INFORMATIONEN AUS DER GESETZGEBUNG UND RECHTSPRECHUNG

INFORMATIONEN AUS DER GESETZGEBUNG UND RECHTSPRECHUNG Der Richtervorbehalt – ein rechtstatsächliches Feigenblatt Durch den sogenannten Richtervorbehal...
Author: Insa Bader
4 downloads 0 Views 3MB Size
INFORMATIONEN AUS DER GESETZGEBUNG UND RECHTSPRECHUNG Der Richtervorbehalt – ein rechtstatsächliches Feigenblatt Durch den sogenannten Richtervorbehalt soll sichergestellt werden, dass gravierende Eingriffe in individuelle Rechte des Klägers, insbesondere in Freiheitsrechte, seitens der Exekutive nur unter den in den Gesetzen vorgesehenen engen Voraussetzungen stattfinden können. Die Exekutive (Polizei, Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung etc.) soll im besonders – grundrechtlich – geschützten Bereich des Bürgers, beispielsweise durch Telefonüberwachung, Hausdurchsuchung, Lauschangriff oder ähnliches nur dann tätig werden dürfen, wenn zuvor ein Richter die engen Voraussetzungen geprüft und die entsprechende Maßnahme ausdrücklich angeordnet hat. Unter Hinweis auf diesen sogenannten Richtervorbehalt wird Ihnen, den Bürgern, so manches Gesetzesvorhaben „schmackhaft gemacht“, jedenfalls insoweit, als damit das Versprechen verbunden wird, den braven und im Wesentlichen gesetzestreuen

Bürger könne das gesetzlich vorgesehene Vorhaben gar nicht treffen. Zahlreiche Studien einerseits und die alltägliche anwaltliche Praxis andererseits zeigen indessen, dass dieser „Richtervorbehalt“ in vielen Fällen nichts anderes ist, als ein gesetzliches Feigenblatt und blanke Makulatur. Es ist durchaus zunehmend zu beobachten, dass die insoweit zuständigen (Amts-) Richter in vielen Fällen die im Interesse der Freiheitsrechte des Bürgers gebotene Sorgfalt vermissen lassen. Dies führt dazu, dass Hausdurchsuchungen – beispielsweise durch die Steuerfahndung – gebilligt und angeordnet werden, die bei der gebotenen strengen Prüfung der jeweiligen Voraussetzungen nicht hätten stattfinden dürfen. In jüngster Zeit sind uns Fälle bekannt geworden, in denen (Amts-) Richter entsprechende Maßnahmen (veranlasst durch Staatsanwaltschaft, aber auch und insbesondere durch die Steuerfahndung) gebilligt und angeordnet werden, ohne dass der entsprechenden Anordnung auch nur dem äußeren Anschein nach die gebotene gründliche Überprüfung des Sachverhaltes, insbesondere des

notwendigen Tatverdachts, vorausgegangen ist. So hat ein (Amts-) Richter auf telefonischen „Zuruf“ die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen eines durchaus beachtlichen Unternehmens angeordnet, weil man in den Wohnräumen des Geschäftsführers dieses Unternehmens die erhofften Unterlagen nicht gefunden hatte. Ausdruck dessen, dass nicht einmal

»

„NEUES AUS DEM RECHTSSCHUTZ“ „NEUES AUS DEM STEUERRECHT“

ET CETERA DEZEMBER 2010 AN AUSGEWÄHLTE MANDANTEN

DEZEMBER 2010

elementarste Voraussetzungen dieses schwerwiegenden Eingriffs geprüft worden waren, war es, dass man „in der Aufregung“ völlig übersehen hat, dass das betroffene Unternehmen selbst gar nicht Gegenstand irgendwelcher Vorwürfe war und sich – durchaus mögliche – Durchsuchungen von Räumen außenstehender Dritter nach gänzlich anderen – nämlich noch viel engeren – Regeln zu richten haben. Wiederum in einem anderen Fall hatte ein (Amts-) Richter mir gegenüber, ich war als Insolvenzverwalter tätig, die „Erstreckung“ eines Durchsuchungsbefehls auf die von mir betreute Gesellschaft „angeordnet“, ohne dass dieser (Amts-) Richter zuvor jemals mit dieser Sache befasst gewesen wäre und auch ansonsten völlig uninformiert war. Neuere Untersuchungen haben diesbezüglich den Nachweis erbracht, dass die mit der Angelegenheit befassten Richter in einer hohen Zahl der Fälle, die zur Begründung der Anordnung vorgebrachten Behauptungen kritiklos zur Begründung der richterlichen Anordnung übernommen hatten. Weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet sieht derzeit ein Gesetzesvorhaben vor, den sogenannten „Richtervorbehalt“ in einem besonders sensiblen Bereich ganz abzuschaffen. Es geht um die Anordnung der Blutentnahme in den Fällen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr. Während bislang völlig klar war, dass die Anordnung einer Blutentnahme, also eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen, zwingend eine richterliche Anordnung und damit eine Überprüfung des Sachverhalts durch diesen Richter, erforderte, hatte man – ebenfalls – weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt, in vielen Fällen auf die Einholung eines richterlichen Beschlusses vor der Blutentnahme „verzichtet“. Es ist einigen engagierten Rechtsanwälten und schließlich

|2

auch den Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte und zuletzt einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu verdanken, dass die Bedeutung der Freiheitsrechte und damit die Bedeutung des sogenannten Richtervorbehaltes wieder verstärkt in das Bewusstsein der Exekutive gerückt ist. So wies das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom Juni 2010 – erneut – auf die grundsätzliche Bedeutung des Richtervorbehaltes bei Eingriffen in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen hin. Dies führte dann im Ergebnis – für den betroffenen Verdächtigen – dazu, dass die ihm zu Unrecht entnommene Blutprobe nicht zu seinem Nachteil verwertet werden durfte.

Wer aus diesem Judikat und der hieraus sich ergebenden Folge jedoch schließen wollte, dass damit doch letztendlich alles wieder in Ordnung sei, irrt: Erstaunlicherweise hat der Bundesrat, als ein zur Einbringung von Gesetzesvorhaben berufenes Verfassungsorgan nun sich ausdrücklich gegen das höchste deutsche Verfassungsorgan, nämlich eben das Bundesverfassungsgericht, gewendet, indem eine Gesetzesinitiative gestartet wurde, mit dem Ziel, den Richtervorbehalt im Bereich der Blutentnahme endgültig abzuschaffen. Zum einen – so wird das Aufsehen erregende Vorhaben begründet – entspreche das gesetzgeberische Ziel durchaus der üblich gewordenen

Praxis, und zum anderen sei der Verzicht auf die Einholung einer gerichtlichen Anordnung auch aus pragmatischen Gründen geboten. Schließlich haben sich in diesem Zusammenhang zur Begründung der entsprechenden Initiative auch „Rechtsgelehrte“ zu Wort gemeldet mit der Rechtsbehauptung, aus der diesbezüglich ganz überwiegend geübten Praxis sei – eben durch diese geübte Praxis – eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Situation geschaffen worden. Die Entnahme einer Blutprobe ohne richterlicher Anordnung entspreche also „Gewohnheitsrecht“. Sehr bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang, dass der eigentlich zu erwartende empörte und entsetzte Aufschrei in der Öffentlichkeit ausblieb. Es ist schon ein ausgesprochen waghalsiges juristisches Unterfangen, eine fortgesetzte grundrechtswidrige Praxis der Exekutive als Grundlage für die Existenz eines „Gewohnheitsrechts“ heranzuziehen. Warum erzähle ich Ihnen – kurz vor Weihnachten – eine solche Geschichte? Ich tue dies deshalb, um zu verdeutlichen, dass mühsam in der Geschichte erworbene Rechtspositionen immer wieder sorgfältig bewahrt und verteidigt werden müssen und – natürlich – deshalb, weil sich auch an dieser Stelle zeigt, wie wichtig es ist, gegebenenfalls wirklich in der Sache engagierte Anwälte an seiner Seite zu haben. Ich hoffe, Sie wissen, dass wir für Sie da sind. In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und wünsche Ihnen ein beschauliches Jahresende und ein gutes neues Jahr in Gesundheit.

Ihr Karl-Heinz Branz

DEZEMBER 2010

neues aus dem RECHTSSCHUTZ RECHTSSCHUTZVERSICHERER – FREUND UND FEIND ZUGLEICH! Beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung geht der Versicherungsnehmer davon aus, sich gegen Versicherungsfälle abzusichern. Dazu ist er bereit, eine doch nicht ganz unbeachtliche Geldsumme zu bezahlen. Bis dahin sind die Versicherung und der Versicherungsnehmer meist gute Freunde. Anders kann dies aussehen, wenn tatsächlich ein Versicherungsfall eintritt und der Versicherungsnehmer nunmehr Leistung beanspruchen muss.

angebotenen annehme.

Aufhebungsvertrag

Daraufhin beauftragte der Arbeitnehmer einen Rechtsanwalt und wehrte sich gegen das Vorgehen des Arbeitgebers. Der Anwalt versuchte bei der Rechtsschutzversicherung Deckungszusage einzuholen. Eine Kostenübernahme für diese Tätigkeit lehnte die Rechtsschutzversicherung allerdings ab. Begründung der Versicherung hierfür war, dass nach den einschlägigen Vorschriften Ihrer Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen kein Versicherungsfall vorläge. Es mangle an einem Rechtsverstoß.

Neben dem eigentlichen Ärgernis kann es durchaus sein, dass auch die Rechtsschutzversicherung betreffend die Frage einer Kostenübernahme selbst zum rechtlichen Kontrahenten wird. Oftmals ist die Behauptung zu hören, bei dem vorgetragenen Sachverhalt sei ein Rechtsschutzfall im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB 75 bzw. § 4 (1) c ARB 1994/2000/2008 nicht gegeben. Eine Eintrittspflicht somit nicht begründet. Mit Urteil vom 19.11.2008 hat der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen: IV ZR 305/07) erneut zu diesem Bereich entscheiden müssen. Ein Arbeitnehmer war rechtsschutzversichert. Dabei umfasste die Rechtsschutzversicherung auch die „Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen“. Der Arbeitgeber hat diesem Arbeitnehmer nunmehr mitgeteilt, dass Restrukturierungsmaßnahmen notwendig werden. Einhergehend damit ein Stellenabbau im Betrieb. Es sei beabsichtigt auch ihm zu kündigen. Diese Kündigung könne er nur umgehen, in dem er ein ihm

eine betriebsbedingte Kündigung angedroht und später mitgeteilt, dass er von der geplanten Stellenreduzierung betroffen sei. Dies unter Verweigerung der Angaben zu einer Sozialauswahl und damit zugleich ein befristetes Angebot auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages unterbreitet. An der Ernsthaftigkeit, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise auf jeden Fall zu beenden und nicht etwa nur vorbereitende Gespräche führen zu wollen, bestand nach diesen Behauptungen des Arbeitnehmers kein Zweifel. Auf diese vom Kläger behaupteten Tatsachen hatte er den Vorwurf gegründet, die Arbeitgeberin habe ihre Fürsorgepflicht verletzt und damit eine Vertragsverletzung begangen. Sie habe eine Kündigung ohne Auskunft über die Sozialauswahl in Aussicht gestellt, die weil sozial ungerechtfertigt rechtswidrig wäre. Schon mit diesem behaupteten Verhalten war ein Rechtsschutzfall anzunehmen. Der Rechtsschutzversicherer musste die Anwaltskosten des Versicherungsnehmers erstatten.

Der versicherte Arbeitnehmer verlangte jedoch weiterhin die Erstattung der Rechtsanwaltgebühren. Die Streitigkeit zog sich über die Instanzgerichte bis zum Bundesgerichtshof hin. Die Richter stellten sich auf die Seite des Arbeitnehmers. Dieser hat die aufgestellten Grundsätze für die Bewertung ob ein Versicherungsfall vorliegt zunächst einmal erneut bestätigt. Diese Grundsätze gelten auch für die Androhung einer Kündigung des Arbeitgebers.

Es wird häufig übersehen, dass für den behaupteten Verstoß gegen Rechtspflichten der Vortrag des Versicherungsnehmers mit dessen objektiven Tatsachenkern maßgeblich ist. Dieses Urteil zeigt einmal wieder die Zwiespältigkeit der Verbindung zwischen zahlendem Versicherungsnehmer und dem im Falle eines Rechtsschutzfalles leistungsverpflichteten Versicherungsgeber. Daniela Kühner Rechtsanwältin

Der Arbeitnehmer hatte hier ein tatsächliches Geschehen aufgezeigt, mit dem er den Vorwurf des Rechtsverstoßes durch seine Arbeitgeberin verbunden hatte. Diese habe ihm einen Aufhebungsvertrag angeboten. Im Falle der Nichtannahme

|3

DEZEMBER 2010

„NOCH EBBES“

Internetfähige Computer sind, so das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27.10.2010 (Aktenzeichen 6 C 12/09) rundfunkgebührenpflichtig. Zwei Rechtsanwälte und ein Student gingen gegen die Einstufung internetfähiger PCs als rundfunkgebührenpflichtig vor. Dem hat das Bundesverwaltungsgericht eine Absage erteilt. Für eine Gebührenpflicht, so das Bundesverwaltungsgericht, komme es allein auf den Besitz der Geräte an und nicht darauf, ob der Inhaber mit dem Gerät tatsächlich Radiobzw. Fernsehsendungen empfängt. Volker Straub Rechtsanwalt

WIR MACHEN SCHLUSS: MIT RECHTSIRRTÜMERN! DAS MANDANTENQUIZ

Wir erinnern uns (vergleiche Ausgabe Et Cetera August 2009), dass Sie mittlerweile in eine andere Wohnung in einer anderen Stadt umgezogen sind und auch gleich eine neue Arbeitsstelle gefunden haben. Nachdem Sie sich beim neuen Arbeitgeber vorstellen, erklärt dieser Ihnen, Sie könnten sofort anfangen und er zeigt Ihnen den Arbeitsplatz. Unterschrieben wird nichts; auf einen entsprechenden Hinweis von Ihnen wird erklärt, dass hier schriftliche Arbeitsverträge nicht üblich seien. Sie erledigen Ihre Arbeit in den nächsten 11 Monaten hervorragend. Trotzdem kommt der Arbeitgeber eines Tages auf Sie zu und teilt mit, Sie könnten nach Hause gehen. Ihnen werde gekündigt. Sie weisen ihn darauf hin, dass man einen Arbeitsvertrag habe und er im Übrigen schriftlich kündigen müsse. Dies verneint der Arbeitgeber und begleitet Sie nach draußen. Frage: Sind Arbeitsverträge nur in schriftlicher Form gültig? Muss die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses schriftlich erfolgen? Auflösung der Frage auf Seite 7

|4

Neues aus dem Recht der Wohnraummiete Jeder, der Partei eines Mietverhältnisses ist dürfte den Begriff der Mietkaution kennen. Sinn dieser Leistung des Mieters ist die Absicherung künftiger Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis und dessen Abwicklung. Für den Bereich der Wohnraummiete gilt die Sondervorschrift des § 551 BGB. Der Hauptanwendungsfall von Sicherheitsleistungen im Bereich des Wohnraummietrechts stellt die Zahlung eines Betrages auf ein Kautionskonto dar. Hier kommt sodann Absatz 3 des vorbenannten Paragraphen ins Spiel. Dieser bestimmt: „Die zur Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit 3-monatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen ist.“ Jedoch können die Vertragsparteien auch andere Anlageformen vereinbaren. In beiden Fällen jedoch muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und die Erträge stehen dem Mieter zu. Zu diesem doch sehr streitträchtigen Bereich hatte nunmehr der Bundesgerichtshof im Oktober diesen Jahres erneut eine Entscheidung zu fällen (Az.: VIII ZR 98/10). Zum Sachverhalt: Die Beklagten haben vom Kläger, durch zwei voneinander abhängigen Mietverträge eine auf dessen Gutshof gelegene Wohnung sowie sechs Pferdeboxen nebst Weideland gemietet. Der Mietvertrag über die Stallungen sah keine Kautionszahlungen vor. Hingegen enthielt der Wohnraummietvertrag eine Vereinbarung zur Sicherheitsleistung wie folgt: „Der Mieter leistet bei Beginn des Mietverhältnisses dem Mieter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen eine Barkaution in Höhe von € 2.000,00 auf ein Mietkautionskonto – Übergabe an den Vermieter beim Einzug. (…)“

DEZEMBER 2010

Eine Zahlung der Mietkautionsraten durch die Mieter erfolgte trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Diese beriefen sich gegenüber dem Vermieter darauf, dass diese zur Zahlung erst verpflichtet seien, wenn ein gesondertes und den gesetzlichen Anforderungen genügendes Mietkautionskonto genannt und nachgewiesen sei. Der Kläger vertrat hingegen die Auffassung er müsse ein Mietkautionskonto nicht vorab mitteilen und kündigte in Folge dessen das gesamte Mietverhältnis. In der letzten Instanz hat nunmehr der Bundesgerichtshof entschieden, dass die auf die Nichtzahlung der Kaution gestützte Kündigung unwirksam ist. Gemäß § 551 Absatz 3 BGB hat der Vermieter eine ihm überlassene Mietsicherheit unabhängig von den gegebenenfalls vereinbarten Anlageformen getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Kaution vom Vermögen des Vermieters sicher zu trennen und somit dem Zugriff dessen Gläubigern zu entziehen. Nach Auffassung des Gerichts besteht kein Grund wieso der Gesetzgeber den bezweckten

Schutz nicht von vorneherein dem Mieter zu gewähren ist. Würde man eine derartige Auslegung der Norm zulassen, so würde eine Lücke bei Beginn des Mietverhältnisses entstehen, wenn der Mieter die Kaution

dem Vermieter zunächst in bar zu übergeben hätte oder auf ein nicht insolvenzfestes Vermieterkonto überweisen müsste.

Mieters, so begeht er unerlaubte Selbsthilfe. Das gilt auch dann, wenn der Mieter nicht auffindbar ist bzw. dessen Aufenthaltsort unbekannt ist.

Diese Entscheidung zeigt wieder einmal, dass das Recht der Wohnraummiete als sehr gefahrträchtig einzuschätzen ist. Darüber hinaus in besonderem Maße geprägt wird vom Mieterschutzgedanken. Daniela Kühner Rechtsanwältin

BESSER NICHT EIGENMÄCHTIG! Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 14.07.2010 (Aktenzeichen VIII ZR 45/09) über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Ein Eigentümer hatte zu privaten Wohnzwecken an einen Mieter eine Wohnung vermietet. Der Mieter zahlte über Monate hinweg den fälligen Mietzins nicht. Dies nahm der Eigentümer (Vermieter) zum Anlass, das Mietverhältnis zu kündigen. Der Mieter war nicht auffindbar. Er war sogar offiziell als vermisst gemeldet. Daraufhin lies der Vermieter die Wohnung öffnen und räumen. Einen Teil der aufgefundenen Gegenstände des Mieters lies er entsorgen. Einen anderen Teil, den er für „gut“ hielt, ließ er einlagern. Plötzlich tauchte der Mieter wieder auf und begehrte Schadensersatz in Höhe von ca. 62.000,00 EURO.

Der Vermieter kann sich nur dadurch behelfen, dass er Räumungsklage erhebt, diese notfalls durch eine öffentliche Zustellung zustellen lässt und anschließend mit staatlicher Hilfe (Gerichtsvollzieher) die Wohnung räumen lässt. Beschreitet er hingegen den durchaus kürzeren und weniger kostenintensiven Weg in Form der (unerlaubten) Selbsthilfe, so haftet der Vermieter unabhängig von einem Verschulden auf Schadensersatz. Davon sollen auch die in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst sein, weil den Vermieter diesbezüglich eine Obhutspflicht treffe. Volker Straub Rechtsanwalt

Der Bundesgerichtshof lässt in seiner Entscheidung den Vermieter für sein eigenständiges Verhalten und Handeln voll haften. Hintergrund ist, dass das eigenmächtige Öffnen und Räumen der Mietwohnung durch einen staatlichen Akt nicht gedeckt war. Begibt sich der Vermieter in die Wohnung und ergreift Besitz von den dort vorhandenen Gegenständen des

|5

DEZEMBER 2010

AKTUELLES AUS DEM STEUERRECHT Lohnsteuerkarte ade !! a) Was ist ELStAM In diesem neuen Verfahren werden den Arbeitgebern die Lohnsteuerabzugsmerkmale für ihre Mitarbeiter maschinell verwertbar (zum Abruf) zur Verfügung gestellt (elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale = ELStAM). Die mitgeteilten Lohnsteuerabzugsmerkmale bleiben für die Dauer des Dienstverhältnisses anwendbar. Etwaige Änderungen werden den Arbeitgebern gezielt elektronisch zum Abruf bereitgestellt. Weil die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale erst frühestens 2012 eingeführt werden, gibt es für den Lohnsteuerabzug 2011 besondere Übergangsregelungen. Die Gemeinden hatten für den einzelnen Arbeitnehmer letztmals für das Kalenderjahr 2010 eine Lohnsteuerkarte auszustellen. Zukünftig wird die bisherige Vorgehensweise (Ausstellung der Lohnsteuerkarte durch die Gemeinden, Aushändigung an den Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber) durch ein elektronisches Verfahren ersetzt. Die Einführung der ELStAM – hierbei handelt es sich vereinfacht ausgedrückt um eine lohnsteuerliche Datenbank, aus der sich für den Arbeitgeber die Besteuerungsmerkmale des einzelnen Mitarbeiters ergeben – verzögert sich jedoch und ist nach dem derzeitigen Entwicklungsstand frühestens ab dem Kalenderjahr 2012 realisierbar. Da der Lohnsteuerabzug in der Übergangszeit – also zumindest im Kalenderjahr 2011 – ohne eine neue Lohnsteuerkarte vorgenommen werden muss, sind für diesen Übergangszeitraum besondere Regelungen erforderlich. Diese Übergangsregelungen bis zur Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale sollen mit dem Jahressteuergesetz 2010 getroffen werden (§ 52b EStG –

|6

neu). Das Gesetzgebungsverfahren soll im November 2010 und damit rechtzeitig vor Inkrafttreten der Neuregelungen abgeschlossen sein. Mit größeren Änderungen am bereits veröffentlichten Gesetzentwurf ist hinsichtlich der Lohnsteuerverfahrensvorschriften nicht mehr zu rechnen. b) Keine neuen Lohnsteuerkarten 2011 Im Jahr 2011 gelten die Lohnsteuerkarten 2010 weiter, weil sich die Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale verzögert. Dies bringt eine ganze Reihe von Besonderheiten für den Arbeitgeber mit sich. Die Lohnsteuerkarten 2010 sind gut aufzubewahren und dürfen nicht vernichtet werden. Grundsätzlich sind die Vorschriften des Lohnsteuerabzugsverfahrens (§§ 38 ff EStG) weiterhin anzuwenden. Die Lohnsteuerkarte 2010 gilt mit den eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (u. a. Steuerklasse/ Faktor, Zahl der Kinderfreibeträge, Kirchensteuermerkmal, Freibetrag) auch für den Lohnsteuerabzug ab 1.1.2011. Wird daher ein in 2010 bestehendes Dienstverhältnis nach Ablauf des Kalenderjahrs 2010 fortgesetzt, hat der Arbeitgeber die auf der Lohnsteuerkarte 2010 eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale im Kalenderjahr 2011 weiterhin anzuwenden. Die Lohnsteuerkarte 2010 muss somit dem Arbeitgeber auch im Kalenderjahr 2011 vorliegen. Im Kalenderjahr 2011 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte 2010 • während der Dauer des Dienstverhältnisses aufzubewahren, er darf sie nicht vernichten (eine Vernichtung der Lohnsteuerkarte 2010 ist erst nach Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale zulässig), • dem Mitarbeiter zur Vorlage beim Finanzamt vorübergehend zu überlassen (z. B. zur Eintragung/ Änderung eines Freibetrags) sowie • in den Fällen des Arbeitgeberwechsels oder bei der Beendigung

des Dienstverhältnisses im Übergangszeitraum dem Mitarbeiter innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Dienstverhältnisses aushändigen. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt gleichermaßen, dass Besonderheiten in dem Übergangszeitraum zu beachten sind. Sollten Sie Fragen hierzu haben, sprechen Sie uns bitte an. Manuela Branz Wirtschaftsprüferin Steuerberaterin

Abkehr von jahrelanger Praxis!! Anrechnung der UmsatzsteuerSondervorauszahlung erst in der Umsatzsteuerjahreserklärung zulässig. Nach bisheriger Verwaltungspraxis wird die Sondervorauszahlung nach § 47 UStDV bei der UStVoranmeldung des letzten Voranmeldungszeitraums – regelmäßig im Dezember – angerechnet. Führt dies zu einem Überschuss, wird dieser erstattet. Der BFH (Urteil vom 16.12.2008 – VII R 17/08, BStBl. II 2010 S. 91 = DB 2009 S. 1275) vertritt hingegen die Auffassung, dass der nicht verbrauchte Betrag der Sondervorauszahlung nicht zu erstatten, sondern mit der Jahressteuer zu verrechnen ist.

DEZEMBER 2010

ein Überschuss, ist dieser an den Unternehmer auszuzahlen bzw. zu verrechnen. Dies gilt auch in Insolvenzfällen.

Mit der Veröffentlichung im BStBl. ist das o. g. Urteil für die Finanzverwaltung bindend (FinMin. Brandenburg, Erlass vom 24.2.2010 - 31 - S 7348-1/09). Das Anrechnungsverfahren ist auch auf folgende Fälle anzuwenden: Die Dauerfristverlängerung wird durch das FA unterjährig widerrufen oder der Unternehmer verzichtet unterjährig auf die Dauerfristverlängerung oder der Unternehmer beendet seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit während des laufenden Kalenderjahrs. Eine Erstattung bzw. Verrechnung kann erst dann vorgenommen werden, wenn die UStJahreserklärung dem FA vorliegt. Beispiel 1 (bisheriges Verfahren): U gibt für den Monat Dezember die USt-Voranmeldung ab. Hieraus ergibt sich eine Zahllast von 5.000 €. Nach Anrechnung der geleisteten Sondervorauszahlung von 10.000 € ergibt sich ein Erstattungsbetrag von 5.000 €. Dieser Betrag wird an den Unternehmer für den Voranmeldungszeitraum Dezember erstattet. Beispiel 2 (geändertes Verfahren): U hat keinen Anspruch auf Auszahlung der 5.000 € mehr. Dieser Betrag wird vielmehr bis zur Abgabe der USt-Jahreserklärung vorgetragen. Erst wenn die UStJahreserklärung vorliegt, kann die (restliche) Sondervorauszahlung auf die Jahressteuer angerechnet werden. Ergibt sich nach dieser „zweiten“ Anrechnung noch

Nach Ansicht des BFH ist die gezahlte Sondervorauszahlung nichts anderes als eine Vorauszahlung auf die Jahres-USt, weil sie gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 UStDV auf die Steuer des Kalenderjahres zu zahlen ist. Die Anrechnung der Sondervorauszahlung auf die Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum bedeutet, dass die errechnete Vorauszahlung für diesen Zeitraum um die Sondervorauszahlung zu kürzen ist. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass ein verbleibender Betrag dann auch zu erstatten ist. Dies widerspricht auch nicht der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 4 UStDV, denn auch hier verwendet der Gesetzgeber den Begriff „Anrechnung“. Das Finanzministerium Brandenburg hat mit Erlass vom 04.10.2010 im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder klargestellt, dass das BFH Urteil aus technischen Gründen nicht vor dem 01.01.2012 umgesetzt wird. Die Anwendung des BFH Urteils wird auf Insolvenzfälle beschränkt. Bedenken Sie, dass es nach technischer Umsetzung des BFHUrteils ab 2012 aufgrund der zeitlich späteren Erstattung es zu Liquiditätsnachteilen kommen kann. Wer ¼ jährliche Umsatzsteuer-Vornameldungen abgeben muss, kann die Dauerfristverlängerungnutzen ohne eine Sondervorauszahlung leisten zu müssen.

WIR MACHEN SCHLUSS: MIT RECHTSIRRTÜMERN! DAS MANDANTENQUIZ Lösung: 1. Grundsätzlich ist es nicht erfor derlich, dass ein Arbeitsvertrag schriftlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeit nehmer abgeschlossen wird Auch ohne schriftlichen Vertrag besteht zunächst ein wirksames Arbeits verhältnis. Zu (späteren) Beweis zwecken ist aber stets anzuraten, einen schriftlichen Vertrag abzu fassen. Etwas anderes gilt im Bereich der Auszubildenden. Dort muss ein schriftlicher Ausbildungsvertrag existieren. 2. Eine Kündigung eines Arbeits verhältnisses ist stets schriftlich auszusprechen. Die Kündigung muss als Original (d. h. im Original unterschrieben) dem Arbeit nehmer zugehen. Eine Kündi gungserklärung in mündlicher Form reicht ebenso wenig, wie die Z uleitung der Kündigungs erklärung per Fax.

Besuchen Sie uns auf unserer Homepage

www.branz.de

Manuela Branz Wirtschaftsprüferin Steuerberaterin

|7

DEZEMBER 2010

Souveräne fachkompetenz

Karl-Heinz Branz Rechtsanwalt Vereidigter Buchprüfer Wirtschaftsprivatrecht Begleitung bei Unternehmenstransaktionen

Daniela Kühner Rechtsanwältin Mietrecht/Leasingrecht Verkehrsrecht Versicherungs- und Haftpflichtrecht Strafrecht Reisevertragsrecht

Manuela Branz Steuerberaterin Vereidigte Buchprüferin Steuerberatung Sanierungsberatung Betriebswirtschaftliche Beratung Existenzgründungsberatung

Volker Straub Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht Fachanwalt für Handelsund Gesellschaftsrecht Recht des gewerblichen Rechtsschutzes Wettbewerbsrecht

Thomas Pluskat Rechtsanwalt Insolvenzrecht Bankrecht Erbrecht

Bismarckstraße 106 · 74074 Heilbronn · Telefon 0 71 31/76 42 0 · Telefax 0 71 31/ 76 42 23 Email [email protected] · Internet www.branz.de

Suggest Documents