Heutiges Verstehen der Offenbarung des Johannes (Biblisch e Theologie)

Emer. O.Prof. J. Kremer SS 1998 Heutiges Verstehen der Offenbarung des Johannes (Biblische Theologie) 106 028; 2st.; VO Zusatzlektüre zur Prüfung (...
Author: Björn Raske
12 downloads 1 Views 481KB Size
Emer. O.Prof. J. Kremer

SS 1998

Heutiges Verstehen der Offenbarung des Johannes (Biblische Theologie) 106 028; 2st.; VO

Zusatzlektüre zur Prüfung (nicht jedes kleinste Detail muß gekannt werden, wohl aber die großen Linien): Greshake G., Kremer J., Ressurrectio mortuorum, S. 1-100.

INHALTSVERZEICHNIS 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 2.1. 2.2. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 4.1. 4.2. 5.1. 5.2. 5.3.

7.1. 7.2. 7.3. 8.1. 8.2. 8.3. 9.1. 9.2. 9.3.

1.

VORFRAGEN

3

2.

VORWORT UND PRÄSKRIPT

5

3.

Gliederung / Struktur Erklärung der einzelnen Textelemente Bestimmung der Gattung (Problem der Erlebnisechtheit) Bibeltheologische Aussage

DIE BERUFUNGSVISION (1,9-20)

8

8 8 9 10

4.

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN (KAP. 2-3)

10

5.

DIE VISION DER SIEBEN SIEGEL (4,1-8,1)

12

6.

ÜBERBLICK ÜBER DIE VISIONEN UND SCHILDERUNGEN IN 8,2-11,19

17

7.

DAS GROßE ZEICHEN DER FRAU UND DAS ZEICHEN DES DRACHEN (12,1-18)

18

8.

DIE BEIDEN TIERE (13,1-18)

22

9.

DIE VISION DES LAMMES UND DER 144.000 AUF DEM BERG SION (14,1-5)

25

Überblick über das Buch Apokalypsen, Apokalyptik und Offenbarung des Johannes Verfasser und Abfassungsweise Auslegungsgeschichte Vorwort (1,1-3) Präskript (1,4-9)

3 3 4 5 5 6

Struktur und Gattung (Einleitung, Botenformel, ”ich kenne”, Weckruf, Überwinderspruch) Bibeltheologische Aussage Die Huldigung vor dem Thron Gottes (4,1-11) Das Buch mit den sieben Siegeln und das Lamm (5,1-14) Die Öffnung der sieben Siegel (6,1-8,1)

Gliederung und Texterklärung Gattungsbestimmung und motivgeschichtliche Überlegungen Bibeltheologische Aussage Kontext und Gliederung Texterklärung Bibeltheologische Aussage

10 11 12 14 15

18 20 21 22 23 24

Kontext 25 Texterklärung Bibeltheologische Aussage

25 27

-1-

10.

DIE BOTSCHAFT DER DREI ENGEL UND DIE STIMME AUS DEM HIMMEL (14,6-13)

27

11.

DIE VISION DER DOPPELTEN ERNTE (14,14-20)

29

12.

DIE VISION DER 7 ZORNESSCHALEN (15-16); DER FALL BABYLONS (17-18)

30

13.

HYMNUS UND SCHLUßNOTIZ ÜBER DEN SCHREIBER (19,1-10)

31

14.

DER SIEG DES LOGOSREITERS ÜBER DAS TIER UND DESSEN PROPHETEN (19,11-21)

34

15.

FESSELUNG DES DRACHEN, 1000-JÄHRIGES REICH, ENDGÜLTIGER STURZ SATANS, ENDGERICHT (20,1-15)

35

16.

DAS NEUE JERUSALEM (21,1-22,5)

37

17.

POSTSKRIPT (22,6-21)

39

10.1. Texterklärung 10.2. Bibeltheologische Aussage 11.1. Texterklärung 11.2. Theologische Aussage 12.1. 12.2. 12.3. 12.4.

Vorbereitung der Schalenvision (Kap. 15,1-8) Außgießung der 7 Schalen (16,1-21) Bild der Hure Babylon und Bericht über ihren Untergang Bibeltheologische Aussage von Kap. 15-18

13.1. Gliederung 13.2. Einzelerklärung 13.3. Bibeltheologische Aussage 14.1. Texterklärung 14.2. Theologische Aussage 15.1. 15.2. 15.3. 15.4.

Kontext und Gliederung Texterklärung Überlegungen zu Textsorte und Motivgeschichte Bibeltheologische Aussage

16.1. Texterklärung 16.2. Bibeltheologische Aussage

27 28 29 29 30 30 30 31 31 32 33 34 35 35 35 36 37 37 39

-2-

1. Vorfragen 1.1. Überblick über das Buch Die Offenbarung (Offb) nimmt im NT eine Sonderstellung ein. Sie ist vermutlich nicht das jüngste Buch (2 Petr), stammt aber etwa aus der Zeit Ende des 1. Jhs. Sie wurde anfangs nicht überall, v.a. nicht in den Kirchen des Ostens, als kanonisch angesehen. Was den Aufbau betrifft, gibt es einige Gliederungsmerkmale. Der Text ist aber auch sehr verwirrend. Das Modell der Gliederung auf dem Materialblatt ist von Schüsser-Fiorenza. Das Proömium (1,1-8) soll einem Abschluß in 22,6-21 entsprechen. Die sieben Sendschreiben sieht sie als eine Parallele zum Ende des Buches. Dem stimmt Kremer nicht ganz zu. Dann folgt ein dreigliedriger Teil im Zentrum. Kap. 10-14 sind sehr zentral. Sie bilden eine Apokalypse innerhalb der Apokalypse. Kap 19,9-10 haben wohl einen ersten Abschluß des Buches gebildet. Der Aufbau des Buches ist jedenfalls recht kunstvoll. Wie sind die verschiedenen Bilder zu denken? Wie ist die Schrift als Ganze zu verstehen?

1.2. Apokalypsen, Apokalyptik und Offenbarung des Johannes Die Offb ist in der Art eines Briefes an sieben Gemeinden abgefaßt, hat auch ein Präskript. Nach dem ersten Wort wird das Buch bereits ajpoka>luyiv genannt. Die Überschrift (“Apokalypse des Johannes”) ist übrigens erst aus dem 2. Jh., nicht ursprünglich. Das Wort ajpo-ka>luyiv bedeutet “Ent-bergung”, “Ent-hüllung”. “Offenbarung” als Übersetzung ist nicht so glücklich, zeigt ein anderes Bild. M. Heidegger spricht bei ajlh>qeia (“Wahrheit”) von “Entbergung des Seins”. Dieses Wort ist auch hier gut. Es geht letztlich um die Wahrheit, um die Wahrheit über den Hergang der Geschichte. Die Bezeichnung ajpoka>luyiv hat dazu geführt, daß man Vieles in der jüdischen Literatur und im AT auch als “Apokalypse” bezeichnete, was mit “Entbergung der Geschichte” zu tun hatte. Man spricht von apokalyptischer Literatur. Die “Apokalypsen” haben viel gemeinsam: -

Sie sind durchwegs pseudonym (z.B. Henoch, Patriarchen, Daniel). Wie kommt das? Die Bücher wurden zu einer Zeit geschrieben, als es keine Propheten mehr gab.

-

Der visionäre Charakter, Träume, Ekstase, Symbolik, Deutungen sind gemeinsam.

-

Es geht um die Zukunft, um das Ende der Welt. Oft gibt es einen Dualismus von gut und böse. Gute und böse Geister wirken.

170 v. – 130 n. C. entstanden diese Schriften. Sie gingen hervor aus einer Strömung, die dann als “Apokalyptik” bezeichnet wurde. Diese Zeitströmung wurde aber erst von den Exegeten so genannt. Die Verfasser der Apokalypsen rechneten nicht wie die früheren Propheten mit einem Messias. Sie waren pessimistischer und dachten an ein außergewöhnliches Eingreifen Gottes vom Himmel her. Das geschieht unter entsetzlichen Bedrängnissen – das ist symptomatisch. Doch kümmert sich Gott um die Auserwählten und rettet sie. Oft fragte man, ob Jesus selbst apokalyptisch war. Jesus war überzeugt, daß jetzt schon von Gott her die Gottesherrschaft in die Welt hereinbricht. Im eigentlichen Sinne war er kein Apokalyptiker. Paulus hingegen war nach den Osterereignissen eher ein Apokalyptiker. Käsemann sagte: “Die Apokalypse ist die Mutter der Theologie.” Innerhalb des NT gibt es natürlich mehrere apokalyptisch klingende Texte, man denke nur z.B. an Mk 13 par. Die Exegeten sind weithin der Meinung, daß dies Herrenworte sind, die unter dem Wissen der Auferstehung Jesu formuliert wurden. In 1 Thess 4,15 spricht auch Paulus von der Posaune, dem kommenden Menschensohn usw. Er bedient sich eindeutig der apokalyptischen Bildwelt.

-3-

-

Wenn wir die Offb mit den anderen Apokalypsen vergleichen, fällt auf, daß unser Buch nicht pseudonym sondern von einem namhaften Verfasser geschrieben worden ist.

-

Gemeinsam ist der Symbolismus sowie die Esoterik. Die Zahlenangaben in der Offb sind durchwegs leicht zu durchschauen – gerade auf dem Hintergrund des AT.

-

In etwa wird auch der Pessimismus geteilt. Doch ist die Grundtendenz optimistisch: die Offb tröstet, mahnt aber auch. Die Offb ist durchzogen von “liturgischen Chören”, die die Auferstehung feiern.

Deutlich ist in der Offenbarung eine universalistische Schau. Im allgemeinen ist sie mit der apokalyptischen Literatur verbunden, hat aber doch deutliche eigene Züge. Das Griechisch der Offb ist äußerst schlecht. Man vermutet, daß der Verfasser bewußt eine archaisierende Sprache benützte. Die Symbolik in der Apokalypse ist auch heute noch offen für eine aktualisierende Deutung, doch darf sie nicht zu platt geschehen.

1.3. Verfasser und Abfassungsweise Genannt wird der Verfasser als “ Johannes”. Wer war das? In der Frühzeit sagte man oft, es sei der Zebedaide, der auch das Evangelium geschrieben hätte. So einfach ist es wohl nicht. In 18,20; 21,14 wird auf den Kreis der Apostel zurückgeschaut ohne Hinweis, daß der Schreiber einer von ihnen ist. Eine zweite Erklärung ist also nicht der Zebedaide als Verfasser, sondern der Verfasser des Evangeliums ist identisch mit dem Verfasser der Offb. In unserem Buch kommen Stichworte wie lo>gov, Lamm, martu>rion vor. Auffällig ist aber, daß sich der Sprachstil unterscheidet. Zudem heißt im Evangelium das “Lamm” a]mnov, in der Offb aber ajrni>on. Auch gibt es beim lo>gov Auffassungsunterschiede. Viele zentrale Begriffe des Evangeliums fehlen in unserem Buch. Einer der Hauptunterschiede ist sicher die futurische Eschatologie in der Offb im Gegensatz zu der präsentischen Eschatologie im Evangelium. M. Hengel vertrat allerdings letzthin die These einer gewissen Nähe der beiden Verfasser. In unserem Buch fehlt aber auch jede Erwähnung des irdischen Jesus. Der Verfasser steht wohl Paulus näher als Johannes. Die dritte Möglichkeit ist die eines Pseudonyms. Doch ist der Verfasser den angeschriebenen Gemeinden namentlich bekannt. Er ist wohl ein Prophet, mit dem AT vertraut, vielleicht ein Judenchrist. In Asien war er jedenfalls bekannt. Vermutlich war er kein direkter Apostelschüler, sondern gehörte der dritten Generation an. Die Abfassungsweise zeigt wohl einen einheitlichen Entwurf. Die Frage ist, ob der Verfasser all die Visionen und Ekstasen erlebt hat. Möglich ist es, doch sind Visionen meist menschlich geprägt. Alle Visionen sind von der persönlichen Disposition des Visionärs abhängig. Es gibt zweifellos Visionen. Teilweise sind die Visionen in der Offb wohl Dichtungen, literarische Stilmittel. Vorsichtig müssen wir auch sein, wenn wir Drewermann hernehmen und alles tiefenpsychologisch deuten. Für unseren Verfasser wirkte Gott in der Welt, nicht deistisch irgendwo im Himmel.

1.4. Auslegungsgeschichte Im Osten wurde bald Vieles aus der Offb wörtlich genommen, v.a. z.B. die Vorstellung vom tausendjährigen Reich. Als diese Veraussagen nicht eintrafen, wurde man skeptisch. Doch wurde bald schon allegorisch, bildhaft interpretiert. Das tausendjährige Reich sei ein Bild für die Kirche. Im Jahre 1000 n. C. hatte man viele Spekulationen, daß die Parusie jetzt komme. Joachim von Fiore glaubte aus der Apokalypse erkennen zu können, wie der Geschichtsablauf sei. Vgl. auch das tausendjährige bzw. das Dritte Reich bei Hitler. Hitler selbst wurde oft als der “Antichrist” bezeichnet.

-4-

Es gibt auch Naturwissenschaftler, die den ganzen ABC-Krieg in der Offenbarung finden wollen. Tschernobyl sah man in Offb 8,11 vorhergesagt. Der Stern “Wermut” (Absinth) heißt im Russischen “Tschernobyl”. Unser Buch ist aber vorrangig ein Trostbuch. So ist es zu lesen.

2. Vorwort und Präskript 2.1. Vorwort (1,1-3) 2.1.1. Texterklärung V. 1

Die “Ent-hüllung” stammt noch von Jesus Christus selbst. Sie handelt nicht vom Sein, wie die “Wahrheit”, sondern von der Geschichte. Paulus bezeichnete so auch sein Damaskuserlebnis als “Apokalypse”. Gemeint kann damit sowohl der Akt des Enthüllens als auch das, was enthüllt wird, sein. Der Autor ist also Jesus Christus. In 2 Kor 2,12 sagt Paulus Ähnliches. Was Jesus hier aber enthüllt, stammt nicht von ihm selbst sondern von Gott. Wann Gott ihm das gegeben hat, interessiert den Verfasser nicht. Wohl aber interessiert der Zweck. Hier finden wir wieder das Thema der Naherwartung. Solche gab es übrigens schon in Qumran. Die Aussage über die Naherwartung ist v.a. bei Paulus keine chronologische Angabe, sondern dadurch wird Nachdruck auf eine Aussage gelegt. Das Zitat in V. 1 klingt an Dan 2,28f an. Das “gezeigt” in der Einheitsübersetzung wäre wohl besser mit “angedeutet” übersetzt – Andeutungen wie auch beim Orakel von Delphi. Der Andeuter ist letztlich Gott, nicht Christus, wenn auch beides ineinander übergeht. Der Engel ist der Bote Gottes, ein typisches Element aus der apokalyptischen Literatur. Er steht für das Wort Gottes. Er ist die Verkörperung der Botschaft Gottes (auch bei der Ankündigung bei Maria oder bei den Szenen am leeren Grab).

V. 2

Vom Propheten wird gesagt, daß er gewissermaßen der dritte Autor ist. Der Engel wird nicht genannt. Bezeugt wird nicht die Auferstehung, sondern das Wort Gottes, das Johannes gehört hat und das von Jesus Christus bezeugt wurde. 17.3.1998

V. 3

Hier werden die Leute seliggesprochen angesichts der Bedrängnisse unter Domitian, also nicht bemitleidet. Gemeint mit “selig” ist “glücklich preisen”. Der Vorleser der Texte ist in besonderer Weise “selig”, ebenso die Hörer. Die volle Wahrheit sei zu vertreten. Begründet wird die Seligpreisung mit der Naherwartung. Einige wollen mit dem kai>rov nicht die Naherwartung, sondern das Drängende der Zeit sehen.

2.1.2. Bibeltheologische Aussage In der Geschichte, in der wir leben, gibt es eine Offenbarung Jesu Christi, die von Gott stammt und für uns bestimmt ist. Es ist “Entbergung” im Blick auf das, was auf uns zukommt. Uns wird gesagt, daß wir keine unbegründete Angst (z.B. vor Meteoriten, die mit der Erde kollidieren könnten) haben sollen. Die Offenbarung Jesu Christi ist ein Aspekt dessen, daß er der lo>gov ist. Gott bedient sich der Menschen als Mittler. Das Buch ist ein prophetisches Buch der frühen Kirche. Die Apokalypse ist ein Wort wirklicher Prophetie, wie es sie auch noch in unserer Zeit manchmal gibt (Johannes XXIII., Charles de Foucault oder wer immer). Die Prophetie ist in einer geschichtlich bedingten Sprache einer bestimmten Zeit verfaßt worden, nicht in unserer nachaufklärerischen “vernünftigen” Sprache. Aufgeschrieben wurde sie, um vorgelesen zu werden. “Vorlesen” beinhaltet “Interpretation”, “Übersetzung”. Das Wort ist uns geschenkt und anvertraut. Unsere Haltung dazu soll “hören” und “bewahren” sein. “Bewahren” meint, das Wort nicht zu verkürzen und es im Leben festzumachen. Das Buch schenkt uns in Zeiten der Angst und Bedrängnis Zuversicht. Der Grundton heißt eujagge>lion,

-5-

nicht “Angstmachen”. Freude, Zuversicht, Hoffnung soll auch in unseren Predigten übermittelt werden. “Die Zeit ist nahe.” Ist noch eine zentrale Aussage der ersten Verse. Naherwartung kommt im ganzen NT, aber auch in Qumran und bei den atl. Propheten vor. Die Aussagen zur Naherwartung sollen uns nach Weder nicht über einen Zeitpunkt informieren, sondern sollen uns das Drängende der Botschaft vermitteln.

2.2. Präskript (1,4-9) 2.2.1. Gliederung “ Präskript” werden in manchen Kommentaren auch die VV. 1-3 genannt. Für uns ist es Offb 1,4-9. V. 4: • Der Absender wird genannt, dann • die Adressaten (sieben Gemeinden). Es folgt ein • Gruß. V. 5f: Doxologie auf Christus V. 7.8: zwei Sprüche, die “Inhaltsangabe” der Offb sind. Nähere Angaben über Absender und Adressaten fehlen. Charakteristisch ist die sonderbare Bezeichnung Gottes, die Doxologie und die sonst nicht zu findende Inhaltsangabe. Das eigentliche Präskript wären also nur die VV. 4-5. (In Gal 1,1-4 mündet das Präskript auch in eine Doxologie.)

2.2.2. Texterklärung V. 4

Johannes ist bekannt. Die sieben Gemeinden sind wohl eine symbolische Zahl. Gemeint ist wohl die ganze Christenheit. “Gnade und Friede” ist eine Einleitung wie bei Paulus: Gottes Gnade, Huld, Wohlwollen wird an den Anfang gestellt (nicht Angst sondern Freude). Es steht eine grammatikalisch eigentlich falsche, dreigliedrige Formel. Der Stil ist hebräisierend, archaisch. Analog zu anderen Formulierungen würde man “sein wird” erwarten; doch steht hier “kommt”. Das liegt auf der Linie der atl. Gottesformel aus Ex 4,8: Gott ist derjenige, der kommt. Er ist nicht zu Ende. Wir stehen noch in einer Entwicklung. Das ist ein dynamischer Aspekt am Gottesbegriff. Die “sieben Geister” sind pneu~mata: “Geister” oder auch “Engel”. Im jüdischen Kontext könnten es die sieben Thronengel sein, die Kerubim. Doch steht hier “sieben Geister” wohl als Bildwort für den Heiligen Geist. Für “Engel” steht sonst a]ggeloi. Der Heilige Geist ist umfassend: er ist “sieben”. Dies ist auch ein Bild für ihn, wie sonst z.B. auch die Taube oder Feuerzungen.

V. 5

Bei Jesus Christus steht wieder eine grammatikalisch falsche Form. In V. 5c folgt keine Doxologie auf Gott (wie z.B. in Gal), sondern eine Doxologie auf Christus. Jesus Christus ist der getreue Zeuge im Blick auf das Buch, er ist der Auferstandene (wobei Auferstehung als eine Geburt gezeichnet wird, eine ewige Geburt). Es geht nicht nur um die Auferstehung Jesu sondern um die Auferstehung aller. “Gestorben, auferstanden, erhöht” sind zentrale Themen des Glaubensbekenntnisses, die hier schon anklingen. Der Gedanke der Liebe Christi wird auch explizit. Das “uns erlöst” ist der Bezug auf das Geschehen der Errettung aus den Sünden. “Blut” steht als Chiffre für Jesu Tod.

V. 6

Alle werden hier zu “Priestern” gemacht, ebenso zu einem Königreich. Die Zusage aus Ex 19,6 ist erfüllt. Die ganze Gemeinde wird als Königtum bezeichnet. Bis ins Mittelalter war der König eine sakrale Person (z.B. der König in Aachen war Diakon). Was sonst nur im Blick auf Gott gesagt wird, wird hier im Blick auf Christus gesagt: “Ihm sei Herrlichkeit und Macht in Ewigkeit.”

V. 7-8 Diese Verse machen auf den heutigen Leser einen etwa verwirrenden Eindruck. In V. 7

-6-

spricht der Verfasser oder der Engel, in V. 8 spricht Gott. Dieses Nebeneinander entspricht einem Ineinander von Gottes und Christi Handeln, das das ganze Buch durchzieht. Der Verfasser reiht zwei Prophetensprüche aneinander, die im Namen Gottes und im Namen des Verfassers sprechen. Der V. 7 setzt sich zusammen aus Worten des AT: Dan 7,13 (“mit den Wolken”; Mk 13,26) und Sach 12,10.12 (“durchbohrt”, “klagen”). Die Worte werden aus dem AT genommen, aber es geschieht eine Relecture, eine Neuinterpretation. Es ist nicht mehr Mitleid mit den Durchbohrten sondern ein Schuldbekenntnis. Was im folgenden also geschieht, ist eine Erfüllung dessen, was in Dan 7,13 steht. Ob sich Jesus selbst als “Menschensohn” bezeichnet hat, ist nicht sicher. Deutlich wird hier, daß der Herr der Richter ist, der kommen wird. Die Menschen bekennen ihre Schuld. Jesus ist bestimmt zum Herr und Richter aller. Bekräftigt wird durch das doppelte “ja” und “amen”. In V. 8 wird das bekräftigt. A und W sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets, gemeint ist also “Anfang und Ende”. Dieses Wort ist eindeutig auf Gott bezogen (wie auch in der sonstigen atl. Literatur). Ansonsten wird das in der Offb (22,13.17) auf Jesus bezogen. Dadurch werden auch die Ansprüche des Kaisers ausgeschaltet. Pantokra>twr ist auch auf Gott bezogen, in der Ikonographie aber zumeist auf Christus.

2.2.3. Bibeltheologische Aussage Johannes wendet sich in einem Brief an die ganze Kirche zur Offenbarung. Getragen ist dieser Brief von dem Grußwort: von den Geistern (Heiliger Geist), von Gott und von Jesus Christus getragen. Die Sendung des Briefes und die Zusage der Sendung drängt zum Lobpreis Gottes: Christus liebt uns, hat uns erlöst und zu einem königlichen Priestertum berufen. Das Häufigste, was wir tun können, ist die Anbetung Gottes, und zwar apophatische Anbetung. (Apophatismus ist Verneinung der Rede; gewissermaßen negative Theologie). Christus kommt und erscheint als der Herr. Wie das sein wird, wissen wir nicht. Uns bliebt, um mit Nikolaus Cusanus zu sprechen, nur die docta ignorantia.

3. Die Berufungsvision (1,9-20) 3.1. Gliederung / Struktur V. 9-10a

Disposition

V. 10b-11

Audition: 1. Auftrag zum Schreiben

V. 12-16

Vision

V. 17-19

Audition: 2. Auftrag zum Schreiben

V. 20

Deutung

Wenn die Beschreibung der Erscheinung auch den breitesten Raum einnimmt, so liegt doch der Schwerpunkt auf dem doppelten Auftrag zum Aufschreiben des Geschauten und Gehörten.

3.2. Erklärung der einzelnen Textelemente V. 9 Johannes bezeichnet sich als Bruder der Adressaten, als “Mitgenosse”, als Mitchrist, Getaufter. So hat er Anteil an der qli>ysiv, an der Bedrängnis, die die Christen erleben müssen. Ebenso hat er aber auch Anteil an der basilei>a, bleibt deshalb standhaft. Es fehlt auch jeglicher Amtstitiel. Das spielte offensichtlich keine Rolle.

-7-

Es war auf Patmos, einer kleinen Insel, die bekannt war als Ort, wo solche, die im Römischen Reich nicht gerade beliebt waren, hingebracht wurden. Es war ein Ort der “Schuldhaft”, der “Verbannung”. Das ist die plausibelste Erklärung für den Aufenthalt in Patmos: daß Johannes wegen der Verkündigung des Evangeliums Häftling auf Patmos war. V. 10 Hier haben wir einen der ersten Belege, daß Christen nicht mehr den Sabbat, sondern den Sonntag als Tag des Herrn feierten. Johannes berichtet von einer Audition, einem entrückten Zustand in der Vergangenheit. Die Stimme, die er hört, ist keine Posaune sondern klingt nur so. V. 11 Die sieben Gemeinden werden hier genannt. Dabei fehlen einige wichtige Urgemeinden in dieser Gegend. Warum diese sieben? Wegen ihrer Lage als Kreis, weil sie Poststationen waren oder weil sie dem Verfasser bekannt waren? Man könnte sagen, es war ein Rundschreiben, eine sogenannte Enzyklika, die aber dann spezifischen Bezug auf die einzelnen Gemeinden nahm. Das ist ein Hinweis, daß sie dem Verfasser bekannt waren. V. 12-16 Diese Verse beschreiben die Vision. Viele wollen in V. 12 ein Bild des siebenarmigen Leuchters des jüdischen Tempels sehen. Das ist möglich. Doch werden die sieben Leuchter gleich als die sieben Gemeinden gedeutet. Darunter wird einer (als Mittelpunkt der sieben Gemeinden) gesehen, der “wie ein Menschensohn” ist. Bekleidet ist er wie der Hohepriester (nach Ex 28; nach Weish ist dieser der endzeitliche Herrscher, nach Dan 10,5 ein Engelsfürst). Die folgenden Verse stehen in engem Zusammenhang zu Dan 10. In V. 16 hält dieser Menschensohn (in guter surrealistischer Weise) sieben Sterne in der Hand. Nach V. 20 sind die Sterne die Engel der Gemeinden. Nach sonstigen Parallelen sind die sieben Sterne ein Bild für die Weltherrschaft. Das zweischneidige Schwert ist ein Bild für das Gericht (vgl. Offb 19,14 oder Jes 11,4; 49,2). V. 17-19 In diesen Versen folgt eine Audition und die Sendung. Die Vision flößt Furcht ein. Die rechte Hand hat plötzlich keine Sterne mehr zu halten ... Die Vorstellung ist typisch surrealistisch. Dieser Mensch wird christologisch gedeutet. Als der Auferstandene ist Christus der, dem auch der Tod und der Hades gehören. In V. 19 folgt der Auftrag zu schreiben, was gesehen worden ist. Das bezieht sich auf die Vision, vielleicht aber auch auf alle Visionen des ganzen Buches. “Was ist” könnte auch das sein, was in den verschiedenen Gemeinden geschieht. V. 20 Hier folgt eine Deuteformel. Bei den “Engeln” steht nicht pneu~mata sondern a]ggeloi. Es könnten die “Schutzengel” als Repräsentanten der Gemeinden sein. Diese Deutung ist beliebt – wie sich später Städte und Länder einen Patron suchten. Eine andere Deutung sieht in den Engeln die Bischöfe. Doch ist in der Apokalypse nie von kirchlichen Strukturen die Rede. Außerdem war das Bischofsamt im heutigen Sinne noch nicht ausgebildet. Oder die Engel sind “Boten”, die sich in der Nähe des Verfassers aufhalten. Wohl sind mit den Boten aber urkirchliche Propheten gemeint. Die Offb hat prophetische Struktur. Wichtig ist, daß es offensichtlich in der Alten Kirche Formen von Gemeinden gab, die von charismatischen Menschen, von “Propheten” geleitet wurden. 24.3.1998

3.3. Bestimmung der Gattung (Problem der Erlebnisechtheit) Als erstes ist hier festzustellen, daß zu atl. Berufungsvisionen (Jes 6; Jer 1, Ez 1) gewisse Parallelen bestehen. Auch Dan 10,14 ist zu vergleichen: die Parallelen sind auch hier sehr stark. In der Offb geht es um eine Christusvision: Christus spricht und wird geschaut. Es geht auch nicht um die Berufung zu einem neuen Amt sondern um den Auftrag für einen Propheten zu einem bestimmten Dienst. Zweimal wird der Befehl: Schreibe! Gegeben. Als Parallelen aus dem NT können die ekstatischen Visionen aus der Apg angesehen werden (Apg 10; 11; 18,9-10 oder die Vision des Stefanus bei seinem Martyrium). Auch finden wir hier die Berufungsvision des Paulus dreimal, anders als sie Paulus schildert. Apg 22,17-21 wird wie eine Vision in Ekstase geschildert. Lk will die Bekehrung

-8-

nach Art einer Vision schildern. Für Paulus selbst war das Damaskuserlebnis keine Vision sondern eine Offenbarung des Herrn. In 2 Kor 12,2-4 berichtet Paulus selbst, daß er in Ekstase entrückt war – bis in den “dritten Himmel”. Das ist aber keine Beschreibung seines Damaskuserlebnisses, sondern ein Erlebnis unmittelbar vor dem Beginn seiner Mission. Wenn man in der Offb die folgenden Briefschreiben in den Blick nimmt, so ist das Gerüst folgendes: Stimme hören – Auftrag zum Schreiben – Von da an spricht der Geist. Die Abhängigkeit zu Dan 10,4-7; 7,14 ist auffällig. Die in der Offb geschilderte Vision ist klar abhängig von Darstellungen des AT. Wir müssen hier wie bei allen Visionen unterscheiden, was gesehen wird und wie darüber gesprochen wird. Der verbale Bericht ist der chiffrierte Bericht übe etwas, das nicht in Worten gesagt werden kann. Die Offenbarung muß also gedeutet werden im Lichte der atl. Berufungserzählungen. Handelt es sich letztlich nicht nur um eine formelhafte Legitimation der Osterereignisse? Die Offb ist nicht bloß eine Fiktion ohne Anhalt von einer bestimmten Erfahrung her. Doch müssen wir die sprachlichen Möglichkeiten des Visionärs betrachten. Das Schauen ist abhängig von dem, der schaut. Der Unterschied zwischen solchen Visionen und den Ostererfahrungen des Paulus, der Jünger oder der Frauen ist zu bedenken. Auch die Frauen erzählten von Engeln als Vermittlern. Sie standen vor Gott selbst.

3.4. Bibeltheologische Aussage Das Faktum einer Vision, Erfahrung eines Sehers auf Patmos wird wichtig. Im Laufe der Geschichte des Alten Bundes hat es solche Erfahrungen gegeben, es gibt sie auch im Neuen Bund. Die Vision ist im Gegensatz zu den Ostererfahrungen keine Bezeugung der Auferstehung, sondern ein Auftrag. Theologisch wichtig ist, daß in dieser Vision sehr deutlich herausgestrichen wird, daß Jesus Christus sich als einer offenbart, dem göttliche Macht zugesprochen wird. Er hat die Schlüssel des Hades. Er ist erster und letzter. Das gilt sonst nur von Gott. Die Göttlichkeit Jesu wird klar. Die Vorstellung inmitten der sieben Leuchter zeigt seine engste Verbundenheit (wenn auch keine Identität) zur Kirche an. Der Auftrag zum Schreiben ist eine Verdeutlichung dessen, daß Menschen den Auftrag von Gott erhalten haben, das Wort Gottes aufzuzeichnen. Das ist eine Weise, wie Gott sich mitteilt. Das Schreiben erging in der Sprache der damaligen Menschen. Wir müssen sie heute unbedingt in unsere Sprache übersetzen.

4. Die sieben Sendschreiben (Kap. 2-3) Die Beschreibung und Deutung dieser beiden Kapitel muß hier umrißhaft bleiben. Sie sind Briefe zur Gewissenserforschung und verhältnismäßig leicht zu verstehen. Die “Sendschreiben” sind keine Briefe im eigentlichen Sinn. Ihrer Form nach sind sie nicht gleich wie die paulinischen Briefe oder die Offb als ganze. Vielleicht haben wir hier Gemeinden, die durch Propheten geleitet wurden. Das könnten die “Engel der Gemeinden” sein.

4.1. Struktur und Gattung (Einleitung, Botenformel, ”ich kenne”, Weckruf, Überwinderspruch) D IE E INLEITUNG Zu Beginn eines jeden Schreibens heißt es jeweils “dem Boten ... schreibe”. Was ist hier mit a]ggelov gemeint? “Bote” ist wohl eine gute Übersetzung. Es ist vielleicht der prophetische Leiter der Gemeinde. Die folgenden Weisungen richten sich nicht an Einzelpersonen sondern an ganze Gemeinden.

-9-

D IE B OTENFORMEL “Das sagt ...” Es sind Formulierungen wie in Gen 32,5. Die Boten sagten damals mündlich das, was heute aufgeschrieben wird. Die Propheten sagen “So spricht Jahwe.” Hier stellt sich der Sprecher Christus vor mit Elementen aus der Vision (vgl. 2,1.12 usw.).

“ IC H

WEIß

/

KENN E ”

Dieses Element kommt in allen Schreiben vor. Das Wissen wird ausgedrückt. Das ist positiv. Christus erkennt seine Gemeinde und nimmt bezug auf die Vorgänge in dieser Gemeine. Dann wird zur Umkehr gerufen. Die Darstellung ist schematisch.

W ECKRUF Am Ende jedes Schreibens steht jeweils ein doppelgliedriger Weckruf. Der Prophet gibt das Wort des Herrn wieder. Er formuliert auch Herrenworte, auf die Art: “Das sagt Jesus heute.” Das hängt wesentlich mit der urchristlichen Erfahrung zusammen. Es spricht der Geist Gottes. Das tat dieser auch, als Johannes XXIII. das Konzil eröffnete.

D ER Ü BERWINDERSPRUC H Dieser steht gleich nach dem Weckruf. Wer auf die Weisungen Christi hört, darf hoffen. Der Spruch verweist in Bildern auf das letzte Kapitel der Offb. Er steht immer in engster Beziehung zu dem, was in der Gemeinde jeweils getadelt wurde.

4.2. Bibeltheologische Aussage Wir müssen die Briefe in unsere Sprache übersetzen. a) Christus kennt seine Gemeinde und deren Glieder. Er weiß um die Mühe, die Geduld und den Mangel und nimmt dazu Stellung. In der Gemeinde gibt es Gute und Böse und solche, die den besonderen Anspruch erheben, gesandt zu sein. Diese müssen stets geprüft werden. Wenn später von den Nikolaiten (2,6) gesprochen wird, so waren das wohl Menschen, die zu einem Arrangement mit den Römern geraten haben. In 2,14 (an Pergamon) wird Bileam als Irrlehrer dargestellt. In 2,20 wird eine Frau, nämlich Isebel (Jesabel), die Gegenspielerin des Elija, Frau des Ahab, als die Bosheit genannt. Die Juden werden als “Synagoge des Satans” genannt. Das ist hart. Doch gibt es diese Bezeichnung schon in Qumran. Es ist eine typische, bei den Juden gebrauchte Diktion. Wenn von kirchlichem Antijudaismus gesprochen wird, so dürfen nicht alle antijüdischen Aussagen in der Bibel dafür gewertet werden. Es geht nicht gegen die Juden als Juden sondern gegen Juden, die sich damals gegen die (Juden-)Christen gewandt haben – ganz gegen die Verheißungen der Propheten. Oft waren es aber auch Juden, die Christenverfolgungen angeregt haben. Was heißt das alles für uns heute? Im Dritten Reich gab es viele, die glaubten, man solle sich mit dem Regime arrangieren. Ähnliches gab es in den marxistischen Systemen. Wie sieht das heute aus? Versucht man sich nicht auch heute mit gewissen Zeitströmungen zu arrangieren (vgl. Südamerika, wo sich mächtige Teile der Kirche mit den Reichen zusammenschließen). Das Wissen darum, was wir tun, ist keine Überwachung durch Christus à la “Großer Bruder”. Es soll vielmehr heißen: Wir sind uns nicht selbst überlassen. Daß Jesus uns kennt, ist eine Einladung zur Gemeinschaft mit ihm, auch zum Leben nach dem Evangelium hier und heute. b) Christus mahnt zur Umkehr. Es ist der Aufruf zur Kirchenreform gegen die Mächte des Bösen. Als Motiv wird hier das nahe Kommen Christi genannt. Auch Paulus (z.B. Röm 13) hat hier das Motiv des Lebens für die Rückkehr des Herrn. Zur Umkehr gehört primär, unsere Schuld zuzugeben. In diesem Sinne ist auch 3,15-18 wichtig (auch für die Beichte). Wir sind verblendet, sollen unsere Augen salben, damit wir uns wieder der Wahrheit stellen können. c) Der Weckruf macht uns aufmerksam. Er liegt auf der Linie des “Höre Israel”. Was die Kirche – gerade durch charismatisch begabte Menschen –sagt, auf das ist zu hören. Alles ist aber immer

- 10 -

im Blick auf Jesus zu prüfen. Eine gute Anleitung dazu ist das Exerzitienbüchlein von Ignatius von Loyola. Wir sind oft dazu geneigt, in der Bibel nur das zu hören, was wir hören wollen. Umso wichtiger ist das Hören in der Gemeinschaft – mit dem Urteil der anderen. Auch ist hier die Beschäftigung mit den Kirchenvätern von nicht geringem Wert. Die Auslegungsgeschichte der Bibel ist zu berücksichtigen, wenn wir dem Weckruf folgen wollen. d) Der Überwinderspruch, z.B. 3,21: Wer den Weg Jesu geht, erhält Anteil an seinem Leben, seinem Sieg. Beim Überwinderspruch ist vorausgesetzt, daß wir hier auf Erden kein bequemes Leben haben. Wir sind in einen Kampf hineingestellt. In 1 Kor 9,24 ruft Paulus zur Askese auf. Askese ist echter Verzicht. Wir heute können vom Überwinderspruch profitieren. Jede und jeder erhält am Ende ewiges Leben. Die Aussagen über das Leben bei Gott sind stets Bilder. Bereits das “Leben” ist nur Bild, Analogie. In 2,7.11 werden Bilder vom ewigen Leben gezeichnet. 2,17: Jeder hat einen Namen und trägt diesen, indem er Anteil hat am ewigen Leben. Aus den Verheißungssprüchen folgt, daß unser Leben hier nie umsonst ist sondern stets Sinn hat. 1 Kor 15 ist hier auch eine zentrale Stelle.

5. Die Vision der sieben Siegel (4,1-8,1) Die sieben Siegel sind von 4,1-8,1 beschrieben. Sie haben eine besondere Bedeutung. Oft wurde gesagt, die Kap. 2-3 betrachten die Gegenwart, die Kap. 4-22 die Zukunft des Sehers. Die Frage ist aber, ob das in 4,1-8,1 Gesagte nicht auch Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Gliederung: 4,1-11 Huldigung vor dem Thron Gottes 5,1-14 Das Buch mit den sieben Siegeln und das Lamm 6,1-17 Die Öffnung der sieben Siegel 7,1-8,1 Die 144.000 31.3.1998

5.1. Die Huldigung vor dem Thron Gottes (4,1-11) 5.1.1. Texterklärung 4,1-11 bilden eine Einheit. Es ist eine neue Vision. Ob dazwischen ein Zeitabschnitt lag, wissen wir nicht. Die Tür im Himmel ist offen, ein Blick hinein in den Bereich Gottes ist möglich. Vgl. die Taufe Jesu: der Geist kommt, eine “Stimme” (wohl die aus 1,10) gibt einen Auftrag. Ebenso zeigt sich bei der Steinigung des Stephanus der Himmel offen. “Ich zeige dir, was dann geschehen wird.” Dem Seher wird gezeigt, was in der Zukunft geschehen wird. Das himmlische Jerusalem ist im Himmel schon bereitet. V. 2a: Der Seher ist entrückt und sieht einen Thron im Himmel und einen, der auf diesem Thron sitzt. Der Sitzende ist gleich einem Jaspisten (Stein) ... Um den Thron herum leuchtet ein Regenbogen. Ein Jaspis ist ein leuchtender, durchsichtiger Stein, wie ein Kristall. Ein Sardis ist leuchtend rot, benannt nach dem Fundort. Der Smaragd ist grün und steht für den Regenbogen. Diese Bilder dienen alle dazu, die Herrlichkeit Gottes auszudrücken. Um den Thron ist ein Kreis von 24 Thronen, auf denen die Ältesten sitzen. Die goldenen Kränze lassen an den Sieger denken, sozusagen sind sie ein Hofstaat, der Gott huldigt. 24 ist zwei mal zwölf, zweimal der Jahreskreis, die Stämme, die Heiligen des Alten und des Neuen Bundes. Sind hier aus Göttern engelartige Wesen geworden? V. 5: Blitze, Stimmen und Donner gehen aus dem Thron hervor (vgl. Pss). Das sind Bilder des

- 11 -

Wettergottes, Begleitung einer Theophanie. Gott ist derjenige, der sich äußert. Die sieben Leuchter (also die sieben pneu~mata) sind in der Nähe Gottes, wie der siebenarmige Leuchter im Tempel. Gott sitzt auf dem Thron, vor ihm ist ein gläsernes Meer. Ist das eine Anspielung auf das Waschbecken (das “eherne Meer”) im Tempel? Eher ist es wohl die Vorstellung vom himmlischen Ozean: Der Himmel ist so groß, daß sogar noch ein Meer leicht darin Platz findet. Vier Lebewesen voller Augen treten auf. Das ist eine Anspielung auf Ezechiel. Der Begriff “Tier” wird vermieden. Statt dessen wird von “Gestalt” gesprochen, weil das “Tier” für das Böse reserviert ist. Im Thron und um ihn herum stehen Löwe, Stier, “Mensch”, Adler. Sie sind Thronwächter und Gott sehr nahe, greifen oft ins Geschehen ein. Deutungen für die vier Tiere waren die vier Elemente, die vier Jahreszeiten, usw. Eine mythische Vorstellung ist die der Kerubim, die die Bundeslade tragen, oder die Serafim in Jes 6,2 (Vision Gottes im Tempel). Sie haben Flügel, keine Ruhe und singen “Heilig, heilig, heilig!” Wie bei Jes singen sie dem pantokra>twr, dem Allmächtigen, der war, der ist und der kommt. Wie in 1,10 sind diese Aussagen auf die Zukunft hin gerichtet. V. 9-11: Die 24 Ältesten beten an, alle stimmen ein Loblied an. Übernommen wurde das aus der Inthronisationsliturgie eines Königs (a]xiov ei+ - “du bist würdig”). Im griechischen Text wird hier immer Futur verwendet. Betrifft das Gesagte also nur die Zukunft? Eher handelt es sich nur um schlechtes Griechisch. Gott wird nicht menschlich, als “Großvater” beschrieben, was sehr wichtig ist für unser Gebet. Das a]xiov ei+ klingt bei der Präfation an: “In Wahrheit ist es würdig und recht ...” Vielleicht ist es hier in der Offb polemisch gebraucht gegen den Kaiserkult etwa des Domitian. Es ist die Vision der eschatologischen Machtergreifung Gottes.

5.1.2. Bibeltheologische Aussage “Steig herauf!” wird dem Seher gesagt. Er sieht den Himmel offen und kann einen Blick in die Welt Gottes hineinwerfen. Gott gibt sich (chiffriert) zu erkennen. Er kann die Wirklichkeit mit den Augen Gottes sehen. Auch Naturwissenschaftler wissen um die Grenzen ihres Erkennens. Die Vision Gottes liegt ganz auf der Linie des AT und ist angewiesen auf Metaphern. Es sind Versuche, mit unserer Sprache das Unbegreifliche auszudrücken. Nach Ricoeur ist unser theologisches Denken ein ständiges Enttäuschtwerden. Deus semper maior, oro ergo. Gott ist also nur im Beten erfahrbar. Ähnliches meint die docta ignorantia. Apophatismus verneint und betet zugleich an. Die vier Lebewesen und die 24 Ältesten schildern den Hofstaat Gottes in der damaligen Sprache. Wir können es uns nicht vorstellen. Es sind Versuche, in menschlicher Sprache zu sagen, was wir nicht aussprechen können. Engel werden als Boten Gottes gezeichnet, sie teilen uns von Gott her mit. Gott kümmert sich immer um uns. Es gilt deshalb, “immer vorsichtig zu sein”. Seit Irenäus (Adv. Haer. III) sind die vier Lebewesen Bilder für die Evangelisten. Sie umgeben Christus oft in der Ikonographie. Der Lobpreis Gottes als der, der kommt, verbietet uns geradezu eine statische Betrachtung Gottes. Gott ist mehr als oJ o]n. Er ist aktiv und vollendet erst eine Herrschaft.

5.2. Das Buch mit den sieben Siegeln und das Lamm (5,1-14) 5.2.1. Texterklärung Kapitel 4 war nur ein Proömium hin zu dieser Schau. V. 1

“In der rechten Hand” oder rechts von dem, der auf dem Thron sitzt, ist ein Büchlein mit sieben Siegeln. Es ist innen und außen oder innen und “von hinten” beschrieben (also doppelseitig; vgl. auch hier Ez).

V. 2

Mit der Öffnung beginnt die Endzeit. Es ist eine verschlossene Weissagung (vgl. Jes 29,9-

- 12 -

16), die nicht ohne weiteres zu lesen ist. Bei Gott steht die Zukunft schon fest, im Büchlein ist sie schon aufgeschrieben. Der mächtige Engel fragt, wer würdig (a]xiov) ist, das Büchlein zu öffnen. V. 3-4 Hier schaltet sich der in den Himmel entrückte Seher in die Vision ein. Er weint, weil niemand würdig ist. V. 5

Einer der Ältesten ist der angelus interpres. Nach Gen 19,9 ist Juda ein junger Löwe. Die “Wurzel David” meint einen Nachfahren Davids und Isais. Jesus hat den Sieg errungen, und zwar den Sieg über den Tod und die Mächte der Finsternis.

V. 6

“ Ein Lamm, wie geschlachtet.” Das ist paradox. Wir verkündigen den Gekreuzigten, der auferstanden ist. Lämmer wurden mit einem Stich in den Hals geschlachtet, eine sehr blutige Schlachtung. Arni>on (28mal in der Offb) kann auch “Widder” heißen. (Das Johannesevangelium verwendet für “Lamm” a]mnov, die beiden Schriften haben also wohl kaum den selben Autor). Die Szene ist eine Anspielung auf Jes 53,7: das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, ist der Knecht Gottes. Schon Paulus sah Christus als unser Osterlamm. Es ist ein Bild für den gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Er ist ein Opfer, um uns zu entsühnen, nicht um Gott zu besänftigen. In der Schwäche erweist sich Gott als der Mächtige. Die “sieben Augen” sind ein Bild für den Heiligen Geist (vgl. eine Prophetie des Haggai). Die “sieben Hörner” deuten auf sieben mächtige Könige. Das Lamm ist der wahre Herrscher. Das Lamm nimmt das Buch entgegen. (Diese Satz steht im Perfekt.) Die vier Wesen fallen nieder. Das ist ein Bild für das Ostergeschehen, die Inthronisation des Herrn. Er ist Sohn Gottes in Macht (Röm 1,3). Es geht weniger um die Auferstehung, als daß der Auferstandene dazu befähigt wird, das Buch entgegenzunehmen. 21.4.1998

V. 7

Die beiden Verse 6-7 sind eine bildhafte Darstellung des Osterereignisses: die österliche Inthronisation oder die fortlaufende Geschichte nach Ostern in der Welt.

V. 8

Es ist eine himmlische Liturgie. Der Herr gibt sich als Herr aller zu erkennen, die zu ihm beten.

V. 9-12 Es folgt ein Lobgesang. Angedeutet wird, daß das Empfangen des Buches Ausdruck dafür ist, daß Christus der Herr der Geschichte ist. Was geschieht, liegt in seinen Händen. V. 13 Hier wird das erwiesen in einer weiteren Weise. Alles Geschaffene liegt dem Lamm zu Füßen. Analog zu Ex 20,4 (Bilderverbot) wird auf die ganze Schöpfung ausgedehnt. Alles lobt Gott und wird wie menschlich geschildert.

5.2.2. Bibeltheologische Aussage Gott hält ein Buch mit sieben Siegeln in der Hand, d.h. daß Gott die Geschichte der Endzeit bereits bekannt ist. Die Erfahrung der Bedrängnis der Gemeinde wird so beruhigt. Die Klage des Sehers angesichts des versiegelten Buches zeigt die Ohnmacht des Menschen gegenüber dem Einblick in die Geschichte. Einzig der Herr hat das Heft in der Hand. Das Lamm steht “wie geschlachtet”. Hier wird paradox die Ohnmacht des geschlachteten Tieres gezeigt, gleichzeitig aber (durch das Stehen) die Überwindung dieses Todes angezeigt. Christus als Symbol für die Christen ist also nicht nur der Sieger, sondern auch der Ohnmächtige. Das Paradox des Kreuzes ist heute oft nicht mehr so klar. Das Nehmen des Buches in V. 7 ist womöglich eine Inthronisation Jesu als Sohn Gottes zu Ostern, oder es ist aus der Sicht des Sehers ein neuer Akt in der Geschichte seiner Gegenwart. Das, was an Ostern geschah, geschieht heute immer wieder. Das Geben der Vollmacht an Jesus findet seine Fortsetzung in der Geschichte. Die Auferstehung Christi geschieht noch. Sie ist nicht abgeschlossen.

- 13 -

5.3. Die Öffnung der sieben Siegel (6,1-8,1) Hier wird in einer deutlich strukturierten Form geschildert: • • • •

Die ersten vier Siegel Das fünfte und das sechste Siegel Kurzes Zwischenstück, Blick auf die Gemeinde Das siebte Siegel

Das Ziel dieser Vision ist es, Christus als den sich als Herr der Geschichte Erweisenden darzustellen.

5.3.1. Kursorische Erklärung von 6,1-17 V 1-2 Es ist quasi die Einleitung. Nicht das Lamm sondern eines der Wesen ruft. Ein weißes Pferd ist ein Siegeszeichen, ein Bogen ist nicht die Waffe der Römer (manche meinen, es sei ganz bewußt die Waffe der Parther). Wer ist der Reiter? Man glaubte oft, er verkörpere die Macht der Parther, die das Ende des Römischen Reiches darstellten. Diese Deutung wurde in der Neuzeit vorgetragen. M. Bachmann weist nach, daß es diese Deutung erst seit M. Luther gab. Eine andere Deutung ist der erste Reiter als die Veranschaulichung der Macht Gottes bzw. Christi. Die folgenden drei bösen Reiter stünden so unter dem Vorzeichen, daß Christus Sieger über alles Böse in der Welt ist. V. 3-8 Der zweite Reiter ist der blutige Krieg, das dritte Pferd das Zeichen des Hungers, das vierte Pferd das Zeichen der Pest, d.h. des Todes bzw. der Unterwelt. Das nebeneinander von Krieg, Hunger und Tod finden wir auch schon im AT (Ez 14,21; Hos 13). Der Seher sieht Plagen auf die Menschen zukommen, ein viertel der Erde soll getötet werden (V. 8b). Diese Schilderung wird von Sach 6,1-8 u.a. nahegelegt. V. 9-11 Dem folgt überraschenderweise eine andere Schau. Der Seher schaut ein Bild: Unter dem Altar sieht er das Zeugnis der Märtyrer. “Altar” deutet auf ihren Status als “Opfertiere” hin. Es ist die Klage nach Gerechtigkeit. Lange mußten unter Altären in Kirchen Reliquien von Märtyrern sein. V. 12-17 berichten von der Öffnung des sechsten Siegels: es sind gewaltige Katastrophen. Die Bilder sind ähnlich denen, wie sie in den damaligen jüdischen Apokalypsen gängig waren (vgl. Joel 2,10: vom “Tag des Herrn”, “Tag des Zorn” ist die Rede).

5.3.2. Kursorische Erklärung von 7,1-17 Es folgt eine Zwischenschau. Die 144.000 werden besiegelt. V. 1-3 Es ist ganz still. Der vorhergehenden Katastrophe wird durch Geistwesen Einhalt geboten. Der Seher schaut, daß es nicht weitergeht wie vorher, bis die Auserwählten besiegelt werden. Nach Ez ist es das Tau, das als Kreuz oder als Initiale Christi gedeutet wurde. V. 4

Aus der Sprache der Offenbarung heraus ist hier ganz klar eine bildliche Zahl gemeint: eine ganz große Menge, aus dem Alten wie dem Neuen Bund. Die Besiegelung selbst wird nicht geschildert.

V. 5-8 zeigen die Aufteilung der Besiegelten auf die zwölf Stämme (obwohl es damals faktisch nur mehr Juda und Levi gab). Juda (der Stamm Jesu) ist der erstgenannte Stamm, Dan fehlt. Warum, weiß man nicht. Es gibt viel Spekulationen. V. 5-8 ist jedenfalls ein Bild für das auserwählte Volk. Die Auserwählten brauchen bei den folgenden Katastrophen keine Angst zu haben. Sie sind beschützt. V. 9

Ist diese Gruppe identisch mit den 144.000 oder ist es eine andere Gruppe? Kremer glaubt Letzteres, doch streiten die Exegeten. Diese Schar sind für Kremer diejenigen, die schon am Ziel, bei Gott sind, die also schon Sieger sind.

V. 10-12 Angedeutet wird, daß das Lob nicht dem römischen Kaiser sondern einzig Gott gebührt. V. 13-17 Es folgt eine Verdeutlichung dieser Szene in einer Wechselrede. Ein “Ältester” stellt

- 14 -

eine rhetorische Frage, der Seher antwortet. Wir haben eine sehr schöne Zusammenfassung, wer die Geretteten sind. Die Bilder sind gleich wie die in Kap. 21-22. Durch den Tod Jesu wurden wir gereinigt, entsühnt. Doch ist Christus nicht gestorben, um den Zorn Gottes zu besänftigen, sondern der Tod Jesu ist Zeichen der Liebe Gottes. Wir Menschen sind “besudelt” durch die Sünde, brauchen Jesus zur Erlösung, die wir in unserer Sündenverflochtenheit nicht selbst erlangen können. V. 17 ist ein schönes Bild aus Jes 25,8. Das ewige Leben wird vorweggenommen. In einer Welt, wo viel Leid herrscht, gibt es bereits Menschen, die dieses Leid überstanden haben.

5.3.3. Öffnung des siebenten Siegels 8,1 Gemeint ist der Gegensatz zu den Katastrophen und dem Lob Gottes, vor dem großen Posaunenklang. Warum die Stille eine halbe Stunde dauert, ist völlig unklar. Nach dem Aufbrechen der sieben Siegel kommt es zu sieben Posaunen. Die Posaune ist ein Bild aus dem Krieg.

5.3.4. Bibeltheologische Aussage Hingewiesen wird auf große Katastrophen, die gewissermaßen die “Geburtswehen” des Messias sind. Die Menschen in der Verfolgung brauchen sich also nicht zu ängstigen. Das ist die Aussage. Die Katastrophen sind noch nicht das Ende. Sie sind nicht Ohnmacht Gottes. Christus weiß darum. Auch nach Auferstehung und Taufe gibt es etwas Böses, womit wir rechnen müssen. Es ist ein Vorzeichen des Endes. Es kommt zum Ausdruck, daß die Geschichte weitergeht. Der Zorn Gottes bedeutet, daß Gott die Bosheit der Menschen nicht gleichgültig ist. Es ist die Kehrseite der Liebe Gottes. Die Besiegelung deutet deutlich hin auf die Taufe. Verbunden damit ist die Schar der Unzähligen im Himmel. Schon heute gibt es also Lob und Dank über die Errettung. So ist das Leid, die Katastrophe schon überwunden. In heutigen Zeiten das Magnifikat zu singen, braucht einen geistigen Klimmzug. Von der Bibel her haben wir das Recht und die Aufgabe dazu. 28.4.1998

6. Überblick über die Visionen und Schilderungen in 8,2-11,19 Hier folgt nicht sofort das Endgericht, wie man es vielleicht erwarten könnte. In Kap. 11 folgt die Einrichtung der Gottesherrschaft nach den sieben Posaunen. Auch hier geht es darum, daß der Seher in der Sprache der Christen seiner Zeit sagen will, daß sie Bedrängnissen ausgesetzt sind, diese Bedrängnisse aber nicht das letzte sind.

D IE

SECH S

P OSAUNEN (8,2-9,21)

Hier wird von den ersten sechs Posaunen gesprochen, die von Engeln Gott übergeben werden. Das Schallen der Posaune bedeutet, daß das auch eintritt, was angekündigt wird. Das Motiv der Posaune (auch in 1 Kor) wird hier versiebenfacht. Geblasen werden die Posaunen von Engeln. Was jetzt geschieht, ist eine Erhörung der Gebete um das Kommen Gottes, um Gerechtigkeit, die vorher mit Feuer und Weihrauch symbolisiert worden sind. Mit den Posaunen werden Katastrophen geschildert im Sinne der ägyptischen Plagen. Bei der dritten Posaune fällt ein großer Stern vom Himmel, der “ ]Ayinqov” heißt, was in der russischen Bibel mit “ tschernobylnik” übersetzt wird. Das lädt natürlich ein zu waghalsigen Interpretationen. Im Deutschen heißt die Übersetzung “Wermut”, eine sehr bittere Pflanze. Bei der vierten Posaune tritt Finsternis ein – eine Anspielung auf die Finsternis in Ägypten. In 8,13 wird der Leser dramaturgisch darauf vorbereitet, daß jetzt noch Schlimmeres kommt. In der 5. Posaune ab 9,1 kommt eine Heuschreckenplage (wie in Ägypten und auch heute noch). Die

- 15 -

Heuschrecken werden hier ins Dämonische ausgemalt. Diese Bilder dürfen durchaus auch erschrecken. J. B. Metz hört nicht auf zu predigen, daß Gott der Macht des Bösen nicht gleichgültig gegenübersteht. Bei der sechsten Posaune kommt ein riesiges Heer über die Menschheit. In V. 20 erkennen wir, um was es geht: die Plagen sollen zur Umkehr führen. In bildhafter Sprache wird uns gesagt: die Menschen sind so böse, daß sie nicht einmal durch solche Katastrophen zur Räson gebracht werden können. Die Posaunen sind ein letzter Ruf zur Umkehr. Heute hatten wir bereits zwei Weltkriege und rüsten weiter auf.

D ER E NGEL

MIT DER

B UCHROLLE (10,1-11)

In der Engelsgestalt von Kap. 10 tritt ein Bote Gottes auf. Angedeutet wird die Majestät Gottes. Sie ist so gewaltig, daß sie der Seher nicht aufschreiben soll. Es läuft hinaus auf 10,7: “das Geheimnis Gottes” wird vollendet. Dieses ist für den Seher, daß Gott die Feinde vernichtet, den Seinen Recht verschafft und das Paradies einrichtet. Auch in diesem Abschnitt geht es darum, die Leser zu ermutigen, auch angesichts schlimmster Erfahrungen in dieser Welt nicht zu verzagen und durchzuhalten.

D IE M ESSUNG

DES

T EMPELS

UND DIE BEIDE N

Z EUGEN (11,1-14)

In 11,1-4 steht keine Vision, sondern ein Auftrag an den Seher. 42 Monate sind 3 ½ Jahre (die Hälfte von sieben; 1260 Tage). Die Zeit der Plagen ist also nicht ewig, sondern begrenzt. In unserem Text wird in V. 3-13 weitererzählt. Die Szene ist schwer verständlich. Der Tempel und die Stadt stehen symbolisch für die Welt Gottes und die auserwählte Stadt. Die zwei Propheten wurden als Mose und Elija oder auch als Petrus und Paulus gedeutet. Gemeint ist, daß Propheten auftreten und verfolgt und getötet werden. Das Tier ist das römische Reich, das mit Ägypten und Sodom verglichen wird. In der Auferstehung der Propheten sehen viele die Zusage, daß die Verfolgung der Christen nicht zu deren Ende führen wird.

D IE

SIEBENTE

P OSAUNE (11,15-19)

Ab 11,15 erklingt die siebte Posaune, das dritte “Wehe”. Die Gottesherrschaft verwirklicht sich, das Böse wird überwunden, Gott erweist sich als König des Alls. Das wird in einer himmlischen Liturgie (V. 16) gefeiert. In V. 19 wird ähnlich wie bei jüdischen Überlieferungen die Theophanie geschildert. Es sind Bilder dafür, daß Gott am Ende in Erscheinung treten wird und alles in allem ist. “Zorn Gottes” heißt, daß Gott dem Bösen nicht gleichgültig gegenübersteht. Am Ende steht also nicht Frust sondern Gott.

7. Das große Zeichen der Frau und das Zeichen des Drachen (12,1-18) Nun wird unter dem Blickwinkel “Kampf Gottes mit dem Widersacher” die Einsetzung der Gottesherrschaft beschrieben. In der siebten Posaune war das Ende schon da. Nun folgt die Schilderung dieses Endes. Damit wird die Situation der Gemeinde zur Zeit der Abfassung der Offb erläutert: der überirdische Hintergrund der Vorgänge hier auf Erden wird gezeichnet. Der Verfasser verwendet alte Mythen. Ohne diese sind diese Texte nicht zu verstehen.

7.1. Gliederung und Texterklärung Es sind drei große Abschnitte: V. 1-6; V. 7-12; V. 13-18

V. 1-6 Hier wird nicht von einer Vision gesprochen. Das “erschien” ist das gleiche Verb, das für die Erscheinungen Christi verwendet wird. Vielleicht klingt beim “Zeichen” ( shmei~on) Jes 7,14 an. Das gewaltige Zeichen geschieht nicht im Himmel, sondern wird am Himmel gesehen. Die Frau ist

- 16 -

auf den ersten Blick eine Königin, der die Gestirne dienen. In vielen Völkern ist die gebärende Frau das Zeichen des Liebens. Im Alten Orient steht sie auch als Sinnbild für eine Stadt (z.B. Tochter Zion). Wichtig ist Jes 66,7. Als Bild für eine Gemeinde ist die Gebärende auch in Qumran belegt. Die Geburtswehen sind für jeden, der sie erlebt (und erst recht für jede, die sie durchlebt), erschütternd. (Daher kam ihre Begründung auch in die biblische Urgeschichte der Genesis.) Die Frau ist “gequält”. Man glaubte später, vor dem Kommen des Messias gebe es auch sogenannte “ Messiaswehen”. Wer ist mit der gepeinigten und gebärenden Frau gemeint? Wir kommen noch darauf zu sprechen. Ihr tritt jedenfalls ein feuriger Drache entgegen. Der “Drache” ist ein Fabeltier, in der LXX die Übersetzung für den “Leviathan”, also das Un-Tier, das Chaoswesen. Die Angst, das Böse wird auf diesen Drachen projiziert. Mit dem Tier ist das böse Reich – auf sieben Hügeln gebaut (also Rom) – angedeutet. Der Drache möchte das Kind sofort nach der Geburt verschlingen. Das Kind ist gewissermaßen ein Konkurrent. Offensichtlicher Sieger dieses Kampfes zwischen Gebärender und Monster müßte wohl der Drache sein. Dahinter stehen alte Mythen, z.B. der Mythos der Geburt des Apoll und seiner Zwillingsschwester. Der Drache Python wollte Apoll töten, weil das Orakel weisgesagt hatte, Apoll würde ihn töten. Doch wird Apoll geheim geboren und tötet den Python. Der Drache kann das Kind also nicht töten, weil es zu Gott entrückt wird. Die Frau flüchtet 3 ½ Jahre in die Wüste. Über das Leben des Kindes wird gar nichts gesagt. Das Interesse liegt bei der Frau und den Übrigen ihrer Nachkommen. In 12,13 wird die Flucht der Frau genauer geschildert. Es gibt auffällige Anspielungen auf den Aufenthalt Israels in der Wüste bzw. Elijas in der Wüste (1 Kön 17).

V. 7-12 Nun beginnt eine völlig neue Szene. Das Motiv des Engelssturz als Begründung für das Böse in der Welt findet man heute noch. Das Bild zeigt, daß es nicht nur das Gute sondern auch die chaotischen Mächte des Bösen auf der Welt gibt. Durch die Bezeichnung des Drachen als “Schlange” wird die Schlange, die Eva im Paradies verführt, als Satan gedeutet. Vom Text der Genesis her ist diese Deutung an sich nicht richtig. Das Motiv des Satanssturzes wurde im Judentum teilweise gebildet aus Jes 14,12 – einem Spottlied auf den König von Babel: dort übersetzt die Vulgata “Morgenstern” mit “ Lucifer”. Daher kommt der Name. Lk 10,18 spielt darauf an (eine “Berufungsvision Jesu” nach Merklein). Zu diesem Zwischentext V. 7-12 gehört noch der Abschnitt V. 10-12. Der Text ist sehr wichtig. In diesem Lobgesang wird der Sieg Gottes, der Anbruch der Gottesherrschaft gefeiert. Jesus hatte ja auch die Exorzisten als Zeichen für den Beginn der Gottesherrschaft gedeutet. Hier ist der Teufel besiegt worden durch Christi Tod und Auferstehung (“Blut des Lammes”). Der Kampf mit Michael ist also ein Mythos; kein geschichtliches Ereignis steht dahinter. Der Satan wird hier als “Ankläger” bezeichnet. In einem der ältesten Texte über die Auferstehung Christi und das Gericht (1 Thess 1,10) finden wir schon das Bild, daß Jesus unser Anwalt im Gericht ist.

V. 13-18 Der auf die Erde gestürzte Drache verfolgt nun die Frau. Vielleicht sind die “Flügel” eine unbeholfene Anspielung auf Ex 19,4. Der Drache wird wieder mit der Schlange in eins gesetzt. Die Erde wird personalisiert und kommt der Frau zu Hilfe – vielleicht eine Anspielung auf die Rettung am Schilfmeer. Das Bild endet mit der Ankündigung, daß die Christen nun mit viel Anfeindungen zu rechnen haben. V. 18 leitet zum Nächsten über. Der Drache tritt an den Strand des Mittelmeeres und zieht Richtung Rom. Die mythologische Schau geht über in eine historische Schau (Kap. 13-14). 5.5.1998

- 17 -

7.2. Gattungsbestimmung und motivgeschichtliche Überlegungen 7.2.1. Gattung Hier ist interessant, daß am Anfang in Form eines Berichtes, nicht einer Vision geschildert wird: "es erschien" (w]fqh). Auf die kurze Beschreibung der Zeichen folgt die Schilderung einer Handlung (V. 5): die Frau gebiert ein Kind, das Kind wird in den Himmel entrückt, die Frau flieht. Die nächsten Verse (7-11) haben dann zum Vorhergehenen keinen Zusammenhang, außer den Drachen (Schlange, Satan). Eigentümlich ist, daß das Blut des Lammes, nicht Michael den Drachen besiegt. Die Sprache des ganzen 12. Kapitels nennt ausgesprochen mythische Größen. Weiters ist die Abfolge der Szenen auffällig. Die Struktur ist bestimmt durch das Gegensatzpaar Frau – Drache. Auf der Seite des Drachen stehen einzig seine Engel, auf der Seite der Frau stehen das Kind, Michael, die Erde. Die Schilderungen ähneln denen der ganzen apokalyptischen Literatur. Anders ist, daß sie sich der Sprache der Mythen bedienen. Worauf kommt es eigentlich dem Schriftsteller an? Nach Art mythischer Darstellung soll gezeigt werden, wie die Verfolgung der Christen ihren himmlischen Hintergrund hat als Kampf zwischen Gott und dem Widergöttlichen.

7.2.2. Motivgeschichte Die Exegeten nehmen an, daß der Verfasser aus anderer apokalyptischer Literatur Elemente übernommen hat. Die am schwersten zu deutenden Elemente sind die Frau und das Kind. •

Traditionell wurde die Frau als Maria, das Kind als Jesus gedeutet. Gegen eine Beziehung der Frau auf Maria sprach schon früher die alte katholische Vorstellung, daß Maria ohne Wehen geboren hat. V.a. aber spricht gegen diese Deutung, daß die Frau nicht nur in Geburtswehen schreit, sondern auch, weil sie gepeinigt wird. Außerdem werden noch viele andere Kinder der Frau genannt.



Eine zweite Auslegung (von Gollinger) bezieht Maria auf die Kirche als ihr Urbild. Im Johannesevangelium ist sie sicher an einigen Stellen Typos aller Glaubenden. Das Kind stehe als Zeichen für das Anbrechen einer neuen (Heils-)Zeit auf der Welt. Man kann auf Qumran verweisen, wo auch das Bild der Geburtswehen für das Hereinbrechen einer neuen Epoche zu finden ist. In der damaligen Welt gab es keine sanfte Geburten in Kliniken. Wenn Wehen losgehen, wußte man, kommt etwas Neues. So seien die Wehen der Frau Zeichen des Beginns der messianischen Zeit. Die Geburt hat nichts zu tun mit der Geburt Jesu durch die Jungfrau. Doch ist in V. 5 (Zitat aus Ps 2,9) wohl von mehr die Rede.



Eine dritte Auslegung meint, daß man hier Jesus auch noch hineinbringen wollte, weil er auch eine Funktion im Kampf gegen das Böse haben sollte. Es ist eher eine Nebenbemerkung.



Oder es ist ein Urmythos. Gesagt soll werden, was immer war, ist und sein wird.

Die plausibelste Erklärung für Kremer ist aber folgende: Schon in Jes 66,7 ist von einer Frau die Rede. Bei Deuterojesaja ist oft von Israel als der Frau, von der Tochter Zion die Rede. Im Neuen Bund sei die Frau die Personifizierung des Volkes des Alten und des Neuen Bundes. Die anderen Kinder der Frau sind die Glaubenden. Die Peinigung der Frau deute auf die Christenverfolgung hin. Warum wird aber von dem Leben und Wirken des Kindes nichts gesagt? Im NT haben wir v.a. bei Paulus Kurzformeln des Glaubens, in denen die Kreuzigung (und die Auferstehung) zentral ist, nichts aber über das Leben und Wirken Christi gesagt wird. Hier in der Offb wird das Schicksal der Kirche in das Schicksal Christi mit hineingenommen. Es sind Andeutungen, die nicht weiter ausgeführt werden.

7.3. Bibeltheologische Aussage - 18 -

Was können wir heute mit diesem Text anfangen? Zuvor war von Gericht und dem Schicksal der Zeugen Jesu die Rede. Der Text will den Lesen ein Zeichen geben, wie die Gegenwart zu deuten sei.

7.3.1. Das Zeichen der Frau Es ist ein Zeichen, das unsere Aufmerksamkeit wecken soll. Das Geheimnis der menschlichen Frau, der Mutterschaft, aber auch ihre Peinigung, ihre Möglichkeit, sogar zur Dirne zu werden, erregte Bewunderung. Die Frau in der Offb ist die Frau, die mit der Sonne gekleidet und mit den Sternen bekränzt ist. Sie ist eine Königin. Sie ist nicht geknechtet. Die Gebärende zeigt an, daß es weitergeht, daß es noch nicht zu Ende ist. (Nachkommenschaft bedeutete Leben, Kinderlosigkeit Tod; vgl. die Patriarchengeschichten der Genesis.) Sie ist Zeichen der Hoffnung. Das Schreien, die Bedrängnis, die Verfolgung der Frau gehört zur Freude dazu. Die Kirche ist nicht zum Aussterben bestimmt, sondern sie ist in Hoffnung, sie gebiert. Zweitens ist sie den Mächten dieser Welt nicht untergeordnet. Drittens ist sie das Vorzeichen auf das als Braut geschmückte, vom Himmel herabsteigende Zion-Jerusalem. Das Merkmal auch der heutigen Kirche ist, daß sie in Hoffnung ist. Das Kind wird zu Gott entrückt, d.h. daß die Peinigung, die Wehen bei der Geburt nicht umsonst sind. Hoheit und Niedrigkeit der Kirche gehören auch heute noch zusammen. K. Rahner spricht mit Recht von der sündigen Kirche. Er greift die Deutung der Ehebrecherin von den Kirchenvätern auf.

7.3.2. Das Zeichen des Drachens Was die Geschichte der Christenheit in der Welt bestimmt, ist nicht nur das hoffnungsvolle Zeichen der Frau, sondern auch der Drache als das Sinnbild der Verkörperung des Bösen in der Welt. Es ist eine mythische Schilderung, die keinen Rückschluß offen läßt für seine Realität. Die Bedrohung für dieses Böse ist ein neugeborenes Kind. Man hat als Leser mit der Macht des Bösen zu rechnen. Die Christen sollen ihre Augen nicht davor verschließen. Das geht auch gegen die liberale Theologie auf protestantischer Seite (v.a. vor dem Ersten Weltkrieg). Heute können wir es uns nicht so einfach machen, daß wir vom gestürzten Satan und seinen Söhnen sprechen. Die Aussagen über den Teufel sind zumeist Personifizierung der Mächte. Die Welt ist von Gott aus Liebe und auf Liebe hin geschaffen. Wenn man sich der Liebe verschließt, entsteht Haß. Der Haß trägt eine ungeheure Dynamik in sich. Man könnte sagen, er ist eine Macht, die zur Personifizierung drängt. Auch in der Seelsorge und der Politik sollte man mit dem Bösen rechnen.

7.3.3. Die Geburt, Entrückung und Inthronisation des Kindes Der Seher zitiert Ps 2,9. Der Drache ist dem Kind gegenüber ohnmächtig. Die Darstellung trägt Züge der Geburt des Messiaskindes. Aus der Gesamtsicht der Bibel ist allerdings erst Ostern die volle Geburt des Messias; durch die Auferstehung ist er "Sohn Gottes in Macht". Im Bild wird hier angezeigt, daß die Macht des Bösen nicht den Sieg davonträgt. Das Bild ist das Vorzeichen für die faktische, geschichtliche Geburt, Leben, Tod und Auferstehung des Jesus von Nazareth. Die Urkirche betrachtete die Taufe als Geburt. Die Verkündigung des Siegers über die Macht des Bösen wird hier im Bild dargestellt. Die Auferstehung Jesu Christi ist gewissermaßen noch im Vollzug.

7.3.4. Der Kampf mit dem Drachen Die Macht des Bösen hat bei Gott keinen Platz, sie gehört nicht zu Gott. Die Schlange ist eine Anspielung auf Gen 3. Das Böse wird als das Unterlegene gezeichnet. In der Gemeinschaft mit Christus sind wir alle dazu aufgerufen, den Kampf zu bestehen. Wir alle werden versucht.

7.3.5. Die Verfolgung der Frau Die Verfolgung der Frau wird weitergeführt in der Verfolgung ihrer Kinder. Die Frau ist zugleich mächtig und ohnmächtig. Damit ist angedeutet, daß die Christen bis zum Ende der Zeit verfolgt

- 19 -

werden. Der Christ weiß aber um den Sinn der Mühen. Auch nach Kol 1,24 (wo "Leiden" besser mit "Bedrängnissen" zu übersetzen ist) ist das Leiden der Christen nicht zu Ende. Wir sind hineingestellt in das Geheimnis des Kampfes des Bösen gegen Christus.

E XKUR S :

DIE I DENTI FIZIERUNG DER

F RAU

MIT

M ARI A

In der Liturgie, v.a. der Ikonographie, spielt diese traditionelle Auslegung eine große Rolle. Doch steht hier Maria als Typos. Der christliche Leser kann so in dem Zeichen einen Hinweis auf Maria finden. Sie ist in dieser Welt Zeichen der Hoffnung und Zeichen des Widerspruches von Bedrängnis und Heil. Maria kann durchaus das Zeichen des Sieges über die Macht des Bösen gesehen werden.

8. Die beiden Tiere (13,1-18) 8.1. Kontext und Gliederung Auf die Schau im Himmel folgt in Kap. 13 die Vision von zwei Tieren auf der Erde. Man sagte, jetzt wird der Blick ganz auf den Kampf auf der Erde verlegt. Die Thematik des Antichrists kommt hier auf. Im Anschluß an 12,18, wo der Drache an den Strand des Meeres tritt, ist nun in Kap. 13 von einer Vision die Rede von einem Tier, das aus dem Meer stammt, und einem Tier, daß vom Land stammt.

G LIEDERUNG V. 1-3a Schilderung des Tieres V. 3b-4 Bewunderung und Huldigung des Tieres V. 5-7 Vollmacht des Tieres V. 8

Anbetung des Tieres

V. 9-10 Mahnung V. 11-17 V. 18

Schilderung eines anderen Tieres

Abschließende Mahnung an die Leser

8.2. Texterklärung V. 1

Das Meer ist in der Bibel der Inbegriff des Chaos. Die alten Israeliten waren keine großen Seefahrer. Hier ist es aber ein Hinweis auf den Westen, auf Rom. Die Vision lehnt sich an Dan 7,3 an. Hier sieht der Visionär aber ein Tier, das fast alle Eigenschaften der vier Tiere aus Dan 7 hat. Zuerst sieht der Seher die Hörner und die Köpfe, die aus dem Meer aufsteigen. Das geschaute Untier ist dem in Kap. 12 geschilderten Drachen ähnlich: es ist quasi sein Spiegelbild. Die Diademe deuten auf Könige, wohl die römischen Kaiser hin. Die Namen der Gotteslästerung stehen wohl auch für die römischen Kaiser. Das Tier ist wohl Verkörperung des römischen Imperiums.

V. 2

Die vier Tiere von Dan 7 werden vereint. Jetzt kommt etwas Wichtiges, warum man vom Antichrist spricht, auch wenn der Begriff in der Offb nicht fällt. Die Inthronisation des Tiers ist die Nachäffung der Inthronisation Christi im Himmel.

V. 3

Hier wird die Nachäffung fortgesetzt. Die Anspielung auf das Lamm in Kap. 5 ist deutlich. Aus dieser Sicht kann das erste wie das zweite Tier als Antichrist bezeichnet werden. Die sieben Häupter deuten auf sieben Könige des römischen Reiches hin, wie es in 17,9 gesagt wird. Die Frage ist, wer das verwundete Haupt ist. Manche glaubten, es ist die Anspielung auf eine alte römische Sage vom wiederbelebten Kaiser Nero, der nun Kaiser Domitian sei.

- 20 -

12.5.1998 Dan 7,2-8 ist sehr aufschlußreich für die Vision der beiden Tiere. Daniel sieht vier Tiere. Der Text zeigt die gleiche Sprache, in der der Seher auf Patmos von den Reichen der Welt spricht. Der “Menschensohn” ist in Dan so bezogen auf das Kollektiv des Volkes Israel. Unser Text in Offb 13 nimmt diese Motive auf. Alle vier Tiere werden in ihm vereint. V. 4

Es geht um die Anbetung des Tieres. In der EÜ fehlt, daß die Menschen hinter dem Tier “hergehen”, wie Jesus seinen Jüngern aufgetragen hat, ihm “nachzufolgen”.

V. 5-7 Es folgt die Bevollmächtigung des Tieres durch den Drachen. Nimmt man den griechischen Text wörtlich, steht oft “es wurde ihm gegeben”, eine Wendung, die sonst für Jesus verwendet wird. Für H. Schlier ist das eine deutliche Anspielung auf das Ende des Matthäusevangeliums. V. 8

knüpft daran an. Das “Niederfallen” ( proskune>w) heißt eigentlich wörtlich “anhünden” (ku>wn ist der “Hund”). Es wird geschildert, wie Massen von Menschen dieses Tier anbeten und ihm huldigen. Für den Verfasser sind es all jene, die nicht besiegelt sind.

V. 9-10 Hier steht der Weckruf. Der Verfasser fordert die Leser auf zuzuhören. V. 10 ist ein Zitat von Jer 15,2, wo es um das Exil in Babylon geht. V. 11-12 Es folgt eine Ergänzung, ein zweites Tier. Das Meer ist das Chaos, für den Seher aber auch der Hinweis auf Rom. Das Land weist nun nach Kleinasien. Meerestier und Landtier nebeneinander finden sich öfter (z.B. in Ijob Nilpferd und Krokodil). Es findet sich eine Nachäffung des Lammes, genauer, wie wir sehen werden, ein Gegenchristus. Das Tier vom Land hat die Funktion eines Propagandisten des Kaiserkultes. Kaiser Domitian ließ sich als Kaiser und Gott schon zu Lebzeiten verehren. Er baute z.B. in Ephesus einen neuen Tempel. V. 13-14 Das Wort “Antichrist” fällt in der Offb nicht. Es wird nur ein Gegenbild gezeichnet. Belegt wird, daß alle Menschen den Kaiserkult vollziehen und dazu gezwungen werden. V. 15 Es wird auf volkstümlich verbreitete Motive zurückgegriffen (weinende Marienstatuen etc.). Der Propagandist, also das Tier vom Land, bringt die Statue zum Leben. V. 16 Vielleicht wird hier auf die Besiegelung der 144.000 angespielt. Auf das Zeichen des Kreuzes einen Verweis zu sehen, ist vermutlich zu weit gegriffen. Mit einem Zeichen wurden damals Sklaven “gebrandmarkt”. Im Dritten Reich gab es in dieser Linie den Judenstern. V. 17-18 Das Zeichen wird nun gedeutet. Die Zahl 666 ist jene, die jeder tragen muß. Was ist mit dieser Zahl gemeint? Viele deuten sie als Gematrie: Im Hebräischen hatte jeder Buchstabe einen bestimmten Zahlenwert. So wäre das Ergebnis hier folgendes: N= R= O= N= Q= S= R=

50 200 6 50 100 60 200

rsq ˆwrn n‘ron qs‘r Kaiser Nero[n]

666 Es gebe auch Handschriften, wo das zweite “N” bei Nero[n] fehlt. Dort ist die Zahl 616. Deutlich wird wohl auf Kaiser Nero als konkreten Verfolger hingewiesen. Nach einer alten Legende vom Nero redivivus muß es aber nicht der tatsächliche Nero gewesen sein, sondern womöglich eine Reinkarnation, z.B. Domitian. Kremer hat hier Bedenken. Ihm ist am plausibelsten, daß die Zahl 666 eine Diffamierung von 777 ist. Die Zahl 777 bedeute die Zahl eines absolut guten Menschen (dreimal die sieben). Die Zahl 666 wäre jeweils um eins weniger als diese Zahl und meine somit einen absolut bösen Menschen. Möglich ist auch, daß Drache, Meer- und Landtier eine “satanische Trinität” bilden. Wir können nicht umhin um die damalige Verfolgung der Christen in Kleinasien wegen der

- 21 -

Verweigerung des Kaiserkults. Für die Erstleser ist das Bild (mit dem Hintergrund von Dan 7) eine Mahnung, aber auch eine Tröstung: nach 3 ½ Jahren (also nicht nach einer Ewigkeit) wird alles vorbei sein. Aufgeschrieben ist also auch die Versuchung der Christen – ähnlich der Versuchung Jesu.

8.3. Bibeltheologische Aussage 1. In unserer Welt gibt es eine politische Macht, die so nicht von Gott kommt (V. 1-8). Nicht jeder Staat oder jede Gesetzgebung, nicht jede Macht ist ohne weiteres gottgegeben. Es gibt Mächte in der Welt, die ihnen gegebene Macht mißbrauchen. Gezeichnet wird in der Offb ein Mensch, der sich aufspielt wie Christus. (Im Dritten Reich hängte man Hitlerbilder in den “Herrgottswinkel”.) Wir können nicht einfach die Bilder mit heutigen Ereignissen identifizieren. Doch gibt es wohl auch heute immer wieder Mächte, die die Stelle Christi einnehmen – in analogem Sinne: Sekten, Popkonzerte, Sportveranstaltungen etc. Es ist aber immer auch entscheidend, was man aus dem macht, das den Schein der Pseudoreligiosität hat. In diesem Zusammenhang ist Eph 6,12ff zu zitieren. Auch hat das Geld eine dämonische Macht. 2. Der Weckruf ist ein Hinweis, daß wir Christen uns oft unsere Wehrlosigkeit auch eingestehen müssen. Drewermann nimmt die Macht des Bösen viel zu wenig ernst. 3. Das Tier von der Erde, der Pseudoprophet, Wolf im Schafspelz, war damals der Kaiserkult. Im Tier vom Land könnte man heute z.B. die Macht der Medien sehen. 4. Aus V. 18 können wir bibeltheologisch zunächst den Aufruf vernehmen, nachzudenken und die “Zeichen der Zeit” zu erkennen, die Unterscheidung der Geister lernen.

E XKUR S : D ER A NTIC HRIST Er wird in der Offb nie, aber in 1 Joh 1,18; 2,22; 2 Joh 7 erwähnt. Für den Verfasser zählt der als Antichrist, der sich gegen Christus stellt und sich ihm nicht anschließt. Antichrist kann einer sein, - der sich an die Stelle Christi setzt, oder einer, - der ein Gegenchristus ist. Im Markusevangelium gibt es den Ausdruck yeudo>cristov (Mk 13,22), also “Falschchristus”. Für die Lehre ist noch 2 Thess 2,1-12 aufschlußreich. Der Name “Antichrist” fällt nicht, aber der “Mensch der Gesetzwidrigkeit”. Wenn der Antichrist kommt, kommt auch das Ende der Welt. Später wurden diese Aussagen mit Offb 13; 19; 20,10 in Verbindung gebracht. Sie beflügelten die Geschichte. Im Mittelalter wußte man genau, wer der Antichrist war: ein Mönch im 10. Jh. griff eine alte abstruse Legende auf, die vom Kommen des Antichrists sprach und in Notzeiten bis ins 20. Jh. immer wieder aufgegriffen wurde. Im Anschluß an Augustinus wurde davon gesprochen, daß in der Kirche selbst nicht alles heil ist. Es war der Weg nicht mehr weit, bis M. Luther den Antichristen in der Kirche selbst finden konnte: den Papst. Dahinter steckt die traurige Erfahrung, daß sogar die höchsten Amtsträger der Kirche den Geist Jesu verraten können. Das hat z.B. Dostojewski, ebenso Solewjew aufgegriffen.

9. Die Vision des Lammes und der 144.000 auf dem Berg Sion (14,1-5) 9.1. Kontext Kap. 14 wird von vielen als der Höhepunkt der Offenbarung bezeichnet. Es ist sicher ein Gegenbild von Kap 13. Das Ende wird wieder vorweggenommen. Wir haben drei Abschnitte: -

Das Lamm und die Geretteten auf dem Sion (V. 1-5)

-

Die Botschaft der drei Engel und die Stimme aus dem Himmel (V. 6-13)

- 22 -

-

Die doppelte Ernte (V. 14-20)

9.2. Texterklärung V. 1 Gleich zu Beginn ist zu bemerken, daß die EÜ typisch vereinfacht. Im Griechischen heißt es: “Und ich sah: und siehe, das Lamm ...” Die Aufmerksamkeit des Sehers und der Leser auf das Vorhergehende wird hervorgehoben. Das (bestimmte) Lamm ist eindeutig das geschlachtete und stehende, das durch die beiden Tiere nachgeäfft wurde. Das Lamm kommt nicht vom Meer oder vom Land, sondern steht auf dem Sion. Der Sion ist die Stätte, wo der Messias kommt. Sion ist aber als Metapher zu sehen für das neue Sion. (Hebr 12,22 ist eine Parallelstelle, ebenso Gal 4,25.) Mit dem Lamm stehen 144.000 (12 x 12.000) auf dem Sion. Von diesen war in 7,9 die Rede. Dort war nicht klar, ob es die aus den 12 Stämmen waren, oder ob sie für alle Geretteten stehen. Wichtig ist, daß sie besiegelt sind und somit denen deutlich gegenüberstehen, die das Zeichen / die Zahl des Tieres tragen (13,16). Das Zeichen selbst läßt sich auch dem Text nicht weiter bestimmen. V. 2 Zu der Vision gesellt sich eine Audition. Die vielen Wasser, glaubt man, stehen für die Sphäre Gottes. Die Zither scheint geeignet, das Lob Gottes erklingen zu lassen. Die 144.000 hören ein mächtiges Zeichen vom Himmel her, den Wohlklang der himmlischen Musik. Was ist damit gemeint? Irgendwie ist es ein Wohlklang von Gott. Es ist eine Botschaft Gottes, die sich an die 144.000 richtet. V. 3 Hier heißt es, ein “neues Lied” soll, wie in vielen Psalmen, dem Herrn gesungen werden: vgl. z.B. Ps 33,3; 40,4; 96,1; 98,1; 144,9; 149,1 u.a. Es ist die Feier des endgültigen Heiles, vielleicht der Lobpreis Gottes aus Kap. 19. Dieses Lied können nur die Erlösten hören. Es geht doch darum, das es etwas Besonderes für die Geretteten ist. V. 4 Dieser Vers hat in der Kirchengeschichte viel Unheil angerichtet. Er wurde als biblischer Beleg für das Zölibatsgesetz angesehen. Wir müssen genau hinschauen. “Mit Frauen sich verunreinigen” heißt in der Bibel nicht einfach “mit Frauen sexuell verkehren”, sondern eher “Unzucht treiben”. Es gab vielleicht sogar christliche Kreise, die das Heiraten verboten haben. Bei Augustinus ist sogar der eheliche Verkehr eine (wenn auch verzeihliche) Sünde. Von der Bibel ist Unzucht, Ehebruch auch Metapher für den Götzendienst, für eindeutigen Abfall von Gott (siehe z.B. Offb 2,14; 2 Kor 11,2). Der Ausdruck “jungfräulich” ist in der griechischen Antike nicht auf Frauen eingeengt. Er kann zweifach aufgefaßt werden: ehelos lebend oder ganz Gott gehörend. Es ist wohl das Zweite gemeint. Es sind diejenigen, die keinen Götzendienst getrieben haben. 19.5.1998 Viele Autoren sehen in Kap. 14 so etwas wie den Höhepunkt der Offb. Es ist die Vorwegnahme des Gerichts. Der Verfasser folgt dem Stil jüdischer Apokalypsen. Es drängt sich fast der Vergleich mit der surrealistischen Malerei auf. Das Lamm auf dem Berg wurde oft in der Kunst dargestellt. Im metaphorischen Sinne ist hier bereits das himmlische Jerusalem vorweggenommen. Das Lamm steht den beiden Tieren von vorher entgegen. Das Bild steht zum Trost der verfolgten Christen. Manche meinten, V. 4 sei später von Mönchen eingefügt worden. Doch haben wir gezeigt, daß damit die Abwendung von Götzendienst gemeint ist. “Jungfräulich” meint “ganz dem Lamm gehörig”. Der Ausdruck wird auch für Männer verwendet. In Jes 19,13 wird ganz Israel als Jungfrau bezeichnet. Auch das Gleichnis von den Jungfrauen ist eine reine Allegorie. Auch Paulus bezeichnet ganze Gemeinden als “Jungfrau”. Die 144.000 folgen nicht den beiden Tieren, sondern im Kontrast dazu dem Lamm. Es ist die Aufforderung, Jesus nachzufolgen, auch wenn es nicht leicht geht (Mt 10,38). Wer zu Jesus Christus gehört, muß damit rechnen, daß er in der Kreuzesnachfolge steht, daß er kein leichtes

- 23 -

Leben hat. In V. 4c werden die 144.000 noch einmal genauer charakterisiert. Sie sind Erlöste, haben also das Ziel nicht aus eigener Kraft erreicht. Der griechische Ausdruck hat im jüdischen Kontext immer den Exodus im Hintergrund. Erlösung und Eigentum des Erlösers zu sein, gehören hier zusammen. V. 5 spielt auf Zef 3,13 an. Immer wieder wird auf die Wahrheit bzw. Wahrhaftigkeit zurückgegriffen, wenn von Erlösung gesprochen wird. Das Böse ist das, das lügt. “Fehlerlos” meint “gottgefällig”, wie das rechte Opfer. Implizit wird hier eine allgemeine Priesterschaft angedeutet.

9.3. Bibeltheologische Aussage Einmal werden hier als Kontrast zum vorher Geschilderten das Lamm als Bild für Christus und die 144.000, die zu ihm gehören, beschrieben. Die Leser sollen ermutigt werden, sich dem Tier zu widersetzen und sich ganz dem Lamm anzuschließen. In der Literatur hat das Niederschlag gefunden im Exerzitienbüchlein des Ignatius von Loyola. Auch er stellt das Böse (Luzifer) und das Gute (Christus) gegenüber. Zweitens heißt es, die Nachfolger des Lammes stehen an der richtigen Stelle, was eine Stimme aus dem Himmel bestätigt. Das Letzte, wohin der Geist uns führen soll, ist Lobgesang, ein “neues Lied”. Alle Schmerzen, Leiden gehen vorüber. Am Ende steht Lob. Der Mensch ist berufen zu einem Leben, das ihn für immer “singen” läßt. In unserem Text geht es darum, daß das Ziel unseres Lebens viel größer ist als ein brüchiges, irdisches Paradies. In den Versen 4-5 finden wir “Aufnahmebedingungen”. Erstens ist es die Verweigerung von Götzenkult. Früher waren es Baalskult oder der römische Kaiserkult, heute ist es vielleicht Geld, Sex, ... Zweitens ist es die Nachfolge des Lammes, wo immer es auch hingeht. Das bedeutet auch Nachfolge ins Martyrium. Christsein ist eigentlich etwas Gefährliches. Wer Christ ist, steht unter dem Zeichen des Kreuzes. Drittens ist es die Erlösung. Man ist Christi Eigentum durch die Taufe und soll sich auch von ihm bestimmen lassen.

10.Die Botschaft der drei Engel und die Stimme aus dem Himmel (14,6-13) Dieser Text enthält drei Botschaften und eine Stimme aus dem Himmel. Die Botschaft wird sogar als “Evangelium” bezeichnet. Nach der EÜ beginnt hier der Schlußteil der Offb.

10.1.Texterklärung V. 6

In der Bibel ist anders als in unserer Ikonographie selten ein Engel dargestellt, der fliegt. Nur hier und in Dan 9,23 (hebräischer Text) fliegt ein Engel. Wieso kann das folgende eine Frohbotschaft sein?

V. 7

Der Inhalt dieses “Evangeliums” ist nicht das Gottesreich in seiner Verwirklichung (wie in Mk 1,15), sondern die “Stunde seines Gerichts”. Es geht darum, daß hier gezeigt wird, daß Gott Gott ist und daß nicht die irdischen Herrscher Gott sind. Nur Gott kann ewiges Leben geben. Das “Evangelium” ist ein letzter Aufruf zur Umkehr.

V. 8

Es steht hier eine Anlehnung an Jes 21,9. Babel wird mit einer Dirne verglichen. Die “Unzucht” ist wieder der Götzendienst. Hier wird mit wenigen Worten das schon anschaulich, was in den Kapiteln 17-18 ausführlich geschildert wird. Den Lesern wird deutlich gemacht, es hat keinen Sinn, sich mit dem Götzendienst zu arrangieren.

V. 9-12 Hier haben wir eine Charakterisierung dessen, was später “Hölle” genannt wurde. Das ist selten in der Bibel. Der Zornesbecher ist im AT ein bekanntes Bild für das Gericht. Das Bild von “Feuer und Schwefel” erinnert an die Zerstörung von Sodom und Gomorra. Das Bild aus

- 24 -

den letzten Versen des Jesajabuches klingt in unserem Text an. Wenn es heißt: “Sie werden keine Ruhe finden.”, so ist es ein Anklang an das AT, in dem das Gelobte Land (oder der Tempel) als “Ruhe” bezeichnet wird. Es ist hier keine Information über die Hölle gegeben, sondern die Rede hat appellativen Charakter. Ähnlich ist es z.B. in Num 16,35. In V. 12 steht im griechischen Text ein sehr interessantes Wort für “Geduld” (EÜ: “Standhaftigkeit”): uJpomonh< von uJpo-menei~n, wörtlich übersetzt: “darunter bleiben”. V. 13 Das Buch der Apokalypse richtet sich an Unterdrückte. Diesen wird zugesagt, daß Gott da ist, daß es Gerechtigkeit gibt. Hier kommt eine Erhellung nach der Vorwegnahme des Untergangs von Babel. Eine “Stimme aus dem Himmel” ist “Wort Gottes”. Hier spricht Gott. “Selig” (“glücklich”) hat im Griechischen eine viel weitere Bedeutung: maka>riov wird mit “wohl denen” oder “freut euch” übersetzt. Es ist also etwas, was richtig glücklich macht. Paradoxerweise steht hier der Tod. Gemeint ist ein Sterben in der Verbindung mit Christus, sodaß gewissermaßen im Tod die Taufe zur Vollendung kommt. Der Vordersatz wird in einem zweiten Satz noch betont. Hier wird vorausgesetzt, daß die Angesprochenen Mühen hatten. Sie werden ausruhen (vgl. 2 Thess 1,7). Wir müssen das verstehen als Kontrast zu den Bedrängnissen vorher. “Ewige Ruhe” wäre sonst wohl ziemlich fad. Die Werke “folgen ihnen nach”. Das meint, daß es das Motiv des Lohnes durchaus gibt, wobei der Lohn immer ein geschenkter Lohn, kein “do ut des” ist. Das muß gerade im Dialog mit protestantischen Theologen betont werden. Der Satz hier bedeutet, daß das Leiden und Leben der Menschen nicht umsonst war, daß es seinen Sinn hat (vgl. 1 Kor 15,58).

10.2.Bibeltheologische Aussage Einmal wird uns hier verkündet, daß nur Gott Gott ist und die Bösen am Ende nicht siegen. Im Bilde des Untergangs Babylons wird uns gezeigt, daß irdische Mächte am Ende keinen Bestand haben – so faszinierend sie auch sein mögen. Wenn bei uns in V. 10-11 die Hölle so deprimierend geschildert wird, erinnert das an viele Höllenpredigten in unserer Geschichte. Mit erschütternden Bildern wurde das noch vielmals ausgefaltet, was hier dargestellt wird. Das Furcht-Einflößen in Predigten ist ein tragischer Abschnitt in der Geschichte unserer Kirche. Bis ins 19. Jh. glaubte man, daß der größte Teil der Menschheit in der Hölle sei. Dagegen wandte sich zurecht H. U. von Balthasar. Er nannte diese Prediger “Infernalisten”. Er hatte die Hoffnung, daß am Ende durch Gottes Liebe alle gerettet werden. Aussagen von Hölle und Teufel haben in der Bibel wie in der Tradition stets appellativen, nicht informativen Charakter. Vgl. Mt 7,14, woraus man folgern könnte, die meisten Menschen kommen in die Hölle. Doch wird hier gepredigt, aufgefordert. Demgegenüber steht der frohe Makarismus in V. 13. Leider gibt es noch heute Menschen, sogar Theologen, die glauben, mit dem Tode sei alles aus. Die Toten leben lediglich “im Gedächtnis” weiter. Da ist die Bibel aber doch sehr deutlich. Unser Tun hier auf Erden ist nicht umsonst, nicht gleichgültig.

11.Die Vision der doppelten Ernte (14,14-20) Auf die dreifache Botschaft der Engel folgt die Vision einer Getreideernte und einer Weinlese. Die Auslegung wirft einige Probleme auf. Der, der wie ein Menschensohn aussieht, ist wohl ein anderer (nämlich Christus) als der Engel, der die zweite Ernte vorbereitet.

11.1.Texterklärung - 25 -

V. 14-15 Im griechischen Text steht wieder doppelt: “Und ich sah: und siehe ...” Es findet sich gleich ein Anklang an Dan 7,13. Mit dem Menschensohn ist (wie in der Vision in Kap. 2) wohl Christus gemeint. Die Sichel und ihr Aussenden ist ein Bild für die Gerechtigkeit. Auffallend ist, daß Christus, der Richter, von einem anderen den Auftrag erhält. Es ist wie das Bild der Posaune ein Bild für die Souveränität Gottes, die Macht Gottes, die der Würde des Menschensohnes keinen Abbruch tut. V. 16

Über den Vollzug der Ernte wird nichts gesagt. Es legt sich nahe, daß es vornehmlich die Ernte der Guten ist (vgl. Lk 10,2). Es ist das Heimholen der Ernte Gottes: die Werke der Gerechten, die ihnen nachfolgen, werden abgewogen.

V. 17-20 Der andere Engel ist sicher nicht Christus. Hier wird im Grunde eine Traubenlese beschrieben. Der Weinstock steht als Bezeichnung für die ganze Erde. Unmißverständlich wird aber angedeutet, daß diese zweite Ernte ein Strafgericht ist. Wer die Kelter tritt, wird nicht ausdrücklich gesagt, doch ist wohl Christus bzw. Gott impliziert. Daß die Kelter außerhalb der Stadt liegt, deutet vielleicht auf Joel 2,12 hin, wo das Gericht im Tal Joschafat stattfindet. Das Blut, das fließt, ist äußerst viel. Im äthiopischen Henoch steht ein anderes Bild für das Strafgericht, das Gericht Gottes.

11.2.Theologische Aussage Was können wir mit dieser Höllenzeichnung anfangen? Es ist wieder die Vorwegnahme des Endes. Daß ein Gericht über die Bösen ergeht, darauf liegt der Akzent. Das Bild will uns sagen, was uns erwartet. Wir sind hingeordnet auf eine Ernte, mit der wir rechnen müssen. Wir müssen darauf achten, daß die Aussagen vom Zorn Gottes im AT davon handeln, daß Gott die Welt nicht gleichgültig ist. Die Ausdrucksweise ist appellativ, ermahnt uns. Innerhalb des NT wird vom Endgericht auf sehr verschiedene Weise gesprochen. Die Bibel spricht vom Gericht in Bildern. Zwei Verse sprechen sogar von einem Gericht ohne Richter: Mt 24,40; Lk 17,34. Wichtig ist, daß wir uns nicht an Gerichtsbilder klammern, sondern daß wir sie als solche sehen und uns vorhalten. Die Bilder wollen ausdrücken, daß wir Gott Rechenschaft ablegen müssen. In Röm 14,10-11 und 2 Kor 5,10 hat Paulus zwei verschiedene Bilder vom Gericht: einmal stehen wir vor dem Richterstuhl Christi, einmal richtet Gott. Im Johannesevangelium steht sogar, daß wir jetzt schon gerichtet sind.

- 26 -

12.Die Vision der 7 Zornesschalen (15-16); der Fall Babylons (17-18) 12.1.Vorbereitung der Schalenvision (Kap. 15,1-8) Was von den Schalen gesagt wird, ist fast dasselbe, was von den Plagen (den sieben Posaunen) gesagt wird. Kap. 15 ist die “Vorbereitung” von Kap. 16. Jetzt kommt eigentlich das Endgericht. In V. 2-4 steht eine Schau, die fast dazwischen geschoben ist. Es ist eine Schau des Himmels. Die Gerechten, die nicht von den Schalen, nicht vom Zorn Gottes getroffen werden singen das Lob Gottes. Der Leser wird darauf vorbereitet, daß zwar ein furchtbares Gericht folgt, daß aber die Gerechten bereits diesem Gericht entgangen sind. Nach diesem Zwischenstück bekommen die sieben Engel die Schalen mit der Aufgabe, diese auszugießen. Sie werden wie Priester gezeichnet. Die furchtbaren Auswirkungen der Herrlichkeit Gottes werden beschrieben. Gott steht im Hintergrund der Plagen: Gott wird als Furchteinflößender, als Schrecklicher gezeichnet. 26.5.1998 Der “Zorn” Gottes in Kap. 15 ist ein ungewöhnlich hartes Wort: qumo>v ist die “Wut”, das “Schnauben”.

12.2.Außgießung der 7 Schalen (16,1-21) Geschildert werden sieben Plagen analog zu den ägyptischen Plagen. Die Reaktion der Menschen ist negativ. Interessant ist V. 15. Hier steht eine Mahnung. In V. 16 steht der berühmte Ort “Harmagedon”. Was ist mit dem Berg JAmargedw>n gemeint? Aus dem Hebräischen könnte man “Berg Megiddo” verstehen. Dieser Berg, wo König Joschija eine Schlacht verloren hat, steht als Symbol da. Eine andere Auslegung versucht, den Namen rückwärts zu lesen. Man kommt zu den Orten Nod (wo sich Kain niederließ; Gen 4,16) und Gemorrha (Gen 19,23-29). Letztlich ist es der Name für einen Ort, wo der endzeitliche Kampf mit den Feinden geschehen soll. Doch kommt es nie zu diesem Kampf. Er wird nicht geschildert, weil die Feinde vernichtet werden. In der siebten Schale gehen die Menschen, die Götzendienst betrieben, zugrunde. Am Ende ist also stets Gott der Sieger.

12.3.Bild der Hure Babylon und Bericht über ihren Untergang Nachdem am Ende von Kap. 16 die Zerstörung Babylons verkündet worden ist, wird hier der Kaiserkult noch einmal deutlich geschildert. In neuen Bildern wird das bereits vorher Gesagte neu ausgefaltet. Nun spricht man im Bild der Frau, im Bild der Hure, die für die Stadt steht.

K AP . 17 Kap. 17 fängt damit an, daß der Seher in die Wüste geführt wird und das furchtbare Tier sieht. “Babylon” war für die alten Christen ein Deckname für Rom. Das Tier (V. 8) steht für irdische Reiche, die aufsteigen und wieder zusammenbrechen. Die sieben Hügel, für die die sieben Köpfe stehen, sind eine deutliche Anspielung auf Rom. Aus der Sicht des Sehers gehen alle Reiche, die sich gegen Christus richten, einmal zugrunde.

K AP . 18 Hier wird in atl. Sprache der Sturz Roms in einer Vision geschildert. Das Bild spricht auch uns noch an. Ein Motiv aus der antiken Tragödie wird aufgegriffen: die “Mauerschau” bzw. der “Botenbericht”. Kap. 18 hat vier Teile: V. 1-8 (doppelte Engelsbotschaft): die Sünden Roms werden dargestellt, die Christen werden ermahnt, nicht auf diesen Wegen zu gehen. Der Seher spricht gar nicht so christlich, wenn er zu

- 27 -

Rache und Vergeltung aufruft. V. 9-19 (drei Gruppen von Menschen beklagen das Ende der Stadt): dieses Stück ist rhetorisch hervorragend. Die erste Gruppe sind die Könige, die zweite Gruppe sind die Kaufleute, die dritte Gruppe sind die Seefahrer. In einer sehr dramatischen und poetischen Sprache wird den Lesern deutlich gemacht, daß alles, was sich so groß gebärdet, aber ohne Christus ist, am Ende untergehen wird. Der Seher greift viele Motive aus Ez 26f. auf. V. 20-24: Hier wird in einer anschaulichen Sicht gezeigt, wie es der Stadt ergehen soll. Der Text ist voll von Anspielungen aus dem AT. Der Seher hat seine Schau ausgebaut und ausgemalt. Das gibt es bis heute, daß Visionen ausgefaltet und gedeutet werden.

12.4.Bibeltheologische Aussage von Kap. 15-18 Es geht um bildhafte Schilderung von Vorstellungen damaliger jüdischer Apokalypsen. Das Ziel ist einmal die Tröstung der verfolgten Christen. Zugleich steht die Ermahnung, sich nicht von den fremden Kulten ergreifen zu lassen. Die Rede ist appellativ. Sie will nicht den Verstand, sondern das Gemüt ansprechen. Was heißt das für uns heute? Das in der Bibel Gesagte ist “Ent-bergung”. Durch die Bildersprache wird uns der Blick geöffnet für die Tiefendimension der Vorgänge in der Welt. Wir sollen nicht beim Vordergründigen stehen bleiben, sondern sehen, daß Mächte am Werk sind. Wir leben heute in einer vergifteten Atmosphäre, die zu den Auswirkungen von Haß führt. Drewermann propagiert hier für Kremer eine falsche heile Welt. Wir leben in einer vergifteten Welt und müssen als Christen damit rechnen. Wir dürfen aber nicht fundamentalistisch in jeder Regierung apokalyptische Gespenster sehen. Auch die Worte der Offb müssen im Kontext der ganzen Bibel gesehen werden. Man vergleiche das Urteil des Paulus über den römischen Staat in Röm 13. Auch das Johannesevangelium sieht den Staat als gottgegeben: “ Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre.” (Joh 19,11) Doch müssen wir auch mit Machtmißbrauch rechnen – auch in der Kirche. “Auch im Vatikan ist die Luft ganz schön mit der Macht des Bösen geschwängert.” (so Kremer)

13.Hymnus und Schlußnotiz über den Schreiber (19,110) 13.1.Gliederung Wir erkennen eine parallele Struktur der Verse 1-4.6-10: V. 1-4

V. 6-10

[vgl. 18,20]

[vgl. 5: Aufforderung an die Knechte Gottes]

V. 1a: Einleitung V. 1b-2: Hymnus I V. 3: Unheilsbestätigung V. 4: Proskynese im Himmel

V. 6a: Einleitung V. 6b-8: Hymnus II V. 9: Heilsbestätigung, Makarismus V. 10: Proskynese des Sehers

Wenn wir uns das im einzelnen anschauen, so steht im 1. Hymnus die Gottesherrschaft im Zentrum, im 2. Hymnus ist sie verwirklicht. 18,20: “Freue dich über sie, Himmel und die Heiligen und die Apostel und die Propheten denn vollzogen hat Gott euren Rechtsanspruch an ihr.”

5a: Und eine Stimme kam vom Thron her - sprechend: 5b: “Lobt unsern Gott alle seine Knechte (und) die ihn Fürchtenden, die Kleinen und die Großen.”

- 28 -

19,1a: Danach hörte ich (etwas) wie eine laute Stimme einer großen Menge im Himmel sprechen: 1b: “ Halleluja: Die Rettung und die Herrlichkeit und die Macht (ist) unseres Gottes, 2a: denn wahr und gerecht sind seine Gerichte;

2b: denn gerichtet hat er die Hure, die große, die verdorben hat die Erde mit ihrer Unzucht, und er hat gerächt das Blut seiner Knechte an ihren Händen.” 3: Und abermals sagten sie: “ Halleluja: Und ihr Rauch steigt auf in die Äonen der Äonen.” 4: Und es fielen nieder die 24 Ältesten und die 4 Lebewesen und beteten Gott an, den Sitzenden auf dem Thron sagend: “Amen, Halleluja!”

6a: Und ich hörte (etwas) wie eine Stimme einer großen Menge und wie eine Stimme vieler Wasser und wie eine Stimme gewaltiger Donner sprechen: 6b: “ Halleluja: denn die Herrschaft hat angetreten als Herr unser Gott, der Allherrscher 7: Freuen wir uns und jubeln wir und geben wir die Ehre ihm, denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes und seine Frau hat sich (selbst) bereitet, 8a: und gegeben wurde ihr, damit sie überwerfe Leinen, leuchtend reines:” 8b: (Die Leinwand sind nämlich die gerechten Taten der Heiligen.) 9a: Und er sagt mir: “Schreibe: Selig die zum Hochzeitsmahl des Lammes Gerufenen.” 9b: Und er sagt mir: “Dies sind die wahren Worte Gottes.” 10a: Und ich fiel ihm zu Füßen, um ihn anzubeten. Und er sagt mir: “Nicht doch! Dein Mitknecht bin ich und deiner Brüder, die das Zeugnis Jesu haben. 10b: Gott bete an! Das Zeugnis Jesu ist der Geist der Prophetie.”

13.2.Einzelerklärung V. 1

In V. 1b steht der Ruf “Halleluja”. Er steht im NT überhaupt nur hier (4 mal). Im AT steht er oft in der Überschrift von Psalmen, und z.B. in Tobit 13,18. “ Hallelu-“ heißt “lobt”, “ -ja” ist die Abkürzung für Jahwe. In der Liturgie ist das Halleluja der Osterruf schlechthin. Durch die Auferweckung Jesu ist die Macht des Todes gebrochen. In V. 1b wird die Rettung aus der Macht des Bösen gelobt.

V. 2

verdeutlicht dies.

V. 3

Es folgt das zweite Halleluja. Das Gericht Gottes wird bestätigt.

V. 4

unterstreicht durch einen Lobpreis der 24 Ältesten und der 4 Lebewesen diesen Triumph Gottes.

V. 5

Vorher war von Gotteslob im Himmel die Rede, jetzt werden alle aufgefordert, in dieses Gotteslob miteinzustimmen.

V. 6

unterstreicht das. Mit den Farben einer Theophanie wird die Stimme aller Lobenden gezeichnet. Im vierten Halleluja wird ausdrücklich gesagt, daß mit der Besiegung des Bösen Gott die Herrschaft angetreten hat.

V. 7-8 verdeutlicht dies mit einem anderen Bild: dem Bild der Hochzeit. Dahinter steht das jüdische Bild, daß Israel als die Braut Jahwes dargestellt wird und von Israel daher Gehorsam verlangt wird. Auch die jüdische Auslegung des Hoheliedes ist zu beachten. Diese Hochzeitslieder wurden von Anfang an allegorisch verstanden als die Liebe Gottes zu seinem Volk. Die “Frau”, die sich bereitet hat, ist das Pendant zur Hure Babylon. (Im Neuen Bund heiratet nicht mehr Gott, sondern das Lamm.) Die Hochzeit ist hier auch aufgegriffen als Bild der endzeitlichen Vollendung. Hochzeit ist auch heute noch für viele das Fest schlechthin. In Joh meint die Hochzeit zu Kana auch die Vorwegnahme der endzeitlichen Hochzeit Gottes mit

- 29 -

den Menschen. Jesus ist der Bringer der eschatologischen Hochzeitsfreude. Das Hochzeitsgewand ist weiß im Gegensatz zum scharlachroten Gewand der Dirne. V. 8b könnte eine spätere Glosse sein. Die guten Werke werden hier gefeiert (Offb 3,18). V. 9-10 Eigentlich könnte das Buch hier beendet werden. Alles, was noch folgt, ist dann Ausfaltung des bisher Gesagten. In V. 9 wird der Auftrag zum Schreiben gegeben. Damit ist die Endgültigkeit des Geschehenen unterstrichen. Was geschrieben ist, steht fest und gilt für immer. Es folgt eine Seligpreisung (ein Makarismus). Solche gibt es in der Offb sieben. Die Ähnlichkeit zu Lk 17,15 ist auffallend. Eine Seligpreisung in der Bibel hat zugleich eine appellative Note. Die zum Hochzeitsmahl Geladenen sind fast identisch mit der Frau. V. 9b sagt deutlich, daß am Ende das wahre Leben, nicht die Vernichtung steht. In V. 10 folgt eine eigentümliche Notiz: der Seher fällt nieder, die Verehrung des Engels wird abgewertet. Engelverehrung (übertriebene Heiligenverehrung?) ist sublimer Götzendienst. Mit V. 10b ist gemeint, daß in den Worten Jesu letztlich der Hl. Geist spricht. (Christus ist ja der Verfasser der Offb.)

13.3.Bibeltheologische Aussage Das zentrale Thema dieses Hymnus ist die Feier der Verwirklichung der Gottesherrschaft. Nicht das Böse besteht für immer, sondern: Gott siegt am Ende. In 1 Kor 15,24-28 steht das gleiche in anderen Worten. Nach den Worten der Offb ist die Gottesherrschaft schon jetzt – wenn auch nicht vollkommen – da. Hier stellt sich das Problem, wie es sich mit dem Anbruch der Gottesherrschaft und meinem eigenen Ende verhält. Beides geht wohl ineinander über und gehört zum Geheimnis Gottes, von dem wir nicht so ohne weiteres sprechen können. Joh 20,17 hat auch diesen Zukunftsaspekt. Die Verwirklichung der Gottesherrschaft wird als Hochzeit geschildert. Es ist ein Einswerden von Israel, der Kirche, aller Menschen und Gott. Die christliche Ehe ist dafür sakramentales Zeichen. Es geht letztlich um einen geschenkten Lohn. Ein “do ut des” entspricht nicht der Bibel. Letztlich werden wir im Makarismus seliggepriesen. Das Ziel unseres Lebens ist das Glück. 9.6.1998 Es geht im Hymnus hauptsächlich um die Erfüllung der Gottesherrschaft. Die Gottesherrschaft wird vorrangig dargestellt als Überwindung der Macht des Bösen. Des weiteren klingt die positive Ausmalung der Gottesherrschaft an: im Bild der Hochzeit des Lammes. Am Ende steht nicht die Klage, sondern die Seligpreisung. Bestätigt wird noch: “Das sind zuverlässige Worte, es sind Worte Gottes.” Das, was hier gesagt wird, ist wahr. Das soll versichert werden. Mit 19,10 könnte das Buch abschließen. Doch geht es dem Schreiber der Offb wie einem Prediger. Er läßt den “Ball” des Themas noch einmal aufspringen. Quasi wie eine Zeitlupe, eine Analyse.

14.Der Sieg des Logosreiters über das Tier und dessen Propheten (19,11-21) 14.1.Texterklärung Dieser Text weist eine dreifache Gliederung auf, die jeweils durch “und ich sah” angezeigt wird: V. 11.17.19. Es geht um den Sieg des Logosreiters über das Tier selbst. Tier und Babylon gehen irgendwie ineinander über. Später wird auch noch der Sieg über den Drachen geschildert. V. 11-13 Geschildert wird quasi die Parusie. Christus wird als Reiter geschildert. Es erinnert an den ersten apokalyptischen Reiter, doch besteht wohl keine Identität. Nach Sach 9,9 und den Evangelien reitet

- 30 -

Jesus auf dem Esel, dem Tier der Armen, in Jerusalem ein. Der, der auf dem Pferd reitet, ist jetzt der Sieger. Schon durch den Namen ist der Reiter eindeutig als Christus identifiziert. Die Bilder sind ganz anders als die vom Jüngsten Gericht. Christus ist hier ein Krieger, ein Richter. Er hat politische Züge. Sein Blick ist tötend. Der Name, den niemand kennt, deutet an, daß unsere menschliche Sprache zu gering ist, um das Wesen Christi irgendwie zu fassen. Wenn es heißt, sein Name ist das “Wort Gottes”, so dürften wir nicht an die Bedeutung des Logos im Johannesevangelium denken. Angespielt wird auf Weish 18,15: hier ist die Sprache ebenfalls sehr kriegerisch. Man muß daran denken, daß der Schreiber sich in einer Verfolgungssituation befindet. Das “Schwert aus seinem Munde” ist das Wort, das tötet. V. 14-15 Hier kommt zum Ausdruck, wie Gott wütend ist über das Böse, das Menschen tun. Der “Zorn Gottes” ist immer ein Zorn über das Böse. Gott steht den Notleidenden, Armen, Bedrängten, Unterdrückten nicht gleichgültig gegenüber. Die jüdischen Apokryphen dieser Zeit bedienen sich der gleichen Bildersprache. V. 16 “Hüfte” kann auch mit “Schenkel” übersetzt werden. Auf was angespielt wird, ist nicht ganz klar. Bis jetzt ist die Vision von Christus die Vision von einem Krieger. V. 17-18 Man sprach von den unästhetischsten Versen des ganzen NT. “Selig, die zum Mahle des Lammes geladen sind.” Zum Teil ist hier aus Ez 39,17-21 zitiert. Das Mahl entspricht nicht unseren ernährungswissenschaftlichen Vorstellungen. Es ist für Kremer die grausamste Stelle des ganzen NT. Es ist ein Gegenbild zum Hochzeitsmahl des Lammes. Die Stelle zeigt auch, daß der Visionär seine Visionen im Sinne des AT gedeutet hat. V. 19-21 Wieder wird gezeigt, daß das Böse nicht das letzte Wort hat. Das in Kap. 13 aus dem Meer aufgetauchte Tier und der Pseudoprophet werden von Christus vernichtet.

14.2.Theologische Aussage D AS

UNS GEWOHNTE

B ILD C HRISTI

ALS EINES

K RIEGS HELDEN

Auf dem Hintergrund des AT und der Verfolgungssituation des Sehers müssen diese Verse gesehen werden. Gott ist im AT nicht immer Pazifist. Es geht aber stets um die Besiegung des Bösen. Das Bild vom Jüngsten Gericht ist ein anderes wie das aus Mt 25. Das Christusbild ist, so sehen wir, geschichtsbedingt. Wir müssen uns heute auch fragen, welches Christusbild für unsere Zeit angemessen ist. Für Heinz Schürmann ist es wohl der von den Menschen und von Gott verlassene Jesus am Kreuz.

D IE A NKÜNDIGUNG

DES

S IEGES G OTTES

IN

F ARBEN

VON

E Z 39

Gemeint ist ein Gerichtsbild, das dazu dient, die Vertreter des Kaiserkultes zu warnen. Das Tier steht wohl nicht nur für Rom sondern für den Antichrist jeder Zeit. Heute dürfen wir vorrangig von der Barmherzigkeit und Liebe Gottes sprechen. Doch dürfen wir dabei nicht unterschlagen, daß es eine Verantwortung gibt. Das ist der Sinn dieser Bilder. In Lk 17 // Mt 24 haben wir ein Gerichtsbild ohne Richter (aus Q). Die Gerichtsbilder in der Bibel sind vielfältig. Grausame Aussagen müssen eingeordnet werden. Der Kontext ist jeweils zu beachten.

15.Fesselung des Drachen, 1000-jähriges Reich, endgültiger Sturz Satans, Endgericht (20,1-15) 15.1.Kontext und Gliederung Das 1000-jährige Reich nimmt in der Bibel eine ganz eigentümliche Position ein. Kap. 20 steht am

- 31 -

Ende vieler Gerichtsaussagen und vor der Schilderung der neuen Stadt.

G LIEDERUNG V. 1-3 Fesselung des Satans für 1000 Jahre V. 4-6 das 1000-jährige Reich, erste Auferstehung V. 7-10 Entfesselung des Satans, erneuter Kampf, Vernichtung des Satans V. 11-15

Das Weltgericht mit dem zweiten Tod im Gegensatz zur ersten Auferstehung

15.2.Texterklärung V. 1-3 Es geht um einen Engel (Michael?), der vom Himmel herabsteigt und mit einer großen Fessel den Satan ergreift. Es findet sich wieder das typische schlechte Griechisch. Die Fesselung für 1000 Jahre ist ein Motiv, das auch außerbiblisch bekannt ist (äthiopischer Henoch: 10.000 Jahre). Der Satan wird für eine begrenzte Zeit gefesselt. Das findet sich schon in Jes 24,21f: “An jenem Tag wird der Herr hoch droben das Heer in der Höhe zur Rechenschaft ziehen und auf der Erde die Könige der Erde. Sie werden zusammengetrieben und in eine Grube gesperrt; sie werden ins Gefängnis geworfen, und nach einer langen Zeit wird er sie strafen.” Es kommt eine Zeit, in der der Satan die Menschen nicht verblenden kann. Dabei klingt die jüdische Vorstellung der messianischen Zeit an. Es geht im Grunde nicht um die Bestrafung, sondern um die Bewahrung der Völker vor der Verführung. V. 4-5 Hier sieht der Seher, daß Sessel hergerichtet werden für die Märtyrer, schließlich für alle, die das Tier nicht angebetet haben. Es wurde ihnen ein “Gerichtsurteil” gegeben: das wird entweder als Rehabilitation verstanden (sie werden als gerecht erklärt gegenüber den anderen) oder als Einsetzung eines Gerichtshofes (sie werden zu Richtenden). V. 6

Hier wird gesagt, die Märtyrer und die anderen erhalten Anteil an der Auferstehung Christi. Man spricht von der “ersten Auferstehung”, wobei eine “zweite” später nicht berichtet wird. Sie werden inthronisiert, bekommen Anteil an Christi Macht, sind Priester, d.h. ständig bei Gott. Der “zweite Tod” ist eine jüdische Aussageweise für den ewigen Tod: nicht der medizinische Tod, sondern die “Verdammung”. Bei der “ersten Auferstehung” haben wir eine Parallele im Johannesevangelium. Die Polysemie von “Auferstehung” in der Bibel ist zu beachten: -

Auferstehung im Sinne der Auferstehung Jesu (endgültige Überwindung des Todes)

-

Auferstehung der Gerechten zum ewigen Leben

-

Auferstehung aller, der einen zum Leben und der anderen zum Tod. Alle diese Aussagen sind auseinanderzuhalten. Das 1000-jährige Reich ist ein Bild für die Zukunft.

V. 7-10 Hier ist die Ankündigung eines letzten Aufbäumens des Bösen zu erkennen. Diese Voraussage spielt bei den Zeugen Jehovas und anderen Sekten eine große Rolle. In Ez 38 bezeichnen Magog ein Volk und Gog einen Fürsten. Die Ausdrücke sind Schablonen, wie man z.B. heute von “Vandalen” spricht. Der Vandalismus von Fußballrowdies hat nichts mit dem germanischen Volk zu tun. Die Anhänger von Qumran bereiteten sich auch auf den heiligen Krieg vor. Die Folge dieses Krieges in der Offb ist die endgültige Vernichtung des Satans. Doch ist dann nicht einfach weg, sondern brennt ewig. Das ist ein Bild für die Hölle. Das heißt nicht, daß so die Hölle aussieht. V. 11-14 Es folgt der berühmte “ dies irae, dies illa”. Es ist im Grunde auch nur ein Gericht über die Bösen. Es ist ein Bild, das die Majestät Gottes veranschaulicht. Die “in den Büchern aufgezeichneten Werke” sind die bösen Taten. Sie stehen nicht im “Buch des Lebens”, sondern es geht um den Tod derer, die da sind. Der Begriff “Auferstehung” wird nicht

- 32 -

verwendet, weil “Auferstehung zum Gericht” keine echte Auferstehung ist. Die Toten werden lediglich herausgegeben. Der Feuerpfuhl ist der zweite Tod. Zum Satan kommen der personifizierte Tod, die personifizierte Unterwelt und alle Bösen.

15.3.Überlegungen zu Textsorte und Motivgeschichte In der frühen Kirche, bei den ersten Kirchenvätern, wurde damit gerechnet, daß in Kürze die Parusie kommt und dann ein 1000-jähriges Reich auf der Erde herrscht, bis die endgültige Auferstehung kommt. Daher wollte die Ostkirche die Offb auch lange nicht in den Kanon aufnehmen. Augustinus u.a. deuteten das 1000-jährige Reich symbolisch: es sei die Kirche, die mit der Auferstehung Christi begonnen habe. Um das Jahr 1000 rechnete man sehr stark mit dem Ende der Welt. Joachim von Fiore griff später (12. Jh.) den Gedanken auf, als er vom Reich des Vaters, dem 1000-jährigen Reich des Sohnes und dem Reich des Hl. Geistes (das “dritte Reich”) sprach. Um die Aussagen der Bibel zu verstehen, ist zu beachten, daß es eine bildhafte Darstellung ist: die Abfolge ist nicht zeitlich, sondern sachlich. Ein Indiz dafür ist die klare Struktur. Das Bild ist zudem nicht kohärent. Einzelnes wird nur angedeutet, nicht aber ausgeführt. In 4 Esra heißt es, daß der Messias erscheinen werden, dann 400 Jahre lebe, dann mit der gesamten Menschheit sterbe, bis nach 7 Tagen alles neu geschaffen werde. Wenn man den Ursprung dieser und ähnlicher Motive zu deuten versucht, muß man bedenken, daß sich zur Zeit der Apokalyptik zwei verschiedene Zukunftserwartungen überschnitten haben: die Erwartung eines messianischen Reiches auf der Erde und die Erwartung, daß am Ende der Zeiten vom Himmel her ein neuer Äon in diese Welt hineinbricht. Wenn man das bedenkt, sieht man klar, daß es sich mit dem Motiv des 1000-jährigen Reiches um eine Bildersprache handelt, die sich der Zahlensymbolik bedient.

15.4.Bibeltheologische Aussage -

Für die Leser am Ende des 1. Jhs. heißt es, daß die messianische Endzeit und die endgültige Vernichtung des Todes kommt. Möglicherweise klang auch an, daß die Märtyrer einen Vorzug hatten, weil sie jetzt schon Anteil an der Macht Christi hatten.

-

Für uns heute ist als erstes festzuhalten, daß die Macht des Bösen endgültig überwunden wird: zwar nicht ein- für allemal aber stetig. Das Böse ist schon überwältigt, wirkt sich aber noch aus. Als zweites erhalten die zu Christus Gehörenden im 1000-jährigen Reich schon vor dem endgültigen Ende der Tage eine besondere Seligkeit. Die Schilderung vom Ende der Welt und dem Gericht ist die Vorausschau darauf, daß die Bösen nicht für immer bestehen. Die hier angeführte Sicht kennt keine Begnadigung des Sünders und auch keine Läuterung im Fegefeuer. Auf die Begrenztheit biblischer Darstellung ist hinzuweisen. Aber es gibt auch andere Gerichtsbilder in der Bibel. 16.6.1998

16.Das neue Jerusalem (21,1-22,5) 16.1.Texterklärung G LIEDERUNG 21,1-8 3.8

1f

Doppelvision zwei Auditionen

21,9-22,5 9-14

äußeres Aussehen

- 33 -

15-21 Maße und Materialien 22-27 innere Herrlichkeit 22,1-5 paradiesischer Charakter Die Grundmotive sind die Braut als das neue Jerusalem im Gegensatz zur Hure Babylon, Jerusalem als Frau. V. 1

Zunächst geht es um einen neuen Himmel und eine neue Erde, was an die Formulierung in Jes 65,17 angelehnt ist. Es ist keine Aussage, daß die Erde unzerstört und unverwüstet neu geschaffen wird. “Meer” meint die zerstörerische Kraft des Bösen.

V. 2

Die neue Stadt ist ein Gegenstück zu Babel, zum römischen Kaiserkult. Nur hier fällt der Name Jerusalem in der Offb. Er wird dem Neuen Bund vorbehalten. Das dama,lige Jerusalem existiert nicht mehr, der Tempel ist zerstört. Das Bild der Braut ist dem AT entnommen.

V. 3-4 In einer Audition deutet der angelus interpres die Stadt. Er spricht von Gottes “Zelt” unter den Menschen. Gott wird unter den Menschen “zelten”. Man denkt an das Offenbarungszelt im Alten Bund. Gottes Gegenwart soll ausgedrückt werden. Gott, der die Tränen abwischt, ist ein mütterlicher Gott. Gott weiß um das Leid. Es gibt Tränen in der Welt. Es folgt die Verheißung, daß der Tod für immer besiegt ist. Auch das hat seine Vorläufer im AT: Jes 25,8. V. 5-8 Es folgt die Stimme Gottes. Zum zweitenmal nach Offb 1,8 spricht Gott selbst in der Offenbarung. Der Schöpfer erklärt hier feierlich, daß eine neue Verfassung kommt (nach Jes 43,19). Für viele Ausleger ist das die zentrale Stelle der ganzen Offb. Dem folgt die Versicherung, daß “diese Worte” treu und wahrhaftig sind. Sie sollen aufgeschrieben werden. Das “Alpha und Omega” ist hier auf Gott selbst bezogen. Angefügt wird ganz eigentümlich das Bild eines Menschen, der in einer Wüstengegend wandert und auf Wasser angewiesen ist. In V. 7 wird die ganz innige Gemeinschaft mit Gott durch dieses Wasser des Lebens angekündigt. Die Verheißung des Messias wird ausgeweitet auf alle Menschen. In V. 8 fügt der Verfasser noch einen “erhobenen Zeigefinger” ein. Als düsterer Hintergrund wird gesagt, daß es nicht selbstverständlich ist, bei den Erwählten dabei zu sein. Die Verse 21,9-22,5 verdeutlichen das Gesagte in Anwendungen. V. 9-14 Hier geht es um das äußere Aussehen des neuen Jerusalems. Das Bild ist kein realistisches. Die Stadt wird in Kubusform geschildert. In V. 9 wird auf Kap. 13 zurückverwiesen. Interessant ist die doppelte Ankündigung: die “Braut” und die “Ehefrau” des Lammes. In 19,7 war schon von der Hochzeit des Lammes die Rede. Das Bild wird ausgemalt, wenn auch nur von der Stadt gesprochen wird. Im Bild der Stadt wird die neue Gemeinde der Christen aufgezeichnet. Die Tore sind Zeichen der Geborgenheit. V. 15-21 Wenn die Länge, Breite und Höhe bezeichnet wird, so sind es 2400 km, also eine riesige Stadt. Doch sehen viele eine Zahlensymbolik in den Angaben. Ganz kostbare Steine bilden die Mauer und Grundsteine der Stadt. Es gibt vielleicht Zusammenhänge zu den 12 Tierkreiszeichen. Wir wollen jetzt aber nicht näher darauf eingehen. V. 22-27 V. 22 ist nach J. Roloff ein “Spitzensatz” der Offb. Eigentlich ist das für jüdische Vorstellungen etwas Ungeheuerliches: der Tempel machte Jerusalem erst groß; er ist die Wohnstätte Gottes. Nun ist die Heilsgemeinde selbst Tempel. Gott wohnt nicht mehr in Häusern aus Steinen (vgl. 1 Kor 3, wo Paulus die christliche Gemeinde selbst als Tempel bezeichnet). Weil Gott selbst und das Lamm in der Stadt sind, braucht es auch weder Sonne noch Mond. Gott selbst bringt Licht (vgl. Jes 16,19). In V. 24-26 folgt ein Ausdruck, daß sogar Heiden im Licht wandeln. Man merkt sofort, wie surrealistisch das ist. Der Seher denkt nicht historizistisch, realistisch, sondern alles, was es in der Welt Gutes gibt, kommt in diese Stadt hinein. Wieder erhebt der Verfasser den Zeigefinger und grenzt paränetisch die Geretteten zu den Unreinen ab. Paränetische Sätze sind nicht informativ. Sie wollen vielmehr auffordern, ermuntern, das Rechte zu tun. Die Unterscheidung von appellativen und informativen Sätzen muß stets getroffen werden.

- 34 -

22,1-5 Nun wird der paradiesische Charakter der Stadt aufgezeichnet. Wichtig ist das Bild. Das Wasser, das unter dem Throne Gottes hervorströmt, erinnert an Ez 47,1-12. Diese Vision hat unsere Frömmigkeitstradition bestimmt, weil sie auf die Angabe im Johannesevangelium, daß Jesus die Seite durchbohrt wird, bezogen wurde. Deshalb war die Wunde auf den Darstellungen Jesu auch auf der rechten Seite. Das Bild vom Paradies wird fortgesetzt in V. 3b.5. Das Thema wird weiter ausgefaltet. Das Wort “herrschen” in V. 5 ist in dem Sinne verstanden, daß die Menschen keine Sklaven, nicht mehr verknechtet sind. Sie sind frei. Das meint es, wenn Gott herrscht. Nach 1,6 ist den Lesern das bereits in der Gegenwart gegeben.

16.2.Bibeltheologische Aussage Die eigentliche Botschaft der Apokalypse findet sich im Reichtum der Bilder.

D AS B ILD

DER

F RAU

Es ist ein Gegenbild sowohl zur Hure Babylon als auch zu Rom oder zu modernen Diktaturen. Die Bilder sind in einer anderen Welt entstanden. Das Bild der Frau zeigt eine große Hochachtung vor der Frau als Lehrerin, Beschützerin. Die urmenschliche Geborgenheit im Mutterschoß kommt durch. Bis zum Barock waren Marienbilder zumeist typologische Bilder für die Kirche.

N EUER H IMME L –

NEUE

E RDE

Gott selbst macht alles neu. Es kommt zum Ausdruck, daß wir Menschen letztlich von Gott stammen und darauf ausgelegt sind, Gemeinschaft (koinoni>a) mit Gott zu haben.

D ER B AU

UND

S CHMUC K

DER NEUEN

S TADT

Es geht um die Heimholung der ganzen Welt. Die großen gotischen Kirchenbauten wurden aufgestellt, um die Kirche zu repräsentieren, nicht um eine bessere Liturgie zu ermöglichen.

D AS B ILD

VOM NEUEN

P ARA DIES

Dazu sind wir eigentlich bestimmt, daß alles am Ende seine Erfüllung finden wird. Es ist das jüdische Bild der Liturgie, das aufgegriffen wird: wir sind dazu berufen, unter Gottes Herrschaft zu stehen, d.h. nicht mehr entfremdet zu sein. Heute tun wir uns schwer, die Symbolkraft der Bilder mitzutragen. Bilder sind Bilder und nicht einfach alles. K. Rahner schrieb einen aufregenden Text, in dem er zunächst mit der Sprache der Bibel fast ins Gericht geht. Rahner versucht mit Worten auszudrücken, was letzten Endes die Bibel in Bildern darstellt: das Geheimnis, zu dem wir berufen sind. Es ist für uns auch eine große Aufgabe für die Verkündigung, die Menschen die Bilder als Bilder verstehen zu lehren.

17.Postskript (22,6-21) Man könnte diese Verse gliedern in V. 6-20 (das Nachwort) und V. 21 (der Briefschluß). Im Rahmen des Nachwortes werden häufig stereotyp einzelne Themen wiederholt. V. 6-7 Es wird noch einmal alles bestätigt. Das “bald” wurde oft auf die Naherwartung bezogen. Naherwartung findet sich in der jüdischen Literatur, in Qumran genauso wie im AT oder im NT. Es sind keine chronologischen Aussagen, sondern auffordernde Aussagen, die uns darauf aufmerksam machen, daß wir bereit sein sollen. V. 8-9 Hier wird vielleicht ein Engelskult abgewehrt. Es wird auf jeden Fall darauf hingewiesen, daß die Worte in diesem Text Worte Gottes sind. V. 10-17 Die Motive der Naherwartung kehren wieder. V. 18-20 Der aramäische Ruf “ maranatha” kann doppelt gedeutet werden: “Unser Herr, komm!” oder “Unser Herr ist gekommen.” Beide Übersetzungen sind möglich. Wo es in der Bibel aber übersetzt wird, ist es im Imperativ verstanden.

- 35 -

Gott ist der, der kommt, nicht der, der einfach da ist. Wir dürfen die Welt nicht statisch sehen, sondern als eine Welt, die sich zwischen Alpha und Omega bewegt. In V. 18-19 haben wir eine sogenannte “Kanonisationsformel”. Wir haben nicht das Recht, Aussagen dieses Buches zu streichen. Das deutet darauf hin, daß auch zur Zeit des Verfassers nicht alle unkritisch seine Schrift angenommen haben. V. 21 Wir sollen auf das Kommen unseres Herrn warten. In V. 21 seht keine Copola. Man kann den Satz also als Wunsch (“sei”) oder als Feststellung (“ist”) deuten. Die Gnade des Herrn sei mit allen!

- 36 -