H.G.Wells "Die Zeitmaschine" als Spiegel der Zeit

Germanistik C. Köhne H.G.Wells "Die Zeitmaschine" als Spiegel der Zeit Studienarbeit 1. Einleitung .................................................
Author: Ulrike Hertz
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Germanistik

C. Köhne

H.G.Wells "Die Zeitmaschine" als Spiegel der Zeit

Studienarbeit

1. Einleitung ............................................................................................................................... 2 1.2 Einordnen in den gesellschaftlichen Kontext .................................................................. 3 1.1.1 Eloi und Morlocks als Klassenvertreter der Industrialisierung ............................... 4 1.2.1 Die Theorien des Zeitreisenden............................................................................... 6 1.2 Große wissenschaftliche Fortschritte im Bereich der Mobilität...................................... 8 1.3 Die Brücke zum Darwinismus ...................................................................................... 10 2. Schlussbetrachtung ............................................................................................................... 12 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 13

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1. Einleitung Zeitreisen hat es immer schon gegeben, in Märchen, Mythen und Legenden.1 Der Roman Die Zeitmaschine von H.G. Wells erschien 1895 bei Heinemann in London und brachte ein ganzes Heer von Tüftlern, Physikern, Exzentrikern und Autoren auf den Plan, die nun eigene Maschine in die Welt zu setzen.2 Das Paradox der Zeitreise steht am Beginn einer ganz neuen literarischen Untergattung, die unter dem Motto „Was wäre, wenn?“ angetreten ist. Im 20. Jahrhundert wird nicht nur die Science Fiction, sondern auch die Geschichtsschreibung selbst von diesem Spieltrieb erfasst.3 Diese neue Gattung fasst auch Wells in seiner Zeitmaschine auf, welche auf einer von ihm verfassten und 1888 veröffentlichten Geschichte aufbaut: The Chronic Argonauts. Er hat sie wenig später verworfen „und alle Exemplare vernichtet, deren er habhaft werden konnte.“4 Diese Reaktion lässt sich aufgrund der Tatsache erklären, dass The Chronic Argonauts viel konkreter und realitätsnäher gestaltet wurde als Die Zeitmaschine.5 „Nach The Chronic Argonauts schrieb Wells mindestens sechs Versionen der Zeitreisegeschichte, bevor er die heute bekannte Fassung von der Zeitmaschine von 1895 abschloss.“6 Die Erzählung der Zeitmaschine beginnt weder im Weltall, noch in einer Zukunftswelt, sondern im England unter der Herrschaft Queen Victorias. Auf den ersten Seiten spielt sich die Handlung in der Bibliothek des Zeitreisenden ab, dessen Namen dem Leser nie bekannt wird. Der Zeitreisende hat Besuch von einer Herrengesellschaft, zu welcher der Ich-Erzähler, also der Zeitreisende, selbst zählt, und noch vielen weiteren, wie zum Beispiel einem Arzt und dem Bürgermeister. Die Diskussion der Anwesenden dreht sich um die Möglichkeit einer Reise durch die Zeit, die durch die Demonstration und Vorführung eines kleinen Modells der Zeitmaschine ausgelöst wird. Dieses Modell hat der Zeitreisende, eigenständig konstruiert. In seinem eigentlichen Labor können die Besucher dann die schon fast fertig gestellte, große Zeitmaschine bewundern. Mit dieser möchte der Ich-Erzähler die Zeit erforschen. Beim zweiten Besuch der Herrengesellschaft wartet man auf die Rückkehr des Zeitreisenden, der plötzlich mit zerfetzter Kleidung auftaucht und trotz Verletzungen gierig über das Abendessen herfällt. Danach setzt er sich im „Raucherzimmer“ nieder und beginnt, seine Geschichte zu erzählen. Auf seiner Zeitreise in das Jahr 802.701macht er viele neue Entdeckungen und versucht diese Erfahrungen mit Hilfe seines mitgebrachten Wissens

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Schenkel, Elmar: H.G. Wells. Der Prophet im Labyrinth. Wien 2004. S. 79. vgl. Ebd. S. 68. 3 vgl. Ebd. S. 80 4 Ebd. S. 85. 5 vgl. Ebd. S. 85/86. 6 Ebd. S. 86. 2

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aus dem 19. Jahrhundert zu erklären und muss des Öfteren feststellen, dass er mit seinen aufgestellten Theorien, doch nicht ganz Recht hat und dass diese Zukunftswelt sich in ihren Grundzügen kaum von seiner eigenen unterscheidet. Diese Widerspiegelungen der eigenen Zeit in der Zukunftswelt kann besonders gut an den zwei verschiedenen Menschenrassen Eloi und Morlocks, welche das Bürgertum beziehungsweise die Arbeiterklasse verkörpern, dargelegt werden. Des Weiteren basieren vor allem die Theorien des Zeitreisenden auf dem wissenschaftlichen Vorgehen seiner Zeit und somit versucht er auch mit Vergleichen zur eigenen bekannten Gesellschaft diese neue Gesellschaftsform zu definieren. Der Titel „Die Zeitmaschine“ impliziert geradezu den wissenschaftlichen Fortschritt, durch den das späte 19. Jahrhundert geprägt wurde. Vom Fortschrittsgedanken ausgehend findet man schließlich die „Brücke zum Darwinismus“, welcher im Roman durch die Degeneration und Spaltung des Menschen in zwei verschiedene Rassen stark in Erklärungsnot geraten könnte. Unter den Literaturwissenschaftlern ist man sich heute ziemlich einig, dass Wells Zeitmaschine nicht eine zukünftige Welt, sondern die eigene, vom Scheitern bedrohte Welt, darstellen sollte. 1.2 Einordnen in den gesellschaftlichen Kontext In Wells Zeitmaschine kommt vor allem das Endzeitgefühl des Fin de Siècle in England zur Geltung.7 Obwohl es so scheint, als ob die Zeitreise den Mittelpunkt des Geschehens darstellen soll, ist dem nicht der Fall. Denn Schenkel beschreibt in seinem Werk H.G. Wells Der Prophet im Labyrinth, dass die Dekadenzstimmung und apokalyptische Befindlichkeit der Jahrhundertwende in der Zeitmaschine ins Kraut geschossen seien.8 Er stellt sich und uns die Frage: „Aber geht es in der Zeitmaschine wirklich um Zeit? Die Diskussion über Raum und Zeit macht die Zeit zwar zum Thema, doch spielt Zeit nicht mehr dieselbe Rolle auf der Reise in die Zukunft, die ja zum Aufenthalt wird und nur ein Fenster darstellt zu einer anderen Phase der Gesellschaft.“9 Diese andere Phase der Gesellschaft ist genau diejenige, auf die der Zeitreisende im Jahre 802.701 trifft. Trotz der großen Entwicklung, die in den vielen Jahrtausenden vonstatten hätte gegangen sein müssen, ist die vom Zeitreisenden besuchte Welt nicht allzu sehr verschieden von dessen eigener Gesellschaft.

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