Strategy

Dr. Mike Radmacher, Stefan Kistler

„Ich geh’ jetzt mal duschen …“ Kooperationsmöglichkeiten für Mobilbetreiber mit Social Communities

Ein Teil des Lebens spielt sich ­ mittlerweile in S ­ocial Communities ab. Der resultierende Anstieg in der mobilen Datenkommunikation bietet Carriern neue Umsatzpotenziale.

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„Ich geh’ jetzt mal duschen …“

ie Anzahl der Nutzer von Social Communities steigt tägD lich. Dabei lassen die Nutzer andere Nutzer weltweit direkt an ihrem ganz persönlichen Alltag teilnehmen.

Direkt nach dem Aufstehen schreibt Kerstin ihren Bekannten über den erlebten Traum der letzten Nacht und lädt diese Nachricht zusammen mit einem Bild ihres zerknautschten Kopfkissens auf Facebook hoch. Während des Zähneputzens meldet sich bereits ihre beste Freundin Annett, deren Nachricht Kerstin mit ihrem Smartphone empfängt. Um den Inhalt des Traums zu besprechen und fit für den Arbeitstag zu sein, verabreden sich beide im Starbucks. Kurz nachdem Kerstin die Wohnung verlässt, twittert sie, dass sie sich auf dem Weg befindet. 30 Minuten später checkt Kerstin bei foursquare ein. Nun wissen alle ihrer Freunde, darunter auch Annett, dass sie im Starbucks angekommen ist. Kerstin ruft aktuelle Tipps anderer foursquare-Mitglieder ab, die bereits heute Morgen im Starbucks waren. Tim schrieb, dass die Brötchen um 07:30 Uhr ungenießbar waren. Da Kerstin fast jeden Tag im Starbucks ist, wurde sie in foursquare zum Bürgermeister dieses Ortes auserwählt. Damit verbunden ist heute ein Gutschein für einen großen Latte ­Macchiato. Kerstin bestellt diesen für sich und Annett und bespricht sofort ihren gestrigen Traum. Während des Gesprächs fallen Kerstin Annetts neue Schuhe auf. Sie war sich sicher, diese bereits auf den Bildern der letzten Party ihres Freundes Mike bei MySpace gesehen zu haben. Nachdem Kerstin Annett auf die Schuhe ansprach, erzählte Annett von einer neuen Shopping Plattform „ThisNext“ und versichert, dass diese Schuhe der neuste Trend aus den USA sind. Nachdem sie „ThisNext“ autorisiert haben, bei ihrem Carrier ihre Kontaktdaten anzufragen, wurden die Schuhe direkt bestellt, problemlos über die Mobilfunkrechnung bezahlt und per Post an sie versendet. Aber nicht nur die Schuhe sind auf der Party Annett aufgefallen. Ein gutaussehender junger Mann starrt sie auf einigen von Mikes Fotos an. Beide wissen nicht, wer er ist. Eine kurze Nachricht an Mike wird von ihm mit einem Link zum Xing-Profil von Stefan beantwortet. Annett und Kerstin stöbern durch Stefans Profil und hinterlassen ihm eine Nachricht auf seiner Pinnwand. Befreit, den Traum erzählt, neue Schuhe gekauft und in Erfahrung gebracht zu haben, dass ein cooler Typ auf Annett steht, verlassen beide Starbucks.

Das Beispiel zeigt, dass Social Communities sowohl die Art der Kommunikation wie auch den Umgang mit Kommunikationstechnologien nachhaltig verändert haben. Damit verbunden ist der kontinuierliche Anstieg mobiler Datenkommunikation, in dem Carrier große Umsatzpotenziale sehen. Aufgrund der hohen Bedeutung der Datenübertragung finden die Allein­ stellungsmerkmale von Carriern nur bedingt Anwendung. ­Carrier stehen vor der Wahl: 1. Bit Pipe: Agieren alls reiner Datenübertragungsanbieter. 2. Developer APIs: Entwicklung von Schnittstellen beziehungsweise Services, die für die Mitglieder und Betreiber von ­Social Communities einen Mehrwert generieren. 3. Partnering: Eingehen von Kooperationen mit Betreibern von Social Communities oder 4. Carrier Community: Aufbau einer eigenen Community und Platzierung dieser auf den vorinstallierten Startseiten der ­eigenen Endgeräte. Welche der genannten Alternativen auf welche Weise einen langfristigen Beitrag zum Erfolg von Carriers leisten, hängt von der Art der Communities sowie den Fähigkeiten und relativen Vorteil von Carrieren ab, den Funktionsumfang abzudecken. Die Märkte im Zeichen von Social Communities und ihre Entwicklung Social Communities bleiben des Internetnutzers liebster Zeitvertreib. Unter den Top 20 finden sich diejenigen Communities wieder, die weltweit den meisten Datenverkehr generieren, daunter Facebook, YouTube, Twitter, Wikipedia oder MySpace1. Die Nutzerzahlen von Facebook für Deutschland stiegen von August 2009 bis Juni 2010 um 275 Prozent auf 9,54 Millionen Nutzer2. Weltweit erreichte Facebook im Juli 2010 500 Millionen aktive Nutzer und erwirtschaftete einen Umsatz 800 1 http://www.netzpolitik.org/2010/das-internet-wird-hauptsachlich-genutzt-fur/ 2 http://facebookmarketing.de/zahlen_fakten/facebook-deutschland nutzerzahlen-juni-2010

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Millionen Dollar, ohne Angabe des Gewinns3,4. Das BusinessNetzwerk Xing konnte im ersten Halbjahr 2010 seinen Gesamtumsatz um 20 Prozent auf 25,86 Millionen Euro steigern und einen vorläufigen Jahresgewinn in Höhe von 2,6 Millionen Euro ausweisen. Dabei verfügt Xing über 9,63 Millionen Mitglieder weltweit, wovon 718.000 Benutzer zahlende Premiumkunden sind“5.

Merkmale heutiger Social Communities

Eine Antwort auf die Frage, was Social Communities erfolgreich macht, liefert unter anderem eine Studie, in der 150 ­Marketing-Studenten drei Monate 600 Social Communities sowie 60.000 Profilattribute von Mitgliedern analysierten6. ­Neben klarem Zielgruppenfokus, starker Bindung der Mitglieder ­untereinander oder leichter Benutzerführung kommt es ebenso auf den Funktionsumfang an, den eine Social Community ­bereitstellt, zum Beispiel Bildupload oder Messaging ­Service. Darüber h ­inaus beeinflusst das Erlösmodell, beispielsweise Werbefinanzierung, Premium-Mitgliedschaften oder Online Gaming, direkt den Erfolg einer Social Community.

Anhand der verschiedenen Funktionalitäten rund um die Chatfunktion sei die Auslegung der verwendeten 5er Skala für die Bewertung des Funktionsumfanges verschiedener Dienste erläutert:

Während die Anzahl der Nutzer in Social Communities zunimmt, ist die Suche nach einem zukunftsfähigen Erlösmodell weiterhin offen. Neben Social Communities sind auch Carrier auf der Suche nach zusätzlichen Erlösquellen, um dem starken Kostendruck sowie sinkenden Margen in der Sprachund Datenkommunikation entgegenzuwirken. Um den heutigen Anforderungen eines Carriers gerecht zu werden und den Markteintritt von innovativen Ideen zu beschleunigen, sind neben Anforderungen an die Produktentwicklung auch organisatorische Veränderungen notwendig. Schnelles Reagieren auf Veränderungen am Markt seitens des Carriers setzt eine Modularisierung von Dienstleistungen voraus. Auf diese Weise bauen neuartige Produkte auf bestehenden Leistungen auf (Baukastensystem). Kernkompetenzen des Carriers lassen sich so auf unterschiedliche Weise verwenden – auch als zusätzliche Services innerhalb von Social Communities.

3 http://www.zeit.de/digital/internet/2010-07/facebook-mitglieder-zuckerberg 4 http://facebookmarketing.de/news/500-millionen-aktive-facebooknutzer weltweit 5 http://corporate.xing.com/deutsch/presse/pressemitteilungen/pressmitteilungen detailansicht/article/pressemitteilungbr-5/138/ac6f 6d32e020202c81468394959f3ffb/ 6 http://www.seedfinance.de/2009/01/08/erfolgsfaktoren-fuer-social-networks/

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In den vergangen Jahren entwickelten sich eine Vielzahl unterschiedlicher Communities. Ob Social Communities, Social Networks, Meta Communities oder Mobile Virtual Communites, alle Communities haben eine Gemeinsamkeit – Menschen, die sich über Themen, die ihr Leben beeinflussen, austauschen.

1 = Keine Chat Funktion vorhanden 2 = Der Nutzer kann sich in einem öffentlichen Chat Forum austauschen.

3 = Neben einem öffentlichen Chat ist ein privater Chat mit einzelnen Nutzern möglich.

4 = Die Chatnachrichten lassen sich unterschiedlich formatieren (fett/kursiv/unterstrichen).

5 = Der Chat unterstützt neben einzelnen Nutzern auch den Versand von Dateien, etc.

Die Analyse der Social Communities zeigt, dass es prinzipiell vier verschiedene Kategorien von Social Communities gibt: „Live Oriented Communities“ stellen die Nutzer und deren ­Bedürfnis, sich auszutauschen, in den Mittelpunkt. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind Facebook und Schüler/Studi/ MeinVZ. Hauptziel der Mitglieder ist es, ihre aktuellen Erlebnisse Freunden mitzuteilen. Die Communities bieten unter anderem die Möglichkeit, private Videos und Bilder hochzuladen und gegenseitig zu kommentieren. Durch offene Schnitt­stellen ­integrierte Facebook neue Funktionen in die Community. Das prominenteste Beispiel stellt das von Zynga programmierte ­Simulationsspiel „Farmville“ dar. „Media Oriented Communities“ stellen die Medien in den Mittelpunkt der Community. MySpace (für die USA) und Bebo (für Europa) sind die bekanntesten Communities dieser Art. Diskussionen über bekannte und weniger bekannte Musiker und deren Musikvideos stehen hier im Vordergrund. Die Profile der Nutzer lassen sich umfangreich personalisieren, beispielsweise mit einer Verlinkung auf die Lieblingsmusik und einem Hintergrundbild.

„Ich geh’ jetzt mal duschen …“

„Business Oriented Communities“ zielen auf die Vernetzung im Geschäftsumfeld ab. In Deutschlang ist Xing sehr verbreitet. Im internationalen Umfeld ist „LinkedIn“ die bedeutendste Plattform. Zunehmend nutzen die Mitglieder auch die themen­ orientierte Diskussionsgruppen.

Kernkompetenzen von Carriern und ihr ökonomischer Mehrwert innerhalb der Social Communities Eine Vielzahl von Untersuchungen7,8,9 setzte sich in den letzten Jahren mit den Kernkompetenzen von Carriern zur Identifizierung neuer Erlösquellen jenseits der klassischen und zunehmend unter Margendruck geratenden Märkte für Sprach- und Datenkommunikation auseinander. Der Fokus auf Kernkompetenzen

“Retail Oriented Communities“ nutzen den Community-Gedanken und betreiben aktiv Handel über ihre Plattform. ThisNext oder Venteprivee verkörpern diese Art der Community, die es den Nutzern ermöglicht, über die Plattform direkt Produkte ohne Zwischenhändler zu erwerben sowie sich vorher und danach über die Produkte auszutauschen.

7 STL – http://www.stlpartners.com/telco2_2-sided-market/index.php 8 E-Billiung – http://www.tmcnet.com/channels/billing/articles/59278-telcos benefit-from-ebilling.htm 9 Obopay – https://www.obopay.com/consumer/welcome.shtml

Tabelle 1 Name

Facebook

Friendster

Bebo

Linked.in

MySpace

…VZ

Twitter

Xing

TheNext

Typ

Live Oriented Community

Live Oriented Community

Media Oriented Community

Business Oriented Community

Media Oriented Community

Live Oriented Community

Live Oriented Community

Business Oriented Community

Retail Oriented Community

Gründungsdatum

2004

2002

2005

2003

2003

2005

2006

2003

2006

Zielgruppe

Jedermann

Jedermann

Jedermann (Musik und Videoliebhaber)

Fach- und Führungskräfte

Jedermann

Schüler, Studenten, jedermann

Jedermann

Berufstätige Personen (älter als 18)

Jedermann

Zugangsweg

Web, Apps für fast jedes mobile ­Betriebssystem

Web, Apps

Web

Web, Apps (iPhone, Blackberry, Palm)

Web, Apps (iPhone, BlackBerry)

Web (iPhone, Blackberry)

Web, Mobile (alle Plattformen)

Web, Apps (iPhone, Blackberry)

Web

Mitglieder (2010)

500 Mio. Nutzer

115 Mio. Nutzer (Hauptsächlich in Asien)

10.7 Millionen in Großbritannien (Fokus auf Europa)

75 Million in mehr als 200 Ländern)

Ca. 270 Millionen Mitglieder

17 Millionen

Mehr als 75 Millionen Nutzer

Umsatz (2010)

700- 800 Mio. Dollar

17 Millionen Euro

495 Millionen Dollar

18 Millionen Euro

0, rein Riskiokapital finanziert

45 Millionen Euro

Funktionen

Erlösmodell

> 600.000

Chat

3

3

1

2

3

4

1

1

1

Mail

3

3

2

2

3

4

2

3

2

Nutzer Seite

3

4

5

3

5

3

2

4

2

Statusnachrichten

4

4

4

4

4

3

3

2

1

Videointegration

5

4

5

3

5

1

2

1

1

Bilderintegration

5

5

5

3

5

3

2

1

1

Musikintegration

1

1

5

1

5

1

1

1

1

Spiele

5

3

3

2

1

1

1

1

1

Mitgliedersuche

5

5

5

4

3

3

2

5

2

Freundeliste

4

4

4

3

2

2

1

2

1

Nutzergruppen

5

4

1

5

2

4

1

5

1

Werbung

3

3

3

3

3

3

7

3

3

Premiummitglied

7

7

7

7

7

7

7

3

3 Quelle: Detecon

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ist dabei ein Spiegelbild der Tatsache, dass Carrier anders als die sogenannten Over The Top Player nicht in der Lage sind, Web 2.0-Innovationen aus organisatorischen Gründen genügend schnell und erfolgreich voranzutreiben. Darüber hinaus ist ihre Marktpositionierung meist auf ihren eigenen Kundenstamm reduziert. Die Ausrichtung auf Web 2.0 relevante Kernkompetenzen verspricht dagegen eine nachhaltige Carrierentwicklung. Im Zusammenhang mit Social Communities erscheinen insbesondere vier Kernkompetenzen relevant: Tabelle 2 Kompetenz

Beschreibung

Identifizierung & Autorisierung

Prüfung einzelner personen­bezogener Identitätsmerkmale zur Sicherstellung der Authentizität sowie zur Autorisierung gegenüber weiteren Systemen7.

Billing & Payment

Individuelle transaktionsorientierte Abrechnung von Produkten und Diensten8,9.

Marketing Services & Business Intelligence

Erstellung anonymisierter und ­aggregierter Profildaten sowie ­kontext-bezogener Verhaltensdaten7.

Telekommunikationsdienste

Nutzung der nativen Dienste der Telekommunikationsindustrie für Funktionen der (wie SMS/Voice/Data)

Wie sich diese Kernkompetenzen in den Social Communities konkret implementieren lassen, illustrieren die drei folgenden Anwendungsfälle: Anwendungsfall 1: Identifizierung & Autorisierung Die Shopping Community „ThisNext“ empfiehlt seinen Mitgliedern täglich neue Artikel aus aller Welt. Darunter fallen unter anderem Elektroartikel oder Designermoden aus Paris. Über einen speziellen Link erwirbt der Nutzer den von ihm ausgewählten Artikel ohne Umwege. Im Idealfall verfügt der Nutzer bereits über ein eigenes Profil mit hinterlegten Kontaktdaten wie Anschrift und Kontoverbindung. Da nicht alle Nutzer ihre Kontaktdaten bereit sind preiszugeben, ermöglicht ThisNext dem Kunden, sich mit seiner Mobilfunknummer zu identifizieren. Über eine Bestätigungs-SMS legitimiert sich der Kunde gegenüber der Plattform und bestätigt seinen Einkauf. Der Carrier handelt im Auftrag des Nutzers und sorgt für die Weitergabe der Anschrift zur Durchführung der Bestellung ohne die Erlaubnis die Anschrift zu speichern.

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Anwendungsfall 2: Billing & Payment Social Communities bieten ihren Nutzern kostenpflichtige Zusatzfunktionen an. Während Xing ein Premium-Abo mit erweiterten Suchfunktionen und einer Dateiablage für Zeugnisse und Qualifikationen zur Verfügung stellt, offeriert Facebook eine virtuelle Währung, die zur Bezahlung weiterer Services, zum Beispiel Spiele, verwendet wird. Beide Erlösmodelle setzen eine Bezahlfunktion voraus. Klassischerweise geschieht dies über die Kreditkarte oder Paypal. Zusätzlich zu solchen etablierten Bezahlverfahren ist ein Carrier in der Position, die Abrechnung über die Telefonrechnung des Nutzers zu ermöglichen. Facebook und Xing könnten es dabei zulassen, den Nutzer über den Carrier zu identifizieren und direkt über ihn abzurechnen. Anwendungsfall 3: Marketing Services & Business Intelligence Wie anfangs erwähnt, stellt die Werbefinanzierung einen ­wesentlicher Bestandteil der Einnahmen von Social Communities dar. Die Voraussetzung, um zielgerichtete Werbung zu platzieren, ist die bestmögliche Identifizierung des Nutzers. ­ Grundlage der Analyse des Nutzerverhaltens bilden Informa­ tionen über den Nutzer, die im Normalfall während der Nutzung der Community Services erzeugt werden. Neben eigenen erhobenen Daten besteht die Möglichkeit für Carrier, anonymisierte sowie aggregierte kontextbezogene Verhaltensdaten zu erwerben. Die gewonnenen Daten in Verbindung mit selbst erhobenen Daten erlauben zielgerichtetes Marketing zu betreiben. Anwendungsfall 4: Telekommunikationsdienste Ein weiterer interessanter Anwendungsfall ist die Integration der Telekommunikationsdienste in Soziale Netzwerke. Hervorstechend ist beispielsweise die Kooperation von Facebook mit 82 Anbietern in 35 Ländern. Bei diesen Anbietern ist es möglich, seinen Status nicht mehr „nur“ über die Facebook Internetseite zu ändern, sondern auch per traditioneller SMS. Diese Zusammenarbeit ist aktuell nur der Anfang. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise die Anpassung der VoiceMail oder der Wartemelodie durch Statusänderungen in den Social Communities10. Neben den drei geschilderten Anwendungsfällen existieren eine Vielzahl weiterer, die es im Detail und abhängig von der zugrundeliegenden strategischen Ausrichtung des Unternehmens zu prüfen gilt. 10 DEB – Partnering with Facebook

„Ich geh’ jetzt mal duschen …“

Social Communities als zusätzliche Erlösquelle für Carrier? Die eingangs erwähnten Alternativen – Bit Pipe, Developer APIs, Partnering oder der Aufbau einer eigenen Community – stellen vier grundlegende Geschäftsmodelle für Carrier dar. Aufgrund des hohen Datenvolumens durch Videos und Musik sind die „Media Oriented Communities“ für diejenigen Carrier am interessantesten, die eine Bit Pipe-Strategie verfolgen. Die Bit Pipe bedeutet, dass das Unternehmen ausschließlich an den Datenumsätzen partizipiert. Diese stellen aber nur einen geringen Anteil des Gesamtumsatzes einer Social Community dar. Aufgrund der vielfältigen Kompetenzen, die ein Carrier hat, sollte er daher nur in Ausnahmefällen eine Bit Pipe-Strategie wählen. Die Entwicklung von Schnittstellen, die Entwickler von Community-Anwendungen oder auch Communities selbst, direkt nutzen können, ist eine weitere Möglichkeit. Ein Carrier kann ein eigenes SDK (Software Development Kit) und damit Entwicklern von Communities Schnittstellen zu den Kern­systemen wie Billing und Identifizierung zur Verfügung stellen, um damit wichtige Kernfunktionen ihrer Community zu betreiben. Auf diese Art und Weise erschließt ein Carrier eine weitere ­Erlösquelle. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Aspekt der Bindung zwischen einem Carrier und einer Community und damit die Abgrenzung gegenüber seinen Wettbewerbern. Neben bereits etablierten Communities eignen sich vor allem Nischen-Communities, beispielsweise für Radfahrer oder Angler, die aufgrund ihrer Größe auf zusätzliche Services wie Billing, Identifizierung und Marketing Services/Business Intelligence eines Carriers zurückgreifen können. Durch die angebotenen Services über Schnittstellen verlieren Communities nicht ihre Unabhängigkeit, da lediglich eine Funktion offeriert wird, aber der Content Bestandteil der Community bleibt. Die Möglichkeit, mit bestehenden Communities Partnerschaften einzugehen, ist ebenfalls sehr interessant für Carrier. Allerdings sind die Interessen hier extrem unterschiedlich – Carrier streben nach Umsatzbeteiligung und exklusiven Vorteilen für ihre eigenen Kunden. Die Betreiber von Social Communities hingegen sind daran interessiert, Umsatzbeteiligungen Dritter zu vermeiden und möglichst vielen Mitgliedern den Zugang zu ermöglichen. Dass es dennoch funktionieren kann, zeigt das Beispiel von E-Plus: Hier wurde den Mobilfunkkunden von E-Plus eine kostenlose reduzierte Facebook Version (Facebook Zero) erstellt, die sie ohne Datenabrechnung nutzen konnten. Sobald sie allerdings Bilder und anderes anschauen wollen, müssen die hierfür anfallenden Daten vom Kunden bezahlt werden. Die ­bereits erwähnte Verknüpfung von Social Communities mit

SMS/Voice Mail-Diensten ist eine weitere, interessante Möglichkeit, da sie einen direkten Einfluss auf das Nutzerverhalten haben und eventuell einen USP im Markt gegenüber anderen Carriern nach sich zieht. Als Carrier eine eigene Social Community aufzubauen, erscheint aus mehreren Gründen schwierig. Die Carrier sind meistens nicht als besonders innovative Unternehmen bekannt und sprechen nur den Teil der Gesamtbevölkerung an, der auch einen Vertrag bei ihnen hat. Gerade im internationalen Umfeld ist dies eine große Einschränkung, da Facebook beispielsweise in fast allen Ländern der Erde genutzt werden kann. Viele Ansätze aus der Vergangenheit zeigen, dass dieser Ansatz nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Heute bestehende Communities, betrieben durch Carrier, mangelt es häufig an Nutzern, ­Funktionsumfang und Diensten. Die Zusammenarbeit von Social Communities und Carriern wird auch weiterhin für Annett, Kerstin, Mike und Stefan das tägliche Leben beeinflussen. Die genaue Ausgestaltung hiervon ist noch offen, aber momentan stellt sie eine enorme Chance für Carrier dar, sich auch nachhaltig von der Konkurrenz abzugrenzen und zusätzliche Umsatzquellen zu generieren. Insbesondere der Aufbau einer allgemeinen Plattform für kleinere Communities und die Partnerschaft mit bestehenden Communities scheinen erfolgsversprechend.

Dr. Mike Radmacher ist im Bereich Strategie und Marketing mit dem Schwerpunkt Product Innovation tätig. Durch eine Vielzahl von P ­ rojekten sammelte er Erfahrungen in der Entwicklung innovativer Konzepte und Produkte im ICT Umfeld. Dazu zählen konkrete Themen wie Social Communities, Cloud Computing und Identitätsmanagement. Nicht nur die reine Entwicklung von Konzepten, sondern ebenso die Begleitung bei deren Umsetzung steht dabei im Vordergrund. [email protected] Stefan Kistler ist Berater im Bereich Strategisches Marketing. In dieser Tätigkeit sammelte er Erfahrung auf drei Kontinenten und entwickelte unter anderem die Konzernstrategie eines ­internationalen Carriers, die strategische Positionierung von Teilbereichen eines ­Carriers sowie Produktstrategien im mobilen Umfeld. [email protected]

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