Hospiz- und Palliativberatungsdienst

Hospiz- & Palliativberatungsdienst Berlin Zeichnung: Antje von der Spree Malteser Hilfsdienst e.V. Berlin Hospiz- und Palliativberatungsdienst Jahr...
Author: Klaudia Pfaff
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Hospiz- & Palliativberatungsdienst Berlin

Zeichnung: Antje von der Spree

Malteser Hilfsdienst e.V. Berlin

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Jahresrückblick 2013

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Liebe Ehrenamtliche, liebe Freunde, Unterstützer und Wegbegleiter! Wie schon im letzten Jahr, blicken wir auch auf 2013 in Form kleiner Schlaglichter und konkreter Geschichten zurück. Wir möchten Ihnen und Euch so die Arbeit des Hospizdienstes näher bringen.

2013: Malteser Hospizarbeit Berlin in Zahlen Russischsprachiger Hospizdienst: Koordinatorin Tamara Maier

Kinderhospiz- & Familienbegleitdienst ( KiFa): Koordinatorinnen Antje Rüger und Petra Lausch-Lehmann

17 Ehrenamtliche (eine Gruppe)

26 Ehrenamtliche (2 Gruppen)

12 Begleitungen

34 Begleitungen in Familien mit einem schwerkranken Kind oder Elternteil

Anlaufstelle für Trauernde: Koordinatorinnen: Regina Ehm & Cornelia Schütze

Außenstelle: Briesingstraße 6, Berlin-Lichtenrade

11 Ehrenamtliche

Koordinatorinnen Sabine Barz-Krause und Maxi Eggert

Unterstützung von 93 Trauernden Einzelgespräche, Trauergottesdienst, Trauergesprächskreise, Kochtreff und Picknick für Trauernde etc.

30 EA (2 Gruppen) 40 Begleitungen

…in ganz Berlin unterwegs: 3.000 Fahrten zu Privatadressen von Familien und in 39 Pflegeund Seniorenheimen in allen Berliner Stadtbezirken

Ambulanter Hospiz- & Palliativberatungsdienst 4 hauptamtliche Koordinatorinnen, Leitung: Kerstin Kurzke Regina Ehm, Tamara Maier, Lydia Lembcke 74 Ehrenamtliche (7 Gruppen), 196 Begleitungen, 120 Beratungen

Hauptstandort: Treskowallee 110, Berlin-Karlshorst

Ich wünsche Ihnen und Euch angenehmes und aufschlussreiches Lesen und freue mich auf alle Projekte und persönlichen Gespräche in diesem nun auch nicht mehr ganz neuen Jahr 2014!

Ihre und Eure Kerstin Kurzke

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Verstärkung im Hospizteam: neue Mitarbeiterinnen & Kompetenzen | |

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Cornelia Schütze ist die zweite Mitarbeiterin in der Anlaufstelle Trauer. Sie hat viel Erfahrung im Umgang mit trauernden Menschen aus ihrem vorherigen Arbeitsfeld. Lydia Lembcke war vor ihrer einjährigen Elternzeit in unserer Außenstelle Lichtenrade tätig. Sie ist Teil des Teams Erwachsenenhospizarbeit in Karlshorst und legt dabei ihren Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit Pflegeheimen. Antje Rüger, leitende Koordinatorin des Kinderhospiz- und Familienbegleitdienstes hat 2013 eine Weiterbildung zur Psychoonkologin begonnen und lässt ihr erweitertes Wissen nun in die Beratung der Familien im Familienbegleitdienst einfließen.

Drei neue Gruppen von Ehrenamtlichen haben 2013 ihre Ausbildung begonnen und abgeschlossen: 27 neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (vier neue Männer) für den Erwachsenenhospizdienst Karlshorst, Lichtenrade und den russischsprachigen Dienst, elf weitere KiFa-Ehrenamtliche befinden sich noch im Kurs – wir freuen uns, diese ab Juni in ihre ersten Begleitungen zu senden.

Cornelia Schütze

Lydia Lembcke

Räumlich erneut vergrößert Alle, die uns schon länger kennen, wundern sich vielleicht, dass wir 2013 nach nur 17 Monaten erneut umgezogen sind. Aber es war notwendig und die neue Raumsituation stellt sich für uns als großer Gewinn heraus. Der Wachstum beim Personal, ein Mehr an Ehrenamtlichen-Gruppen – alle benötigen Raum, um gut arbeiten zu können. Wir freuen uns über die zentral am S- Bahnhof Karlshorst gelegenen ca. 300m2 großen hellen Räume in der Treskowallee 110. In der neuen Dienststelle sind wir zudem nicht mehr alleine: die Räume beherbergen nicht nur unsere Dienste, sondern auch den Hausnotrufdienst und die Erste Hilfe Ausbildung der Malteser. Zusätzlich treffen sich hier die Ehrenamtlichen-Gruppen der Malteser Jugend und der Sanitäter. Wir erleben durch die neue „Ko-Existenz“ viele Synergien und spannenden Austausch.

Ausgezeichnet, Mädels! Rund 80% der in der Hospizarbeit Tätigen sind Frauen. Da verwundert es nicht, dass wir an dieser Stelle drei unserer wunderbaren Hospizbegleiterinnen vorstellen dürfen, die 2013 für ihre Arbeit ausgezeichnet wurden. Brigitte Bruckmann, die schon seit 14 Jahren zu uns gehört, erhielt die Berliner Ehrennadel für soziales Engagement. Auch Johanna Fisahn wurde vom Hospiz- und Palliativverband Berlin für ihren Einsatz in der Hospizarbeit geehrt. 2013 hat Tamara Maier den mit 1.500 Euro dotierten 2. Preis des Stiftungspreises der Deutschen Hospiz- und PalliativStiftung entgegen nehmen dürfen. Seit 2004 bilden wir russisch sprechende Hospizbegleiter für die Sterbebegleitung aus. „Die gleiche Herkunft, Sprache und Kultur wird auch für Menschen, die gut deutsch sprechen, wieder ganz wichtig, wenn sie schwerkrank sind oder um einen Angehörigen oder Freund trauern. In diesen schweren Zeiten des Lebens ist es wichtig, sich in der Sprache der Kindheit mitteilen und austauschen zu können“, erklärt Tamara Maier, die bei den Maltesern die Ausbildung und den Einsatzrussisch sprechender Hospizbegleiter koordiniert. Und auch auf diese Form der Auszeichnung sind wir stolz: ZDF neo hat über unsere Ehrenamtliche Antje Homrighausen berichtet. Im Rahmen des Magazins Bambule wurden sie und ihr Ehrenamt im Dezember 2013 vorgestellt (Foto rechts).

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Happy Birthday, Kinderhospiz- & Familienbegleitdienst Es sind die Begleitungen, die manchmal schwer auszuhalten sind. Angefangen hatte alles mit einer Anfrage der Kinderintensivpflege „Helle Mitte“, ob der Malteser Hospizdienst für die Geschwister der vom Pflegedienst betreuten schwerkranken Kinder ehrenamtliche Begleitung anbieten könnte. Aus dieser Anfrage entwickelte sich ein Dienst, der innerhalb von fünf Jahren über 120 Familien begleitet und jedes Jahr gemeinsam mit „Helle Mitte“ liebevoll gestaltete, gut besuchte Sommerfeste und Adventsfeiern für die betreuten Familien organisiert hat. Neben der Begleitung von Familien mit einem erkrankten Kind begleiten wir inzwischen immer mehr Familien mit einem sterbenden Elternteil. Die Arbeit der vergangenen fünf Jahre und das Wachsen dieses Dienstes bestätigen uns immer und immer wieder: unser aller Einsatz lohnt sich! Unsere Unterstützung in den Familien – in Form von Kinderbetreuung, Dasein und Dableiben (im Gegensatz zum Weglaufen oder gar Wegbleiben), Aushalten, Zeit gestalten und Zuhören wird als sehr hilfreich und entlastend empfunden und gerne angenommen. Geburtstage wie der unseres Kinderhospiz- und Familienbegleitdienstes im letzten Jahr sind dabei Meilensteine, die uns innehalten lassen. Berlins Diözesanleiterin Baronin Marie-Cathrin Heereman und Diözesanoberin Manuela Prinzessin Schoenaich-Carolath gratulierten dem Dienst und bedankten sich im Rahmen eines Festaktes bei den Ehrenamtlichen und den beiden hauptamtlichen Koordinatorinnen Antje Rüger und Petra Lausch-Lehmann, die den Dienst mit viel Engagement aufgebaut haben.

Auftritt der Spiegelneuronen bei der Feier zum Fünfjährigen Bestehen

Wer vom Leben eine Zitrone bekommt… …soll ja bekanntlich Limonade daraus machen! Weil uns das reservierte Tagungshaus kurzfristig absagte, waren wir gezwungen, die Planung für unser Klausur- und Wohlfühlwochenende komplett umzustürzen. Die improvisierte Lösung stellt sich rückblickend als Glücksgriff dar: der komplett arbeitsfreie Wohlfühltag mit Dampferfahrt auf der Spree sowie Improvisationstheater und Dankeschön-Buffet im Maltesersaal begeisterte unsere Ehren-amtlichen. Ähnlich gut kamen die im Spätsommer angesetzten Klausurtage an, in deren Rahmen die Koordinatorinnen und Hospizgruppen ihre Arbeit reflektierten. Statt während des Wochenendes im großen Plenum wurde nun in den bekannten Gruppen strukturiert zu den gleichen Fragen gearbeitet. Die neue Form haben haupt- und ehrenamtliche Hospizler als so fruchtbar empfunden, dass wir auch zukünftig das Wohlfühlwochenende von den arbeitsintensiven Klausurrunden trennen werden.

Sommerloch? Von wegen! Da die Trauer vor dem Sommer leider keinen Halt macht, hat unsere Anlaufstelle für Trauernde auch im letzten Jahr zum wiederholten Mal das Ferienloch gestopft und zu unserem Sommerpicknick für Trauernde eingeladen. In Zusammenarbeit mit der Trauerwegbegleitung der Diakonie waren alle Trauernde eingeladen, die über unsere Dienste begleitet werden. Mit rund 30 Gästen haben wir in der angenehmen Parkatmosphäre der Berliner „Gärten der Welt“ beisammen gesessen, die reichlich mitgebrachten Speise genossen und ungezwungen miteinander geschwatzt. Neugierige Blicke erntete die große, bunte Runde. Um das gegenwärtige Leid nicht runterzuspielen und zu signalisieren, dass sowohl Freude als auch Traurigkeit gleichberechtigt nebeneinander stehen, haben wir für Interessierte eine Gehmediation angeboten. Das im Park befindliche Labyrinth bot sich an, den eigenen Trauerweg nachzugehen, den Standort zu bestimmen oder auf das bereits Geschaffte zurückzublicken.

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Der Tod braucht keinen Reisepass Fast ist es eine Floskel – so oft bemüht und als Phänomen beschrieben, dass es ganz selbstverständlich klingt: in einer Großstadt wie Berlin leben Menschen unterschiedlichster Herkunft und Sprachen zusammen. Wesentlich seltener machen wir uns im Alltag vermutlich klar, was damit zwangsläufig einhergeht: Menschen unterschiedlichster Herkunft und Sprachen sterben auch täglich in Berlin – weit weg von ihren Wurzeln. Nachdem das Bewusstsein für kultursensibles Verhalten vor einigen Jahren Medizin und Pflege erreicht hat, beteiligen wir uns seit 2013 aktiv am Dialog mit anderen Die Ehrenamtlichen des russischHospizdiensten Berlins, um auch Möglichkeiten einer kultursensiblen sprachigen Hospizdienstes Sterbebegleitung zu erarbeiten. Nicht nur in unserem russischsprachigen Hospizangebot, sondern auch im Kinderhospiz- und Familienbegleitdienst haben wir mit zahlreichen nicht-deutschstämmigen Familien zu tun. Als Malteser haben wir mit unseren Diensten schon immer auf die besonderen Bedürfnisse der Menschen reagiert – so versteht es sich von selbst, dass wir unsere Erfahrungen in diesem Bereich weiterhin in die Überlegungen zum Thema Hospizarbeit und Migration einbringen werden. 2014 beteiligen wir uns daher an einer Studie der Charité (AG Palliativmedizin) zum Thema „hospizliche Begleitung von Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin“.

Vom Gedenken In einem feierlichen Rahmenhaben wir im November 2013 der rund 300 Verstorbenen gedacht, die wir in den vergangenen 18 Monaten begleitet haben. Seit es unseren Hospizdienst gibt, kommen wir regelmäßig als Team von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Sterbebegleitern zusammen und halten inne, erinnern uns an besondere Begleitungen, traurige und schöne Momente, Gespräche, Gesten und Begegnungen, die uns berührt haben. Rituale geben Halt. Auch für uns ist es wichtig, uns von Gewesenem zu verabschieden, um Neues angehen zu können.

Zwei starke Frauen, die uns fehlen In einem Dienst, wo das Sterben immer gegenwärtig ist, sind wir dennoch stark betroffen vom plötzlichen Tod in den eigenen Reihen. Ingrid Daberkow wusste zeitlebens, was sie wollte. Mit ihrer Entscheidung, eine Stiftung zu gründen, hat sie Mut bewiesen. Denn schon zu Lebzeiten hat sie sich sehr bewusst mit ihrem eigenen Tod auseinandergesetzt und hat festgelegt, dass ihre Unterstützung für den Kinderhospiz- und Familienbegleitdienst fortbestehen soll. Wir vermissen Ingrid Daberkow, die unsere Arbeit unterstützt und uns in ihrer positiven und resoluten Art motiviert und beflügelt hat. Wir sind dankbar, dass wir Ingrid Daberkow bis zu ihrem Tod im August 2013 begleiten durften. Im Namen aller Trauernden, die durch die Ingrid Daberkow Stiftung bereits Unterstützung erfahren haben sowie derer, die in den kommenden Jahrzehnten von ihrem selbstlosen und großherzigen Entschluss profitieren werden, sagen wir von Herzen: Danke! Mit Freya Ojeda haben wir Anfang 2014 vollkommen unerwartet eine langjährige und hoch engagierte Ehrenamtliche verloren. Wir sind alle erschüttert über ihren plötzlichen Tod, der sie im Alter von 67 Jahren aus ihrer Familie und aus ihren vielen Ehrenämtern gerissen hat. Noch nie wurde unser Hospizteam so unvermittelt mit dem Tod in den eigenen Reihen konfrontiert. Freya hat ihr Leben und all ihre Aufgaben immer kompromisslos und voller Energie in Angriff genommen. Nach einem persönlichen Schicksalsschlag kam Freya 1999 zu uns und hat seitdem in der ihr eigenen und unnachahmlich zupackend-herzlichen Art diesen Dienst mitgeprägt - bis zuletzt. Wir alle, die wir immer wieder miterleben durften, wie viel Freya Ojeda den Menschen, die sie selbst begleitet hat, gegeben hat, vermissen sie und sind dankbar, eine so starke Frau gekannt zu haben. Danke, Freya!

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Hospizarbeit zwischen zwei Buchdeckeln Jahresrückblick 2013 komplett

„Es tut so gut, mit Dir zu sprechen“ – unter diesem Titel wird im Herbstprogramm des Bebra-Verlages unser Buchprojekt Realität werden. Enthalten wird es ganz persönliche Geschichten über die Arbeit im Hospizdienst; wie jene von Antje und Antje über die Sargbemalung für den verstorbenen Familienvater… Ihm hätte das so gut gefallen Draußen vor dem Fenster saust Leon mit seiner roten Plastikschaufel Richtung Sandkiste. Hinter ihm jagt Fritz, der Familienterrier, über den Rasen. Annika sitzt auf der Schaukel, weiße Stöpsel in den Ohren, und nickt rhythmisch mit dem Kopf. „Sie ist schon zwölf“, sagt Frau Sperling, „der Kleine erst vier.“ Ihr Blick folgt dem Sohn, der seine Schaufel rücksichtslos in einen Geranienkübel stößt. Blütenblätter rieseln. Er pickt sie mit spitzen Fingern auf. „Was wäre denn für die Kinder besser?“, fragt Frau Sperling. „Eine Sarg- oder eine Urnenbestattung?“ Die Frage trifft mich ohne Vorwarnung. Neben mir sitzt Klaus Sperling, der Familienvater, in seinem Pflegebett. Der Krebs hat ihn schon deutlich gezeichnet, es geht um seine Beerdigung. Im ersten Moment weiß ich nicht, wie ich reagieren soll. Dann sehe ich ihn nicken. „Keine Sorge“, sagt er, „wir haben schon darüber gesprochen, es muss ja sein.“ Auch seine Frau nickt. Meine Anspannung lässt nach. Wir reden über die verschiedenen Bestattungsformen, wägen Vor- und Nachteile ab. Draußen zieht Leon mit den Blütenblättern unter seinem Zeigefinger rote Linien auf den Terrassenboden, bis ein fünfbeiniges Tier entstanden ist. „Er malt gern“, sagt Herr Sperling. „Genau wie du“, sagt seine Frau. So kommt unser Gespräch erstmals auf die Möglichkeit einer Sargbemalung. Es gibt so viele Varianten, Abschied zu nehmen. So viele Möglichkeiten, sich gemeinsam zu erinnern und Erinnerungen zu bewahren. Ein paar Wochen später ruft Frau Sperling mich an. „Also, wir würden das gerne machen“, sagt sie, und ihre Stimme klingt matt, aber gefasst. „Mein Mann ist heute gestorben. Wir würden gern seinen Sarg bemalen.“ Ich weiß, dass sie ihre Entscheidung sorgfältig erwogen hat. „Sie möchten das... selber tun?“, frage ich vorsichtig. „Ja, ich glaube, das wird uns helfen“, sagt sie. Und nach einer Pause: „Ich hoffe, dass es uns hilft.“ Also rufe ich Antje an. Sie ist Künstlerin, Sargmalerin, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospizdienstes. „Könntest du dir das vorstellen“, frage ich, „den Sarg mit den Hinterbliebenen gemeinsam zu bemalen? Sie dabei anzuleiten? Zu begleiten? Hast du damit Erfahrungen?“ Am anderen Ende der Leitung höre ich Antje einatmen. „Nein“, gesteht sie, „keine Erfahrungen.“ Aber es klingt nicht ablehnend, nur nachdenklich. Ich kenne ihre Arbeiten gut. Särge und Urnen hat sie schon viele bemalt, aber nicht mit den Hinterbliebenen zusammen. „Wie läuft das denn normalerweise?“ „Wir reden vorher darüber“, erklärt sie, „und suchen ein Motiv aus. Manche Auftraggeber schicken mir eine Fotovorlage.“ „Aber würdest du auch zusammen mit der Mutter und den beiden Kindern...?“ „Ja, schon“, sagt Antje. „Warum nicht?! Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.“ Offenbar hat sie sich inzwischen mit ihren Bedenken auseinandergesetzt. „Haben sie sich denn schon einen Sarg ausgesucht?“ Mir fällt ein Stein vom Herzen. „Entschieden hab’ ich ganz spontan“, erzählt Antje mir später. „Aber nach unserem Telefonat gingen mir plötzlich tausend Fragen durch den Kopf...“ Wie soll sie die gemeinsame Malerei gestalten? Was lässt sich vorbereiten? Kann man so etwas überhaupt planen? Wie soll sie mit der Trauer der Familie umgehen? Kann sie das aushalten? Wie werden die Kinder beim Anblick des Sarges reagieren? Und in welcher Gemütsverfassung werden sie alle sein? „Ich bin richtig aufgeregt“, gesteht sie, „und sehr gespannt, wie’s laufen wird! Wir haben schon einen Termin verabredet. Morgen wird der Sarg geliefert, und dann kommen sie alle zu mir ins Gartenatelier. Du doch auch, oder...?“ Ja. Und auch ich bin sehr gespannt.

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Auf dem Rasen liegt Fritz, der Terrier, hat alle Viere weit von sich gestreckt, und hechelt. Es ist heiß heute. Der Sarg steht aufgebockt an einem schattigen Plätzchen im Garten. Im Regal reihen sich Farbtöpfe und Werkzeuge. Wir sitzen am Tisch und planen die Gestaltung. Leon hat mit seinen vier Jahren natürlich noch keine Ahnung, was eine Skizze ist. Aber er weiß, was er malen will: „Einen großen Regenbogen!“ Auch einen enorm großen Pinsel hat er sich schon ausgesucht. Nun kann er kaum erwarten, dass es mit der Malerei endlich losgeht. Annika hat sich überlegt, dass sie das Kopf- und Fußende mit Blumen bemalen möchte. „Kannst du mir dabei helfen?“, fragt sie Antje und zupft ihr T-Shirt zurecht. „Ich trau mich nicht so richtig ...“ Antje nickt. „Klar. Dafür bin ich ja da.“ Die Mutter möchte ein Ferienmotiv aus dem letzten gemeinsamen Urlaub malen. Dazu passt auch die Schwedenfahne, die auf den Deckel soll. An der können später alle gemeinsam arbeiten. Der Plan ist skizziert, jetzt geht es los. Leon taucht seinen enormen Pinsel in die Farbe und kleckert munter drauf los. Es dauert nicht lange, und er hat Spuren sämtlicher Regenbogenfarben im Gesicht. Später stößt noch eine Freundin der Familie dazu und setzt mit zarten Strichen einen Kolibri auf den Regenbogen. Antje mischt Farben, druckt Vorlagen aus dem Internet aus, malt die Motive vor, hilft Annika bei ihrer Sonnenblume. Und ich? Ich schaue zu und staune. Da sitzen wir nun alle zusammen um den Sarg. Die Stimmung ist ruhig, fast entspannt. Ich habe das Gefühl, als geschehe hier das Normalste von der Welt: Die Familie malt gemeinsam ein Bild für den verstorbenen Vater nur eben nicht auf Papier. Wer eine Pause braucht, legt sich ins Gras. Die Kinder toben zwischendurch auf dem Spielplatz. Mittags bringt der Lieferservice Thailändisches Essen. Danach ist die Sonne gewandert und es muss ein neuer Schattenplatz für den Sarg gesucht werden. Alle fassen mit an. Oft gibt es etwas zu Lachen. Und es wird viel über den Verstorbenen gesprochen. „Ihm hätte das so gut gefallen“, sagt Frau Sperling, die ganz konzentriert an ihrem schwedischen Ferienhäuschen malt. Zum Schluss taucht jedes Familienmitglied seine Hände in die Farbe und drückt sie auf den Sarg. Sogar Fritz, der Terrier, bekommt Farbpfoten und viel Beifall, als er damit über den Sargdeckel läuft. Das Gemälde zum Abschied ist fertig. Was für ein Tag, denke ich, als die Sonne hinter den Bäumen verschwindet. So friedlich und schön. ... diese und viele andere Geschichten sind ab September 2014 im Buchhandel oder direkt bei uns im Hospizdienst erhältlich! Bestellungen nehmen wir ab sofort gerne entgegen! „Es tut so gut, mit Dir zu sprechen“ Bebra-Verlag, 9,90 €

Zum Abschluss – ein Wort des Dankes „Ihr seid eine so große Stütze gewesen“, „Ihr habt uns getragen“- manchmal erreichen uns im Anschluss an Begleitungen Briefe dankbarer Angehöriger. Natürlich freuen uns Bekundungen, wie diese. Doch auch wir sind GETRAGEN und möchten es daher nicht versäumen, Dank zu sagen: dieser Dienst ist, was er ist, durch die Hilfe der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter, durch unseren wortwörtlichen Träger, den Malteser Hilfsdienst, durch die Zusammenarbeit mit unseren zahlreichen Kooperationspartnern, durch die Netzwerke und Spender. Es sind tausende Beiträge einzelner, die unseren Dienst gelingen lassen. Nur ein Beispiel für die Unterstützung, die WIR erfahren: wenige Tage nach unserem Einzug in die neuen Räume spricht uns ein Maler an. Er berichtet, wie wichtig er unsere Arbeit findet und fragt an, ob er uns unterstützen dürfe – rein praktisch: so verdanken wir ihm nun eine rote Wand mit Malteserlogo.

Hospiz- und Palliativberatungsdienst Berlin | Jahresrückblick 2013

Malteser Hilfsdienst e.V. | Diözese Berlin Hospiz- und Palliativberatungsdienst Treskowallee 110 10318 Berlin (030) 65 66 178 – 25 [email protected] www.malteser-berlin.de Spendenkonto: PAX Bank | Kto. 120 120 120 BLZ 370 60 120 | Stichwort Hospizarbeit

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