Sächsisches Landesamt für Umwelt. Landwirtschaft und Geologie Abteilung: Vollzug Agrarrecht, Förderung Außenstelle Kamenz 1: Vollzug, Agrarrecht, Förderung Muskauer Str. 18 02906 Niesky Internet: http://www.smul.sachsen.de/lfulg Bearbeiter: Gerd Michler E-Mail:

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Der Marktprozess und die Preisbildung am Milchmarkt Ein effizienter und konfliktfreier Marktverlauf ist für die Zukunft der Milchwirtschaft von enormer Bedeutung. Lassen sich Markteffizienz und Fairness miteinander verbinden? Jeder Unternehmer muss sich bereits heute Gedanken darüber machen, welche Produktion zu welchem Preis morgen abgesetzt werden kann. Das Ergebnis der Überlegungen ist unsicher. Die Pläne der Nachfrageseite und der Mitbewerber sind zunächst nicht bekannt. Es handelt sich markttechnisch gesehen um private Informationen. Die Unsicherheit sinkt, wenn möglichst viele dieser Informationen und Meinungen zur künftigen Entwicklung aufgedeckt und berücksichtigt werden können. Je besser das gelingt, umso geringer weichen Angebot und Nachfrage voneinander ab. Informationen sammeln Der Informationsaustausch und die Meinungsbildung erfolgen am Markt. Beispielsweise dann, wenn Molkereien mit Erzeugergemeinschaften oder einzelnen Milcherzeugern Preisverhandlungen führen. Es ist zwar in den Gesprächen allgemein nicht üblich, die letzten Details über Preislimits und frühzeitig erkannte Trends offenzulegen. Sofern kompetente Verhandlungspartner zusammentreffen und bestimmte Regeln eingehalten werden, reichen die ausgetauschten Informationen trotzdem aus, um zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Beide Seiten sind dann nach dem Gespräch stets klüger und meistens auch zufriedener als zuvor. Wenn allerdings die Reibungsverluste im Markt zunehmen und sich Unzufriedenheit breit macht, sollte man das Regelwerk überprüfen und gegebenenfalls verändern. Zuvor müssen die Maßstäbe klar sein. Was also kennzeichnet einen effizienten Marktverlauf? Welche Schlussfolgerungen lassen sich für den Handel ableiten? Welche Auswirkungen ergeben sich für jedes einzelne Unternehmen? Diese Fragen sollen anhand eines stark vereinfachten Beispiels beantwortet werden. Es beschränkt sich auf nur wenige Marktteilnehmer, ließe sich aber mühelos auf eine viel größere Zahl erweitern. Die Preise sind überzeichnet, um die Rang- und Reihenfolge der Anbieter und der Nachfrager noch deutlicher herauszustellen. Auf die Unterschiede kommt es an.

Verhandeln mit System Abbildung 1 zeigt den Ausschnitt eines Marktverlaufes für Rohmilch. Es wird individuell verhandelt. Innerhalb der zeitlich begrenzten Verhandlungsphasen kann jeder Anbieter und Nachfrager einen Vertrag kündigen und einen neuen Vertrag anstreben, wenn ein anderer Marktpartner bessere Konditionen bietet. Dieses Konzept der bilateralen Verhandlungen gilt für alle Marktformen, sofern ein Wechsel des Vertragspartners nach einer bestimmten Laufzeit ohne Schwierigkeiten möglich ist und Absprachen zwischen den Wettbewerbern unterbleiben. Im linken Teil der Abbildung 1 werden drei Verträge mit den beobachteten Preisen schematisch dargestellt. Zusätzlich sind die wirtschaftlichen Preisuntergrenzen und Preisobergrenzen der Vertragspartner als rote bzw. blaue Balken eingezeichnet. Die Werte zeigen, welcher Milchpreis von den Erzeugern mindestens erzielt werden muss bzw. von den Milcheinkäufern höchstens akzeptiert werden kann, damit sich die Produktion noch lohnt. Die individuellen Preisuntergrenzen der Milcherzeuger entsprechen auf lange Sicht den Vollkosten, kalkuliert mit Faktorpreisen für alle eingesetzten Produktionsfaktoren. Die Preisobergrenzen der Molkereien hängen von der Produktpalette, den betrieblichen Kosten und den Produktmärkten ab. Wenn die Preislimits nicht verletzt werden, ergibt sich eine vollständige Faktorentlohnung. Die gelbe Fläche zwischen den Limits ist dann der kalkulatorische Gewinn. Es wird angenommen, dass man auf gleicher Augenhöhe verhandelt und der Auszahlungspreis etwa in der Mitte der beiden Preislimits liegt. Abbildung 1: Marktverlauf für Rohmilch in den Verhandlungsphasen (Beispiel)

In der Ausgangssituation trifft mit dem ersten Vertrag ein sehr kostengünstiger Anbieter auf einen Nachfrager mit unterdurchschnittlicher Zahlungsbereitschaft. Anbieter C könnte sein Produkt bereits ab einem Preis von 36 Cent/kg kostendeckend erzeugen. Die Kalkulation der Molkerei B geht hingegen nur dann auf, wenn die Milch im Einkauf nicht mehr als 38 Cent/kg kostet. Beim zweiten Vertrag sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Eine sehr leistungsfähige Molkerei mit einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 44 Cent/kg Milch hat hier eine Vereinbarung mit einem besonders kostenintensiven Milcherzeuger. Seine Vollkosten liegen bei 42 Cent/kg. Der beobachtete Preis für den Vertrag zwischen Anbieter A und Molkerei A ist mit 43 Cent/kg Milch höher als beim Vertrag zwischen Milcherzeuger C und Molkerei B. Der Vertragspreis liegt hier nur bei 37 Cent/kg Milch. Der Preisunterschied zählt Die Vertragspreise werden ohne die Preislimits der Partner veröffentlicht. Anbieter C ist mit dem Milchpreis höchst unzufrieden. Er möchte seine Lage verbessern. Neuverhandlungen sind nach einer Vertragslaufzeit von beispielsweise einem Jahr problemlos möglich. Anbieter C kann deshalb Kontakt mit anderen Verarbeitern in der Region aufnehmen. Anbieter C verhandelt zunächst mit Molkerei A. Er stellt im Verlauf der Gespräche und aufgrund der Entwicklung der Auszahlungspreise eine höhere Zahlungsbereitschaft des Einkäufers der Molkerei A gegenüber seinem bisherigen Vertragspartner, der Molkerei B fest. Gleichzeitig bemerkt der Einkäufer der Molkerei A, dass er es mit einem leistungsfähigeren Milcherzeuger zu tun hat, als im alten Vertragsverhältnis. Zwei Marktteilnehmer könnten sich also durch Kündigung des alten und Abschluss eines neuen Vertrages verbessern. Sie werden alles tun, um diese Chance zu nutzen. Anbieter C wird versuchen, Anbieter A zu unterbieten. Nachfrager A wird versuchen, Nachfrager B zu überbieten, um mit dem kostengünstigeren Anbieter C einen Vertrag zu bekommen. Genau dieser Vorgang wird als Wettbewerb bezeichnet. Zugleich zeigt sich, warum Wettbewerb oft als unangenehm empfunden wird. Die Molkerei B und der Milcherzeuger A verlieren im weiteren Verlauf ihre alten Verträge. Für eine Einigung auf einen neuen Vertrag liegen die Preisvorstellungen zu weit auseinander. Molkerei B kann einen Rohstoffpreis von höchstens 38 Cent/kg Milch akzeptieren. Der bewegt sich aber deutlich unter den 42 Cent/kg Kosten des Anbieters A. Um zu guten Verträgen zu kommen, müsste die Molkerei B beispielsweise das Produktionsprogramm und die betrieblichen Abläufe verändern sowie neue Märkte erschließen. Das ist mit Anstrengungen verbunden. Deshalb gilt Wettbewerb als unbequem und ist bei einigen Marktteilnehmern äußerst unbeliebt.

Vorteile überwiegen Der rechte Teil der Abbildung 1 zeigt die neue Lage nach der zweiten Verhandlungsrunde. Sie lässt sich wie folgt beschreiben: 1. Der neue Vertrag bringt für Anbieter C mit 40 Cent/kg Milch einen um 3 Cent/kg höheren Preis als sein bisheriger. Molkerei A kann mit dem Neuvertrag die Beschaffungskosten von 43 Cent/kg auf 40 Cent/kg senken. Die Preisunterschiede waren Anreiz genug, um miteinander ins Geschäft zu kommen. 2. Der Gesamtgewinn im Markt ist gestiegen. Gleichzeitig ist er anders verteilt. Der Gewinn erhöht sich bei den leistungsstärkeren Marktteilnehmern zu Lasten der schwächeren Anbieter und Nachfrager. 3. Die Streuung der Vertragspreise ist geringer geworden. Erst wenn sich die Marktfaktoren ändern, würde sie wieder zunehmen. 4. Anbieter A und Molkerei B sind vom Markt ausgeschlossen. Sollte es dennoch zu einem Neuvertrag kommen, zahlt einer von beiden drauf und es entsteht ein negativer Preiseffekt auf den Gesamtmarkt. 5. Niemand kann gezwungen werden, in eine nicht kostendeckende Produktion zu investieren. Das wäre eine schleichende Enteignung. Nur wenn akzeptable Preise zu erwarten sind, wird die Produktion dauerhaft fortgeführt. Die Marktteilnehmer entwickeln deshalb ihre Mengenplanungen anhand der Preise in dem beschriebenen Wettbewerbsprozess. Im vorliegenden Fall verringert sich die geplante Gesamtmilchmenge gegenüber der Ausgangssituation (x2 < x1). Wenn man Wettbewerb zulässt, dann werden ohne weiteres Zutun die leistungsfähigeren Unternehmen gefördert. Sie schöpfen wesentlich höhere Gewinne ab, als die abfallenden Akteure. Sie haben damit künftig mehr Mittel für Investitionen und können expandieren. Den schwächeren Betrieben fließen weniger finanzielle Mittel zu. Sie müssen mit dauerhaftem Marktausschluss rechnen, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht erledigen. Dieser Prozess ist effizient, weil damit die knappen Produktionsfaktoren genau dorthin wandern, wo sie am besten verwertet werden. Mangel sowie Überschüsse werden vermindert. Die Wertschöpfung des Zweiges und dessen Leistungsfähigkeit im internationalen Maßstab steigen. Wettbewerb ist daher der Motor für wirtschaftlichen Fortschritt. Betrieblicher Nutzen Auf Dauer profitiert jeder einzelne Milcherzeuger. Viele Landwirte sehen Marktbeobachtung, Kalkulation, Verhandeln und die Produktionsdurchführung als gleichwertige Tätigkeiten an. Erst gleichberechtigte Verhandlungen und ein breiter Informationsaustausch führen zu einem effizienten Marktverlauf. Man gelangt zu einer realistischen Einschätzung der künftigen Angebots- und Nachfrageentwicklung. Die Schwankungen am Markt werden begrenzt. Die Gefahr extremer Verwerfungen verringert sich. Genau darum geht es vielen Milcherzeugern mit Blick auf den mittelfristigen Wegfall der Quote. Eine höhere Wettbewerbsintensität verlangt mehr Kostentransparenz im Unternehmen. Die Kosten-Leistungsrechnung gewinnt an Bedeutung. Gewinnreserven werden aufgedeckt. Gleichzeitig gelangen die Betriebsleiter zu einer nüchternen Einschätzung der eigenen

Wettbewerbsfähigkeit. Investitionsentscheidungen können darauf aufbauend besser abgewogen werden. Damit sinkt die Gefahr von Fehlinvestitionen. Sie könnten aufgrund der hohen Kapitalintensität in der modernen Landwirtschaft die Existenz kosten. Eine nicht entwicklungsfähige Produktion sollte deshalb rechtzeitig eingestellt wird. Die freigesetzten Mittel stehen für Einkommensalternativen zur Verfügung, die besser zum Betrieb und zum Standort passen sowie eine höhere Faktorentlohnung versprechen. Was für den einzelnen Landwirt gilt, trifft gleichermaßen auf die Molkereien zu. Investitionsentscheidungen müssen auch in diesem Sektor von realistischen Erwartungen für die Entwicklung des Milchpreises und der Produktnachfrage ausgehen. Investitionen sollen die Wettbewerbsfähigkeit des Molkereiunternehmens verbessern. Die drückt sich vorrangig in einer relativ hohen Zahlungsbereitschaft und einem großen Verhandlungsspielraum aus. Wenn der Preis stimmt und ein qualifiziertes Lieferantenmanagement betrieben wird, besteht keine Gefahr eines Rohstoffmangels. Für übermäßig lange Vertragslaufzeiten fehlt damit jede Begründung. Die landwirtschaftlichen Betriebsleiter sind klug genug, um die berechtigten Belange der Milchindustrie bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen und kurzfristiges Molkereihopping zu vermeiden. Die Milcherzeuger werden aber künftig nicht nur auf die mittelfristigen Preisunterschiede zwischen den Verarbeitern achten. Auch die Schwankungen und Risiken sind bedeutsam. Die Molkereien könnten sie spürbar vermindern und zugleich bessere Informationen an ihre Partner für deren individuelle Mengenplanungen liefern, wenn es echte Milchproduktbörsen geben würde. Marktsimulation mit Excel Die Akteure am Rohmilchmarkt handeln eigennützig und rational. Exakte betriebliche Produktions-, Kosten-, Angebots- und Nachfragefunktionen sind ihnen zwar meistens nicht bekannt. Erfahrene Betriebsleiter haben aber ein sicheres Gespür für eine möglichst günstige Gestaltung der Produktionsverfahren hinsichtlich der Faktorkombination und der Intensität des Faktoreinsatzes. Außerdem planen sie ihre Kosten. Die Molkereien entwickeln zusätzlich Preiserwartungen für Milchprodukte oder leiten solche von künftig einzurichtenden Produktbörsen ab. Damit können die Marktbeteiligten ihre Preislimits kalkulieren. Sie markieren die Grenzen des Spielraumes für Preisverhandlungen. Auf den ersten Blick erscheint die Abstimmung der Mengenplanungen der Anbieter und Nachfrager als leicht zu lösende Aufgabe. Das gilt allerdings nur dann, wenn es eine zentrale Planungsstelle oder Planungsbehörde geben würde, die über die komplette Liste der Anbieter und Nachfrager mit allen Preislimits sowie Mengen verfügen könnte. In der Realwirtschaft handelt es sich dabei aufgrund der Vielzahl der Akteure und der Wechselwirkungen im Marktsystem um eine unüberschaubare Fülle an Informationen, die sich zudem fortlaufend verändern. Die Marktbeteiligten werden auch kaum bereit sein, ihre privaten Informationen unverfälscht weiterzugeben. Sie würden beispielsweise individuelle Preiskalkulationen und Preislimits zu ihrem Vorteil verändern.

Der Allwissenheitsanspruch einer zentralen Planungsstelle ist daher nach menschlichem Ermessen niemals zu erfüllen. Ihre Vorgaben wären überwiegend falsch. In einem reichlich mit Milch versorgten Markt würde ihre Mengenvorgabe den Preisabsturz beschleunigen. In einem knapp versorgten Markt würde sie den Markt zusätzlich begrenzen und den Preisauftrieb verstärken. Zentrale Mengenplanungen wirken daher wie Irrlichter. Die vorliegende Simulation mit Microsoft Excel (hier) vermittelt dagegen das Bild eines Marktverlaufes mit individuellen Verhandlungen souverän entscheidender Akteure. In den zeitlich begrenzten Verhandlungsphasen findet auf beiden Marktseiten ein intensiver Preiswettbewerb und Informationsaustausch statt. Die Namen der Marktteilnehmer und ihre Preisgrenzen werden vom Anwender vorgegeben oder vom Programm nach dem Zufallsprinzip bestimmt. Nach dem Programmstart werden die Anbieter und Nachfrager ebenfalls nach zufälliger Auswahl aktiv. Sie suchen dann intensiv nach Gelegenheiten zur Verbesserung ihrer Ausgangssituation. Falls noch kein Vertragsverhältnis besteht, geht es zunächst darum, überhaupt einen Marktpartner für einen Kosten deckenden Vertrag zu finden. Danach suchen die Erzeuger und Verarbeiter von Rohmilch nach leistungsfähigeren Marktpartnern als im alten Vertrag. Leistungsfähiger als der bisherige Nachfrager ist aus Sicht eines Anbieters derjenige Nachfrager, der einen höheren Milchpreis akzeptieren kann. Leistungsfähiger als der bisherige Anbieter ist aus Sicht eines Nachfragers der Anbieter mit den geringeren Kosten der Milchproduktion. Die Kündigung eines alten und der Abschluss eines neuen Vertrages erfolgen jedoch nur dann, wenn der neue Vertrag auch für den leistungsfähigeren Marktpartner selbst vorteilhaft ist. Das trifft genau dann zu, wenn er als Molkerei fortan seinen Einkaufspreis senken oder als Milchproduzent einen höheren Verkaufspreis realisieren kann. Die Verhandlungen sind also nur dann erfolgreich, wenn sich mindestens zwei Marktteilnehmer gegenüber der Ausgangssituation verbessern können. In den nachfolgenden Erläuterungen werden die Marktbeteiligten entsprechend ihrer Rolle im Marktprozess kurz als Wettbewerbsinitiator, Wunschpartner des Wettbewerbsinitiators und als Wettbewerber bezeichnet. Der Wettbewerbsinitiator und der Wettbewerber konkurrieren auf derselben Marktseite um ein Vertragsverhältnis mit dem leistungsfähigen Wunschpartner. Es handelt sich bei dem Wettbewerbsinitiator und dem Wettbewerber beispielsweise um zwei Milcherzeugergemeinschaften oder Milcherzeuger. Der Wettbewerbsinitiator ist mit seinem bisherigen Vertragspartner unzufrieden. Er hofft auf einen besseren Preis. Dazu strebt er einen neuen Vertrag mit einer sehr leistungsfähigen Molkerei, seinem Wunschpartner, an. Ein anderer Milcherzeuger, der Wettbewerber, hat bereits einen Vertrag mit dieser Molkerei. Die Rohstoffnachfrage der Molkerei ist begrenzt. Sie wird dem wirtschaftlich schwächeren Anbieter einen langfristig leistungsfähigeren Anbieter vorziehen, wenn sie vor die Wahl gestellt wird oder sich selbst aktiv um bessere Verträge bemüht. Der Wettbewerber läuft also Gefahr, dass sein Vertrag aufgelöst wird. Ein ähnliches Beispiel ließe sich für den Wettbewerb zweier Molkereien um einen Vertrag mit einer wirtschaftlich starken Milcherzeugergemeinschaft finden.

Der Preiswettbewerb wird im Programm anschaulich und mit zeitlicher Verzögerung dargestellt. Im Rahmen der Abwägung vergleichen die Akteure dabei folgende drei Preise: -

Der Preis des bestehenden Vertrages des Wettbewerbsinitiators, der nach Möglichkeiten zur Gewinnverbesserung sucht. Der Preis eines neuen Vertrages, der zwischen dem Wettbewerbsinitiator und dem besonders leistungsfähigen Wunschpartner zustande kommen könnte. Der Vertragspreis des bisherigen Vertrages zwischen dem Wunschpartner und dem Wettbewerber, der im Ergebnis des Preiswettbewerbs aufgelöst werden müsste.

Falls der Wettbewerbsinitiator und sein Wunschpartner bereits Verträge hatten und es zu einem neuen Vertrag kommt, müssen die beiden alten Vertragspartner mit einem zumindest vorübergehenden Marktausschluss rechnen. Wenn sich die Vertragsverhältnisse geändert haben, werden im Simulationsprogramm alle Verträge nach der Höhe der Gewinne abfallend sortiert. Dieser Vorgang ist für den Marktprozess selbst ohne Bedeutung. Durch die Sortierung ergeben sich eine fallende Kurve der Preisobergrenzen der Nachfrager und eine ansteigende Kurve der Preisuntergrenzen der Anbieter. Die Kurven dienen dem Vergleich mit dem idealen Marktergebnis und der Beurteilung der Markteffizienz. Dazu wird vor Beginn der Simulation im Hintergrund das Preis-Mengendiagramm einer fiktiven Börse eingeblendet. Die Abbildung 2 zeigt die Ausgangssituation in einem Markt vor Beginn einer neuen Verhandlungsperiode. Zu jedem Vertrag werden die Preislimits der Partner und der Vertragspreis dargestellt. Die Differenz der Preislimits entspricht dem Gewinn (kalkulatorischer Gewinn, Tauschgewinn, Kooperationsgewinn). Anhand der Liste der Verträge im linken Teil der Abbildung 2 ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Ausgangslage keineswegs optimal ist. Beispielsweise realisieren die Anbieter A 3 und A 6 gleich hohe Gewinne von 3 Cent/kg Milch (hälftiger Anteil von 6 Cent/kg Gewinn insgesamt), obwohl ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stark divergiert. Der Gesamtgewinn im Markt beträgt nur 43 Cent/kg * n Kilogramm (mit n = Milchmenge je Einheitsvertrag). Viele Marktteilnehmer werden unter diesen Bedingungen die Honorierung ihrer unternehmerischen Leistung als vergleichsweise gering empfinden.

Abbildung 2: Ausgangssituation am Markt vor Beginn der Verhandlungsperiode (Beispiel, Auszug)

Nach dem Start des Programms wird der Marktverlauf simuliert. Nur die Vertragspreise und die gebundenen Mengen sind im Rahmen der öffentlichen Marktberichterstattung zu jedem Zeitpunkt für alle Marktbeteiligten sichtbar. Die individuellen Preislimits hingegen sind als private Informationen nur den einzelnen Unternehmern selbst bekannt. Die Akteure suchen nach Gelegenheiten zur Gewinnverbesserung, verhandeln und decken dabei jede Menge private Informationen der Marktpartner auf. Es kommt zu zahlreichen Vertragsauflösungen und Neuverträgen. Schließlich ergibt sich das in Abbildung 3 dargestellte Bild. Die Abbildung 3 zeigt, dass sich durch individuelle Verhandlungen und intensiven Wettbewerb die Gleichgewichtsmenge und ein ziemlich einheitliches Preisniveau von selbst einstellen. Nicht die Quote, sondern die letzte kostendeckend gehandelte Einheit an Rohmilch begrenzt hier den Markt. Das ist der letzte von sechs rentablen Einheitskontrakten, im Beispiel laut Liste der Vertrag zwischen A 1 und N 1 mit 2 Cent Gewinn je Kilogramm Rohmilch. Außerdem finden die leistungsfähigsten Anbieter und Nachfrager über Verträge zueinander. Einige wirtschaftlich schwächere Akteure haben ihre Verträge verloren (N 4, A 5) oder Marktanteile eingebüßt (N 1). Die individuellen Gewinne entsprechen nunmehr dem realen Beitrag der einzelnen Milcherzeuger und Molkereien zur Wertschöpfung aus der Milch innerhalb der Wertschöpfungskette.

Abbildung 3: Ergebnis einer Marktsimulation (Beispiel, Auszug)

Gleichzeitig erreicht der Gesamtgewinn im Markt seinen höchstmöglichen Wert. Im Beispiel stieg er von 43 auf 52 Cent/kg Milch * n Kilogramm (mit n = Milchmenge je Einheitsvertrag). Der Vergleich mit dem Preis-Mengendiagramm der fiktiven Börse im Hintergrund deutet auf einen effizienten Marktverlauf hin. Viele Marktteilnehmer konnten sich verbessern und werden die Entlohnung ihrer Unternehmerleistung jetzt als deutlich angemessener empfinden, als in der Ausgangssituation. Der „Kuchen“ ist insgesamt größer geworden und er ist leistungsgerechter, also fair verteilt.

Die Spielregeln sind entscheidend Ein Marktergebnis, dass zum gesamtwirtschaftlichen Optimum tendiert, ist danach nur die Folge des gewinnorientierten Handelns der einzelnen Marktteilnehmer. Vorab klar definierte allgemeine Regeln genügen, um eine hohe Markteffizienz zu sichern. Eine zentrale Planungsstelle ist nicht erforderlich. Damit der Rohmilchmarkt künftig seine beiden Hauptaufgaben -

Abstimmung der Mengenplanungen der Anbieter und Nachfrager sowie optimale individuelle Zuordnung von Anbietern und Nachfragern

bei gleichzeitig niedrigen Nebenkosten des Handels (Transaktionskosten) erfüllen kann, sollte verstärkt über die Rollen aller Beteiligten und über das Marktdesign, also das Regelwerk für den Markt, diskutiert werden. Die Erzeugergemeinschaften beobachten Märkte, unterstützen die Landwirte bei der Plankosten-Leistungsrechnung, kalkulieren und verhandeln. Sie erbringen damit Dienstleistungen, begünstigen eine optimale Faktorallokation und senken die Transaktionskosten. Sie leisten einen eigenständigen, Wert schöpfenden Beitrag im Markt. Dabei sind Unterschiede zwischen den Erzeugergemeinschaften durchaus erwünscht. Innerhalb der einzelnen Organisationen sollte das Publikum aber hinsichtlich der betrieblichen Kosten und der Preisvorstellungen möglichst homogen sein. Je nach Marktdesign sind ganz unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten sind. Die bisherigen Beispiele bezogen sich auf einen Matching-Markt und ein Regelwerk, das einen Preiswettbewerb auf beiden Marktseiten begünstigt. Es wäre mit einem völlig anderen Ergebnis zu rechnen, wenn auf einer der beiden Marktseiten jeweils nur einer oder wenige Akteure verhandeln und das Resultat dann für allgemeinverbindlich erklären. Die Informationsverarbeitungskapazität des Marktes wird auch dann ungenügend genutzt, wenn die Kieler Rohstoffwerte zugrunde gelegt oder der Durchschnittsauszahlungspreis aller Molkereien einer Region als Basis für die Kalkulation des Auszahlungspreises der eigenen Molkerei genutzt wird.

Abschließend wird auf folgende Annahmen und Vereinfachungen bei der Modellierung des Marktprozesses hingewiesen: 1. Es werden eine hohe Markttransparenz, ein fundiertes Marktwissen sowie gleiche Verhandlungsmacht aller Beteiligten und somit eine tendenziell hälftige Teilung der Tauschgewinne zwischen den Vertragspartnern vorausgesetzt. 2. Preispolitische Maßnahmen und strategisches Verhalten spielen keine Rolle. 3. Markteintritte und Marktaustritte erfolgen ohne zeitliche Verzögerungen. 4. Staatliches Handeln konzentriert sich im Marktbereich auf die Wettbewerbspolitik. 5. Während der Verhandlungsphase gibt es keine Veränderungen auf korrespondierenden Märkten mit Auswirkungen auf die betrieblichen Kalkulationen der Preislimits. Korrespondierende Märkte sind beispielsweise die Märkte für Zukaufsfuttermittel im Milchviehbereich. 6. Im einfachsten Fall handeln alle Anbieter und Nachfrager mit jeweils nur einem Gebot mit einer einheitlichen Menge. Es gibt im Programm aber auch die Möglichkeit, dass ein und derselbe Marktteilnehmer von Beginn an mit mehreren Geboten mit gleichen oder unterschiedlichen Preislimits am Markt teilnimmt. So lassen sich sogar betriebliche Angebots- bzw. Nachfragekurven abbilden, sofern die Angebotskurve steigend und die Nachfragekurve fallend ist. Diese Verläufe entsprechen dem gängigen Denkmodell der Wirtschaftsmathematiker und Volkswirte. In der Praxis lassen sich Beispiele finden, wo diese Bedingung angebotsseitig nicht durchgängig erfüllt ist. 7. Die Preise und die kalkulatorischen Gewinne sind teilweise überzeichnet. Nicht auf deren absolute Höhe sondern auf die Unterschiede kommt es hier an. Diese Annahmen und Vereinfachungen ändern nichts an den Grundaussagen zum Marktprozess. Gleichwohl könnten einige der genannten Punkte zum Gegenstand weiter gehender Untersuchungen zur Verbesserung des Marktdesigns bei der Rohmilch werden. Interessante Schlussfolgerungen für praktisches Handeln ergeben sich auch dann, wenn die beschriebene Methode auf die Untersuchung eines Marktsystems mit mehreren Märkten und deren Wechselwirkungen angewendet wird. Fazit Für die Zukunft der Milchwirtschaft ist es überaus bedeutsam, dass die Anreize für Produktivitätssteigerungen sowie Innovationen wirken können und extreme Marktschwankungen begrenzt werden. Dafür sind Wettbewerb auf beiden Marktseiten, umfassende Markttransparenz, klare Regeln für Verhandlungen und ein fundiertes Marktwissen aller Akteure unabdinglich. Die Mechanismen zur Aufdeckung und Verarbeitung von Informationen werden dann bestmöglich genutzt. Das ist zugleich der entscheidende Vorteil gegenüber planwirtschaftlichen Mengensteuerungen. Sofern das Marktdesign stimmt, können Märkte mit bilateralen Verhandlungen, in der Simulation dargestellt als Matching-Markt, sehr effizient sein. Die Wertschöpfung erreicht dann ihr Maximum. Die einzelnen Marktteilnehmer erhalten entsprechend ihrer Unternehmerleistung einen fairen Anteil am „Kuchen“.