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung. 1988. - Näheres zu obigen Ausführungen s. in den Einleitungen von Teil 1-4. Bd. 6, 2 (1965), S. 65-69.

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nur versprengte Einzelstücke. Die Hauptmasse des gegenwärtigen Hand­ schriftenbestandes - überwiegend neuzeitliche Codices - wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erworben, zu einem nicht geringen Teil durch Nachlässe und Schenkungen von Professoren und Gelehrten. Unter diesen sind die Nachlässe des Theologen und Orientalisten Johann Leonhard Hug (1765-1846) mit 59 abendländischen und orientalischen Handschriften und des Philologen Franz Karl Grieshaber (1798-1866) mit 44 Codices und 66 Fragmenten besonders hervorzuheben. Hug verdankt die Bibliothek die wohl kostbarste der wenigen in ihrem Besitz befindlichen Werke herausragender Buchmalerei, ein um 1070-1080 entstandenes Sakramentar (Hs. 360a), ein aus der Benediktinerabtei St. Vitus in Mönchengladbach stammendes künstlerisch hochstehendes Erzeugnis der sog. Strengen Gruppe der Ottonischen Kölner Malerschule. Nach Abschluß der Katalogisierung der abendländischen mittel­ alterlichen Handschriften konnte der Katalog der datierten Handschriften in Angriff genommen werden. Der von mir bearbeitete Band »Die datierten Handschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung« erschien 1989. Es ist der 2. Band in der von Johanne Autenrieth herausgegebenen, 1984 mit dem Katalog der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main eröffneten Reihe »Datierte Handschriften in Bibliotheken der Bundes­ republik Deutschland«. Kataloge, in denen alle datierten und signierten (d. h. nur einen Schreibernamen aufweisenden) Handschriften bis 1550 bzw. 1600 mit entsprechenden Abbildungen erfaßt werden, gibt es nach einem Beschluß des »Comité International de Paléographie Latine« von 1953 schon in einer ganzen Reihe von westeuropäischen Ländern. Sie dienen in erster Linie der paläographischen Forschung, doch lassen sich, wie sich inzwischen herausgestellt hat, aus den vorgelegten Handschriften gelegentlich Schreiberpersönlichkeiten erkennen und sind in den Subskriptionen regionale oder internationale Bezüge aufzudecken. In der Bundesrepublik Deutschland hatte nach der lange im argen liegenden Er­ schließung der Handschriftensammlungen die Erarbeitung von »Vollkatalogen« zunächst absoluten Vorrang. So liegen heute - vor allem dank der erheblichen Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit Beginn der 60er Jahre - mehr als 100 Bände mit Handschriftenbeschreibungen vor. Damit ist die Grundlage für Spezial­ 232 Handschriften- und Nachlaßkatalogisierung

kataloge der datierten Handschriften geschaffen. In ihnen können die An­ gaben zu den einzelnen datierten und signierten Handschriften sehr knapp gehalten werden, da die Bände des allgemeinen Handschriftenkatalogs über alle Details Auskunft geben. Im Freiburger Katalog sind 115 Handschriften der Universitätsbibliothek und 25 Codices der anderen Sammlungen mit 224 Abbildungen in Originalgröße erfaßt3. Gemessen an dem Konzept von 1968 bezüglich der Handschriften steht jetzt nur noch die Katalogisierung der etwa 900 neuzeitlichen Hand­ schriften der Universitätsbibliothek aus. Sie wurde 1990 von mir mit Hilfe des Personal-Computers (Textverarbeitungsprogramm Word-Perfect) begonnen. Am Jahresende lagen 35 Beschreibungen von Handschriften des 16. Jahrhunderts mit den entsprechenden Registereinträgen vor. Im Ge­ gensatz zu früher kann auf diese Weise der Druck des Katalogs direkt erstellt werden, so daß das Zwischenstadium über ein maschinen­ schriftliches Manuskript entfällt.

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Näheres zum Katalog der datierten Handschriften in den INFORMATIONEN 46 (1990), S. 494f.

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2. Nachlässe und Autographen. Geologenarchiv Außer den mittelalterlichen und neuzeitlichen Codices und Fragmenten gehören zum Handschriftenbesitz der Universitätsbibliothek Freiburg auch handschriftliche Nachlässe, Autographen und das Geologenarchiv. Dieses besteht in der Hauptsache aus Briefen und Manuskripten von Geologen und war 1972 von der Geologischen Vereinigung e. V. der Universitätsbi­ bliothek zur Aufbewahrung, Verwaltung und Erschließung übereignet worden. Der Freiburger Geologe Max Pfannenstiel (1902-76) hatte es nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut, nachdem das zwischen den beiden Weltkrie­ gen von Erich Haarmann (1882-1945) in Berlin begründete (erste) Geolo­ genarchiv 1943 bei einem Bombenangriff vollständig vernichtet worden war. Durch die ständige Zusendung von weiteren Materialien aus aller Welt wächst es kontinuierlich weiter. Unter den Nachlässen seien erwähnt die des Dante-Forschers Alfred Bassermann (1856-1935), des Freiburger Agrarwissenschaftlers Constantin von Dietze (1891-1973), des zuletzt in Freiburg lehrenden Historikers Alfred Dove (1844-1916), der Dichter Emil Gött (1864-1908) und Johann Georg Jacobi (1740-1814), des Freiburger Zoologen Otto Koehler (18891974), des Freiburger Dogmatikers Engelbert Krebs (1881-1950), des Naturforschers und Philosophen Lorenz Oken (1779-1851), des Geographen Carl Ritter (1779-1859), des jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig (1886-1929; Kopien von Briefen u. a.), des Freiburger Professors für Christliche Archäologie und Kirchengeschichte Joseph Sauer (1872-1949; Abschriften der Tagebücher), des Gobineau-Forschers Karl Ludwig Schemann (1852-1938), des Freiburger Zoologen August Weismann (1834-1914), des Freiburger Rechtsgelehrten Erik Wolf (190277) und des Hispanisten Adolf Schaeffer (1845-1928), dem die Bibliothek außerdem eine umfangreiche Sammlung altspanischer Drucke verdankt. Von 1963 bis zu ihrem Tod im Juli 1989 hat Frau Martha Spies - bis 1977 im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft - zwölf zum Teil umfangreiche Nachlässe, fast 2.000 Autographen und über 23.000 Briefe und Manuskripte des Geologenarchivs katalogisiert. Seit dem Amtsantritt von Wolfgang Kehr wurden dafür auf seine Initiative hin die DFG-Richt­

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linien zugrundegelegt4. Eine ganze Reihe weiterer der heute insgesamt 68 Nachlässe und zahlreiche unkatalogisierte Materialien des Geologenarchivs wurden von Frau Spies vorgeordnet und in handschriftliche Karteien aufge­ nommen. Wie die Katalogisierung der Handschriften soll in Zukunft auch die Erfassung der Nachlässe, Autographen und des Geologenarchivs mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung erfolgen.

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Richtlinien Handschriftenkatalogisierung. Hrsg.: DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT. Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung. 4. Aufl. (1985) 39-45 (Nachlässe und Autographen).

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Ekkehard Arnold DIE INFORMATIONSABTEILUNG DER UB FREIBURG 1978 - 1991 Rückblick und Bilanz 1. Allgemein »Information« gab es in der Freiburger Universitätsbibliothek schon seit den Anfängen anno 1470 - ohne sie wäre jede Bibliothek ein Widerspruch in sich. Ein eigener Bereich für die Information innerhalb der Benutzungsabteilung wurde allerdings erst 1978 geschaffen - im Hinblick auf den Neubau, der gerade auf diesem Gebiet eine Reihe neuer Per­ spektiven bot. Als selbständige Abteilung wurde sie 1984 konstituiert, als nach dem altersbedingten Ausscheiden des Leiters die Benutzungsabteilung zweigeteilt wurde. Seitdem umfaßt sie die Bereiche Informationsstellen - Lesesäle Bibliographisches Zentrum (HBA = ursprünglich »Handbibliothek der Auskunft«) - Öffentlichkeitsarbeit. Der letztgenannte Bereich konnte über­ haupt erst nach dem Einzug in den Neubau realisiert werden, da die alte Bibliothek wegen der baulichen und räumlichen Unzulänglichkeiten zugegegebenermaßen wenig Möglichkeiten für »publicity« bot. Geschehen ist in den vergangenen dreizehn Jahren eine ganze Menge, das Blättern in den Jahresberichten vermittelt ein buntes Kaleidoskop von wichtigen und weniger wichtigen - allerdings nur aus der Distanz gesehen Fakten, manches ist sogar in Vergessenheit geraten, wie der Schreiber dieser Zeilen beim »Stöbern« selbst erfahren mußte. Da bekanntlich »in der Kürze die Würze« liegt, soll im Folgenden nur auf einige markante Punkte und Entwicklungen eingegangen werden. Natürlich spielen Zahlen eine Rolle - und was für eine, wie könnte es anders sein. Blickt man heute zu den Anfängen von 1978 zurück, überraschen doch zuweilen mancher Zahlenwert, manches Zahlenverhältnis und machen die enorme Servicesteigerung im Lauf der Jahre deutlich, an die sich Bibliothekare wie Benutzer gewöhnt haben. 236 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Einige Beispiele: 1977 - also ein Jahr vor dem Umzug in den Neubau belief sich der Lesesaalbestand auf 37.500 Bände, 1978 auf 65.500 Bände, heute auf über 120.000 Bände; die 100.000-Marke wurde übrigens 1984 überschritten. Oder: Die Zahl der Entleihungen in die Lesesäle liegt derzeit bei ca. 40.000, über 25 % mehr als 1977/78. Der Bestand der HBA betrug 1977 knapp 20.000 Bände, 1990 über 33.000 Bände, trotz wiederholter Aussonderungsaktionen. Oder: die Zahl sämtlicher Arbeitsvorgänge in der HBA war 1978 72.000, 1990 115.000 1985 wurde hier die 100.000-Grenze überschritten. Ein weiterer Zahlenvergleich: Die Benutzungsfrequenz der Lesesäle im Altbau lag 1977 bei ca. 105.000 Benutzern, im Neubau bis 1983 bei jährlich ca. 650.000 Erfassungen durch das automatische Zählwerk, nach dem Einbau der Glaswand und der Einbeziehung der HBA und des Sachkataloges in den kontrollierten Bereich bei jährlich 800.000 - 850.000 Durchgängen, 1990 sogar bei 910.000. Diese letzten Zahlen beziehen sich jedoch wie gesagt nicht allein auf die Lesesäle, sind also nur bedingt vergleichbar. In einem Punkt war freilich keine Steigerung zu erzielen -im Gegenteil: gemeint sind die Öffnungszeiten. War die Bibliothek 1977 im Altbau noch 75 Stunden pro Woche geöffnet (Mo - Fr 8.30 - 21.30, Sa 9.00-19.00), so wurden die Öffnungszeiten im Neubau auf 69 Stunden pro Woche reduziert (Mo - Fr 8.30 - 21.30, Sa. 9.00-13.00), 1982 durch Sparmaßnahmen im Personal- und Energiebereich, die in der Öffentlichkeit heftig diskutiert und kritisiert wurden, auf 60 Stunden (Mo - Fr 8.00 - 20.00), in den Ferienmonaten August und September sogar durch eine frühere Abendschließung auf 50 Stunden. Dies war der absolute Tiefstand. Er­ freulicherweise kann seit Oktober 1989 wieder eine vierstündige Samstagöffnung von 9.00 - 13.00 angeboten werden. Wie sehr dies ein Desiderat war, zeigt die Tatsache, daß im Schnitt 250 - 300 Studenten und Bürger die Bibliothek benutzen. Aktuell ist die Bibliothek 64 Stunden pro Woche geöffnet.

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2. Lesesäle Ein ganz besonderes Positivum ist die außerordentlich hohe Akzeptanz der Lesesäle durch die Benutzer. Hatte man bei Bezug des neuen Gebäudes noch gewisse Befürchtungen, die Lesesäle mit Benutzern »füllen« zu können, erwiesen sich diese Sorgen bald als unbegründet. Vielmehr waren schon nach kurzer Zeit Vokabeln wie »Ausbau, Erweiterung, Vergröße­ rung« einzelner Einrichtungen innerhalb der Lesesäle zu vernehmen. Im April 1982 wurde das Platzangebot um 105 Arbeitsplätze erhöht, im Dezember 1990 um nochmals 30, so daß aktuell die Gesamtzahl der Lesesaalarbeitsplätze bei 753 liegt. Selbst diese Zahl erweist sich zu bestimmten Zeiten als nicht ausreichend. Beide Lesesaalinformationstheken wurden zweimal vergrößert - 1980 und 1984 - wegen zu geringer Ablageflächen für die in die Lesesäle bestellte Literatur, aufgestockt die Zahl der Schließfächer (1987), der Kopiergeräte. Eine größere Anzahl von eigens konstruierten Bücherwagen sollte weitere Entlastung bringen. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die Erweiterung der Garderobe im 2. OG, ebenso der Schließfächer im 2. OG und 1. OG. Daß das augenblickliche Angebot immer noch nicht genügt, machen die alljährlich in den Wintermonaten auftretenden Engpässe nur allzu deutlich. Dies gilt im übrigen genau so für die Carrels, Bücherwagen und Schließfächer in den Lesesälen. Permanente Belegung mit Wartelisten mitunter bis zu einem Jahr sprechen für sich. Was wäre der Lesesaal einer modernen Bibliothek ohne die Ein­ beziehung der »neuen Medien«. Den Anfang machten Mikrofilm- und Mikrofichelesegeräte. Diese wurden in den ersten Jahren eher »unauffällig« benutzt, dies änderte sich spürbar, als zunehmend mehr Zeitungsbestände und sonstige Literatur aus Schutzgründen verfilmt bzw. verficht wurden. Die deutlich gestiegene Nachfrage machte aus Gründen der Arbeits­ rationalisierung 1986 eine zentrale Aufstellung in einem Pool im Bereich der Informationstheke des Lesesaals I notwendig. Ab 1987 wurde die Gerätezahl mehrfach erhöht, derzeit beträgt sie 11 Film- und 4 Fichelesegeräte. Die hohe Benutzungsfrequenz, insbesondere der Zeitungsbestände, machte Anfang 1989 die Verlegung der Filmrollen wichtiger in- und ausländischer Tageszeitungen vom Tiefmagazin in den Lesesaal erforderlich. Spezielle Mikrofilmschränke bieten hierbei die ideale 238 Die Informationsabteilung der UB Freiburg

Unterbringung für die Rollen. Wie hoch die Benutzung ist, zeigt die Tatsache, daß selbst in Abendstunden der Ferienmonate August/September bis zu 40 Rollen ausgegeben werden. Einen wahren Benutzungsboom verzeichneten die seit November 1982 im Lesesaal II bereitgestellten Musik- und Videokassetten mit eigenen Abhör- bzw. Abspielplätzen. Die Statistik weist nach: 1983 4.344 Entleihungen von Musikkassetten, 1.388 von Videos, sprunghafter Anstieg 1984: 8.332 Entleihungen Musikkassetten, 3.431 von Videos. Bei den Videos mußte allerdings eine Schranke errichtet werden: unter dem Motto »in der Universitätsbibliothek darf gelacht werden« entwikelten sich die Spielfilm-Videos zum echten »Hit« -, die Universitätsbibliothek als »kom­ munales Kino zum Nulltarif« wäre beinahe wahr geworden. Für die Benutzung von Spielfilmen muß daher seit Ende 1985 eine Bescheinigung mit dem Nachweis des wissenschaftlichen Anliegens vorgelegt werden. Statistikknick für 1986: »nur« 1.508 Videoentleihungen. Kommentar in der Presse: »in der Universitätsbibliothek darf nicht mehr gelacht werden«. Inzwischen hat sich die jährliche Benutzung von Musikkassetten bei annähernd 6.000 Entleihungen, bei Videos über 2.500 eingependelt, die Belegung des separaten AV-Gruppenarbeitsraums verzeichnet 1990 über 200 Belegungen. Natürlich hat auch OLAF Einzug in den Lesesaal gehalten, zuerst 1983 - indirekt, als das EDV-Ausleihverfahren auch auf die Bestände des Tiefmagazins ausgedehnt wurde, direkt dann 1988 durch die Installierung eines OLAF-Terminals im Lesesaal I, das eine um einige interne Verwaltungsfunktionen erweiterte Benutzerversion bietet. Die Erfahrungen sind in jeder Hinsicht positiv: durch Tastendruck wird für das Personal mancher Arbeitsvorgang vereinfacht, der Benutzer spart sich außerdem lästige Wege. Geplant ist - dies als Vorausblick - für Ende 1991 im Rahmen des CIPProgrammes die Einrichtung eines PC-Pools für Studenten im Lesesaal, in der Anfangsstufe 10 Arbeitsplätze umfassend mit studentischer Betreuung. Abseits der neuen Technologie ist noch auf folgende Punkte hinzu­ weisen: 1980 wurde im Lesesaal I ein längst überfälliges Büro für das Personal eingerichtet, das Universitätsarchiv hielt 1980 im 4. OG seinen Einzug, 1983 wurde zum Schutz des alten Buches das Stichjahr für obligate Lesesaalbenutzung von 1850 auf 1880 heraufgesetzt, 1984 fiel im Rahmen 239 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

der Aktion »saubere Umwelt« die erste »Raucherbastion«: das Parlatorium im Lesesaal I wurde zur Nichtraucherzone erklärt, 1988 folgte dann das Parlatorium im LS II - bemerkenswerterweise auf nachdrücklichen Benutzerwunsch -, zudem Appelle an die Benutzer - mit erfreulichem Erfolg - auch einen Großteil des Hallenbereichs im 2. und 3. OG raucherfrei zu halten. Trotz allem »panta rhei« und Fortschritt gibt es auch einige Konstanten: die Zahl der Mitarbeiter trotz gestiegener Arbeit, wobei die Mitarbeiter selbst allerdings relativ stark wechselten. Von der ursprünglichen »Mannschaft« ist nur noch eine Mitarbeiterin im Lesesaal tätig. Positive Auswirkungen zeigte im übrigen die Einrichtung eines Springerpools für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen bestehend aus Mitarbeitern der inne­ ren Abteilungen, für die auf diese Weise eine gewisse Abwechslung in ihrem Arbeitsalltag geschaffen werden konnte. Konstant geblieben ist auch die Mitarbeit von Studenten im Lesesaal II und in der Lesesaalkontrolle überraschend ist: schon 1979 lag die Zahl der geleisteten Stunden bei 1.600, ein Wert, der dem heutigen vergleichbar ist. Eine erfreuliche Konstante ist natürlich die unvermindert hohe Benutzungsfrequenz der Lesesäle, leider gibt es auch eine negative Konstante zu verzeichnen: die Versuche, Bücher unerlaubt aus dem Lesesaal mitzunehmen - ein Kapitel, über das sich in annähernd 150 Fallbeispielen ein wahrer Roman schreiben ließe.

240 Die Informationsabteilung der UB Freiburg

3. Bibliographisches Zentrum (HBA) Auch in der HBA, dem Informationszentrum der Universitätsbibliothek, waren und sind die Dinge im Fluß. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, daß im Bereich der Bibliographien in der vergangenen Dekade grundlegende Veränderungen stattgefunden haben. »Not macht erfinderisch«, - ein Sprichwort, tausendfach bewährt, gilt auch für das Gebiet der Bibliographie. Immer wenn Entwicklungen einsetzen, die mit den hergebrachten Mitteln nicht mehr zu bewältigen sind, werden neue Mittel zu ihrer Bewältigung ersonnen« , so Wilhelm Totok in seinem Geleitwort zum GV. Dementsprechend hat sich das Gesicht der HBA nicht unwesentlich verändert: umfangreiche Reprokumulierungen wie die verschiedenen GV-Ausgaben, Mikroficheeditionen von zuerst Zeitschriften- dann Bibliothekskatalogen, von regionalen und überregionalen Katalogen, von biographischen Archiven des In- und Auslandes, schließlich eine kontinuierlich steigende Anzahl von on-lineDiensten mit erweiterten Zugriffsmöglichkeiten haben nach und nach Einzug gehalten und sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Wie rasch das Verständnis sich gewandelt hat, zeigt eine bezeichnende Anekdote, die eine Mitarbeiterin der HBA erzählt: Als 1977 noch im Altbau Mikrofichelesegeräte im Benutzungsbereich aufgestellt wurden und sie ver­ suchte, die Benutzer an die Geräte zu gewöhnen, bekam sie mehrfach die Antwort: »An diesem Computer (!) arbeite ich nicht, da kenne ich mich nicht aus«. Welcher Wandel der Zeiten! Dabei ist trotz aller Informationsflut und technischen Neuerungen die Arbeit im Kern dieselbe geblieben: Bibliographieren, Signieren, Auskünfte erteilen, allerdings mit anderen Mitteln, die vielfältiger, damit anspruchsvoller sind und an die Mitarbeiter höhere Anforderungen stellen, insbesonders die Bereitschaft erfordern, sich in neue Techniken und Re­ cherchiermöglichkeiten, z.T. in fremden Fachgebieten, »irgendwie« einzuarbeiten. Das Recherchieren in einer Vielzahl von on-lineDatenbanken (seit 1985) mit all ihren unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten und die Arbeit mit CD-Rom (seit 1990) zeigen dies deutlich. Hinzu kommt, daß der Benutzer an die Auskunftstellen einer zentralen Einrichtung vergleichsweise höhere Anforderungen stellt, während er anderswo eher zu Konzessionen bereit ist. 241 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Daß neben der Qualität auch die Quantität der Arbeit in den ver­ gangenen Jahren nicht zu kurz kam, wurde eingangs schon erwähnt: Über 115.000 Arbeitsgänge im Jahr 1990 ergeben ein Plus von 33 % im Vergleich zu 1978, dem Jahr des Einzugs in den Neubau. Und noch eine Feststellung ist zu treffen: Der Einsparung bibliographischer Sucharbeit steht eine eminent gestiegene Zahl von Fernleihbestellungen entgegen, der Beschleunigung der Literaturvermittlung weiterhin die vielbeklagte Verzögerung in der Literaturbereitstellung. Seit 1978 befindet sich in der HBA eine Informationsvermittlungsstelle (IVS) mit einer hauptamtlich angestellten wissenschaftlichen Angestellten. Schwerpunkte der IVS-Aktivitäten waren und sind auch heute die Bereiche Medizin und Naturwissenschaften, wo auch die umfangreichsten Literaturund Faktendatenbanken angeboten werden. Schon nach 5 Jahren Bestehen der IVS wurde 1984 eine Außenstelle im Klinikum zur direkten Versorgung der Ärzte eingerichtet. Der seither stetig wachsende Zuspruch bestätigte das Experiment. Inzwischen hat sich die IVS als unverzichtbare Serviceeinrichtung für die Wissenschaftler etabliert: 1980 wurden 332 Suchanfragen mit 353 Formulierungen statistisch erfaßt, 1988 waren es 1.111 Anfragen mit 1.334 Formulierungen. Diese Akzeptanz der IVS bei Dozenten, Studierenden und Privatbenutzern und neuere technische Entwicklungen schufen nicht zuletzt die Voraussetzungen für ein Konzept der moderaten Dezentralisierung bis hin zum einzelnen Gerät am Arbeits­ platz, wie es in verschiedenen Bereichen der Universität (Chemie, Jura, Medizin) erfolgreich realisiert wurde. Als weitere technische Neuerung werden nach intensiven Vorberei­ tungen seit Januar dieses Jahres 2 CD-Rom-Stationen in der HBA angeboten - mit den Datenbanken MEDLINE, PSYCLIT und Deutsche Bibliographie. Ein erstes Fazit nach einigen Monaten Einführungszeit: das neue Medium wird problemlos angenommen, die Resonanz der Benutzer ist, wie die gut besuchten Einführungen durch Mitarbeiter der Bibliothek zeigen, erfreulich positiv, der Benutzer lernt rasch mit der neuen Form des Recherchierens umzugehen. Die Erweiterung des CD-Rom-Angebotes bezüglich an Datenbanken wie Stationen wird also nur eine Frage der Zeit sein.

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4. Öffentlichkeitsarbeit Ein neues Kapitel wurde in der Universitätsbibliothek durch die Schaffung des Referates »Öffentlichkeitsarbeit« aufgeschlagen - neu deshalb, weil, wie eingangs dieses Beitrages schon erwähnt wurde, die gesamte bauliche und räumliche Situation des alten Bibliotheksgebäudes eine Hinwendung zum Bürger und zur Öffentlichkeit nicht ermöglichte. Im Lauf der Jahre haben sich folgende Schwerpunkte herausgebildet: Benutzerführungen - schriftliche Einführungsmaterialien - Ausstellungen Kontakte zu anderen kulturellen Einrichtungen der Stadt - Kontakte zu den Medien. Ein klassischer Sektor der Öffentlichkeitsarbeit liegt leider brach: die Durchführung von Vorträgen, Dia-, Filmabenden und musikalischen Veranstaltungen. Der Grund: die Schließung der Bibliothek um 20.00 Uhr. Benutzerführungen wurden und werden regelmäßig durchgeführt, u.a. ganzjährig an einem »jour fixe«, durch eine stattliche Anzahl von Mitarbeitern - die Zahl schwankt zwischen 20-25. Seit Einzug in den Neubau sind es über 3.000 Führungen, die für Studenten, Professoren, Bürger der Stadt, dann besonders in der Anfangszeit für interessierte Bibliothekare, Architekten und Baufachleute des In- und Auslandes organi­ siert wurden. Eine derzeit achtzehnteilige Folge von schriftlichen Einführungsma­ terialien bestehend aus einem Bibliotheksführer und -profil in deutscher, englischer und französischer Sprache, ferner aus Benutzungshinweisen in einzelne Bereiche der Bibliothek ergänzen das Angebot zwecks erstem Kennenlernen der Universitätsbibliothek. Sie erfreuen sich großen Zuspruchs bei den Benutzern, wie die hohen jährlichen Druckquoten deutlich machen. Ebenfalls eines hohen Zuspruchs erfreute sich ein anderer Service, der so die ursprüngliche Idee - für die »breite Öffentlichkeit« gedacht war und ein Teil des Informations-und Kommunikationsbereiches im 3. OG sein sollte: ein großzügiges Angebot von Tageszeitungen und Zeitschriften des In- und Auslandes zur Selbstbedienung. Leider war dieser Zuspruch nicht nur positiver Art. Trotz wiederholter Hinweise und zuletzt Warnungen, die Zahl der Abos rigoros zu kürzen, war es nicht möglich, den »kleptomanischen« Neigungen mancher Benutzer Herr zu werden. Bestimmte Presseprodukte wie z.B. der »Spiegel« überlebten nicht einmal 1 243 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Stunde in diesem Haus und dies regelmäßig. Sukzessive wurde daher das Angebot verkleinert. Gemessen an der ursprünglichen Idee ist der augenblickliche Zustand - Angebot der verbliebenen Tageszeitungen in der kontrollierten Zone des Lesesaals - unbefriedigend. Ein rundum erfreuliches Bild vermitteln dagegen die Ausstellungs­ aktivitäten der Bibliothek. Als am 11.1.1980 die erste Ausstellung unter dem Titel »Der wilde Westen« eröffnet wurde, ahnte wohl niemand, daß gerade diesem Bereich eine so große Zukunft in der Bibliothek beschieden sein würde. Darüber und über das spezielle Ausstellungskonzept im Rah­ men der Gesamtuniversität wird an anderer Stelle dieser Festschrift geschrieben, daher soll dieser Hinweis genügen. Zuletzt zu den Kontakten mit kulturellen Institutionen der Stadt und den Medien: Über die Zusammenarbeit mit den Museen der Stadt Freiburg, welche die vorrangigen Partner sind, wird in dem Ausstellungsbeitrag berichtet. Eine temporäre Zusammenarbeit bestand 1981-83 mit den Städtischen Bühnen auf der Basis der erfolgversprechenden Idee, für interessierte Theaterbesucher aus den Beständen der Universitätsbibliothek gedruckte Literaturlisten zum jeweils aktuellen Spielplan des Sprech- und Musiktheaters zusammenzustellen und mit den Programmheften kostenlos anzubieten. Die Literaturlisten wurden von der Universitätsbibliothek erstellt, das Unternehmen von mehreren Freiburger Buchhandlungen gesponsert. Der Anklang beim Publikum war anfangs positiv, es entstanden allerdings mit der Zeit finanzielle und administrative Probleme, nicht zu­ letzt durch häufigen Personalwechsel bei den Städtischen Bühnen. Da eine regelmäßige Bereitstellung der gedruckten Literaturhinweise nicht mehr gewährleistet war und die entsprechende Resonanz beim Publikum ausblieb, wurde die Idee nicht mehr weiterverfolgt. Unverändert »am Leben« ist der Kontakt zu den Medien wie Presse, Rundfunk und Fernsehen. Ein Grundsatz der Zusammenarbeit ist, nur über Themen zu berichten, die für ein breiteres Publikum von Interesse sind. Aus der Vielfalt der Themen seien nur einige genannt: Erfahrungsberichte über den Neubau, OLAF, Öffnung des SB-Magazins, Buchrestaurierung, Einbandsanierung, Papierzerfall, Klimatisierung der Universitätsbibliothek und ihre Folgekosten, Öffnungszeiten, Energieverbrauch, Bücherdiebstähle. Regelmäßig wird auch über die in der Universitätsbibliothek gezeigten Ausstellungen informiert. 244 Die Informationsabteilung der UB Freiburg

* Manches Faktum, über das sich noch schreiben ließe, konnte in diesem Beitrag nicht erwähnt werden. Es bleibt am Schluß die Frage, was die jetzige Dekade an Neuem bringen wird. Einige Entwicklungen sind schon sichtbar, anderes kündigt sich erst an. Eines ist sicher: Es wird sich einmal mehr die alte lateinische Sentenz bewahrheiten »Tempora mutantur et nos mutamur in illis«.

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Barbara Brummer INFORMATIONSVERMITTLERIN IN FREIBURG

Meine Zusammenarbeit mit Herrn Kehr nahm ihren für mich sehr un­ gewöhnlichen Anfang in Köln. Ich war beim Deutschen Institut für medi­ zinische Dokumentation und Information (DIMDI) angestellt, wünschte aber wieder im Kontakt mit dem Benutzer zu arbeiten, wie vordem an der Universitätsbibliothek Marburg und an der Bayerischen Staatsbibliothek München. Als ich von der Stelle in Freiburg hörte, bewarb ich mich und erhielt einen Anruf von Herrn Kehr - wann ich denn anfangen könne. Mei­ ne Frage nach dem Vorstellungsgespräch wurde als unnötig empfunden und der Tag meines Dienstantritts bestimmt. So begann ich im September 1979 - ein Jahr nach Bezug des neuen Gebäudes - meinen Dienst. Frau Schubel hatte alles gut vorbereitet, die Postdirektion Freiburg arbeitete perfekt und ich konnte in die sonnigen Zeiten der kostenlosen DIMDI-Recherchen einsteigen. Der große Siemens-Nadeldrucker ratterte nahezu un­ unterbrochen in dem trauten Säulenzimmerchen von ca. 10 m2 nutzbarer Fläche direkt neben mir. Ein Benutzer stellte eine mir unannehmbare Forderung, ich schickte ihn wohlgemut zu Herrn Kehr, in der Erwartung, seine Beschwerde abgewiesen zu sehen und machte die Freiburger Erfahrung: der Benutzer hat immer recht! Das habe ich mich bemüht, zu verinnerlichen - es wird aber wohl mehr von mir als den Benutzern wahrgenommen. Wenn z.B. Freiburg im Jahre 1989 zu den 10% aller befragten bundesdeutschen Informationsvermittlungen gehörte, die alle An­ fragen am Tag des Eintreffens erledigen, so stellt sich das den Benutzern als Gewohnheitsrecht dar, welches gar nicht in Frage gestellt wird. Beim Rückblick stellen sich mir die zwölf Jahre Informationsver­ mittlungsstelle an der Universitätsbibliothek Freiburg als ein fort­ schreitender Aneignungsprozeß in Sachen Datennutzung dar, in welchen meine Dienststelle eingebunden war. Wurde ich gleichsam als »Probe­ paket« eingekauft, mit dem gesamten Equipment von DIMDI geliefert, einschließlich Datenübertragungsnetz, Gehalt von der DFG bezahlt, läßt 246 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

sich die Integration für mich etwa an folgenden Schritten ablesen: Bereit­ stellung einer Planstelle, halbtägig - anfangs ergänzt durch »gestreckte« DFG-Mittel, später aufgestockt auf 2/3-Stelle mit Kliniksmitteln. Ersatz des DIMDI-Equipments durch eigene Hardware, die durch eigene Zusam­ menstellung eine in der Bundesrepublik konkurrenzlos billige Lösung dar­ stellte und das Prinzip Herrn Rupperts verwirklichten, Geräte zu beschaf­ fen, die bei Versagen jederzeit durch andere im Hause vorhandene ersetzt werden konnten. Damit war das reibungslose Funktionieren meiner Dienststelle (gerätemäßig gesehen) gesichert. Die Datenübertragung per Dimdinet (andere Hosts mußten teuer und störanfallig per Akustikkoppler über Telefonleitung angewählt werden) abgelöst vom Datex P-Knoten in Karlsruhe bis zum eigenen Datex P-Knoten im Bibliotheksgebäude, weil eben längst nicht mehr nur meine Dienststelle Datenübertragung praktiziert. Das »Probepaket« des anderen Umgangs mit Information, mit Daten - ob im Input oder Output - ist in das gesamte Bibliothekssystem integriert. Längst bin ich nicht mehr die einzige, die mit den Retrievalsprachen GRIPS-Dirs oder STN-Messenger arbeitet, viele Kolleginnen und Kollegen recherchieren unter Benutzung dieser und anderer Datenretrievalverfahren täglich. Zurück in die Vergangenheit: Die Datenbankrecherchen bei DIMDI wurden 1980 kostenpflichtig, was einen steilen Abfall der Recher­ che-Anfragen zur Folge hatte. Das Dienstleistungsangebot der Universitätsbibliothek wurde ganz fraglos in allen seinen Facetten kostenlos beansprucht. Der Nutzen wurde aber ebenso gesehen; die Recherchezahl stieg wieder an, und in Kliniken und Instituten entwickelten sich Abrechnungsroutinen. In Drittmittel-Anträgen wurden Mittel für Datenbankrecherchen beantragt und genehmigt. Es änderte sich das Benut­ zerverhalten in Bezug auf Computerrecherchen. Es wurde nicht mehr die Literatur der letzten zehn Jahre abgefragt. Häufigere Anfragen zu spezielleren Themen aus kürzeren Zeiträumen ersetzten die großen Rund­ umschläge zu Jahresbeginn. Das Informationsverhalten änderte sich mit der zunehmenden Vertrautheit mit den Datenbanken. Doktorandenbetreuer weisen nun von sich aus auf Datenbanken hin und empfehlen nicht nur ihre Nutzung, oft werden die Recherchekosten vom Lehrstuhl übernommen. Das Land Baden-Württemberg unterstützte dieses neue Informa­ tionsverhalten an den Universitäten, und nun auch an den Pädagogischen 247 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Hochschulen, mit Subventionen, die seit einigen Jahren bei 50% der Recherchekosten des wissenschaftlichen Personals im Rahmen iherer Dienstaufgaben bzw. bei Studierenden im Rahmen einer Prüfungsarbeit oder Dissertation liegen. Der im Lande ansässige Host STN, früher Inka, gibt die vom Lande erhaltene Förderung an die Landesuniversitäten weiter. Andere Bundesländer entwickelten andere Fördermechanismen, aber wir werden von nicht wenigen beneidet! Bisher gelang es in Baden-Württem­ berg jedoch noch nicht, Pauschalverträge mit den Hosts abzuschliessen, die das leidige Problem der zeit- und kostenintensiven Abrechnungsverfahren gelöst hätten. An unserem Hause werden die vom Benutzer verursachten Kosten, die uns vom Datenlieferanten in Rechnung gestellt werden, direkt an diesen weitergegeben. Ein System, das mir wegen seiner Gerechtigkeit sehr wichtig ist, aber deshalb nicht bequemer wird. Modelle anderer Universitäten, z.B. Computerbuchhaltung, in Verbindung mit einer ständig den Gebührenänderungen angepaßten Gebührenordnung, haben sich als au­ ßerordentlich arbeits- und damit ja wohl kostenintensiv herausgestellt. Wer so etwas stolz vorgeführt bekommt, glaubt des Kaisers neue Kleider zu sehen. Gebührenordnungen insgesamt habe ich vorzuwerfen, daß sie mit ihren starren Leistungsfestschreibungen, am fiktiven Normfall orientiert, häufig zwei gegenläufige Tendenzen verschleiern: wie billig Information heute bereits zu erhalten ist, bei konventioneller Erstellung, großer Nachfrage und geringer merkantiler Verwertbarkeit, wie es z.B. im Bereich Medizin der Fall ist; wie teuer Information ist, die rar ist, hohe merkantile Verwertbarkeit hat (auch wenn der Nachfrager sie dafür gar nicht nutzen will) und gelegentlich außerordentlich aufwendig erstellt bzw. bereitgestellt wird. Konnte man früher über Datenbanken klagen, weil fest in amerikani­ scher Hand, so haben die Europäer und mit ihnen Deutschland aufgeholt, nicht zuletzt, weil sie gelernt haben, erstellte Daten und Dokumentationen mehrfach zu vermarkten und dabei unerwartete Nutzungszuwächse zu erfahren - ein Beispiel erleben wir jetzt gerade an dem neuen Produkt der »Deutschen Bibliographie auf CD-ROM«. Zum anderen haben Wissenschaftler, die vordem neidisch auf die mühelose Transferierbarkeit naturwissenschaftlicher Daten über die Grenzen von Nation, Kultur, Zivilisation geschaut haben, sich zunehmend auch ein internationales Informationsverhalten angeeignet und sich damit Quellen erschlossen, die sie vorher negiert haben. Solches Verhalten ist nie eine Einbahnstraße - die 248 Informationsvermittlerin in Freiburg

Benutzer und Benutzung verändern auch die angebotenen Daten. Prominentes Beispiel dafür sind die Psychological Abstracts, die vor der meßbar vermehrten Nutzung als Datenbank auf dem europäischen Markt viel behavioristischer ausgerichtet waren. Einen Boom erleben zur Zeit Daten aus dem Osten - dem Osten Deutschlands, dem Osten Europas. Hier in Freiburg kann ich vorerst nur den Anstieg des Angebotes, nicht der Nachfrage beobachten. Wie ich denn überhaupt nur einen sehr begrenzten Ausschnitt des Informationsverhaltens wahrnehme. Die Universitätsbiblio­ thek und mit ihr die Informationsvermittlungsstelle besaß nie und besitzt heute weniger denn je das Monopol der Information. Es muß nicht das Bild des saarländischen Informationswissenschaftlers v. Keitz herangezogen werden, der den Informationsvermittler als das Nadelöhr zum Paradies der Information bezeichnet, um wahrzunehmen, daß sich Institutionen und Individuen nicht nur von jeher eigene Informationswege erschlossen, sondern in zunehmendem Maße auch als »Enduser« auftreten - als solche werden Direktnutzer von Datenbasen bezeichnet, ohne »Intermediate» - als den man die Universitätsbibliothek mit allen ihren Auskunftsmöglichkeiten bezeichnen könnte, mit welchem Ausdruck aber im englischen Sprachraum speziell meine Tätigkeit bezeichnet wird. Benutzer, die immer recht haben, bezeichneten mir gegenüber diesen Vorgang als Emanzipation. Alle Erfah­ rungen an amerikanischen Universitäten berichten jedoch von einem steti­ gen Ansteigen des Rechercheaufkommens der Vermittler und auch in Frei­ burg zeichnet sich ähnliches ab. Dieser Anstieg speist sich aus mehreren Quellen: Komfortverhalten der bisherigen Nutzer, neue Nutzer, die neue Quellen nutzen und noch nicht genügend vertraut mit diesen sind, verstärkte Bereitstellung und Nutzung von universitätsinternen Quellen, nicht gänzlich kostenlos, aber sehr kostengünstig durch das Deutsche Wissenschaftsnetz, dieses wiederum verknüpft mit ausländischen Wissen­ schaftsnetzen. So können online-Kataloge wie Datenbasen mit hohem Nutzen recherchiert werden, der über ihren ursprünglichen Katalognutzen weit hinausgeht und vor allem den so benachteiligten Geisteswissenschaftlern neuen Komfort bietet. Sie besitzen für die Benutzer eine Faszination, die in ihrer Auswirkung auf Nutzungsdauer und Beharr­ lichkeit im Betrachter den ketzerhaften Eindruck erweckt, daß der Nutzen im konventionellen Druckmedium wohl ähnlich hoch gewesen wäre, wenn.... 249 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Zurück zum Monopol - ein solches wurde von der Universitäts­ bibliothek Freiburg nie angestrebt. Das Fachwissen der Fakultäten wurde genutzt. So werden die Recherchen in der Datenbank »Chemical Abstracts« in einem chemischen Institut von einem Chemiker durchgeführt, ebenso die Integration in die Ausbildung der Studenten dort. Die Recherchen im Juristischen Informationssystem, in der Probephase im Jahre 1982 mit dem größten Rechercheaufkommen in der Bundesrepublik an der Universitätsbibliothek durchgeführt, mit einem sehr hohen (Telefon-) Kostenanteil, wurden nach einem gerätebedingtem Ruhen dieser Nutzung (wir hatten modernisiert, in Bonn dauerte das etwas länger) von der Biblio­ thek der Rechtswissenschaftlichen Fakultät übernommen. Daß sich diese Entwicklung ähnlich überall abgespielt hat, mit Variationen, ist anzuneh­ men. Ich habe die Freiburger Variante so erlebt, daß die Entwicklung meiner Dienststelle immer mit einer schönen Mischung von zukunfts­ orientiertem Denken und pragmatischem Abwarten des günstigen Zeitpunkts, der vernünftige Lösungen ermöglicht, von Herrn Kehr gesteuert wurde und dafür möchte ich ihm meinen Dank sagen.

250 Informationsvermittlerin in Freiburg

Klaus Moser LEIHSTELLE UND MAGAZIN 1967 - 1978 »Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen, während des Semesters auch nur ein halbwegs gängiges Buch zu erhalten.« - »Haben Sie mal ein Buch bekommen, dann können Sie es jahrelang behalten, ohne gemahnt zu werden.« - »Alle fürchten, ein Bestellzettel könnte zurück kommen mit dem lakonischen Stempel: Nicht am Standort.« »Ausleihe- und Lesesaalstunden sind für Spätaufsteher abgestimmt«. - »Es gibt zu wenig Bibliothekare an der UB.« Diese Anmerkungen zur Leistungsfähigkeit der Universitätsbibliothek stammen zwar schon aus dem Jahre 19571, doch zehn Jahre später liest sich diese von Resignation geprägte Kritik immer noch wie eine Ist-StandAnalyse. Viele Studenten mieden nach schlechten Erfahrungen nach Mög­ lichkeit die Universitätsbibliothek, andere betraten sie dann zum ersten Male, wenn sie für die Exmatrikulation den Entlastungsvermerk benötigten. Verborgen in ihrem viel zu kleinen ehrwürdigen Gebäude, genügte sie immer weniger den an sie als einer zentralen Einrichtung der Universität gerichteten Erwartungen. Im Verlauf des Jahres 1966 waren bei rund 11.000 eingetragenen Benutzern 147.000 Bände (ohne Verlängerungen) über die Theken von Lesesaal und Leihstelle ausgeliehen worden. Letztere, in einem kleinen abschließbaren Raum (ca 50 qm), mit altmodischen noch zu öffnenden Fenstern, zwischen Katalograum und Magazin gelegen, verfügte über sieben Mitarbeiter - damals noch mit einer 44-Stunden-Woche und erheblich weniger Urlaub -, von denen zwei ausschließlich für sogenannte Hintergrundarbeiten eingesetzt waren. Es gab zwei Schalter, zusätzlich einen Dozentenschalter mit eigener Namenkartei, der personell von einem der regulären Schalter mitversorgt wurde.

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Freiburger Studentenzeitung 7 (1957), H. 3. - Vgl. INFORMATIONEN 25 (1985), S. 108.

251 Leihstelle und Magazin. 1967-1978

Die Öffnungszeiten waren spärlich: Montag bis Freitag von 11 bis 16 Uhr (in den Ferien 11-14 Uhr) allerdings war samstags am Vormittag geöffnet, wobei turnusmäßig Mitarbeiter des gehobenen Dienstes anderer Abteilungen zum Einsatz kamen. Einmal täglich wurden die Bestellungen zur Bereitstellung auf den nächsten Öffnungstag erledigt. Vormerkkarten wurden pro Benutzer und Tag zwei abgegeben (Portoersatz 0,15 DM, wobei nach aufwendiger Bearbeitung er erst 1 - 2 Tage später im Vormerkbuch den voraussichtlichen Rückgabetermin nachsehen konnte. In gleicher Quotierung erfolgte die Annahme von Sofortbestellungen (ca 30 bis 50 täglich). Vorgemerkte Bücher wurden nach Ablauf der Leihfrist gezielt angefordert, ansonsten wurde nach Möglichkeit gemahnt, d.h. alle 1 - 3 Monate. Jeweils zum Semester- bzw. Ferienbeginn erfolgte die Ausgabe der Lehrbücher für den gesamten Zeitraum. Diese mußten aus dem Magazin bestellt werden, die Erledigungsabfolge (neueste Auflagen zuerst) gestaltete sich nach der Reihenfolge des Eingangs der Bestellungen, wobei die Anzahl der Ausleihen nicht beschränkt war, weshalb viele Benutzer schon lange vor Öffnung der Bibliothek anstanden. Wer zu spät kam, war für Monate chancenlos; Vormerkungen auf den kleinen (6.000 Bände) und teilweise überalterten Bestand gab es nicht. Obwohl die Ausgabe der Lehrbücher nach Fächern auf verschiedene Tage gelegt wurde, reichten die Bereitstellungsregale in keiner Weise aus. Für Benutzer wie für Mitarbeiter chaotische Tage mit bis zu 2.500 Ausleihen je Öffnungstag (Durchschnitt 600). Die Verhältnisse im fünfgeschossigen Magazinbau waren äußerst prekär. Jeder Stellmeter war belegt und die 1954 als Notmaßnahme zusätzlich eingebauten Zwischenregale - der für 1916 vorgesehene Erweiterungsbau des Magazintrakts war nie gebaut worden - waren längst über das genehmigte Maß hinaus gefüllt. Um in die systematische Aufstellung überhaupt noch Bücher einstellen zu können, war man dazu übergegangen, einzelne Blöcke meterweise komplett herauszunehmen und sie ungeordnet und somit für Bestellungen unzugänglich auf den Verkehrsflächen zu lagern. Zu diesen Standnummern gehörende Rückgaben und Neuzugänge wurden dazu gelegt. Bestellungen auf diese Bücher wurden mit dem Vermerk »Nicht benutzbar, da gestapelt« an den 252 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Benutzer zurückgegeben. Der Nachweis verliehener Bücher geschah über ein Kuponregister im Magazinerraum; seine Aktualisierung war für die Magazinmitarbeiter nachrangig in Zeiten starker Benutzung (eine Erklärung auch für die überproportionale Zunahme der Nicht- am-Standort-Zettel zu solchen Zeiten). Der Zustand weiter Bestände war sanierungsbedürftig. Über Meter hinweg kaum eine lesbare Standnummer, viele Bände (stark) beschädigt, viele Reihen und Zeitschriften ungebunden in Kapseln oder in Deckkartons verschnürt. Hitze, Feuchtigkeit und Staub schädigten die wertvollen Bestände. Im Keller lagerten ca 200 m Zeitungen, überwiegend in Packpapier eingeschlagen, die aus Mangel an Regalen nicht einmal in der Abfolge der Signaturen aufgestellt werden konnten. Ihre Benutzung damals noch selten - war kompliziert und der Erhaltung abträglich. Acht Magazinmitarbeiter versuchten unter diesen Bedingungen einen geordneten Erledigungsbetrieb zu gewährleisten. Nach Ernennung des neuen Bibliotheksdirektors im September 1967 wurden unverzüglich die Schwachstellen analysiert, Reformen eingeleitet und neue Perspektiven formuliert und vorgegeben. Neben der Forderung und Planung des dringend notwendigen Neubaus, der Einführung zukunftweisender Technologie und des Aufbaus eines Bibliothekssystems, galten viele Anstrengungen der (Rück-) Gewinnung des Vertrauens der Benutzer in die Universitätsbibliothek durch deren Umwandlung in einen leistungsfähigen Dienstleistungsbetrieb. Innerhalb der kurzen Vorbereitungszeit konnten die ersten Reformmaßnahmen für das Jahr 1967 freilich sich nicht mehr statistisch auswirken - die Ausleihen stiegen nur geringfügig auf 152.000 Bände - doch waren sie entscheidend und wegweisend für den beginnenden Prozeß, der mit der Einführung der EDV im Ausleihbereich im Frühjahr 1978 und dem Bezug des Neubaus im Herbst des gleichen Jahres einen ersten Abschluß fand. Viele dieser Aktivitäten - zu denken ist in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Verbesserung der Katalogverhältnisse, die Einrichtung einer Katalogauskunft, die Einführungen in die Benutzung, das Angebot billiger Kopiermöglichkeit, die bedarfsorientierte Erwerbung u.a.m - betrafen zwar die Benutzung oft nur mittelbar, waren aber doch wichtige Voraussetzungen für eine ansteigende Benutzung. 253 Leihstelle und Magazin. 1967-1978

Eine offensive Öffentlichkeitsarbeit - von Presseberichten bis hin zu den hauseigenen Infos »die UB informiert« - vermittelte den Benutzern ein Bild über Reformen, Tätigkeiten und Absichten, die durch eigene Benutzung bestätigt, das Vertrauen in die »neue« Universitätsbibliothek festigten. Nach Vorbereitung noch Ende 1967 wurden im Januar 1968 die Auslagerung der Fächer Naturwissenschaft und Medizin (ca 350.000 Bände) und der Dissertationen (ca 500.000 Bände) in das Rückgebäude im Werderring 6 ausgeführt. Die im Haus verbliebenen Bestände (ca 800.000 Bände) wurden neu aufgestellt. Dadurch war es endlich möglich die »gestapelten« Bücher wieder einzustellen und benutzbar zu machen. Nach Änderung des Geschäftsgangs wurde die systematische Auf­ stellung abgeschlossen und ab 1968 durch eine Numerus-currensAufstellung bei Monographien (Jahres-NC) und Zeitschriften (einfacher NC) abgelöst. Die Abkoppelung der Aufstellung vom systematischen Katalog brachte Vorteile: Die Verwaltung beider Bereiche wurde flexibler, besonders im Hinblick auf eine spätere Freihandaufstellung, die aber erst in einem Neubau und auch da nur unter Einsatz von EDV (u.a. Nachweis und Vormerkbarkeit verliehener Bücher) verwirklicht werden könnte. Die gewählte Aufstellung ermöglichte Ausgliederungen - Absenken von Jahres­ ringen wegen Stellraummangel oder Einrichtung neuer Bereichs­ bibliotheken z. B. für Medizin - ohne Personalaufwand oder Um­ arbeitungen an den Katalogen. Für den Benutzer blieb auch nach solchen Einschnitten klar, welche Bücher frei zugänglich und welche zu bestellen wären. Für die Magazinverwaltung im Altbau brachten die neu eingeführten Standnummern einige Vorteile. Die Konzentration der Neuerwerwerbungen verringerte die Wege bei der Erledigung der Bestellungen. Die Struktur der Nummern war einfach, Bandzählungen, abweichende Formate oder Mehrfachexemplare wurden Bestandteil der Buchbeschriftung und auch so den Katalogen entnehmbar, aufgrund der lückenlosen Belegung beim NC wurden Einstellfehler oder Fehlbeschriftungen wesentlich verringert. Die kurz darauf folgende Abschaffung des Kuponregisters zugunsten von Stellvertretern am Standort (die im geschlossenen Magazin sich noch heute bewährenden Plastiktaschen waren eine Sonderanfertigung gemäß den Vorstellungen der Universitätsbibliothek) für den Nachweis von verliehenen oder sich an Sonderstandorten befindlichen Büchern ließ die 254 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Zahl der Nicht-am-Standort-Zettel drastisch sinken, ermöglichte aber auch ein schnelleres Rückstellen, wobei - erwünschter Nebeneffekt - auch die Verstellungen (Einstellfehler) erheblich zurückgingen. Ein wichtiger Schritt zur Rückgewinnung der Ordnung in den Maga­ zinen war die Einschränkung des Magazinzutritts nur noch mit speziellem Ausweis über einen kontrollierten Zu- und Ausgang über den Lesesaal. Noch Monate nach deren Einführung kamen Bücher zurück, die an keiner Stelle verbucht waren. Zur Sanierung der Magazinverhältnisse trug wesentlich das Binden umfangreicher Bestände bislang ungebundener Zeitschriften (und etwas später der Zeitungen), das Reparieren beschädigter Bücher und die Erneuerung unleserlicher oder beschädigter Signaturschilder (zunächst noch in alter Weise) bei. Der durch die Auslagerung freigewordene Stellraum würde nach Zuwachsberechnungen nicht über 1973 hinaus ausreichen (in den Berechnungen mit eingeschlossen war die Aufarbeitung von rund 40.000 Bänden neuerer Monographien und Dissertationen). Die Öffnungszeiten der Leihstelle wurden verlängert und galten nunmehr ganzjährig, die traditionellen Schließzeiten (Putzwochen) entfielen. Wichtigster Einschnitt auf Jahre hinaus war die Neuordnung der Lehrbuchsammlung. Mit der Aktualisierung der Bestände und deren Erweiterung auf ca 14.000 Bände, die ab Beginn des Sommersemesters 1968 frei zugänglich in einer eigenen Ausleihstelle mit einer separaten Benutzerkartei ebenfalls im Rückgebäude von Werderring 6 ausgeliehen werden konnten, war die studentische Literaturversorgung erheblich verbessert worden. Die Bücher konnten am Regal ausgewählt und sofort mitgenommen werden (der erste Baustein der späteren SB-Ausleihe). Eine einmalige Verlängerung - mit Vorlage des Buches, die Ausleihfrist wurde im hinteren Vorsatz eingestempelt - war möglich. Vormerkungen gab es nicht, da ausgeliehene Bücher nicht über die Standnummer nachgewiesen waren. Die Gesamtzahl der Ausleihen war auf 5 je Benutzer (Kontostand) begrenzt. Obwohl nicht leicht zu finden, wurde die LB von Anfang an ein durchschlagender Erfolg und verzeichnete jährlich erhebliche Zuwächse bei den Ausleihzahlen. Für den Betrieb dieser Außenstelle wurde ein bewährter Mitarbeiter der Leihstelle betraut, der - zunächst allein - über Jahre hinweg alle Probleme mit großem Engagement meisterte. 255 Leihstelle und Magazin. 1967-1978

Parallel hierzu wurden auch die Bestände der Akademischen Lesehalle im KG II, bis dahin Präsenzbücherei, ab Wintersemester 1968/69 für die Ausleihe freigegeben. Die Leihfrist betrug 1 Monat, es gab keine Verlängerungen oder Vormerkungen. Mit Abschaffung des Kuponregisters wurden neue, zweiteilige Leih­ scheine eingeführt, die in neuen Karteikästen besser zu handhaben waren (für den kurzfristigen dienstlichen Gebrauch wurden besondere (blaue) Leihscheine eingeführt; diese Entleihungen wurden nicht in der Benutzerkartei der Ausleihe nachgewiesen). Mit Beginn des Wintersemesters 1968/69 bleibt die Leihstelle aus Personalmangel an den Samstagen geschlossen; statt dessen Verlängerung der Öffnungszeiten an Dienstagen und Donnerstagen bis 19 Uhr. Der Beginn des Durchmahnens der Dozentenkartei, die seit Jahrzehnten, ausgenommen bei vorbestellten Büchern,nicht mehr gemahnt worden war, brachte eine Vielzahl von Rückfragen und Ärgernissen und führte schließlich zur Einführung der (noch statusgebundenen) Semesterleihe mit Rückgabe oder Vorlage aller entliehenen Bücher zum Semesterende. Auch im alten Gebäude stiegen die Ausleihzahlen. Aufarbeitung von Rückständen, gezielte Lückenergänzungen im Bestand bei Monographien und Zeitschriften, Erwerbungsabsprachen und bedarfsorientierte Erwerbung, Beteiligung von Lehrkörper und Studenten an Erwerbungsvorschlägen, Prüfung der passiven ALV-Bestellungen, Verkürzung des Geschäftsganges (14 Tage für ein gebundenes Buch), Einführungen in die Bibliotheksbenutzung, die Bereitstellung semesterweise aktualisierter Benutzungsführer, die Verbesserung der Katalogverhältnisse (Zusammenlegen der Teile 1930-1960, Austausch der alten Bandkataloge für die Erwerbungen vor 1930 gegen einen auf das internationale Format kopierten Zettelkatalog), Einrichtung einer Katalogauskunft, Bereitstellung billiger Kopiermöglichkeiten, erweiterte Öffnungszeiten, all dies und anderes mehr waren hierfür Ursache. Ende des Jahres 1968 war die Gesamtzahl aller Ausleihen schon auf über 200.000 gestiegen. 1969 erfolgte als wichtigste Neuerung die Vereinigung der Lehr­ buchsammlung mit den neu geordneten und überarbeiteten Beständen der Akademischen Lesehalle, nunmehr Studentenbücherei, zu einem Ausleihbereich im KG II, verwaltet von zwei Mitarbeitern. Diese ungleich 256 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

bessere Räumlichkeit bewirkte einen weiteren Aufschwung. Trotz Schließung für die Dauer eines Monats wegen Umzugs und Neueinrichtung stiegen die Ausleihzahlen für 1969 um 48,5 %, insgesamt war die Benutzung gegenüber 1967 auf das Achtfache gestiegen. Die Öffnungszeiten lauteten Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr durchgehend. Das Ausleihlimit wurde auf 5 für LB und 3 für Stud.B (jeweils Kontostand) festgelegt. In der Leihstelle wurde zur Vereinfachung des Zahlungsverkehrs eine Registrierkasse aufgestellt, bis dahin wurde höchst umständlich über Quittungsbons (Blocks mit vorgedruckten unterschiedlichen Werten) abgerechnet. Desweiteren wurde damit begonnen, die nach Reformen (s.o.) reduzierten Nicht-am-Standort-Zettel systematisch an Katalogen und Standort zu überprüfen. Dadurch wurden in der Folge zahlreiche Katalogoder Beschriftungsfehler bereinigt, »schwierige Signaturen« saniert, verstellte Bücher wieder aufgefunden. Diese gezielten und zeitaufwendigen Verbesserungen im Einzelnen bildeten - über Jahre hinweg verfolgt - eine wichtige Vorleistung auch für die später geplante Verbuchung mittels EDV nur über die Standnummer. Um zusätzlichen Stellraum zu gewinnen, wurden in den Magazinen die Seitengänge mit Regalen ausgestattet. Die Magazinbenutzung wurde geringer, was wohl auch auf die akzessorische Aufstellung zurückzuführen war. Ein kleiner Teilbestand, die sogenannten »House documents«, bisher unbenutzbar gelagert, wurde im Werderring neu aufgestellt; erforderliche Einbandreparaturen ausgeführt. Die katalogmäßige Sanierung und Erschließung konnte erst Jahre später erfolgen. Ende des Jahres 1969 lag der Entwurf einer Benutzungsordnung vor. 1970 wurden im Magazin auch Teile der Förderanlage abgebaut, um zusätzlichen Stellraum zu gewinnen. Die Magazine galten zu dieser Zeit schon als um ca 40 % überbelegt, die eigentlich nur einseitig zu behängenden Zwischenregale (die Regalpfosten standen deshalb nicht in der Mitte der fest eingebauten Regale), waren zu über 75 % doppelt ausgestattet. In der Leihstelle wird der Mangel an Buchablagefläche immer deutlicher.

257 Leihstelle und Magazin. 1967-1978

Aber bei allen Schwierigkeiten greifen doch die Reformen, so daß der Direktor der Bibliothek 1971 schreiben kann: »Trotzdem ist es uns gelungen, den internen Betrieb zu rationalisieren, den mehr musealen Charakter dieser zentralen Universitätseinrichtung zu überwinden und sie zu einem echten Dienstleistungsbetrieb mit intensiver Benutzung...zu entwickeln...Mit fast 300.000 aus eigenen Beständen verliehenen Bänden im Jahre 1970, d.h. über 1.000 Bänden pro Öffnungstag liegt die Universitätsbibliothek Freiburg an der Spitze der wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes und an der 5. Stelle der deutschen Universitätsbibliotheken«2. Das Jahr 1971 brachte in allen Ausleihbereichen weiter ansteigende Benutzung, bis Ende des Jahres haben sich die Ausleihen gegenüber 1967 fast verdoppelt. Obwohl die Wochenarbeitszeit um zwei Stunden verkürzt wurde, wird die Leihstelle nach Zuweisung eines weiteren Mitarbeiters täglich eine Stunde früher (bereits ab 10 Uhr) geöffnet. Die gewünschte Entzerrung hält indessen nur kurz vor. Ab 1. April werden die Bestellungen (auch für den Werderring) zweimal täglich erledigt. Das Ende eines geordneten Bibliotheksbetriebs im alten Gebäude ist absehbar. Dessen ungeachtet: Eine Baugenehmigung für den geplanten Neubau liegt am Jahresende nicht vor, so daß die Bibliothek Ende 1971 ankündigen muß, daß bei unveränderten Raumverhältnissen voraussichtlich ab Ende 1972 aufgrund fehlenden Stellraums 35.000 Bände jährlichen Zugangs ausgelagert werden müssen und nur noch erschwert benutzt werden können. Es kam schlimmer. Aufgrund eines »bewegenden« Zeitungsartikels wird das Gebäude vom Statiker geprüft und am 3.2.72 wegen Einsturzgefahr sofort geschlossen. Die Magazine und Teile der Räumlichkeiten dürfen nicht mehr betreten werden. Während die Ausleihe für zwei Wochen mitsamt den schon bereitgelegten Büchern in den Werderring verlegt wird, dort Leihfristen verlängert und Bücher zurücknimmt, beginnen in den Magazinen unverzüglich die Vorbereitungen für die notwendigen Auslagerungen. Dazu müssen die Signaturen nach Umfang ausgemessen und Belegungspläne für die verbleibenden wie für die auszulagernden Bereiche - auch unter Berücksichtigung der Ausleihhäufigkeit - erstellt werden. Im 2

Freiburger Universitätsblätter H. 31 (1971).

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Zusammenhang mit der kompletten Neuaufstellung sollen die bisher separat aufgestellten Quartformate in die Normalaufstellung eingeordnet werden. Rund 350.000 Bände mußten außerhalb des Hauses einen neuen Standort finden, während die verbleibenden 500.000 Bände neu verteilt werden mußten. Mit der Tiefgarage der Universität wurde glücklicherweise ein nah gelegener Aufstellungsort gefunden. Zunächst mußten jedoch die baulichen Voraussetzungen für das Ausweichmagazin mit Fahrregalanlage (Stellfläche 10.200 m) ausgeführt werden. Glückliche Umstände verhalfen zu einer schnellen Lieferung und Montage der Fahrregale, so daß die Auslagerung - aber auch die Um­ verteilung im alten Gebäude - mit Hilfe von Speditionsfirmen in den Monaten April bis Juli - unter Verwendung von eigens hierfür vom Universitätsbauamt nach Vorgaben der Universitätsbibliothek entwickelten Stahlbücherwagen (mit einer Ladefläche von 6 m bis Quartformat), ausge­ führt werden konnten. Allerdings war der Altbestand schon ab 24.5. wieder weitgehend bestellbar, der neue Lauf folgte erst später. Für viele Studenten war freilich das Semester verloren, um so bedeutsamer war die unverzüglich angetragene Hilfe der Universitätsbibliothek in Basel, die unbürokratisch die Freiburger Studenten zur Benutzung zuließ. Ab dem 17. Juli 1972 war der Gesamtbestand wieder voll benutzbar. Zwei Mitarbeiter betreuten das Magazin in der Tiefgarage und auch unter den erschwerten Bedingungen wurde die zweimalige Erledigung täglich auch aus diesem Bereich mittels Bücherkisten und Fahrdienst beibehalten, was freilich erst nach Zuweisung von zwei weiteren Stellen für den Magazindienst gesichert war, der von da an 10 Mitarbeiter umfaßte. Täglich wurden auf diese Weise mehrere hundert Bücher angeliefert bzw. wieder zurückgebracht. Der Rückschlag durch die Schließung und Auslagerung reduzierte die Zahl der Ausleihen auf 256.000 (Vorjahr 295.000), machte aber auch den Letzten die Dringlichkeit des Neubaus der Bibliothek klar. Am 20. September 1972 trat endlich die neue Benutzungsordnung in Kraft. Nach langer Zeit waren damit Rechte und Pflichten von Benutzer und Bibliothek wieder klar geregelt. Im November fand ein weiterer Umzug von Beständen des Altbaus in die Tiefgarage statt.

259 Leihstelle und Magazin. 1967-1978

In der Leihstelle wurde durch Erhöhung der Bereitstellungsregale die Buchablage verdoppelt. Im Ausweichmagazin Werderring war in einer Aktion, die über Jahre dauern sollte, vom dortigen Magazinmitarbeiter begonnen worden, Vorlesungsverzeichnisse und Dissertaionen, die bis dahin in Bündeln verschnürt gelagert wurden, einzukapseln. Diese waren dadurch nicht nur besser geschützt, sondern durch die geordnetere Aufstellung bei Bestellungen schneller zu erledigen. Im Keller wurden 200 m Zeitungen in Hilfsregalen neu aufgestellt, die wegen notwendiger statischer Entlastung in den Magazinen überzählig geworden waren. Neues Unheil traf die Bestände in der Tiefgarage während des Wintersemesters 72/73. Vom darüberliegenden Parkdeck eindringendes Schmelzwasser beschädigte mehrere hundert Bände (einen Teil davon irreparabel), darunter viele mit älterem Erscheinungsjahr. Die Hausbuchbinderei verhütete mit viel Fachverstand schlimmeres. Um künftig Beschädigungen zu verhindern, wurde durch das Universitätsbauamt als Schutzmaßnahme jedes Fahrregal mit einem Dach versehen, von dem das Wasser kontrolliert ablaufen konnte. Ende 1972 wurde das Rotteckgymnasium abgerissen, der Weg für den Neubau war frei. 1973 wurde die Lehrbuchsammlung aufgeteilt: Für die Medizin und die Naturwissenschaften konnte ein kleiner Raum »vor Ort« gewonnen werden, der mit Beginn des Sommersemesters - im Blickfeld der Mensa 2 gelegen sofort starken Zuspruch erhielt. Die Öffnungszeiten lagen, bei einer Mitarbeiterin, die im Zusammenhang mit der früher geplanten Trennung schon im Vorjahr der Lehrbuchsammlung zugewiesen worden war, ab Mai von 10 bis 13 und 15 bis 16.30 Uhr. Bis Jahresende wurden hier schon 27.000 Bände ausgeliehen. In der zweiten Jahreshälfte wurde an das Ausweichmagazin in der Tiefgarage, wegen der geplanten Installation von zwei weiteren Fahrregalanlagen mit je 1.500 m Stellraum, angebaut. Eine davon wurde im Herbst geliefert und noch im Dezember mit Bestand des Altmagazins weitgehend gefüllt. Doch trotz dieser Entlastung betrug dessen freier Stellraum am Jahresende - nach Abgaben an das HBMagazin und Erweiterung der Zeitschriftenauslage - nur noch 1.600 m, das 260 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

bedeutete bei einem jährlichen Zuwachs von ca 400 m noch Raum für 4 Jahre. Am 5. November 1973 war Baubeginn für die neue Bibliothek. Das Jahr 1974 brachte weiter steigende Benutzungszahlen in allen Ausleihbereichen und ab Oktober die Verkürzung der Arbeitszeit um zwei Stunden wöchentlich (40-Stunden-Woche) ohne Personalausgleich. Allerdings wurde der Leihstelle im Hauptgebäude ein Mitarbeiter als »Springer« für die gesamte Benutzungsabteilung zugewiesen; aufgrund häufigen Einsatzes in anderen Dienststellen nützte dieser der Leihstelle selbst freilich selten. Im Dezember wieder die jetzt schon fast gewohnte Unternehmung: Umzug aller Zeitschriften und Zeitungen des neuen Laufs (ca 700 m) in die kurz zuvor erweiterte Fahrregalanlage in der Tiefgarage. Damit wurde das 1. OG des Hauptmagazins zugunsten des Bedarfs für die Umarbeitung und Aufstellung des Bestandes Lesesaal-neu völlig aufgegeben. Ein weiterer Magazinmitarbeiter wurde vom Hauptmagazin in das der Tiefgarage versetzt. Die dorthin ausgelagerten Zeitungen waren ab sofort nur noch dort in den Zeiten von 10 bis 12 und 14 bis 15.30 Uhr benutzbar. Im Laufe des Jahres 1975 erhielt die Leihstelle eine zusätzliche Halbtagsstelle, sie war jedoch nur Ausgleich für einen halbtags im Personalrat tätigen Mitarbeiter. Nach Installation der letzten Fahrregalanlage, verbunden mit einer neuerlichen Erweiterung des Ausweichmagazins, wurde diese mit 450 m Zeitungen des alten Laufs belegt, die zuvor - soweit noch nicht geschehen gebunden worden waren; Reparaturen, d. h. die Restsanierung, waren für das Folgejahr geplant. 1976 wurde im Hinblick auf den Umzug in den Neubau damit begonnen, die an mehreren Stellen des Hauptmagazins (Speicher, Keller) unübersichtlich aufgehäuften Dubletten verschiedener Herkunft in noch freie Regale des Ausweichmagazins in der Tiefgarage für die Überprüfung durch die Fachreferenten und zur Vorbereitung der Abgabe aufzustellen. Nach langen und umfassenden Beratungen trat im April 1976 die Dienstanweisung für die Beschriftung in Kraft. Sie verbesserte die schon bestehende für den neuen Lauf und führte erstmals für den alten Lauf klare Richtlinien und Anweisungen ein, die vor allem bei Berücksichtigung einer später einzuführenden EDV-Verbuchung auch des alten Laufs (besonders 261 Leihstelle und Magazin. 1967-1978

im Bereich der Signaturergänzung: Band-, Abteilungs-, Jahreszählungen u.a.m.) die Gewähr für eine weitgehend problemfreie Bestellerledigung allein mit einer alpha-numerischen Kombination - bestehend aus Standnummer und Signaturergänzung - auch bei schwierigen Signaturen bieten sollte. In der Weihnachtspause 1976 auf 1977 begann die völlige Umarbeitung der Bildungsbücherei (Studentenbücherei) auf EDV-geeignete Standnummern (sie sollte wenige Wochen später als Freizeitbücherei wiederkehren), wodurch erstmals in einem Ausleihbereich die geplante Einführung der Ausleihverbuchung mittels EDV für die Mitarbeiter sichtbar wurde. Dem waren schon Anfang der siebziger Jahre erste konkrete Überlegungen vorangegangen, die mit der gemeinsamen Planung innerhalb des Arbeitskreises »Automatisierung der Ausleihverbuchung« des Landes Baden-Württemberg zielstrebig fortgeführt wurden. 1975 wurden die Projekte Heidelberg (mit Anschluß an Großrechner) und Freiburg (autonomer Kleinrechner) bewilligt. Freiburg fiel dabei zunächst die Entwicklung einer Freihandlösung zu, die später auch in anderen Biblio­ theken des Landes eingesetzt werden sollte. Der Betrieb des für den Neubau geplanten Freihandmagazins mit Sofortzugriff auf die wichtigste Literatur der letzten 10 bis 20 Jahre im Wege der Selbstbedienung, war ohne ein leistungsfähiges, stabiles und sicheres EDV-System nicht realisierbar. Neben einem wesentlich verbesserten Benutzungsservice (schneller Zugriff auf gespeicherte Daten, Buchanfragen, einfache Eingabe von Vormerkungen, Abfragen von Kontoauszügen (all dies auch als Selbstbedienungsfunktionen an Benutzerbildschirmen), würden die Mitarbeiter von Routinetätigkeiten (z. B. Kontoführung, Mahnwesen, Statistik) entlastet werden und dadurch freilich auch erst die zu erwartende höhere Benutzungsfrequenz auffangen können. Mitte 1976 wurde die Hardware beschafft und mit der Entwicklung der Software begonnen. Noch im Jahre 1977 wurden Freizeitbücherei und Lehrbuchsammlung I mit den maschinenlesbaren Buchnummern (Selbstklebeetiketten) ausgestattet und die Buchdaten in Listen erfaßt. Nach Erarbeitung der »Dienstanweisung für das Verfahren bei Vermißtoder Verlustmeldungen« konnten ab Mai 1977 die in der Leihstelle aufgrund von Bestellungen bekannt gewordenen Verluste endlich aus den Benutzerkatalogen entfernt werden. Dies sollte von nun an, zusammen mit 262 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

den Benutzerverlusten, jährlich geschehen, wobei mit der Tilgung eine Prüfung auf Ersatzbeschaffung, soweit nicht schon geschehen (Verlust durch Benutzer), einherging. In der zweiten Jahreshälfte 1977 wurde der Belegungsplan für die neuen Magazine erstellt und die Abfolge des Bücherumzugs aus den Bereichen Hauptmagazin, Ausweichmagazin Tiefgarage und Ausweichmagazin Werderring festgelegt. Parallel dazu wurde mittels zweier Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen begonnen, die Buchbestände (aber auch die Fachböden) vor dem Einzug zu reinigen. Die Gesamtzahl der Entleihungen lag 1977 bei über 430.000 Bänden. 1978: Jahrelang hatten die Mitarbeiter der Ausleihbereiche (10 plus 1 Springer in der Leihstelle, 2 in der LB I und 1 in LB 2) und der Magazine (10 Mitarbeiter) bei kontinuierlich steigender Benutzung und gleichzeitig immer beengteren räumlichen Verhältnissen unter zunehmend erschwerten Bedingungen gearbeitet. Es war kein Wunder, daß alle Hoffnungen auf Änderung und Entlastung sich zunehmend mehr auf den in unmittelbarer Nachbarschaft sich der Vollendung nähernden Bibliotheksneubau richteten. Vor dem auf den Herbst geplanten Bezugstermin galt es jedoch noch einmal für alle Schwerarbeit zu verrichten: Zu Beginn des Jahres lief die Ausschreibung für den ersten von drei Teilumzügen, bei denen insgesamt mehr als 45.000 Buchmeter aus dem Hauptgebäude und vier Außenstellen zusammengeführt werden mußten und für deren Gesamtverlauf verschiedene Freiburger Speditionen den Zuschlag erhielten. Für alle Umzüge galt, daß während des Transports die Reihenfolge bzw. die Ordnung der Bücher erhalten bleiben mußte, was den Verbleib der Buchstellvertreter am Standort mit einschloß. Nur so war es möglich, die Bestellungen während der gesamten Umzugsdauer für den Benutzer störungsfrei zweimal täglich zu erledigen. Da die Anwesenheit von zwei Magazinmitarbeitern zur Überwachung des Auf- und Abladens (des korrekten Einstellens) ständig erforderlich war, gab es während der Umzüge keinen Urlaub. Dennoch fielen viele Überstunden an. Für den Transport der Bücher stellte die Universitätsbibliothek 26 der in früheren Umzügen bewährten Stahlbücherwagen bereit. Das übrige Erforderliche an Personal und Transportmitteln stellte die Spedition.

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Vom 20. 2. bis 10. 4. 1978 dauerte der 1. Teilumzug mit den Beständen der Tiefgarage und Beständen des Hauptmagazins. Vom 8. 5. bis 17. 7. dauerte der 2. Umzug, wiederum mit Teilen des Hauptmagazins (es blieben nur das ausleihaktive zukünftige Freihandmagazin und die Lesebereiche) und dem Gesamtbestand des Ausweichmagazins Werderring. Von Tag zu Tag mehr wurde der Neubau zur größten Außenstelle, von der immer mehr bestellte Bücher geholt und wieder zurückgebracht werden mußten. Beschäftigt mit Umzug und den daraus resultierenden Nachteilen, bemerkten die meisten Mitarbeiter im Hautgebäude kaum, daß das eigentlich Neue, was die Organisationsstrukturen der Ausleihe von Grund auf ändern würde, unterdessen in der Lehrbuchsammlung 1 geschah: Der Beginn der Ausleihverbuchung mittels des an der Universitätsbibliothek entwickelten EDV-Systems OLAF. Im April 1978 wurde die Frei­ zeitbücherei - als kleinster geschlossener Buchbestand umgestellt, zunächst noch aus Sicherheitsgründen mit paralleler manueller Verbuchung. Vorangegangen war die Ausgabe neuer maschinenlesbarer Benutzerausweise (Magnetkarten) für alle dortigen Benutzer. Schon bald zeigte sich die Ausgereiftheit des Systems, so daß nach kurzer Zeit auf die Doppelverbuchung verzichtet wurde. Noch im August wurde die Verbuchung - ohne Absicherung - auf die Lehrbuchsammlung 1 erweitert, wodurch es u.a. erstmals möglich war, Lehrbücher vorzumerken. Die Mitarbeiter, die dieses Pilotprojekt zum Laufen brachten, standen unter Dauerbelastung, doch war die Teilnahme und der Erfolg Motivation und Belohnung zugleich. Nachdem bei den zukünftigen Freihandsignaturen die bislang separat aufgestellten Quartformate eingeordnet waren, lief vom 28. 8. bis 3. 10. 1978 der letzte Teilumzug, in den letzten zwei Wochen parallel zum allgemeinen Mobiliarumzug bei gleichzeitiger Schließung der Bibliothek, bei dem die letzten Bestände im Hauptgebäude und zuletzt (am 2. und 3. 10.) die im Kollegiengebäude 2 (Lehrbuchsammlung 1 und Freizeitbücherei) in den Neubau überführt wurden. Nachdem die Leihstelle, wie die ganze Bibliothek am 2. 10. 1978 wieder öffnete (zum Staunen über all das Neue blieb angesichts vehement einsetzender Benutzung kaum Zeit), stand mit der Integration von LB 1 und FZ zwei Tage später auch OLAF an zunächst zweien von sechs Schaltern zur Verfügung, ein Kollege der sich bei fortwährender Entwicklung bald bei Benutzern wie auch 264 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Mitarbeitern zunehmender Beliebtheit erfreute (wenn auch gelegentliche Kritik an allzulangen Denkpausen nicht verschwiegen werden soll). Das Verlassen der alten und der Bezug der neuen Bibliothek war Zäsur. Ziel und Abschluß einer Reihe von Entwicklungen, aber auch Beginn und Fortführung vieler Vorhaben, die lange geplant, erst jetzt unter geänderten Vorbedingungen verwirklicht werden konnten. Ihnen gilt ein neuer Abschnitt.

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Hannsjörg Kowark DIE UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK AUF DEM WEG ZUR MASSENBENUTZUNG Der Ausleihbereich in den Jahren 1978 - 1990 Das Neubaukonzept der Freiburger Universitätsbibliothek wurde von der Zielsetzung bestimmt, die Bibliothek zu einem leistungsstarken Arbeitsund Informationsinstrument für Studenten, Hochschullehrer und Wissenschaftler zu machen. Dabei wollte man den Anforderungen einer Massenbenutzung, wie sie sich bereits seit Mitte der 70er Jahre durch stetig steigende Studenten- und Benutzungszahlen abzuzeichnen begann, auch in den kommenden Jahren ohne Serviceeinschränkungen gewachsen sein. Mehr noch, die Bibliothek sollte durch moderne Techniken und betriebswirtschaftlich orientierte Organisationsformen an Attraktivität gewinnen und dadurch zu einer optimierten Literaturversorgung der Universität beitragen. Durch die räumliche Situation des Altbaus mit seinen überfüllten Büchermagazinen und völlig ausgeschöpften Wachstums- und Nutzungsflächen, waren hier schon seit Jahren jeder Entwick­ lungsmöglichkeit engste Grenzen gesetzt. Als Forderungen für den Neubau standen deshalb im Vordergrund: -

Sanierung der Literaturversorgung schneller und unkomplizierter Zugriff auf häufig gebrauchte Buch­ bestände frei zugängliche Magazinbereiche Automatisierung der Ausleihe weitgehende Selbstbedienung kurze Verkehrswege kurze Wartezeiten rasche Informationsvermittlung

266 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Die Universitätsbibliothek sollte zu einer zentralen Arbeits- und Aus­ leihbibliothek der Universität sowie der Bevölkerung, Behörden und Industrie im südbadischen Raume werden. Daß der Ausleihbereich als Schnittstelle zur Öffentlichkeit zunächst im Vordergrund stehen mußte, liegt nahe. Überlegungen zu frei zugänglichen Büchermagazinen in Verbindung mit einer Automatisierung der Ausleihe wurden deshalb auch Priorität eingeräumt. Bereits 1975 konnte im Rahmen eines Pilotprojektes des Landes Baden-Württemberg mit der Entwicklung eines EDV-Systems begonnen werden. Die Abnahme des Gesamtsystems erfolgte im Herbst 1977, so daß bereits im April 1978 - sechs Monate vor Umzug in das neue Gebäude - testweise die Entleihungen aus der Freizeitbücherei (FZ) auf EDV umgestellt werden konnten. Im August 1978 folgte die Lehrbuchsammlung I (LB I). Mit Bezug des Neubaus im Oktober 1978 konnte für beide Buchbereiche der Vollbetrieb aufgenommen werden. In einer 2. und 3. Stufe sollten dann das Freihandmagazin sowie die Tiefmagazine folgen. Die Anbindung der Fernleihe an das Ausleihsystem war zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. Neubau, Freihandkonzept und Automatisierung des Ausleihbetriebes haben die Entwicklung der Bibliothek zu einem zentralen Dienstleistungsund Versorgungsbetrieb nachhaltig bestimmt. Diesen Weg, der auch ein Weg der Massenbenutzung ist - denn erst der Neubau schuf die dafür notwendigen räumlichen Voraussetzungen -, in den Bereichen Leihstelle, Magazine und Fernleihe nachzuzeichnen, soll Aufgabe dieses Beitrages sein. 1. Leihstelle Die Leihstelle begann im neuen Gebäude zunächst mit einem zweigeteilten Ausleihverfahren: -

konventionelle Ausleihe mit Leihschein für die Tiefmagazine und den noch nicht frei zugänglichen Freihandbereich. Online-Ausleihe über EDV für die Buchbereiche FZ und LB I (Geisteswissenschaften). 267

Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

Nach der EDV-Erfassung im Winter 1977/78 und entsprechenden Testläufen, z.T. auch mit Parallelverbuchungen (konventionell und EDV verbucht) im Sommer 1978, konnte mit Eröffnung des Neubaus für die ca. 30.000 Bände der FZ und LB I der Normalbetrieb der Online-Ausleihe Freiburg (OLAF) aufgenommen werden1. Beide Bestandsgruppen boten sich für die ersten Schritte mit OLAF I an, da sie einerseits überschaubar und zum anderen damals schon sehr ausleihintensiv waren. Bereits 1978 entfielen 70 % der gesamten Entleihungen der Universitätsbibliothek auf die Bereiche FZ und LB. Der Benutzer erreichte den »Selbstbedienungsbereich« über einen zentralen Zu- und Abgang mit Verbuchungsschalter (Schalter 1) im 2. OG. Dahinter lag die FZ und ein Stock tiefer die LB I (1. OG) mit sich anschließendem Freihandmagazin, das jedoch erst im September 1980 für die Benutzer geöffnet werden konnte. Bis dahin lief auch dort ein reiner Magazinbetrieb. Wie der Ausleihvorgang so war auch die Organisation der Leihstelle zweigeteilt. Im vorderen Bereich ein konventionell geführter Ausleihbetrieb mit ca. 21.000 Benutzerkonten in Karteiliften, wo nach wie vor die Hauptabschnitte der Leihscheine einsortiert werden mußten. Hinzu kam das routinemäßige Mahnen, wenn man Zeit dafür hatte, bzw. das sehr aufwendige Berücksichtigen von Vormerkungen. Auf der anderen Seite (Schalter 1 und 2) der automatisierte Aus­ leihbetrieb. Jeder neue Benutzer der Universitätsbibliothek erhielt am Schalter 2 einen maschinenlesbaren Plastikausweis, mit welchem die aus LB I und FZ entliehenen Bücher dann am Schalter 1 elektronisch verbucht werden konnten. Gleichzeitig stand dem Benutzer ein SelbstbedienungsTerminal zur Verfügung, wo außerhalb der Öffnungszeiten der Leihstelle und unabhängig vom Leihstellenpersonal Kontoauszüge gedruckt, Buch­ anfragen, Verlängerungen und Vormerkungen getätigt werden konnten. Auch wurden die nicht termingerecht zurückgegebenen oder nicht recht­ zeitig verlängerten Bücher aus FZ und LB I automatisch gemahnt. Obwohl die Öffnungszeiten der Leihstelle und des Freihandbereichs im Neubau nicht erweitert wurden2, stiegen die Benutzungszahlen sprunghaft in die Höhe. Der Neubau mit seinen großzügigen Lesesälen (ca. 800 1

1978 standen in der FZ ca. 6.000 Bände, in der LB I ca. 24.000 Bände.

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Arbeitsplätze), umfangreichen Präsenzbeständen (90.000 Bände) und modernen Arbeitsmöglichkeiten übte eine unerwartete Sogwirkung aus. Nach dem ersten Betriebsjahr im neuen Gebäude waren auf allen Ebenen der Benutzung Steigerungen zu verzeichnen: 13 % mehr Benutzer, 22 % mehr Entleihungen, 28 % mehr Benutzer in den Lesebereichen. Diesen erhöhten Anforderungen war das Personal nur bedingt gewachsen. Denn trotz Neubau war der Personalstand im Vergleich zum Altbau konstant geblieben. Die Leihstelle verfügte damals zusammen mit dem Mitarbeiter in der LB II über 12,75 Planstellen. Da mit neuen Planstellen kaum zu rechnen war, die Ausleihzahlen jedoch weiter anstiegen und aufgefangen werden mußten, blieb nur der Ausweg, die Automatisierung des Ausleihbe­ triebes weiter voranzutreiben. Ende 1979 waren nahezu alle Mitarbeiter der Leihstelle mit der Handhabung der EDV-Verbuchung vertraut gemacht und die übrigen Schalter sukzessive mit Bildschirmen und Strichcode-Lesern ausgerüstet worden. Ferner liefen die Vorbereitungen für die Öffnung des Freihandmagazins auf Hochtouren. Ca. 150.000 Bände mußten über die EDV erfaßt werden. Hauptsächlich Studenten waren bereits seit Herbst 1978 damit befaßt, diesen Bestand mit Verbuchungsetiketten auszustatten sowie Stand- und Buchnummern auf Listen festzuhalten. Die eigentliche Datenerfassung erfolgte dann über Lochkarten im Rechenzentrum. Im Sommer 1980 waren die Vorarbeiten abgeschlossen. Kurz vor Öffnung des Freihandmagazins am 8. September 1980 mußten noch alle mit Leihschein konventionell entliehenen Bände in die inzwischen für alle 26.321 Benutzer angelegten EDV-Konten überführt werden. Mit Hilfe der Leihstellenmitarbeiter konnten in einer Wochenendaktion ca. 15.000 Standnummern EDV-gerecht verbucht werden. Eine Woche früher (1.9.1980) war bereits die Lehrbuchsammlung II (LB II) in der Hermann-Herder-Straße (Institutsviertel) an die EDV-Verbuchung angeschlossen worden. Damit konnten jetzt ca. 200.000 Bände (FZ, LB I, LB II, FM) über die Selbstbedienungsausleihe entliehen werden. Die Zahl der Selbst­ bedienungsterminals wurde im Zuge der gestiegenen Anforderungen auf 2

Die Öffnungszeiten waren 1978 für Leihstelle, FZ und LB folgende: Mo, Mi, Fr 10.00-16.00 Uhr; Di, Do 10.00-18.00 Uhr.

269 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

vier erhöht. Ein studentischer Mitarbeiter betreute die Benutzer in den ersten drei Monaten stundenweise an den SB-Plätzen. Mögliche Ängste sollten abgebaut bzw. die Benutzer mit der neuen Technik vertraut gemacht werden. Denn nur ein hoher Prozentsatz vom Benutzer selbst durch­ geführter Vorgänge (Kontoanfrage, Buchanfrage, Vormerkung, Verlängerung) konnte dem Leihstellenpersonal Entlastung bringen. OLAF wurde von den Studenten sofort akzeptiert. Nach kurzer Zeit haben sich die Studenten nach dem »Schneeballprinzip« gegenseitig in die Benutzung von OLAF I eingewiesen. Aber auch für den Benutzer ergaben sich durch die Öffnung des Frei­ handmagazins mit dem ausleihintensiven Neuzugang seit 1968 eine Reihe von Serviceverbesserungen: -

kein Ausfüllen von Leihscheinen; Sofortzugriff auf gewünschte Bücher; Sofortentscheidung am Standort, ob Buch für Ausleihe nützlich; falls Buch entliehen, Sofortinformation über Dauer der laufenden Leihfrist; Möglichkeit, sofort selbst vorzumerken; Verlängerung am SB-Terminal unabhängig von Öffnungszeiten der Leihstelle.

Die Benutzungszahlen des Jahres 1981 bestätigten bereits die Richtigkeit des Freihandkonzeptes in vollem Umfange. Von ca. 800.000 Entleihungen insgesamt (Steigerung um 31 % gegenüber 1979) entfielen ca. 550.000 auf den gesamten Freihandbereich einschließlich LB/FZ. Gegenüber 1978 hatten sich die Ausleihzahlen nahezu verdoppelt. Trotz schrittweiser Einführung der EDV konnten diese Anforderungen nicht mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden. Die Leihstelle hat deshalb 2,5 Planstellen zusätzlich erhalten. Mit der Öffnung des Freihandmagazins für die Bibliotheksbenutzer war die 2. Stufe der Automatisierung erfolgreich abgeschlossen worden. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, daß bereits 1981 72 % aller Entleihungen auf den Freihandbereich entfielen.

270 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Der große Erfolg der Freihandausleihe, Personalknappheit in der Leihstelle und den Magazinen bei weiter steigenden Ausleihzahlen, die Wachstumsraten von bis zu 18,1 % pro Jahr erreichten, sowie Service­ verbesserungen für den Benutzer beschleunigten die Vorbereitungen zur 3. Stufe der Automatisierung. Durch Anbindung der Tiefmagazine an das Ausleihsystem sollte die Zweigleisigkeit des Ausleihbetriebes überwunden werden, was für Personal und Benutzer entscheidende Vorteile bot: -

kein Ausfüllen von Leihscheinen bei Bestellungen über OLAF; Sofortinformation über bereits verliehene Bücher; vereinfachte Vormerkmöglichkeit; nach Ersterfassung vereinfachter Absigniervorgang; automatisiertes Mahnverfahren; Automatisierung von Routinearbeiten.

Im April 1983 konnte die automatisierte Magazinausleihe in Betrieb genommen werden. Um den Erfassungsaufwand in Grenzen zu halten, konnten die Bestände der Tiefmagazine (ca. 1,7 Mio. Bände!) im Unterschied zum Freihandbereich nicht vorab erfaßt werden. Bücher aus den Tiefmagazinen werden bei der Erstentleihung im Zuge des automatisiertern Absigniervorganges mit Buchnummer und Standnummer EDV-gerecht erfaßt. Häufig benutzte Magazinbestände konnten bei diesem Verfahren schnell in das Ausleihsystem eingegeben werden. Bücher, die über Jahrzehnte unbenutzt in den Magazinregalen stehen, bleiben OLAF unbekannt. Unmittelbare Folge dieses Verfahrens war, daß 1983 nahezu jedes aus dem Tiefmagazin entleihbare Buch etikettiert und erfaßt werden mußte. Der Prozentsatz der Ersterfassungen sank in den Folgejahren durch »Wiederholungsausleihen« kontinuierlich3. Die Rate der Neuerfassungen aus den Tiefmagazinen betrug 1990 nur noch 15 %. Seit Beginn der Magazinausleihe sind damit bis zum 31.12.1990 503.392 Bände erfaßt worden, was ca. 20 % des Tiefmagazinbestandes ausmacht.

3

1983 : 87,5 % 1984 : 52 %

1986 : 31,5% 1988 : ca. 20 %

1990 : ca. 15 %

271 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

Die Einführung der Magazinausleihe bot dem Benutzer wesentliche Erleichterungen, brauchte er doch jetzt für Bestellungen über OLAF keine Leihscheine mehr ausfüllen4. Auch die Buchrückgabe konnte durch die »Stapelrückgabe« (Schalter 4) beschleunigt werden. Bücher konnten jetzt ohne Wartezeiten zurückgegeben werden. Ende 1983 folgte der Anschluß von OLAF I an das Datennetz der Universität mit ca. 400 Terminals im Institutsbereich. Für viele In­ stitutsangehörige wurde dadurch die Benutzung der Universitätsbibliothek einfacher, da sie Kontoanfragen, Verlängerungen, Vormerkungen etc. von ihrem Arbeitsplatz aus durchführen konnten. Diese Verbesserungen hatten die Ausleihzahlen noch einmal spürbar ansteigen lassen (14,1 %), so daß Ende des Jahres 1983 bereits die Millionengrenze überschritten wurde. Ausleihzahlen dieser Größenordnung brachten Mitarbeiter und Rechner an die Leistungsgrenzen. OLAF I war zeitweise völlig überlastet, was sich vor allem in schlechten Antwortzeiten bemerkbar machte und die Mitarbeiter in zusätzliche Streßsituationen brachte. Durch eine Systemänderung im September 1984 konnten die Aus­ leihfunktionen um ca. 10 % beschleunigt werden, was einen höheren Durchsatz ermöglichte. Denn kurze Antwortzeiten sind die Voraussetzung für einen optimalen Einsatz der vorhandenen Personalkapazität. Die hohen Ausleihzahlen und problemlose Anwendung der Selbstbedienungsausleihe - 75 % der Magazinbestellungen, Verlängerungen, Vormerkungen und Kontoauszügen wurden inzwischen vom Benutzer selbst durchgeführt machten eine Erweiterung der SB-Bildschirme auf 7 notwendig. Damit war die Leistungsgrenze von OLAF I erreicht, obwohl angesichts der hohen Benutzungsfrequenz weitere Terminals für Personal und Benutzer wün­ schenswert gewesen wären. 4

Benutzer, die sich der EDV-Geräte nicht bedienen wollten, hatten die Möglichkeit, Bücher über einen vereinfachten Leihschein (max. 5 Bücher) zu bestellen. Sie erhielten die gewünschten Bücher jedoch erst am nächsten Öffnungstag. Dadurch sollte der Benutzer mit "sanftem Druck" auf die Vorteile der EDV-Ausleihe hingewiesen werden. Die Bestellungen über Leihschein gingen in den letzten Jahren kontinuierlich zurück (noch ca. 10 %), müssen aber nach wie vor von den Mitarbeitern der Leihstelle in den Rechner eingegeben werden.

272 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Bevor OLAF I durch das Nachfolgesystem OLAF II abgelöst werden konnte, mußte noch in anderen Bereichen der Massenbenutzung Rechnung getragen werden. Ziel war stets aufwendige Routinevorgänge zu automatisieren um Personalkapazitäten für andere Tätigkeiten umzu­ schichten. Auf die Automatisierung der Fernleihe wird in diesem Zusammenhang an anderer Stelle eingegangen. Zu nennen ist jedoch im Mahngebührenbereich die über OLAF I automatisch erstellten Zahlungsaufforderungen und Gebührenrechnungen. Aber auch Raumprobleme entstanden. Seit Bezug des Neubaus mußte die Ablagefläche für bestellte und vorgemerkte Bücher verdoppelt werden (derzeit 396 Regalmeter). Dies ist nicht zuletzt auch auf die hohe Zahl der vorgemerkten Bücher (115.000 im Jahr 1990) zurückzuführen. Im Mai 1988 wurde OLAF I von OLAF II abgelöst, nachdem der alte Rechner den Anforderungen des Massenbetriebes nicht mehr genügte. Jährlich mußten jetzt ca. 1,4 Millionen Bände an ca. 35.000 Benutzer ausgeliehen5 bzw. ca. 60.000 Bände neu erfaßt werden6. Hinzu kam, daß die Rechnergeneration von OLAF I nicht mehr produziert wurde und Erweiterungen (Speicherkapazität, SB-Plätze etc.) nicht möglich waren. Eine zunehmende Störanfälligkeit im Bereich Massenspeicher, Drucker und Ausweisleser kam hinzu. Wie bereits bei OLAF I konnte der Programmteil von OLAF II in enger Kooperation zwischen EDV-Gruppe und Anwender entwikelt werden. Ziel war ausgehend von 10 Jahren Erfahrung mit OLAF I ein anwendungsorientiertes Ausleihsystem zu erhalten, das alle die in OLAF I nicht mehr realisierten Forderungen der Anwender berücksichtigte (Vollmaskendialoge, Namenssuche, Lesesaal-Ausweise, Paßwortkarte etc.). Neu war auch, daß es sich bei OLAF II nicht mehr um ein reines Ausleihsystem handelt, sondern um ein Bibliotheksinformationssystem mit Schnittstellen zur Informationsvermittlung, Erwerbung und 7 Katalogisierung . 5

6

7

An Spitzentagen wurden bis zu 8.000 Entleihungen, 8.500 Rückbuchungen und 10.000 Verlängerungen bearbeitet. Neuerwerbungen Lehrbuchsammlung, Freizeitbücherei, Freihandmagazin sowie Erstausleihen Tiefmagazin. Bis 31. 12. 1990 sind insgesamt ca. 915.401 Bände erfaßt worden. Auf OLAF II als Landesprojekt ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. dazu RUPPERT, H.-A.: Das lokale Bibliotheksinformationssystem OLAF II im Süd- westdeutschen

273 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

Der kompletten Hard- und Software-Umstellung waren umfangreiche Vorarbeiten vorausgegangen. Während des laufenden Semesterbetriebes mußten 35.000 Benutzerausweise ausgetauscht sowie 1,1 Mio. Datensätze in die neue Maschine übertragen werden. Ganz zu schweigen von der monatelangen Programmierarbeit der EDV-Abteilung. Nach einer einwöchigen Schließung des Ausleihbereiches konnte im Mai 1988 der Betrieb mit OLAF II aufgenommen werden. Da die bewährte Dialogstruktur von OLAF I beibehalten wurde, gab es bei der Dialogführung von Benutzer und Mitarbeiter keinerlei Probleme. Anfangsschwierigkeiten entstanden hingegen durch das schlechte Ant­ wortzeitenverhalten, Instabilität der Maschine und anfangs noch einge­ schränkte Funktionalität. Dank der Unterstützung der EDV-Abteilung, des unermüdlichen Einsatzes der Mitarbeiter sowie der Geduld und des Verständnisses der Benutzer konnten diese Probleme in den Folgemonaten weitgehend behoben werden. Der Rechner läuft sehr stabil und dem Benutzer stehen in der Universitätsbibliothek und LB II insgesamt 12 Bildschirmarbeitsplätze zur Verfügung. Hinzu kommt, daß das Ausleihsystem inzwischen für Benutzer wie Mitarbeiter einen hohen Standard an Komfort bietet. Obwohl OLAF II bei extremer Auslastung, was leider nicht selten vorkommt, mit verlangsamten Antwortzeiten reagiert, konnten die Büchermassen (1,5 Mio. 1990) bislang immer noch bewältigt werden. Massenbenutzung bringt jedoch auch Nachteile mit sich, wie der Mißbrauch von Benutzerausweisen in einigen wenigen Fällen zeigt, der den einzelnen Benutzer Tausende von DM kosten kann. Zur besseren Absicherung des Benutzers bietet die Universitätsbibliothek seit 1990

Bibliotheksverbund (SWB-Verbund). In: ABI-Technik 6 (1986), S. 129-132.

274 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

zusätzlich eine Paßwortkarte mit Geheimzahl an8. Nur wenn beide Karten vorliegen, können Bücher entliehen werden. Die zunehmende Benutzung der Bibliothek machte auch eine Erwei­ terung der Öffnungszeiten notwendig. Aufgrund der angespannten allgemeinen Personallage bei Bezug des Neubaus waren die Öffnungszeiten im Ausleihbereich zunächst unverändert geblieben. Erst durch zusätzliche Landesmittel konnte die Leihstelle mit Freihandbereich täglich eine Stunde früher geöffnet werden, um den Stoßbetrieb während der ersten beiden Öffnungsstunden zu entzerren. Hinzu kam die Öffnung am Samstag von 9.00 - 13.00 Uhr, so daß der Ausleihbetrieb jetzt 43 Stunden in der Woche geöffnet ist. Abgesehen von der Verbesserung für den Benutzer erhofft man sich durch eine Entzerrung des Leistungsvolumens auch eine Minderung des Thekenstresses. Bislang ist davon nur wenig zu spüren. Das Ausleihvolumen steigt nach wie vor um ca. 5 % pro Jahr. Konstant geblieben ist hingegen die Zahl der aktiven Benutzer mit ca. 35.000. 2. Magazine 2.1 Freihandmagazin Bei der Neubauplanung war man von Anfang an von einem frei zu­ gänglichen Flächenmagazin ausgegangen. Benutzungsintensive Teilbe­ stände sollten ohne größeren Verwaltungsaufwand näher an den Leser herangebracht werden. Da eine feingliedrige systematische Aufstellung eine optimale Nutzung der Raumreserven nicht zuließ, das zusätzliche Systematisieren und spätere Ausgliedern von ganzen Bestandsblöcken als zu aufwendig eingeschätzt wurde, entschied man sich für eine Aufstellung 8

Nach einer Prüfung des Ausleihsystems durch den Landesbeauftragten für Datenschutz im Jahre 1984 war bereits ein Paßwort mit Eingabe in Dunkelsteuerung eingeführt worden. Letzteres bot jedoch bei Mißbrauch des Benutzerausweises nur bei Entleihungen aus den Tiefmagazinen eine zusätzliche Sicherheit. Weitere Auflagen der Datenschützer wurden bei der Entwicklung von OLAF II berücksichtigt. Vgl. dazu RUPPERT, H.-A.: Datenschutz bei automatisierten Ausleihverfahren. Ergebnis der Prüfungen der Datenschutzbehörden in Baden-Württemberg. In: ZfBB 32 (1985), S. 471 - 477.

275 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

in vier Blöcken (GE, SW, MD, NA) mit Jahresringen und Numerus Currens. Mit dem Benutzer als Magaziner, unterstützt durch die Ausleihverbuchung, hoffte man, der wachsenden Flut von Leihscheinen auch in Zukunft Herr werden zu können. Nach vorsichtigen Schätzungen rechnete man damit, daß ca. 75 % aller Entleihungen auf den frei zugänglichen Bereich entfallen würden. Die vergangenen 10 Betriebsjahre haben diese Erwartung voll bestätigt. Bereits ein Jahr nach Umzug in den Neubau mußte man feststellen, daß der Stellraum bis zur voraussichtlichen Freigabe der Verfügungsfläche in den 90er Jahren9 nicht ausreichen wird. Der Neuzugang in das Freihandmagazin mußte deshalb reduziert bzw. durch kompaktere Aufstellung mehr Stellraum gewonnen werden. Für Beginn 1979 sind folgende Maßnahmen beschlossen worden: -

-

nicht mehr im Freihandmagazin aufgestellt werden: - Quart- und Folioformate - Geschenk- und Tauschexemplare - fremdsprachige Literatur mit Ausnahme Englisch, Französisch und Latein - Literatur mit Erscheinungsjahr älter als 5 Jahre, Reprints Vergabe von Grundsignaturen für Sonderstandorte nur noch aus Standnummernbereichen des Tiefmagazins Einzug eines 7. Fachbodens für den Neuzugang ab 1979 ff.

Durch diese Zugangsbeschränkungen sank der jährliche Neuzugang bis auf ca. 10.000 Bände pro Jahr ab (1982), um dann wieder kontinuierlich anzusteigen. Im Jahre 1985 wurden zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um die benutzerfreundliche und personalsparende Freihandaufstellung noch wenigstens bis Anfang der 90er Jahre ohne Absenkung von einzelnen Jahresringen in die Tiefmagazine sicherzustellen: 9

Rechte Hälfte des 1. OG derzeit belegt mit Übungsräumen der Universität. Bei Bedarf sollten diese Flächen zur Erweiterung des Freihandmagazins der Universitätsbibliothek wieder zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der akuten Raumnot im Universitätszentrum ist damit in diesem Jahrzehnt wohl nicht mehr zu rechnen.

276 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

-

Abbau von Lesetischen bzw. Aufgabe von Verkehrsflächen zur Aufstellung weiterer Regale Trennung der Formate Oktav und Quart bei den Jahresringen 1968-1978 Einziehen eines 7. Fachbodens im Bereich 1968-1978 Durchschieben des Gesamtbestandes

Nach einjähriger Dauer konnte die Aktion im September 1986 abge­ schlossen werden. Insgesamt konnten dadurch 2.112 zusätzliche Stellmeter gewonnen werden. Inzwischen hat der Neuzugang wieder die Größenordnung von 1978 erreicht. Die Aufstellungsreserve betrug am 31.12.1990 noch ca. 1.100 Meter, so daß bei einem Ansatz von ca. 315 Metern pro Jahr, die Stellplatzreserven Ende 1993 erschöpft sind. Da die Verfügungsfläche für eine Erweiterung des Freihandmagazins nicht genutzt werden kann, wird man mindestens die Jahresringe 1968 - 1971 in das Tiefmagazin (U2) absenken müssen. Dies kann man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre nur bedauern, da es kaum eine kompaktere, benutzerfreundlichere und personalsparendere Aufstellungsart gibt10. Vor allem letzteres sollte zu denken geben. Immerhin werden nahezu 80 % der Gesamtausleihe mit 2,5 Magazinern im Freihandbereich bewältigt, während in den Tiefmagazinen für 20 % Entleihungen 7 Magaziner benötigt werden. Auch frühere Befürchtungen, daß die Benutzer im Freihandbereich ein Chaos anrichten, haben sich nicht bewahrheitet11.

10

11

Ende 1990 waren in der Universitätsbibliotehk Freiburg zusammen mit den Lesesälen und dem bibliographischen Bereich insgesamt 564.354 Bände frei zugänglich aufgestellt. Das Revisionsergebnis Ende 1981 - 1 Jahr nach Öffnung des Freihandmagazins - war äußerst postiv. Vgl. INFORMATIONEN 10 (1982), S. 10-12. Interessant wäre sicherlich eine weitere Revision nach nunmehr 10 Betriebsjahren.

277 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

2.2 Tiefmagazine In den Tiefmagazinen der Universitätsbibliothek werden derzeit ca. 1,8 Mio. Bände magaziniert. Der systematisch aufgestellte Altbestand bis 1968 befindet sich im 2. Untergeschoß (U2) der Bibliothek, der gesamte Neuzugang, der nicht im Freihandmagazin aufgestellt werden kann, im 3. Untergeschoß (U3). Das Ziel im neuen Gebäude, aus den Tiefmagazinen jedes Buch innerhalb von 30 Minuten in die Leihstelle zu befördern, hatte sich bei der aufgrund der langen Verkehrswege in den Magazinen sowie der Bestellmengen in Stoßzeiten mit dem vorhandenen Personal nicht realisieren lassen. Heute erhält der Benutzer Bücher aus dem Tiefmagazin nach ca. 2 Stunden. Nach bisherigen Erfahrungen scheint der Benutzer feste Abholzeiten zu bevorzugen, statt 20 - 30 Minuten vor der Leihstelle warten zu müssen. Abgesehen davon führt häufiges Nachfragen an den Abholschaltern zu einem erhöhten Laufpensum des Leihstellenpersonals. 2.2.1 U2 24.588 Regalmeter sind im U2 bereits durch den Altbestand vor 1968 belegt. Die gesamte Südostecke mit 8.772 Regalmetern ist derzeit als Reserve für das Freihandmagazin noch frei. Dieser Bereich wird jedoch seit Jahren zur Bearbeitung von Institutsrücklauf genutzt. Voraussichtlich werden ab 1994 hier die ersten Jahresringe aus dem Freihandmagazin aufgestellt werden müssen. Letztere sollten zunächst in den noch freien Innenzonen aufgestellt werden. Denn die Nähe zum Magazinerplatz ist bei noch relativ stark benutzter Literatur wichtig. Da das gesamte U2 von der Statik her gesehen für den Einbau von Fahrregalanlagen geeignet ist, sollten Fahrregalanlagen rechtzeitig in die noch freien Flächen eingebaut werden, um den Aufwand mit Bücherumsetzungen so niedrig wie möglich zu halten. Dies ist umso wichtiger, da im U2 im Unterschied zum U3 noch keinerlei Schienen für Fahrregalanlagen verlegt sind. Falls das gesamte Geschoß mit Fahrregalen ausgerüstet wird, ergibt sich eine Stellplatzerweiterung um 17.232 Meter. Die Benutzung von Foliobeständen ist seit Bezug des Neubaus auf das U2 verlagert, da sich Foliobestände über die Transportanlage (Telelift) 278 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

nicht in die Lesesäle verschicken lassen. 1988 wurde die gesamte Kartensammlung aus dem Freihandbereich in das U2 abgesenkt, um im Freihandmagazin weitere Regale aufstellen zu können. Die Benutzung der Kartenbestände ist seither ebenfalls auf das U2 beschränkt. Durch die Mikroverfilmung nahezu aller wichtiger Tageszeitungen ist die Foliobenutzung im U2 deutlich zurückgegangen12. Gleichwohl wird dadurch nach wie vor Personalkapazität gebunden. Das Magazingeschoß wird z. Zt. von vier Mitarbeitern betreut. 2.2.2 U3 Das U3 mit einigen wenigen Signaturgruppen Altbestand und 16 Stand­ nummern, die auf Zuwachs ausgelegt sind, verfügt über eine Stell­ raumkapazität von insgesamt 38.880 Metern. Durch den Einzug des Universitäts-Archivs im Jahre 1980 sind ca. 5.000 Regalmeter weggefallen. Derzeit beträgt der freie Stellraum noch ca. 8.000 Meter, was einem Zuwachs von ca. 8 Jahren entspricht. Durch die Ausstattung des gesamten Geschosses mit Fahrregalanlagen kann der Stellraum noch einmal um 10.248 Meter erweitert werden. Da im U3 schon Schienen verlegt sind, sollte dieses Tiefmagazin ab 1991/92 kontinuierlich und konsequent mit Fahrregalen ausgestattet werden. Wie im U2 sollten dafür die derzeit noch nicht belegten Regalflächen genutzt werden. Die erste Fahrregalanlage ist bereits für den Doppelhaushalt 1991/92 bewilligt. Ausgehend von einem Jahreszuwachs von ca. 45.000 Einheiten im U3 dürfte der Stellplatz bei Endausbau mit Fahrregalanlagen bis in die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts reichen. Durch den Neuzugang im U3 werden in diesem Bereich die Anfor­ derungen auch künftig steigen. Derzeit wird das Magazin noch von drei Mitarbeitern bewältigt. Durch eine verbesserte Aufstellung der Kapselschriften sowie einer Verlagerung häufig benutzter Mikroformen in die Lesesäle sowie die Erledigung der Tresorbestellungen durch eine Mitarbeiterin der Leihstelle, konnte eine temporäre Entlastung erzielt werden.

12

Die Foliobenutzung ist von ca. 1.500 Benutzern pro Jahr auf ca. 900 zurückgegangen.

279 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

Abgesehen davon sind die Magazinbestellungen im Vergleich zum Freihandmagazin in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben. 3. Fernleihe Nach Abschluß der Magazinausleihe wurde in den Jahren 1984/85 die gesamte Fernleihe automatisiert. Die Dienststelle Fernleihe ist einer der wenigen Arbeitsbereiche, die sich aufgrund ihrer zahlreichen Karteien und Vielzahl manueller Sortiervorgänge geradezu für eine Automatisierung anbietet. Bereits im August 1984 ist die Aktive Fernleihe auf EDV umgestellt worden. Leihfristen, Ausleihbeschränkungen, ggf. Gebühren sowie Mahnungen wurden jetzt von OLAF I verwaltet und überwacht. Ab Dezember 1984 konnten dann auch die Begleitschreiben automatisch erstellt werden. Im Januar 1985 folgte die Umstellung der Passiven Fernleihe. Dies war auch mit Veränderungen für den Benutzer verbunden, der seine Bestellungen nun selbst mit Schreibmaschine ausfüllen mußte. Durch Verknüpfung der maschinenlesbaren Bestellnummer mit der Kontonummer des Benutzers erscheinen die Fernleihbestellungen seither auch auf den Kontoauszügen. Nach einer sechsmonatigen Umstellungsphase konnten sämtliche Karteien der Dienststelle aufgegeben werden. Alle Daten des Aktiven wie Passiven Leihverkehrs wurden nunmehr im EDV-System gespeichert. Nur die Benutzer verfügen noch über eine Kartei ihrer Bestelldurchschläge. Die vollständige Umstellung der Fernleihe auf EDV ist von Benutzern wie Mitarbeitern problemlos angenommen worden13. Durch die veränderten Arbeitsabläufe ergab sich für den Benutzer eine Beschleunigung seiner Bestellungen von 1 bis 2 Tagen, für den Mitarbeiter ein bequemeres Arbeiten, da alle als unangenehm empfundenen Schreibund Sortierarbeiten weggefallen sind. Durch die Automatisierung von Routinearbeiten ist 1985 eine ganze Planstelle von der Fernleihe in die 13

Vgl. die detaillierte Beschreibung der automatisierten Fernleihe von Vladislav KRTILKEIENBURG: OLAF und die Fernleihe. In: INFORMATIONEN 21 (1984), S. 23-24 und DERS.: Umstellung der passiven Fernleihe (gebenden Fernleihe) auf EDV : Die Erfahrungen des ersten Jahres. In: INFORMATIONEN 28 (1986), S. 179.

280 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Leihstelle umgeschichtet worden. Im Jahre 1990 wurden von 2,5 Mitarbeitern 36.103 Aktiv- und 35.419 Passiv-Leihverkehrsbestellungen bearbeitet. Bei der Umstellung auf OLAF II im Mai 1988 gab es auch bei der Fernleihe funktionelle Einschränkungen. Begleitschreiben mußten beispielsweise wieder manuell erstellt werden. Nach einigen Monaten eingeschränkten Betriebes stand jedoch die gewohnte Funktionalität wieder zur Verfügung. Der auswärtige Leihverkehr hat ähnlich wie in den übrigen Benutzungsbereichen in den vergangenen 10 Jahren eine erhebliche Zunahme erfahren. Die Bestellungen im Aktiven Leihverkehr stiegen gegenüber 1979 um ca. 27 %, im Passiven sogar um 40 %. Auffallend ist die Entwicklung beim Passiven Leihverkehr, wo inzwischen 18 % mehr Bände und Kopien bei auswärtigen Bibliotheken bestellt werden. Noch bis zum Jahre 1988 hatte die Aktive Fernleihe stets das Übergewicht. Allerdings handelt es sich bei über 50 % der auswärts bestellten Titel um Zeitschriftenaufsätze aus dem medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Diese Entwicklung ist im Zusammenhang mit den vermehrten Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbanken zu sehen. Denn der Benutzer erhält auf einem immer schnelleren und komfortableren Wege eine Vielzahl von Titeln angeboten, die dann auch benutzt werden wollen. Inwieweit dieser Trend durch das CD-ROM-Angebot noch verstärkt wird, bleibt abzuwarten. 4. Ausblick Will man die Aufgaben und Perspektiven des Ausleihbereiches in den kommenden Jahren kurz umreißen, so ergeben sich für die einzelnen Bereiche folgende Zielvorstellungen: Leihstelle und Fernleihe verfügen über ein langjährig im Massenbetrieb erprobtes Ausleihsystem mit hohem Komfort und Funktionalität. Dieser Standard muß auch in Zukunft erhalten bleiben. Bei nach wie vor steigenden Ausleihzahlen wird man vor allem auf kurze Antwortzeiten Wert legen müssen, um das zur Verfügung stehende Personal optimal einsetzen zu können. 281 Die Universitätsbibliothek auf dem Weg zur Massenbenutzung

Die noch aus dem Jahre 1972 stammende Benutzungsordn ung wird unter Berücksichtigung der Ausleihverbuchung neu gefaßt werden müssen. Durch Kopplung des sich in Entwicklung befindenden Online-Benut­ zerkataloges (OPAC) mit dem Ausleihsystem werden weitere Serviceverbesserungen für den Benutzer erreicht werden. Dies gilt in glei­ cher Weise für die geplante Vernetzung der Fernleihstellen innerhalb der OLAF-Bibliotheken. Der Freihandbereich hat sich als überaus benutzerfreundlich und personalsparend erwiesen, so daß eine Absenkung einzelner Be­ standsgruppen in die Tiefmagazine so spät als möglich erfolgen sollte. Die Tiefmagazine sind sukzessive mit Fahrregalanlagen auszustatten, um einerseits die vorhandenen Raumreserven zu nutzen und um andererseits den Einbau in die derzeit noch unbelegten Magazinflächen ohne größeren Aufwand zu ermöglichen. Mit einem leistungsfähigen EDV-System, großen Freihandbeständen und schnellem Zugriff auf Information und Literatur wird die Bibliothek auch den künftigen Anforderungen des Massenbetriebes gewachsen sein.

282 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Jutta Amedick SPIELWIESE: VON DER AL ZUR FZ (Akademische Lesehalle, Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung, Freizeitbücherei) »Das ist die Spielwiese vom Chef,« hörte ich bei meiner ersten Begegnung mit der »Akademischen Lesehalle«. - Von der Entwicklung dieses Bereichs seit 1967 - dem Aufbau der Lehrbuchsammlung, der Umwandlung der Akademischen Lesehalle in die heutige Freizeitbücherei und schließlich beider Integrierung in die neue Universitätsbibliothek soll hier die Rede sein1. Zugleich ist es ein leicht nostalgischer Rückblick auf die Jugendjahre der Bibliothek unter neuer Leitung - mit ihren zahlreichen Gehversuchen, nicht wenigen Irrwegen und schließlich in vieler Hinsicht der Entwicklung zu einer »besseren« Bibliothek. 1. Die »Akademische Lesehalle« (1964-1967) 1.1 Vorläufer Schon die Namensgebung weist auf eine Entstehungszeit zu Anfang des Jahrhunderts hin. Der Begriff »Lesehalle« findet sich zum erstenmal im Freiburger Vorlesungsverzeichnis für das WS 1903/04; sie wird dort, mit der neuen Adresse der Universitätsbibliothek, Rempartstr. 15, neben der Universitätsbibliothek (= Ausleihbetrieb) und dem »Lesezimmer« (= Lese­ saal der Universitätsbibliothek) genannt2. 1929 scheint die Lesehalle ins 1

2

Über die Lehrbuchsammlung wurde in den INFORMATIONEN 12 (1982), S. 7-12 schon einmal berichtet. Vgl. Ankündigung der Vorlesungen der Großherzoglich Badischen Albert-LudwigsUniversität zu Freiburg im Breisgau. WS 1903/04: »Die Lesehalle ist vorläufig geöffnet: werktäglich von 8 - 1 und 2 1/2 - 8 Uhr (Samstags nur bis 6 Uhr abends), an Sonn- und Feiertagen von 9 - 1 Uhr.«

283 Spielwiese: Von der AL zur FZ

Kollegiengebäude (heute KG I) verlegt worden zu sein3, und daran änderte sich bis zum 2. Weltkrieg auch nichts mehr. Aus dem Jahr 1935 liegt ein gedrucktes Verzeichnis des Bestandes vor4; auf 38 Seiten werden in kürzester Form nach Verfassern ca. 1100 Buchtitel aufgelistet5. Laut Vorwort befand sich die »Akademische Lesehalle« zu diesem Zeitpunkt im 1. OG »der Universität«, also im jetzigen KG I, enthielt außer den Büchern ca. 400 Zeitschriften und Zeitungen und war Mo - Fr von 9 - 20 Uhr, Sa von 9 - 18 Uhr geöffnet. Die Bücher waren gegen Bestellung ausleihbar, also waren sie offenbar nicht frei zugänglich aufgestellt (?). Über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg liegen mir keine Unterlagen vor; offenbar hat es in den Jahren bis zum Aufbau der neuen »Akademischen Lesehalle« noch einen Buchbestand mit dieser Bezeich­ nung gegeben, der in Ausweichräumen6 gelagert war. Bücher für diesen Bestand wurden wohl, wenn auch in geringem Umfang, laufend ange­ schafft; Stichproben in der heutigen Freizeitbücherei (in der sich natürlich nur noch Bruchteile des damaligen Bestandes finden lassen) ergaben als ältestes auffindbares Buch einen Titel von Werfel von 1948; Zugangsnum­ mern ab dem Jahr 1958 sind vereinzelt zu finden; allerdings hat ein er­ heblicher Teil des älteren Bestandes überhaupt keine Zugangsnummern. 3

4

5

6

Vgl. Amtliches Einwohnerbuch der Stadt Freiburg im Breisgau für das Jahr 1929/30. Freiburg 1930. Vgl. Bücherverzeichnis : Akad. Lesehalle / Universität Freiburg im Breisgau. - [1935] Standnummer: UB Freiburg A 3612,d. Der Buchbestand läßt - außer entschieden »braunem« Einschlag - keine Linie der Bestandsauswahl erkennen. Neben Trivial- und Tagesliteratur sowie Propa­ gandaschriften findet sich eine eher kärgliche Auswahl an Weltliteratur in deutscher Übersetzung. Stark vertreten sind die skandinavischen Autoren, deutsche »Klassiker« fehlen dagegen gänzlich. Vgl. ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG IM BREISGAU: Personen- und Vor­ lesungsverzeichnis. WS 1947/48 u. öfter: Eintragung »Akademische Lesehalle«: »Bücher und Zeitschriften der Lesehalle sind z. Zt. in der Quäkerbaracke aufgestellt und können dort von den Studierenden ohne weiteres benutzt werden.« Ab SS 1958: »Bücher stehen z. Zt. im Albert-Schweitzer-Haus. Zeitschriften werden bis auf weiteres im neuen Zeitschriftenzimmer der Universitätsbibliothek ausgelegt.«

284 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Auch diente zeitweise ein Bestand von - nach Schätzungen älterer Kol­ legen - ca. 300 Bänden vermutlich aus diesem Bereich (?) als eine Art Betriebsbücherei; diese Bücher waren im Bereich der Verwaltung aufgestellt und konnten von den Mitarbeitern der Universitätsbibliothek entliehen werden. 1.2 Aufbau der neuen Akademischen Lesehalle (1961-1964) 1961 scheint die Planung für eine öffentliche Aufstellung des Bestandes in ein konkretes Stadium getreten zu sein, wohl im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Kollegiengebäudes II. Eine Stelle für die Betreuung wurde besetzt, und in den nächsten Jahren wurden die vorhandenen und noch verwendbaren Bücher gesichtet, vor allem aber in größerem Umfang Bücher angeschafft, Zeitungen und Zeitschriften ausgewählt und die Aufstellung vorbereitet. Bei der Auswahl der Titel orientierte man sich an einer kurz zuvor erschienenen Literaturzusammenstellung zu dem »Modell einer Bildungsbücherei«7: »Bestand der AL und Beschaffung der Literatur 1. Bücher Gemäß den Empfehlungen des Wissenschaftsrates... orientiert sich die Bücherauswahl für die AL an der »Bibliographie einer Bildungsbücherei«, die Wolfgang Kehr auf Anregung der Thyssenstiftung zusammengestellt hat und zu der laufende Ergänzungen zu erwarten sind. Das Schwergewicht der bisherigen Sammlung liegt auf der neueren Lieteratur [sic] (im sog. schöngeistigen Sinne). Erst die Festlegung eines Etats in angemessener Höhe wird die Möglichkeit geben, auch gemeinverständliche Literatur aus den Fachwissenschaften anzuschaffen. Vorhanden ist ein Bestand von ca. [!] Bänden, deren Auswahl in innerer und z.T. genauer Übereinstimmung mit dem genannten Verzeichnis von Kehr sich befindet«8. 7

8

Vgl. Wolfgang KEHR: Bibliographie zu einer Bildungsbücherei / im Auftr. der Fritz Thyssen Stiftung zus.gest. - Köln, 1962. - 133 S. 4 [maschinenschriftlich, vervielf.]. Dass., - mit Nachtr. April 1963. - 1963 Aus einer maschinengeschriebenen, nicht unterzeichneten Zusammenfassung über den Stand der AL vom März 1964.

285 Spielwiese: Von der AL zur FZ

Leider bleibt bei der Mengenangabe eine Lücke, es dürfte sich zu dieser Zeit aber um ca. 2.000 Bände gehandelt haben. Wie bei der »alten« Akade­ mischen Lesehalle lag das Schwergewicht bei den Zeitungen und Zeitschriften. 1.3 Eröffnung der Akademischen Lesehalle im KG II (1964) 1964 wurde endlich der Weg frei für eine öffentlich zugängliche Aufstellung. Ein großer, heller9, gut zugänglicher Raum im Erdgeschoß des KG II, direkt an Treppe und Fahrstühlen gelegen, war nicht ganz ohne Widerstände für die neue Akademische Lesehalle erobert worden. Die ca. 2000 Bände - ausschließlich deutschsprachig oder in deutscher Übersetzung - wurden zusammen mit einer beträchtlichen Zahl überwiegend deutsch­ sprachiger Zeitschriften und Tageszeitungen in dem mit Sesseln (den damals bei Architekten so beliebten Drahtkonstruktionen) und niedrigen Tischen ausgestatteten Raum aufgestellt, und am 1. Juni 1964 wurde die »Akademische Lesehalle« als Präsenzbibliothek für die Studenten der Universität eröffnet.

9

So hell scheint der Raum trotz einer ganzen Fensterwand dann doch nicht gewesen zu sein; eine Korrespondenz mit dem Bauamt wegen besserer Ausleuchtung des Raums folgte bald, und 1967 gehörte ein entsprechender Klagebrief mit zum ersten, womit der neue Direktor in diesem Zusammmenhang konfrontiert wurde. Auch die Belüftung eines so großen ebenerdigen Raumes, dessen Türen zum Innenhof natürlich nicht geöffnet werden konnten, weshalb sich die ganze Lüftung auf die Oberlichter und Lüftungsschlitze beschränkte, war nicht zufriedenstellend zu lösen. Später erlag das Dach der Kinderkrankheit aller Flachdächer und wurde undicht, und zeitweise mußten die Bücher unter den zum Schutz ausgebreiteten durchsichtigen Planen herausgefischt und auch wieder eingestellt werden.

286 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

1.4 Die Akademische Lesehalle 1964 - 1967 1.4.1 Die Akademische Lesehalle wurde zwar von der Universitäts­ bibliothek verwaltet10, verfügte aber lange Zeit über einen eigenen Etat (aus dem »Bücherpfennig« der Studenten); die Beschaffung der Bücher, aber nicht die Inventarisierung (?) lief später allerdings über die Universitätsbibliothek. Die Zeitungen wurden größtenteils auf Anforderung als Geschenke geliefert, ebenso ein Teil der Zeitschriften, und auch bei den Büchern lehnte man Geschenke nicht ab. 1.4.2 Ein Relikt aus damals eigentlich schon vergangenen Tagen war das Bestreben, den »Clubcharakter« des Leseraums und damit eine dem Lesen förderliche Atmosphäre zu erhalten; daher waren nicht nur die Regale aus Holz und die Sitzgelegenheiten gefällig und bequem (soweit die Mittel das zuließen); es wurde auch auf jede äußere Kennzeichnung der Bücher (durch Signaturschilder oder sonstiges Bekleben) verzichtet, um den äußeren An­ schein einer Privatbibliothek zu erhalten. Die Signaturen waren zwar im Buchinneren eingetragen (im hinteren Innendeckel), die Bücher waren innen auch mit Besitzstempeln versehen, von außen aber nicht als Bibliotheksbücher zu erkennen, zumal auch die Schutzumschläge nach Möglichkeit erhalten blieben. Schon bald wurde das aber als nicht mehr haltbar empfunden; eine Aktennotiz (undatiert wie nahezu alle Unterlagen, dem Inhalt nach aber von Ende 1964) sieht vor, die Beschriftung der Bücher in den nächsten Ferien einzuplanen: »Mit der steigenden Zahl der Benutzer wird die signaturlose Aufstellung der Bücher problematisch. In den Semesterferien sollten doch die Standnummern auch äußerlich an den Büchern angebracht werden. Es wäre gut, wenn zusätzlich alle gebundenen Bände mit einer Folie versehen werden könnten.« Beides geschah zunächst nicht. 1.4.3 Die Benutzung erfolgte gegen Abgabe des (gebührenpflichtigen) 10

»Verwaltet wird die AL von der Universitätsbibliothek. Deren Direktor ist zugleich Leiter der AL.« (aus einer maschinenschriftlichen, leider auch nicht datierten und nicht unterschriebenen Beschreibung der »AL« in den Unterlagen, vermutlich von 1965).

287 Spielwiese: Von der AL zur FZ

Benutzerausweises der Universitätsbibliothek bzw. des mit Semesterstempel versehenen Studentenausweises. (Es gab ja, auch in der Universitätsbibliothek, noch Monats- und Jahreskarten!) Über die - nicht sehr zahlreichen - Benutzer wurde nach Fakultäten getrennt Statistik geführt. Die Lesehalle war Präsenzbibliothek; als Ausnahme konnten Bücher über Nacht oder übers Wochenende entliehen werden. Nur mit Schwierigkeiten war dagegen der Inhalt des »Giftschranks« zugänglich, für dessen Benutzung die Genehmigung des Abteilungsleiters (in der Universitätsbibliothek) eingeholt werden mußte. Natürlich war das Angebot an Tageszeitungen auch für Nicht-Studenten anziehend; Ausnahmegenehmigungen für die Benutzung wurden an Außenstehende auf schriftlichen Antrag auch erteilt. Nicht immer ging es friedlich zu in diesem edlen Ambiente: auch hochgesteckte Bildungsziele und die Beschränkung der Benutzung auf Studenten der Universität verhinderten gelegentlich nicht, daß auch einmal der aufsichtführende Mitarbeiter tätlich angegriffen wurde; der Hausmeister oder sogar die Polizei mußten gerufen werden. Die Öffnungszeiten (für das SS 1964 nicht bekannt) wurden auf Grund von Beschwerden aus der Universität schon zum WS 1964/65 erweitert, so daß die Lesehalle Montag - Freitag von 10 (teilweise 9.30) bis 21 Uhr, Samstag von 9 - 13 Uhr geöffnet war. (Die erweiterten Öffnungszeiten wur­ den mit Hilfe von Studenten möglich, zum Stundenlohn von DM 2.50.) 1965 wurde eine feste Stelle für den »zweiten Mann« eingerichtet, so daß die langen Öffnungszeiten mit festem Personal durchzuhalten waren. 1967 scheint die Akademische Lesehalle im Semester bis 20.30 Uhr geöffnet gewesen zu sein, in den Semesterferien bis 19 Uhr (die minutiösen Dienst­ pläne sind leider nie mit Datum versehen und nur auf Grund der hand­ schriftlichen Bemerkungen oder der genannten Mitarbeiter zeitlich in etwa einzuordnen). 1.4.4 Für die Systematik war man, wie oben erwähnt, der zugrundegeleg­ ten Bibliographie gefolgt, d. h., man hatte die Gliederung einer gedruckten Literaturzusammenstellung fast unverändert auf ein Aufstellungsschema für einen - zudem sehr viel kleineren - Bestand übertragen. »Aufgestellt werden die Bücher nach Fach- bzw. Sachgruppen, in ausreichender Unter­ gliederung ohne allzugroße Detaillierung, so daß eine Orientierung vor dem 288 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Regal auf Anhieb möglich ist. Als Gliederungsschema empfiehlt sich die von Kehr in seiner Bibliographie benutz[t]e Einteilung. Die dort bestehenden 16 Gruppen sind durch Großbuchstaben zu kennzeichnen... Zur Bezeichnung der Untergruppen treten arab. Ziffern neben die Groß­ buchstaben. In keiner Gruppe wird hier über die Einstelligkeit hinausgegan­ gen werden müssen. Die Individualnummer des Buches -[!] die aus Kontrollgründen gegeben werden muß, ergibt sich aus der Hinzufügung einer weiteren Ziffer unter dem Bruchstrich..., die ein- bis vierstellig sein kann. Innerhalb der Untergruppen wird alphabetisch nach Autoren geord­ net. Eine Trennung der Formate ist bei dem vorhandenen Bestand unnötig«11. Die Signaturen bestanden also aus den Buchstaben A - X, innerhalb der Buchstaben gegliedert mit Zahlen von 1 bis maximal 9; innerhalb der kleinsten Gruppe wurde alphabetisch geordnet, ausgedrückt durch bis zu vierstellige Zahlen. - Die Gruppe »Literatur«, die insgesamt fast die Hälfte des Bestandes ausmachte, hatte von den (mittlerweile) 21 Sachgruppen nur die Buchstaben J, K, L zur Verfügung. 1.4.5 Der Katalog spielte für den relativ kleinen Bestand keine große Rolle; es wurde ein Kreuzkatalog geführt, mit mechanischer Wortfolge. Die Zeitschriften und Zeitungen wurden nicht katalogmäßig erschlossen.

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Aus einer ebenfalls undatierten, vermutlich auch von Anfang 1964 stammenden Notiz.

289 Spielwiese: Von der AL zur FZ

2. Die Zeit der Um-»Kehr« (1967/69) Das war der Stand der Dinge im September 1967, als Wolfgang Kehr sein Amt als Direktor der Universitätsbibliothek antrat. Es ist nicht verwunderlich, daß er unter den Aufgaben, die auf ihn warteten, für sein ihm vorausgeeiltes Geisteskind, die »AL« (ebenso wie für die Lehrbücherei, mit der er sich ebenfalls beschäftigt hatte), besonderes Interesse zeigte. Die vorhandene »Akademische Lesehalle« bot die Möglichkeit, die Idee der Studentenbücherei (der Begriff wurde häufig im umfassenden Sinn gebraucht, nämlich als Bezeichnung für einen speziell auf die Bedürfnisse der Studierenden, nicht der übrigen Mitglieder der Universität, zugeschnittenen Buchbestand) in Freiburg zu verwirklichen. Das bedeutete, daß beide Bereiche ausgebaut und gepflegt wurden und daß rasch auf jede Veränderung des Benutzerverhaltens reagiert wurde. Vor allem der Bücherumsatz der »AL« und die Lesegewohnheiten und sonstigen Reaktionen der Benutzer wurden genau beobachtet, bester »Ser­ vice« angeboten, die Einhaltung der Spielregeln aber auch überwacht (»der Chef« war selbst einer der eifrigsten - und wahrscheinlich der korrekteste Benutzer) und jedes für die »AL« bestimmte Buch auf seinem Weg durch den Geschäftsgang aufmerksam verfolgt. Nicht nur auf dem offiziellen: die krummen Wege manches interessanten Bestsellers über verschiedene in­ offizielle Leseunterbrechungen wurde erbarmungslos enttarnt und schließlich weitgehend unterbunden. Daß die Wege gerade der interessanten Bücher oft alles andere als gradlinig in die AL führen, kann sicher jeder bestätigen, der im Geschäftsgang mit diesem Bestand zu tun hat. Dies zur »Spielwiese« - siehe oben. 2.1 Akademische Lesehalle - Studentenbücherei 2.1.1 Umwandlung zur Ausleihbibliothek (1967/68): Die Studenten­ bücherei Die hübsche, aber etwas verschlafene Präsenzbibliothek wurde schleunigst in einen Ausleihbestand umgewandelt. Das hieß vor allem: die Bücher mußten beschriftet werden. Dafür wurden gelbe Schilder gewählt - die Farbe hat sich für diesen Bestand bis heute gehalten. Es wurden Leih­ 290 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

scheine gedruckt, ebenfalls gelb, und ein einfaches Ausleihverfahren organisiert. Der »Giftschrank« mit der sekretierten Literatur wurde aufgelöst (»damit könnt ihr doch keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken«), und Henry Miller war ohne Sondererlaubnis benutzbar (und seine Titel wurden in der Folgezeit auch nicht häufiger entwendet als die anderer Autoren). Bereits zum WS 1968 konnte mit einem Flugblatt (»Kennen Sie die Studentenbücherei?«), das zur Abwechlung mal mit einem Datum, nämlich Oktober 1968, versehen ist, für die veränderte Einrichtung geworben werden. Sie hieß jetzt, ihrem modernen Ziel entsprechend, Studenten­ bücherei, und stellte mit ihrem sofort greif- und ausleihbaren Buchbestand von ca. 4.000 Bänden neben der zu dieser Zeit durch die akute Raumnot sehr gehandikapten Universitätsbibliothek ein durchaus reizvolles Angebot dar. Und um die so gewonnene Aufmerksamkeit auch richtig auszunutzen, wurde auf dem Blatt noch auf die ebenfalls frei zugängliche Lehrbücherei hingewiesen, deren Aufstellung im Raum der Studentenbücherei vorgesehen sei. 2.1.2 Integration in die Universitätsbibliothek Ab Geschäftsjahr 1968 (d. h. ab April [!] 1968) wurde die Buchbeschaffung für die Akademische Lesehalle in den Geschäftsgang der Universitätsbibliothek integriert; der Neuzugang wurde behandelt wie alle anderen UB-Bücher auch: ab April 1968 erhielt jedes Buch eine Signatur aus dem »neuen Lauf«. Mit dieser Signatur durchlief es den normalen Ge­ schäftsgang, erhielt vor der Katalogisierung die »AL«-Signatur12, nun als zusätzliche (temporäre) Sondersignatur: aus der »Akademischen Lesehalle / Studentenbücherei« ausgeschiedene Titel sollten später ohne Schwierigkei­ ten in den UB-Bestand zurückgenommen werden können. In den ersten Jahren wurde der Bestand ziemlich aufgestockt, weniger um ihn zu vergrößern, als um ihn zu modernisieren, so daß schon bald Bedenken aufkamen, wie lange der Platz noch reichen würde. 12

Die Signaturen wurden ab sofort mit dem Vorspann »AL« versehen, um dem Bestand den richtigen Platz zwischen den übrigen Signaturen der Universitätsbibliothek zuzu­ weisen; in der Akademischen Lesehalle bzw. Studentenbücherei fanden sich beide Formen der Beschriftung noch bis zum Um-signieren 1977 nebeneinander.

291 Spielwiese: Von der AL zur FZ

Die Katalogisierung des Neuzugangs erfolgte in der Titelaufnahme der Universitätsbibliothek; die Titel wurden in allen UB-Katalogen und natürlich auch in den »AL«-Katalogen (da die Signatur nun mit »AL« begann, hielt sich diese Bezeichnung noch über viele Jahre) sowie in Sach­ katalog und ZKBW nachgewiesen. 2.1.3 Interne Veränderungen Daß das Aufstellungsschema für den Bestand der Akademischen Lesehalle etwas zu aufwendig geraten war, wurde oben schon angesprochen. Aber das war das geringere Problem. Die korrekte alphabetische Einordnung des Neuzugangs machte zumindest in den stark wachsenden Gruppen, vor allem bei L 4/ = Literatur, 20. Jahrhundert, Prosa, erhebliche Schwierigkeiten, wie jeder nachfühlen kann, der einmal gezwungen war, eine alphabetische Ordnung durch Interpolieren von Zahlen zu erhalten. Das beste »Cuttern« half nicht mehr, vor allem, wenn bereits zu großzügig mit den vorhandenen Zahlen umgegangen worden war. Die Signaturen erforderten immer häufiger Buchstabenexponenten (die eigentlich nicht vorgesehen waren), vor allem aber war das Signieren des Neuzugangs jedesmal ein Balanceakt mit den Zahlen und kostete unangemessen viel Zeit. So wurde beschlossen, mit dem Geschäftsjahr 1968 die Systematik stark vereinfacht weiterzuführen: Der bisherige Bestand blieb unangetastet. Hinter der letzten besetzten Gruppe (wie oben beschrieben, höchstens mit der Zahl »9« bezeichnet), wurde eine neue Gruppe für den Neuzugang des Fachs begonnen, meist also »10«, und hier akzessorisch angereiht. Also R = Soziologie, Untergruppen 1 - 9 bis 1967/68, R 10 als einzige Untergruppe ab 1968. Das führte außer bei »Literatur« nirgends zu Schwierigkeiten, im Gegenteil, die thematisch etwas anders gewichteten Neuerwerbungen waren schnell und übersichtlich am Ende des jeweiligen Fachs zu finden; bald konzentrierte sich die Benutzung überwiegend auf diesen Teil des Bestan­ des. Bei der Gruppe »Literatur« führte das neue Verfahren allerdings dazu, daß die Schriften eines Autors auseinandergerissen wurden. Hatte Henry Miller (um bei ihm zu bleiben) bisher die Signatur AL L 4/1354 (mit 292 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Buchstabenexeponenten für die einzelnen Titel) besetzt, so kam ein neuer Titel z. B. auf die Signatur AL L 4/1392. Und wie dieses Beispiel zeigt, reichte der Zahlenvorrat am Ende des jeweiligen Hunderts auch nicht mehr weit. Der bisherige Alphabetische Katalog der »Akademischen Lesehalle« war, wie schon erwähnt, ein Kreuzkatalog. Bis Anfang 1968 ließ Kehr die Schlagwort-, Titel- und Inhaltseintragungen entfernen, weil der »unortho­ doxe« Katalog so nicht weitergeführt werden sollte bzw. im neuen Geschäftsgang nicht weitergeführt werden konnte - siehe oben. Zurück blieb ein alphabetischer Katalog im üblichen Sinn, allerdings abweichend von den in der Universitätsbibliothek geführten Katalogen eben nach gegebener Wortfolge geordnet. Die »neuen« Titelaufnahmen wurden ohne Schwierigkeiten eingeordnet. 2.2 Lehrbücherei (1967/68) 2.2.1 Neueröffnung Die Lehrbücherei13 ihrerseits erlebte einen raketenhaften Aufschwung: aus dem Schattendasein einer relativ kleinen Sammlung von ca. 6.000 semesterweise ausleihbaren Bänden, die bis dahin »irgendwo hinter der Ausleihe« im Magazin gelagert wurden, trat sie bald völlig verwandelt als ausleihbarer Freihandbestand ans Licht des Tages. Im April 1968 wurde im Hinterhaus des Werderring 6 mit ca. 14.000 Bänden die neue Lehrbücherei eröffnet.

13

»Auf Anregung Rests war im Wintersemester 1931/32 eine Lehrbücherei für minderbemittelte Studierende aufgebaut worden. Die Mittel dazu hatten der badische Staat, die Stadt, der Verband der Freunde der Universität, die Studentenschaft und die Freiburger Wissenschaftliche Gesellschaft aufgebracht. Die bedürftigen Studenten konnten die dort in bis zu zehn Exemplaren beschaffte Studienliteratur jeweils für ein Semester oder die darauffolgenden Semesterferien ausleihen.« Aus: Ingo TOUSSAINT: Die Universitätsbibliothek Freiburg im Dritten Reich. München : Saur, 21984, S. 146f.

293 Spielwiese: Von der AL zur FZ

2.2.2 Bestandsaufbau In einer regelrechten Tour de force wurde in wenigen Monaten durch Einsatz von Sondermitteln (Stiftung Volkswagenwerk u.a.) und aller verfügbaren Mitarbeiter zum Semesterbeginn 1968 der Bestand um- und aufgebaut. Die Struktur der bisherigen Signaturen konnte übernommen werden, die Systematik dagegen wurde ausgeweitet, und riesige Mengen von Neu­ zugang überfluteten bis Ende 1968 (und auch noch in den folgenden Jahren) vor allem Erwerbung und Beschriftung (die Titelaufnahmen fielen wegen der hohen Exemplarzahlen dabei weniger ins Gewicht). 2.2.3 Kataloge Der ganze Bestand wurde völlig neu katalogisiert; für die Titelkarten wurde, den Signaturschildern entsprechend, leuchtend orangefarbener Karton gewählt; neben dem Standortkatalog im Erwerbungsbereich wurden ein Alphabetischer und ein Standortkatalog14 im Buchbereich aufgebaut; die Aufnahmen der jeweils neuesten Auflagen wurden auch in den beiden Alphabetischen Katalogen der Universitätsbibliothek eingelegt. Die Fachreferenten und über sie die entsprechenden Institutsbibliotheken erhielten ebenfalls Abzüge, die sie in ihren Katalogen verwenden konnten. Das Ausleih-»Geschäft« blühte, die Räume dagegen waren völlig unzureichend und boten keine Erweiterungsmöglichkeiten. Das führte zwangsläufig zu dem Entschluß, die fürstlichen Unterbringungsbedingun­ gen der Akademischen Lesehalle auf »Normalniveau« zu senken und dafür der Lehrbücherei im gleichen Raum eine Bleibe zu bieten.

14

Der Standortkatalog wurde, wegen des Nachweises der Mehrfachexemplare, nicht nur mit Titelkarten, sondern mit zusätzlichen Standortkarten geführt, die in tabellarischer Form Band/Auflage/Jahr verzeichneten.

294 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

3. »Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung« (1969-1978) 3.1 Zusammenlegung So wurde in der »Akademischen Lesehalle«, die nun keine mehr war und »Studentenbücherei« hieß, Platz gemacht für den großen Bruder. Das war das Ende der splendid isolation und das Ende der gemütlichen Sitzplätze und der Leseatmosphäre. Die Regale der »AL« wurden als Block aufgestellt, zwei Blöcke mit Blechregalen für die Lehrbücherei traten an die Stelle der Sitzplätze, die bis auf einige eher symbolische Reste in der Fensterreihe weichen mußten. Ebenfalls weichen mußten die Zeitungen; sie wurden zunächst in die Cafeteria im Dachgeschoß des KG II, später auf die Empore im 3. OG ausquartiert. Die Zeitschriften waren bereits ziemlich reduziert worden, und die verbleibenden Mappen nahmen nicht mehr sehr viel Platz ein. Die Entscheidung für die Reduzierung der Zeitschriften und die Auslagerung der Zeitungen wurde nicht nur wegen des Platzbedarfs für die Lehrbücherei gefällt; im Ausleihbetrieb mit Unruhe und nur kurzer Verweildauer im Raum war ohnehin keine Ort mehr für länger andauerndes Lesen. Auch verkürzten sich die Öffnungszeiten in den Abendstunden, denn bei einem ausleihbaren Bestand überwiegend für Studenten (und nicht für berufstätige Bürger) waren Abendöffnungszeiten keine Notwendigkeit. Und außerdem wurde, wen wundert's, im Bereich der Zeitungen viel »mitgenommen«. 3.2 Benutzung. Bestandsüberwachung Die »Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung« (eine weitere Umbenennung und eine andere Gewichtung) nahm im April 1969 den gemeinsamen Betrieb auf, und nun erst konnte die Benutzungabwicklung wirklich effektiv gestaltet werden. Zwei Mitarbeiter15 standen zur Ver­ fügung, so daß Öffnungszeiten ohne Mittagspause möglich waren. Das Ausleihverfahren für beide Bereiche wurde vereinheitlicht und eine ge­ meinsame Ausleihkartei aufgebaut. Die Leihscheine, gelb für die »AL«, 15

Es bedarf kaum der Erwähnung, daß die auf Ausleihbetrieb umgestellte »AL« nur noch eine Stelle in diese Ehe einbrachte.

295 Spielwiese: Von der AL zur FZ

orangefarben für die »LB«, waren einteilig, d.h., es gab nur die Belastung im Konto des Benutzers, aber keinen Nachweis unter der Signatur über den Verbleib eines bestimmten Buches. Als einfaches, aber wirkungsvolles Instrument zur Beobachtung des »Umsatzes« diente das Stempeln der Ausleihfrist im Buch. Später wurden die Friststempel in jährlich wechselnden Farben gesetzt. So konnten die »Renner« ermittelt und durch weitere Exemplare aufgestockt sowie das Sediment der wenig gängigen Titel16 ausgesondert werden. Die systemati­ sche Überprüfung der Ausleihfrequenz fand regelmäßig semesterweise statt. Der »Farbwechsel« erleichterte den schnellen Überblick nicht nur über die Gesamtzahl der Entleihungen, sondern vor allem über die Entwicklung der Benutzung - steigend, nachlassend, semesterweise wieder ansteigend (entsprechende Lehrveranstaltungen) usw. Bis zur Einführung der EDV wurde mit diesem einfachen Hilfsmittel der Bestand ständig aktualisiert und durchforstet. Revisionen wurden, wie schon vor 1968, regelmäßig durchgeführt, allerdings mit Schwerpunkt auf der Lehrbuchsammlung. Da es kein Couponregister gab, mußte die komplette Ausleihkartei vorher abgeschrieben und umgeordnet werden (wobei Abschreibfehler nicht zu vermeiden waren). Für beide Bestände wurden zwar immer eine ganze Menge vermißter Bände festgestellt, aber im Verhältnis zur Größe keine extrem hohen Verluste. Durch das Fehlen eines Couponregisters gab es keine Vormerkungen, jedenfalls nicht für die Benutzer. Für dienstliche Recherchen bestand die einzige Möglichkeit im regelmäßigen Durchsehen des gesamten Rücklaufs abends bzw. morgens vor dem Einstellen. Was unter anderem auch zur Folge hatte, daß zurückgegebene Bücher nicht am gleichen Tag wieder ausgegeben werden konnten, auch wenn sie gut sichtbar hinter dem Platz des Bearbeiters im Rückgaberegal standen. 16

Der Grundbestand der Lehrbuchsammlung entstand vor allem auf Grund von Wün­ schen aus dem Lehrkörper; dabei wurden in den ersten Jahren bei manchen Fächern die Studentenzahlen überschätzt oder die Akzeptanz durch die Studenten: z.B. blieben die zahreichen amerikanischen Titel in den Fächern Sozial- und Wirtschaftswissen­ schaften entschieden unterhalb der Ausleihhäufigkeit, die für die Aufstellung eines Titels in der LB als notwendig angesehen wurde.

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3.3 Präsentation des Bestandes, »Schönheitskorrekturen« Vorrangiges Ziel des Projekts »Studentenbücherei/Lehrbuchsammlung« war eine entschiedene Steigerung der Benutzung und Mobilisierung der zahlreichen Noch-Nicht-Benutzer17. Das gelang in hohem Maße durch einen entsprechend ausgewählten Buchbestand und liberale Ausleihbedin­ gungen, aber auch durch entsprechende Pflege und Präsentation des Be­ reichs, vor allem in der eigentlichen »Studentenbücherei«. Während Benut­ zung, Gestaltung der Öffnungszeiten und schließlich die Umstellung der Ausleihe auf EDV stets parallel zur Lehrbuchsammlung verliefen, verlangte dieser Bestand doch noch einige Pflege, bevor er den Vorstellungen seiner geistigen Väter entsprach: Im Lauf der nächsten Jahre wurde der gesamte Bestand der Studenten­ bücherei (später auch der der Lehrbuchsammlung) in Folie geschlagen, stets neben dem Tagesbetrieb. Im »AL«-Bereich wurden die vielen unleserlichen Rückentitel des Altbestandes vor dem bzw. beim Einschlagen erneuert. Bald wurde auch den Schutzumschlägen der neuen AL-Bücher mehr Auf­ merksamkeit gewidmet. Für die Information kam vor allem der Klappen­ text, gelegentlich auch die Rückseite der Umschläge in Frage; die entspre­ chenden Teile wurden ins Buch geklebt. Es blieb immer noch der eigentli­ che Blickfang der Buchaufmachung, die Vorderseite, übrig. Für diesen Rest fand sich bald auch eine sinnvolle Verwendung: ein schmaler Durchgang zwischen der Ausleihtheke und der letzten Regalreihe des »AL«-Bestandes bildete den Eingang zur Studentenbücherei / Lehrbuchsammlung. Dort war als Abschluß des Regals eine Trennwand angebracht worden. Diese ziemlich große und kahle Fläche wurde nun laufend mit den Umschlägen der Neuerwerbungen geschmückt, zunächst eher unter ästhetischen Ge­ sichtspunkten, bald ganz gezielt als Überblick über den Neuzugang. Bald wurden auch die Signaturen auf die Umschläge geklebt, denn der Katalog enthielt die entsprechenden Titelkarten erst mit Verzögerung. 17

Bis zum Bezug des Neubaus der Universitätsbibliothek war es eine wohlbekannte Tatsache, daß viele Studenten zwar eifrig die Lehrbuchsammlung benutzten, bis zum Abschluß ihres Studiums aber nie einen Fuß in die Universitätsbibliothek gesetzt hatten; da die Universitätsbibliothek durch die Raumnot erheblich behindert war, bot vor allem die Studentenbücherei / Lehrbuchsammlung die Möglichkeit, Benutzer anzuziehen - und ihnen auch etwas zu bieten.

297 Spielwiese: Von der AL zur FZ

Über die Informationsfläche gab es gelegentlich Klagen: es kam vor, daß jemand gefesselt von den Titeln im Durchgang stehen blieb, und dann ging nichts mehr, vorwärts wie rückwärts. Zu niedrig angebrachte Um­ schläge wurden beim Anstreifen abgerissen, und stekengebliebene Stifte führten zu Rissen in der Kleidung. Die Trennwand war keine »Pinnwand« im eigentlichen Sinn, also ziemlich hart. So gehörte zur »bibliothekarischen« Ausrüstung auch ein Hämmerchen, um die Reißnägel einzuschlagen, und ein Messer, um sie wieder zu lösen. Natürlich brachen bei dieser Prozedur häufig die Köpfe ab; daher mußten von Zeit zu Zeit die stekengebliebenden Stifte mit einer Zange entfernt werden (vor allem, nachdem ein Benutzer mit dem Ärmel an einem solchen Relikt hängengeblieben war). Der Information über die Neuerwerbungen diente auch die Ausstellung; die neuen »AL«-Bücher wurden eine Woche lang in einem bestimmten Regal »ausgestellt«. Eine eigene Neuerwerbungsliste für den Bereich gab es nicht, allerdings bildete der Bestand eine Rubrik in der damals noch gedruckten und zum Teil an Interessenten verschickten Neuerwerbungsliste der Universitätsbibliothek. 3.4 Erschließung Die »Katalogverhältnisse« sowohl für die Lehrbuchsammlung wie für den Bestand der Studentenbücherei bzw. der Akademischen Lesehalle ab 1968 waren geregelt. Der »AL«-AK fiel allerdings durch die abweichende Ordnung aus dem Rahmen. 3.4.1 Erfassung des »AL«-Altbestandes Als 1969 die Lehrbuchsammlung in den Raum der Akademischen Lesehalle einzog, ergaben sich gewisse Probleme durch das Nebeneinander der beiden unterschiedlichen Kataloge. So war das Ziel, möglichst schnell einen alphabetischen Katalog für den ganzen Bestand im Raum anzubieten. Durch die Kontrastfarbe der Lehrbuchsammlungs-Karten war sowohl die Unterscheidung beider Bestände durch den Benutzer als auch ein Ausein­ anderziehen beider Katalogteile bei Bedarf jederzeit möglich. 298 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Das Einordnen des »AL«-Kataloges in den - »preußischen« - Al­ phabetischen Katalog der Lehrbuchsammlung bot keine besonderen Schwierigkeiten, zumal die Verfasserschriften in der Mehrzahl waren. Wichtiger war etwas anderes: den »AL«-Bestand überhaupt im UB-Katalog nachzuweisen. Es muß in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß die Universitätsbibliothek zu dieser Zeit über drei Alphabetische Kataloge im Verwaltungs- und zwei im Benutzungsbereich verfügte, dazu über den Dis­ sertationenkatalog, zu dem es auch noch einen älteren Teil gab, und daß das wichtigste Arbeitsziel der eine AK für alle Bestände war, und es für viele Jahre blieb; es wurde erst 1984 erreicht (und im Jahre 1990 planmäßig wieder aufgegeben; eben deswegen sollten ja die alten Kataloge »eins« sein). Die Drohung der »Altlasten« an unkatalogisierten Büchern in der Titelaufnahme im Nacken, schien für Kehr jeder Gedanke an »über­ flüssige«, d. h. nicht Erst-Katalogisierung höchst ketzerisch. Jede andere Lösung schien ökonomischer (daß das nicht immer zutrifft, läßt sich am Beispiel dieses Bestandes gut nachweisen). So wurden zwischen Mitte 1970 und Ende 1971 die »Dubletten« auf den Karten der UB-AKs mit »auch Studentenbücherei« gestempelt, der Rest so »frisiert«, daß er einlegbar wurde, und ggf. kopiert (durch Auslegen auf dem Kopiergerät und anschließendes Schneiden; andere Kopiermöglichkeiten gab es nicht). Im Zusammenhang mit dem Verändern oder Herstellen von Titelkarten - und dieser Aspekt spielt auch eine wichtige Rolle bei allen Entscheidungen zur Behandlung der Signaturen auf den Titelkarten - muß ausdrücklich an dieses Fehlen geeigneter Kopiermöglichkeiten erinnert werden. Es wurde immer davon ausgegangen, daß die Karten im Katalog bleiben sollten; jede Veränderung - Signaturänderungen, Standortänderung - wurde durch Ändern bzw. Streichen per Hand erledigt. Viele der damaligen Entscheidungen erscheinen heute unverständlich, wenig benutzerfreundlich und arbeitsaufwendig. Erst der Titelkartenkopierer, der »UBIX«, trotz all' seiner technischen Mängel, veränderte die bibliothekari­ sche Landschaft im Katalogbereich in mancher Weise gründlicher als neue Katalogregeln. Da das »Frisieren« häufig kein tragbares Ergebnis zeitigte, mußte die Aufnahme dann doch neu geschrieben und auf dem üblichen Weg verviel­ 299 Spielwiese: Von der AL zur FZ

fältigt werden. Und das hieß häufig: ans Buch gehen, das, falls verliehen, nicht leicht vorzumerken war (siehe oben). 3.4.2 Gedruckte LB-Verzeichnisse Gerade für die Lehrbuchsammlung boten sich gedruckte Verzeichnisse an, da die Titelzusammensetzung sich nicht so stark veränderte, sondern der Bestand vor allem durch Neuauflagen aktualisiert wurde. Die Lehr­ buchsammlung sollte vor allem auch solchen Studenten nahegebracht wer­ den, die den Weg in die Universitätsbibliothek oder in die Räume im KG II nicht fanden. Das waren bei Lage der Dinge vor allem die Studenten der Naturwissenschaften. So entstand 1971 das erste gedruckte »Verzeichnis der Lehrbuchsammlung - Naturwissenschaften -, Stand Sept. 1971«. Es folgte 1972 das etwas umfangreichere Verzeichnis aller Philologien. Die übrigen Fächer mußten zunächst unberücksichtigt bleiben. Die Herstellung erfolgte einfach aber mühsam durch Abschreiben (mittlerweile mit einer elektrischen Maschine!) der Titel (als Kurztitel ohne Auflagen- und Erscheinungsvermerk) und die Erstellung aller Über­ schriften, Kopftexte etc. auf die gleiche Weise. Das Ganze wurde dann »montiert«, fotografiert, verkleinert und schließlich gedruckt. 3.5 Lehrbuchsammlung II So wuchs und gedieh die »Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung« und war ein erfreuliches Arbeitsfeld für alle beteiligten Mitarbeiter. Die Studentenbücherei blieb im Rahmen der für den Endausbau angestrebten max. 10.000 Bände (1972: ca. 5.400). Der Bestand wurde im Lauf der nächsten Jahre erheblich umgeschichtet, da mehr Wert auf die Akzeptanz durch den Benutzer gelegt wurde als auf die Durchsetzung eines »Erziehungs«konzepts. So ging der Charakter der Bildungsbücherei zunehmend verloren, und die Bibliothek wurde ein schillerndes Spiegelbild aktueller Leseströmungen. Diese aktuellen »Renner« waren natürlich kurzlebig, und so war der Bestand zumindest in einigen Teilen in ständiger Bewegung. Die Lehrbuchsammlung dagegen wuchs rapide und konnte doch den Bedarf nie ganz decken. Die Benutzung wurde regelmäßig mit Hilfe der 300 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Friststempel überprüft, und wenig gebrauchte Literatur wurde schleunigst ausgeschieden. Als sich 1972 die Möglichkeit ergab, Räume im naturwissenschaftli­ chen Institutsviertel in der Nähe der Mensa II zu requirieren, wurde die Lehrbuchsammlung geteilt. Der medizinisch-naturwissenschaftliche Teil zog zum SS 1973 als »Lehrbuchsammlung II« in die Hermann HerderStraße; der Rest nannte sich nun Lehrbuchsammlung I (»Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung I«) und flutete »wie nichts« in die gerade frei gewordenen Regale. Die Einrichtung der Lehrbuchsammlung II bot einen konkreten Anlaß, die gedruckten LB-Verzeichnisse auf den neuesten Stand zu bringen: -Der Teil Mathematik, Naturwissenschaften erschien mit dem Stand Jan. 1973, jetzt als »Verzeichnis der Lehrbuchsammlung im Institutsviertel«. Im Gegensatz zur ersten Ausgabe von 1971 fehlte nun die Geographie, die nicht mit umgezogen war, und in der bereits im September 1973 fälligen 2. Neubearbeitung wurden auch die Teile der Medizin mit erfaßt, die sich mit Chemie oder Biologie überschnitten. -Ebenfalls mit Stand Januar und dann wieder im September 1973 erschien das Verzeichnis Medizin. Die Verzeichnisse dienten bis zum Aufbau eigener Zettelkataloge teilweise als Katalogersatz. (Kopieren der orangefarbenen Karten erwies sich als unmöglich.) 3.6 Der Neubau rückt näher - EDV-Ausleihverbuchung (1977 ff.) Einige Jahre später folgten die Gehversuche der Universitätsbibliothek in Sachen EDV-Ausleihverbuchung. Der Bereich Studentenbücherei mit Lehrbuchsammlung bot sich an für einen Testeinsatz in einem begrenzten, aber stark frequentierten Bestand. Als Vorbereitung für die EDV-gestützte Ausleihverbuchung mußte in den nächsten Jahren jeder einzelne Band des Bestandes mit Buchetikett versehen und erfaßt werden. Die LB-Signaturen machten keine Schwierigkeiten bei der Anwendung der EDV, dagegen war die Struktur der AL-Signaturen entschieden EDV-ungeeignet, wobei zunächst unklar war, ob die Uneinheitlichkeit der Signaturen, die Buch­ stabenexponenten als solche oder einfach die Struktur und Länge der Signaturen das eigentliche Problem darstellte. 301 Spielwiese: Von der AL zur FZ

3.6.1 Die Freizeitbücherei Bereits im Sommer 1974 wurde über mögliche Lösungen nachgedacht, aber alle Vorschläge bedeuteten Flickwerk an der Systematik und trotzdem hohen Arbeitsaufwand. Schließlich wurde die einmalige Gelegenheit dazu benutzt, den kompletten Bestand der Studentenbücherei umzusignieren, für die EDV zu erfassen und in den UB-Katalogen neu nachzuweisen18. Und so kam es zur vollständigen Neukatalogisierung dieses - soweit es den Altbestand betraf, schon dreimal19 »angefaßten« - Bestandes. Was bei »konventionellem« Betrieb undenkbar gewesen wäre, der Eigengesetzlich­ keit der EDV mit ihren Sachzwängen gelang es: das Tabu des Um­ signierens und des erneuten Katalogisierens zu brechen! Da neue Signaturen gebildet werden mußten, wurde der Bestand umbenannt in Freizeitbücherei und die Signaturen mit »FZ« und maximal zweistelligen Zahlen gebildet. Das Interessanteste an dieser Umsignieraktion war aber nicht die Bereinigung der zu vielen und zu kleinen Sachgruppen und der neugewonnene Spielraum bei der Vergabe der Signaturen: hier kam zum erstenmal ein Prinzip für die Alphabetische Aufstellung nach Autoren in Anwendung, das nicht in absehbarer Frist zu verstopften Stellen führte. Der Versuch, eine beschränkte Menge von Zahlen für einen Buchstaben so aufzuteilen, daß für lange Zeit ein Feinalphabet erhalten bleiben kann, dabei aber möglichst keine Exponenten zu verwenden, ist nur mit außerordentlich großen Zahlenblöken, und auch da nicht unendlich lange, erfolgreich. Die alte »AL«-Systematik war »geplatzt«, weil wenig Zahlen pro Buchstabe zur Verfügung standen; die Personalbibliographien in der alten »HB« ereilte das gleiche Schicksal, und auch die neue »HBA 24« und ähnliche Gruppen schafften es nicht lange nur mit einem Buchstaben und drei- oder sogar 18

19

Das Ziel für die Benutzung war, die in Zukunft über OLAF ansprechbaren Sondersignaturen in allen Benutzerkatalogen im Signaturfeld nachzuweisen, was bis jetzt nur im »AL«-AK der Fall war. Die »alte« AL hatte bereits zwei Kataloge erlebt; bei der Bearbeitung 1961 bis 1964 waren einfache Titelkarten geschrieben worden, bis 1965 der Kreuzkatalog angelegt wurde. - Die Neukatalogisierung des Altbestandes wurde von einer Buchhändlerin auf der Grundlage der verbesserten alten Karten durchgeführt; die Karten für den Bestand ab 1968 wurden verbessert und zum Drucken auf Erfassungsbögen aufgeklebt, soweit sie nicht wegen technischer Mängel abgeschrieben wurden.

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vierstelligen Zahlen. Die entsprechenden Stellen im Lesesaal wurden deshalb von vornherein mit drei Buchstaben und Zahlen geplant, aber die Stelle Germ 900 Man für diverse Mitglieder der Familie Mann kann nicht als Erfolg gewertet werden In der neuen Freizeitbücherei wurde das Problem durch radikale Vereinfachung gelöst: Verzicht auf die al­ phabetische Feinaufstellung ab drittem Buchstaben des Verfassernamens. Für einen Buchbestand in der vorgesehenen Größe (und auch in um einiges größeren) reicht diese Ordnung zur Orientierung am Regal völlig aus zumal wenn man einmal beobachtet, wie Nicht-Bibliothekare mit dem Alphabet umgehen: über den ersten Buchstaben gehen sie oft gar nicht hinaus. So wurden die vorhandenen Autoren der neuen Gruppe FZ 30 (und analog die der anderen nach Namen geordneten Gruppen) mit Signaturen versehen, die aus den ersten beiden Buchstaben des Verfassernamens gebildet wurden + laufende Nummer. Die einzelnen Titel erhielten laufende Nummern auf der nächsten Ebene: MA 1 = Mann, Heinrich MA 2 = Mann, Thomas MA 3 = Martin, .... ... MA 10 = Mann, Anton FZ MA 2 14

= 14. Titel bei Thomas Mann.

Ende 1976 wurde zunächst eine große »Rauswerf«-Aktion durchgeführt, um das Umsignieren und Erfassen auf das Notwendige zu beschränken (1230 Bände wurden ausgeschieden). 1977 wurde der verbleibende Bestand umsigniert, durch Kopieren (s. Bemerkung bei 3.4.1.) oder Neuaufnahme neu in allen Katalogen nachgewiesen, die Bücher mit Etiketten versehen und für OLAF erfaßt. Zum WS 1977/78 konnte mit einem Probelauf der EDV-Verbuchung dieses Bestandes begonnen werden.

303 Spielwiese: Von der AL zur FZ

3.6.2 Lehrbuchsammlung Die Bücher der Lehrbuchsammlung I wurden ab 1977 ebenfalls erfaßt und »geklebt«; auch hier ging eine Sichtung des Bestandes voraus. Bis zum Einzug in den Neubau war der ganze Bestand (nicht aber die Lehrbuchsammlung II) EDV-fertig.

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4. Der SB-Bereich im Neubau (1978 ff.) 4.1 Integration in die »neue« Universitätsbibliothek Mit dem Einzug in den Neubau im Herbst 1978 verloren die »Lehr­ buchsammlung I« und die »Freizeitbücherei« ihre Eigenständigkeit, nicht nur als Benutzungs- und Verwaltungseinheit. Beide Bestände wurden nun Teile des SelbstBedienungsbereichs und fielen allein von der Menge her gegenüber dem Freihandmagazin überhaupt nicht auf. Freihandaufstellung und Sofortausleihe waren nun kein Charakteristikum dieses Bestandes mehr. Die Ausleihe mit OLAF machte für diesen Bestand natürlich keine Schwierigkeiten. 4.2 Freizeitbücherei Die Freizeitbücherei bezog, wieder einmal, einen schönen Raum in günstiger Lage, mit Fensterplätzen, Pinnwand und eigenem Katalog (der gemeinsame AK hatte seine Schuldigkeit getan, und die Trennung war durch das Umsignieren noch vereinfacht worden). Bald mußte sie aber, wieder einmal, Platz machen, diesmal für den Einbau der Räume für die Sachkatalogisierung. Damit änderte sich die Größenordnung des Bestandes wieder, und es mußte vorsichtiger gekauft werden. Der Bestand war stets auf deutschsprachige Titel beschränkt gewesen; die neue Systematik bot aber die Möglichkeit, es auch mit fremdsprachigen Texten zu versuchen. Auch für Kriminalromane war eine Stelle geschaffen worden. Beide Projekte fielen aber unter anderem auch dem schon wieder drohenden Platzmangel weitgehend zum Opfer. Mit einer eigenen Neuerwerbungsliste für die Freizeitbücherei (die gedruckte Liste der Universitätsbibliothek war schon seit längerem wegen des großen Aufwandes bei der Herstellung aufgegeben worden) wurde sie wieder etwas in die Öffentlichkeit gerückt. Seit 1990 wird sie, auch wieder einmal, katalogmäßig bearbeitet: die »Reko« (Rückwärtskatalogisierung im SWB) ist nun für manches Buch die fünfte derartige Behandlung. 305 Spielwiese: Von der AL zur FZ

4.3 Lehrbuchsammlung Die Herstellung gedruckter LB-Verzeichnisse erschien durch die Möglichkeiten der EDV in einem ganz neuen Licht: 1980 wurde mit der Erfassung der Kurztitel über OLAF begonnen. Im Prinzip wurden die gleichen Angaben aufgenommen wie in den früheren Verzeichnissen; da aber jetzt ein »HiWi« dafür eingesetzt werden sollte, mußten alle erdenklichen Möglichkeiten für die Umformung der PI-Aufnahmen in Kurztitel festgelegt werden. 1982 erschien als erstes der neuen Verzeichnisse die neue Bearbeitung der Philologien; es folgten die Fächer der Lehrbuchsammlung II, dann die benutzungsintensiveren übrigen Fächer und schließlich 1983 als »Lumpensammler« noch ein dünnes Heft mit dem Rest. Aufbau und Inhalt der Verzeichnisse entsprachen dem der alten; durch die Erfassung über OLAF waren aber jetzt nicht nur neue Auflagen leicht herzustellen, sofern neue Titel laufend eingegeben wurden; die Kurztitel konnten nun, in OLAF 1, auch für den Benutzer zugänglich gemacht werden. Die Lehrbuchsammlung II zog erst 1980 mit der EDV-Verbuchung nach; noch immer trotzt sie als Ein-Mann-Betrieb den Stürmen der Benutzung. * Unverändert bietet die Lehrbuchsammlung mit den Mehrfachexemplaren die besten Möglichkeiten, an ein entsprechendes Buch zu kommen, noch immer bietet die Freizeitbücherei einen leichten Zugang zu aktueller, unter­ haltsamer und sogar »bildender« Literatur, aber sie sind nicht mehr ein bibliothekarisches »Programm« und schon gar kein erzieherisches. Eine »Spielwiese« ist der Bereich schon lange nicht mehr - zum »Spielen« hat keiner Zeit: die Universitätsbibliothek ist (sehr) erwachsen geworden.

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Hans Adolf Ruppert 15 JAHRE OLAF - UND NOCH KEIN ENDE? Fragmentarische Gedanken zum Versuch ein viereckiges Rad so rund wie möglich zu machen Wenn man einen Betrag zu einer Festschrift über ein bestimmtes Thema schreiben soll, so fragt man sich, ob der zu Ehrende in direkten Worten oder einfach über das Thema selbst hervorgehoben werden soll. Ich entscheide mich für den zweiten Weg: Schließlich hat W. Kehr das Projekt OLAF aus der Taufe gehoben, durch »dick und dünn« geleitet und mit steter Motivation alle daran Beteiligten ermutigt weiter zu machen. Wenn also ein Stück Software nach 15 Jahren immer noch nicht obsolet ist, mehr, auch noch in eine dritte Generation geführt werden soll (hierzu später), so ist dies aus meiner Sicht ein Lob an sich: Software ist nur so gut wie der Programmierer, und der wiederum nur so gut wie seine Umgebung und sein Arbeitsfeld ihn werden läßt - und dies bestimmt der Chef. Ich möchte meinen Beitrag »klassisch« gliedern: Einem kurzen historischen Abriss folgt, etwas ausführlicher, die Beschreibung des heute Erreichten. Den Abschluß bildet der Ausblick auf die kommenden Aufgaben. Damit wird aus meiner Sicht am deutlichsten, daß der zunächst skeptisch, ja fast frustrierend klingende Titel »und noch kein Ende« eigentlich ein »Jubilate« ist: Auch nach 15 Jahren ist der eingeschlagene Weg noch der Richtige. 1. Historisches zu OLAF Die Arbeiten begannen im Ende 1975 mit der Auswahl von Rechnern der Firma DIETZ Industrieelektronik, dem ersten deutschen Hersteller frei programmierbarer Rechenanlagen. Die Pionierzeit der Datenverarbeitung in wissenschaftlichen Bibliotheken war damals schon soweit fortgeschritten, daß ein Blick über die Grenzen des eigenen Hauses hinaus lohnende Ergeb­ nisse brachte. Ein wichtiges Beispiel ist in diesem Zusammenhang das 307 Fünfzehn Jahre OLAF

Anbieten einzelner Systemfunktionen zur Selbstbedienung durch den Benutzer. Anfängliche Zweifel, ob die guten Erfahrungen der Eidge­ nössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich so ohne weiteres auf mehr geisteswissenschaftlich orientierte (und deshalb zum damaligen Zeitpunkt auch kaum EDV-erfahrene) Benutzer übernommen werden könnten, erwiesen sich schnell als unbegründet. Von der ersten Einfüh­ rungsphase an waren SB-Plätze mit Erfolg dabei. Immer mit dem Blick auf »was nützt es dem Benutzer und den Mitarbeitern« entwickelte sich OLAF1 über Betriebsstufen der Lehr­ buchsammlung, Freihandmagazin, geschlossenes Magazin und aktive und passive Fernleihe zu einem Haussystem, mit dem alle Geschäftsgänge im Bereich der Leihstelle abgewickelt werden konnten. Gleichzeitig mit der Weiterentwicklung in Freiburg entstanden eigenständige »Söhne und Töchter« in vier weiteren Bibliotheken in Baden-Württemberg und 11 Installationen außerhalb des Landes (hierfür zeichnete allerdings die Firma Dietz verantwortlich). Um im Jargon des Untertitels zu bleiben, das konventionelle 4-eckige Rad hatte nunmehr 16 Ecken und lief schon recht »rund«. Mit dem »Ende der Dietz-Rechner« (was nicht gleich Ende OLAF1 zu setzen war. Noch heute sind drei OLAF1-Anlagen in Baden Württemberg im Thekeneinsatz!) mußte die Entscheidung für ein Nachfolgesystem fallen. Insgesamt 17 Firmen boten 1985 ihre Produkte und Entwicklungsleistung an mit dem Ergebnis, daß der ursprünglich einge­ schlagene Weg nicht verlassen, nur technisch erneuert werden sollte. OLAF2 wurde auf den Weg gesetzt. In einem Joint Venture mit dem Rech­ nerhersteller Norsk Data sollte die existierende Funktionalität auf neuen Rechnern implementiert werden. In diesem Joint Venture sollte die Zusammenführung von technischem Know How von Firmenmitarbeitern und bibliothekarischem Fachwissen auf der OLAF-Seite schnellstmöglich die notwendigen Ergebnisse bringen. Wegen der insgesamt doch zu stark divergierenden Interessenlage bei der Firma (»möglichst rasch ein inte­ griertes System für alle Bibliotheksabteilungen«) und den Bibliotheken der OLAF-Gruppe (»Komfort und Leistung nicht unter OLAF1, beschränkt aber zunächst auf die Leihstelle«) ergaben sich doch eine Reihe von Abstimmungsproblemen, die zu 12 Monaten Verzug führten. Im Mai 1988 wurde OLAF2 als Prototyp in der Leihstelle der Universitätsbibliothek ­ 308 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Freiburg eingesetzt. Nach einem problematischen halben Jahr Betriebszeit und weitreichenden Veränderungen der Soft- und Hardware entstand schließlich wieder ein System mit den gewünschten und weitreichend verbesserten Eigenschaften. Das heute erreichte »32-eckige Rad« wird im folgenden Kapitel näher beschrieben. 2. OLAF2 in der Universitätsbibliothek Freiburg An dieser Stelle soll nicht der Funktionsvorrat des Systems erläutert werden. Dies ist in einer umfangreichen Dokumentation in allen Einzelheiten dargestellt. Näher diskutiert werden hier nur die Aspekte »Be­ triebsnähe und Auswirkungen auf andere Abteilungen«, »Signaturenretrieval« und (noch einmal) »Selbstbedienung«. Von der ersten Programmzeile an ist das Produkt OLAF »an der Theke« entstanden. Insbesondere zu Zeiten der ersten Betriebsstufen von OLAF1 wurde die Entwicklung sehr stark durch die an der Theke gemachten Erfahrungen beeinflußt und gesteuert. Daraus resultiert eine enge Abstimmung zwischen den (noch) konventionellen Geschäftgängen, die an die Leihstelle heranführen und den Abläufen mit Systemunterstützung in der Leihstelle. Hier sind heute praktisch alle konventionellen Karteien -auch die der Fernleihe - stillgelegt. Alle Informationen werden im System verwaltet. Dies war allerdings nur dadurch möglich, daß historisch gewachsene und gewohnte Geschäftsabläufe in der Leihstelle teilweise erheblich verändert wurden. Dennoch wurde auch der Dialog, so weit wie (technisch) möglich, den häufigsten Anwendungsfällen an der Theke angepaßt: Der Dialog läuft im Grundsatz nicht statisch mit festen Masken und Maskenfolgen ab, sondern orientiert sich an den Eingabe- und den in der Datenbank gespeicherten Daten. Somit wird die Dialogform dynamisch an Hand der aktuellen Situation mit möglichst wenigen Folgeaktivitäten festgelegt. Alle Funktionen führen so auf dem »direkten« Weg zum ge­ wünschten Ziel. Auf dem Weg dahin werden, quasi »en passant«, je nach Fall zusätzliche Daten angefordert oder zur Kontrolle und Bestätigung dem Bediener aus »Default-Dateien« angeboten. Auf diese Weise entfällt das Ausfüllen von komplexen Masken mit kaum überschaubaren Feld­ anordnungen und sich ständig wiederholende, gleichbleibende Eingaben 309 Fünfzehn Jahre OLAF

werden vermieden. Die Verbindung zu den anderen Abteilungen der Bibliothek war ursprünglich nur über Listen und Formulare möglich. Seit der Installation geeigneter vernetzter Datenendgeräte (PC's, Bildschirme) in den Abteilungen können die relevanten Funktionen auch direkt im Dialog vom Arbeitsplatz aus aufgerufen werden. Insbesondere sind dies Bestands- und Statistiklisten. Hier wird in Zukunft noch einiges investiert werden müssen, um den Datenaustausch zwischen den Abteilungen und die gegenseitige Nutzung der Datenbestände weiter zu entwickeln. Wenn eine Bibliothek ohne Online-Katalog (OPAC) auskommen muß, und dies in einzelnen Bestandsbereichen absehbar immer der Fall sein wird, spielt die Signatur oder Standnummer der Bücher eine wichtige Rolle bei der Erschließung der Buchbestände. Insbesondere ist sie Voraussetzung für die Selbstbedienung des EDVSystems durch den Benutzer. Die Kataloge weisen im allgemeinen die bibliographischen Daten so exakt wie möglich nach. Die realen Stückinformationen, daß ^etwa einzelne, bibliographisch unterschiedene Teile eines Werkes untrennbar zusammengebunden sind, oder auch der Fall, daß ein bibliographisches Stück aus technischen Gründen zerteilt wurde, muß der Bestandsnachweis im Ausleihsystem anzeigen. Der Schlüssel hierzu kann nur die Signatur sein. Um dieses Problemfeld auch in alten, gewachsenen Buchbeständen lösen zu können, verfügt OLAF über ein Signaturen-Retrieval, das ähnlich wie Re­ trievalsysteme in anderen Datenbereichen arbeitet. Da allerdings die Signaturen i.a. eine hierarchische Ordnung beschreiben (i.e. Bestandsbereich, Anschaffungsjahr, Bandzählungen, Auflagen, Erscheinungsjahr, Exemplarnummern) können im Rahmen des Retrievalsystems einige Automatismen eingebaut werden, die in einem Wortretrieval nicht möglich, weil nicht entscheidbar, sind. Da wie o.a. die konventionellen Kataloge in vielen Fällen die Signatur nur sehr unscharf beschreiben, die Benutzer sich die einzelnen Teile durchaus an unterschiedlichen Stellen der Katalogkarte suchen und dann zusammensetzen müssen, ist eine Über- oder (noch häufiger) einer Unterqualifizierung der Signatur zu erwarten. An Hand der im System gespeicherten Daten wird die eingegebene Signaturen-Zeichenfolge intern so zerlegt und geprüft, daß überflüssige Teile automatisch weggelassen werden können und fehlende Angaben in spezifischen Dialogen gezielt 310 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

vom Benutzer noch nachgefordert werden. Die Voraussetzung zu solchen automatischen Korrekturverfahren ist allerdings eine kontrollierte Signaturenerfassung und damit ein »sauberer« Datenbestand. Hierzu sind in OLAF geeignete Prüfverfahren bei der Buchneuaufnahme eingesetzt, die Über- oder Unterqualifizierungen oder auch Doppelsignaturen erkennen. Einen Teil des Erfassungsaufwandes der Signaturen trägt übrigens der Benutzer: Bei allen Signaturen des ge­ schlossenen Magazins, die zum ersten Mal bestellt werden, wird vom System die vom Benutzer eingegebene Bestellsignatur als »Erfassungsvor­ schlag« beim Prüfen (absignieren) der Bestellung angeboten. Sie wird dann von Mitarbeitern der Leihstelle geprüft und übernommen oder ergänzt. Auf diese Weise ist seit Inbetriebnahme der Magazinkomponente ein Bestand von rund 1,1 Mill. Signaturen mit zusätzlich rund 2,6 Mill. Strukturinfor­ mationen entstanden, der ein exaktes Abbild der physikalischen Stücke in den Magazinen und ihre Zusammenhänge untereinander darstellt - eine wichtige Informationsmenge bei der kommenden Einführung des OPACs. Wie o.a. ist die Selbstbedienung einzelner Systemfunktionen durch die Benutzer ein wesentliches Merkmal von OLAF. Prinzipiell ist dies die notwendige Ergänzung zu großen Freihandmagazinen, die nicht fachsystematisch geordnet sind. Hier muß dem Benutzer ein »Leitsystem« zur Verfügung stehen, das ihm hilft, unnötige Wege im Magazin zu vermeiden. Heute stehen den Benutzern der Universitätsbibliothek Freiburg 12 Selbstbedienungsterminals und zwei Eingänge vom Univer­ sitäts-Datennetz FDN zur Verfügung, an denen die Funktionen Signaturanfragen mit Vormerkung und Bestellung, Fristverlängerungen und Kontoanfragen möglich sind. 1990 wurden über 415000 »Selbstbedienungs-Sessions« gezählt. Umgerechnet auf Betriebstag und Terminal bedeutet dies, daß an jedem SB-Terminal rund 100 Benutzer täglich die angebotenen Funktionen durchführen. Viele Funktionen werden fast ausschließlich vom Benutzer selbst durchgeführt: So wurden 93% der Vormerkungen, 90% der Kontoanfragen, 85% der Leihfristverlängerungen und 79% der Magazinbestellungen 1990 in Selbstbedienung aufgerufen. Die Selbstbedienungsfunktionen sind heute - die genannten Zahlen verdeutlichen dies - ein unverzichtbarer Bestandteil der Bibliotheks­ organisation in Freiburg geworden. Freihandausleihe wie auch die Selbstbedienung bergen natürlich eine 311 Fünfzehn Jahre OLAF

gewisse Gefahr des Mißbrauchs von Daten und Datenträgern (Benutzer­ ausweis). An den SB-Terminals war schon praktisch immer die Eingabe eines Passworts zusätzlich zur Identifikation bei Sessionbeginn notwendig. Nach einigen, nicht zu vernachlässigenden Vorfällen von Mißbrauch gestohlener Benutzerausweise im Bereich der Freihandausleihe, wurde den Benutzern die sog. Passwortkarte angeboten. Ähnlich wie die Geheimzahl die Euroscheckkarte sichert, sichert die Passwortkarte den Benut­ zerausweis: Denn nur wenn beide Karten an der Theke vorliegen, können Ausleihen registriert werden. Ein Sicherheitsangebot, das für die Bibliothek zwingend wurde, allerdings von den Benutzern nur sehr zögernd angenom­ men wird. Bis heute sind es gerade 1306 Benutzer (von rd. 35000), die ihr Konto auf diese Weise sichern. Bei der Einführung neuer Techniken wird künftig darauf zu achten sein, ob zusätzliche Sicherheiten, sofern sie sich als notwendig erweisen, den Benutzern noch fakultativ angeboten werden können - die Verfahren schützen nicht nur den Benutzer vor Mißbrauch, sondern letztlich auch das Bibliotheksgut vor dem »Verschwinden«. 3. Ausblick OLAF ist das typische Produkt einer »moderaten Systementwicklung«: Gezielte Weiterentwicklung eines Dienstleistungsbereichs unter Verwendung der am Markt verfügbaren Technik, immer mit Blick darauf »was nützt es wem«. Heute sind schnelle Datennetze, leistungsfähige PC's und unzählige Informationsdatenbanken allgemein verfügbar. Damit ist der Entwicklungsrahmen vorgegeben. Seit dem 2.Quartal 1991 ist eine Arbeitsgruppe der OLAF-Bibliotheken mit Mitarbeitern der Universitätsbibliotheken Karlsruhe, Tübingen und Freiburg dabei, OLAF in die dritte Generation zu führen. Wieder wird das äußere Erscheinungsbild geändert werden, die unterlegte Technik völlig erneuert, die Funktionalität aber wird unverändert beibehalten. Erweiterungen sind angesagt: Als erster Schritt ist ein OPAC mit Selbstbedienungszugriff auf EDV-gespeicherte Katalogdaten der Zentralbibliothek wie auch des universitären Gesamt­ katalogs vorgesehen. Eine stärkere Vernetzung mit den andereren Bibliotheken der Leihverkehrsregion wird folgen. Hier ist die Universitätsbibliothek Konstanz dabei, speziell zur Unterstützung der 312 Informationen - Bibliothekssystem Freiburg i. Br. - Sonderheft 1

Fernleihe Prozeduren zu implementieren, die weiteren Verwaltungs­ aufwand einsparen können und einen schnelleren Zugriff auf Literatur an den anderen Bibliotheken ermöglichen sollen. Die Übernahme in die OLAF-Welt wird technisch möglich sein. Im Erwerbungsbereich arbeitet die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt gemeinsam mit anderen Bibliotheken und dem Buchhandel an Verfahren zur Unterstützung der Erwerbungsabteilungen. All dies geschieht heute im technischen Umfeld allgemein zugänglicher Produkte. Die Einschränkung auf spezielle Rechnertypen oder sonstige Spezialgeräte entfällt. Und dies ist das eigentlich Neue an der dritten Generation: Die Offenheit und damit die Ausweitung der Kooperationsmöglichkeiten. Nun denn, bis Ende 1992 soll der Prototyp mit OLAF und OPAC an der Universitätsbibliothek Karlsruhe in Betrieb gehen. Werden dann aus »32 Ecken« wohl 64 geworden sein?

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