Haftung H f in der d Alten‐ pflege
Altenpflegerin vor Gericht Altenpflegerin vor Gericht • • • • • • •
Wohnbereichsleiterin, 29 Jahre Wohnbereichsleiterin 29 Jahre Anklage der Staatsanwaltschaft vor dem Amtsgericht Schwelm wegen fahrlässiger Körperverletzung Vorwurf: Unterlassung notwendiger Pflegemaßnahmen an einer Unterlassung notwendiger Pflegemaßnahmen an einer 87jährigen Bewohnerin von Februar bis Mai 1996 ohne dem Arbeitgeber ihre Überlastung mitzuteilen Schaden: massive Dekubitalgeschwüre massive Dekubitalgeschwüre an Gesäß und Ferse an Gesäß und Ferse Verteidigung: PDL, medizinischer Leiter und Einrichtungsträger seien auf die „untragbare“ Personalsituation aufmerksam gemacht worden Problem: Kein Nachweis Verhandlung: 5 Stunden mit 6 Zeugen Richter: Sie haben nicht massiv genug interveniert! Es habe an einer schriftlichen Anzeige gefehlt. Vergleich: Gefahr einer Gefängnisstrafe, Vorschlag: 2000 DM und Einstellung des Verfahrens
Zeitdruck und Überforderung d k d Üb f d 73 %
der Beschäftigten bleiben unter Zeitdruck länger am Arbeitsplatz länger am Arbeitsplatz 62 % verzichten auf Pausen 35 % verkürzen nach eigener Einschätzung auf 35 % verkürzen nach eigener Einschätzung auf riskante Weise die Arbeitsschritte, wenn es „eng“ wird 16 % nehmen dann sogar Arbeit mit nach Hause aus einer Studie des Instituts zur Erforschung sozialer Chancen (ISO)
Mögliche Pflegefehler und Mögliche Pflegefehler und ‐risiken bei Personalmangel • Dekubitus, Kontrakturen, Intertrigo, Pneumonie aufgrund unzureichender Prophylaxe g p y • Infektionen durch fehlerhafte Pflege (z.B. „Katzenwäsche“), mangelnde Hygiene und unzureichende Schutzkleidung • Austrocknung und Mangelernährung Austrocknung und Mangelernährung • Stürze und Verirrungen durch unzureichende Aufsicht und Sorgfalt • Myoklonische Anfälle durch plötzliches und zu frühes Wecken • Beschneidung von Freiheiten und des Selbstbestimmungsrechtes z B durch Fixierung Selbstbestimmungsrechtes z.B. durch Fixierung
Weitere Fehler Weitere Fehler • Kooperationsfehler i f hl g → Kommunikationsmängel → Koordinationsmängel → Qualifikationsmängel → Qualifikationsmängel → Kompetenzabgrenzungsmängel → Dokumentationsfehler Aufklärungsfehler • Aufklärungsfehler z.B. Aufklärung zu Gefahrenquellen
Schutzgesetze für die g Bewohner(innen) • Grundgesetz Schutz der verankerten Rechtsgüter: ‐ Leben ‐ Körper ‐ Gesundheit ‐ Freiheit ‐ Eigentum • Pflegeversicherungsgesetz • Arzneimittelgesetz • Wohn‐ und Teilhabegesetz NRW • Medizinproduktebetreiberverordnung
Strafrechtliche Haftung Strafrechtliche Haftung Verwirklichung eines Straftatbestandes i kli h i f b d g p g 229 StGB • fahrlässige Körperverletzung § • Aussetzung § 221 StGB • Freiheitsberaubung § Freiheitsberaubung § 239 StGB 239 StGB Folgen: • Verurteilung vor Strafgericht • Geldstrafe • Freiheitsstrafe
Fachlicher Vorbehalt Fachlicher Vorbehalt •
•
• • •
•
Der Träger hat Organisationsfreiheit in seinen Organisationsstrukturen darf und muss Der Träger hat Organisationsfreiheit in seinen Organisationsstrukturen, darf und muss Einzelheiten der Arbeitsleistung nach ‐ Art ‐ Ort und Zeit in eigenem Ermessen ‐ Zeit in eigenem Ermessen einseitig bestimmen (Direktionsrecht) Die Fachaufsicht (z.B. Pflegedienstleitung, Hauswirtschaftsleitung) hingegen trägt die Verantwortung für die Anordnung und Durchführung konkreter fachlicher Aufgaben. Für Führungskräfte besteht eine Organisationspflicht. So kann z.B. die PDL die Pflege zwecks g g p g Risikominderung von sachfremden oder sekundären Tätigkeiten entlasten. In Ausnahmefällen besteht ein Verweigerungsrecht gegenüber dem Anordnenden. Die Organisationsfreiheit des Trägers findet u.a. eine ihrer Grenzen im individuellen Fachvorbehalt des einzelnen Beschäftigten. g Der individuelle Fachvorbehalt kann geltend gemacht werden, wenn der einzelne mit der Übernahme der ihm übertragenen Aufgaben überfordert ist, sie nicht ausreichend beherrscht oder die Anordnung z.B. vorhandenen Pflegestandards, allgemeinen wissenschaftlichen g g Erkenntnissen sowie Grund‐ und Menschenrechten der Bewohner entgegen steht. Der individuelle Fachvorbehalt kann sich lediglich auf die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme beziehen, die Zweckmäßigkeit hingegen wird von der Führung festgelegt (z.B. bei Einführung von Pflegestandards).
Es haftet immer der der es tut Es haftet immer der, der es tut Durch die Durchführungsverantwortung der D h di D hfüh d Pflegekräfte wird die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt. Ebenso einschränkend für den Arbeitgeber wirkt: • das in den Mitarbeiter gesetzte Vertrauen • der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit • die präzise Verteilung von Aufgaben und Pflichten • Das Kriterium der voraussetzbaren Beherrschbarkeit des Arbeitsgebietes (fachlich, und in geeignetem Umfang)
Zivilrechtliche Haftung Zivilrechtliche Haftung • deliktische Haftung § 823 BGB vertragliche Haftung • vertragliche Haftung Folge: Verurteilung vor Zivilgericht • Verurteilung vor Zivilgericht • Schadenersatz und/oder • Schmerzensgeld
Anspruchsteller und nehmer Anspruchsteller und ‐nehmer • Bewohner/in → Einrichtungsträger • Bewohner/in → Beschäftigte/r • Arbeitgeber → Beschäftigte/r • Arbeitgeber b b → Betriebshaftpflichtversicherung p g
Haftung gegenüber dem Bewohner ZZunächst haftet der Träger der Leistung ä h t h ft t d T ä d L it • aus Vertrag auch für die Beschäftigten (z.B. gemäß § 278 BGB, es sei denn der Beschäftigte verstößt gegen seine vertraglichen Pflichten.) • aus unerlaubter Handlung auch für die Beschäftigten l bt H dl h fü di B häfti t • aber: Entlastungsbeweis (§ 831 BGB) bei unerlaubter Handlung möglich! = Nachweis der ordnungsmäßigen Auswahl des Beschäftigten Di B häfti t h ft Die Beschäftigten haften • aus unerlaubter Handlung • aber: nicht aus Vertrag Der/Die Bewohner(in) kann gegen Einrichtungsträger und Beschäftigten • auf Schadenersatz und Schmerzensgeld klagen • wahlweise gegen jeden oder gegen beide gemeinsam • aber: Zahlung nur einmal!
Haftungsumfang Schadenersatzansprüche: • Heilungskosten • vermehrte Bedürfnisse • zukünftiger materieller Schaden • Rechtsverfolgungskosten R ht f l k t • Ansprüche Dritter nach Tod Schmerzensgeldansprüche: • "billige Entschädigung in Geld" • sind übertragbar und vererblich • einmalige Kapitalzahlung oder Rente Verjährung: • Verlust eines Anspruches durch Zeitablauf • Frist : grundsätzlich 3 Jahre, Höchstfrist 30 Jahre Frist : grundsätzlich 3 Jahre, Höchstfrist 30 Jahre • gilt für alle Schadenersatz‐ und Schmerzensgeldansprüche • bei Verletzung von Leben, Körper, • Gesundheit und Freiheit Gesundheit und Freiheit
Haftung im TV AWO NRW Haftung im TV AWO NRW •
• • •
•
Verletzen die Beschäftigten bei der beruflichen Teilnahme am allgemeinen Verletzen die Beschäftigten bei der beruflichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr grob fahrlässig oder vorsätzlich ihre Arbeitsverpflichtungen, so haften sie dem Arbeitgeber gegenüber für den entstandenen Schaden nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen. Außerhalb der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr haften die Beschäftigten für eine nur leicht fahrlässige Verletzung ihrer Arbeitsverpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber nicht. Für eine weitergehend fahrlässige Verletzung ihrer Arbeitsverpflichtungen haften Für eine weitergehend fahrlässige Verletzung ihrer Arbeitsverpflichtungen haften die Beschäftigten dem Arbeitgeber gegenüber bis zur Hälfte des entstandenen Schadens, maximal jedoch in Höhe von zwei regelmäßigen Bruttomonatsentgelten. Die Beschäftigten können bei nicht grob fahrlässiger oder nicht vorsätzlicher Verletzung ihrer Arbeitsverpflichtungen von Schadensersatzansprüchen freigestellt Verletzung ihrer Arbeitsverpflichtungen von Schadensersatzansprüchen freigestellt werden, die gegen sie aus Anlass der beruflichen Tätigkeit von Dritten geltend gemacht werden. Die Beschäftigten sind im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten freizustellen, wenn und soweit der Arbeitgeber gegenüber dem Dritten für di S h d die Schadensersatzansprüche ebenfalls haftet. t ü h b f ll h ft t Die vorstehenden Haftungsregelungen beziehen sich auf betrieblich veranlasste Tätigkeiten.
Betriebshaftpflichtversicherung • Abschluss befreit nicht völlig von jeder Haftung! • Abschluss befreit nicht von persönlicher Inanspruchnahme zahlt Versicherung nicht, dann hat Bewohner/in • zahlt Versicherung nicht, dann hat Bewohner/in Anspruch gegen Schädiger/in • problematische Fälle: Außergerichtliche Regulierung problematische Fälle: Außergerichtliche Regulierung eines Teil des Schadens durch Versicherung und Verweigerung jeder weiterer Zahlung Verweigerung jeder weiterer Zahlung
Pflegedokumentation • nur lästiger Papierkrieg ? lä i P i ki ? • erhebliche Bedeutung im Zivilprozess! • lückenhafte oder unvollständige Pflegedokumentation führt lückenhafte oder unvollständige Pflegedokumentation führt zur Beweiserleichterung für Bewohner/in • Vermutung, dass das, was nicht dokumentiert wurde, auch Vermutung, dass das, was nicht dokumentiert wurde, auch nicht durchgeführt wurde • Schlussfolgerung, dass das, was nicht dokumentiert wurde, Ursache für eingetretenen Schaden bildet h f h d b ld • kann die in Anspruch genommene Partei keine Pflegedokumentation vorlegen geht das prozessual zu ihren Pflegedokumentation vorlegen, geht das prozessual zu ihren Lasten
Arbeits und Strafrecht Arbeits‐ und Strafrecht • entweder Verweigerung und Unterlassung einer d V i dU l i angeordneten aber nicht berechtigten Pflegemaßnahme mit arbeitsrechtlichen Folgen wie z B mit arbeitsrechtlichen Folgen wie z.B. ‐ Ermahnung bzw. Abmahnung, ‐ Strafversetzung, ‐ Überprüfung und Kontrolle der Arbeit ‐ Kündigung • oder, wenn ich es tue, und es passiert was d i h d i ‐ Anzeige strafrechtliche Ermittlungen ‐ strafrechtliche Ermittlungen ‐ Anklage ‐ Verurteilung
Anzeigepflicht Die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren i h fi i d fli h h ih Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Die Beschäftigten haben auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. § 15 Abs. 1 ArbSchG
Entlastungsanzeige Wenn ein Beschäftigter zu der Auffassung gelangt, dass eine W i B häfti t d A ff l t d i bestimmte Situation nicht mehr bewältigt bzw. verantwortet werden kann, bestehen folgende Handlungsmöglichkeiten: werden kann, bestehen folgende Handlungsmöglichkeiten: • die Arbeit immer antreten • die Durchführung solcher Aufgaben sicherstellen, die das L b Leben und die Gesundheit des Bewohners erhalten d di G dh i d B h h l ‐ allgemeine / spezielle Nahrung anbieten bzw. verabreichen ‐ Getränke anbieten bzw. verabreichen ‐ Überwachung der Vitalzeichen Ü ‐ Beaufsichtigung ‐ Prophylaxen • abweichende Pflege (alle pflegerischen Maßnahmen gemäß Pflegeplanung, die nicht oder nicht vollständig durchgeführt werden) dokumentieren werden) dokumentieren • Entlastungsanzeige schreiben
Inhalte einer Entlastungsanzeige Inhalte einer Entlastungsanzeige • • • • • • • • • • • • • • •
Adressaten: direkt Vorgesetzte, PDL, Betriebsrat, Qualitätsbeauftragt Adressaten: direkt Vorgesetzte PDL Betriebsrat Qualitätsbeauftragt Überschrift: Gefahrenanzeige Datum Namen der Beschäftigten betroffener Wohnbereich Konkrete Beschreibung der kritischen Situationen Anzahl der zu betreuenden Bewohner, Pflegestufen und –aufwand Erforderliche Mindestbesetzung um alle notwendigen Aufgaben zu schaffen und Erforderliche Mindestbesetzung, um alle notwendigen Aufgaben zu schaffen, und tatsächliche Personalbesetzung (Zahl und Qualifikation) Überlastungsmerkmale wie z.B. keine Pausen, Verlängerung der Arbeitszeiten, Ursachen hoher Arbeitsbelastung, Arbeitsunfähigkeiten Konkrete Beschreibung der Versorgungsmängel Konkrete Beschreibung der Versorgungsmängel Aufzählen der Arbeiten, die nicht erledigt werden können oder vorrangig vorgenommen werden Hinweise auf schon zuvor erfolgte Bemühungen gegenüber Vorgesetzten Forderung von Abhilfemaßnahmen Verlangen, dass die Anzeige in einer Sachakte aufbewahrt werden soll Unterschrift
Sinn und Zweck Sinn und Zweck • Erfüllung der aus dem Arbeitsvertrag und g gesetzlichen Vorschriften resultierenden Treue‐ und Nebenpflichten • Entlastung im Falle strafrechtlicher oder Entlastung im Falle strafrechtlicher oder zivilrechtlicher Folgen • Abhilfebegehren
M ß h Maßnahmen des Arbeitgebers d A b it b • D Dringlichkeit der Erledigung von Aufgaben i li hk it d E l di A f b festlegen • Arbeitsorganisation verbessern • kurzfristig Überarbeit anordnen. kurzfristig Überarbeit anordnen mittelfristig Arbeitszeit von Beschäftigten aufstocken und f k d langfristig Neueinstellungen oder Versetzungen aus anderen Wohnbereichen oder Einrichtungen des Trägers oder Einrichtungen des Trägers