Influenza-Lage

Influenza-Lage 13.11.2009 Zum raschen Überblick wird erst kurz die Lage dargestellt. Mehr Informationen auch zur Impfung (letzte Seite) können dem Anh...
Author: Christa Lenz
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Influenza-Lage 13.11.2009 Zum raschen Überblick wird erst kurz die Lage dargestellt. Mehr Informationen auch zur Impfung (letzte Seite) können dem Anhang entnommen werden. ILI = Influenza-like illness = grippeähnlichen Krankheiten; ARE = akute respiratorische (Atemwegs-) Erkrankungen.

Die Influenzaaktivität, die zuerst in Bayern begann, ist in vollem Gange. Insgesamt zeigt sich ein Anstieg sowohl der ILI- bzw. ARE- als auch Influenzavirusnachweisraten (fast ausschließlich der neue Stamm). In der Regel verläuft eine Grippewelle über 8 Wochen (siehe die folgenden Graphiken). Deshalb ist zu erwarten, dass die derzeitige mild verlaufende „Schweinegrippe“-Welle, die in Garmisch in Kalenderwoche (KW) 42 begann, ihren Höhepunkt in KW 45 (also den Herbstferien) erreicht hat und bis KW 49 (Anfang Dezember) wieder abklingen wird (in Rest-Deutschland ein bis zwei Wochen später). Wenn wir Glück haben, war es das für diese Saison. Wenn wir Pech haben, entwickelt sich im Neuen Jahr noch die „normale“ Grippewelle, was aber unwahrscheinlich ist, da die „üblichen“ saisonalen Erreger durch die neuen verdrängt wurden. Normalerweise zirkulieren Influenza-Viren „unterschwellig“ in der Bevölkerung, bis mit einer Zunahme der Ansteckungen und Überträger die epidemische Schwelle überschritten wird und die Grippewelle beginnt. Diese klingt wieder ab, wenn immer weniger Leute angesteckt werden können, weil der Rest durch die durchgemachte Erkrankung, eine Impfung oder ein gutes Immunsystem geschützt bzw. aus sonstigen Gründen nicht empfänglich ist. ARE-Aktivität in Deutschland in der 45. KW Vorwoche

Vorjahr

Anhang: Zusatzinformationen und Graphiken aus Bayern und dem Rest der Welt Bayern: Bayern geht Deutschland voran (übrigens schon seit der Einschleppung im April). Die Aktivität der akuten respiratorischen Erkrankungen (ARE) liegt in der 45. Kalenderwoche (KW) über den jahreszeitlich zu erwartenden Werten. Bei einem Praxisindex von 115 für die ARE-Hintergrund-Aktivität ist der Wert für Deutschland mit 155 moderat, für Bayern mit 208 stark erhöht. Bei deutlicher Viruszirkulation besonders im Süden Deutschlands ist seit 4 Wochen eine zusätzliche Krankheitslast durch die Neue Influenza A/H1N1 auf Bevölkerungsebene nachweisbar. Die Rate der Virusnachweise in den Sentinelproben stieg von 40 auf 48 %. A) ARE-Praxisindex in Bayern mit Vergleich zu den Vorjahren:

B) Wöchentliche IfSG-Meldezahlen in Bayern

Welt: Die Entwicklung lässt sich neben der eingangs genannten Influenza-Surveillance auch anhand der wöchentlichen Todesfälle verfolgen, die als „Spitze des Eisbergs“ leichter zu erfassen sind als Massenerkrankungen. Die folgenden kumulierten Zahlen geben keinen Überblick über das aktuelle Geschehen, sondern nur über die Verteilung der Todesfälle in der Welt. Bislang starben in der Welt mindestens 6.768 Menschen an der Neuen Grippe. Darunter Brasilien 1.368, USA 1.004, Argentinien 600, Indien 508, Mexiko 452, Australien 187, Thailand 184, Kanada 135, Europa 474, darunter UK 180, Spanien 88, Frankreich 59, Italien 38, Niederlande 17 und Deutschland 16. Anhand der Übersterblichkeit im Winter schätzt man die jährlichen Sterbefälle an der saisonalen Grippe in Deutschland auf 5.000 bis 12.000. Diese bleiben jedoch weitgehend verborgen und berühren die Bevölkerung allgemein (bis auf die Hinterbliebenen) kaum, während jetzt jeder einzelne tragische Todesfall wegen der Neuen Influenza durch die Medien geht. Mit zunehmenden Erkrankungszahlen sind wie in anderen Ländern auch in Deutschland vermehrt Todesfälle, auch bei Personen ohne Vorerkrankungen, zu befürchten. C) Sterbefälle an Neuer Influenza in der Welt (nach Meldewoche bei WHO) (Der hohe Balken in KW 43 ist durch Meldeverzug aus Brasilien und USA bedingt!)

Bericht aus Neuseeland: Der Vergleich zweier verschiedener Erfassungssysteme (Meldungen aus der Bevölkerung sowie von praktischen Ärzten) legt nahe, dass nur eine von 18,3 grippekranken Personen einen Arzt aufsuchte. Dies würde bedeuten, dass insgesamt 323.400 Neuseeländer erkrankten. Übernimmt man die Erfahrung aus der saisonalen Grippe, dass etwa ein Drittel sich ansteckt, ohne Krankheitszeichen zu entwickeln, so wird geschätzt, dass etwa 11 % der Bevölkerung sich mit dem neuen Influenzavirus A (H1N1)v 2009 infizierten. Verglichen mit der Tödlichkeit der Pandemie 1918 (2,0 % der Erkrankten bzw. 0,7 % der Bevölkerung starben) verlief die Pandemie 2009 sehr mild (16, inzwischen 19 Todesfälle bei 323.400 Erkrankten ergibt 0,005 % der Erkrankten).

D) ILI-Rate in England mit Vergleich zu früheren Jahren: Wie man sieht, ist dort im Juli 2009 (KW 29/30) anders als in Deutschland deutlich eine erste Pandemiewelle (je 100.000 Kranke/Spitzen-Woche) abgelaufen. Die zweite Welle ist kleiner, weil die Kranken der 1. Welle geschützt sind.

E) ILI-Rate in den USA mit Vergleich zu den Vorjahren: Der jetzige (zweite) Welle begann deutlich früher und ist deutlich höher als in den „normalen“ Influenzasaisons 2006/2007, 2007/2008 und 2008/2009. Man beachte die erste (kleinere) Pandemiewelle Ende April 2009 in KW 17/18.

F) ARE-Praxisindex in Deutschland mit Vergleich zu den Vorjahren

Zur Influenza-Überwachung In den Anfängen einer Influenza-Pandemie ist deren Ausbreitung über die zahlenmäßige Erfassung von Virusnachweisen in Nasen-Rachen-Abstrichen zu verfolgen. Bei sehr großen Erkrankungszahlen ist dieses Verfahren weder sinnvoll noch praktikabel. In diesem Fall können Ausmaß und Verlauf der Neuen Influenza A (H1N1) 2009 im Rahmen der üblichen Influenza-Surveillance (Überwachung der saisonalen Grippe, z.B. AGI, InfluNet, FluWatch) beobachtet werden. Dabei meldet ein repräsentatives Netzwerk von praktischen Ärzten laufend den Anteil an Patienten mit grippeähnlichen Krankheiten (ILI = Influenza-like Illness). Damit kann die zeitliche und räumliche Entwicklung samt Altersverteilung sogar innerhalb eines Landes oder in einzelnen Regionen dargestellt werden. Zusätzlich wird über stichprobenartige Untersuchungen der Anteil von Virusnachweisen samt Subtypen bestimmt. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wie zuletzt auf der Südhalbkugel saisonale Wintergrippe und InfluenzaPandemie zusammentreffen. Dabei hat sich gezeigt, dass das neue Virus – wie jetzt auch bei uns - zum dominierenden Stamm wurde. In der Regel geht ein prozentualer Anstieg des Virusnachweises im Untersuchungsgut mit einem Anstieg der Erkrankungszahlen einher. Meist wird die ILI-Rate auf 100.000 Einwohner bezogen, in manchen Ländern auf 1.000 bzw. 100 Patientenkontakte. In Deutschland werden stattdessen akute respiratorische Erkrankungen (ARE) über einen speziellen Praxis-Index erfasst. Aus diesen Gründen sind die einzelnen Zahlen und Raten manchmal nicht direkt vergleichbar, wohl aber die graphischen Darstellungen in Form von Verlaufskurven. Insbesondere kann man sehen, ob und wann überhaupt eine so genannte Pandemiewelle aufgetreten ist (z.B. in Deutschland im Sommer nicht), ob und wann diese bereits wieder abgeklungen ist (z.B. in England im Juli) und ob sich ggf. eine erste oder weitere Pandemiewelle gerade entwickelt. Diese wöchentliche Erfassung von Krankheitsraten gibt natürlich einen realistischeren Überblick über das Geschehen auf Bevölkerungsebene als das Addieren von Virusnachweisen allein, da deren Zahlen abhängig sind von den jeweiligen Empfehlungen und Entscheidungen, ob und wann man Abstriche entnimmt. Die tatsächlichen Erkrankungszahlen liegen viel höher als die Meldezahlen, da viele Kranke keinen Arzt aufsuchen. Aus den ILI-Raten in Verbindung mit den prozentualen Virusnachweisen wurden in Spanien für die letzte Woche 145.000 Neuerkrankungen an A/H1N1 2009 abgeschätzt (Vorwoche 127.000), England 64.000 (84.000) und Frankreich 362.000 (341.000) (hier Arztbesuche). Die Ukraine meldete insgesamt 1,25 Millionen ARE-Patienten, darunter 239 Todesfälle. Diese müssen aber nicht alle an der Neuen Grippe erkrankt sein. In den USA schätzt man 22 (14 bis 34) Millionen Erkrankte (7,2 % der Bevölkerung) sowie 3.900 (2.500 bis 6.100) Todesfälle seit April 2009.

Zur Impfung gegen die Neue Influenza Frage an den Amtsarzt: Lassen Sie sich impfen? Wenn ja, mit welchem Impfstoff? Empfehlen Sie Ihrer Familie eine Impfung? Wenn ja, mit welchem Impfstoff und wann? Antwort: 1. Die verschiedenen Impfstoffe sind mir egal, eine Zulassung erhält ja nur, wer nach allen verfügbaren Informationen unbedenklich ist. Man hat die Adjuvantien ("Verstärker") eingeführt, um den Virusanteil geringer zu halten. D.h. früher gab es bei den saisonalen Grippeimpfungen bei inaktivierten Ganzvirusimpfstoffen mehr Reaktionen wie Fieber und Fieberkrämpfe, so dass manche auf Spalt- bzw. Untereinheiten umstellten. Der im Jahr 2000 zugelassene saisonale Grippeimpfstoff Fluad enthält z.B. ein Adjuvans (übrigens auch der HPV-Impfstoff Cervarix). Die Verstärker sollen mehr lokale Reaktionen (Schwellung, Schmerzen) hervorrufen, aber die sind in der Regel nach drei Tagen vorbei. Pandemieimpfstoffe ohne Verstärker enthalten 7,5 µg (Celvapan), mit Verstärker 3,75 µg (Pandemrix) Virusantigen (deshalb braucht man ja bei der geringeren Virusmenge Verstärker, um eine ausreichende Immunantwort hervorzurufen; außerdem soll dies zu einer Kreuzimmunität gegen ein verändertes Pandemievirus beitragen). Studien an Schwangeren gibt es natürlich bei allen neuen Pandemieimpfstoffen verständlicherweise nicht, wohl aber Erfahrungen aus früheren Grippeimpfungen (mit Impfstoffen ohne Verstärker). Deshalb empfiehlt die STIKO, Schwangere mit einem nicht-adjuvantierten Spaltimpfstoff zu impfen (soll Mitte November kommen, also jetzt). 2. Jede vermeidbare schwere Erkrankung bis hin zum Todesfall ist eine zuviel. Deshalb sollten alle das Impfangebot annehmen. Wenn sich jetzt alle gleichzeitig impfen ließen (was leider mangels Impfbereitschaft, Impfstoff und Impflogistik nicht möglich ist), wäre eine Pandemie (samt weiteren Wellen) bei uns in drei Wochen (dann Impfschutz) kein Thema mehr. 3. Auf der Südhalbkugel (dort Winter statt unseres Sommers) fielen saisonale Grippe und Neue Grippe zusammen, wobei der neue Pandemiestamm dominierte. Der Verlauf war nicht schlimmer als die Vorjahre. Dies wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei uns der Fall sein. Bemerkenswert ist, dass die Krankheitsraten und Virusnachweise bereits seit Mitte Oktober (und nicht wie sonst üblich erst im Januar) ansteigen. D.h. die Influenzaaktivität setzte auf der Nordhalbkugel deutlich früher ein als bei den letzten „normalen“ Grippesaisons. 4. Ich habe mich mit Pandemrix (und gleichzeitig mit einem Impfstoff gegen die saisonale Influenza) impfen lassen, a) wegen Vorbildcharakter als Amtsarzt, b) um meine Umgebung nicht zu gefährden, c) um nicht in der Arbeit auszufallen und d) um meine Ruhe zu haben, falls doch noch wider Erwarten eine weitere schwerere Grippewelle kommt. 5. Wegen d) empfehle ich meiner Familie die Impfung (meine Frau ist leider trotz Impfung eine Woche später erkrankt, weil ein ausreichender Impfschutz erst nach 3 Wochen gegeben ist.). Dies gilt insbesondere für meine Töchter, falls die mal schwanger werden wollen (Schwangere haben durch die Erkrankung ein deutlich erhöhtes Komplikationsrisiko). Natürlich kann man als „Gesunder“ abwarten, ob die Neue Grippe weiter mild verläuft und die Krankheitswoche mit drei bis vier Fiebertagen durchmachen – aber warum sollte man das Risiko eines gefährlichen Verlaufs eingehen? Wenn gehäuft Todesfälle auftreten und eine gewaltige Grippewelle durchs Land rollt, könnte es Probleme geben, sich erst dann impfen zu lassen (Panik-Ansturm; Impfung in eine mögliche Inkubation hinein, d.h. man hat sich schon angesteckt; ausreichender Impfschutz erst nach drei Wochen). Zusammengestellt von Dr. Volker Juds (www.juds.de), Gesundheitsamt Garmisch (www.gesundheitsamt.de). Quellen: www.who.int (Welt), www.euroflu.org (EU) und nationale Influenzaseiten wie www.influenza.rki.de (D), www.invs.sante.fr (F), www.msc.es (E), www.hpa.org.uk (United Kingdom), www.cdc.gov/h1n1flu (USA)