Indikationen und Wirkungsweisen von Antidepressiva

BACHELORARBEIT Indikationen und Wirkungsweisen von Antidepressiva eingereicht von Magdalena Wittmann Medizinische Universität Graz unter der Anleitu...
Author: Vincent Kruse
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BACHELORARBEIT Indikationen und Wirkungsweisen von Antidepressiva

eingereicht von Magdalena Wittmann

Medizinische Universität Graz unter der Anleitung von Ao. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Ulrike Holzer Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie Universitätsplatz 4/I, 8010 Graz

eingereicht am 16.03.2016.

Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am 16.03.2016

Magdalena Wittmann eh

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Kurzzusammenfassung Die Antidepressiva sind eine Gruppe von Psychopharmaka und werden immer häufiger eingesetzt. Viele AllgemeinmedizinerInnen und InternistInnen verordnen diese Arzneimittel bevor überhaupt eine professionelle Diagnose gestellt wurde. Die unterschiedlichen Indikationen und Wirkungsmechanismen zeigen auf, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema ist um feststellen zu können welcher Arzneistoff für welchen/welche Patienten/Patientin bedeutend und hilfreich ist. Klar ist, dass psychische Erkrankungen immer öfter auftreten und die Ursachen dafür mit den Belastungen im Alltagsleben zusammen hängen. Die Behandlungsmöglichkeiten sind breit gefächert und die medikamentöse Therapie ein wesentlicher Baustein im Heilungsprozess. Unerwünschte Wirkungen und Arzneimittelinteraktionen müssen besonders von den MedizinerInnen in der Therapiearbeit berücksichtigt und die PatientInnen darauf aufmerksam gemacht werden. Summary Antidepressants are a group of psychotropic drugs and are increasingly being used. Many general practitioners and internists prescribe these drugs even before a professional diagnosis was made. The different indications and mechanisms of action show the importance of the debate on this issue. This is to be able to determine which drug for which patient is important and helpful. It shows that mental illness occurs more often today and the cause of this is connected with the stress of everyday life. Treatment options are wide and drug therapy is an essential element of the healing process. Adverse effects and drug interactions must be particularly taken into account by the physicians in the treatment work and their patients attention has to be drawn upon that fact.

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INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung

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1.1. Begründung der Themenwahl

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1.2. Ziel

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1.3. Fragestellungen

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2. Methode

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I Allgemeiner Teil Psychopharmaka 3. Definitionen

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4. Indikationen

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5. Wirkungsmechanismen

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II Spezieller Teil Antidepressiva 6. Definitionen

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7. Indikationen

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7.1. Depression

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7.1.1. Spezielle Formen von depressiven Phasen

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7.1.2. Ursachen für Depression

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8. Wirkungsmechanismen

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8.1. Akute Wirkung

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9. Behandlungen

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9.1 Grundsätze zum Einsatz von Antidepressiva

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9.2 Wichtige Aspekte bei der Behandlung

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9.2.1. Schweregradbeurteilung

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9.2.2. Dosierung

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9.2.3. Beginn der Wirkung

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9.2.4. Akutbehandlung

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10. Behandlungsmöglichkeiten

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10.1. Pharmakologischer Aspekt - Pharmakotherapie

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10.2. Alternative Behandlungsarten

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10.2.1. Psychotherapeutischer Aspekt - Nichtmedikamentöse Therapie

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10.2.2. Placebotherapie

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10.2.3. Homöopathische Arzneimittel

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10.2.4. Phytotherapie

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10.3. Falsche Behandlungsansätze

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11. Unerwünschte Wirkungen von Antidepressiva

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11.1. Nebenwirkungen

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11.2. Zu viel Serotonin

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12. Arzneimittelinteraktionen

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12.1. Pharmakogenetik

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13. Zusammenfassung

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13.1. Ausblick

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14. Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Wirkungsweise von Antidepressiva

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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Hauptindikationen von Psychopharmaka

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Tabelle 2: Antidepressiva, die ein Serotonin-Syndrom auslösen können

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1. Einleitung Die Liste der Psychopharmaka ist lang und genau aus diesem Grund habe ich mich im speziellen für ein Arzneimittel entschieden. In meiner Bachelorarbeit beschäftige ich mich großenteils mit Antidepressiva, wobei ich auch immer wieder auf die Psychopharmaka im Allgemeinen eingehen werde, da in der Literatur oft über die gesamte Gruppe der Psychopharmaka geschrieben wird. Gegenwärtig verschreiben viele AllgemeinmedizinerInnen verschiedene Arten von Antidepressiva ohne im Vorfeld eine wirkliche Diagnose zu stellen. Ich möchte diese Gruppe der Psychopharmaka genauer unter die Lupe nehmen um das komplexe Konstrukt von Indikationen über Behandlungsarten und Nebenwirkungen zu verstehen und mögliche Vor- und Nachteile zu erkennen. „Seit es möglich war, psychische Funktionen mehr oder weniger gezielt mit Psychopharmaka zu beeinflussen, kam es zu einer stürmischen Entwicklung: Psychopharmaka gehören heute zu den am meisten verordneten Medikamenten und werden von fast jedem Arzt routinemäßig eingesetzt.“ (Laux 2013, S. 18)

1.1 Begründung der Themenwahl Unter Praktizierung von Psychiatrie wird heute im Gesundheitswesen oft die Verschreibung von Medikamenten verstanden. Die ÄrztInnen beschäftigen sich mit den Themen Indikationen, Wirkungsbeurteilung, Compliance und den Behandlungen von Nebenwirkungen. Das Medikament steht im Mittelpunkt und kann somit die Interaktion zwischen ÄrztInnen und PatientInnen erheblich beeinflussen. Die Gruppe der Psychopharmaka ist eine sehr bedeutende Arzneimittelgruppe, vorausgesetzt sie wird vernünftig eingesetzt. Im heutigen System sind Psychopharmaka nicht mehr weg zu denken und sie sollten für jeden Menschen mit psychischen Problemen zugänglich sein. Natürlich nur wenn die Nebenwirkungen akzeptabel sind und der Behandlungsnutzen gegeben ist. Eine grundlegende Information über das Medikament sollte über die bloße Wirkungsweise des Medikaments hinaus gehen. Somit entsteht ein Vertrauen der PatientInnen und auch der behandelnden ÄrztInnen für das Arzneimittel. Im Bezug auf Psychopharmaka gibt es auch Bedenken dass das gesellschaftliche Bild von der Wirksamkeit der vorhandenen Psychopharmaka 6

unvollständig ist. Oder, dass die Nebenwirkungen nicht immer nur auf den Körper wirken, sondern sich auch negativ auf das soziale Leben und die Lebensbeziehung auswirken können. Dieser Problematik wird wenig Bedeutung geschenkt, da im Mittelpunkt die Linderung der Symptome steht und die psychische Erkrankung selbst das Leben zur Gesellschaft verändert. (Weinmann 2010, S. 7f)

1.2. Ziel Das Ziel meiner Bachelorarbeit ist die komplexe Welt der Psychopharmaka zu verstehen und einen einfachen Zugang zu schaffen, so dass eventuell auch Laien diese Welt im Allgemeinen verstehen können. Im Vordergrund beschäftige ich mich mit den unterschiedlichen Definitionen und mit den Gründen für den Einsatz von Antidepressiva mit Wirkprofilen, Behandlungsaspekten und welche Nebenwirkungen mit den Arzneimitteln einhergehen.

1.3. Fragestellungen Folgende Fragestellungen werden bearbeitet: In welche Gruppen werden Antidepressiva unterteilt? Welche Gründe gibt es für den Einsatz einer therapeutischen oder diagnostischen Maßnahme in Bezug auf Antidepressiva? Welche Behandlungsaspekte gibt es? Welche Nebenwirkungen können den PatientInnen zugemutet werden?

2. Methode Auf meine Ergebnisse bin ich im Rahmen einer Literaturrecherche gekommen. Diese erfolgte in den Bibliothekskatalogen der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Graz und der Charité Berlin. Weitere Quellen zu meinem Thema wurden in der Online-Zeitschriftenbibliothek recherchiert. In meiner Arbeit gebe ich strukturiert einen Überblick, beantworte die Fragestellungen und schließe mit einer Schlussfolgerung ab. 7

I Allgemeiner Teil Psychopharmaka

3. Definitionen Das Wort Psychopharmaka ist die Neutrum-Pluralform in Griechisch und Latein. Der Singular dazu ist –on (griech.), wie Psychopharmakon oder –um (lat.), z.B. Thymoleptikum. Wenn wir das Wort Psychopharmaka trennen, kommen wir zu den Wörtern „Psycho“ für „Hauch, Atem, Leben, Seele“ und „Pharmakon“ für „Heilmittel, Gift“. Der Begriff Psychopharmaka fasst mehrere Arzneimittel zusammen, welche auf die Psyche der Menschen wirken und in der Medizin bei psychischen Störungen verwendet werden. http://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/psychopharmaka, 10.02.2016 Das klinische Wörterbuch Pschyrembel beschreibt die Gruppe der Psychopharmaka wie folgt, „(engl.) psychotropic drugs im engeren Sinn Arzneimittel die v. a. Aktivität des ZNS beeinflussen und Wirkung auf psych. Funktionen haben.“ http://www.degruyter.com.pschyrembel.han.medunigraz.at, 24.02.2016 In der Fachliteratur von Estler bin ich auf folgende Definition gestoßen. „Psychopharmaka sind Wirkstoffe, die durch Einwirkung auf bestimmte Hirnstrukturen psychopathologisch veränderte seelische Abläufe, Denkprozesse, kognitive Leistungen und Verhaltensweisen beeinflussen.“ (Estler 2006, S. 216) Laux definiert die Gruppe der Psychopharmaka als Substanzen, welche auf gestörte Stoffwechselprozesse im Gehirn einwirken und diese normalisieren können. Er spricht vom psychotropen Effekt was bedeutet dass jede Substanz welche auf Grund von Therapiezwecken verschrieben wird und auf das Zentralnervensystem einwirkt ein Psychopharmakon ist. Erwähnenswert ist auch, dass eine alte Einteilung der Psychopharmaka von Delay 1957 wieder von Bedeutung geworden ist. Die WHO und auch die europäische Arzneimittelbehörde verwenden diese Aufgliederung der Untergruppen in Psycholeptika und Psychoanaleptika. Die Unterscheidung liegt darin, dass die Psycholeptika eine meist dämpfende Wirkung und die Psychoanaleptika eine 8

überwiegend anregende Wirkung auf die Psyche haben. Weiters gibt es auch pflanzliche Substanzen, die sogenannten Phytopharmaka, wie z.B. das Johanniskraut, das die Psyche beeinflussen kann. Laux meint, dass sich die Abgrenzung zwischen den einzelnen Gruppen als schwierig darstellt, da die Wirkeigenschaften und Anwendungsgebiete der Arzneimittel zeigen, dass zwischen den Untergruppen wie Antipsychotika, Antidepressiva, Stimmungsstabilisierern und Tranquilizern der Wechsel fließend und dosisabhängig sein kann. Die Psychopharmaka werden nach Laux in folgende Gruppen eingeteilt: •

Antidepressiva



Stimmungsstabilisierer



Antipsychotika/Neuroleptika



Tranquilizer (Beruhigungsmittel)



Hypnotika (Schlafmittel)



Antidementiva



Psychostimulanzien



Entzugs- und Entwöhnungsmittel (Laux 2013, S. 10f)

4. Indikationen Vor der Verschreibung von Psychopharmaka ist eine Diagnose Voraussetzung. Die Definition von Symptomen und das persönliche Erleben des Patienten der Krankheit gilt es zu beachten. Die sogenannten Psychosen (Krankheiten mit organischen Störungen und Stoffwechselstörungen im Gehirn) werden mit Psychopharmaka behandelt und sind hier nicht mehr weg zu denken. (Laux 2013, S. 18) „Einen hohen Stellenwert haben Psychopharmaka in der Behandlung von Symptomen wie Depressivität, Wahnvorstellungen, Schlafstörungen, Angst-, Panikund Erregungszuständen sowie bei chronischen Schmerzsyndromen und zur vorübergehenden Sedierung (z.B. vor operativen Eingriffen).“ (Laux 2013, S. 18) In Krisensituationen wie z.B. Tod eines nahen Familienmitglieds sollte die Gabe von Psychopharmaka gründlich überdacht werden, da meistens schon Gespräche mit 9

Experten, Entspannungsmethoden und Zuwendung helfen können. (Laux 2013, S. 18) Folgende Tabelle (1) zeigt die Hauptindikationen von Psychopharmaka. Neuroleptika/ Indikation

Tranquilizer

Hypnotika Antidepressiva Antipsychotika

Schlafstörungen

-

+

+

(+)

Erregungszustände

++

-

-

+

Angst-

+

-

+

-

Zwangsstörungen

-

-

+

-

Depressionen

(+)

-

++

-

Psychotische

(+)

-

-

++

/Panikstörungen

Zustände/ Schizophrenien - nicht indiziert, (+) kurzfristige Gabe, + mögliche Therapie, ++ bevorzugte Therapie (Laux 2013, S. 19)

5. Wirkungsmechanismen „Der Vorteil der Psychopharmaka besteht in einer differenzierten Beeinflussung psychischer Vorgänge. Ihre Wirkung kann sich zum Teil nur entfalten beim Vorliegen psychopathologischer Reaktionen; dies gilt zum Beispiel für die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika und der Antidepressiva. Neben diesen spezifischen Wirkungen besitzen alle Psychopharmaka unspezifische hemmende oder auch erregende Effekte auf das Zentralnervensystem.“ (Lüllmann 2010, S. 337) Die Pharmakodynamik beschäftigt sich mit den biochemischen und biophysikalischen Wirkungen von Substanzen und erklärt, wie sie in die biochemischen Prozesse eingreifen. Das Verständnis des Wirkmechanismus kann besondere Inhalte in größere Schemata einordnen und somit das menschliche Bedürfnis der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung befriedigen. Durch diesen

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Vorgang wird die Wirkung einer Substanz verstanden, d.h. didaktisch gesehen, dass eine Umwandlung von Lernwissen in Verständniswissen nachvollziehbar wird. Um solche Wirkprozesse zu aktivieren benötigen die Wirkstoffe Reaktionspartner im Körper. Diese dienen dem Wirkstoff als Bindungspartner für körpereigene Überträgerstoffe. Die sogenannten Rezeptorproteine besitzen spezielle Bindungsstellen, wo nur bestimmte Überträgerstoffe andocken dürfen und sie verändern nach dieser Bindung ihre Anordnung bzw. den Funktionszustand des Rezeptorproteins. Auf diese Art wird die Signalstoffbindung zur Zellfunktionsänderung expediert. (Lüllmann 2010, S. 5f) „Mit der Wirkung der Psychopharmaka an neuronalen Strukturen sind Hemmungen oder Förderungen der durch die biogenen Neurotransmitter vermittelten Funktionen verknüpft. Die Angriffe können dabei präsynaptisch und/oder postsynaptisch erfolgen.“ (Estler 2006, S. 216) Das heißt, dass die Neurotransmitter Überträgersubstanzen sind, durch die sich die Wirkung der Psychopharmaka entfaltet, und die Informationen zwischen den Nervenzellen weiterleiten. Die Gruppe der Psychopharmaka hemmen oder fördern die Ausschüttung von diesen Botenstoffen. Kommt es zu einer Störung bei der chemischen Übertragung von Nervenzellerregungen auf Grund einer Krankheit, finden Veränderungen an den Rezeptoren und Störungen ihres Kreislaufs statt (wie z.B. Ausschüttung, Wiederaufnahme und Abbau). (Laux 2013, S. 14) An der Wirkung der Psychopharmaka sind folgende Botenstoffe beteiligt: •

Noradrenalin



Dopamin



Serotonin



Histamin



Acetylcholin



Adenosin



Gamma-Aminobuttersäure



Glutaminsäure

Die Effekte dieser Wirkmechanismen sind das Ergebnis des Zusammenwirkens der neuronalen Systeme und abhängig von der endogenen Physiologie oder Pathologie des Tonus dieser Systeme. 11

Viele Wirkmechanismen der Psychopharmaka können die unterschiedlichsten Hirnund Körperregionen außerhalb des Zentralnervensystems beeinflussen und beziehen sich nicht nur auf die gestörten Funktionen. Dadurch entstehen oft typische Nebenwirkungen der Psychopharmaka. (Estler 2006, S. 216f) II Spezieller Teil Antidepressiva

6. Definitionen Der Duden beschreibt ein Antidepressivum als ein Medikament gegen Depressionen. Im klinischen Wörterbuch ist die Definition detaillierter ausgefallen. Das Arzneimittel wird hier als chemisch heterogene Gruppe von Psychopharmaka bezeichnet. Es wird von einem Medikament gesprochen, das antriebssteigernd, angstdämpfend und stimmungshebend wirkt. http://www.degruyter.com.pschyrembel.han.medunigraz.at, 24.02.2016 „Antidepressiva sind eine Klasse von Psychopharmaka, die den Anwendungsschwerpunkt bei Patienten mit depressiven Symptomen haben. Daneben werden sie auch bei einer Vielzahl weiterer Indikationen wie u. a. Angststörungen, Zwangsstörungen oder chronischen Schmerzsyndromen eingesetzt.“ (Laux 2013, S. 96) Die Gruppe der Antidepressiva bewirken eine Linderung depressiver Symptome und können auch ein völliges Abklingen mit sich bringen. Sie wirken grundsätzlich symptomatisch, das bedeutet, dass die Symptome nach Therapieende wieder auftreten können. (Estler 2006, S. 236)

7. Indikationen „In erster Linie dienen Antidepressiva einer Stimmungsaufhellung und Angstlösung. Häufig werden je nach individueller Situation auch funktionelle Störungen (wie eine funktionelle Herzkrankheit, eine Dyspepsie oder eine funktionelle Diarrhö), eine inadäquate Stressreaktion, stressbedingte Hypertonie, muskuläre Verspannungen 12

oder Schlafstörungen als Indikationen angesehen.“ http://www.medicoconsult.de/Antidepressiva/, 22.02.2016 Laux schreibt, dass Antidepressiva vor allem bei depressiven PatientInnen angewendet werden und erst 50 Jahre nach ihrer Entdeckung eine zentrale Rolle in der Medizin einnehmen. Die Gemeinsamkeit aller Substanzen ist die stimmungsaufhellende und antriebsnormalisierende Wirkung, womit auch die körperlichen Leiden gelindert werden. Bei gesunden Menschen wirken Antidepressiva nicht auf deren Stimmung. Heute zählen Depressionen zu den seelischen Krankheiten die am häufigsten auftreten. Der Schätzwert liegt bei 15% der PatientInnen eines Allgemeinmediziners, welche an seelischen Störungen leiden und Behandlungen benötigen. Bei medikamentösen Behandlungen gibt es verschiedene Klassen von Antidepressiva. Der Autor unterscheidet Einteilungen nach der pharmakologischen Wirkung oder nach Ausmaß der auslösenden Dämpfung bzw. Aktivierung. Darauf wird im Kapitel Wirkungsweisen noch näher eingegangen. (Laux 2013, S. 96) Typische Indikationen für den Einsatz von Antidepressiva sind: •

Schwere depressive Phasen



Depressionen in Kombination mit Angststörungen



Dysthymie (dauerhafte depressive Zustände)



Depression von der Jahreszeit abhängig (Winterdepression)



Altersdepression

Weitere Indikationen für den möglichen Einsatz von Antidepressiva: •

Angst-, Panik-, Zwangsstörungen und Phobien



Belastungsstörungen posttraumatischer Herkunft



Migräne



Essstörungen



Prämenstruelle dysphorische Störung

https://www.dr-gumpert.de/html/antidepressivum.html, 24.02.2016 Der Einsatz von Antidepressiva ist bei jeder depressiven Diagnose gegeben. Ob eine Behandlung der Pharmakotherapie oder/und Psychotherapie erfolgt ist von der Depression abhängig. Eine ambulante Behandlung soll im Vordergrund stehen. Nur 13

bei suizidaler Gefährdung des/der PatientenIn ist ein stationärer Aufenthalt notwendig. http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/A-Z/PDF/Depression.pdf, 24.02.2016

7.1. Depression Im Klassifikationssystem International Classification of Diseases werden Depressionen in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Es werden leichte depressive Episoden, mittelgradig depressive Phasen und schwere depressive Episoden genannt. Bei der leichten Depression sind die Merkmale zwei Hauptsymptome und zwei Zusatzsymptome. Bei der mittelgradigen treten zwei Hauptsymptome und mindestens drei Zusatzsymptome auf. In der Gruppe der schweren depressiven Episode liegen drei Hauptsymptome und mindesten vier weitere Symptome vor. Nach diesem Klassifikationssystem müssen die Symptome mindestens 2 Wochen anhalten.

7.1.1. Spezielle Formen von depressiven Phasen Der Taschenatlas der Pharmakologie unterscheidet die wichtigsten Typen von Depressionen. Schwere endogene bis leichte Depression, Dysthymie und die reaktive Depression als Antwort auf körperliche Erkrankungen. Eine endogene Depression tritt phasenweise mit Pausen auf wo sich die PatientInnen in normaler Stimmung befinden. Bipolare Erkrankungen werden dann diagnostiziert, wenn einer depressiven Phase eine manische folgt, ansonsten heißt es unipolare Erkrankung. Die Verhaltensweisen der Betroffenen sind unterschiedlich und zu den psychischen Beschwerden kommen oft somatische Symptome hinzu. Sie reflektieren ihre depressive Verstimmung auf ihren Körper und aus diesem Grund werden sie meist zuerst von einer/einem AllgemeinmedizinerIn behandelt. (Lüllmann 2015, S. 226) Im Folgenden beschreibe ich eine weitere mögliche Einteilung von depressiven Erkrankungen. •

Chronische depressive Störungen

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Die sogenannte Dysthymie ist eine chronische depressive Verstimmung, die weniger ernst als eine Depression ist, jedoch länger andauert. Begleiterkrankungen bei chronischen Depressionen können auch vorkommen, wie z. B. Zwangs-, Essstörungen oder Missbrauch von Substanzen. Deshalb sind zusätzliche Behandlungsmaßnahmen erforderlich. •

Psychotische Depression

Hier treten neben den depressiven Beschwerden psychotische Symptome auf. Die Symptome sind oft drastischer und die depressiven Phasen dauern länger als Depressionen ohne psychotische Anzeichen. Das Risiko wieder zu erkranken ist bei diesen PatientInnen erhöht. •

Melancholische Depression

Die depressiven Verstimmungen sind sehr intensiv und die PatientInnen leiden unter Lustlosigkeit und können Gefühle nicht mehr wahrnehmen. •

Somatisierte Depression

Die Betroffenen leiden unter verschiedene, körperliche Beschwerden. Wie z. B. Schwindelgefühl, Herzrasen und klagen über Organbeschwerden, wobei keine organische Ursache vorliegt. Die ÄrztInnen klären ab ob die körperlichen Leiden auch unabhängig von den Depressionen auftreten und wenn ja, spricht man von einer somatoformen Störung. •

Saisonal abhängige Depression

Die Depressionen treten jahreszeitenabhängig auf, die sogenannte Winterdepression ist beispielhaft. Sie kommt vom Herbst bis zum Frühjahr vor und die überwiegend weiblichen Betroffenen sind lustlos und lethargisch und sie essen verstärkt Süßes. Durch Lichttherapie können die Beschwerden gelindert werden bzw. im Sommer sind die PatientInnen oft ohne Symptome. •

Psychische Störungen nach Entbindung

Der sogenannte „Baby Blues“ tritt in den ersten paar Tagen nach der Entbindung auf und kommt bei 40-70% aller Mütter vor. Typische Anzeichen sind depressive Verstimmungen und Labilität. Die postpartalen Depressionen treten seltener auf und können über mehrere Monate andauern. http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatikpsychotherapie/erkrankungen/depressionen/einteilung/, 26.02.2016

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Melancholische PatientInnen sind gefährdet Selbstmord zu begehen. In der Phase wo jedoch die Symptome verstärkt vorkommen, ist die Antriebslosigkeit so ausgeprägt, dass die Person ihre Selbstmordgedanken nicht verwirklichen kann. In den kritischen Phasen, sprich in der Anfangsphase und während des Abklingens der Symptome benötigen die PatientInnen eine kontinuierliche therapeutische Begleitung, da in diesem Zeitfenster die Selbstmordgefahr am größten ist. (Lüllmann 2010, S. 348)

7.1.2. Ursachen für Depression Die Entstehung einer depressiven Erkrankung hängt mit den Belastungen im täglichen Leben zusammen. Manche Menschen können damit besser umgehen als andere. Zum einen spielen hier die inneren Belastungsfaktoren eine wesentliche Rolle. Zum Beispiel können ein unverarbeitetes traumatisches Erlebnis oder eine angeborene Stoffwechselstörung im Gehirn ausschlaggebend für eine Depression sein. Zum anderen ist das innere Gleichgewicht wesentlich für die Stabilität der Psyche. Folgende 5 Faktoren bestimmen dieses Gleichgewicht: •

Selbstwahrnehmung



Ziele



Problemlösungsverhalten



Disziplin



Selbstvertrauen

Auch äußere Belastungsfaktoren wie Stress im Alltag, Beziehungsprobleme, Trauer usw. sind Gründe für depressive Beschwerden. http://nie-mehr-depressiv.de/wissen/depression-ursachen/, 22.01.2016 „Depressionen stellen außerdem die Hauptursache für Suizide dar, da 70 Prozent der Suizide im Rahmen einer Depression erfolgen. Im Vergleich zu anderen Todesursachen versterben weltweit etwa dreimal so häufig Menschen an Suiziden als an AIDS und etwa achtmal so häufig als an Malaria.“ http://oegpb.at/files/2014/06/Kons_Depressionen1112.pdf, 15.03.2016 Neurobiologisch gesehen ist die Erklärung für affektive Erkrankungen die Monoaminhypothese. Das bedeutet, dass Depressionen durch den Mangel von 16

Noradrenalin und Serotonin in bestimmten Gebieten des Hirns entstehen. Durch den Noradrenalinmangel kommt es zu Energie- und Antriebslosigkeit, Desinteresse, Freudlosigkeit, Konzentrationsschwäche. Der Mangel an Serotonin bewirkt den Verlust differenzierter Gefühlswahrnehmungen, Beeinträchtigung des Schlafes und des Appetits, sowie Angstzustände und Denkstörungen. Noradrenalin befindet sich vor allem im Hypothalamus und im Neuronennetzwerk im Hirnstamm. Eine modulierende Aufgabe hat Noradrenalin für einige kognitive Vorgänge. Funktionen wie Erinnerungsvermögen, Konzentration, Triebkraft und Wachheit. Serotonin wird im Gehirn produziert und wirkt sich auf die Signalübertragung im Zentralnervensystem aus. Abläufe des Schlafes, der Temperaturregulation, des Bedürfnis nach Essen und Trinken und des Sexualverhaltens werden beeinflusst. Neuere Forschungsergebnisse gehen über diese Hypothese hinaus und sagen, dass eine Neuroplastizitätshypothese eine bessere Erklärung liefert. Die depressiven Verstimmungen werden durch die Störung der neuronalen Plastizität verursacht. Die verordneten Thymoleptika wirken aufgrund ihrer unterschiedlichen Wirkungsweisen. Dazu kommen die Angriffe an den Membranrezeptoren hinter der Synapse und verändern das Wirkungsbild. Die Wirkungen des Wirkstoffes werden verstärkt (antriebssteigernder, stimmungsaufhellender, angstlösender). Wird einer der beiden Neurotransmitter gefördert, wirkt sich auch das auf das klinische Wirkungsbild aus. Grundsätzlich ist der Unterschied in der klinischen antidepressiven Wirksamkeit nicht erwähnenswert, der prozentuale Anteil von Respondern ist mit 70% vergleichbar. Die subjektiven körperlichen und somatischen Bedürfnisse und die Palette an Wirkungen und Nebenwirkungen sind beim therapeutischen Einsatz zu beachten. (Estler 2006, S. 236f)

8. Wirkungsmechanismen Pschyrembel definiert den Wirkungsmechanismus wie folgt, „u. a. Erhöhung der Konzentration von Noradrenalin und/od. Serotonin im ZNS durch Hemmung der Wiederaufnahme (engl reuptake) in die präsynaptischen Nervenendigungen, Stimulierung der Freisetzung und Hemmung des Abbaus;“ http://www.degruyter.com.pschyrembel.han.medunigraz.at, 25.02.2016 17

Die Antidepressiva werden in mehrere Gruppen unterteilt und wirken unterschiedlich: 1. Trizyklische Antidepressiva (TCA wie Imipramin, Desipramin, Amitriptylin): Diese Gruppe hat ein hydrophobes Ringsystem, welches eine Seitenkette mit einem sekundären oder tertiären Amin transportiert, das abhängig vom pKa-Wert protoniert vorkommen kann. Somit sind diese Substanzen sowohl hydrophil als auch lipophil. Ihre Ähnlichkeit zu den Rezeptoren und Transportmechanismen der Transmitter erklärt die Grundstruktur der TCA. Werden Rezeptoren blockiert entstehen Nebenwirkungen. 2. Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Hemmstoffe für biogene Amine (z.B. Fluoexetin): Die SSRI weisen kein größeres Ringsystem auf, aber einfache Aromaten mit amphiphilen Eigenschaften. Die Nebenwirkungen sind weniger auffällig als bei den trizyklischen Antidepressiva, da die Ähnlichkeit zu den Rezeptoren bedeutend geringer ist. Bei Fluoxetin reduziert sich die Rückaufnahme-Hemmung auf das Serotonin (SSRI). Die antidepressive Wirksamkeit ist der der trizyklischen Substanzen gleich oder etwas geringer. Die Wirkung von Fluoxetin hält sehr lange und wird mit einem wirksamen Metaboliten und einer mehrtäglichen Halbwertzeit eliminiert. Zur Gruppe der SSRI gehören auch noch Citolapram, Sertralin, Paroxetin und einige weitere Pharmaka. Sie werden bei mittelschweren depressiven Verstimmungen angewendet. Es treten weniger Nebenwirkungen auf als bei den trizyklischen Antidepressiva. 3. Serotonin-Noradreanlin-Rücknahme-Hemmer: Venlafaxin ist ein Serotonin-Noradrenalin-Rücknahme-Hemmer und im Vergleich mit den TCA eine ähnlich ausgeprägte Effektivität und die Nebenwirkungen sind jedoch schwächer vorhanden. In gewissen Hirnabschnitten wirkt Reboxetin als Wiederaufnahme-Hemmer von Noradrenalin (SNRI). Indiziert wird es bei schweren Depressionen und wirkt stimmungsaufhellend und aktivierend. Zu den schwachen Wirkstoffen zählt Opipramol und wird allgemein nur bei Angststörungen verordnet. Auf Grund dieser undeutlichen Indikation gehört Opipramol zu den am häufigsten eingesetzten Psychopharmaka in Deutschland.

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4. Verschiedene: Agomelatin ist ein Melatonin-Rezeptor-Agonist und wirkt gegen endogene Depression. Dieser Wirkstoff aktiviert die MT1- und MT2-Rezeptoren und blockiert die Serotonin-Rezeptoren. Moclobemid ist ein Monoaminoxidase-A-Hemmstoff und steigert die Konzentration von biogenen Aminen im Zentralnervensystem, was den Vorteil bringt, die Aktivität von stark gehemmten Depressionen mäßig zu steigern. Die Gefahr Suizid auslösen zu können muss beachtet werden. (Lüllmann 2015, S.228) „Was bringt die Zukunft? Die Beeinflussung glutamaterger Strukturen wird zurzeit intensiv untersucht, ein Wirkmechanismus, der uns von der bereits erhältlichen Substanz Tianeptin bekannt ist. Die Blockade von NMDA-Rezeptoren, wie durch Ketamin, ist in präklinischen, aber auch in klinischen Studien durch eine robuste und schnell wirksame antidepressive Wirksamkeit gekennzeichnet. Es fehlen aber immer noch große kontrollierte Studien, die die Frage der Langzeitanwendung sowie die der Nebenwirkungen zuverlässig beantworten können.“ http://oegpb.at/files/2014/06/Kons_Depressionen1112.pdf, 15.03.2016 Die Forschung machte in Bezug auf den Wirkmechanismus von Antidepressiva große Fortschritte in den vergangenen Jahren, die gewonnenen Resultate waren auch für die Entstehung und Erklärung von depressiven Krankheiten von großer Bedeutung. Die Forschungen ergaben, dass bei depressiven Menschen biochemische Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns entstehen. Es wird behauptet, dass ein Mangel an Noradrenalin bzw. Serotonin entsteht und die meisten Antidepressiva über eine Konzentrationserhöhung von diesen Neurotransmittern wirken. Weitere Rezeptoren werden durch ältere trizyklische Antidepressiva blockiert und mit bestimmten Nebenwirkungen in Verbindung gebracht. Die bedeutendsten Angriffspunkte der Thymoleptika sind die Blockade der Rücktransporter von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin und die der präsynaptischen Autorezeptoren. Weitere wichtige Angriffspunkte sind die MAO-Hemmung, der 5-HT2-Antagonismus und Melatonin-MT1 – und MT2-Agonismus. (Laux 2013, S. 96)

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Abbildung 1: Wirkungsweise von Antidepressiva: a Normalzustand, b Depression, c Normalisierung durch Antidepressivum (schwarze Dreiecke: Noradrenalin/Serotonin) (Laux 2013, S. 99)

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Aktuelle Untersuchungen zum Thema Wirkmechanismen besagen, dass Veränderungen der Rezeptoren, Wirkungen auf die Signalübertragung und die Genexpression (wie genetische Information in Erscheinung tritt) eine wesentliche Rolle spielen. Beobachtet werden auch Einwirkungen auf die Neubildung von Nervenzellen im limbischen System. Dadurch lässt sich wahrscheinlich die verzögerte Wirkung der Antidepressiva erklären. Antidepressiva, welche keine direkte Neurotransmitterwirkung aufweisen, sind in Entwicklung. Untersucht werden auch enge Verbindungen zwischen depressiven Krankheiten, unterschiedlichen Hormonen und dem Immunsystem. Möglicherweise können daraus neue Behandlungsmöglichkeiten entstehen. (Laux 2013, S. 100) Im „Translational Psychiatry“ Fachmagazin ist eine Studie zum Thema Wirkung von Antidepressiva erschienen. Sie besagt, dass beim Mangel an Serotonin die Symptome depressive Verstimmtheit, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit präsent sind und bei Noradrenalinmangel eher Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche und Angstzustände im Vordergrund stehen. Wenn diese Beobachtungen bestätigt werden können, wird die passende Arzneistoffauswahl damit einfacher und präziser. Mit Hilfe des Trial-and-Error-Prinzips werden Lösungsmöglichkeiten bestimmt. An dieser Studie nahmen schwer depressive PatientInnen teil. Diese PatientInnen waren zu dieser Zeit ohne Einnahme von Medikamenten und es wurde das dauerhafte Nachlassen der Krankheitssymptome festgestellt. In der Kontrollgruppe nahmen 40 Personen an der Studie teil, welche keine aktuelle oder retrograde psychische Krankheit aufwiesen. Bei den TeilnehmerInnen der Studie wurden die Serotoninoder Noradrenalinspeicher künstlich geleert. Die Gruppe der depressiven Probanden entwickelten indes depressive Beschwerden. Die Symptome waren unterschiedlicher Natur, je nach fehlendem Neurotransmitter. Die ForscherInnnen konnten auch Unterschiede in der Hirnaktivität der TeilnehmerInnen erkennen. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57032, 22.02.2016 „Diese Veränderungen im Gehirnstoffwechsel stellten sich im Fall des Noradrenalins als direkte Assoziation mit den induzierten depressiven Symptomen dar, dagegen war der Zusammenhang beim Serotonin weniger deutlich. Auf dem Weg zur Etablierung eindeutiger Entscheidungskriterien für die Auswahl eines geeigneten 21

Antidepressivums ist diese Studie daher wohl nur ein erster Schritt.“ http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57032, 22.02.2016

8.1 Akute Wirkung Die Psychomotorik verlangsamt, affektive Gleichgültigkeit setzt ein, die Emotionen beruhigen sich, eine Distanz zum sozialen Umfeld tritt ein und die Daueraufmerksamkeit nimmt ab. Weiters können auch körperliche Erscheinungen auftreten, welche auf einer Überlagerungserscheinung mit zentralen oder peripheren Übertragungsmechanismen in Verbindung gebracht werden können. Durch die Eigenheit, dass das chemische Grundgerüst aller Antipsychotika (Neuroleptika und Antidepressiva) einen protonisierbaren Stickstoff und mehrere aromatische Ringe besitzen, zeichnet den antipsychotischen Wirkstoff mit zwei wesentlichen Eigenschaften aus. Einerseits besitzen sie die Fähigkeit ungeladen Lipid-Barrieren zu durchdringen und andererseits weisen die Wirkstoffmoleküle bei geladenem Sticktoff Bindungsstärke zu den Rezeptoren und den Transmittertransportern auf. (Lüllmann 2010, S. 337) Lüllmann schreibt auch, dass der Wirkungsmechanismus von Antidepressiva nicht befriedigend erklärt werden kann. Der Stoffwechsel der Neurotransmitter im ZNS wird durch alle Thymoleptika beeinflusst. Die Hemmung der Inaktivierung von Serotonin und Noradrenalin erfolgt mit der Interferenz der Wiederaufnahme der Neurotransmitter in die Nervenzelle. Diese akuten Wirkungen sind von der gegenwärtigen Pharmakonzentration abhängig. Die Wirkung eines Antidepressivums hat eine Latenzzeit und diese ist vom verwendeten Arzneimittel abhängig. Die antidepressive Wirkung dauert wenige Tage bis einige Wochen. Die Latenzursache ist reine Spekulation. Die Annahme einer Desensibilisierung des Rezeptors führt zu einer Verhältnisnormalisierung zwischen der synaptischen Konzentration des Überträgers und der Rezeptorempfindlichkeit. Oft sind die Zusammenhänge schwierig zu interpretieren. Es wird angenommen, dass für eine antriebssteigernde Wirkung die Blockade von zentralen Histamin-H1Rezeptoren verantwortlich ist. Fluoxetin z.B. hemmt vor allem die SerotoninRückaufnahme, hat aber keine beruhigende Wirkung. (Lüllmann 2010, S. 347f) 22

9. Behandlungen 9.1 Grundsätze zum Einsatz von Antidepressiva Depressive Phasen, welche akut auftreten werden in der Praxis für ca. zwei Wochen beobachtet, da sie spontan abklingen und eine schnelle Besserung in Sicht ist. Eine Pharmakotherapie kommt dann in Frage wenn eine schwere depressive Verstimmung gegeben ist. Bei Beginn einer Therapie sind ärztliche Kontakte ein- bis zweimal in der Woche notwendig. Die Latenzzeit bei den unterschiedlichen Thymoleptika ist relativ einheitlich und liegt bei zwei bis vier Wochen. Bevor das Ansprechen auf die Therapie beurteilt werden kann muss diese Wirkungslatenz abgewartet werden. Vor der Behandlung mit Antidepressiva muss mittels Laboruntersuchungen abgeklärt werden ob Kontraindikationen ausgeschlossen werden können. Ob es Unterschiede in Bezug auf die unterschiedlichen Wirkungen zwischen den einzelnen chemischen Thymoleptika gibt, ist unsicher. Auf Grund der unterschiedlichen Neben- und Wechselwirkungsweisen von NichtselektiveMonoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI) und SSRI kommt es zwischen NSMRI, SSRI und anderen Wirkstoffen zur Differentialindikation. Bei kardiovaskulären Erkrankungen ist die Einnahme von SSRI besser, da sie oft günstigere Nebenwirkungen bei dieser Gruppe von Individuen aufweisen als andere. Die geringe Überdosierungssicherheit und die kardiovaskulären Nebenwirkungen sind bei der Verschreibung von NSMRI zu beachten. Ein/eine erfahrener MedizinerIn wird bei der Behandlung auf die möglichst geringe Verschreibung von Arzneistoffen achten. http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/A-Z/PDF/Depression.pdf, 01.03.2016

9.2 Wichtige Aspekte bei der Behandlung Depressive Erkrankungen sind heute nicht mehr ungewöhnlich und haben in der Gesellschaft an Ernsthaftigkeit gewonnen. Eine medikamentöse und konsequente Therapie ist heute die bedeutendste Form der Behandlung. Die Entstehung, die Ursache, der Krankheitsverlauf und der Ausprägungsgrad einer Depression sind unterschiedlich und bei der Behandlung zu beachten.

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9.2.1 Schweregradbeurteilung Besonders der Schweregrad einer Depression ist wesentlich, da oft leichte bis mittelschwere depressive Verstimmungen durch eine psychotherapeutische Betreuung oder pflanzliche Psychopharmaka (Johanniskraut) gut behandelt werden können. Bei der sogenannten Altersdepression zum Beispiel ist es wesentlich, dass mehrere Behandlungsmaßnahmen erfolgen, da unterschiedliche Möglichkeiten der Krankheitsentstehung vorliegen. Antidepressiva sind außerordentlich wichtig bei schwer ausgeprägten Depressionen mit somatischen Beschwerden. Der Grund für eine endogene Depression liegt bei einer Stoffwechselstörung im Gehirn. Diese Betroffenen benötigen eine Kausaltherapie. Der Erfolg der Behandlung mit Antidepressiva liegt bei 70% der erkrankten Personen. Leider ergaben Untersuchungen, dass nur 10-20% der Betroffenen professionell behandelt werden. Es werden oft gar keine Antidepressiva verschrieben, zu niedrig dosiert oder in einem zu kurzen Zeitraum verordnet. Die zu behandelnde Person muss in einem Gespräch über die Therapieziele und die Behandlungsmaßnahmen informiert werden. Ob er/sie stationär oder ambulant behandelt wird, hängt vom Suizidrisiko ab. Die Zweckmäßigkeit eines Thymoleptikums ist auch von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Wichtig ist, dass nur in Ausnahmefällen zwei Wirkstoffe gleichzeitig verschrieben werden. Bei somatischen Risikofaktoren, wie z.B. Hypertonie, Grüner Star, Geschwüre sollten antidepressive Arzneimittel mit passenden Nebenwirkungen verordnet werden.

9.2.2 Dosierung Die für die Wirksamkeit erforderliche Dosis eines Wirkstoffes kann individuell sehr unterschiedlich sein. Um den Behandlungserfolg kontrollieren zu können ist daher eine Bestimmung des Plasmaspiegels wichtig. Bei behandelten PatientInnen kann es zu einer Verminderung der Aufnahme der gelösten Stoffe kommen und die Wirkung des Wirkstoffes ist nicht ausreichend gegeben. In so einer Situation können Infusionen mit Antidepressiva helfen. Generell sollte die Dosierung einschleichend sein.

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9.2.3 Beginn der Wirkung Bis es zu einem antidepressiven Effekt kommt dauert es ein bis drei Wochen. Mit dieser Latenzzeit gehen Probleme einher, da die Betroffenen oft nicht genügend Informationen erhalten und in Folge die Therapie abbrechen möchten. Grundsätzlich sind in den ersten Tagen Besserungen einzelner Beschwerden wie Schlafstörungen und inneres Unwohlsein zu erkennen. Das wirkt sich natürlich positiv auf den gesamten Therapieerfolg aus. Sind in den ersten zehn bis vierzehn Tagen keine Besserungen in Sicht müssen Behandlungsänderungen vorgenommen werden. Dabei ist zu bedenken, dass die Selbstwahrnehmung der PatientInnen gestört sein kann, da die Denkverzerrung des Betroffenen im Vordergrund steht. Ist nach der Dosisänderung noch immer keine Besserung gegeben, besteht die Möglichkeit einen anderen Wirkstoff der Antidepressiva zu verordnen. Gleichzeitig soll geklärt werden ob eine psychotherapeutische Therapie auf Grund von familiären oder beruflichen Problemen notwendig ist.

9.2.4 Akutbehandlung Müssen Depressionen akut behandelt werden ist eine intensive ärztliche Behandlung unumgänglich. Bis der/die PatientIn komplett beschwerdefrei ist vergeht eine lange Zeit und besonders bei schweren depressiven Verstimmungen verläuft der Heilprozess nicht ohne Höhen und Tiefen. Die Geduld aller an der Therapie beteiligten Personen ist erforderlich. Die Behandlungsprognose ist gut, da ca. 70% der Betroffenen auf die Therapie ansprechen. Ist die Wirksamkeit der Dosis erreicht, indem die PatientInnen die Medikamente mehrmals über den Tag verteilt einnehmen, kann anschließend bei mehreren Substanzen eine Dosis einmal pro Tag (abends oder morgens) gewählt werden, das ist besser für die Person und die Einnahmezuverlässigkeit wird auch erhöht. Die Behandlungsdauer muss auf den/die PatientIn abgestimmt werden. Die sogenannte Erhaltungsdosis ist für die beschwerdefreie und wieder erreichte belastbare Zeit von sechs bis zwölf Monate weiter zu führen, um Rückfälle vorzubeugen. Bei PatientInnen, welche innerhalb von drei bis vier Jahren mehrere depressive Episoden durchleben ist eine ca. fünfjährige Langzeittherapie von Vorteil. Nach diesen fünf Jahren wird ein langsames Absetzen der Psychopharmaka versucht. (Laux 2013, S. 101f) 25

10. Behandlungsmöglichkeiten „Das Ziel einer Pharmakotherapie besteht in der Anhebung der mehr oder minder herabgesetzten Grundstimmung. Die betreffenden Arzneimittel finden daher nicht nur Anwendung in der Psychiatrie zur Behandlung endogener und neurotischer Depressionen, sondern auch in anderen Disziplinen, wenn depressive Verstimmungen im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten und ihre Ursache sind.“ (Lüllmann 2010, S. 347)

10.1. Pharmakologischer Aspekt - Pharmakotherapie Depressionen zu therapieren ist nicht einfach und zu Beginn einer Behandlung muss die Art der Depression diagnostiziert werden. Bei Neurosen kann eine psychotherapeutische Behandlung ausreichen und bei einer reaktiven Depression ist eine kausale Klärung notwendig. Es kann für beide Diagnosen eine vorübergehende Einnahme von Antidepressiva notwendig sein. Ursprünglich ist das Einsatzgebiet der Antidepressiva die endogene Depression. Wobei auch hier die Bewertung der Wirksamkeit dieses Arzneimittels sehr schwierig ist. Einerseits, da es keine gleich gearteten tierexperimentelle Modelle zu den menschlichen Depressionen gibt, kann die Wirksamkeit nicht auf diesem Weg überprüft werden. Anderseits verläuft eine depressive Verstimmung in Phasen ab und es kommt sehr häufig ad hoc zu Besserungen. Der gesundheitliche Zustand kann sich oft durch psychische Behandlungen verbessern. Die Behandlungserfolge haben wir bei mittelschweren Depressionen zu ca. einem Drittel dem Placebo-Effekt, einem Drittel der nachhaltigen Betreuung und einem weiteren Drittel der Anwendung von Antidepressiva zu verdanken. Eine Rangliste der Thymoleptika, welches besser oder schlechter in den Behandlungen abgeschnitten hat, gibt es nicht, da die Erhebung von objektiven Daten über die Behandlungserfolge sehr schwierig ist. In der Verordnung von Antidepressiva kann folgendes beachtet werden. Verschreibung von trizyklischen Verbindungen bei schweren depressiven Verstimmungen und bei mittelschweren bis leichten Depressionen Verordnung von selektiven SerotoninRückaufnahme-Hemmstoffe. Bis diese Gruppe an Psychopharmaka wirken vergehen je nach Wirkstoff Tage oder sogar bis zu 3 Wochen, bis eine Gemütsveränderung eintritt. Im Gegensatz dazu macht sich die Wirksamkeit auf den Körper sofort 26

bemerkbar, weil die neuronalen Transmitter-Systeme beeinflusst werden. Die Konzentration im synaptischen Spalt erhöht sich und/oder die Rezeptoren werden blockiert. Akute Nebenwirkungen können daraus entstehen und wie sich diese Effekte auf die antidepressive Wirkung auswirken lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich ist die Annäherung von Rezeptorsystemen an die veränderte Wirkung von Überträgersubstanzen wesentlich. Eine Aufklärung der antidepressiven Wirkmechanismen ist bis dato noch nicht geglückt. (Lüllmann 2015, S. 226)

10.2. Alternative Behandlungsarten 10.2.1. Psychotherapeutischer Aspekt - Nichtmedikamentöse Therapie Zu Beginn einer nichtmedikamentösen Therapie erfolgt ein ärztliches Gespräch. Bei leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen oder einer Verweigerung der Medikamenteneinnahme kann eine Psychotherapie verordnet werden. Wie z.B. die kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonelle Therapie. http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/AZ/PDF_Kurzversion/Depression_k.pdf, 01.03.2016

10.2.2. Placebotherapie Placebos können auch einen Heilungseffekt hervorrufen. Dies ist abhängig von der Erkrankungsart, der Person und der Überzeugungskraft des/der Arztes/Ärztin. Diese sogenannte Scheintherapie sollte in der Praxis zum einen nur bei PatientInnen angewandt werden bei denen eine Pharmakotherapie nicht notwendig ist und zum anderen wenn der/die MedizinerIn über die Placebotherapie eine Psychotherapie anwendet. Es können auch Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Schwindel, Konzentrationsschwäche und Übelkeit auftreten.

10.2.3. Homöopathische Arzneimittel Doktor Hahnemann hat die Homöopathischen Mittel erstmals aufgezeigt. Diese Arzneimittel haben zwei Eigenschaften, welche sie von den spezifischen Wirkungen 27

der Medikamente unterscheiden. Je stärker Pflanzenextrakte verdünnt werden umso höher ist die Wirksamkeit. Die Auswahl der Arzneimittel erfolgt in der Homöopathie bezogen auf die Symptome und nicht auf zugrunde liegenden Prozessen. Durch die PatientInnengespräche werden die Symptome analysiert und der/die PatientIn nimmt diese Anteilnahme intensiver wahr als zuvor in der wissenschaftlichen medizinischen Betreuung. Nun ist es paradox, dass in der Wissenschaft der Medizin ein homöopathisches Mittel meist als somatisch unwirksam gilt, jedoch die Therapieerfolge zu respektieren sind.

10.2.4. Phytotherapie Arzneimittel, wie die Phytotherapeutika, werden aus Pflanzen gewonnen und beinhalten keine chemischen durch Synthese hergestellten Substanzen. Im Grunde genommen vertreten sie die Urform der Medikamente. Eine große Anzahl dieser Arzneimittel beinhalten biologisch wirksame und heilende Stoffe und zum Teil wirken sie auch toxisch. Daher ist auch Vorsicht geboten, denn der Wirkstoffgehalt kann schwanken und viele Pflanzen enthalten auch giftige Stoffe. Die Medizin benötigt eine große Anzahl wichtiger Wirkstoffe aus der Welt der Pflanzen. (Lüllmann 2010, S. 73f)

10.3 Falsche Behandlungsansätze Christina Müller schreibt in der Pharmazeutischen Zeitung über falsche Ansätze in der Therapie. Sie zitiert den Universiätsprofessor Glaeske aus Bremen, der behauptet, dass schwere Mängel in der medizinischen Versorgung von depressiven PatientInnen vorliegen. Der fortschreitende Anstieg vor allem bei den SSRI ist in den letzten 25 Jahren enorm. Er kritisiert, dass auch geriatrischen PatientInnen SSRI verabreicht wird, obwohl diese in den Zulassungsstudien der Hersteller nicht beachtet werden. Die Leber- und Nierenfunktionen von Senioren können eingeschränkt sein, deswegen muss zu diesem Thema deutlich mehr geforscht werden.

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Professor Glaeske kritisiert auch das Verordnungsverhalten der ÄrztInnen, welche zu häufig bei geriatrischen PatientInnnen Antidepressiva verschreiben. Am Auftreten der Neben- und Wechselwirkungen sind die zu hohen Dosierungen Schuld. Er ist der Meinung, dass Mediziner generell bei leichten depressiven Verstimmungen oft zu schnell Antidepressiva verordnen. Da die Betroffenen mit leichten bis mittelschweren Depressionen auf die Arzneimittel nur zu 20 Prozent über dem Placebo-Niveau ansprechen. Antidepressiva sollten nur bei schweren depressiven Verstimmungen eingesetzt werden. Zum Teil verschreiben ÄrztInnen auch diese Gruppe der Pharmaka ohne Diagnosebefund. Der Gesundheitsökonom steht der Verordnung durch HausärztInnen und InternistInnen gespalten gegenüber. Die Unterstützung der FachärztInnen durch die AllgemeinmedizinerInnen bei den Behandlungen ist notwendig, jedoch nur nach Rücksprache mit dem/der Facharzt/Fachärztin. Zum Beispiel bekommen PatientInnen auffallend oft von Allgemeinmedizinern den Wirkstoff Opipramol verordnet, obwohl die Wirksamkeit des Medikaments schon lange bezweifelt wird. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=59766, 26.02.2016

11. Unerwünschte Wirkungen von Antidepressiva 11.1. Nebenwirkungen Eine Behandlung mit Antidepressiva geht mit Nebenwirkungen einher und zu beachten ist, dass es kein einheitliches Profil gibt. Die Nebenwirkungen sind spezifisch und abhängig von der verordneten Thymoleptikaklasse. Ob die Nebenwirkungen abhängig vom Wirkstoff oder vom Krankheitssymptom sind ist für den/die Patienten/Patientin schwierig zu unterscheiden. Nebenwirkungen bei Einnahme von trizyklischen Antidepressiva sind z.B. Schwindel, Herzrasen, Mundtrockenheit, leichtes Schwitzen und Sehbeschwerden. Die subjektive Wahrnehmung dieser Beschwerden ist unangenehm, jedoch vom medizinischen Standpunkt betrachtet harmlos. Seltene Nebenwirkungen wie Harnsperre und Darmverschluss können bei älteren PatientInnen auftreten. Je nach Arzneimittel können auch Müdigkeit und Unruhe vorkommen. Das Herz und Gefäßsystem betreffend können Tachykardie und Blutdrucksenkung das Leben der Betroffenen erschweren. Der Zusammenhang zwischen dem Plasmaspiegel und den 29

unerwünschten Symptomen ist eng. Wesentlich ist bei der Einnahme von TZA, dass der Plasmaspiegel kontrolliert wird, da der therapeutische Blutspiegel und der toxische Spiegel eng zusammen liegen. Eine Dosiserhöhung verstärkt die Nebenwirkungen. Vordergründige Nebenwirkungen, wie Magen-Darm-Verstimmungen, Unruhe, Schlafstörungen ergeben sich bei der Einnahme von den neueren, selektiven Antidepressiva. Die Zunahme des Gewichts ist ein weiterer Faktor, der durch die Einnahme beeinflusst wird. Grundsätzlich überwiegen die Nebenwirkungen in den ersten Tagen der Therapie und legen sich während des Behandlungsverlaufs. Die Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens muss auch beachtet werden, besonders zum Behandlungsbeginn mit den älteren TZA. Bei den neueren Antidepressiva werden die psychomotorischen Funktionen für gewöhnlich nicht beeinflusst. Die Toxizität ist auch geringer und eine höhere Sicherheit der möglichen Überdosierung ist gegeben. (Laux 2013, S. 104f)

11.2. Zu viel Serotonin Ein Serotoninüberschuss ist eine seltene Nebenwirkung, darf aber nicht unterschätzt werden. Besonders sollen ApothekerInnen darauf achten wenn zusätzlich ein serotonerger Stoff (z.B. Johanniskraut) verordnet wird. Das sogenannte SerotoninSyndrom entsteht durch die erhöhte Serotonin-Konzentration im ZNS. Die Diagnose muss über die verschiedenen Beschwerden erkannt werden. Charakteristisch sind mentale Beschwerden wie z.B. Angst, Unruhe, Verwirrtheit und Desorientierung. Vegetativ-autonome Funktionsstörungen wie Übelkeit, Durchfall, Herzrasen, Bluthochdruck und Hyperthermie. Die Nerven und die Muskeln betreffend kann es auch zu Zuckungen und zur Hyperaktivität der Muskeln kommen. Der Auslöser für die Entstehung eines Serotonin-Syndroms liegt bei der Hemmung der Serotonin-Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt. Zu viel an Serotonin kann entstehen und eine Überstimulierung der postsynaptischen Rezeptoren und ein Überschuss an toxischen Effekten finden statt. Wenn diese Gruppe der Psychopharmaka mit Wirkstoffe, welche selbst das Syndrom auslösen können, kombiniert werden, steigt das Risiko.

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Wenn Fluoxetin und Paroxetin kombiniert werden ist Vorsicht geboten, da diese den Abbau von vielen Thymoleptika hemmen und selbst als Serotonin-Syndrom-Auslöser fungieren. Das Serotonin-Syndrom kann wie folgt behandelt werden. HTR2A ist ein Rezeptor, welcher überwiegend im ZNS lokalisiert ist und ist Vermittler vieler Wirkungen des Serotonins. Abänderungen in diesem Gen beeinflussen auf Grund von Rezeptorveränderungen die Wirkung und Verträglichkeit von Antidepressiva. Werden die Dosen erhöht, weil die Problematik nicht angesprochen wird, steigt das SyndromRisiko. Die Entwicklung des Syndroms passiert rasch nach erster Einnahme, Dosiserhöhung oder nach Gabe eines weiteren dementsprechenden Wirkstoffes. Zu beachten ist, dass auch nach Substanzabsetzen, wenn eine lange Halbwertszeit besteht, noch über einen längeren Zeitraum kritische Plasmakonzentrationen existieren können. Ein sofortiges Beenden der Einnahme der serotoninergenen Substanzen erfolgt um ein rasches Abklingen der Symptome innerhalb von wenigen Stunden zu erzielen. Stationäre Behandlungen sind erforderlich. Diese Tabelle (2) zeigt Antidepressiva, die ein Serotonin-Syndrom auslösen können. Arzneimittel

Gruppe/ Wirkungstyp

klinisch relevantes Abbauenzym

Johanniskraut

Phytopharmakon

(Hyperforin?) Mirtrazapin

tetrazyklisches

CYP 2D6

Antidepressivum Maprotilin

CYP 2D6

Amitriptylin

CYP 2D6

Clomipramin

CYP 2D6

Doxepin

CYP 2D6

Trimipramin

CYP 2D6

Duloxetin

SNRI

CYP 2D6

Trazodon

CYP 3A4

Venlafaxin

CYP 2D6

Citalopram

SSRI

CYP 2C19

Fluoxetin

CYP 2D6

Fluvoxamin

CYP 2D6 31

Sertralin

CYP 2C

http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=56620, 29.02.2016

12. Arzneimittelinteraktionen Interaktion heißt Wechselwirkung und bedeutet eine positive oder negative Wirkungsänderung eines Arzneimittels durch einen weiteren Wirkstoff. Diese Änderung kann auch ein Nahrungsbestandteil hervorrufen wie z.B. Grapefruitsaft. Mögliche Wechselwirkungen sind eine Verstärkung oder Abschwächung der Substanzwirkung. Ein Wirkstoff schafft es auch mit sich selbst in Interaktion zu stehen. Es gibt nicht nur unerwünschte sondern auch erwünschte Wechselwirkungen. Hier werden nur die unerwünschten Interaktionen erläutert. 22% der Einweisungen ins Krankenhaus sind auf Nebenwirkungen zurück zu führen die den Wechselwirkungen zu Grunde liegen. Erfreulicherweise haben nur wenige davon eine klinische Relevanz. Die Entstehung dieser Interaktionen erfolgt über die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften und sie beziehen sich überwiegend auf Wirkstoffe mit geringer therapeutischer Breite. Das bedeutet für die Therapie, dass es besonders bei der Einnahme von SSRIS zu Problemen kommen kann. Einstellungsschwierigkeiten bis hin zu lebensbedrohlichen Blutungen aus einem beliebigen Bereich der Blutbahn können die Folgen sein. Neben diesen für den Arzt offensichtlichen Folgen die auf Wechselwirkungen beruhen, gibt es weniger auffällige, wie die Einschränkung des Bewusstseins. Das kann in Kombination mit Alkohol z.B. zu einem schweren Autounfall führen. (Estler 2006, S. 51f)

12.1 Pharmakogenetik Unter Pharmakogenetik wird die Auseinandersetzung mit der genetischen Variabilität der Arzneimittelwirkung verstanden. Die Bezeichnung Polymorphismus bedeutet das Auftreten von ein oder mehreren Genvarianten und verglichen mit dem „normalen“ Gen treten sie mit einer Inzidenz von mindestens einem Prozent auf. Die Pharmakokinetik von Arzneistoffen kann durch Polymorphismen beeinflusst werden oder sie kommen in den Genen vor, welche für die Kodierung der Proteine für 32

Bindung und Wirksamkeit der Substanz verantwortlich sind. Die Entstehung dieser Varianten passieren einerseits in allen Körperzellen und auch spezifisch in einer einzelnen Zelle. Ist letzteres der Fall spricht man von einer somatischen Mutation, welche bei der Entstehung von Tumoren mitwirkt. (Lüllmann 2015, S. 96) Genauer gesagt kann die Forschung zwischen 3 Varianten dieser Mechanismen unterscheiden. •

Unterschiedliche Enzymaktivitäten

Das bedeutet, dass die Substanzwirkung bei geringer Enzymaktivität verstärkt und die Gefahr einer Vergiftung erhöht wird. Kommt es zu dem Fall, dass ein Wirkstoff erst durch die Enzyme aktiviert werden muss, dann wird die Substanzwirkung abgeschwächt. •

Aktivität von Transportproteinen

Die Wirkstoffverteilung im Körper und das Erreichen des Wirkortes sind von der Aktivität der Transportproteine abhängig. Verschiedene Vorgänge benötigen spezifische Transporter, wie die Überwindung der Darmschleimhaut, die renale Ausscheidung oder die Aufnahme ins ZNS. Diese Proteine werden genetisch gesteuert und das Auftreten von Polymorphismen ist nicht erstaunlich. •

Variabilität von Rezeptor-Proteinen

Eine veränderte Struktur eines Rezeptor-Proteins kann auch die Ursache für ein abnormes Pharmakaverhalten sein. Aus diesem Grund kann die Wirksamkeit der Substanz abweichen bzw. ausfallen. (Lüllmann 2010, S. 59)

13. Zusammenfassung Die Struktur meiner Arbeit ist wie folgt: im ersten allgemeinen Teil schreibe ich über die Gruppe der Psychopharmaka und im zweiten Teil lege ich den Fokus auf eine Untergruppe der Psychopharmaka den Antidepressiva. Ich berichte zuerst kurz über die Definitionen, Indikationen und Wirkungsmechanismen von Psychopharmaka um einen Überblick dieser Gruppe zu geben, zu der auch die Antidepressiva zählen. Somit möchte ich einen klaren Einstieg in das Thema schaffen.

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Im speziellen Teil beschäftige ich mich genauer mit der Materie der Antidepressiva und starte mit den unterschiedlichen Definitionen womit die Begrifflichkeit vertrauter wird. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in den nächsten Kapiteln. Ich setze mich mit den Indikationen von Antidepressiva auseinander. Das bedeutet welche Gründe es für den Einsatz dieser Arzneistoffe eigentlich gibt. Dazu passend beschäftige ich mich im Anschluss dieses Kapitels mit den speziellen Formen von Depression und deren Ursachen. Ein Hauptaugenmerk richte ich auf die Wirkungsmechanismen von Antidepressiva und wie sie sich darin unterscheiden. Im Kapitel Behandlungen gehe ich auf wichtige Aspekte zum Einsatz von Antidepressiva ein und erläutere medizinische und alternative Behandlungsmöglichkeiten. In den letzten beiden Punkten meiner Arbeit beschäftige ich mich mit den Nebenwirkungen und den Wechselwirkungen von Antidepressiva, wo ich auch noch die Pharmakogenetik kurz einfließen lasse. Durch diese Arbeit wurde mir einerseits bewusst, dass der Einsatz von Antidepressiva begründet und oft unumgänglich ist und andererseits nach wie vor zu schnell verordnet wird. Die vorherige Diagnose eines/einer SpezialistIn wäre hier sinnvoll. Die Auseinandersetzung der medizinischen ForscherInnen zu diesem Thema ist bedeutend und fortschrittlich. Die Wirkungsmechanismen sind sehr komplex, aber ich konnte die essentiellen Punkte klar definieren um ein gutes Verständnis zu bekommen. Sehr spannend finde ich die Ursachen von Depressionen, da diese Erkrankung gerade in der heutigen Zeit immer präsenter wird und im eigenen sozialen Umfeld jederzeit vorkommen kann. Behandlungsmöglichkeiten und unerwünschte Wirkungen gibt es unzählige und ich habe jene aufgezählt welche ich relevant und interessant finde. Mit dem folgenden Ausblick möchte ich noch zu einem Schluss kommen und einen Gedankenanstoß geben.

13.1. Ausblick Die psychischen Erkrankungen und vor allem Depressionen sind in der heutigen Gesellschaft nichts Seltenes mehr und gesundheitspolitisch werden diese Erkrankungen weltweit diskutiert. Die Inzidenz ist steigend und gleichzeitig wachsen die Kosten für die Behandlungen was wiederum eine wirtschaftliche Belastung für die 34

Gesundheitssysteme darstellt. Vorschläge der WHO zur Verbesserung dieser Situation sind die Risikofaktoren zu minimieren indem vorbeugende Maßnahmen angeboten werden. Den Fokus setzen sie hier auf die Stabilität im Familienleben, die Gestaltung eines guten sozialen Netzwerks, die Persönlichkeitsentwicklung und die Verdrängung von Suchtmitteln. Die europäische Gemeinschaft spricht mehr von Förderung der psychischen Gesundheit und weniger von Behandlungsansätzen für psychische Erkrankungen. Schauen wir auf die Website des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit wird der Begriff „Psychische Gesundheit“ erwähnt und nicht die psychischen Krankheiten. Wenn jedoch der Versorgungsbericht für psychisch kranke Personen dargelegt wird, wird klar, dass die Behandlung psychisch Kranker mit Medikamenten essentiell ist und die Gruppe der Antidepressiva fast die Hälfte der verordneten Psychopharmaka ausmacht. (Bencic 2003, S. 7f) Im „Dinge schön reden“ sind wir alle SpezialistInnen und gerade in sehr lebensernsten Situationen wie der Diagnose Depression ist es wichtig offen und ehrlich zu sein und Dinge beim Namen zu nennen. Nicht aus einer psychischen Krankheit eine psychische Gesundheit zu machen. Gerade die WHO sollte hier eine Vorbildfunktion einnehmen und nicht die Augen verschließen und utopische Ziele definieren, wie z.B. die Verdrängung von Suchtmitteln.

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14. Literaturverzeichnis Bencic, W. (2003): Versorgung mit Antidepressiva. Linz: Johannes Kepler Universität. Estler, C., Schmidt, H. (2006): Pharmakologie und Toxikologie. Stuttgart: Schattauer. Kemetmüller, E., Gschwandtner, G., Fürstler, G., Maier, N. (2014): Die Fachbereichsund Abschlussarbeit in der Gesundheits- und Krankenpflege. Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG. Laux, G., Dietmaier, O. (2013): Psychophramaka. Berlin-Heidelberg: SpringerVerlag. Lüllmann, H., Mohr, K., Hein, L. (2015): Taschenatlas Pharmakologie. Stuttgart: Thieme-Verlag. Lüllmann, H., Mohr, K., Hein, L. (2010): Pharmakologie und Toxikologie. Stuttgart: Thieme-Verlag. Weinmann, S. (2010): Erfolgsmythos Psychopharmaka. Warum wir Medikamente in der Psychiatrie neu bewerten müssen. Bonn: Psychiatrie-Verlag. Internetquellen Arzneiverordnung in der Praxis (2006): Depression. http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/A-Z/PDF/Depression.pdf, 24.02.2016 Clinicum Neuropsy (2012): Depression. Medikamentöse Therapie. http://oegpb.at/files/2014/06/Kons_Depressionen1112.pdf Duden online (2016). Berlin: Dudenverlag. http://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/psychopharmaka, 10.02.2016.

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Neurologen und Psychiater im Netz (2016): Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatriepsychosomatik-psychotherapie/erkrankungen/depressionen/einteilung/, 26.02.2016 Pharmazeutische Zeitung online (2015): Nachrichtenarchiv. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57032, 22.02.2016 Pharmazeutische Zeitung online (2015): Ausgabe 09/2015. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=56620, 29.02.2016 Pharmazeutische Zeitung online (2015): Ausgabe 38/2015. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=59766, 26.02.2016 Pschyrembel Premium Online Datenbank (2016): Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. http://www.degruyter.com.pschyrembel.han.medunigraz.at, 24.02.2016 http://www.medicoconsult.de/Antidepressiva/, 22.02.2016 https://www.dr-gumpert.de/html/antidepressivum.html, 24.02.2016 http://nie-mehr-depressiv.de/wissen/depression-ursachen/, 22.01.2016

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