Ich sehe, was du brauchst

Leseprobe aus: Portia Da Costa Ich sehe, was du brauchst Copyright © 2008 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek 1. Kapitel ~ Wie neugeboren Eines Mo...
Author: Rudolph Kruse
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Leseprobe aus:

Portia Da Costa

Ich sehe, was du brauchst

Copyright © 2008 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek

1. Kapitel

~

Wie neugeboren

Eines Morgens im Mai erwachte Alexa Lavelle auf der Sonneninsel Barbados wie neugeboren. Sicher, das war ein Gemeinplatz, doch es traf die Sache. Sie war nicht mehr derselbe Mensch wie am Tag zuvor. Auch die Umgebung nahm sie anders wahr. Die Farben waren heller, die Geräusche klarer, die Gerüche so intensiv, dass ihr beinahe schwindelig wurde. Alexa lag immer noch zwischen den duftenden Baumwolllaken des breiten Hotelbetts und fühlte sich eigentümlich beschwingt, als hätte sie vom süßen Inselrum gekostet. Sie fragte sich, ob sie vielleicht tatsächlich betrunken war. Am Abend zuvor hatte sie Kopfschmerzen gehabt. Jetzt aber spürte sie nichts mehr davon. Ganz im Gegenteil, sie hatte sich noch nie besser gefühlt. Ihr war danach, loszurennen, herumzuhüpfen oder Luftsprünge zu machen. Ihre Gliedmaßen prickelten von überschüssiger Energie, und ihre Haut fühlte sich seidenweich an und schimmerte matt. Um sich darüber klar zu werden, was mit ihr geschehen war, ließ sie den vergangenen Tag Revue passieren. Ihre Erinnerungen waren vollständig und fügten sich nahtlos aneinander, gleichzeitig aber hatte sie das Gefühl, die Ereignisse wie durch einen Filter wahrzuneh9

men. Heute waren ihre Sinne geschärft, sodass ihre früheren Eindrücke im Vergleich etwas stumpf wirkten. Sich räkelnd, atmete sie tief die salzige Meeresluft ein und machte eine weitere Entdeckung. Obwohl sie allein reiste und seit Urlaubsbeginn so enthaltsam war, dass sie kaum mehr an Sex dachte, war sie auf einmal erregt. Alexa hatte schon immer Spaß am Sex gehabt – manchmal so viel Spaß, dass es ihr geradezu Angst machte –, doch im Moment verspürte sie ein heftiges Verlangen. Die körperlichen Anzeichen waren so intensiv, dass sie nicht zu leugnen waren. Zwischen ihren Beinen und im Unterleib brannte das Begehren, von einem Mann ausgefüllt zu werden. Von keinem speziellen Mann, sondern von irgendeinem. Von einem kräftigen, ausdauernden Mann mit einem harten Ständer, der ebenso scharf war wie sie. Verflixt nochmal, was ist nur los mit mir?, dachte sie und streckte sich genießerisch, obwohl sie immer noch halb fürchtete, dass sich das gleich wieder rächen würde. Sie wusste genau, weshalb sie Kopfschmerzen gehabt hatte, doch das reichte als Erklärung nicht aus. Vor zwei Tagen war Alexa auf glitschigen Steinen ausgerutscht, hatte sich den Kopf angeschlagen und anschließend ein paar Stunden in der Inselklinik verbracht. Man hatte sie gründlich untersucht, aber nichts gefunden. Nach dem Sturz sei sie einen Moment bewusstlos gewesen, hatten die Ärzte gemeint, habe aber keine Gehirnerschütterung davongetragen. Bei der Entlassung hatte man ihr den guten Rat gegeben, alles «leicht und locker» zu nehmen – was im Ferienresort der St-JamesBucht auch nicht schwerfiel. 10

Am Abend zuvor allerdings hatte sie sich gar nicht leicht und locker gefühlt. In einer Art Dämmerzustand hatte Alexa auf dem Bett gelegen und gelitten, während unsichtbare Dämonen ihre Schläfen mit Speeren bearbeiteten. Zu benommen, um sich zu rühren, hatte sie sich vorgenommen, sich am Morgen erneut in Behandlung zu begeben. Jetzt war es Morgen, doch die Kopfschmerzen und die Dämonen waren verschwunden, die Sonne schien, und es war angenehm warm. Wenn nur dieses unbezähmbare Verlangen nach Sex nicht gewesen wäre … Genüsslich reckte Alexa die Arme der weißen stuckverzierten Decke entgegen, dann setzte sie sich auf und blickte sich um. All ihre Reiseutensilien waren in diesem Raum versammelt: ihre Kleider, ihre Toilettenartikel, ihre Souvenirs und Nippsachen. Und doch hatte sie das Gefühl, die Sachen gehörten ihr gar nicht. Ihr pinkfarbenes Strandkleid, das über der Lehne des Korbsessels hing, wirkte irritierend steif und «züchtig». Desgleichen der unförmige Bademantel. Sie erinnerte sich, wie gut ihr der Bademantel im Geschäft gefallen hatte, wie wohl sie sich in dem weichen Frottéstoff gefühlt hatte; jetzt auf einmal hätte sie es vorgezogen, wäre er glatt und frivol gewesen. Vielleicht ein ausgefallener, moirierter Seidenstoff. Rot, mit einem feuerspeienden Drachen auf dem Rücken. Wie komme ich nur auf so was?, dachte sie, sich das sinnliche Bild vergegenwärtigend, dann fiel ihr ein, dass sie ein solches Kleid schon einmal gesehen hatte. Ihre neue Freundin Dr. Quine – die in der Cabana nebenan wohnte –, hatte einen scharlachroten Bademantel mit einem Drachen auf dem Rücken angehabt. Gestern hatte 11

sie halbnackt am Pool gelegen und sich damit bedeckt. Die Ärztin hatte eine unglaubliche Figur, sie war schlank und gleichzeitig üppig und hatte die Angewohnheit, ihre Reize auch zu zeigen. Wie eine Göttin pflegte sie sich auf der Liege zu räkeln – im Schatten, denn sie hatte sehr blasse Haut – und ließ sich von ihrem attraktiven jungen «Begleiter» auf Französisch aus einem kleinen Buch mit weißem Ledereinband Gedichte vorlesen. Alexas Französisch war nicht besonders gut, doch ein paar Worte hatte sie aufgeschnappt. Vor allem Drews tiefer, samtiger Stimme hatte sie entnommen, dass es sich um erotische Verse handelte. Alexa warf die Decke zurück, schälte sich aus ihrem weißen Baumwollnachthemd und untersuchte verwundert ihren Körper. Obwohl er genau wie ihr Kopf noch derselbe wie gestern war, meinte sie doch Veränderungen wahrzunehmen. Ihre wohlgeformten, festen Schenkel luden geradezu dazu ein, berührt zu werden, und das galt auch für ihr samtweich behaartes Geschlecht. Sie spürte, dass ihre hübsche, dunkle Muschi etwas von ihr verlangte, etwas, das sie ihr meistens nur mit kindischen Schuldgefühlen gewährte, dem sie jetzt aber voller Vorfreude entgegensah. Die dunklen Haarlöckchen wirkten heute Morgen besonders einladend zu weiterer Erkundung. Auch ihre Brüste wirkten verändert. Runder, üppiger. Alexa wusste, das war reine Einbildung, doch sie hatte den Eindruck, die Spitzen zeigten keck nach oben und forderten sie dazu auf, sie zu streicheln und zu liebkosen. Versuchsweise legte sie eine Fingerkuppe auf ihren sonnengebräunten Bauch und keuchte unvermittelt auf. 12

Von der Stelle dicht unterhalb des Nabels fuhr ihr ein Lustschauer bis in die Möse. Der Wunsch, dem Weg der Empfindung mit dem Finger nachzuspüren, war so stark, dass sie sich schockiert auf die Lippen biss. Es fühlte sich an, als habe ein Mann sie auf den Bauch geküsst und daran gesaugt und dann seine Hand an ihre Spalte gelegt. Auf dem Nachttisch stand ein gerahmtes Foto ihres Verlobten, doch dessen lächelndes Gesicht gab ihr auch keine Antwort. Thomas jedenfalls hatte das Lustgefühl nicht bei ihr ausgelöst. Alexa hatte sich aufrichtig bemüht, während der Ferien an ihn zu denken, und sie versuchte es auch jetzt wieder, hatte aber das Gefühl, als wären sie durch mehr als eine Glasscheibe – oder ein Meer – voneinander getrennt. Ach, Tom, es tut mir leid, dachte sie verwirrt, denn sie hätte liebend gern eine Verbindung zu seinem Foto hergestellt. Das aber gelang ihr nicht, und stattdessen trat ihr ein anderes Bild vor Augen; ein so klares und verrucht-erotisches Bild, dass ihr das Blut in die Wangen schoss und sie wie verrückt zu zittern begann. Sie lag nackt und verschwitzt auf diesem Bett, über ihr ein kräftiger, gesichtsloser Mann. Sie bewegten sich heftig, und der Fremde hatte seinen Schwanz tief in ihr versenkt. Alexa konnte erkennen, dass sie die Beine angezogen und die Arme um seine Hüften geschlungen hatte und mit den Fersen gegen seinen Po trommelte. Das aber war noch nicht alles. So deutlich, wie sie ihr leeres weißes Zimmer wahrnahm, spürte sie, wie der Unbekannte in sie hineinstieß. Sein pulsierender Schaft dehnte und rieb sie, und er fühlte sich schwer an in der 13

Umklammerung ihrer Schenkel. Mit jedem Stoß drang er tiefer in sie ein und versetzte ihr weiches, feuchtes Inneres in Raserei. Heiße Begierde flammte in Alexa auf, und als sie die Hand auf die Stelle presste, wo sein Glied war, spürte sie, dass sie bereits mehr als feucht war. Ihr Geschlecht war nass und glatt, die Schamlippen geschwollen und weit geöffnet. Sie war erfüllt von einer schweren, heißen Energie, fühlte sich gleichzeitig aber federleicht. Mit einem Aufschrei warf Alexa die letzten Hemmungen ab und ergab sich dem Teufel in ihrem Leib. Sie zog die Beine an, trat wild um sich, stemmte den Rücken von den zerwühlten Laken hoch. Während ihre Finger tanzten, unternahm sie einen letzten Versuch, Thomas anzusehen, doch das Foto wirkte beinahe durchsichtig. In ihrer Vorstellung gab es nur den Mann, der sie in Besitz nahm, ohne ihr sein Gesicht zu zeigen. Sie rieb sich schneller, wand sich auf der Matratze und wimmerte laut, als sie den Höhepunkt erreichte. Das Lustgefühl war so stark, dass ihre Beine bebten, sich ihr Unterleib zusammenzog und sie die Hände ins Laken krallte. Sie meinte Gesichter zu sehen: die Gesichter von Männern, die ihr eigentlich nichts hätten bedeuten dürfen, die sich aber dem leidenschaftlichen Schauspiel in ihrem Geist hinzugesellten, sodass es ihr den Atem nahm. Attraktive, sonnengebräunte Hotelgäste; lächelnde schwarzhäutige Boys in luftigen weißen Hosen, deren Hosenschlitz geöffnet war; Wildfremde, die alle bereit waren, ihr Lust zu bereiten. Sie sah sogar ihre neue Freundin Doktor Quine. Eine Frau – aber sie war nackt und ihr roter Mund begehrlich geöffnet. 14

Verflixt nochmal, was ist nur los mit mir?, fragte sich Alexa Lavelle erneut und bemühte sich, wieder zur Vernunft zu kommen. Was passiert mit mir, und warum fühlt es sich so gut an?

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