IMPRESSUM. Redaktion: Uwe Bressnik, Daniel Terkl Grafik, Satz und Bildbearbeitung: Rainer Dempf Druck: Remaprint, Wien ISBN

IMPRESSUM Redaktion: Uwe Bressnik, Daniel Terkl Grafik, Satz und Bildbearbeitung: Rainer Dempf Druck: Remaprint, Wien ISBN 978-3-85160-185-5 Vertrie...
Author: Steffen Gerber
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IMPRESSUM Redaktion: Uwe Bressnik, Daniel Terkl Grafik, Satz und Bildbearbeitung: Rainer Dempf Druck: Remaprint, Wien

ISBN 978-3-85160-185-5 Vertrieb außerhalb Österreichs / Distribution outside Austria: Vice Versa, Berlin SCHLEBRÜGGE.EDITOR Museumsplatz 1 quartier21/MQ 1070 Wien Austria www.schlebruegge.com

I N H A LT

Ines Kuttnig E IN BL ICK

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Christiane Fath N ICH T ZU FA S S E N …

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Thomas Raab WAS IST E IN B I L D ?

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Hakim Heinz Khan ZE ITG E ISTI NG – Ü B E R D I E MOD E R N E K O GN I T I O N U N D D AS ÜB E N D E S G L Ü C K S

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Marko Košan P OP -ART

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Daniel Terkl BRE SSN IK ME D I E N K U NS T

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Christian Höller G RO SSE F REI HE I T

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Robert Lauritsch H IN TE R-G R U ND - G E D A NK E N

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Uwe Bressnik AM BAL L

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Bernhard Seiter BAL L BE SITZ

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Autoren Uwe Bressnik Fotonachweis, Dank

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Ines Kuttnig

EINBLICK

Retrospektiv. Ein Ausstellungsraum. In der Gumpendorfer Straße 23, Wien. Ein Ort, der durch selbstschöpferische, offene Kontexte Kunst und Kultur anwesend macht. Ein Ort des Verbundenwerdens, des Verbundenseins. Nomadisches Denken. Rhizomatisch. Deleuzianisch.1 Gerhart Scholz (der Mann hinter dem ausstellungsraum.at) zeigt, dass starre Strukturen nicht notwendig sind. Konzepte und Gestaltung entwickeln sich bei jeder Ausstellung neu und anders. So kommt es im Oktober 2009 zur Vernissage des bildenden Künstlers Uwe Bressnik. LIVE RECORD.2 Im ersten Stock die Ausstellung, ein Querschnitt an Werken der letzten 20 Jahre, vom Theoretiker Daniel Terkl kuratiert. Zu ebener Erde zeichnet Bressnik seine Rillen in eine überdimensionale Schallplatte. Meditativ der Bewegungsablauf. Linke Hand dreht die Schallplatte, rechte Hand zieht die Rille. Sssst. Linke dreht, rechte zieht. Sssst. Keine Ablenkung erwünscht, oder doch! Bressnik zeichnet diesen Abend auf. Angenehmes, Irritationen, Virtualitäten, Interaktionen werden jetzt und jetzt festgehalten. Zur Schallplatte werden. Deleuzianisch. Ein Künstlerbuch entkeimt. Aus der Mannigfaltigkeit des Differenten. Daraus schöpft auch der Künstler selbst. Er ist Viele. Bildender Künstler. Musiker. Fußballer. Als Spielender. Der durch diese Wechsel der Perspektiven („Ich ist ein anderer“ – Rimbaud) in seinem Schaffen scheinbare Gegensätze – den Wandel ihrer Zeit mitbedacht – neu und anders ins Licht wirft. Hannah Arendt nannte ihre geistige Arbeit „Denken ohne Geländer“3. Ein radikal unabhängiges Denken, frei von jeglicher Schubladenund Schulzuordnung. Bressnik lässt dieses „Denken ohne Geländer“ in seine Werke, in sein Künstler-Sein fließen. Das ist, was ihn außergewöhnlich macht, er lebt ein Denken, ein Schaffen, ohne Geländer. Warum sollte man sich auch entscheiden zwischen bildender Kunst und Musik, Malerei oder Fußball? Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Bressnik ist auf der Suche nach Verbindungen, nach Ergänzungen. Fotografien eines Fußballspieles, indem er selbst Spielender ist, konterkariert Bressnik mit Textausschnitten einer Tageszeitung, die Tanzperformances beschreiben: „… ziehen sie durch den Raum und erforschen ihren eigenen Körper, die Atmosphäre, das Licht. Dies ist ein semiimprovisierter Tanz.“ Der Fußball wird zum Tanz und umgekehrt. Themen ineinander übergreifend darzustellen um daraus etwas Neues entstehen zu lassen, ein ungeheuerliches Anliegen Bressniks. Was ist die „Passionsfrucht“? – ein aufgeschnittener Lederball. Sein Innenleben wird sichtbar. Wird zur Blüte, zur Frucht, in der alles möglich ist, nicht nur die Möglichkeit Fußball zu sein beziehungsweise zu werden. Die Passion Fußball(er) sein zu müssen kehrt sich nach außen … Wie kann man ein Bild malen, ohne zu malen, im klassischen Sinne? Eine der Fragen, die Bressnik seit langem beschäftigen. „Takeaway“ die gegenwärtige Antwort, Leinwand und bunte Plastiksäcke. Eine Schicht über die andere. Gelber Plastiksack auf

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blauem ergibt Grün, genauso wie Ölfarben gemischt werden. Bressnik schichtet, sichtet, zieht Falten und Linien. Deleuze wäre entzückt. Gegensätze scheinen in Bressniks Arbeit unentbehrlich zu sein. Sie verrücken sogar, wenn sich etwa die KunstSportGruppe hochobir 4 manifestiert. In einer Zeit, in der eher vom Scheitern einer Künstlergruppe auszugehen wäre. Weil es die Geschichte verrät. Bressnik ist einer der Vier, die dafür sorgen, dass die Begriffe Kunst, Sport, Gruppe ineinander übergehen, und mit hochobir (ein Berg am Rande Kärntens, der in dieser Verrücktheit für die Verortung der Gruppe steht) ergänzt werden. Der Katalog wird sichtbar. Durch ein Affiziertwerden. Das Werk Bressniks reizt(e) AutorInnen, TheoretikerInnen, VermittlerInnen, PhilosophInnen. Die Affizierten werden wiederum vom eigenen Text und von den Texten der anderen affiziert. Es bewegt sich etwas. Es verbindet sich. Es ergänzt sich. Dieser Katalog ist nicht nur Werkverzeichnis, ist nicht nur Lesebuch, sondern lässt durch seine schöpferischen, offenen, literarischen und theoretischen Kontexte Kunst und Kultur anwesend sein.

ANMERKUNGEN 1 Vgl. Gilles Deleuze/Félix Guattari, Was ist Philosophie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, Gilles Deleuze, Kritik und Klinik, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000 und Gilles Deleuze, Logik des Sinns, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993. 2 Ausstellung und offenes Atelier: Live Records / Life Record [31. 10. 2009–31. 3. 2010], ausstellungsraum.at, Gumpendorfer Straße 23, 1060 Wien. [Anm. d. Red.] 3 Vgl. Hannah Arendt, Denken ohne Geländer. Texte und Briefe, München: Piper 2005. 4 Heiko und Uwe Bressnik, Richard Klammer, Patrick Pilsl aka Martin Dean. www.kunstsportgruppehochobir.at

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Jugoslawien, 1995; Looks Like Sound/Sounds Like Art, 2008; Family Tree, 2002 (v.l.n.r.) Installationsansicht ausstellungsraum.at, Obergeschoß, 2010

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O.T. I–III, 1991; Ohne Bewusstsein/Senza Coscienza, 2001 (v.l.n.r.) Installationsansicht ausstellungsraum.at, Obergeschoß, 2010

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Christiane Fath

NICHT ZU FASSEN

Mehr Einfluss auf seine Arbeit als er selbst vielleicht vermutet, hatte Bressniks Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien: es begann bei Medienprofessor Peter Weibel, führte über Sepp Moosmann zu Oswald Oberhuber und Ernst Caramelle, und bewegte sich doch stets zwischen der Freien Grafik- und Weibels späterer Medienklasse hin und her. Früh (1983) hatte Bressnik dabei Gelegenheit, die „neuen Medien“, das heißt damals im Grunde die ersten Grafikcomputer kennen zu lernen und das ästhetische Potential digitaler, elektronischer Bildproduktion zu erfahren. Das weite Feld der unendlich manipulierbaren Pixel und Millionen Farben versprach den seinerzeitigen Pionieren wie immer eine große Freiheit und weit reichende Entdeckungen. Doch spätestens in der Rezeption des Er- und Gefundenen empfand Bressnik sehr bald die Limits jener schönen neuen Welt und ein gewisses Unbehagen: Das „technologische Ghetto“ der Medienkunst war mit deren immanenten Mitteln natürlich nicht zu überwinden, vermeintliche künstlerische Innovation nivellierte sich von selbst, und die Medienkunst verkam zusehends dazu, im Fahrwasser der Industrie auf die Jagd nach dem technologischem Vorsprung zu gehen. Während Generationen von MedienkünstlerInnen damit beschäftigt sind, mit der technologischen Entwicklung im Medienbereich Schritt zu halten und an deren Weiterentwicklung beteiligt zu sein, wandte sich Bressnik den prägenden Auswirkungen jener Technologie auf die ästhetische Gegenwart zu. Von der klassischen bildenden Kunst führte Bressniks Weg in die neuen Medien, und von dort wieder in die klassische bildende Kunst – mit der Ästhetik der neuen Medien im Gepäck. Uwe Bressnik, der „Rastermann“: Im Mittelpunkt seiner frühen Arbeitsgruppen steht der Moiréeffekt – immaterielle Linien oder Punktfolgen, die sich durch das Überlagern zweier oder mehrer Netz-Raster im Auge bilden. Ästhetischen Qualitäten elektronischer Medien – Immaterialität, bewegtes Image, strahlende Farbigkeit werden damit durch eine Anzahl von Analogien simuliert. Die bei herkömmlichen Rastertechniken verwendeten Punkte bilden sich bei der Arbeit Bressniks im Zwischenraum von horizontalen und vertikalen Linien. Es entsteht die Negativform eines Pixels. Dieser immaterielle Punkt ist durch das Netz eindeutig festgelegt, quasi digitalisiert. Die verwendeten, manuell durch Aufspannen und Streichen aus ihrem strengen Raster verschobenen Gewebe werden durch Schichtung zu dessen Gegenteil: zu einem Lebendigkeit evozierenden Organischen. Bei näherer Betrachtung offenbart das Organische jedoch sofort wieder das ihm zu Grunde liegende starre Rasterskelett. Diese Ambivalenz fasziniert den Künstler, und an genau dieser Stelle schließt sich in Bressniks Œuvre der Bogen von Malerei zu im Ursprung elektronisch generierten Medienbildern. Bressnik sitzt also einigermaßen zwischen den Stühlen: Für die Medienleute ist er ein Maler, für die Maler ein Medienkünstler; Er würde ruhelos hin- und hergeschoben wer-

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den zwischen den künstlerischen Medien, würde nicht viel mehr ER die Medien verschieben. Bressnik verschiebt das Bild in den Schirm („BILDschirme“ 1991–93), den Schirm in das Bild („Monitore“ 1991), die Grafik in den Computer und den Computer wieder zurück in die Grafik („Links, Rechts“ 1992).1 Uwe Bressnik ist demnach nur bedingt als Medienkünstler zu bezeichnen – viel mehr als MedienVERSCHIEBUNGSKünstler. Denn da war immer auch noch die Musik: Uwe Bressnik: „Seit Beginn der Mittelschulzeit höre ich bewusst und leidenschaftlich Musik, ich hab’ tausende Platten zu Hause und im Atelier; ich kann mit Musik am ausdauerndsten bildnerisch arbeiten, brauch’ einfach einen vernünftigen Sound um mich herum; das mag gelegentlich manische Züge haben, und ich bin ein Sammler – aber kein Freak!“ Nach der Matura geht Bressnik nach Wien, er will ganz naiv „Kunst“ studieren, und scheitert heftig an den Aufnahmeprüfungen sowohl der Bildenden als auch an der Angewandten. Also greift er sich die Gitarre und übt. Spielt niemals, sondern übt und übt und kommt klarerweise nicht wirklich vom Fleck. Zwangsweise drängt nach zwei Jahren aber doch die Entscheidung: Musik- oder Kunsthochschule oder, wenn er diese letzte Chance nicht nützt, womöglich etwas ganz anderes. Es ist doch das Kunststudium geworden, und mit der Aufnahme an die Angewandte folgen plötzlich verhältnismäßig erfolgreiche Jahre der ausschließlichen Beschäftigung mit bildender Kunst. Nach und zwischen den medienbezogenen Arbeiten vollzieht sich dann allerdings doch eine schrittweise „Musikalisierung“ seiner bildnerischen Arbeit, eine thematische Verschränkung: „Soul Source Records“ ab 1996, „The Sound of Painting“ 1997, „Bressniks 1210“ 2000, „Vyl Vinyl Records“ ab 2003, „Bearbeitungen“ ab 2006. Bressnik verschiebt die bildende Kunst in die Musik: er malt Schallplatten, zeichnet Klangräume, baut ein DJ-Set aus rohen Holzstümpfen, Wurzeln, Beeren und Moos oder gestaltet einen Bandbus 2 als benutzbare Skulptur. Das Medium Video nutzt er weiterhin parallel dazu – ebenso „verschoben“. Es geht ihm weniger um das „neue Medium“ selbst, als um die Aktualisierung ebenjener „klassischen“ Formen bildender Kunst, die ihn – scheinbar „unmodern“ geworden – um nichts weniger interessieren: Grafik („Progress“ 1989), Skulptur („Wasser, Erde, Luft“ 1994, „Paranormal Panorama Kitchen“3 2000), und Malerei („Nightshot“ 2002). Oder es geht um Musik („Singles 4 Singles“ 2001). In Wahrheit aber meistens um beides („Vertrauen“ 4 2004, „Valåsn“5 2005). Und erst dann, über die bildende Kunst, macht Bressnik wirklich selber Musik. Seit einigen Jahren spielt er Taschentrompete, pfeift und singt, hauptsächlich mit bildenden Künstlern: in der Großen Freiheit Nr. 7, als Geschwitters Danzebein (mit Heiko Bressnik), im Rahmen der KunstSportGruppe hochobir oder mit dem Impro-Ensemble seelish. Den Umgang mit Musikern (vom Trio Exclusiv bis Naked Lunch, aus dem Umfeld vom Wiener Fluc bis hin zum Rhiz) hingegen pflegt Bressnik beim gemeinsamen Fußballspiel. Und das mündet wiederum in den Kunstkontext seiner Fußballperformances: „In Touch“ New York 1993, „Am Ball“ Damtschach 1994, „Auf der Suche nach dem verlorenen Ball“ Pöllau, Steiermark 1994, „Pas de bal“ Frankfurt 1998, „Spielball“ Klagenfurt 2008. Ist Bressnik also ein Musiker, fragen sich Musiker, oder ein Performer? Ein (Fußball)spieler? Wohl eher ein fußballspielender Künstler, meinen Andere. Aber auch

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Künstlern ist Bressnik suspekt: Ein weiterer Musiker, ein Was-auch-immer-Performer ist der Kunstwelt offenbar lieber, als ein weiterer Künstler; und ein Verschiebungskünstler gefährdet überhaupt die sicheren Grenzen jedweden Metiers. Ein Haufen Stühle also, um sich dazwischen zu setzen. Aber Bressnik bleibt lieber in Bewegung, dann ergibt sich erst gar keine Gelegenheit, sich niederzusetzen. Er bleibt, wie er ist: hier und dort und nicht zu fassen ...

ANMERKUNG 1 Schon früher ist diese Verschiebung zu beobachten, etwa bei den Arbeiten „Logos“ 1983 oder „Beschleunigte Bilder“ 1986, „Schöne Neue Welt“ 1990, „Grüße aus New York“ 1991. 2 Mit Reinhard Blum 3 Mit Hille Bekicˇ 4 Mit Heiko Bressnik 5 Mit der KunstSportGruppe hochobir

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Studio (hoch 2), 2009; Live Record, 2009; That’s Life, 2009 (v.l.n.r.) Installationsansicht ausstellungsraum.at, Erdgeschoß, 2010

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Live Record, recorded live im ausstellungsraum.at, 2009, Ø 177cm/70", Hartfaserplatte, Acryllack, Tempera, Silberstift

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Thomas Raab

WAS IST EIN BILD?

Als sie aus der Kellerbar kamen, war oben in der Galerie schon der Aufbau der neuen Ausstellung im Gange. Vereinzelt standen zwei Personen oder kleinere Grüppchen herum, die sich mit gedämpften Stimmen unterhielten, rauchten, der eine oder andere ein billiges Weinglas, halbleer, in der Hand. Neonlicht, Hämmern, der neue Künstler begann nun mit einem silbernen Lackstift auf schwarzem Grund die Rillen einer riesenhaften Vinylschallplatte zu zeichnen. „Was ist ein Bild?“, fragte Wachmann die Kunstkritikerin (35), die Frau Bachmann aufs Haar glich, herausfordernd. Die beiden lehnten mit dem Rücken an einer der hinteren Galeriewände, und waren (wohl) kaum bemerkt worden. Doch beide waren älter, studierter und, obwohl neuer, doch (irgendwie) schlechter angezogen als im Galeriendurchschnitt. Sie unterhielten sich. Jede Frage, über deren Antwort im Gespräch (scheinbar) Übereinstimmung erzielt werden kann, wird die Übereinstimmenden näher aneinander binden. So werden sie eine Allianz bilden können, die jeder feindlichen Stimmung im Umfeld (Nischenmarkt) zumindest tröstlich entgegenstehen wird können. „Was ist ein Bild?“, wiederholte die Kunstkritikerin leise und rhetorisch. Der Künstler hatte die schwarz grundierte kreisrunde Platte von etwa anderthalb Metern Durchmesser, um die Rillen besser einzeichnen zu können, schräg aufgebockt. Die Platte war drehbar, ein Mal-Turntable, um Überschneidungen in der zu zeichnenden Lackstiftspirale, die die Rillen der Platte vorstellten, zu vermeiden. Nach und nach wurden nun auch von Mitarbeitern verschiedene Bilder aus Folien ausgepackt, (sichtlich) liebevoll betrachtet, an angemessener Stelle an die Wand gelehnt, noch einmal betrachtet, im Zusammenhang mit anderen an die Wand gelehnten Bildern betrachtet, aufgehängt, justiert, abgehängt, umgestellt und so weiter. (Die experimentellen Glieder der Gesellschaft kombinieren gerne. Über dem Designsofa ein Bild vom Trödler, zu teuren Markenhosen ein Secondhand-Pulli, zur neusten Belletristik ein schwieriges Sachbuch zur politischen Ökonomie.) Reich war hier niemand. „Dort, die Vinylschallplatte“, sagte Wachmann, „die im Hintergrund eines offenbar alten Fotos einer Alpentallandschaft auftaucht.“ Er zeigte auf eine kleine querformatige Collage des neuen Künstlers, die bereits seitlich hinter der Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, knapp über deren Augenhöhe aufgehängt worden war. Die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, musste nicht lange nachdenken. „Das ist das Bild einer Schallplatte“, sagte sie locker, „keine Vinylschallplatte an sich.“ Das Wort Collage fiel, Montage auch. Wachmann nickte zustimmend und nippte an dem Weißwein, der in seiner rechten Hand wärmer wurde. „Doch überlege einmal“, gab er verschmitzt zurück, „ob jedes Ding ein Bild eines anderen Dings, jedes beliebige Ding also ein Bild sein kann.“ Das war ziemlich philosophisch und gut so. Die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, musste (sichtlich) nachdenken. „Na ja“, sagte die Kunstkritikerin, „der Gegenstand des Bildes bleibt am Bild haften.“ Wachmann runzelte die Stirn als sie umgehend fort fuhr: „Wir sehen den Gegen-

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stand und nicht das Bild an sich, das deshalb ja ein Text ist.“ Beim Wort Text trat umgehend Schweigen in den umliegenden Gruppendiskursen ein. „Na ja“, sagte sie nach jener Pause, die mit Nippen am immer noch wärmer werdenden Weißwein samt Umherblicken in der Galerie, durch die regelmäßig Menschen, immer in Grüppchen, aus oder in die Kellerbar zogen, sowie dem notwendigen Enden der peinlichen Stille vergangen war, „eine ziemlich akademische Frage jedenfalls.“ „Das muss ich zugeben“, gab Wachmann zu, „aber andererseits sitzt dem naiven Verwechseln des Gegenstands Bild mit dem Bildgegenstand eine ganze Bilderindustrie auf.“ Die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, versuchte (ganz offenbar) die Geschmacksnote dieser Äußerung einzuordnen. „Das Wort naiv gefällt mir nicht“, meinte sie schließlich (sichtlich) unentschlossen. „Das klingt, als hättest du Dünkel gegenüber der Masse, denn die Worte Industrie und naiv bedeuten immer Masse, Verhaltensdenken, Sozialismus und Kapitalismus.“ Wachmann hob die Augenbrauen. „Masse, Verhaltensdenken, Sozialismus und Kapitalismus“, sagte die Kunstkritikerin, „sind allesamt Texte.“ Pause. „Aber der Rahmen jedes Bildes befindet sich im Kopf“, tönte Wachmann plötzlich, als hätte er ein Rätsel gelöst oder wäre verzweifelt. Der Künstler drehte die Holzplatte, die die riesige Vinylschallplatte darstellen musste, indes sehr langsam weiter, (sichtlich) um die mit Hand gezogenen Farblackstriche, die die Plattenrillen symbolisierten, noch präziser aufbringen zu können. Inzwischen waren andere Bilder ausgepackt und lehnten an vorderhand angemessenen Stellen an der weißen Wand: Bilder aus mehreren Schichten gespannter Kunststoffnetze unterschiedlicher Farbe, die wellenartige Interferenzmuster bildeten, quadratische Acrylbilder mit bunten einfärbigen Hintergründen, die verschiedene Singlevinylschallplatten darstellten, Collagen, Siebdrucke, ebenfalls mit Interferenzmustern. Die Aufbaumitarbeiter hatten um 13 Euro pro Stunde ganze Arbeit geleistet. Die Summe des erworbenen Geldes wird für Reisen im Rahmen des aktuellen Projekts verwendet werden – – – Wachmann und die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich und nun (augenscheinlich) zum Philosophieren genötigt war, beobachteten weiter das getragene

Aufzeichnungen, seit 2009 Aufzeichnung ist ein bemerkenswert vieldeutiger Begriff, der, ureigentlich wohl von einer bildnerischen Tätigkeit ausgehend, mittlerweile geradezu ausschließlich die Aufnahme unzeichnerischer Inhalte – Musik, Text, Sprache, Theater, Sport et cetera – meint. Das gefällt mir und prädestiniert den Begriff für meine wandfüllenden Arbeiten: denn neben deren eigentlichem Motiv – Orten multipler Kulturarbeit – sollen meine „Aufzeichnungen“ auch die besondere momentane Aura, die Stimmung eines magischen Moments, die Präsenz allfälligen Publikums, kurz: die Gesamtheit einer Abfolge lebendiger Augenblicke in ihren oszillierenden Rillen und Strichlagen festhalten.

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That’s Life, 2009, 260 x 260, Permanentstift auf Schichtstoffplatten, Acrylfarbe Installationsansicht ausstellungsraum.at, Erdgeschoß, 2010

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Treiben. Der Künstler hatte ihnen in einer Zeichenpause zugenickt, freundlich, wie es üblich ist, Publikum ist immer gut. „Du meinst“, fragte die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, Wachmann, „dass man bei geeigneter Einstellung alles als Bild etwas anderes sehen könnte?“ Wachmann hatte ausgetrunken, stellte das nunmehr auf Zimmertemperatur erwärmte leere Glas hinter sich an die weiße Wand. „Nein“, meinte er, „denn ein Bild kann nur das sein, was einen wenigstens fiktiven Wert besitzt.“ Die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, kniff die Augen zusammen. „Du meinst Tauschwert, oder?“, fragte sie defensiv. „Nein, allgemeiner“, gab Wachmann an. „Jedes Bild ist, vom Energieaufwand seines Herstellers sowie seines Konsumenten betrachtet, eine Investition in die Denkleistung der Gesellschaft!“ Pause. „Der Wert eines Bildes ist der Rahmen im Kopf“, tönte Wachmann plötzlich sehr sehr sicher. (Die Experimentellen sind gerne unterwegs, nicht nur vom Wohnort ihrer Eltern nach Berlin, sondern auch zum Klettern nach Indien oder ins Öko-Resort auf Gran Canaria. Leuchtschrankwerbung hat in dieser Gruppe daher wenig Streuverluste: Der Experimentelle fühlt sich geborgen, wenn in Start- und Zielflughafen dieselben Plakate leuchten.) „Wie meinst du das?“, gab die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, unmittelbar zurück. Wachmann konnte (sichtlich) nicht mehr zögern, der Wein war zu Ende getrunken, die Kellerbar keine Alternative für älter werdende Denkerinnen und Denker. „Hätten wir nicht in die falsche Frage, was ein Bild sei“, gab er an, „schon Gedanken, Zeit, Studium und so weiter investiert, und wären wir für diese Investitionen nicht gelobt, gefördert, bezahlt, positiv verstärkt worden – wir stünden nicht hier und jedes Bild hätte für uns nur einen ganz naiven, gleichsam anthropologischen Wert. Nämlich als Reminiszenz, als Steuersignal, das es leichter macht, etwas, was uns zu erinnern wichtig erscheint, nicht so leicht zu vergessen.“ Die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, war platt. Auch ihr Weinglas war nun warm und beinahe leer. Der Künstler zog die Rille weiter. Menschen zogen weiterhin an ihnen vorbei. Die Arbeit musste erledigt werden. Man fand sich sympathisch, die Interessen weniger verschieden als vorderhand erwartet. „Die ersten Bilder dienten“, sagte Wachmann, „dem Ritual als Steuerzeichen: Wann muss sich das Volk so oder so verhalten, dies oder jenes empfinden. Die neuen Bilder unterscheiden sich da nicht davon. Nur das Tier sieht keine Bilder – es geht an ihnen vorbei!“ Wieder „entstand“ eine Pause. „Du vergisst die soziale Funktion!“, stieß endlich die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, hervor. „Kunst ist mehr als Tauschobjekt“, ergänzte sie munterer, „Kunst ist Trost, Hoffnung!“ Wachmann lächelte so provokant, dass sogar der Künstler, dessen Lackstiftspirale, von außen nach innen auf die Platte gezeichnet (Assoziation: Tonarm, der von außen nach innen über die Platte gleitet), mittlerweile mehr als zwei Drittel der Plattenfläche einnahm, kurzfristig seinen Kopf den beiden zuwandte. „Auch das ist ja nur ein Teil des Rahmens im Kopf“, sprudelte da schon Wachmann, er konnte es nicht mehr zurückhalten. „Völlig verkopft“, gab die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, zurück. Die Klingen hatten sich ineinander verhakt;

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Studio (hoch 2), 2009, 280 x 390, Permanentstift auf Schichtstoffplatten, Acrylfarbe

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Energie staute; Wut dräute. Für Wachmann war die Kunstkritikerin (sichtlich) begriffsstutzig, für die Kunstkritikerin wollte sich Wachmann (offenbar) mit pseudokniffligem Geschwätz profilieren. Ein Milieuunterschied türmte sich (deutlich) zwischen ihren warmen Körpern im Neonlicht auf. Wachmann war Schriftsteller, die Kunstkritikerin Kunstkritikerin. Man hatte sich längst eingebunkert. (Die erfolgreichen Experimentellen erleben die Welt als Spielfeld für ihre gewagten und geförderten Unternehmungen, die der Industrie jene gesunden neuen Impulse gibt, die diese für ein nachhaltiges Wachstum braucht. Die erfolglosen Experimentellen hingegen erleben die Welt als fehlerhaft, ungerecht. Sie kann ihren hohen neuen moralischen Ansprüchen nicht gerecht werden. Die erfolglosen Experimentellen sind daher schnell beleidigt, wobei die Intensität der Beleidigung auf dem Signifikanzniveau von 0,95 mit der Angst vor Insolvenz korreliert.) „Kontext“, hatte die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, mit versunkener Miene äußerst schwer in die Galerie gestellt. Sofort trat wieder Schweigen in den umliegenden Diskursen ein. Alle hatten ihre Köpfe der Kunstkritikerin und Wachmann, dessen Gesicht einen gequälten Ausdruck annahm, zugewandt. „Der Kontext macht das Bild“, entgegnete die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, Wachmanns Schweigen. „Ja, aber“, so Wachmann leise, „der Kontext existiert doch nicht außerhalb unserer Köpfe.“ Die Kunstkritikerin lächelte bereits siegesgewiss. Aus der Kellerbar war kurz lautes Lachen zu hören. „Du nimmst deinen Kopf zu wichtig“, sagte die Kunstkritikerin, „mein Lieber!“ Die umliegenden Gespräche wurden wieder aufgenommen. Man wusste (offenbar), was nun kommen musste. Der Künstler hatte die runde Holzplatte, die nun eine Vinylschallplatte darstellte, fertig gestellt. Die neue Ausstellung hätte bereits eröffnet werden können, bevor die Besucher der alten Ausstellung die Galerie verlassen hatten. Sie sollte aber erst am folgenden Tag beginnen, weil nicht alle Menschen immer wach sein können. (Die Neuroprosthetik arbeitete daran.) Ein Glas klirrte bodennah. „Die ganze Welt ist ein Text“, behauptete die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, fest und nicht zum ersten Mal. Die Würfel waren gefallen. Wachmann starrte sie an. „Und der Kontext?“ fragte er müde. „Der Kontext ist wechselweise mal dieser, mal jener Text“, gab die Kunstkritikerin an. „Und welcher Kontext gilt hier?“, fragte Wachmann, der bereits (eventuell) schamvoll auf den Boden starrte. „Der Kontext der Kunst“, sagte die Kunstkritikerin stolz, und Wachmann lächelte bitter. Eine der aus der Kellerbar kommenden Studentinnen hatte (sichtlich) das Wort „Kontext“ aufgeschnappt und rief im Vorübergehen: „Genau“. Sie hatte Anzughosen

Klangräume, seit 1998 In der Arbeitsgruppe der „Klangräume“ beschäftige ich mich mit der Verbindung von bildender Kunst und aktueller Musikproduktion, wie ich sie paradigmatisch durch die DJ-Kultur repräsentiert finde. Dazu verschränke ich das unumgängliche Handwerkszeug von DJs, die Schallplatte, mit demjenigen der Zeichnung: also konzentrische Rillen mit parallelen Strichlagen und Umrisslinien. Damit gestalte ich Räume im weiten Spektrum von Kultur.

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Zimmer, 2006, 140 x 140, Permanentstift auf Kunstleinen

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an, deren Marke weder Wachmann noch die Kunstkritikerin, die Frau Bachmann aufs Haar glich, (offenbar) dechiffrieren konnten. Wachmann wollte es noch einmal versuchen. „Und inwiefern ist dieses Bild einer Vinylschallplatte“ – er wies mit einer Kopfbewegung in Richtung des Künstlers, der sein Blauzeug ausgezogen und sich eine Bierflasche geöffnet hatte – „ein Text?“ Die Kunstkritikerin kicherte plötzlich los. „Wäre dieses Bild denn“, fragte sie keck zurück, „ein Kunstwerk, wenn wir hier nicht im Kunstkontext stünden?“ Wachmann verdrehte die Augen. „Aber wir müssen doch erst lernen, dass das hier, die Galerie“, sagte er, „zu deinem so genannten Kunstkontext gehört.“ Wachmann wirkte (offenbar) verzweifelt, die verbliebenen, in Gruppen Umherstehenden, blickten ihn immer wieder aus den Augenwinkeln an. „Wir kommen doch nicht auf die Welt mit dem Kunstkontext“, brüllte er jetzt, und die Kunstkritikerin lächelte peinlich. „Natürlich“, sagte sie leise und mitleidig, „schon jede Geburtsklinik hat doch fast dieselben Eigenschaften wie eine Galerie …“ (Möbel, Kleidung, Kosmetik, Nahrungsmittel – für Experimentelle gilt: Kult ist wichtiger als Trend, Stil wichtiger als Marken, denn sie haben noch keine festgezurrten Markenbilder. Kaufentscheidend ist, ob etwas zur Persönlichkeit passt. Die Experimentellen spielen mit den Stilen. Die Regeln des Konventionellen gelten für sie nicht.) Der neue Künstler stellte seine Bierflasche auf den Boden. Er äußerte etwas zu einem, der in einer der Kleingruppen diskutierte. Dieser nickte. Zusammen näherten sie sich der überdimensionalen Schallplatte, dem fertigen Bild. Sie hoben es von seinem Bock und lehnten es vorsichtig an eine (noch) freie Stelle an der Wand. Wachmann schnaufte. Er hatte Tränen in den Augen. Der Künstler, (sichtlich) stolz auf sein Werk, nahm nun den dritten Schluck aus der wieder aufgenommenen Bierflasche Marke Dos-Equis-Bohemia. Leute gingen in die Kellerbar, Leute kamen aus der Kellerbar. Die Gesellschaft war (beinahe) im Lot. (Vorabausschnitt aus dem utopischen Roman „Verhalten Zwei“.)

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Studio, 2006, 140 x 140, Permanentstift auf Kunstleinen

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Schwere See, 2006, Kunsthandwerk; Acryl, Silberstift, gerahmt

Bearbeitungen, seit 2006 Für die Arbeitsgruppe der „Bearbeitungen“ füge ich die partielle Darstellung einer Schallplatte als wesentliches gestalterisches Element in ausgewählten, mehr oder weniger kunsthandwerklichen Wandschmuck ein. Analog zum Begriff der Bearbeitung in der Musik (etwa eines Volksmusikthemas in der klassischen Musik, oder eines trivialen Schlagers im Jazz) betreibe ich damit die Veredelung von Kunsthandwerk zu Kunst.

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Avantgarde, 2009, 37 x 35 Handcolorierter Kupferstich; Acryl, Tempera, Bleistift, gerahmt

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Mädchen am Strand, 2008, 40,5 x 44, Kunstdruck; Acryl, Tempera, Bleistift, gerahmt

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Hakim Heinz Khan

ZEITGEISTING – ÜBER DIE MODERNE KOGNITION UND DAS ÜBEN DES GLÜCKS Basics Nach Maturana erzeugt jedes Lebewesen Kognition; sie kommt nicht erst mit einem Nervensystem ins Spiel. Neuronen erweitern diese Kognition jedoch um den Bereich „reiner Relationen“: Die Aktivität der neuronalen Architektur selbst führt zu weiterer Kognition. Dies geht soweit, dass insbesondere das menschliche Gehirn fähig ist, mit selbst geschaffenen Erregungsmustern zu interagieren, als wären es eigenständige diskrete Objekte: Grundlage für symbolisches Denken, Reflexion, Sprache. „Wir Menschen existieren als Menschen in Sprache“, sagt Maturana, weist aber auch auf einen Irrtum hin: Nicht nur unsere Sprache unterscheidet uns von den Tieren, auch unsere Emotionalität ist fortgeschritten. Es ist, ihm zufolge, nicht unsere Rationalität, die uns Gutes tun lässt, sondern die Emotion der Liebe, die sich im Verlauf der Evolution beim Menschen entwickelte und zur Akzeptanz der Nähe führte. (Und aus der Lebensweise der Nähe heraus entstand Sprache.) Auch unsere Rationalität wird durch Emotionen angetrieben: Wir können nur gut denken, wenn wir gut „emotionieren“, oder: „Der größte Teil menschlichen Leidens entsteht durch die Ablehnung der Liebe.“1 Für Fromm entsteht die Scham, die Adam und Eva in der biblischen Geschichte des Sündenfalls voreinander empfinden, nur vordergründig angesichts ihrer Nacktheit. Für ihn geht es um das Problem der Wiederbegegnung, nachdem man sein eigenes, vom Anderen getrenntes Ich entwickelt hat. Das menschliche Ich ist nun da, und damit ist für uns der „Zustand des ursprünglichen Einsseins mit der Natur“ für immer ausgeschlossen. Das naive Paradies ist verloren. Für den entstandenen Geist muss das Wissen um seine Existenz ohne das Gefühl der Geborgenheit, des Schutzes dieser Existenz, ein Schrecken sein; Fromm spricht von Scham, Schuldgefühl und Angst. Die fundamentale Antwort auf dieses fundamentale Problem ist die Liebe: das tätige Streben nach einer neuen, menschlichen Harmonie. Das Lieben wird von Fromm als eine Kompetenz verstanden, die gelernt werden muss und die Entwicklung der Persönlichkeit hin zu einem voll erwachsenen Menschsein bedingt. Dass die Entwicklung unseres Menschseins eine zentrale Aufgabe sein könnte, die sich nicht mit dem Funktionieren innerhalb der vorhandenen Gesellschaft begnügt, ist jedoch keine etablierte Gewissheit, und so lernen wir gemeinhin nicht, zu lieben. Wir liegen brach. Dennoch muss unser, von allen Menschen geteiltes, existentielles Problem beantwortet werden, wollen wir nicht im Wahnsinn landen: dem vollständigen Rückzug aus der Welt, so dass wir sie nicht mehr wahrnehmen und dadurch unser Abgetrenntsein nicht erfahren müssen. Allgemein vermeiden wir jedoch die Liebe wie den Wahnsinn und im Verlauf der Menschheitsgeschichte bildeten sich grob drei Ausweichstrategien heraus: Fromm beschreibt sie als schöpferisches Tätigsein, das orgiastische Moment und, als häufigste Form, Konformität. Mit ihnen können wir unser Leben nicht erfüllen, doch sie lindern unsere Angst.2

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Die moderne Kognition Wir sprechen gemeinhin von Emotionen, als wären sie die Ausnahmen eines normalerweise emotionslosen Grundzustands. Doch unsere Normalität ist nicht natürlich, sondern zeugt davon, dass wir Emotionen nur noch wahrnehmen, wenn sie so stark geworden sind, dass wir nicht mehr umhin kommen, zu spüren, dass wir, zum Beispiel, Wut oder Angst erleben, nun natürlich extrem und wir sagen, dass wir jetzt emotional seien und fordern uns auf, „nicht so emotional“ zu sein. Doch was ist mit den ständigen Gefühlsbewegungen, die wir nicht wahrnehmen? Eine Bewegung bewegt doch etwas – und verschwindet nicht beleidigt im Nichts, nur weil sie nicht bemerkt wird. Wenn ich unser Denken ebenfalls als Bewegung auffasse, und diese die emotionale Bewegung nicht aufgreift, muss Inkonsistenz entstehen, die ich mir als sich widersprechende Strömungen vorstelle. Diese Inkonsistenz führt zu mentalen Spannungskonstellationen, die in der Folge Empfindungen blockieren und Wahrnehmung und Denken kanalisieren. Löst sich diese Spannung nicht und es wird auf dieser Basis weiter gedacht, kann sich diese Denkbewegung nur in zunehmender Diskrepanz zur Emotionsbewegung entwickeln und zu hoher Grundspannung und letztlich rein semiotischem, symbolischem Denken führen – Kognition reduziert sich auf Informationsverarbeitung.3 Die Entfremdung von uns selbst und den Nächsten wird in unserer Kultur geradezu gezüchtet: In der Schule entsteht eine enorme Diskrepanz zwischen dem kontinuierlich steigenden Schwierigkeitsgrad entlang der thematischen Dimension im Unterricht und der ansonsten gleichbleibenden Aufgabenstellung im Schulalltag. Trotz ihrer sich entwickelnden Kompetenzen haben sich die Kinder weiterhin lediglich im statischen Rhythmus auf ihre Plätze zu begeben und die festgeschriebenen Inhalte aufzunehmen. Dabei erfolgt eine positive Verstärkung beim Formulieren „richtiger“ Sätze, die fremde Ordnungssysteme wiedergeben, nicht das Innere ausdrücken. Und das Soziale findet vor allem außerhalb der Pädagogik in den Pausen statt. Körper und Seele bleiben eingefroren, während der Geist sich orientieren soll. Am Ende dieses Kraftakts steht angepasste und unangepasste Hilflosigkeit, bei der über Jahre Emotionen aus der Wahrnehmung wegtrainiert und Spannungen in den Körper geschmiedet wurden, und deren Resthandlungskompetenz in den Sprachraum auswich. So kann ich mir erklären, dass wir uns derartig hilflos an Sätze, Gedanken oder Vorstellungen klammern, um uns in Ordnung zu bringen oder zu halten. Sprache ist symbolisch, sie kann daher selbstreferentiell sein: Ein Zeichen kann auf ein Zeichen weisen, das auf ein Zeichen verweist, welches wiederum auf das erste Zeichen deutet. Ein Zeichen kann mich auch an einen Ort schicken, an dem nichts ist: Zeichen können beliebig behaupten. Dies ist bei einer Spur nicht der Fall: diese kommt immer woher und geht immer wohin – zurück liegt die Vergangenheit und da vorne ist das Wesen, das sie erzeugt hat (es sei denn, es wurde eine falsche Fährte gelegt …). Das erste Zeichen, stelle ich mir vor, war der bewusst und prägnant gesetzte Fußabdruck, mit dem man anderen zeigen wollte, dass man hier entlang ging ... Der Entwicklung von der Spur zum Zeichen liegt, meines Erachtens, das gleiche kognitive Moment zugrunde wie dem Schritt von der unwillkürlichen Artikulierung eines Ausdrucks zur bewussten Formulierung eines Ausdrucks. Von hier aus verselbständigte sich das Zeichensystem bis hin zur Entwicklung kulturell codierter Schemata, mit

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Mölltalsperre, 2008, 53,5 x 38,5, Fotodruck; Acryl, Tempera, Bleistift, gerahmt

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denen wir unsere Wahrnehmungen und Gedanken ordnen, was vieles einfacher macht: Ähnlich, wie es einfacher ist, ein Zeichen zu dekodieren, als eine Spur zu deuten, ist es einfacher, bewährte Sätze zu benutzen, als sich selbst auszudrücken. Es beginnt schon bei der Mustererkennung: Wir sehen die Gestalt, nicht das Wesen, hören die Worte, nicht die Stimme. Deshalb fällt es uns so schwer, Zwillinge auseinander zu halten, obwohl sie doch sehr unterschiedlich aussehen, wenn man sie dann kennt. Wir schauen nicht aufmerksam hin, um zu sehen, was ist, wollen auch lieber Vertrauen haben, statt achtsam zu sein. Wir sind achtlos und können auch nicht anders, denn unsere Spannungen schotten uns ab von unserer Umwelt und sogar von unseren eigenen Emotionen, und deshalb können wir auch nichts sehen. (Man sieht nur mit dem Herzen gut.) Am Ende nehmen wir nur noch die gelernten Ordnungen wahr, die wir mittels unserer flüchtigen, nervösen Eindrücke bestätigen. Als würden wir lediglich einen ping in eine bestimmte Richtung schicken, und wenn er zurückkommt, wissen wir, dass es da ist. Was es ist, ergibt sich für uns dann aus der Richtung des pings, der Verortung innerhalb unserer Schemata, nicht aus der Wahrnehmung der Erscheinung an sich. Mit unserer sprachlich gebauten Identität (dieser Ingenieursleistung von Ersatz eines gewachsenen Ichs) existieren wir in einem Faradayschen Käfig statischen Denkens, mit dem wir uns vor den Bewegungen schützen, die wir sind. Die von außen auftreffenden Strömungen der Augen, der Ohren, des Zwerchfells, der Emotionen und Erfahrungen, kommen nicht durch, sondern prallen hart ab und erzeugen eine Vibration, die die spannungserzeugten Gitterstäbe entlang läuft. Der Knall des Aufpralls ist der ping und die Energie lässt die schräge Käfig-Struktur aufleuchten, und das ist es dann, was wir schließlich wahrnehmen – THE MATRIX hast Du. Und zwei solcher Käfige beieinander ergeben Beziehung und viele solcher Käfige an einem Ort ergeben Gemeinschaft. So leben wir also gerade. Die Liebe ist irgendwo da draußen in mir. Und sie kann nicht durch die Spannung fließen. Emotionskognition Ich mag es, dass Fromm appelliert, zur Liebe zu streben, sie als Erfahrung ernst zu nehmen und nicht lediglich als Begriff (oder gar nur als Wort). Man könnte – mit etwas Mühe – Fromm so verstehen, dass es darum ginge, die Liebe als (etwas anstrengenderen, ehrenvolleren) Fluchtweg aus der Qual des Lebens zu nehmen, doch Fromm argumentiert nicht hedonistisch: Wenn man Seelenqual erlebt, so ist dies ein Symptom dafür, dass etwas ganz Wichtiges nicht gut beantwortet wird, nicht gut leben kann. Wir glauben, wir sehen nur mit den Augen, und glauben nur, was wir sehen. Wir glauben, das, was wir sehen, gibt es. Und wir glauben, dass wir sehen, was es gibt. Wir vergessen blitzschnell, wenn wir mal komisch gesehen haben, etwas gesehen haben, was wir gar nicht sehen können, wenn wir wissen, dass es das nicht gibt, was wir gerade sehen. Die Zauberei funktioniert deshalb, weil es ein mittlerweile reiches, tradiertes Wissen um das Schemagitter unserer Wahrnehmung gibt. Wir denken, unsere Wahrnehmung sei engmaschig, obwohl wir erleben können, wie bequem Zauberer hindurchspazieren können. Doch unsere Identität mag es gar nicht, sich derartig ausgehebelt zu finden und frisiert die Geschichtsschreibung unserer Erfahrungen. Wir wollen das gar nicht wissen. Das Sehen ist unsere konkreteste Wahrnehmung, unser proof of

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Live, Picture Disc, 2007, Ø 53, Kunstdruck; Permanentstift, Silberstift, gerahmt

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concept, doch es ist nicht unsere zuverlässigste Wahrnehmungsquelle: Wir lassen uns zwicken, um zu testen, ob wir träumen oder nicht. Doch wir glauben nicht, dass unsere Empfindungen wirklich wichtig sind, für uns sind sie nur vage Subphänomene. Ich glaube, das ist, weil wir nicht geübt sind, mit unserem Denken, das in den höheren Hirnregionen, dem Neokortex, sich entfaltet, die Emotionsbewegungen aufzugreifen. Der Kortex arbeitet viel, um unsere Empfindungen aufzuarbeiten und bewusst zu machen, zur Wahrnehmung zu verhelfen: Es gibt den visuellen Kortex, den auditiven Kortex und so weiter – einen „emotionalen Kortex“ hat man bislang nicht kartographiert. (Man hat ihn vermutlich nicht gesucht.) Im Gegenteil, unterscheidet man in der modernen Psychologie zwischen Kognition und Emotion und spricht dem Kortex die Aufgabe zu, Emotionen zu kontrollieren. Ein Teil der Wissenschaft geht also implizit davon aus, dass Emotionen zwar da sind – als Störfaktor – aber der Kortex nicht die Aufgabe hätte (wie sonst auch), diese Bewegungen unserem reflexiven Bewusstsein zugänglich zu machen. Auch die Wissenschaft ist ein Kind ihrer Zeit und derzeit kann man also über Gefühle sprechen, ohne wirklich einen Kortex dafür zu haben.4 Doch man kann Empfindungen nicht nur wahrnehmen, man kann auch mit ihnen wahrnehmen: Man braucht bloß aus der Emotion der Liebe heraus das Standardmodell der Teilchenphysik zu betrachten und sich dabei die Frage nach dem Ursprung des Lebens vergegenwärtigen, um zu sehen, dass dieses Modell zum Scheitern verurteilt ist. (Es gibt keine Teilchen, es gibt Dynamiken.)5 Und die Trauer ist die Emotion der Veränderung – wann immer man sich traurig fühlt, kann man schauen, was sich verändert oder dazu drängt, sich zu verändern. Und wir wissen, wie die Dinge aussehen, welche ihrer Aspekte sich hervortun, wenn man mit Wut oder Angst auf sie blickt … Es ist wie mit dem Zeichen und der Spur: Ein Gemälde kann ich nur wirklich sehen, wenn ich selber viel gemalt habe. Habe ich das nicht, kann ich nur die Objekte identifizieren oder mich an den Farben erfreuen, aber ich spüre den Prozess nicht, der dahinter steht, ich spüre die Arbeit nicht, ich kann die Pinselstriche nicht lesen. Ein Fährtenleser muss selbst schon viele Spuren hinterlassen und dies bemerkt haben, um zu Wissen, was wohl vor sich ging angesichts der Spuren, auf die er stößt. Die eigene Erfahrung ist wichtig. So ist es auch mit der Emotion: nur mit ihr bekommt mein Denken und Wahrnehmen Substanz, kapiere ich wirklich, um was es geht. Alles andere ist Semiotik und man kann es drehen und wenden wie es einem selbst oder anderen passt – es gibt dann keinen Anker in der Bedeutung. Das von unten nach oben aufsteigende Wahrnehmen und Denken ist mein Denken: Aus der Bewegung des Empfindens heraus entstehen die Konstellationen in meiner Wahrnehmung, die ich dann sehen kann – fühlen und spüren führt zu authentischem denken. Top-down, aus dem Schema der Sprache, der Kategorien und des Vergleichs abgeleitet, komme ich vom Gedanken zum Gefühl, kulturell getriggerte Emotion, oder ich empfinde gar nichts außer Spannung (die ich allerdings auch nicht wahrnehmen muss) und mein Denken bleibt ein dünner semiotischer Film. Wenn ich Maturana und Fromm folge, sind unsere Emotionen nicht gleichberechtigt. Es gibt die eine zentrale Emotion, die unser Leben ermöglicht und ihm Sinn gibt – und man kann zu allen Seiten hin abrutschen. Wir benötigen die große, ernsthafte, kreative Emotion der Liebe, um sehen zu können, dass wir Menschen die Aufgabe

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Plattenspieler, 2007, 23 x 43,5, Seidenmalerei; Acryl, Silberstift, gerahmt

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Bressniks 1210, 2000, 200 x 70 x 75, Holz, Steine, Beeren, Schwämme, Wurzeln, Reisig u.a.; Soul Source Records, 1999; White Vinyl, 2000 Installationsansicht MASC-Foundation, Wien 2001

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haben, uns zu verwirklichen, dass wir auch als Menschheit eine Aufgabe haben. Wir können etwas Neues, Gutes schaffen, etwas, was noch nie da war, weshalb es dafür auch keine Begriffe gibt. Man kann es nur sehen. Das Üben des Glücks Die Gedanken jagen. Und immer noch Spannung. Ich gehe los, raus. Ich gehe wo rein, wo Menschen sind. Ich höre die Musik. Ich beginne zu trinken. Ich sehe die Menschen. Ich nicke mit dem Kopf zur Musik. Vielleicht beginnt ein Gespräch mit jemandem. Ich trinke weiter. Ich höre die Musik. Ich werde angetrunken. Vielleicht sage ich was Lustiges. Ich trinke. Ich höre die Musik. Vielleicht lache ich. Ich höre die Musik. Ich werde betrunken. Ich schaue, wie Menschen tanzen. Ich trinke. Ich bin betrunken. Ich geselle mich zu den Tanzenden. Ich tanze. Ich trinke. Ich tanze. Ich trinke. Ich lache. Ich tanze. Ich tanze. Ich tanze. Ich schwanke heim. Das Feiern war meine Ausweichstrategie. In diesem erschöpfenden Modus verlor ich Angst und die Spannung wurde meine, ich fühlte mich sicher, ließ mich laufen, war froh, und manche Tage danach waren von einer eigentümlichen Ruhe erfüllt. Ich lernte, dass ich mich aus mir heraus gut fühlen möchte, auch mit anderen; dass das geht. Es ging um das Loslassen von Ordnungen, um das Erleben von sich selbst und anderen selbst. Der Bressniks 1210 Der „Bressniks 1210“ ikonisiert ein DJ-Set (zwei Plattenspieler mit Mischpult) mittels natürlicher Bestandteile wie Moos, Zweigen, Steinen. Zusammen mit dem bekannten Layout ergibt sich der Eindruck eines Artefakts der Urzeit. Man möchte glauben, die Neandertaler hätten mit dem Ding schon Musik gemacht. Unwillkürlich beginnt man nach dieser Musik zu suchen, und da fällt auf, dass er nicht funktioniert, dass er keine Musik abspielt. Er wirft uns auf uns selbst zurück, in dem er uns an eine Musik erinnert: eine Musik, die wir nicht mehr gut können: die kategorielose Wahrnehmung von Empfindungen in großer Ruhe: Ganzheit – das verlorene Glück, das wir heute, gut drauf, beim Feiern gemeinsam üben, bis wir’s wieder glauben. Es wirkt paradox, und das ist es, was der Bressniks aus unserer Normalität herauslöst. Er kreiert uns quasi ein Koan. Er kann Zen ;-)

ANMERKUNGEN 1 Humberto R. Maturana, Biologie der Realität, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000, S. 32, 45ff, 296, 306, 365f, 313. 2 Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, Frankfurt am Main u.a.: Ullstein 1990, S. 17–28. 3 Joseph Weizenbaum, Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978. Weizenbaum erläutert die Selbstentfremdung von uns modernen Menschen, den Verlust unmittelbarer Erfahrung und unser Delegieren der persönlichen Verantwortung an äußere Systeme. 4 John R. Anderson, Kognitive Psychologie, Heidelberg u.a.: Spektrum Akademischer Verlag 3 2001, S. 1f, 12f, 18ff. In diesem Lehrbuch taucht der Begriff „Emotion“ scheinbar gar nicht erst

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Bressniks 1210, 2000, Details

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auf, sondern der Fokus bleibt beschränkt auf die Kompetenzen, die uns intelligent machen: Sehen, Wissensrepräsentation, Problemlösen, Logik, Sprache. Der Einfluss der Forschung zur Künstlichen Intelligenz wird hier explizit. Ein kritischer Kommentar zum „IQ“ und der Künstlichen Intelligenz findet sich bei Weizenbaum. Bryan Kolb/Ian Q. Whishaw, Neuropsychologie, Heidelberg u.a.: Spektrum Akademischer Verlag 2 1996, S. 352ff. Emotionen werden hier eher aus abweichendem Sozial- und Affektverhalten nach Hirnschädigungen geschlussfolgert, nicht für sich erklärt. Architektonisch fällt hier vor allem der Wegfall des Temporallappens auf. Kognitiv wird Emotion nicht erfasst, die Verläufe von Erregungsmustern werden nur knapp angerissen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Emotion in der wissenschaftlichen Aufbereitung den Untersuchungen „kognitiver“ Funktionen, wie dem visuellen System, hinterherhinkt. (Der visuelle Kortex ist das bestuntersuchte Areal des Säugerhirns (S. 204).) 5 Erich Blechschmidt, Vom Ei zum Embryo. Die Gestaltungskraft des menschlichen Keims, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1968, S. 75: „Das Geniale der Entdeckung Darwins bestand darin, daß er handgreifliche Faktoren – wie vor allem die Auslese – in ihrer Bedeutung für die Erhaltung neuer Arten kenntlich machte. Er selbst faßte seine Beobachtungen nicht als eine Patentlösung auf, sondern verstand die seit ihm sogenannte Selektion nur als ein sehr auffälliges Merkmal der allmählichen Veränderung der jeweils vorgebildeten Arten. Von Nichtzoologen wurde daraus die Annahme abgeleitet, daß der Begriff ‚reiner Zufall‘ bereits zur Erklärung der Entstehung des Lebens ausreichen könnte. Tatsächlich ist heute noch völlig ungeklärt, ob überhaupt die Idee, daß Leben entstehen könne, eine vernünftige Fragestellung ist. Möglich ist, daß schon die unbelebte Welt die Anlage des Lebens enthält.“ (Hervorhebung durch den Autor)

Bressniks 1210, 2000 Ein auf den ersten Blick täuschend echter Nachbau des DJ-Sets schlechthin: zwei Technics SL-1210 Turntables und ein Mischpult (nach der Phantasie), aber aus Holz, Reisig, Baumwurzeln, Steinen, Beeren, Schwämmen und dergleichen, gefunden auf der Alm meiner Großeltern. Auf seine Weise funktioniert das Ding. Mit der Kraft der Imagination statt mit Strom. Global – lokal, high tech – low tech, high fidelity – low fidelity: Who cares?

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Bressniks 1210, 2000, Details

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Soul Source Records, seit 1996 Unter diesem Label veröffentliche ich seit 1996 meine eigenen Platten an einer kopf- beziehungsweise augenlastigen Schnittstelle von Musik, (Jugend)kultur und bildender Kunst. Sie bestehen aus Karton, Hartfaser oder Schichtholz und Acryllack; den visuellen Klang der Plattenrille zeichne ich in einer durchgehenden Linie freihändig mit Blei- oder Silberstift auf. Für die Tafelbilder verwende ich auch Öl- und Temperafarbe und male dann die Klangrillen mit Klarlack auf. Die Songtitel spielen mit der Verschiebung bildnerischer Inhalte in den musikalischen Kontext und umgekehrt. Es handelt sich dabei um eigene Songs, wie „The Sound of Painting“ oder „Künstlerhouse“, aber auch um Neuarrangements bekannter Nummern wie etwa „Anything Goes“ von Cole Porter, oder „Nice Work (If You Can Get It)“ von George und Ira Gershwin. Vyl Vinyl Records, seit 2003 Die „Vyl Vinyl Records“ stehen als Arbeitsgruppe zwischen jener der „Soul Source Records“ und den „Klangräumen“ beziehungsweise „Aufzeichnungen“: Das akustische Material Schallplatte wächst über sich hinaus und verschmilzt mit Dingen des täglichen Bedarfs: Töpfe, Pfannen, Teekannen und so fort. Die zur standardisierten Platte hinzukommende individuelle Form der Objekte bereichert das Spiel mit den (Song)titeln um eine weitere Ebene.

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Sound &Vision, 2009, 40 x 30 x 10 und Ø 30 x 5, Topf mit Deckel, Acryl, Silberstift

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It’s a Man’s World, 2009, 30 x 45, Pfanne, Acryl, Silberstift Owl Song, 2007, Schüssel, Acryl, Silberstift

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Ding! Dong!, 2006, je 30 x 45, Pfannen, Acryl, Silberstift Living from the Mind, 2002, 15 x 20 x 25, Kanne, Acryl, Bleistift

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Mutter, 2004, 31 x 26 x 11,5, Topf, Acryl, Silberstift Installationsansicht Museum der Moderne im Mönchsberg, Salzburg 2008.

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Marko Košan

POP-ART We can forgive a man for making a useful thing as long as he does not admire it. The only excuse for making a useless thing is that one admires it intensely. (Oscar Wilde)

Pop Art und Minimalismus führten vor Jahrzehnten den subjektiven Charakter des traditionellen Tafelbildes und dessen institutionellen, erkennbaren Wert in jenes Extrem, das nur noch mit knapper Not die gebotene Autonomie und den gehobenen Status des Kunstwerks gewährleistet. Vielleicht endete mit Andy Warhol der Prozess einer Angleichung von Privatem (Autoreflexion des Künstlers) und Öffentlichem (mediengestützter allgegenwärtiger visueller Werbesprache). Jener Ausgangspunkt aber, der das Spiel der Versetzung (replacement) und der Metapher ermöglichte, ist seitdem stets präsent. Der konzeptuelle NeoPop der 90er dehnte die postmodernen Aneignungsparadigmen der Malerei auf die allgemeine Aufnahme all dessen aus, was im Umfeld als ein Bild wahrgenommen werden kann. Ein funkelndes gnoseologisches Aufzeichnen des akzeptierten Weltzustandes ersetzte damit das überlebte ontologische Nachfragen über die ursprünglichen Wahrheiten der Malerei. „Aufspüren“ wurde bedeutender als „Schaffen“. Uwe Bressnik ist ein Künstler, der sich nicht damit belastet, eine Erfindung als Muster für die Repetition eines erkennbaren Malereistils anzusehen. Seinen Ansatz kennzeichnen Reflexion und Assoziation sowie die spielerische, intellektuelle Paraphrase des sichtbaren Ausdrucks jenes Umfeldes, in dem er sich bewegt. So wie die Pop Art in Zeiten des endgültigen Überganges zur Verbrauchergesellschaft als eine Reaktion auf die Medienpräsenz alltäglicher Gegenstände aufkeimte, ist Bressniks Spiel mit der referenziellen Ladung aktueller Exponenten einer sich entwickelnden Medienkultur eine Reaktion auf die globale Übermacht populärer Kultur. Jene Gegenstände, die die Pop Art-Künstler seinerzeit zum künstlerischen Modell erhöhten, traten ohne jegliche gesellschaftskritische Note als bloße Verweise auf die 60er auf. Die in ein geistreiches semantisches Netz von Bedeutungen und Nebenbedeutungen eingefangene undogmatische Mitteilung von Bressniks Abbildern von Vinyltonträgern ist ebenso unbelastet, aber mit einem verfeinerten ironischen Kommentar aufgefüllt. Dieser richtet sich in Übereinstimmung mit dem Revival von Vinylplatten im Bereich zeitgenössischer Musikproduktion nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft und auf das, was im Sinne einer zeitgenössischen, virtuellen Optik der Welt dem ersten Ausdruck visueller Kunst folgt. Bressniks konzeptuelles Jonglieren mit Bedeutungen schöpft nicht nur aus der doppelbödigen, präzisen linguistischen Struktur seiner Werke, er berücksichtigt auch deren eigentliches, bildnerisches Metier. Seine „Soul Source Records“ sind deshalb ein vollendeter Kunstorganismus, der mit dem faszinierenden Klang der Graphitspirale die Augen mindestens so wie die Ohren des Betrachters füllt. (Leicht überarbeiteter Wiederabdruck aus „Uwe Bressnik. Mario Reis. Sandi Cˇervek“ [Ausstellungskatalog 1997, Galerie Falke, Loibach/Bleiburg in Kärnten])

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Vyl Vinyl Records; Eckplatte 3/4, 2004, Ø 71cm/28", Karton, Acryl, Bleistift, Permanentstift hinten: Noch o.T. (vom ersten Besitzer zu betiteln) IV Installationsansicht ausstellungsraum.at, Obergeschoß, 2010.

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Looks like Sound/Sounds like Art, 2008, ca. 220 x 170, Sperrholz, Acryl, Silberstift

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Daniel Terkl

BRESSNIK MEDIEN KUNST 1

Nach geläufiger Auffassung ist Medienkunst die Kunst, die mit neuen Medien gemacht wird.2 Uwe Bressnik arbeitet vorrangig nicht mit neuen Medien: Hauptsächlich malt er, zeichnet, druckt, streicht, näht, schraubt und so fort. Er ist Maler (in weitem Sinn). Und doch macht Bressnik Medienkunst. Seine Arbeiten drehen sich um Bildschirme und ihre Art, zu vermitteln, um Schallplatten und Musik, um Wahrnehmung und Ausdruck von Persönlichem und Politischem und schließlich um (den) Fußball. Wie das zusammenpasst, ist das Thema dieses Textes. Eine ganze Wand voller Schallplatten: Aus Bressniks Wohnzimmer in Wien könnte sich jede Musikspezialsendung bereichern. Im Rest des Raums, rundherum: Bilder von Schallplatten. Schallplatten in Alpenlandschaften, Schallplatten aus Sperrholz, schwarzes Acryl, Tonspur: mit Silberstift gezeichnet. Das Label: gemaltes Papier, minimalistisch, und doch malerisch beachtlich. Darauf ein Logo: „Soul Source“. Eine Seriennummer, Name des Interpreten (Uwe Bressnik), Albumtitel, Songwriter (oft Bressnik). Dazwischen: Kochtöpfe, Pfannen, Teekanne (an der Wand!); schwarz, silbergraue Spirale, Label: „Vyl Vinyl“. Viel Vinyl? Fühl’ Vinyl! Ein Schallplattennarr wohnt da, muss man glauben. Doch wenn man Bressnik dort abholen will, wo er steht, sollte man weiter gehen. Am besten gleich noch in das unter dem Wohnzimmer liegende Atelier, zum Schauen, wenn man darf. Dort, unter anderem: „BILDschirme“, „Tele-Realismus“, „Monitore“. Im Wohnzimmer wie im Atelier: Sujets der Gattung „Medien“. Die Begeisterung für Schallplatten führt in eine Analyse der medialen Verfassung von Musik, von Erinnerung und Bildlichkeit und auch der Produktionszusammenhänge, in die Medien eingebettet sind. So begibt sich Bressnik in die Rolle eines Plattenproduzenten, der das Plattenlabel „Soul Source Records“ (SSR) betreibt und gleichzeitig sein einziger Interpret und wichtigster Musiker ist. Wie die Produkte einer richtigen Schallplattenfirma mit einer Tonträgerkennung versehen werden, nummeriert er die „Soul Source Records“, beginnend mit „SSR 001“. Unter dem Sublabel „Vyl Vinyl Records“ finden sich die bemalten Gebrauchsgegenstände. Wie die „Soul Source Records“ sind auch sie nummeriert, doch mit dem Kürzel VVR und eigener Zählung. Im Herbst 2009 spielte der ausstellungsraum.at das Studio, in dem der Künstler „live“ seine Aufzeichnungen machte. Unter dem Titel „Live Records“ entstand dort vorübergehend das schrägste Plattengeschäft in Wien. Aus der eigenen Erfahrung als Musiker, etwa mit der Band Die Große Freiheit Nr. 7 oder der KunstSportGruppe hochobir, kennt Bressnik den Prozess von Komposition über Aufnahme und Mischung bis zur Herstellung von Tonträgern. Vom MusikerKünstler bis zum Rezipienten durchläuft das Werk einen Prozess von Zerstückelung und (Re)arrangement, von Analyse und Synthese. Die Studioaufnahme eines Musikstücks zeichnet weniger in dokumentarischem Sinn Tonereignisse auf, als sie vielmehr als zweite Produktionsinstanz nach der Aufnahme einzelner Tonspuren aus den einzelnen Stimmen einer musikalischen Darbietung ein neues Ganzes generiert. Für die verschiedenen Stimmen eines Ensembles werden einzelne Kanäle aufgezeichnet, die die

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Grundlage für Mix und Mastering bilden. So kann auch ein Musiker alleine alle im Musikstück synchron in Erscheinung tretenden Instrumente nacheinander einspielen. Einzelne Spuren können nachgebessert werden; der Gesang kann neu aufgenommen, wiederholt werden, gestückelt aus den besten Episoden einer ganzen Serie von Aufnahmen. Studioaufnahmen sind eigene Werke, die mit ihrer Aufführung nicht viel mehr als die gespielten Noten gemein haben müssen. Das Ergebnis mag ähnlich klingen, doch dahinter steckt ein anderer Prozess. Die Zuhörer von Hifi-Anlagen sind der unmittelbaren Erfahrung der musikalischen Aufführung enthoben, so wie TV-Seher nicht die Wirklichkeit sehen, sondern Bilder (von ihr). Das gilt auch für die Malerei; diese Denkfigur lässt sich auf alle Medien umlegen: Was sich in ein Medium transferieren lassen soll, muss übersetzt werden und dadurch bis zu einem gewissen Maß entstellt. Uwe Bressniks Arbeiten an seinen Platten ähneln den Schallplattenproduktionen in ihrer Urzeit, als der beschriebene Prozess von Mix und Mastering nicht durchgeführt wurde (vor der Einführung von Tonbändern). Der Vorläufer des Mikrofons war ein Schalltrichter, in den die Musiker gemeinsam, synchron und direkt – live – ihre Musik spielten. Der Schalltrichter legte den Luftschall direkt auf die Bewegung des Schneidstichels um, der die Tonrille in die sich drehende Schallplattenmatrize schnitt. Die gebliebene Tonrille ist die Spur dieses Aufzeichnungsereignisses. Als Zeichen gedeutet – das Abspielen einer Schallplatte entspricht einer Deutung – ist diese Spur ein Index. Der „Index“ ist der „Zeigefinger“ (sowohl lateinisch, als auch englisch); ein indexikalisches Zeichen ist eines, das Bedeutung nicht über Ähnlichkeit vermittelt, wie ein Ikon, sondern durch ein Zeigen auf etwas anderes. Der zeigende Finger meint nicht sich selbst, oder einen ähnlichen Finger; er meint das, worauf er zeigt, und das kann immer wieder etwas anderes sein. Die Bedeutung eines Index ist kontextabhängig. Wen „Ich“ meint, hängt davon ab, wer es sagt, „hier“ ist dort, wo man gerade ist (heute hier und morgen?). Zeichen und Bezeichnetes verbindet entweder das Prinzip von Wirkung und Ursache (Kausalität) oder eine explizite Verknüpfung mit einem realen Gegenstand. Das heißt, es kann eine existenzielle Verbindung mit dem bedeuteten Objekt geben, wie bei der Spur, die als Index gedeutet wird, oder eine optische Verbindung, wie bei einem deutenden Pfeil.3 Wie der Wetterhahn steht, ist die Wirkung der Ursache Windrichtung, genau so zeigt Rauch Feuer an, ist die Spur eines Reifens die Wirkung, die gewesene Anwesenheit des Reifens an der Stelle der Spur die Ursache. Ich spreche diese Art von Index hier als „Kausalindex“ an. Dagegen ist keine physikalische Ursache dafür nachvollziehbar, dass jemand mit dem Finger wohin zeigt oder „ich“ sagt, sondern es geht dabei um pragmatische Zeichensetzungen, die etwas (das Hinschauen) bewirken wollen. Ich spreche diese Art von Index daher als „pragmatischen Index“ an. Im Fall der Schallplatte hat man es bei der Tonrille mit einem Kausalindex zu tun, der auf den Herstellungsprozess, aber in einem weiteren Sinn auf die Musiker verweist, die vor den Mikrofonen gespielt haben. Der Herstellungsprozess schreibt sich ein in das Material und speichert sich ab. Wenn Uwe Bressnik die Tonrille der Schallplatte mit der Hand zeichnet, metaphorisiert er den mechanischen Einschreibprozess. Die Spirale ist die Herausforderung der „Soul Source Records“: Der Strich muss einerseits fehlerlos gezogen, um gut, andererseits besonders – nicht perfekt ebenmäßig, sondern charakteristisch –, um glaubwürdig zu sein. (Eine perfekte Spirale gäbe ein Bild einer von einem unbewegten Stichel

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Realitätsmodell, 2006, Ø 50cm/19", Karton, Acryl, Bleistift, Permanentstift Let’s Face the Music/The Sound of Painting 1998, Ø 122cm/48", Hartfaserplatte, Acryl, Bleistift

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Pop Art Pop, Nice Work (If You Can Get It), Anything Goes, alle 1999, je Ø 40cm/16", Karton, Acryl, Bleistift, Buntstift

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Love Song 2005, Ø 30cm/12", Karton, Acryl, Bleistift, Buntstift Collectors Item 1998, Ø 46cm/18", Karton, Acryl, Bleistift, Permanentstift What’s new/I Wish I Knew 1997, Ø 81cm/32", Sperrholz, Acryl, Bleistift

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geschnittenen Platte wieder: einer Aufnahme von Nichts.) Die Eigenart des Strichs verweist auf den Zeichner. Der Strich ist die Spur, die der Künstler hinterlässt. (Auch der Pinselstrich der Malerei.) Bewusst gesetzt verweist sie, die Spur, als indexikalisches Zeichen auf den Akt ihrer Herstellung; nun auf den Künstler und seinen Zustand während seiner Tätigkeit. Auf Bressniks Platten findet sich nicht Musik aufgezeichnet, sondern etwas von ihm selbst. Er erinnert nicht nur an ein gehobenes Künstlerselbstbewusstsein, er verweist auf das intime Verhältnis von Produzent zu Produkt, das in der meist nichtarbeitsteiligen Herstellung von Kunstwerken besonders ist. Wenn man ein Kunstwerk kauft, kauft man immer auch ein bisschen Künstler (oder Künstlerin). Es zeichnet sich also etwas vom Leben des Künstlers ab in seinem Werk, wenigstens von seiner Arbeit. Das Kunstwerk ist live dabei. Ein live record also, eine Direktaufnahme? Schon der Begriff zeigt ein interessantes Problem auf. Nimmt man die Metaphorik der Kombination von „live“ mit „record“, von „lebend“ oder „lebendig“ mit „Aufnahme“ beziehungsweise „Aufzeichnung“ wörtlich, könnte man meinen, das Leben festhalten zu können, doch: man kann es nicht aufnehmen, sondern nur Daten über oder Bild, Ton und Spuren von Leben. Das Aufgenommene geht unmittelbar in den Zustand des Gespeicherten über. Das Ereignis Leben ist dem Zustand des Gespeicherten inkommensurabel und doch ist das ständige Verweisen und Rückverweisen des einen auf das andere das Substrat von Kultur. Es ist die Quintessenz von Medialität: Die Fähigkeit, (ein Extrakt von) etwas zu vergegenwärtigen, was (das Medium) selbst nicht ist.4 Dabei kann es sich um die Vergegenwärtigung von räumlich oder zeitlich Entferntem (Vergangenem) handeln; meistens beides zugleich. So betrachtet ist jede Künstlerin, jeder Künstler, Medienkünstler: Es ist ein basales künstlerisches Ziel, etwas zu vergegenwärtigen, was dieses Etwas natürlicherweise nicht ist. Darum ist Kunst immer künstlich (und darum ist Kunst immer medial). Der Begriff „Medienkunst“ soll aber präziser bestimmen, was gemeint ist, als „Kunst“. Der Umfang der Kategorie „Medienkunst“/„New Media Art“ wird durch die Art von Medien bestimmt, die benutzt werden: neue Medien. Das Problem des Begriffs „neue Medien“/„New Media“, beziehungsweise seine Besonderheit, ist seine historiographische Unbeständigkeit – was heute neu ist, ist morgen alt; in Zukunft wird es noch neuere Medien geben: Wie werden dann die Künstler heißen, die sich dieser Medien bedienen? New New Media Artists? Post New Media Artists? Und die nachfolgenden? Der Rahmen um den Begriff des Medienkünstlers ist weniger sinnvoll gezogen, wenn er solche meint, die sich einer bestimmten Gruppe von Medien bedienen, sondern vernünftiger verwendet, wenn er Künstler meint, die Medien in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen; die Medien überhaupt erst sichtbar machen – egal mit welchen (anderen) Vehikeln sie das tun. Das ist jedenfalls, was Uwe Bressnik macht. Exkurs: Fußball So wie Bressnik seine künstlerische Beschäftigung mit Fußball anlegt, offenbart sich auch an diesem Spiel eine mediale Eigenschaft, abseits des Medienspektakels, das sich um große Mannschaften und wichtige Matches ereignet. Der Sport bietet den Grund, Menschen zusammenzuführen, die ohne ihn nicht miteinander kommunizieren würden. „(…) beim Kicken sind erst einmal alle gleich.“ („Am Ball/In Touch“ 1993/94) Das Spiel vergegenwärtigt eine Situation, in der es notwendig ist, gemeinsam, möglichst

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Phases 1996, Ø 147cm/58", Sperrholz, Acryl, Bleistift, Permanentstift

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klug, mit Einsatz um eine Sache zu kämpfen (den Ball, das Tor, den Sieg). Kommunikation ist somit unentbehrlich, gegenseitiges Kennenlernen unvermeidlich. Fußball ist ein „semiimprovisierter Tanz“, bei dem der Mensch „auf sein Ursprünglichstes zurückgeworfen wird“ und sich doch in einer „Gruppe der nach eigenen Mustern temperamentvoll und rasant agierenden Individualisten“ befindet („Pas de Bal“ 1998); für Bressnik ist Fußball als Spiel eine Simulation des realgesellschaftlichen Mit- und Gegeneinanders. Fußball ist Auseinandersetzung, er ist das Mittel, das Menschen zusammenbringt und zusammenhalten kann. „Am Ball“ (alle 1994) bleiben viele kleben; wie er zum Knotenpunkt von Beziehungen werden kann, reflektiert Bressnik, indem er aus den Namen der Involvierten das Netz eines Fußballs konstruiert. Exkurs Fußball Ende Medien ermöglichen Simulationen. Wie Experimentierkästen erlauben es Medien, mit den Dingen, die sie nicht verkörpern, aber vergegenwärtigen, Anordnungen zu versuchen, deren Umsetzung in der Praxis zumindest mit erheblichem Mehraufwand verbunden wäre. Gebäudepläne ermöglichen eine Vorstellung von etwas (noch) nicht Existentem. Während der Planung erkennt der Architekt, was sich ausgeht und was nicht. Das Gebäude muss nicht gleich gebaut werden. In einer minimalistischen Auffassung ist die Planungszeichnung eine Simulation: nicht der Schwerkraft, der Materialeigenschaften, der Lichtwirkung, aber wenigstens des Raumes. Der Zweck der Planzeichnung liegt außerhalb ihrer selbst, vor ihr. Fotografien sind die (mechanisierte) Perfektion extrahierter, isolierter Sichtbarkeit.5 An ihnen wird offenbar, wie Bilder die Unsterblichkeit ihres Sujets simulieren, das sie hinter sich lassen. (Auf einem Foto wird man nicht älter.) Ihr Zweck ist meistens die Dokumentation. Der Zweck des Kunstbildes dagegen liegt in ihm selbst, es selbst ist Ziel der Anstrengung. (Der Künstler versucht, was sich ausgeht und was nicht.) Das Kunstbild ist ein Experimentierfeld für Kunst. Auch wenn die dabei gemachten Erfindungen oftmals in anderen Lebensbereichen – etwa dem Marketing – verwertet werden. Darauf bezieht sich Uwe Bressnik mit einem Zitat Jean-François Lyotards, der den Sinn der Malerei nach der Erfindung der Fotografie folgendermaßen erklärt: „Malerei wird eine philosophische Tätigkeit: die Regeln zur Anfertigung ‚gemalter‘ Bilder sind noch nicht ausgesprochen und können noch nicht angewandt werden. Die Regel der Malerei liegt eher darin, nach jenen Regeln bildnerischer Gestaltung zu suchen, wie auch die Philosophie nach den Regeln philosophischer Sätze zu suchen hat.“6 (O.T. I–IV, 1989–92) Salopp: Die Malerei ist der Experimentierkasten der Bildgestaltung.7 („Malerei“ als durchaus weit gefasster Begriff, unter Umständen abseits von Pinsel und Farbe.) Diese Arbeit gehört zu Bressniks Beschäftigung mit zeitgenössischer Medientheorie, die er zu bildnerischen Manifesten verarbeitete. Dafür wählte er signifikante Textausschnitte aus, die bedeutende Positionen zu den Themen Bild, Malerei, Digitalität, Interaktivität und Medienästhetik einnehmen und verarbeitete sie zu Text-BildHybriden. Jeder der Textausschnitte ist zweimal auf dieselbe Oberfläche gedruckt, leicht gegeneinander verdreht um den Mittelpunkt des zentralen Begriffs „Bild“. Um dieses scheint sich alles zu drehen. Der Text wird dadurch schwer lesbar, dafür aber selbst zum Bild. (Die wissenschaftliche Diskussion um den Bildbegriff ist mehr als zwanzig Jahre nach Entstehung der Arbeit heißer denn je.) Text und Bild verschränken

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Schöpfung 2007, 80 x 80, Acrylfarbe und -lack, Tempera auf Mischfaser Sex Sells 2007, 80 x 80, Acrylfarbe und -lack, Tempera auf Mischfaser

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sich und erinnern an ihre gegenseitige Abhängigkeit. Es gibt kaum ein Bild, das ohne erklärende Worte (die gemeinte) Bedeutung hat, es gibt kaum Sprache, die nicht mit (Vorstellungs)bildern arbeitet. Das Sprachliche des Bildes: Es erzählt Geschichten in seiner Bildgrammatik, mit seinen Ikons; Titel und Unterschrift bestimmen die Bedeutung, die es erlangen kann. Die klassische kunsthistorische Interpretationsmethode für Bilder (die Ikonografie) ist eine semiotische, die das Bild als Text behandelt. Auch die Bilder der neuen Medien, wahrscheinlich auch die Musik, ebenso wie die Trägermedien, die dem ersten Blick verschleiern, was sie speichern: Sie können nicht(s) ohne Sprache. Als conditio sine qua non, als übergeordnetes mediales Paradigma, ist die Sprache (bei Bressnik) Teil der Untersuchung von Medien. Eine frühe Werkgruppe (ab 1989) bezeichnet er als „Anagramme“. Es sind „Bilder“, die aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt sind. Die Einzelteile bestehen aus Stahlrahmen und monochrom eingefärbten, übereinander gelegten und verspannten Netzen; sie stellen den Zeichenvorrat dar, aus dem kombiniert werden kann. Das Experiment ist ein soziales: Die Werke sollten lose, mit der ausdrücklichen Möglichkeit der Rekombination (daher der Name der Serie) an die Sammlerin gehen. Es ist der Versuch, Interaktivität nicht allein der Kunst, die in neuen Medien gemacht wird, zu überlassen. Die Bedeutung der Sprache wird auch an den „Soul Source Records“ und den „Vyl Vinyl Records“ deutlich. Sie charakterisieren sich je nach ihrer Beschriftung. Schallplatten sind Speichermedien, die einen Apparat erfordern, um den auf ihnen gespeicherten Inhalt konsumieren zu können.8 Um a priori über die enthaltenen Informationen Bescheid wissen zu können, um zu wissen, welche Musik gespielt wird – um dafür also jede Platte nicht erst anhören zu müssen –, ist ihre Beschreibung notwendige Bedingung. Sprache und Text sind Werkzeuge der Erinnerung. Durch die Beschriftung eines Datenträgers ist es möglich, die richtige Erinnerung an die enthaltene Information aufzurufen, ohne ihn auslesen zu müssen. Wie ein Inhaltsverzeichnis gibt diese Beschriftung an, worum es sich handeln wird, wie die Beschriftung von Containern Auskunft gibt über die Fracht. Erinnerung an sich basiert aber nicht auf technizistischen Mechanismen; sie ist keine rein semiotische Angelegenheit. Sie ist nicht ausschließlich sprachlich; auch Gefühle, die sich einer Beschreibung, dem Bereich des Symbolischen, entziehen, sind Teil der Erinnerung. Erinnerung kann „Körpererinnerung“ (Nietzsche) sein, als solche kann sie eine unwillkürlich überfallen. Unfreiwillig, als „mémoire involontaire“, erlebt Marcel Prousts Protagonist „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, wie ihm der Geschmack der Madelaine ein Wohlgefühl beschert, weil er ihn in seine glückliche Kindheit zurückversetzt.9 So werden Schallplatten wohl immer mit Musik assoziiert. Doch welche „Musik“ hört der Betrachter, die Betrachterin? Etwa die Musik, über die Hakim Khan anlässlich des „Bressniks 1210“ (2000) in diesem Band schreibt? Eine andere Frage, die die Platten aufwerfen: Was ist ein Bild? (Nicht zufällig wird unter diesem Titel Uwe Bressnik zur Figur in Thomas Raabs Geschichte.) Das Problem wird aktuell viel diskutiert, ganze Bände beschäftigen sich damit.10 Im Wesentlichen gibt es zurzeit drei bedeutende Antworten auf die Frage. Die eine ordnet den Begriff der differentia specifica „Mensch“ zu.11 Für diesen anthropologischen Zugang zu einer Bildtheorie ist ein Bild vor allem Artefakt des Menschen. Der semiotische Ansatz stellt

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das Bild unter den Zeichenbegriff, behandelt es sprachanalytisch. Er impliziert die Vorstellung, dass jedes Bild ein Zeichen ist.12 Aus phänomenologischer Sichtweise geht es bei Bildern zu allererst um ihre Sichtbarkeit. Das große Rätsel ist, wie es dazu kommt, dass eine bestimmte Konfiguration von Farben auf einer Fläche im Betrachter, in der Betrachterin, die Vorstellung eines dreidimensionalen Objekts auslöst, das diese Fläche selbst nicht ist. (Warum kann man eine Schallplatte sehen, wenn man ein Bild anschaut?) Entlang dieses Problems spaltet sich der Bildbegriff auf in das Bildobjekt (in Thomas Raabs Geschichte heißt es „Bildgegenstand“) – die Darstellung der Schallplatte – und den Bildträger (das darstellende Medium, zum Beispiel Acryl auf Leinwand), die in Bezug zu einem Bildsujet (der dargestellten Schallplatte) stehen.13 Intension und Extension von anderen scheinbar unverfänglichen Begriffen wie dem des „Ornaments“ sind in bildtheoretischen Zusammenhängen erst zu bewerten: Wo ist etwas noch Bild, wann wird es Ornament? Ist das Ornament ein Bild beziehungsweise besteht es aus Bildern? Es ist die Frage, die Bressniks „Vyl Vinyl Records“ aufzuwerfen scheinen, in visuelles Extrakt von Schallplatte getaucht scheinende Gebrauchsgegenstände: Teekannen, Töpfe, Deckel, Pfannen. Sind sie Bilder, ist auf ihnen Schallplatte abgebildet? Oder sind es ornamentierte Objekte? Überhaupt ist das Schöne an der intensiven Beschäftigung mit dem Sujet Schallplatte bei Bressnik die Exemplifizierung dieses bildtheoretischen Diskurses. „Klassisch“ im Bild stellt sich etwa SSR 006 „Pop Art“ (1997) dar. Die Schallplatte ist in diesem Fall das (physikfreie) Bildobjekt, das aufgrund eines unerklärlichen Vorgangs der Wahrnehmung gleichsam magisch aus der farbigen Bemalung der Leinwand sich heraushebt. Demgegenüber stellt „Singles 4 Singles“ (1999) das Bild, und zwar den Bildträger, als materielles Substitut des Tonträgers vor. Jede einzelne der „Singles“ ist eine kleine Leinwand, auch bemalt, doch in den Vordergrund gestellt ist die Möglichkeit, mit diesen „Bildern“ umzugehen wie mit richtigen Platten in der Kiste. Es geht also nicht um das Bildobjekt, sondern um das Objekt Bild(träger). Das Verhältnis aus Darstellung und Darstellendem wird mit der SSR 075 „Live Records“ (2009) und allen anderen kreisrund zugeschnittenen kritisch. Diese Platten sind einerseits wie gewöhnliche Tafelbilder bemalte Flächen, andererseits aber durch ihren Zuschnitt in ihrer Gesamterscheinung einer Platte ähnlich; sie selbst haben Objektstatus. (Die Form des Bildobjekts fällt mit der des Bildträgers zusammen.) Zugleich verkörpert so ein Werk den Fall, in dem ein „Bild“ tatsächlich ein Zeichen ist. Wie ein Verkehrszeichen steht es eher als Ganzheit für etwas, als mit vielen innerbildlichen Verweisen eine Geschichte zu erzählen. Wie ein Vorrangschild der Verkehrsteilnehmerin bedeutet, dass sie anderen an dieser Stelle die Vorfahrt zu überlassen hat, steht die Schallplattenskulptur (zum Beispiel) für (eine bestimmte) „Musik“, eine (bestimmte) Erinnerung. Sie ist bedingungsloser in eine außerbildlich-räumliche Verweisstruktur eingebettet als ein „normales“ Bild. Was ihm gewissermaßen fehlt, ist der Rahmen. (Es ist ein produktiver Mangel.) Die Bildthematik zieht sich in Bressniks Arbeiten mit Rastern weiter. Der Bildschirm taucht ganz früh (um 1988) auf. Im Gegensatz zum „Fernsehgerät“ oder dem etwas später eingeführten Begriff des „Monitors“ bezieht sich der Bildschirm tatsächlich auf ein Objekt, das Bildträger ist. Der Bildschirm fängt als opake (Leinwand) oder semitransparente Oberfläche – als Schirm – ein durch den Raum projiziertes Bild auf, und zwar so, dass es dem Betrachter sichtbar wird. Uwe Bressnik thematisiert dies explizit

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in der Gegenüberstellung von „BILDschirmen“ (1992) und „Monitoren“ (1991). Bildschirme sind Vehikel technischer Bilderzeugung; Monitore dienen immer einer Beobachtung (englisch „to monitor“: überwachen, kontrollieren). Anders ausgedrückt ist der Bildschirm der Teil des Monitors, der der Sichtbarmachung der Projektion dient; aber nicht jeder Bildschirm ist Teil eines Monitors, da nicht jeder Bildschirm in diesem Sinn verwendet wird. (Computermonitore dienen letztlich lediglich der Überwachung durchgeführter Rechenvorgänge.) Bressniks „BILDschirme“ sind keine Bildschirme, denn sie „fangen“ nicht Bilder auf, sondern Blicke. Sie erzielen ihren Effekt wie die „Anagramme“ durch mehrere übereinander gelegte, monochrom eingefärbte Netze. Durch die regelmäßigen, feinen Raster, die leicht gegeneinander verschoben sind, entsteht ein wildes Moiré, ein in der Druck- und Bildschirmtechnik unerwünschtes Artefakt, das sich doch immer wieder beobachten lässt. Moiré macht die Rasterung, der die mit den neuen Medien eroberte Welt unterworfen ist, sichtbar. Es ist ein Störfaktor im Sinne der erwünschten Transparenz von Medien, die einen Blick in die Welt wie durch ein sauberes Fenster ermöglichen wollen. Auszutesten, wo die Grenzen dieser Transparenz liegen und wie sie anzukratzen sind, gehört zum Repertoire künstlerischer Strategien. Uwe Bressnik greift darauf zurück und erhebt das (üblicherweise störende) Artefakt Moiré zur ästhetischen Ikone seiner Analyse der Raster- und Digitaltechnik. Jede noch so feine Verschiebung der Netze der Bressnik’schen „BILDschirme“ zueinander würde die visuell erfahrbare Oberfläche gravierend beeinflussen. Sogar der Wechsel des Betrachterstandpunkts genügt, um das Sichtbare völlig zu verändern. Eine statische Materialkonfiguration wechselt ihr Aussehen durch die Bewegung des Betrachters, der Betrachterin. (Was an und für sich nichts Besonderes ist; in Bezug auf eine ebene Fläche könnte man jedoch von einer speziellen Qualität sprechen, von „skulpturalen Eigenschaften“ vielleicht, von besonderer Tiefe …) An den „BILDschirmen“ kehrt sich das üblicherweise einzunehmende Verhältnis von Passivität zu Aktivität um. Aus der Fixierung des Blicks auf die vermeintliche Welt hinter der Scheibe befreit, wird die Aufmerksamkeit auf eine Oberfläche gelenkt, die aktiv erkundet werden muss. (Dass die Welt hinter der Scheibe in diesem Fall gar nicht – nicht einmal als technisches Dispositiv – existent ist, verstärkt diesen Effekt nur, vorausgesetzt, das Objekt wird als Bildschirmobjekt erkannt.) Was die „BILDschirme“ zeigen, hängt davon ab, wie sich die Beschauer verhalten. Was gesehen wird, hängt davon ab, wie geschaut wird. Es stellt sich die Frage, in welchem Maß das, was gesehen wird, vom (einzelnen) Subjekt konstruiert wird. Alle visuellen Medien versuchen, den Blick des Betrachters zu führen, oder ihn sogar völlig an einen Standpunkt (den Augpunkt) zu fesseln. Das kann in ältester Malerei beobachtet werden; radikal wird das Prinzip mit dem (technischen) Bewegtbild (im Kino, dann im TV), wo zur Verschleierung des sich durchsetzenden Regimes sogar das (grammatische) Subjekt dieser Wahrnehmungsmanipulation verändert ist. Es wird nicht mehr der Blick geführt, sondern es wird vorgeblich „nur“ die Kamera geführt. Als ob die Kameraführung keine Blickführung (von Tausenden) ist. (Dass sich die Bildherstellungstechnik änderte, kommt diesem Kniff entgegen.) Die „BILDschirme“ können den Blick nicht fesseln oder führen, sie sind eine Aufforderung dazu, die Emanzipation des eigenen Blicks mit und an ihnen zu üben. Die „Monitore“ dagegen zeigen Kontrollbilder. Durch die flackernde Oberfläche scheinen Bilder ihrer selbst zu scheinen. Die Selbstreferenzialität fordert der Betrachterin

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Besuch (von einem andern Stern) 2006, 150 x 150, Acrylfarbe und -lack, Öl, Ofensilber auf Mischfaser

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ab, sich als Kamera zu begreifen. (Wenn der Monitor sich selbst zeigt, ist seine (Überwachungs)kamera auf ihn selbst gerichtet. Die Position der imaginären Kamera fällt mit der Position der Betrachterin zusammen.) Im Verhältnis des Objektes zu seiner Abbildung in sich selbst kann die vorgebliche Kamerafahrt nachvollzogen werden. Die „Monitore“ dienen der Beobachtung der Blickführung, die nicht mehr unauffällig geschieht, sondern durch die Aufforderung zur Einnahme eines bestimmten Betrachterblickwinkels. Die „Monitore“ verweisen wieder auf die Figur des Indexikalischen, das in ihrem Fall jedoch nicht mit einer Einzeichnung verbunden ist wie beim Strich des Malers, wie bei der Schallplattenrille. Es ist das Indexikalische der Echtzeitübertragung, des Fernsehens im eigentlich wörtlichen Sinn. (Weg von den Liveaufnahmen, hin zur Liveübertragung.) Wie bei der Fotografie geht man auch in diesem Fall üblicherweise von der Zuverlässigkeit des technischen Prozesses aus, der als Selbsteinschreibung des Lichts in eine fotosensible Oberfläche und die zugehörige Datenübertragung die tatsächliche (entfernte) Anwesenheit des Gesehenen garantiert. Bei der Fotografie ist der Index eingebrannte Spur, „Schatten im Silber“ (Kausalindex), im Monitor ist er der ständig zeigende Finger des gelenkten Blicks, der immer „da!“ sagt (pragmatischer Index).14 Die Verbindung findet man in „Rechts, Links, Rechts“ (1992). Die Fußspur ist der im Boden abgedrückte Index, der für die gewesene Anwesenheit der Verursacherin oder des Verursachers steht. Die Anwesenheit der Person ist noch später, in der eingetretenen Abwesenheit, vermittelt durch den Abdruck. Die Anwesenheit der Spur selbst wird in diesem Fall vom – gedruckten – Monitorbild gezeigt. Die Serie „Tele-Realismus“ scheint das Vertrauen in die entfernte Anwesenheit dessen, was wir im Monitor vermeinen zu sehen, zu hinterfragen. Sie thematisiert die Manipulationsmöglichkeit, die Fälschungsmöglichkeit als Kehrseite des Simulationspotentials von Medien. Die unterste Schicht ist siebgedruckt. Die Belichtung des Siebs erfolgt dafür mit einer aus Plakatversatzstücken hergestellten Collage. Wie mit einem heute in Grafikbearbeitungsprogrammen üblichen Copy and Paste-Verfahren sind diese Bildversatzstücke entlang ästhetischer Achsen und Zentren vervielfältigt. Eine Vorgehensweise, die aus einem anderen (neuen) Medium bekannt ist, wird in einer hergebrachten künstlerischen Technik imitiert und somit (re)interpretiert. Arbeitsweise und Ästhetik überwinden ihre Medien; es ist das, was Uwe Bressnik als „transmediale Verschiebung“ anspricht. Die ganze Geschichte ist voller transmedialer Verschiebungen. Immer wenn ein neues Medium auftaucht, wird es zuerst zum Transporteur schon bekannter Inhalte, die eigentlich in und für andere Medien gemacht wurden. Das Besondere bei Bressnik ist die Richtungsumkehrung dieses Prozesses. Titel und Form der zur Serie „Tele-Realismus“ gehörenden Arbeiten erinnern an die Bildschirme; langsam rückt aber mit ihnen der eigentlich malerisch-künstlerische Gestaltungsprozess weiter in den Mittelpunkt. Malen im Sinne Lyotards, als philosophische Tätigkeit, die nach Regeln bildnerischer Gestaltung sucht, muss man nicht unbedingt mit Pinsel und (Flüssig)farbe. (Der Begriff der Malerei ist im ganzen Text weit gefasst.) „Noch o.T. (Vom ersten Besitzer zu betiteln)“ holen die übereinander geschichteten, je ein- aber zueinander verschiedenfärbigen Raster vollends in den Kontext der Malerei. Sie widmen sich der Erforschung eines Farb-Form-Zusammenspiels, das sich der Selbstverständlichkeit entzieht, das, wie jede Gestaltung, erst erlernt werden muss. Es ist, wie auch bei den „BILDschirmen“ und „Monitoren“, erstaunlich schwer nachvollziehbar,

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Rosa 2005, 150 x 150, Acrylfarbe und –Lack, Tempera auf Mischfaser

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wie die Farbkombinationen, die die Oberfläche reflektiert, zustande kommen – wo man es mit durchscheinenden Farben zu tun hat, wo Mischung durch Mittelung auftritt, oder wo die Farbe durch andere optische Effekte (Beugung, Auffächerung) zu Stande kommt. Die „Takeaways“ führen dieses Experiment zurück in ein bekanntes Prinzip. Sie sind so etwas wie Farbfeldmalerei im Kleinformat, zum Mitnehmen; die Übereinanderschichtung transparent-farbiger Plastiktüten ist einfach eine subtraktive Farbmischung, wie sie auch aus der „klassischen“ Malerei bekannt ist.15 Mit den „Takeaways“ steht der Farberzeugung durch die – wie bei den technischen Medien – gerasterte, diskretisierte Oberfläche der „Noch o.T. (Vom ersten Besitzer zu betiteln)“ die Integrität gefilterten Lichts und kontinuierlicher Oberflächen gegenüber. Die Rasterung ist das große Gesamtkonzept der Reproduktionstechnik visueller Informationen. Die zu reproduzierende Sichtbarkeit wird durch sie in voneinander getrennte, diskrete (abzählbare), digitale (greifbare) Informationseinheiten aufgeteilt. Dabei muss die Auflösung der Information feiner sein, als das Auflösungsvermögen der Betrachterin, damit der Raster scheinbar verschwindet, unsichtig wird. Im Rasterdruck werden Farben vorrangig nicht gemischt, sondern fein genug in entsprechender Abwechslung verteilt, um den Eindruck einer anderen Farbe zu erwecken. Viele verschiedene Farbpunkte (dots) ergeben im Auge eine Mischfarbe nach dem Prinzip der Mittelung. (Zusätzlich tritt dort, wo sich die Punkte überlagern, subtraktive Mischung auf.) Dasselbe Prinzip steckt in den Computerbildschirmen und Digitalprojektoren. Bei ihnen ist die Rasterung strenger, gepixelt: Aus den Lichtfarben Rot, Grün und Blau werden (durch Mittelung und additiv) die Anzeigefarben gemischt.16 Die Malerei – im engen Sinn – steht dem entgegen, sie kreiert tatsächlich immer wieder neue materielle Farben zwischen den Grundfarben. Auch die Darstellung von steten Linien und Kanten in einem Raster funktioniert nur glaubwürdig, wenn der Raster fein genug, die Pixel klein genug sind, sich die Elementarteilchen der Wahrnehmung entziehen. Die Malerei hingegen kümmert sich nicht um Raster; ein Rahmen steht ihr zwar an, sie reagiert auf den meist amorphen Malgrund, sie ist ein wenig dreckig; aber in alledem ist sie direkt. Etwas von ihr kommt unmittelbar aus dem Künstler. Sie scheint eher dafür angelegt, persönliche, vielleicht spontane Äußerungen zu erlauben als der Umweg über den Computer – so, wie das Schreiben mit der Hand intimer ist als das Tippen auf der Tastatur. Die „Introprojektionen“ kombinieren die direkte Malerei, Schwarz auf weißem Grund, mit der Diskretisierung durch die darüber gelegten Farbraster. Einer Phase der Introspektion folgt die Projektion seiner Einsichten auf den Malgrund, wie Bressnik sagt. Was darüber liegt, ist der Nebel der Relativierung, der mediale Zerrspiegel, der die Wahrnehmung beeinflusst. In den „Introprojektionen“ verbindet sich das Medieninteresse Bressniks mit seiner eigenen Geschichte. Exkurs: Motive „Die große Freiheit“ ist nicht nur Bressniks Traum. Der Begriff ist Bressnik Spiel mit den eigenen Sehnsüchten und Hoffnungen, verwirklicht mit Kollegen seines Umfeldes. Es handelt sich um Die große Freiheit Nr. 7, die (alte) Seemannslieder spielt; vorbei am Volksdümmlichen, am schmalen Grat zwischen Lächerlichkeit und großem Pathos. Die Attitüde, mit der diese Lieder interpretiert werden, fordert ein, sie neu anzuhören, lässt danach fragen, wo sie herkommen. Nicht zuletzt wird man bei der Suche auf einen im

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Singles 2006, 100 x 100, Acrylfarbe und -lack, Tempera auf Mischfaser

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Dritten Reich zensierten Film stoßen, der dem Bandnamen Pate stand. Was im Kitsch versumpft scheint, wird ausgegraben und neu bewertet. Bressnik spielt das Taschenkornett, eine winzige Trompete (zu sehen auf der Introprojektion „Die große Freiheit“). In diesem Projekt verbinden sich Musik und bildende Kunst: Der Bandbus wurde nicht einfach als solcher verwendet, sondern zu einem künstlerischen Manifest und Symbol erhoben („Große Freiheit“, Klangskulptur 2003–06). Die innen liegende „Devotion Pipe“ bringt mit ihrem Infraschallsound die Netze, die Bressnik an den Fensterinnenseiten übereinander gelegt hat, ins Schwingen. Die Malerei beginnt, sich zu bewegen. Es ist ein Prinzip, das seine Fortsetzung in der Wiener Kaiserstraße („Revival/ Wiederbelebung“ 2008) und in einer Installation im Klagenfurter Dom („Lebendig“ 2010) findet. Bressnik reflektiert auf seine Herkunft und seinen Status („Ich Uwe Bressnik Kärntner Künstler“ 2000), auch während seines Romaufenthalts im Jahr 2001 („Io, Uwe Bressnik, artista austriaco“). Die letztgültige Wende zum Neoliberalismus österreichischer Ausprägung durch Demokraten aus zweiter Reihe und seine eigene Ohnmacht werden zum Anlass, sich als bewusstlos darzustellen („Senza Coscienza/Ohne Bewusstsein“ 2001). Wohl im Gefolge dieser Geschehnisse ist auch der „Abschied von der Insel der Seeligen“ („Lasciando l’isola dei beati“ 2001) zu verstehen. Politisches tauchte auch schon ein paar Jahre zuvor auf. Die Druckserie „Geografik – Verschwundene Länder“ (1995) erinnert an den (Zerfall des) Ostblocks. Persönlich motiviert ist auch der „Family Tree“ (2002), die Blume, die, sich abneigend, die scheidende Familie symbolisiert, wie auch „Abarbeiten“ (2004), das eine Träne in Relation zu dem Druck setzt, mit dem in Wasserkraftwerken Strom erzeugt wird. Exkurs Motive Ende Projektionstechnik an sich ist in der Kunst kein unbeschriebenes Blatt. Es ist wahrscheinlich, dass viele große Werke der Malerei mit (versteckter) Hilfe von Projektion entstanden. Seit der Renaissance werden immer wieder Techniken beschrieben, die es dem Künstler erleichtern, illusionistisch zu malen. (Ein bedeutendes Medium in diesem Zusammenhang ist die Camera obscura.) Auch mit diesem Phänomen beschäftigt sich Uwe Bressnik. Seine aktuell jüngsten Arbeiten „That’s Life“ und „Studio (hoch 2)“ (beide 2009) entstanden im ausstellungsraum.at. Auf den großflächigen Zeichengründen (260 x 260 und 280 x 390 cm) ist je eine Ansicht der Situation im Ausstellungsraum zur Zeit ihrer Entstehung zu sehen. Die Bilder sind direkt an der Wand entstanden. Die Ansicht entspricht aber einem Standpunkt, der erst mehrere Meter entfernt liegt, weshalb es nicht möglich ist, die gesehene Szenerie unmittelbar aufzuzeichnen. Bressnik geht den Umweg über die Fotografie. Er nimmt vom gewünschten Standpunkt aus ein Bild auf, das er als Vorlage für einen Skizzenübertrag auf Folie verwendet. Die Projektion dient der Zeichnung als Vorlage. Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um ein einfaches Nachziehen von Linien und Kanten, das das Bild auf den Zeichengrund bannt. Wie bei der Musikaufnahme im Studio die einzelnen Tonspuren erst gemischt werden, die Lautstärkeverhältnisse eingestellt, Effekte nachvertont, so muss die Projektion erst korrigiert werden, befreit von Verzeichnungen und Verzerrungen – letztlich kann der Raum auch mit Hilfe der Projektion nur durch eine schrittweise Annäherung in die Aufzeichnung übersetzt werden.

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Pop Art 1997, 145 x 145, Acrylfarbe und –Lack, Tempera auf Leinwand

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Auch wie Musik – Die große Freiheit Nr. 7 – remixt Uwe Bressnik in seinen „Bearbeitungen“ vorgefundenes Material mit einem seiner Sujets, der Schallplatte. Sorgsam ausgesuchte Kalenderblätter, alte Stiche, Kunsthandwerk werden als found footage in Manier einer appropriation art zur Ausgangsbasis eines Spiels aus Entwertung und Neubewertung. Die hineingemalte Schallplatte scheint zur aufgehenden Sonne in einer Welt des Kunst-Kitsches zu werden. Es ist der sprichwörtliche Wink mit dem Zaunpfahl, der auf die wichtige kultur- und mediengeschichtliche Rolle der Schallplatte verweist. Generell scheint es bemerkenswert, in die Beschäftigung mit Bildmedien die auditiven Medien Schallplatte und Plattenspieler zu integrieren. Bressnik verbindet Video, Audio und Logos als Reflexion einer Mediengeschichtsschreibung, die in den letzten Jahren die Bilder in den Vordergrund stellt. Die Schallplatte war durch Jahrzehnte das Verbreitungsmedium für Musik und mithin auch Musikkultur, welche sie in großem Ausmaß geprägt hat.17 Die Zelebration, die Uwe Bressnik ihr angedeihen lässt, steht ihr (und ihm) gut an. Die Ästhetik anderer Medien in die Malerei zu transferieren, bedeutet den Versuch, das medial Wesentliche zu extrahieren und zu konservieren; es zuallererst überhaupt sichtbar zu machen. Dabei in der Arbeitsweise die Strategien und Funktionsweisen dieser Medien zu beobachten, zu imitieren oder zu entlarven passt zur theoretischen Verankerung, die Bressnik bereits früh manifestiert hat. Er arbeitet zwar nicht mit neuen Medien, sondern er erhebt Medien zum Sujet seiner Kunst, beschäftigt sich mit ihrer Ästhetik, er arbeitet zu Medien. Aber gerade so drängt sein Werk in den diskursiven Raum von Medienästhetik, -geschichte und -theorie. Gerade so macht Bressnik Medienkunst.

ANMERKUNGEN 1 Der Niederschrift dieses Textes gehen zahlreiche Gespräche mit Uwe Bressnik voraus. 2 Vgl. etwa Brockhaus Enzyklopädie Online, Stichwort „Medienkunst“, Wikipedia .de und .en (alle 3. 5. 2010). 3 Vgl. Tomás Maldonado, Digitale Welt und Gestaltung. Ausgewählte Schriften herausgegeben und übersetzt von Gui Bonsiepe, Basel (u.a.): Birkhäuser 2007, S. 318–319; Charles S. Peirce, Collected Papers [Hsrg.: Charles Hartshorne/P. Weiss], Cambridge (Mass.): The Belknap Press of the Harvard University Press 1960, Bd. IV, S. 359: („optical connection with an object“) und S. 462 („existential relation to its object“). 4 Es soll hier kein neuer Medienbegriff definiert werden. Der Autor selbst versteht „Medien“ (hier) als „Werkzeuge, welche die Trennung von Genesis und Geltung ermöglichen“. (Vgl. Lambert Wiesing, Was sind Medien?, in: ders., Artifizielle Präsenz, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005, S.149–162, S.154.) 5 „Extrahierte, reine Sichtbarkeit“ rekurriert hier auf Konrad Fiedlers Verständnis dessen, was ein Bild ist. Demnach wird von dem Ding, das aus Substanz mit ihren zugehörigen Akzidentien (Hörbarkeit, Riechbarkeit, Tastbarkeit, etc.) besteht, die Sichtbarkeit isoliert (und gleichzeitig einer Interpretation unterzogen), etwa beim Zeichnen. Das Ergebnis ist ein Bild. Vgl. Konrad Fiedler, Schriften zur Kunst I. Text nach der Ausgabe München 1913/14 mit weiteren Texten aus Zeitschriften und dem Nachlaß, einer einleitenden Abhandlung und einer Biographie herausgegeben von Gottfried Boehm, München: Fink 1992, S. 161. 6 Jean-François Lyotard, Das Inhumane. Plaudereien über die Zeit, Wien: Passagen 2006, S. 141. Hervorhebung wie im Original.

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7 Die Rede von der Kunst als Experiment findet sich nicht nur bei Lyotard. John Constable sprach davon im Zusammenhang mit der Landschaftsmalerei in einer seiner Vorlesungen 1836, worauf Ernst Gombrich spätestens 1960 zurückgriff. Vgl. Ernst H. Gombrich, Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, Berlin: Phaidon 2004. 8 Harry Pross bezeichnet sie als „tertiäre Medien“, während die „primären Medien“ jene des menschlichen Elementarkontakts (Sprache, Mimik, Gestik) und „sekundäre Medien“ auf der Produktionsseite ein Gerät erfordern, während der Empfänger die Mitteilung ohne technische Hilfsmittel empfangen kann. (Harry Pross, Medienforschung. Film, Funk, Presse, Fernsehen, Darmstadt u.a.: Habel 1972.) 9 Herbert Müller, Marcel Proust: A la recherche du temps perdu, in: Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Stuttgart/Weimar: Verlag J.B. Metzler 2009. Zitiert nach: Kindlers Literatur Lexikon Online: www.kll-online.de (18. 5. 2010). Dank an Andreas Terkl für den Hinweis und die Diskussion zum Thema. 10 Stellvertretend für eine große Menge rezenter Fachliteratur zur Thematik: Gottfried Böhm (Hrsg.), Was ist ein Bild?, München: Fink 1994. 11 Vgl. Hans Jonas, Die Freiheit des Bildens. Homo pictor und die differentia des Menschen, in: ders., Zwischen nichts und Ewigkeit. Zur Lehre vom Menschen, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1987, S. 26–75. 12 Paradigmatisch steht dafür, wie die „allgemeine Symboltheorie“ Nelson Goodmans mit Bildern umgeht. Vgl. Nelson Goodman, Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995. 13 Zur phänomenologischen Bildtheorie und auch zu den kurz vorgestellten Linien, sowie der Trichotomie Bildsujet – Bildobjekt – Bildträger: Lambert Wiesing, Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005. 14 Danke Lino Bressnik für den nachdrücklichen Fingerzeig … 15 Die subtraktive Mischung von Farben erfolgt vor dem Auftrag, durch Auftragen transparenter Farben übereinander, oder nass in nass. Diese Arten der Mischung sind die meist gebräuchlichen Varianten. Daneben gibt es – etwa im Neoimpressionismus – Versuche, in der Malerei „optisch“ zu mischen: „optische Mischung“ meint dabei Farbmischung, die „im Auge“ nach dem Prinzip der Addition stattfindet. (Nicolas Ogden Rood, Die moderne Farbenlehre. Mit Hinweisung auf ihre Benutzung in Malerei und Kunstgewerbe, Leipzig: Brockhaus 1880). Dass dies nicht im Sinne von additiver Mischung funktioniert, beobachtete Robert Herbert. (Robert L. Herbert, Solomon R. Guggenheim Museum (New York): Neo-Impressionism [Ausstellung Februar–April 1968], New York: Solomon R. Guggenheim Museum 1968). Aus genügender Entfernung wird diese Mischung dem Prinzip des Rasterdrucks nahe kommen und eine Mischung durch Mittelung sein, wie sie auch mit dem Farbkreisel gezeigt werden kann. 16 Vgl. zur Farbmischung das entsprechende Kapitel auf der Homepage von Dietrich Zawischa, http://www.itp.uni-hannover.de/~zawischa/ITP/farbeinf.html (10. 5. 2010). 17 Die Bedeutung der „Schallplatte als Kulturträger“ stellt ein Text von Peter Zombik besonders schön heraus: Peter Zombik, Schallplatte = Tonträger + Kulturträger: Zehn (radikal einseitige) Thesen zur kulturellen Bedeutung der Schallplatte, in: Werner Faulstich (Hrsg.), Medien und Kultur. Beiträge zu einem interdisziplinären Symposium der Universität Lüneburg [Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Beiheft 16], Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1991, S.149–153.

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Singles 4 Singles, 1999, übertragen das Rezeptionsmuster von Musik in die bildende Kunst: Gemalte Singles stehen im Regal (das auch als Display dient) wie deren reale Vorbilder zum Zugriff bereit. Je nach Stimmungslage wählt der Betrachter eine bestimmte (gemalte) Single und stellt sie auf das Display, um sie zu zeigen oder zu betrachten. Über kurz oder lang stellt der Betrachter das Bild der einen Single zurück in das Regal, und wählt eine andere. Aus dem räumlichen Nebeneinander von Bildern wird ein zeitliches Hintereinander, die Rezeptionsmuster verschwimmen. Bei den Titeln der Singles handelt es sich durchwegs um – als gemalte Neuarrangements verwertbare – Songs aus meiner umfangreichen Plattensammlung, zum Beispiel Leaving this Planet von Charles Earland, Days of Wine and Roses von Henry Mancini, Indian Summer von Nick Laird-Clowes und Gilbert Gabriel, Body Heat von James Brown und so fort. Plattensammlung der 70er Jahre, 1999/2000 Pop Art, Pop, Art. Vinylsingles stellen eine Veröffentlichungsform dar, die es meines Wissens nur in der wirklich populären Popmusik gibt. Auf Singles werden die Megaseller aus Hitalben noch einmal extrahiert – Singles sind also popper als Pop. Eine an Pop orientierte Plattensammlung würde demnach aus Singles bestehen (ich selbst sammle nur Alben), mein Pop Art-Vehikel muss das demnach auch. Die Farben der 70er Jahre verstehen sich von selbst. Die Plattensammlung der 70er Jahre formiert sich aus lauter Unikaten von 30 x 30 cm. Diese „Singles“ – beidseitig auf durchscheinendes Sulfitpapier gemalt und auf grundierte Mischfaser aufgezogen – sind äußerst variabel in (einer oder mehreren) 9er, 10er, 12er, 15er, 16er oder 24er-Gruppen, im Hoch- wie im Querformat, getreppt, oder auch über Eck zusammenstellbar. Und natürlich: je mehr Platten, desto cooler die Sammlung …

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Singles 4 Singles 1999, je 30 x 30, gesamt ca. 38 x 34 x 31, Acryl, Tempera, Sulfidpapier auf Leinwand; Board: Holz, Acryllack

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Plattensammlung der 70er Jahre 2000, 90 x 90, Acryl und Tempera auf Sulfidpapier Rom-Atelier des bmukk, Dezember 2000

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Plattensammlung der 70er Jahre 2000, 150 x 90, Acryl und Tempera auf Sulfidpapier

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Ausstellung „Vom Klang der Kunst“, Museumsquartier, Wien, März 2008. Große Freiheit, Bressniks 1210, Phases (v.l.n.r.).

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Große Freiheit Blum/Bressnik 2003/06, 450 x 172 x 194, Kleinbus, Metallschliff, Transparentfarbe, Einbrennlackierung, Gitterstore, Acryllack

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Christian Höller

GROSSE FREIHEIT

2003 präsentierten Reinhard Blum und Uwe Bressnik ihre erste künstlerische Version eines Tour-Busses. Mit speziell bearbeiteter Oberfläche und semitransparenten Fenstern verweist das gut dreißig Jahre alte Gefährt auf eine Reihe von Zusammenhängen, die von Freiheits- und Transgressionsdenken, ja von kleinen und großen Überschreitungen einer „Revolutionierung des Alltagslebens“ geprägt sind. Denn nicht bloß als praktikabler Bandbus findet das Fahrzeug (zumindest potenziell) Verwendung. Auch als skulpturale Materialisierung einer Vielzahl von Mythen, Pop und Alltagslegenden funktioniert es sowohl diesseits als auch jenseits der Kunstraumgrenzen. Und so wie der spezielle Metallschliff die Außenhaut zu einer Art Tabula rasa für allerlei Projektionen macht, so prallen diese an der stark Licht reflektierenden Oberfläche gleich auch wieder ab. So als wolle das Gefährt nicht länger die ihm auferlegten historischen Schichten tragen. Wobei die „Große Freiheit“, so der Name des Objekts, diese als Zeichenträger unabweislich mit sich führt. Geschichtlich betrachtet stellt der Bus ein geradezu prototypisches Vehikel popbeziehungsweise gegenkultureller Freiheits- und Fluchtfantasien dar. „Further“ – beziehungsweise „Furthur“, wie die Aufschrift genau lautete – hieß der alte, mit Neonfarben bemalte Schulbus, mit dem Ken Kesey und seine Merry Pranksters sich 1964 auf die Reise durch die USA machten. Weiter, sowohl in Richtung einer besseren Zukunft als auch in Richtung expandierter Bewusstseinsgrenzen, lautete die Stoßrichtung, die in der Folge eine Vielzahl von Pop-Hymnen weiterverfolgten: „Magic Bus“ von The Who etwa oder „Omnibus“ von The Move. „The trip of your lifetime“ versprach auch die Unternehmung, zu der The Beatles 1967 in ihren knallgelben Reisebus mit der regenbogenfarbenen Aufschrift „Magical Mystery Tour“ einluden – ein Versprechen, das zehn Jahre später von den Sex Pistols (beziehungsweise ihrem Grafiker Jamie Reid) kongenial parodiert wurde: „Nowhere“ beziehungsweise „Boredom“, so hießen die einzig verbliebenen Reiseziele auf einem berühmten Cover-Sujet (der Single „Pretty Vacant“). Die ganze Bandbreite zwischen magischem Wunder und langweiligem Niemandsland wurde in den 70er Jahren von einer flügge beziehungsweise mobil gewordenen Jugend auf ihren Trips kreuz und quer durch die Lande erforscht. Vielfach in genau jenem Volkswagenfabrikat, wie Blum und Bressnik es dem (Auto)Friedhof der Alltagsgeschichte entrissen haben. Indem sie die Farb- und Lackschichten abtragen und gleichsam das Skelett des Busses freilegen, arbeiten sie sich metaphorisch auch an jenem gegenkulturellen Ballast ab, mit dem der VW-Bus historisch aufgeladen ist. Gleichzeitig helfen die speziellen Tiefeneffekte, die der Metallschliff und die Gazeschichten nach außen hin erzeugen, mit, ein Versprechen zu bewahren, welches das Vehikel scheinbar immer noch in sich trägt. Ob dieses mehr beinhaltet als den abstrahierenden Verweis auf vergangene Mythen, gibt das Objekt selbst nicht preis. Aber wie stand schon am Heck von Keseys „Furthur“ geschrieben: „Caution: Weird Load“.

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Große Freiheit /Devotion Pipe, Blum/Bressnik/Iwantscheff 2006, Stahltrichter, Lautsprecher, Verstärkerendstufe, CD-Player, Samt, Styropor, Holz

Große Freiheit, 2003/2006 Die „Große Freiheit“ ist eine Koproduktion von Reinhard Blum und mir. Er war es, der mich zur Jahrtausendwende überredet hatte, in der eben gegründeten Band Die große Große Freiheit Nr. 7 mitzuspielen – der Beginn meiner ausübenden musikalischen Tätigkeit. Nach einer Probe beschlossen wir, ein Projekt als Verbindung unserer gemeinsamen bildnerischen und musikalischen Neigungen zu realisieren: einen künstlerisch gestalteten Bandbus, oder anders herum: eine für die Band benützbare Skulptur, ein Ding genau an der Schnittstelle von Musik und bildender Kunst. Den VW-Bully haben wir in Handarbeit bis auf das Metall abgeschliffen, in einer von Reinhard Blum entwickelten Technik mit Schleifintarsien gestaltet, partiell mit Transparentfarbe eingewalzt und schließlich einbrennlackiert. Alle Fensterflächen wurden mit changierenden Rasterflächen bestückt und die Skulptur 2006 schließlich (gemeinsam mit Günther Iwantscheff) mit dem Einbau der „Devotion Pipe“ zum Soundobjekt erweitert. Die „Devotion Pipe“, eine elektroakustische, stilisierte Version der größten im Orgelbau verwendeten sogenannten Andachts- oder Demutspfeife, wirkt wie diese unhörbar psychoakustisch auf Brustraum und Magengegend. So sollten die BetrachterInnen angesichts unseres Werkes unmerklich zu Andachts- und Demutswallungen gezwungen werden, während der Schalldruck die im Inneren des Busses angebrachten Netzraster unhörbar bewegt und sie dadurch noch auffälliger oszillieren.

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Große Freiheit /Devotion Pipe, Details, oben: Ansicht durch Heckfenster/Gitterstores, unten: Ansicht vom Beifahrersitz in den Laderaum

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Lebendig Aufbau und Live-Aufzeichnung, Feber/März 2010

Lebendig 2010 Für die Installation „Lebendig“ im Klagenfurter Dom habe ich die barocke Hülle des Kirchenraumes in der zentralen Blickachse zum Altar und Tabernakel hin geöffnet, indem ich das Altarbild durch eine scheinbar minimalistische, blut- und purpurrot changierende Fläche aus mehreren Rasterschichten ersetzte. Damit habe ich metaphorisch das Herz der Kirche freigelegt, oder genauer, deren Herzklappe: eine riesige, digital anmutende Projektionsfläche. Durch einen verdeckt hinter der Tabernakelkuppel angebrachten Elektromotor wurde diese Membran in pulsierende Schwingung gebracht. Dadurch verliefen die Moirézeichnungen scheinbar vom Kreuz des Tabernakels ausgehend in alle Richtungen über die fast 7 x 4 m große Farbfläche – das neue Herzstück des Doms begann zu pulsieren, wurde lebendig – leben digital.

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Lebendig 2010, ortsbezogene Installation im Rahmen von „Kunst im Dom 2010“, 680 x 385, Gitterstore, Acrylfarbe, Holz, Stoff, Elektromotor Dompfarre St. Peter und Paul, Klagenfurt

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Revival/(Wieder)belebung 2008, Kunst im öffentlichen Raum, Wien, Entwurf

Revival/(Wieder)belebung, 2008 Im Rahmen des Projektes Straßenfeger und Gassenhauer habe ich die Fassade eines ehemaligen Gemüseladens – stellvertretend für viele leerstehende Geschäftslokale – einer technisch einfachen, aber visuell effektiven (Wieder)belebung unterzogen. Die Schaufenster- und Türverglasung erfuhr eine funktionale Totalumkehr: Anstatt den Blick in ein leeres, siechendes Inneres freizugeben, wurden die Glasflächen mit einer pulsierenden, an einen Plasmabildschirm erinnernden Rasterstruktur gefüllt. Diese schien den gesamten dahinterliegenden Raum zu erfüllen und drängte nicht nur farblich spektakulär nach außen. Von außen nicht sichtbare, exzentrisch gegen die Rückseite rotierende Ventilatoren hielten die Rasterflächen in pulsierender Bewegung. Die quasi digitale Struktur der Farbnetzflächen war dabei in den Pixelsteinchen der umrandenden Mosaikfassade schon vorweggenommen …

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Revival/(Wieder)belebung, 2008, Kunst im öffentlichen Raum, Kaiserstraße Wien, September/Oktober 2008, Gitterstore, Acrylfarbe, Holz, Stoff, Ventilatoren oben: Fassade, unten: Innenraum des leer stehenden Geschäfts

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Exit, 2002 ortsbezogene Installation an der kunstgeschichtlichen Fakultät der Universität Innsbruck, Eingang zum Ausstellungsraum Gitterstore, Acrylfarbe

Intro-Projektionen, seit 2000 Mit den „Intro-Projektionen“ verknüpfe ich mehrere scheinbar gegensätzliche Intentionen zu einem neuen Ganzen. Zum einen die Introspektion, die Selbstschau, die sich – ein Novum in meiner Arbeit – mit meinem bis dahin als Thema meiner Arbeit völlig ausgesparten Privaten beschäftigt. Der Blick nach innen also, den ich in einer Ebene dieser Arbeiten durch – ein weiteres Novum – mimetische, gegenständliche Malerei darzustellen versuche. Zum anderen die Projektion: genau gegenläufig zur Introspektion nach außen gerichtet, extrovertiert, vergrößernd, sendend. Dazu bediene ich mich mehrerer Schichten großflächiger Farbraster, die die Unmittelbarkeit der gemalten Bildebene mit der Anmutung digitaler Medien und deren distanzierter Flüchtigkeit überlagern. Dieses medial vermittelte, immaterielle Erscheinungsbild repräsentiert dabei die öffentliche, die darunterliegende, malerische Ebene die private Sphäre meiner Welt. Inhaltlich sind die „Intro-Projektionen“ analog dazu zwar auf den ersten Blick persönlich motiviert, letztlich aber konträr dazu immer gesellschaftspolitisch gemeint. Exit, 2002 Die große Freiheit, 2002 Für die Ausstellung Giubileo 2000 an der kunstgeschichtlichen Fakultät der Universität Innsbruck habe ich den Eingang zum Ausstellungsraum in einen himmelblau und gelb oszillierenden (Not)ausgang umgedeutet. Im Inneren des Ausstellungsraumes empfing die StudentInnen dann eine freudige Botschaft: Sie würde kommen, die große Freiheit (Nr. 7)! Ein Vorgeschmack auf eine herrliche Zeit nach dem Studium? Oder bloß die Ankündigung für einen Auftritt der Band?!

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Die große Freiheit, 2002, 290 x 600 Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe; Detail

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Wasserkraftwerk Imst, Turbinenhalle, Blick von oben mit Abarbeiten, August 2004

Abarbeiten, 2003, habe ich für die In situ-Ausstellung Kraftwerk peripher im Wasserkraftwerk Imst in Tirol entwickelt. Der Begriff abarbeiten bezeichnet im Fachjargon das Verwerten von gestautem Wasser aus einem Hochstaubecken: Die Schleusen an den Druckrohren werden geöffnet, die Wassermassen entweichen unter großem Druck durch die Turbinen und treiben die Stromgeneratoren an. Im Herz des Kraftwerkes, tief unten im Turbinenraum, habe ich – kurz nach meiner Scheidung – dem mit ohrenbetäubendem Rauschen durch die Turbinen stürzenden Wasser seine vielleicht subtilste Form des Fließens – eine Träne – gegenübergestellt.

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Abarbeiten, 2004, 280 x 360, Installation/Wandarbeit im Wasserkraftwerk Imst, Tirol, Turbinenhalle, Stirnwand zum Druckstollen, Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe

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Family Tree, Nightshot (Video), 2002, „flüchtig – daheim“ im Rahmen von SOHO in Ottakring, Wien

Nightshot, 2002 Ein Abarbeiten der persönlichen Art. „Nightshot“ ist ein Videoloop aus mehreren nächtens auf meiner Taschentrompete eingespielten und im NightshotModus (für Videoaufnahmen bei wenig Licht) aufgezeichneten Soundstücken. Statt zu schneiden habe ich die voneinander abweichenden Anschlüsse einzelner Videosequenzen der Soundchoreografie folgend aber ineinander gemorpht. Zum großen Teil beinahe unmerkliche Veränderungen der grobkörnig pulsierenden Bildebene – mit gelegentlichen surrealistischen Morph-Effekten – korrespondieren so mit der gleichfalls (aber analog) mäandernden Soundebene. Für ein Rauminstallation anläßlich der Ausstellung flüchtig-daheim im Rahmen von SOHO in Ottakring 2002 habe ich dieser Videoarbeit eine kleine, vom Tafelbildformat befreite „Intro-Projektion“, den „Family Tree“ zur Seite gestellt. Family Tree, 2002, „Family Tree“ ist, an sich meiner damals zerbrochenen Familie gewidmet, wiederum im gesellschaftlich-politischen Kontext zu verstehen.

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Family Tree, 2002, Installation/Wandarbeit, 240 x 120 Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe

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Ich Uwe Bressnik Kärntner Künstler, 2000, Installationsansicht im Bauholding Kunstforum, Klagenfurt (September 2000)

Ich Uwe Bressnik Kärntner Künstler, 2000 Diese „Intro-Projektion“ war Mittel- und Angelpunkt meiner Ausstellung Discotheque im Bau Holding Kunstforum in Klagenfurt. Sie ist peinigendes Outing von und widerständiges Insistieren auf verschiedenen, untrennbar miteinander verbundenen Ebenen meiner Identität. Io Uwe Bressnik Artista Austriaco, 2001 International – im Kulturforum Cineclub Detour im Zentrum Roms – bekam dieses Statement eine noch prekärere Wendung. Damals, nach dem blau-schwarzen Wendestreich als Österreicher im Ausland gleich noch einmal stigmatisiert, fand ich mich plötzlich in einer hübschen Doppelrolle, zwei mal negativ besetzt: Der Österreicher – Kärntner Europas. (Mittlerweile hat uns ausgerechnet Italien diesen Rang abgelaufen …) Das fühlte sich jedenfalls bekannt an und erregte meinen Widerspruch, den ich mit zwei weiteren „Intro-Projektionen“ in den Räumlichkeiten des Vereins kanalisierte.

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Ich Uwe Bressnik Kärntner Künstler, 2000, Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe; Detail

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Io Uwe Bressnik Artista Austriaco, 2001 Wandarbeit Associazione Culturale Cineclub Detour, Rom (April 2001) Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe

Senza Coscienza/Ohne Bewusstsein, 2001 Ein Selbstportrait mit geschlossenen Augen und Mund, von einer Blindenschleife überlagert. Augen- und Mundausschnitt sind durch eine leichte Vergrößerung akzentuiert. Lasciando l’Isola dei Beati/Abschied von der Insel der Seeligen, 2001 Wie eine Insel verlassen? Das geht nur zu Wasser oder durch die Luft. Absturz oder Untergang?

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Ohne Bewusstsein/Senza Coscienza, 2001, 280 x 200, Wandarbeit Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe

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Lasciando l’Isola dei Beati/Abschied von der Insel der Seeligen, 2001, Wandarbeit 280 x 150, Papier, Dispersion, Gitterstore, Acrylfarbe

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Robert Lauritsch

HINTER-GRUND-GEDANKEN

Ein Text auf einem Blatt Papier ist erst dann zweckmäßig, wenn er sich vom Hintergrund abhebt und damit lesbar wird. Ein analoger Text, der dies nicht mehr tut, ist unwiederbringlich verloren. Ein digitaler Text dagegen kann auch sichtbar gemacht werden, indem der Hintergrund markiert beziehungsweise hervorgehoben wird. Philosophen schreiben meistens nicht über konkrete Dinge, sondern über deren Hintergründe, also über das Wesen des Seins. Der folgende Text beschäftigt sich mit Hintergründen, inspiriert durch und bezogen auf Uwe Bressniks Werke und die ihnen zu Grunde liegende Idee der „transmedialen Verschiebung“. Die transmediale Verschiebung ist der Versuch, Qualitäten neuer Medien und ihrer Kontexte mit Hilfe alter Medien und deren Kontexte zu simulieren. Dieses Konzept ist interessant, denn es könnte auch ein Beschreibungsmodell sozialexistenzieller Problemfelder und Phänome bieten. Zudem kann die transmediale Verschiebung als behutsame und wertschätzende Methode verstanden werden, voneinander Getrenntes zu verbinden. Drei Gedankenanstöße dazu. Information und Interessen – Der Blick auf das Kunstwerk Wir begegnen Informationen mit interessengeleiteten Vorurteilen und zwar nicht erst im fortgeschrittenen Alter, sondern von Kindesbeinen an, denn diese Wahrnehmungsstrategie hat sich bewährt. Es gibt ganz persönliche Interessen, die herauszufinden für Dritte besonders schwierig ist. Andere sind generischer Natur, die so gut wie jeder Mensch hat, etwa das Interesse an Fortpflanzung, womit erklärt ist, warum Sex als Eyecatcher das im Windschatten mitschwappende Produkt sells. Das neue Medium Internet eröffnet nie geahnte Möglichkeiten, persönliche Spuren, Wege und Ziele zu verfolgen, Nutzerprofile anzulegen und beständig mit maschinell sondierter Information aufzufüllen. Damit sind auch die persönlichen Interessen ins Visier der Werbung geraten. Trotzdem sprechen einige von dieser virtuellen Welt wie von einer parallelen, die mit der realen gar nichts zu tun hätte. Probleme wie die Frage um angemessenen Datenschutz zeigen aber, dass es diese Trennung nicht gibt und beide Welten verknüpft sind, miteinander interagieren und Entscheidungen und Taten in beiden Auswirkungen haben. Man kann sich dem Internet natürlich entziehen und so zum Beispiel weitgehend verhindern, dass man gegoogelt werden kann, genauso gut kann man auch auf Mode verzichten und darauf insistieren, dass man mit der Modewelt nichts zu tun hat, es bewahrt einen jedoch nicht davor, auch von ihr in Ruhe gelassen zu werden. Hier kreuzen sich die Interessen. Im Grunde ist die Trennung zwischen Realität und Virtualität rein intellektueller, interessengeleiteter Natur, um den Umgang mit unserer (Um)welt und unser Sprechen über sie zu erleichtern. Dem voraus geht die Trennung und Entfremdung dieser Umwelt, deren Teil man immer ist, um sie zum Objekt zu machen. Das ist ein notwendiger Schritt, um nicht teilnahmslos und apathisch zu werden, und genau daher versuchen das auch Künstlerinnen und Künstler. Ein Freund, selbst Künstler, hat mir jedoch

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davon erzählt, wie höchst verärgert er über jemanden war, dem er eines seiner Kunstwerke geschenkt hatte, dieser es aber weiterverschenkte. Geradeso, als sei es eine Ablehnung des Künstlers selbst, zumindest empfand er das so. Das Beispiel zeigt, dass die Trennung zwischen dem Künstler und seiner Kunst nur formal existiert, um die Kunst (er)tragbar und mehr oder minder -reich zu machen. Wir leben in einer verwobenen Welt, wo Grenzen nur formal sind, aber nicht dem wirklichen Miteinander entsprechen. Wie kann man das sichtbar machen? Zum Beispiel als Kunstwerk mit Hilfe der transmedialen Verschiebung. Wenn ein analoges Medium, wie etwa die Leinwand, dazu befähigt wird, einen Effekt zu erzeugen, der ansonsten hauptsächlich bei digitalen Medien zu finden ist, dann ist die Sichtbarmachung eines existenziellen Phänomens gelungen. Es werden nämlich scheinbare Unvereinbarkeiten in Zusammenhang gebracht und nicht nur das, sie werden voneinander abhängig konstruiert und in einer Harmonie präsentiert, als hätten sie immer schon so existiert. Identität und Veränderung – Der Blick hinter das Kunstwerk Das Kunstwerk scheint aus einem Guss, die Identitäten und Eigenschaften werden erst sichtbar, wenn man Einblick in das dahinterliegende Konzept erhält. Plötzlich ist das Kunstwerk nicht mehr nur sinnvoll im bloßen Dasein, sondern erfährt auch einen Zweck, nämlich Ausdruck einer Idee zu sein. Nur im bloßen Dasein sinnvoll zu sein – aber zweckfrei –, das ist außerhalb der Kunst kaum auszuhalten, alles muss immer auch einen Zweck haben. Kann dieser Zweck nicht genannt werden, wird auch der Sinn und in der Folge die Existenzberechtigung infrage gestellt. Nur Kunstwerke bleiben davor verschont; solche allerdings, deren Zweck auch darin besteht, Interesse der Betrachter zu wecken, werden kritischer besehen. Das bezeugen die immer wiederkehrenden Berichte darüber, wie gegen Kunst Sturm gelaufen wird, wenn sie angeblich dem öffentlichen Interesse entgegensteht. Identität bedeutet immer Inhalt des bloßen Daseins, Identität als an sich leerer Begriff (jedes Individuum hat eine Identität, jede Identität ist eine andere) wird damit

Video Wall-Testbild, 2000 Das „Video Wall-Testbild“ bedeutete nach einigen Jahren der Hinwendung zu den ersten „Soul Source Records“ meinen Wiedereinstieg in die Analyse und analog-malerische Verarbeitung digitaler Bildsprache und -produktion. Nicht ohne Grund: Die Bedingungen von Videokunst hatten sich in wenigen Jahren drastisch verändert; weg vom einengenden Monitor hin zum überdimensionalen Videobeam. Diese Veränderung führte mich vom gekrümmten Tafelbild etwa der „BILDschirme“ zur großflächigen Wandarbeit. Als ersten öffentlichen Test der neuen Arbeitsgruppe habe ich die dominante Stellwand der Galerie Freihausgasse in Villach zum Objekt gemacht und mit Schichten von Farbrastern überzogen. Durch die verschiedenartig changierenden Farben, Strukturen und optische Tiefen wurde der statische Wandblock förmlich in Stücke und seine Fläche in Farbräume zerlegt. Die „Video Wall“ bestand den Test, bald folgten die „Intro-Projektionen“.

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Video-Wall – Testbild, 2000, 960 x 280 x 7, Gitterstore, Acrylfarbe Installation/Raumobjekt in der Galerie Freihausgasse, Villach (September 2000)

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intellektuell fassbar und abgrenzbar. Dieser Inhalt wird nicht im aktualen Tun erzeugt, sondern entsteht immer rückwirkend im Nachdenken darüber. Identität entsteht zwar durch Veränderung, aber sie ist nicht diese Veränderung. Der Prozess ist noch nicht Identität. Wir stoppen die Veränderung im Geiste, begrenzen sie und füllen sie mit Inhalt. Dies tun wir im Grunde andauernd, denn unsere Existenz ist ständiger Veränderung unterworfen. Auch Ursache und Wirkung basteln wir uns so zurecht, denn was wir aktual wahrnehmen, sind immer nur Wirkungen, aber niemals Ursachen. Diese entstehen erst rückblickend, im Geist analysieren und ordnen wir den Zusammenhang. In Anbetracht der Veränderung müssen wir diesen Zusammenhang stets neu denken, weil nicht jede Wirkung immer dieselbe Ursache hat. Genauso verhält es sich mit der Identität. Auch sie muss stets neu gedacht, aktualisiert, upgedatet werden. Wir basteln uns quasi permanent Identitätspatches, um es im Softwarejargon zu sagen. Dabei spielen natürlich auch die oben genannten Interessen wieder eine Rolle. Die Interessen sind die Ideen im Hintergrund, die Identität ist der Ausdruck dieser Interessen. Mit der Industrialisierung und der Vielfalt der Produkte wird es zunehmend möglich, die Identität auch äußerlich den Interessen anzupassen, sei es durch bestimmte Besitztümer, bestimmtes Styling, bestimmte gemeinsame Aktivitäten oder anderes. Wenn man Graffitis von Straßengangs übermalt oder verändert, sollte man das möglichst unerkannt tun, denn sie sind ein Teil ihrer veräußerten Identität. Dasselbe gilt übrigens auch für existenzbezweifelnde Fragen zu Gartenzwergen in der Komposition ihrer Gartenzwergbesitzer. Ich erinnere an das Beispiel mit dem weiterverschenkten Kunstwerk. Die Aufgabe, es nicht persönlich zu nehmen, gelingt nur dann, wenn man einen Teil von sich selbst aufgibt. Und es ist selten der Fall, dass man das problemlos tut. Man mag es Fanatismus nennen, in Bezug auf die eigene Identität sind wir jedoch alle fanatisch. Von außen eingeforderte Veränderungen der Identität enden meistens im Konflikt. Der Clash of Identities ist die Folge, Fronten (Grenzen) werden gezogen und verhärten sich. Da wir uns unsere Identität selbst geben und immer wieder pausieren, neue Inhalte mit unseren Interessen vergleichen, erweitert sich die Identität auch nur schrittweise in den Phasen dieser Reflexion. Die transmediale Verschiebung zeigt, wie behutsame Veränderungen der Identität gelingen können, wenn zwei konträre Kontexte nicht als Ganze miteinander verkombiniert werden, sondern nur Teileigenschaften. Die Rasterleinwand erzeugt je nach Blickrichtung einen visuellen Effekt, den wir heute hauptsächlich in digitalen Medien finden. Der digitale Effekt ziert sich nicht, sondern tritt in Erscheinung. Was daraus entsteht, ist separat betrachtet nicht neu, sehr wohl aber in diesem harmonischen Zusammenspiel. Es ist damit ein Beispiel für echte Weiterentwicklung, wie sie auch im menschlichen Zusammenleben wünschenswert wäre.

Rot Gelb Blau – Farbenleere, 1998 Drei mal drei jeweils monochrom rot, gelb und blau gestrichene Netzrasterflächen: Aus der roten habe ich das Wort „ROT“ ausgeschnitten, aus der blauen „BLAU“, aus der gelben „GELB“ und die drei Rasterflächen übereinander gelegt. Allein das Durchspielen der möglichen Schichtungen führt zu den drei unterschiedlichen Gestaltungen, zu quasidigitaler Farbfeldmalerei.

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Rot, gelb, blau – Farbenleere, 1998, je 190 x 53 x 5 Gitterstore, Acrylfarbe, Holz, Schaumstoff

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Beam us up, Scotty!, 1994, ca. 600 x 350, Wandarbeit in der Galerie Falke & Kuhn, Bleiburg Blechbuchstaben, Gitterstore, Acrylfarbe, Holz

Beam us up, Scotty!, 1994 Für die Ausstellung drüber, drunter, seitwärts, runter in der Galerie Falke & Kuhn, Bleiburg habe ich dem einst und immer noch utopischen Gedanken der Entmaterialisierung in einer Wandgestaltung augenzwinkernd Form gegeben. Nach einer Idee von Christian Höller wurde dazu der – höchst ambivalent zu lesende, weil mittlerweile schon gehörig in die Nostalgie der 60er Jahre getauchte – Kernsatz aus der TV-Serie Raumschiff Enterprise bemüht: In charmantem Cinemascope aus abgeblätterten, einst bunten Blech-Lettern ausgedienter Fassadenbeschriftungen an die Wand geworfen, sollte der Ausruf die Kraft und Herrlichkeit seiner nostalgischen Utopie repräsentieren. Der bewegt changierende Beam-Streifen in der Wandmitte, ein überdimensionaler Halbzylinder aus bemalten Gitterstores, kennzeichnete den (vorgeblichen) Ort des Verschwindens.

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Innovation und Integration – Wenn das Kunstwerk zurückblickt Wenn etwa von Integrationsproblemen gesprochen wird, dann geht es um einen Traditionenkonflikt. Traditionen sind kollektive Identitätsteilstücke und haben immer auch ihren speziellen Ort, an dem ihre Vertreter gewöhnlich zu finden sind. Integration bedeutet den gemeinsamen Umgang damit, dass eine ortsfremde Tradition Raum einer ortsansässigen Tradition einnimmt. Man kann das zwar eine zeitlang ignorieren, aber man kann es nicht leugnen. Rein logisch betrachtet ist dieser Konflikt unlösbar, weil A immer nur A sein kann und nicht zugleich auch B. A und B werden sich am selben Ort immer hin und her schubsen, weil sie nicht zugleich existieren können, sondern nur nebeneinander. Wenn der Raum für zwei Gesellschaften (A und B) groß genug ist und diese wiederum selber groß genug sind, um ohne die andere zu überleben, dann funktioniert das sogar ganz gut. (So entstehen Parallelgesellschaften.) Kritisch wird die Situation immer dann, wenn Vertreter beider Gesellschaften aufeinandertreffen. Das ist vor allem der Fall, wenn eine der Gesellschaften nicht groß genug ist, um ihr Überleben zu sichern, was auf die meisten Bevölkerungsgruppen zutrifft, wenn von Integration die Rede ist. Hier gerät die Logik an ihre Grenzen und sollte der Dialektik Platz machen. Dialektisch gedacht ist es nämlich möglich, dass A und B am selben Ort sind. Rein physisch natürlich nicht, aber intellektuell. Da Identität eine intellektuelle Leistung ist und ihren Ort im Geiste hat, sie ständiger schrittweiser Veränderung unterworfen ist, wäre ein möglicher Ausweg daher ganz im Sinne der transmedialen Verschiebung, wenn Teile der einen Tradition in die andere aufgenommen werden könnten, ohne zuviel der eigenen Identität zu verlieren. Es gilt, die veräußerten Identitätsmerkmale zu überwinden. Denn der Versuch sie zu verändern oder gar zu verbieten (wofür etwa die Debatte rund um das Burkaverbot steht), erzeugt keine Veränderung im Geist, sondern eine Verhärtung der Fronten, weil es als Angriff interpretiert werden muß. Veränderung der Identität entsteht von innen heraus. Dass es schwierig ist, dies umzusetzen, steht außer Frage. Mit Bressniks Werken sind zumindest Beispiele gelungener Integration von Teilidentitäten gegeben, die zusammen eine wunderbare dritte, neue Identität bilden, ohne sich gegenseitig zu vernichten, sondern die sich im Gegenteil friedlich weiterentwickeln. Sie sind tatsächlich inspirierende Künder einer erstrebenswerten und erreichbaren Sozialutopie – wenn man sich darauf einlassen kann und möchte.

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Zoom I, seitliche Ansicht

Tele-Realismus, seit 1991 In dieser Werkgruppe nutze ich die Rasterstruktur von Großplakaten (und Siebdrucke davon) zur Überlagerung mit jener meiner Netzraster. In formaler Anlehnung an digitalisierte und am Computer bearbeitete Images collagiere ich Ausschnitte aus Werbeplakaten vervielfacht und in neuen Symmetrien, erarbeite ich aus Splittern von Alltagsansichten neue, unbekannte Dimensionen. Ausgeklügelte Farb-NetzSchichtungen erlauben mir zudem, Teile des Bildgrundes je nach meiner Vorstellung auszublenden oder im Gegenteil, zu akzentuieren. Der Rahmen der Bilder ist gekrümmt, um aus dem klassischen Tafelbildformat heraus einen Bildschirm zu evozieren, die digitale Anmutung der Arbeiten zu unterstützen. Wie eine Film- oder Videosequenz blendet sich das Image zudem bei einer seitlichen Annäherung des Betrachters aus dem homogenen Blau der obersten Netzschicht ein, schärft sich aus der Durchdringung mit der zweiten, und verschwindet wieder in der Ausblende. Trotzdem – das ist wesentlich – sind die Werke des „Tele-Realismus“ durch sämtliche Arbeitsschritte hindurch völlig analog gefertigt und gedacht.

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Zoom I, 1991, 128 x 115 Gitterstore, Acrylfarbe, Stahlrohr, Holz, Siebdruck auf Stoff

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ALP(en)REP(ub)LIK, 1995, 128 x 115 Gitterstore, Acrylfarbe, Stahlrohr, Holz, Siebdruck auf Stoff

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Gravity, 1995, 128 x 115 Gitterstore, Acrylfarbe, Stahlrohr, Holz, Siebdruck auf Stoff

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„Kunst Europa – Österreich“, Deichtorhallen, Hamburg (August–Oktober 1991) „Paintings without Painting“, Austrian Cultural Institute, New York (Mai 1991)

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DRUCKGRAFIK Parallel zu den Werkgruppen der erweiterten Malerei, der Objekte und der Installationen habe ich die Anwendungsmöglichkeiten der Netzraster auch in der Druckgrafik untersucht. In mehreren Druckvorgängen bringe ich dabei die Abdrücke der eingewalzten Raster auf Papier. Eine spezielle Maskentechnik ermöglicht es mir dabei, exakte Konturen zu definieren. Die Verschneidungen zweier leicht verschobener Abdrücke erzeugen aus der gleichförmigen Strenge der Raster heraus lebhafte Schwingungen. So wie die minimalistischen Linienraster in ein expressives Informel kippen, oszillieren auch die Formen der ausgewählten Sujets zwischen Abstraktion und konkreter Bedeutung. Sich überschneidende Strichlagen – archetypisches Stilmittel des Tiefdrucks – finden sich dabei sozusagen geordnet als Raster wieder, deren Verschneidung erzeugt Formen im Schwebezustand zwischen Linie, Fläche und Raum. Die schwingende, oszillierende Immaterialität von Medienbildern schlägt einen Bogen zur Druckgrafik klassischen Stils. Rechts, Links, 1992 In diesem Fall ist das Sujet ein Fußabdruck – eine formal an sich völlig amorphe Konfiguration – die trotzdem schlagartig konkrete, im wahrsten Sinne des Wortes naturalistische Assoziationen nach sich zieht. Mit dem Fußabdruck betritt der Mensch das gerasterte Bildfeld und hinterlässt in seiner Durchdringung damit windows, die in eine tiefere Schicht zu führen scheinen. Inhaltlich greift der Fußabdruck das strukturell in allen meinen Arbeiten vorhandene Thema der Bewegung auf, gleichzeitig wird ein weiteres Charakteristikum der Druckgrafik ad absurdum geführt: Kein Abzug gleicht bei dieser Drucktechnik dem anderen (bekanntlich wird der Moiréeffekt in der Messtechnik zur Erfassung minimalster Abweichungen genutzt); der Zweck des Druckes als Vervielfältigungsmedium wird damit unterlaufen. Da sich die Blätter der beiden Auflagen „Links“ und „Rechts“ ( je neun Stück) gar nicht gleichen können, ergeben sie zudem erst in ihrer Gesamtheit den wirklichen Zusammenhang. Das Gegensatzpaar „Links“ und „Rechts“ wird nicht nur zum Schritt, einem gemeinsamen Ganzen, sondern dieses Ganze ergibt tatsächlich mehr als die Summe seiner Teile: aus dem Schritt wird ein Fortschritt; von drei bis achtzehn Teilen variierbar.

Eine weitere von mir entwickelte Drucktechnik sind „Schattenrisse“: geheimnisvolle Linien auf der Druckplatte, die entlang der Umrisse aufgelegter Schablonen dort übrig bleiben, wo das Papier aufgrund der Materialstärke der Schablone nicht bis auf die Druckplatte gepresst wurde, so dass ein schmaler Grat Druckfarbe stehen bleibt. Dieses Relikt ist das Material meines eigentlichen Druckes, mit dem Ergebnis einer exakten, aber delikaten grauen Linie, die manchmal von einer weißen, noch zarteren begleitet wird – ein angesichts der Flächigkeit der verwendeten Schablonentechnik reizvolles grafisches Element, das ich etwa für die Schriftblöcke in der Serie der „Verschwundenen Länder“ eingesetzt habe. Geografik – Verschwundene Länder, 1995 Selbst die statischsten, scheinbar unverrückbarsten Dinge – ganze Länder nämlich – sind einer Veränderung unterworfen, verschwinden unter Umständen sogar. Die einstigen Umrissformen dieser Länder (und deren schriftliche Bezeichnung), bei aller Amorphheit doch über Generationen in die Köpfe ihrer Einwohner eingebrannte Logos der betreffenden Staaten, verlieren damit plötzlich jegliche Bedeutung. Einige davon habe ich – entsprechend ephemer – in dieser Serie versammelt.

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Links, 1992, 53 x 53, Hoch-/Tiefdruck mit Zwischenschablonen

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Rechts, Links, Rechts, Detail, je 53 x 53

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Geografik – Verschwundene Länder, 1995, DDR, 80 x 100, UdSSR 100 x 80 Hoch-/Tiefdruck mit Zwischenschablonen

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Geografik – Verschwundene Länder, 1995, CSSR, 100 x 80, Jugoslawien, 80 x 100 Hoch-/Tiefdruck mit Zwischenschablonen

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Noch o. T. (vom ersten Besitzer zu betiteln) I, Seitenansicht

Noch o. T. (vom ersten Besitzer zu betiteln), 1993–1995 Mit dieser Werkgruppe habe ich mich innerhalb der Rasterarbeiten formal weitestgehend der reinen Malerei genähert. Die Herkunft dieser Bilder aus meiner Medienarbeit ist nur mehr strukturell erkennbar. Sie bestehen aus bis zu acht monochromen Farbrastern, die auf eine gepolsterte Holzfläche gespannt sind und sich zum eigentlichen Image überlagern und durchdringen. Diese Bildfläche wird mit einer Stahlkonstruktion etwa 20 cm vor der Wand gehalten, die Körperhaftigkeit der Werke damit unterlaufen, eine gewisse schwebende Leichtigkeit evoziert. Dazu trägt auch die Spannkonstruktion an der Rückseite bei: technisch soll sie ein Verwinden des Holzkernes verhindern und die Bildfläche in leicht konvexer Spannung halten, optisch verstärkt sie den medialen Eindruck der Bilder. Zur Betitelung der Werke: Der Leitgedanke war es, die Rezeption der Arbeiten nicht von vornherein durch eine bezeichnende Betitelung einzuschränken; das entspräche nicht der Veränderlichkeit ihrer bildlichen Struktur. Zum anderen beschäftigte mich folgender Gedanke: Ich halte den Erwerb einer künstlerischen Arbeit für den entscheidenden Schritt dieses Werkes aus aus dem persönlichen Schaffen eines Künstlers hinaus in die wertende Öffentlichkeit (einer Sammlung, eines Museums, oder einer anderen Institution). Erst dieser Schritt in die Kunstwelt bedeutet den Eintritt dieses Werkes in den sich ständig verlängernden Strang der Kunst und ihrer Geschichte. Der 1. Besitzer bestätigt also durch den Erwerb nicht nur den (Handels)wert eines Objektes, sondern adelt es damit auch vom Material zur Kunst. Daher sei ihm oder ihr auch die Benennung jenes Werkes überlassen.

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Noch o.T. (vom ersten Besitzer zu betiteln) V, 1993

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Noch o.T. (vom ersten Besitzer zu betiteln) IV, 1993, 140 x 190 Gitterstore, Acrylfarbe, Schichtholz, Schaumstoff, Stahl verzinkt

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Noch o.T. (vom ersten Besitzer zu betiteln) VII, 1994, 140 x 190 Gitterstore, Acrylfarbe, Schichtholz, Schaumstoff, Stahl verzinkt

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Woman, 1993 60 x 60 x 10 Gitterstore, Acrylfarbe, Stahl plasmageschnitten, verschweißt

BILDschirme, 1992/1993 Die „BILDschirme“ bestehen aus jeweils vier monochromen Farbrastern übereinander, die Bewegung des Moirés ist auf ein Changieren der Farben reduziert. Die Bildfläche ist an der Innenseite der Stahlrahmen konkav ausgeschnitten und wird zum Bildschirm, das Bild zum Objekt (cirka 10 cm Tiefe, Seitenteile verschweißt). Die einzelnen Arbeiten habe ich, wie in der informellen Malerei üblich, mit assoziativen Titeln versehen. Da es sich dabei allerdings um Malerei handelt, die sich aus den von mir vorgegebenen Rahmenbedingungen sozusagen selbst generiert, hielt ich es für besser, die Betitelung einem befreundeten Kunsthistoriker zu überlassen. Die gelieferten Titel scheinen mir ideal, sie bewegen sich – wie die damit bezeichneten Werke ja auch – beständig zwischen pathetischer Ernsthaftigkeit und simuliertem, ironischem fake.

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BILDschirme, Atelieransicht

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Monitore vertikal, Detail

Monitore, 1990–1992 Vier Schichten monochrom bemalter Netzraster überlagern sich zu einem informellen Flimmern; auf der zweitäußersten Schicht ist der Körper, der die Darstellung enthält, selbst abgebildet; in gepixelter, Computergrafik simulierender Linienstruktur (durch Zuträufeln der Netzzwischenräume mit Farbe). Eine Sequenz von drei vertikal oder horizontal versetzten Monitoren evoziert eine Bewegung von Objekt zu Objekt. Die Darstellungen darauf sind stills einer simulierten Animation, eines Fluges um das Objekt.

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Monitore vertikal, 1991, je 60 x 60 x 10 Gitterstore, Acrylfarbe, Stahl plasmageschnitten, verschweißt

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Takeaways Installationsansicht Galerie Bäckerstraße, Wien, Juni 2008

Takeaways (Wrapped, Packed, Ready to go), seit 1999 Die „Takeaways“ tragen wortwörtlich das seit der Moderne der 40er Jahre aktuelle Thema der monochromen Malerei in die Gegenwart der alles bestimmenden Konsumgesellschaft. Ein klassisches weiß (gelegentlich rot oder schwarz) grundiertes Leinwandquadrat wartet – bereits in farbige Einkaufstaschen verpackt – auf seine Bestimmung. Einzig die Verpackung ergibt dabei die ausgesprochen malerische Gestaltung.

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Takeaway, 1999, ca 40 x 40 Plastiktaschen, grundiertes Mischgewebe auf Keilrahmen

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Takeaways, 1999, ca 35 x 35 bis 40 x 40 Plastiktaschen, grundiertes Mischgewebe auf Keilrahmen

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Takeaway, 1999, ca 40 x 40 Plastiktaschen, grundiertes Mischgewebe auf Keilrahmen

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East River Park, Manhattan, New York City, Juni 1993

AM BALL … war mein erstes Fußball-Kunstprojekt und entstand ursprünglich aus einer Ausschreibung des museum in progress in Wien. Das gesamte Projekt habe ich über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren entwickelt und in verschiedenen Medien umgesetzt, letztlich umfasst „Am Ball“ einen Text, zwei Fußball-Performances und die jeweilige Fotodokumentation, eine Katalogbroschüre, ein Modellobjekt und ein rotierbares Tafelbild. Ende 1992 waren vom museum in progress unter dem Titel „Reise zu den Quellen“ Ideen gesucht worden, welche die Austrian Airlines mit Flügen unterstützen wollten; eine Jury empfahl ausgewählte Projekte, die Künstler sollten im Gegenzug ihre jeweilige Reise in einem Katalogbeitrag dokumentieren. Ich war damals gerade von einem meiner New York-Aufenthalte zurückgekehrt, bei welchem ich endlich auch Anschluss an eine Fußballrunde gefunden hatte – was mir den mehrwöchigen Aufenthalt zusätzlich versüßte. Dementsprechend hatte ich auch gar keine andere noch so exotische Destination im Kopf und verfasste als Einreichung einen längeren Text, der – von jener Fußballrunde ausgehend – nichts anderes als die gesammelten Eindrücke aller meiner New York-Aufenthalte atemlos wiedergab, in der kruden Hoffnung, auf diese Weise vielleicht bald wieder dorthin gelangen zu können. Aus der Distanz betrachtet erscheint mir der Text an sich schon fast als eigenständiges Werk: eine merkwürdige Mischung aus einem Pamphlet über die kommunikative Kraft des Fußballspiels und einer „jungspundischen“, nicht unironischen NamedroppingKunstwelt-Berichterstattung. Wie auch immer, Lioba Reddeker, die damalige Leiterin des museum in progress, konnte sich „dem Sog des Textes“ schon damals „einfach nicht entziehen“ und so flog ich einige Monate später tatsächlich zum Fußballspielen nach New York. Für den Katalog konnte ich dann den Einreichungstext, natürlich nun aus der Perspektive des schon Geschehenen, also mit modifizierter Erzählzeit, und die Fotos der Matches beitragen. Im Folgenden – leicht angepasst – dieser Einreichungstext, wie er als Projektbericht schon einmal abgedruckt war.

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Uwe Bressnik

„AM BALL/IN TOUCH“ New York City 1993/94 Reiseprojekt-Ausschreibung des museum in progress, Wien, in Kooperation mit den Austrian Airlines

Mein Projekt führte mich, wie wahrscheinlich viele, nach New York, das heißt, ein Projekt in dem Sinn war es eigentlich gar nicht, im Grunde ging es nur um einen kleinen, feinen Kick im Central Park; eine gemischte Partie, alles keine Profis, kein übertriebener Ehrgeiz, man freut sich wenn die Kugel über ein paar Stationen läuft, über die eine oder andere gelungene Aktion, ein schönes Goal; Spaß soll’s vor allem machen, und man tobt sich ein bißchen aus dabei. Und man lernt die Leute kennen, in kürzester Zeit und so genau wie durch sonst kaum etwas. Und vor allem welche Leute man kennenlernt: Typen, mit denen einen vielleicht absolut nichts verbindet, wenn man sie sonst wo trifft, die einem womöglich sogar höchst sonderbar vorkommen würden, direkt unsympathisch vielleicht oder andere, an die man sonst gar nicht herankommen würde, selbst wenn man wollte oder Leute, mit denen man schon zigmal was vereinbart hatte, aber immer ist etwas dazwischengekommen und so fort; die einfachsten, geraden und die komplexesten, interessanten, Idioten, Ignoranten und die nettesten Menschen et cetera et cetera – aber beim Kicken sind erst einmal alle gleich. Es offenbart sich ohnehin in kürzester Zeit ihr wahrer Charakter: Da vollziehen sich zum Teil die erstaunlichsten Wandlungen, plötzlich entpuppt sich ein sonst zarter Mensch als zäher Kämpfer, den zurückhaltenden Beobachter packt plötzlich der Ehrgeiz, die grobschlächtigsten Typen überraschen als feinsinnige Techniker und umgekehrt. Und natürlich: So groß und fremd und unbekannt kann eine Stadt gar nicht sein, wenn du dort erst einmal irgendwo mitgekickt hast, dann gehört sie dir. So, wie mir jetzt New York. Seit Jahren fliege ich jetzt regelmäßig dorthin, ein-, zweimal im Jahr, und trotzdem, erst seit dem letzten Besuch habe ich das Gefühl, jetzt hast du sie geknackt, jetzt gehört sie endlich auch dir, jetzt ist auch sie fixer Bestandteil deines Lebens, seit meinem ersten Kick dort im vergangenem Herbst. So eine Partie muß man natürlich am Kochen halten, nur ein halbes Jahr – nichteinmal –, zwei, drei Monate nicht gespielt und schon zerstreut sich ein Team in alle Himmelsrichtungen, und es kann Jahre dauern, bis sich wieder was Neues zusammenfindet. Das ist alles schon passiert, Cara (Ernst Caramelle) zum Beispiel könnte ein Lied davon singen oder der Kargl Georg oder der Ritschka Wolfgang, alle haben sie schon einmal zusammen im Central Park gespielt, vor vielen Jahren, aber darüber später. Ich will ja gar nicht behaupten, daß es mich nötig hätte, damit in New York eine Partie zusammengeht, das wäre ein Blödsinn, das macht schon der Werner, ein ausgewanderter Wiener, etwa mein Alter, hat eine Amerikanerin geheiratet und lebt mit ihr und zwei Kindern in New York, macht Transporte, jobt in Galerien, verpacken und so, und verkauft Christbäume. Und Clive aus Australien, ein Computerspezialist und Einzelgänger, der lebt auf einem Hausboot am Hudson River, direkt am Riverside Park,

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etwa Höhe 79te Straße und hat dort ein Baseballfeld entdeckt, auf dem sie jetzt spielen, das ist mit der Subway leichter zu erreichen. Die beiden sind also der treibende Motor, aber ohne Leute, die mitspielen, können sie treiben so viel sie wollen und ohne meine Rolle dabei jetzt zu überschätzen, möchte ich doch anmerken, man weiß ja wie das ist, oft genügt nur ein kleiner Funke, alle wollen, aber irgendwie geht doch nichts zusammen und gerade wenn dann jemand von außen dazukommt, einen kleinen Funken mitbringt, plötzlich springt der Funke über und es brennt; so klein dieser Funke auch gewesen sein mag – und dieser Funke bin vielleicht ich –: darum mußte ich wieder hin! Zum harten Kern dort zählt noch Tim, einer der wenigen gebürtigen New Yorker, die ich kennengelernt habe, chinesischer Abstammung, er spricht aber kein Wort chinesisch, versteht es auch gar nicht; er arbeitet beim New Yorker Fernsehen, kein besonderer Techniker, aber ein ausgesprochen harter Knochen. Tim begegnet mir ständig, meistens ist er auf dem Weg ins Centre Street 202, ein Restaurant in China Town, wo sich um ihn und Alberto regelmäßig riesige Runden scharen, lauter Bekannte und solche, die man dabei später noch kennen lernt, da wird dann ordentlich aufgetragen, was Küche und Keller zu bieten haben. Alberto, ein Spanier, hat einige Zeit in Wien gearbeitet, als Architekt bei Roland Rainer, glaub’ ich, jetzt arbeitet er in New York bei Raimund Abraham und hat wahrscheinlich auch mitgearbeitet am preisgekrönten Entwurf für das neue Österreichische Kulturinstitut auf der 52sten. Wolfgang Waldner, der neue Boss dort, hat es also tatsächlich durchgedrückt, und es ist ihm glaub’ ich hoch anzurechnen, bei aller hintergründigen Ambition für die eigene Karriere, vor allem wenn’s tatsächlich so wird wie von ihm geschildert, mit verdreifachter Ausstellungsfläche, professionellen Ausstellungs- und Lagerräumen und eigener Ganztagskraft für den Ausstellungsbetrieb. Bisher war ja alles was über die Ausstellungen hinausging quasi der Nebenjob der Telefonistin, und nur jemand mit soviel persönlichem Engagement wie derzeit Ursula Graf konnte da für halbwegs halbprofessionelle Verhältnisse sorgen. Sie war letztens auch dabei in der Centre Street, mit dem Schmuckkünstler Ossi, ihrem Freund. Das war nach der Eröffnung der Ausstellung von „Fips“ Friedrich Eckhardt im Kulturinstitut, der war natürlich auch anwesend, mit Anhang aus Österreich, Künstlerkollegen und Schwager Hannes und Willie, daneben saß Christoph Abbrederis, der Illustrator, unter anderem für die New York Times und nächster Ausstellender im Kulturinstitut, bei dessen Eröffnung ich später wiederum den Michael Fischer traf, der gerade ein Projekt in der Fashion Moda vom Stefan Eins in Vorbereitung hatte. Mit dabei war auch Franz Pichler, damals im Genuß des Förderateliers in der Read Street (mittlerweile ist dort Helmut Mark), welcher wiederum meist in Begleitung von Fedo Ertl seine (Lokal-)Runden zog. Die beiden sind Stammgäste im Milano’s, wo ich nach deren Abgang eines Abends „Jim“ James Heater kennenlernte, einen jungen New Yorker Maler, mit dem ich in der Folge eines jener stundenlangen (besoffenen) Kunstgespräche führte, die bei mir nur im Spannungsverhältnis zu unverdorbenen, jungen (aber sympathischen) Malern entstehen (einer raren Kombination) und die damit enden, daß man sich am nächsten Tag weder erinnert, wie man nach Hause gekommen ist, noch, worüber man sich so lange so leidenschaftlich unterhalten hatte.

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In Touch, multikultureller Fußball-Event im East River Park, Manhattan, New York City, Juni 1993, S/W-Abzüge auf Baryt-Papier 13 x 18 cm Fotos: Rudi Molacek

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Im Milano’s sind wir auch alle gelandet, nachdem ich mich mit Simon Wachsmuth zum Sushi-Essen getroffen hatte. Er machte mich dort mit Frank Geritz bekannt, einem deutschen Künstler und alten Bekannten von ihm, dem er bei dessen Aufbauarbeiten in der Stark Gallery geholfen hatte. Auch ein Zufall, ausgerechnet jene Galerie, in die ich eine Zeitlang meine heißesten Hoffnungen gesetzt hatte: Seit Jahren bin ich schon mit deren art-director Allison Greene in Kontakt, die eigentlich selber Künstlerin ist, aber entweder zu bescheiden oder extrem weitsichtig im Sinne von vorausschauend. Beim vorletzten Besuch konnte sie die eine Mitbesitzerin der Galerie, Margaret Thatcher (aber nicht diejenige) soweit überzeugen, dass sie Originale von mir zu sehen wünschte, und alles wäre ganz gut gelaufen, bis plötzlich und unerwartet der Boss und Haupteigentümer E. Stark dazwischenfunkte und allerhand bemängelte – ich werde wohl noch in die nächste Runde gehen müssen. Aber zurück zu Fedo Ertl, er ist übrigens der momentane (erste) österreichische Stipendiat im PS1 Museum in Brooklyn – beneidenswert! – und hat den Franz einer der dortigen Direktorinnen vorgestellt: Zdenka Gabalova, ein Gefallen, um den ich ihn auch bei Gelegenheit noch bitten möchte. Ich hatte ja schon durch Ania Baumritter, eine freelance Kuratorin (unter anderem auch fürs PS1) und Mitarbeiterin der John Gibson Gallery (wo ich sie auch kennenlernte), Gelegenheit mich dort dem Co-Direktor Warren Nisluchovsky vorzustellen, eine angenehme Erfahrung, die mich sehr ermutigte. Dort hatte ich ja auch bei meinem zweiten New York-Aufenthalt vor einigen Jahren der Eröffnung der Franz West-Ausstellung beigewohnt und nach Wochen der ziemlichen Einsamkeit (einer Greyhound-Busfahrt quer durch den Kontinent) das erste bekannte Gesicht (Muki Pakesch) getroffen, worauf ich mich beim anschließenden Plaudern so verkühlte, daß ich daraufhin über eine Woche im Fiebertaumel ans Bett in der Varick Street gefesselt war, in der geliebten Wohnung von Ernst Caramelle, die er mich damals dankenswerterweise benützen ließ. Und so wie zehn Jahre davor, bei seiner ersten Ankunft in New York ihn, hat auch mich seine seither hochgeschätzte Freundin Suzan Frecon, eine Malerin, mit einer Tasse heißer Suppe von den Halbtoten zurück ins Leben geholt. Was für eine Parallele! Suzan hat mich dann auch mit den ersten amerikanischen Künstlern bekannt gemacht, der von Brasilien kommenden Regina Vater zum Beispiel, deren Mann Bill Lundberg das Department of Art der University of Texas, Austin leitet; leider hat sich der Kontakt verflüchtigt. Damals war es mir als Krönung meines Aufenthaltes auch gelungen, mich ohne Einladung zur Eröffnung der Arnulf Rainer-Retrospektive ins Guggenheim Museum hineinzuschmuggeln (als angeblicher Rainer-Schüler auf der Durchreise) und mich, nachdem ich buchstäblich den letzten Dollar für die U-Bahn dorthin geopfert hatte, in diesem wundervollen Ambiente wirklich gepflegt voll laufen zu lassen. Dazu der unvergessene Eindruck eines stocksteifen Arnulf Rainers, flankiert von Bundeskanzler Franz Vranitzky, eingekeilt in eine Meute von TV- und Presseleuten, krampfhaft den Eindruck eines zwanglosen Gesprächs erweckend; selten war ich jemals wieder so froh, nicht prominent zu sein. Ernst Caramelle jedenfalls war letztens tatsächlich in New York und zu erreichen und ist nach einem kurzen Telefonat tatsächlich zum Kicken gekommen, nicht lange allerdings, dann war die Luft heraußen, aber der Mann versteht zu kämpfen und ist geschwind. Früher hat er regelmäßig gespielt, in einer eingeschworenen Partie hab’ ich

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Am Ball, Computergrafik

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mir sagen lassen, eben mit dem Kargl Georg in seiner New Yorker Zeit und dem Ritschka Wolfgang, und er soll schon immer ein ausgesprochener Kämpfer gewesen sein. Der Ritschka ist ja noch immer in New York, er hat sich aber mehr auf Tennis verlegt, ist ein guter Spezi vom Thomas Muster und war damals – mitgefangen, mitgehangen – auch bei dessen berüchtigtem Unfall in Key Biscayne mit im Auto dabei und hatte auch einiges abbekommen. Ihm gehört die New Yorker Galerie Metropol, er handelt mit antiken Möbeln, ursprünglich als Kompagnon und Zweigstelle der Wiener Galerie Metropol, später alleine unter dem gleichen Namen. Bei ihm restauriert Andi (Aigner) seit Jahren, technisch kein besonders versierter Kikker, aber zäh und klebt an dir wie eine Klette. Nebenbei macht er allerlei Jobs im manuellen Bereich, zuletzt beispielsweise die komplette Installation des Wiener KaffeehausAmbientes von Christian Philipp Müller in der American Fine Arts (muß ein ziemlicher Streß gewesen sein), und wahrscheinlich macht er im Sommer auch noch die Sache auf der Biennale in Venedig für Müller, Andrea Fraser und Gerwald Rockenschaub. Seit Andis Zimmerkollege, Thomas Szabolcz, ein Ton-Techniker, wieder in Wien dreht (die Udo Proksch-Lucona-Story et cetera), ist gelegentlich dessen Zimmer zu haben, ich konnte daher öfters dort wohnen und bin Andi dafür und einen Haufen anderer Dinge sehr verbunden. Zur Zeit wohnt dort ein Vorarlberger Schlagzeuger, Martin, der war aber letztens mit seiner Band Loudspeaker auf Tournee, und ich konnte einsteigen, später kam sein Freund Uwe, Bassist und spielte mit Hans Platzgumer von den H.P. Zinker (im CBGB, angeblich gut, ich war aber an dem Abend in der Knitting Factory), ich konnte aber aufs Sofa ausweichen. Nach Martins Rückkehr war die Bude leider voll, beziehungsweise hatte sich der berüchtigte Tiroler „Kulturbeauftragte“ Atzinger das Sofa unter den Nagel gerissen. Alle waren satt und nichts mehr zu machen – ich mußte mit meinem Bruder Heiko auf eine Telefonnummer, die uns Kurt Palm einmal gegeben hatte, zurückgreifen, ein gewisser German Ramoz, der immer einige Appartements zu vermieten hat, gar nicht so übel, aber doch relativ teuer (natürlich nur für Wiener Verhältnisse). Dabei gäbe es an sich genug Möglichkeiten, zu übernachten, aber wie es der Teufel haben wollte, war einfach alles schon besetzt: bei Jutta (Knoehler) zum Beispiel, die die Wohnung von Peter Ily Huemer übernommen hat, der seit einiger Zeit auch wieder in Wien dreht („Dead Flowers“). Sie hat eine Zeit lang bei der Margarete Roeder Gallery gearbeitet, das war ihr aber auf die Dauer zu fade, jetzt macht sie Catering-Service für allerlei Empfänge und Openings. Ich war sogar einmal zusammen mit ihr auf Galerientour, sie mit ihren Menüs und ich mit meinen Dias … zum Alternative Museum zum Beispiel, aber trotz recommendation von meinem Übersetzer Florian Eichler an die Direktorin Marcia Tucker war über die Sekretärin nicht hinauszukommen – frustrierend. Oder bei der amerikanischen Malerin Judith Eisler, der ich über Andis Vermittlung einmal mein Wiener Atelier überließ, solange ich in New York war und die jetzt regelmäßig pendelt zwischen Wien und New York. Oder bei Christian Höller, dem Philosophiestudenten. Ein netter Kerl, mit dem ich ein interessantes Gespräch über die einfältigen Ansichten von Künstlern über Materialität und Immaterialität leider nur anreißen konnte, aber da werde ich sicherlich bei Gelegenheit nachsetzen. Er teilt sich die Wohnung mit Katharina Weingartner, die ein eigenes Tonstudio eingerichtet hat, um komplette Radiofeatures aus New York für den

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Roof-Top, Lower East Side, Manhattan, New York City, Juni 1993

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ORF zu produzieren, hauptsächlich musikalischer und jugend-kultureller Belange. Den Hintergrund dazu liefern ihr nicht zuletzt ihre Kontakte zu Brian und den Leuten aus seiner Brian’s Bar in Brooklyn, Musiker, DJs, Kritiker und so weiter. Dort gab’s kürzlich einen netten event, Steffan „D.S.L“, einer von der save the vinyl-Gruppe aus Wien war zu Besuch, mit Pressekonferenz in der Knitting Factory und so fort, der hat dort aufgelegt, wirklich gute Musik. Katharina arbeitet gerade an einem gemeinsamen Projekt mit Anette Baldauf, und das führt mich langsam wieder zum Fußballspielen zurück. Anette ist Frauenforscherin, arbeitete für ein paar Monate an einer Uni in New York und lebte mit Martin Beck in der Lower Eastside in einer tollen Atelierwohnung, die sie für ein halbes Jahr von einem deutsch-amerikanischen Künstlerpaar übernehmen konnten. Martin hat sich, nachdem er schon vor zwei Jahren bei Pamela Auchincloss ausgestellt hatte, nach weiteren Kontakten umgesehen und unter anderem (wie ich) bei Sandra Gering und Marouchi-Liberman einen ganz guten Eindruck hinterlassen. Und er hat letztens tapfer mitgekickt, ich bin mir sicher, er ist jederzeit wieder dabei. Womit wir bei zwei weiteren Fixpunkten wären: den beiden Friedrichs. Ersterer (Petzel) ist Deutscher und director bei Metro Pictures wenn ich mich nicht irre (wird demnächst sein erstes eigenes Programm präsentieren können), ein ausgezeichneter Techniker mit sehr viel Übersicht. Zweiterer heißt Fritz Dietl und ist Inhaber der DIS (Dietl International Services), einer internationalen Spedition mit Sitz in Jamaica, New York, der beispielsweise auch die Kunsttransporte für das Kulturinstitut abwickelt, ein ausgesprochen ehrgeiziger Kicker. Und last not least Jade R. Dillinger, auch ein gelernter, das heißt, studierter, Kunsthändler. Ein sagenhafter Techniker, der auf einer Uni seiner Heimat Kalifornien sein fußballerisches Können erwarb (auch das gibt’s in Amerika) und sich im Match in nobler Zurückhaltung übt, sonst hätte wohl keiner von uns eine Chance. Jade ist zum Teil in Japan aufgewachsen (sein Name ist eine Erinnerung daran) und arbeitet bei Julie Sylvester Editions, jener Galerie, die kürzlich den Rudi Molacek zeigte. Bei dessen Eröffnung wechselte ich erstmals einige Worte mit Gerwald Rockenschaub, der zu dieser Zeit für eine Installation bei Elizabeth Koury in New York weilte, nach deren Besuch ich auch noch Rainer Ganahl in seiner Schau bei Nordanstad-Skarstedt antraf, die Galerie mußte mittlerweile aber schließen. Jade teilte die ersten beiden Jahre in New York seine Wohnung übrigens mit einem alten Bekannten aus Kalifornien, ich habe mir seinen Namen nicht gemerkt, einem extrem begabten jungen Künstler wie Jade meint. Der ist wiederum ein guter Freund von Matthew Barney und wird in den nächsten Jahren eine ähnliche Karriere hinlegen wie dieser, die Weichen sind bereits gestellt, sagt Jade; den Namen wird man in Zukunft also ohnehin noch öfter hören. Jetzt habe ich ganz auf meine Begegnungen mit Bill Arning (von White Colums), Jack Tilton, Hubert Scheibl, Mr. Stux, Josef Ramaseder, Karin Fronius, Isao Nagaoke, Jamaaladeen Tacuma, Kim Kimball, den Leuten von Franklin Furnance, Margery Peters, Annet Zaire, Danny Remorca (von Tompkins Square Books & Records), Rudi Stanzel, Werner Feiersinger, Franco Kappl und andere vergessen – aber die Zeit drängt, und die kickten diesmal ohnehin nicht mit. (Uwe Bressnik, Wien 1993)

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Innencover der Katalog-Broschüre Uwe Bressnik „am Ball/in touch“, Wien 1994

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Exercises in Self-representation, 1993 Mitte Juni, Hundstage in New York, im letzten Stock eines Hochhauses am Broadway in einem fünf mal fünf Meter kleinen, abgeschlossenen und unklimatisierten Ausstellungsraum mit durchs Oberlicht sengender Sonne Fußball spielen: Das war die mit Abstand dynamischste Performance des Festivals – der Schweiß floss in Strömen, die Fotos sagen alles.

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Indoor-soccer-performance im Rahmen der „Exercises in Self-representation“ Gust Visiliades, Uwe Bressnik, Jade R. Dillinger, Rudi Molacek, Martin Zimmerman, Alois Kronschläger, Stefan (von links) Galerie Eigen + Art, New York City, Juni 1993

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Am Ball, Galerie Schloß Damtschach, Sommer 1994 Am Ball, 1994, Modell, Fußball, Lackstift

Auf zum Schloß, 1994 Für die Ausstellung „Auf zum Schloss“ in der Galerie Schloss Damtschach, Wernberg (im Rahmen meines Kärntenprojektes „globalokal“) habe ich die Verbindung von Fußball und Kunst weiter entwickelt. Zuerst hatte ich entdeckt, dass sich aus all den im New York-Text (Am Ball) vorkommenden Namen, zu Bedeutungsfeldern geordnet (zum Beispiel österreichische Künstler in New York City, New Yorker Galerien, MusikerInnen und so fort), just ein klassischer Fußball aus Fünf- und Sechsecken konstruieren ließe. Nach der Überprüfung dieser Idee an einem realen Fußball (das Modell befindet sich in der Sammlung von Rudi Molacek), war mir ein befreundeter Experte behilflich, das Netzwerk grafisch umzusetzen. Schließlich habe ich den New York-Text spiralförmig um sein Balldiagramm gesetzt und davon einen Siebdruck auf Leinwand anfertigen lassen. Dieser Siebdruck auf Keilrahmen wiederum ist um die Mittelachse rotierbar , und der Ball derart, leicht exzentrisch, ins Bild gesetzt, dass, -dreht man das Bild, um den Text lesen zu können,- genau das passiert, wovon der Text ureigentlich handelt: der Ball kommt ins Rollen! Er tanzt und springt. Als internationalen Gast dieser globalokal-Teilausstellung hatte ich naheliegenderweise Rudi Molacek eingeladen, und als niedrigschwellige Eröffnungsperformance ein Fußballmatch mit ihm und einer Auswahl Kulturschaffender verschiedenster Bereiche versus den heimischen Fußballclub FC Damtschach am örtlichen Fußballplatz organisiert. Erstaunlicherweise – und nur mit Hilfe eines afrikanischen Legionärs (dem Mann einer anwesenden Kulturredakteurin) – siegte die Kulturauswahl mit 5: 3 Toren, was den Damtschachern lange keine Ruhe ließ … Zur Eröffnung der Ausstellung bei Gulasch und Bier – und damit erfüllte das Match perfekt seinen Zweck – sind dann aber doch alle samt ihren Familien gekommen.

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Am Ball, 1994, 80 x 80, Siebdruck auf rotierbar montierter Leinwand

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Katalog „globalokal“, Aufstellung der Teams und Fotos vom Sportplatz Umberg, Sommer

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Polaroid-Foto des Kultur-Teams (vor der Verstärkung) Rudi Molacek „Team Spirit“ 1994, Installation mit den Dressen des Kultur-Teams Garten Schloß Damtschach, Sommer 1994

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Uwe Bressnik/Ursula Graf, Katalog-Multiple im Rahmen der Ausstellung „Auf der Suche nach dem verlorenen Ball“, 1994, 37 gerahmte Dias in Karton-Box, Kunstrasen

Auf der Suche nach dem verlorenen Ball, 1994 „Auf der Suche …“ war ein Kommunikationsprojekt im Rahmen der steirischen Landesausstellung „Wallfahrt“, das ich mit Ursula Graf in Pöllau in der Steiermark realisiert habe. Zur Eröffnung spielte ein Künstlerteam gegen das Damenteam des FC Aichberg – immerhin Landesmeisterinnen der Spielsaison 1992/93. Das legendäre Match fand vor hunderten Zuschauern statt und endete mit einem Unentschieden – 7:7. Die Damen, nach dem Gewinn des Meistertitels durch Schwangerschaften von 80 % (!) des ursprünglichen Teams extrem ersatzgeschwächt, waren zur Pause 0:7 im Rückstand gelegen. Dann kam das Enfant terrible des steirischen Fußballs und angehender Startrainer, Adi Pinter, als Verstärkung des Damenteams, und die Künstler hatten endlich kapiert, dass die Sympathiewerte des Publikums nur noch durch Zurückhaltung zu retten waren. Dramaturgisch zwar patschert, aber jedenfalls besser als ein Kantersieg der Künstler, holten die Damen Tor um Tor auf. Und ehe wir Künstler dann doch noch das entscheidende Siegestor erzielen hätten können, pfiff der Schiedsrichter, die Gunst des versöhnlichen Spielstandes nutzend, die Partie sechs Minuten vor der Zeit ab. Das Katalog-Multiple (oben) wurde ans Match anschließend vorgestellt. Der Diaprojektion von beigestellten Fotos und Arbeiten der Künstler und Lieblinsfotos der Spielerinnen (hauptsächlich Kinder, Familie und Haustiere) wurde allerdings wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Bezeichnenderweise fand sich auch kein einziges Dokumentarfoto davon; zu sehr zog es das überraschend zahlreich von Wien angereiste Kunstpublikum – und die Einheimischen – ins Cafe Wallfahrt zum von Simon Wachsmuth veranstalteten Luftgitarrenwettbewerb, zu Freibier, Schnaps und wildem Tanz bis in die Morgenstunden.

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Damenteam des FC Aichberg und Kunstteam*, Sportplatz Pöllau, September 1994 *Aktiv (mitspielend): Reinhard Blum, Heiko Bressnik, Uwe Bressnik, Max Bühlmann, Martin Fritz, Bernhard Frühwirth, Thomas Hamann, Georg Janik, Franco Kappl, Josef Ramaseder, Paul Ritter, Stefan Sandner, Wolfgang Stückler, Tobias Urban, Udo Volmer; Friedrich Eckhardt (Schiedsrichter), Wolfgang Stengel (Linienrichter). Passiv (nur Diaprojektion/Katalogmultiple): Markus Geiger, Eva Grubinger, Richard Klammer, Rudi Molacek, Peter Muhr, Peter Ramsebner, Klaus Scherübl, Simon Wachsmuth, Matta Wagnest und Franz Wanner

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Flyer der Veranstaltung, Abgang vom Sportplatz, Cafe Wallfahrt, Spielerinnen-Familien, Party und Luftgitarren-Wettbewerb

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Bernhard Seiter Ballbesitz

Lief im Fernsehen ein Spiel, hat meine Wahloma jedes Mal eingewandt: Warum geben sie nicht jedem einen Ball, dann müssen sie sich nicht drum streiten! Sie hatte Sinn für Humor, aber keinen für den Ernst der Situation! Die Situation: Etwas, bei dem sich Leute um ein Weniges streiten. Nicht nur mit Gegenspielern, auch mit Mitspielern. Etwas für Einzelgänger. Meine Wahloma, früher Fabrikarbeiterin, bezog eine kleine Pension, die war ihr sicher; wir Kinder kämpften um den Ballbesitz, gewannen den Ball, verloren ihn, gewannen ihn zurück, alles gar nicht sicher, alles ganz unberechenbar. Meine Oma hatte in der Fabrik die Hände zum Arbeiten verwendet und nichts anderes. – Warum tun diese Leute so, als hätten sie keine Hände? Warum verzichten sie freiwillig auf die Möglichkeit, sie zu verwenden? Selbstbeschränkung? Selbstverstümmelung! Sieht echt behindert aus. Die Hände, die viel geschickter sind. Stattdessen: Verzicht. Aus Stolz. Der Stolz des Primitiven. (Iniesta kann den Ball mit dem Fuß so stoppen wie andere mit der Hand.) Mit dem Fuß oder mit dem Kopf, ebenfalls ein wenig geeignetes Werkzeug. Man macht sich das Leben selbst schwer! Zum anderen: Der Kopf und die Füße, sie liegen sehr weit auseinander. Wie zwei voneinander weit entfernte Provinzen eines Landes. Wie die hinterwäldlerische Gegend dort und die rückständige Einöde ganz woanders. Die Sehnsucht, sich mit etwas Fernem, aber auf geheimnisvolle Weise Wesensverwandtem zu verbinden. Liebe Nachwuchsspieler, liebe Eltern! Bei uns soll der Spaß im Vordergrund stehen und die Sicht auf die Wahrheit verstellen: Fußball ist ernst.

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Zeitungsausschnitte (Der Standard, Falter, Die Presse)

Pas de bal, 1998 Im Zuge eines Arbeitsaufenthalts in Frankfurt (während der Fußball-WM 1998) hatte ich das Vergnügen, mich einer dort im Ostpark spielenden Hobbytruppe anzuschließen. Zum – schweren – Abschied lud ich zu einem Fetzenlaberlfußballspiel in mein nahe gelegenes Atelier der Stadt Frankfurt, und eine Spieler-Freundin hielt das Spielgeschehen nach meinen ungefähren Anweisungen mit einer Schnellschusskamera fest. Die bei der Durchsicht verblüffend an Contact-Dance-Improvisationen erinnernden Dokumentarfotos habe ich mit Ausschnitten aus Tanzkritiken verschiedener Kulturberichterstattungsmedien (Der Standard, Falter, Die Presse) kombiniert.

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Pas de Bal, 1998 Serie von 6 C4-Prints und Zeitungsausschnitten, je 50 x 37, gerahmt

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Pas de Bal, 1998 Serie von 6 C4-Prints und Zeitungsausschnitten, je 50 x 37, gerahmt

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Pas de Bal, 1998 Serie von 6 C4-Prints und Zeitungsausschnitten, je 50 x 37, gerahmt

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Pas de Bal und Passionsfruchfeld, Galerie Freihausgasse, Villach 2000 Kapelle 2010, Rauminstallation mit Pas de Bal und Passionsfruchfeld im Rahmen der Ausstellung „Jetzt wirds Ernst“ in der Galerie DADA 39, Wien, während der Fußball-WM 2010

Passionsfruchtfeld/Passion Fruit Field, seit 2000 Ein work in progress: Eigenfüßig über die Jahre im Spiel mit KollegInnen der Teams des Fluc, Rhiz und anderen verbrauchte Fußbälle öffnen ihre geschundenen Körper und offenbaren ihre – auch im Fachjargon sogenannte – Seele. Diese arrangiere ich je nach Situation auf Kunstrasen zu einer Art Garten der Leidenschaft.

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Passionsfruchfeld, 2010, Installation, cirka 500 x 200 Fußbälle geöffnet, Kunstrasen

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Videostill aus Spielball, 2009

Spielball, 2008 Als Auftakt zur Ausstellung Ländermatch – Kunst im Spiel veranstaltete ich im Innenhof des Museums Moderner Kunst Kärnten in Klagenfurt ein Fußballspiel in Radikalumkehrung: Vier Bälle balgen sich um einen Spieler und versuchen, ihn ins Tor zu treten. Im Rahmen der Ausstellung und Lesung von Franzobel in der Ritter Gallery Klagenfurt fand die Performance am selben Ort ein zweites Mal statt. Die Ergebnisse: 7. 5. 2008: Gerhard und „Gote“ Lehner versus Ismini Tsavelidou und mich: 7:5 14. 5. 2008: Oliver Welter und Ismini Tsavelidou versus Franzobel und mich: 5:4 (nach zweimaligem Elfmeterschießen) Schiedsrichter: Richie „the man with the horn“ Klammer

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Spielball – It’s all in the Game Fußball-Performance, Museum Moderner Kunst Kärnten, Innenhof, Mai 2008

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Spielball – It’s all in the Game Fußball-Performance, Museum Moderner Kunst Kärnten, Innenhof, Mai 2008

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Spielball – It’s all in the Game Fußball-Performance, Museum Moderner Kunst Kärnten, Innenhof Mai 2008 von links nach rechts: Ismini Tsavelidou, Uwe Bressnik, Richie Klammer, Gerhard Lehner, „Gote“ Lehner

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AUTOREN Christiane Fath (*1969), Studium der Architektur in Berlin, Weimar und Mailand. Gründerin der Architekturgalerie framework in Berlin und Wien. International tätig in der Architektur- und Kulturkommunikation, Jury- und Kuratoriumstätigkeit. Herausgeberin der Reihe a:p architektur:positionen im jovis Verlag Berlin. Christian Höller (*1966), Studium der Philosophie und Germanistik in Wien und New York. Von 2002 bis 2007 Gastprofessor an der École supérieure des beaux-arts in Genf. Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift springerin – Hefte für Gegenwartskunst. Umfassende Publikationstätigkeit im Bereich Kunst- und Kulturtheorie sowie Kuratoriumstätigkeit. Hakim Heinz Khan (*1972), studierte Electronic Business Design und Psychologie in Berlin und Bielefeld, Töpferlehre in Weinstadt-Endersbach. Projekte im Bereich Webdesign, Softwaredesign (Benutzerführung). Gibt seit 2007 monatlich das Freestyle-Blatt Zeitgeisting heraus. Marko Košan (*1961), Studium der Kunstgeschichte in Ljubljana. Seit 1990 umfassende internationale Kuratorentätigkeit, vor allem in Slowenien, Österreich und Kroatien; zahlreiche Veröffentlichungen zu Kunst und Kultur mit Schwerpunkt in der Kunstgeschichte Kärntens und Sloweniens. Seit 2008 Direktor der Koroška Gallery of Fine Arts, Slovenj Gradec. Ines Kuttnig (*1974), Studium der Philosophie und Gruppendynamik in Klagenfurt. Gründungsmitglied des Vereins „Philosophische Versuchsreihen“, der sich der praktischen, künstlerischen Umsetzung (Performance) philosophischer Texte und Theorien verschrieben hat. Projekte: „Labyrinth. Decodierung des Suchens“ (2005), „Im Kopf bleiben“ (2006–2010), „Kandy for Mankind“ (2004), „VER-WESEN rollendes Versuchslabor“ (2007). Robert Lauritsch (*1978), studierte Philosophie an der Universität Klagenfurt. Einige Jahre als Cartoonist und Illustrator unter dem Namen rolarola tätig, Vorstandsmitglied der „Philosophischen Versuchsreihen“, seit 2009 Unternehmer mit der Suchmaschine globadvice.com. Thomas Raab (*1968), Studium der Naturwissenschaften und der Philosophie in Graz, Wien und Berkeley. Promotion 1998. Freier Schriftsteller, Kognitionsforscher und Übersetzer. Seit 1999 Mitarbeiter von Oswald Wiener. Buchveröffentlichungen: Verhalten (Tropen, Köln 2002), Nachbrenner (Suhrkamp, Frankfurt 2006), Avantgarde-Routine (Parodos, Berlin 2008). Bernhard Seiter (*1964), Schriftsteller und Drehbuchautor (Fegefeuer 1987, Schwarzfahrer 1997) in Wien. Mitbegründer und Redakteur der Zeitschrift RAY (2000–2003). Zuletzt die Romane Elf Finger (Picus Verlag, 2007) und Passenger Hammerschmid (Picus Verlag, 2009). Daniel Terkl (*1980), Studium der Kunstgeschichte in Wien und Krakau. Seit 2007 freier wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Wien, Interessens- und Forschungsschwerpunkt Bildtheorien und Medien in der Kunst.

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UWE BRESSNIK Geb. 1961 in Villach/Kärnten. Lebt und arbeitet in Wien. 1983–1989 Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien bei den Professoren Sepp Moosmann, Peter Weibel, Oswald Oberhuber und Ernst Caramelle. 1989 Diplom an der Meisterklasse Ernst Caramelle. Ausgewählte Personalen und Einzelpräsentationen der KunstSportGruppe.hochobir (KSGh) (# Katalog / + mit der KSGh / * mit Heiko Bressnik) 2010 identident, Ritter Gallery, Klagenfurt LIVE Records, ausstellungsraum.at, Wien # lebendig, „Kunst im Dom 2010“, Klagenfurter Dom 2009 KSGh On Tour, Galerie Tobias Schrade, Ulm + KSGh – (What’s) Going On, Galerie Ardizon, Bregenz + 2008 KunstSportGruppe hochobir, Galerie Schloss Damtschach, Wernberg / Kärnten + XTRA, Galerie Bäckerstraße 4, Plattform für Junge Kunst, Wien + semper et ubique, Ausstellungsraum Gerhart Scholz, Wien + Kärnten 08, Eröffnung mit KSGh-Performance „Live-Übertragung“, Künstlerhaus Klagenfurt + 2007 Hear the Art, Kradhalle Ulm + KSGh, Ritter Gallery, Klagenfurt + Uwe Bressnik, Gugg Galerie, Braunau am Inn 2006 Carinthiale 2, Carinthia-Ateliers, Klagenfurt + 2005 KSGheuriger, Kunsthalle Treptow, Berlin + KSGh im MMKK, Eröffnungsperformance der „Langen Nacht der Museen“, Museum Moderner Kunst Kärnten + Es Carinthiale, Carinthia-Ateliers, Klagenfurt + DEAN.servise, Burggarten-Pavillon, Wien + 2004 Konkurs, Künstlerhaus Klagenfurt + in be twins, Schauraum K3, Simbach/Inn, D * Ausgleich, Galerie Freihausgasse, Villach + Nachmusik, im Rahmen der „Eckdaten“, CoCo San, Klagenfurt 2003 discorganisch, Kunsthalle Treptow, Berlin * Zwischenzeit, Studio im Künstlerhaus Klagenfurt 2002 Compilation, Galerie Schafschetzy, Graz Giubileo 2000, Ausstellungsraum Kunstgeschichtliche Fakultät an der Universität Innsbruck 2001 Intro-Projektionen, Associatione Culturale /Cineclub Detour, Rom 2000 Discotheque, Bau Holding Kunstforum, Klagenfurt Uwe Bressnik, Galerie Freihausgasse, Villach 1999 Yves & his Songs of Paris, Kunstkabinett Minorgasse, Wien 1998 Heiko und Uwe Bressnik, Schauraum Internationaler Kunst, Eggenfelden/D * The Sound of Painting, Galerie Schafschetzy Studio, Graz 1997 Bilder & Abbilder, (mit Mario Reis und Sandi Cˇervek) Galerie Falke, Bleiburg/Kärnten # 1994 Im Rahmen des projektes „globalokal“: über, unter, seitwärts, runter, (mit Christian Höller),

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1993

1992

1991

1990 1989

Galerie Falke + Kuhn, Bleiburg; Rematerialisation, (mit Pepi Maier), Galerie Sikoronja, Rosegg, Kärnten; Auf zum Schloß!, (mit Rudi Molacek), Galerie Schloss Damtschach, Wernberg/Kärnten; sound & vision, (mit Eva Grubinger), Galerie Gmünd und Alte Burg, Gmünd in Kärnten; tierra amiga, (mit Reinhard Blum), Galerie Walker, Hermagor/Kärnten # Rasterman, Galerie Holzer, Villach Am Ball, Event im East River Park, New York City, im Rahmen der „Reise zu den Quellen“ des museum in progress, Wien # Heiko & Uwe Bressnik, Kunstcentrum De Twee Weezen, Enkhausen/NL * Uwe Bressnik, Galerie A4, Wels BILDschirme, Studio der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz # Heiko Bressnik / Uwe Bressnik, Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt # * Found Colours and Networks, Gallery of the Austrian Cultural Institute, New York # * Heiko Bressnik / Uwe Bressnik, Galerie an der Stadtmauer, Villach # * Druckgrafik, Galerie im Traklhaus, Salzburg # Paintings without Painting, Galerie Stelling, Leiden/NL * Hinter Gittern, Studio der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz Heiko & Uwe Bressnik, Galerie Art Start, Wien # *

Ausstellungsbeteiligungen 2010 Slowenien_Österreich, Plattform Grünspan, Feistritz a. d. Drau/Kärnten Das Bad, im Rahmen der „48 Stunden Neukölln“, Berlin Jetzt Wirds Ernst, Galerie DADA 39, Wien Naturansichten, Galerie Alte Schule Adlershof, Berlin # Wir leben und arbeiten in Wien, Galerie AREA 56, Wien 2009 CAT OPEN, Museum für Angewandte Kunst Wien, Sammlung Gegenwartskunst The Beggar’s Opera, MASC Foundation/Ragnarhof, Wien Haus, Museum für Quellenkultur, Klein St. Paul/Kärnten KSGheuriges, Rauchsalon Joanelli, Wien + 2008 SOUND OF ART. Musik in der bildenden Kunst, Museum der Moderne im Mönchsberg, Salzburg # revival, Kunst im Öffentlichen Raum im Rahmen von „Straßenfeger & Gassenhauer“, Wien Emanzipation und Konfrontation. Kunst aus Kärnten von 1945 bis heute, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt # Vom Klang der Kunst. Tonspur Expanded, Freiraum/quartier21/Museumsquartier Wien # abstrakt/real, Kurzfilme und Videoarbeiten Kärntner Filmschaffender, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt Gemischtes Sextett, Galerie Wolfgang Exner, Wien Kunst im Spiel, Hotel Kunsthof, Wien 2007 Kunst ohne Grenzen, Oravská galéria, Dolný Kubín/SK SUPERFLY – KSGh live in Berlin; 3. Berliner Heuriges, Galerie Showroom, Kreuzberg, Berlin 27. Internationale Malerwochen, Suetschach/Kärnten Heuriges 07, Rauchsalon Joanelli, Wien KOMA, 1st Kaša Of Modern Art, Bad Eisenkappl/Kärnten + Stoffwechselstube, Universitätskulturzentrum UNIKUM, Klagenfurt #

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2006 Südwind – Zeitgenössische Kunst aus Kärnten, Säulenhalle Parlament der Republik Österreich, Wien Das Ding Dingt, Stadtmuseum Neuötting/D # CON.TEXT, Galerie Schafschetzy, Graz Do It Yourself, Lucky Loft Galerie, Hamburg # Mein Onkel aus Amerika, Hauptbahnhof und Stadtmuseum Villach + # Sonambiente Berlin 2006, festival für hören und sehen, klang kunst sound art, Akademie der Künste, Berlin # Bis Heute. Zwei Jahrhunderte Kunst aus Kärnten, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt FOUND – The Lost Songbook of Martin Dean, Galerie LIFEBOMB, Berlin 2005 Koroska Inkognita / Kovcek – der Koffer, Universitäts-Kulturzentrum UNIKUM, Klagenfurt Coming Out – real.thing, Künstlerhaus Klagenfurt # + Gefährten, Galerie Prisma, Bozen # + Preview Berlin, Brotfabrik, Berlin Heuriges 05, Kunsthalle m3, Berlin Das beste, billig – the best, cheap I + II, im Rahmen von „SOHO in Ottakring 05“ und „Grundstein 05“, Wien Hotel Pupik 05, Artists in Residence in der Schwarzenberg’schen Meierei in Schrattenberg/ St. Lorenzen bei Scheifling/Steiermark + # 2004 Lines on Paper Award, Präsentation der prämierten Arbeiten, OÖ Landesmuseum, Linz Kraftwerk peripher, Kraftwerk Imst/Tirol # jeder.selbst, Künstlerhaus Klagenfurt Kunst ist, wenn man trotzdem lacht, Aspekte von Humor in der Gegenwartskunst, SchlossÖkonomie Gern/D # + Blickwechsel Nr.1, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt # 2003 coming out – surround, Künstlerhaus Klagenfurt # Kunst oder König, Maria am Ostbahnhof, Berlin view 01 02 03, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt # 21er, Eintagesausstellung im Museum Moderner Kunst/ehemaliges 20er Haus, Wien sac de plastic, IG Bildende Kunst, Wien # 2002 the butterfly reached the sound-barrier, KIBLA Media-Center, Maribor/SLO # Flüchtig daheim, SOHO in Ottakring, Wien Art Position 2002, Wien # doubleheart – HEAR THE ART, Kunsthalle Exnergasse, Wien Museum/Museo/Musej – Art goes Museum, im Rahmen des Projekts „Schöne Öde“ des Universitätskulturzentrums UNIKUM, Cave de Predil/I # SEX, Kunsthandlung Wolfrum, Wien Sicht.Formen, Künstlerhaus Klagenfurt 2001 Der Blick aus der Zukunft, SchlossÖkonomie Gern/D # Der Ironische Blick, Landesgalerie am Oberösterreichischen Landesmuseum, Linz # Urban und ländlich, im Rahmen von „SOHO in Ottakring“, MASC-Foundation, Wien # Sollbruchstellen. Installationen entlang einer tektonischen Störungslinie, an fünf Orten im Öffentlichen Raum, Universitätskulturzentrum Klagenfurt # it doesn’t work, Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Bregenz #

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2000

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KontraPUNKT, Galerie im Amthof, Freie Akademie Feldkirchen/Kärnten Zeitschnitte 2001, 4. internationales Künstlersymposium, Milleniumshalle Bad Bleiberg # Collecione, Galerie Schafschetzy, Graz ICH gegenüber. Gegenüberstellung alter Sakral- und Gegenwartskunst, Schloss Strassburg/ Kärnten # coming out, Künstlerhaus Klagenfurt # Copy Art, Schauraum Eggenfelden/D Bau Holding Kunstförderungspreis 2000, Bau Holding Kunstforum, Klagenfurt # multiples, Schauraum Eggenfelden und Neue Galerie Landshut/D Innsbrucker Grafikwettbewerb 1999, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, Waltherhaus Bozen u. a. # 1998/99, Cite des Artes International, Paris Objektkunst – Aspekte von Skulptur, SchlossÖkonomie Gern /D Kurzschlußhandlung, Universitätskulturzentrum UNIKUM, Klagenfurt # mit fotografie (bildende künstler und architekten), Ausstellungsraum Büchsenhausen, Innsbruck # at the frontier, Art Centrum, Prag/CZ Der Ironische Blick, Museum auf Abruf – Makartgasse, Wien Kuenstlerhouse 98, Passage-Galerie, Künstlerhaus Wien Des Eisbergs Spitze, Kunsthalle Wien im Museumsquartier # Kärntner Ansichten – eine andere Landesausstellung, Ausstellungszentrum Hüttenberg # Kuenstlerhouse 98, Passage-Galerie, Künstlerhaus Wien Bild und Text, Künstlerhaus Klagenfurt # flight 20, Gallery of the Austrian Cultural Institute, New York # Spinn Off, Open Space Manhattan, New York # Salon Vanˇkovka II, Stiftung Vanˇkovka, Brünn/CZ # Junge Kunst aus Oberösterreich, Landeskulturzentrum Ursulinenhof # Internationaler Südwest LB Druckgrafik Kunstpreis 97, Stuttgart, Mannheim/D # Wege in der Kunst, Galerie Falke, Bleiburg Kuenstlerhouse, Passage-Galerie, Künstlerhaus Wien Copy Book Art, Galerie MAERZ, Linz # Gegenwartskunst II, Galerie Freihausgasse und Galerie an der Stadtmauer, Villach Aquileia ’96 – contiguita e differenze, Triennale Europäischer Druckgrafik, Museo del Patriarcato, Aquileia/I # Der Blinde Fleck, Atelier im Augarten, Augustinus Ambrosi-Museum, Wien # Essay, Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz # Produkt, Prozess und Bier, Galerie Ballgasse, Wien Malerei und Kuckucksei, Bau Holding Kunstforum, Klagenfurt # flüchtig, Galerie De Verdieping, Amsterdam 21. International Biennial of Grafic Art, Laibach/SLO # 100% Herbstsalon. Aktuelle Kunst im Schloß Ranshofen, Ranshofen/OÖ Reise zu den Quellen, Heiligenkreuzerhof, Wien # Künstler-Zwillinge, Schwabenakademie Irsee/D und Kulturzentrum Engelhartszell/OÖ # Zwischenbilder/Zwischenräume – Kopigraphische und Elektrographische Arbeiten von Österreichischen Künstlern, Landesgalerie am OÖ Landesmuseum, Linz #

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101 Medien/Kunst/Österreich, Orangerie im Schlosspark, Eisenstadt # Computerkunst/Computer-Art ’94, Städtische Galerie im Rathauspark, Gladbeck/D # eins, zwei, drei, … fünfzig, Jubiläumsausstellung der Galerie im Traklhaus im ehemaligen Casino am Mönchsberg, Salzburg # Auf der Suche nach dem verlorenen Ball, ein Kommunikationsprojekt im Rahmen der Steirischen Landesausstellung 1994, Pöllau/Steiermark Feste Größen, OÖ Landesmuseum, Linz # Exercises In Self-Representation, Galerie Eigen + Art, New York City Das Andere Buch, Volkshalle/Rathaus Wien # Bis Jetzt – Kärntner Kunst von 1800 bis heute, Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt Global Grafics, 1. Internationale Grafik-Biennale Maastricht/NL # Licht Flut, Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt # Wildwuchs – Nachwuchs, Kunstverein Klagenfurt # Im Bild, Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt Zeitschnitt 92 – Aktuelle Kunst aus Österreich, Messepalast Wien # Intergraph 1991, Grafikbiennale Udine # Internationaler Südwest LB Druckgrafik-Kunstpreis 1991, Stuttgart, Mannheim # KUNST EUROPA – Junge Kunst aus Österreich, Kunstverein Hamburg, Deichtorhallen # Overlaps and Interspaces, Österreichisches Kulturinstitut Rom # Junge Kunst aus Österreich, Galerie Rähnitzgasse, Dresden 10. Römerquelle Kunstwettbewerb 1990, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Wien # Kopiegraphie – eine Belichtung österreichweit, Galerie MAERZ, Linz # UNBEDINGT – Spirituelle Tendenzen in der jungen Kunst Österreichs, Salzburg, Graz, Wien # Oberösterreich – Avantgarde 1900–1990, Neue Galerie Linz # 60 Tage Österreichisches Museum des 21. Jahrhunderts, Wien # Junge Szene Wien ’89, Sezession Wien # Drucke, Galerie Knoll, Wien 1988 – Mit Blick Voraus, Junge Kunst in Österreich, im Rahmen des „Steirischen Herbst“, Neue Galerie und Künstlerhaus Graz # LOGO-Kunst, Hochschule für Angewandte Kunst, Wien # Druckgrafische Sie- und Erfindungen, Museum Se Dissolvens, Wien 1984 – George Orwell und die Gegenwart, Museum Moderner Kunst, 20er Haus, Wien #

Preise und Auszeichnungen 2009 2004 1999 1994 1990

Würdigungspreis des Landes Kärnten für bildende Kunst 2. Preis „Lines on Paper Award“ der Agrolinz Melamine, Linz „Innsbrucker Grafik-Wettbewerb 1999“ Preis des Landes Steiermark Preis der Jury des „Förderpreis für Bildende Kunst 1994“ der Bau Holding AG, Klagenfurt 1. Preis „10. Römerquelle Kunstwettbewerb 1990“, Wien 1. Preis des Wettbewerbs für Bildende Kunst des Kulturrings der Wirtschaft Oberösterreichs, Linz; u. a.

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FOTONACHWEIS Sol Bekic: 82 Uwe Bressnik: 21, 23, 31, 44 u., 48, 51 u., 57, 63, 65, 67, 71–73, 83–92, 94, 97, 100, 102, 103–106, 112, 113, 116–124, 136 re., 137, 140, 148, 149 Franz Brugner: 141 Rainer Dempf: 24, 42–44 o., 51 o., 52, 53, 108–111, 121–123, 145–147 Gert Eggenberger: 80 o. re Heinz Grosskopf: 34/35 Karl-Heinz Kronawetter: 80 o. li., 80 u. li. Evelyn Kunschitz: 131, 136 li., 138, 139 o. Ines Kuttnig: 80 u. li., 150 Rudi Molacek: 127, 134, 135, 139 u. Martina Mosebach-Ritter: 41, 61 MMKK: 99 Ferdinand Neumüller: 24, 26, 29, 33, 37, 39, 74/75, 76, 78, 79, 151–153 Wolfgang Thaler: 7, 8, 12/13, 14, 17, 19, 46/47, 55, 93 Evita St.Tussak: 142 Wolfgang Woessner: 113, 115,

DANK AN Matthias Noë und Esther Farys für das Lektorat für Daniel Terkl; Die Brücke kaernten.kunst.kultur für das Vorveröffentlichungsrecht des Textes von Christiane Fath.

UNTERSTÜTZT VON Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Amt der Kärntner Landesregierung Amt der Oö Landesregierung, Direktion Kultur

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