Herzinsuffizienz bei Adipositas und Metabolischem Syndrom

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Übersichtsarbeit

Herzinsuffizienz bei Adipositas und Metabolischem Syndrom A. Baessler; M. Fischer Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Regensburg

Schlüsselwörter

Keywords

Adipositas, Metabolisches Syndrom, Herzinsuffizienz, diastolische Dysfunktion, Gewichtsreduktion

Obesity, metabolic syndrome, heart failure, diastolic dysfunction, weight reduction

Zusammenfassung

Summary

Das Risiko für die Entwicklung der Herzinsuffizienz wird durch Adipositas verdoppelt. Dabei führt die Adipositas nicht nur indirekt über die Zunahme von kardiovaskulären Risikofaktoren und koronarer Herzkrankheit zu chronischer Herzinsuffizienz, sondern auch direkt über die veränderten hämodynamischen, metabolischen und neurohumoralen Eigenschaften. Zur Prävention der Herzinsuffizienz, z.B. bei Zeichen einer beginnenden diastolischen Dysfunktion oder bei metabolischen Alterationen, erscheint die Gewichtsreduktion als kausale Therapie sinnvoll. Sowohl Gewichtsreduktion als auch körperliches Training sind prinzipiell in der Lage, durch günstige Effekte auf kardiovaskuläre Risikofaktoren die frühe Adipositas-assoziierte Herzinsuffizienz zu verbessern. Jedoch kann die hierfür notwendige dauerhafte Lebensstilintervention von den Betroffenen häufig nicht erfolgreich umgesetzt werden. Im Gegensatz dazu sind die prognostischen Effekte der Gewichtsreduktion bei bereits manifester Herzinsuffizienz aufgrund des Adipositas-Paradoxons noch umstritten. Die Durchführung gezielter prospektiver Therapiestudien zum besseren Verständnis der Interaktionen zwischen Adipositas, Gewichtsreduktion und Herzinsuffizienz ist anzustreben.

Obesity doubles the risk of heart failure. Obesity promotes alterations in cardiovascular risk factors that indirectly promote the development of heart failure, but a variety of hemodynamic, metabolic, and neurohumoral adaptations in cardiovascular structure and function also contribute directly to decreased cardiac function. Therapeutic approaches to prevent heart failure include weight control by dietary intervention and increased physical activity, particularly when there is evidence of left ventricular diastolic dysfunction and/or metabolic alterations. Several studies have provided convincing data on the benefits of weight reduction and physical activity on cardiovascular risk associated with obesity. However, the proportion of patients that benefit from the lifestyle interventions is limited by the difficulty in maintaining weight loss and exercising on a regular basis. In contrast, the prognostic effects of weight reduction in obese patients with overt heart failure are debatable as these patients paradoxically seem to have a more favourable clinical prognosis. Further prospective studies and new approaches are needed to elucidate the mechanisms for the relationship between obesity, weight reduction modalities and heart failure prognosis.

Korrespondenzadresse Priv.-Doz. Dr. Andrea Baessler Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II Klinikum der Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss Allee 11, 93053 Regensburg Tel. 0941–0447299 E-Mail: [email protected]

Heart insufficiency in obesity and metabolic syndrome Adipositas 2014; 8: 76–80

Herzinsuffizienz gehört in Deutschland zu den häufigsten Diagnosen bei hospitalisierten Patienten. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung und die verbesserten Überlebenschancen von Personen mit einem akuten Herzinfarkt, Herzklappenerkrankungen oder Kardiomyopathie lassen erwarten, dass die Zahl der Patienten mit Herzinsuffizienz in den nächsten Jahrzehnten weiter ansteigt (1, 2). Patienten mit Herzinsuffizienz weisen oft mehrere Begleiterkrankungen und Risikofaktoren auf. Aus epidemiologischen Untersuchungen zur Ätiologie der Herzinsuffizienz lassen sich die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten der Herzinsuffizienz ableiten: Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Rauchen und Adipositas (3). Da die Adipositas und ihre assoziierten Begleiterkrankungen in unserer Gesellschaft immer prävalenter werden, verdient der Einfluss dieser Risikofaktoren auf die steigende Inzidenz und Prävalenz der Herzinsuffizienz besondere Aufmerksamkeit, nicht zuletzt weil sich hieraus auch Ansätze für die primäre und sekundäre Prävention der Herzinsuffizienz ergeben. Mehrere Studien konnten bei Männern und Frauen einheitlich eine klare Assoziation zwischen dem BMI und verschiedenen Herz-Kreislauferkankungen dokumentieren (4, 5). Zudem ist die Adipositas auch signifikant mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. In einer kürzlich publizierten großen Metaanalyse, in die 2,88 Millionen Patienten eingeschlossen wurden, war Adipositas unabhängig vom Schweregrad mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert (Hazard Risk 1,18; 95% Konfidenzintervall 1,12–1,25) (6). Betrachtet man die Herzinsuffizienz isoliert, so zeigen Daten aus der Framingham-Studie, dass Adipositas das Risiko für die Entstehung der Herzinsuffizienz verdoppeln kann und dass eine BMI-Einheit, selbst nach Adjustierung für weitere Risi-

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kofaktoren, das Herzinsuffizienzrisiko bei Männern um 5 % und bei Frauen um 7 % erhöht. Dabei beträgt das zuschreibbare Risiko, dass Herzinsuffizienz allein durch Adipositas und nicht durch weitere Komorbiditäten erklärt werden kann, zwischen 11 und 14 % (7). Die Korrelation zwischen BMI und Herzinsuffizienzrisiko bestätigte sich nachfolgend in der noch größeren Physicians’ Health Study (8). Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die Adipositas ein in Leitlinien anerkannter unabhängiger Risikofaktor der Herzinsuffizienz. Parallel zur Adipositasprävalenz steigt auch die Prävalenz des Metabolischen Syndroms, einem Cluster aus verschiedenen kardiovaskulären Risikofaktoren, bestehend aus arterieller Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Insulinresistenz und abdominaler Adipositas. In Deutschland sind ca. 25 % der Bevölkerung von einem Metabolischen Syndrom betroffen; je nach Alter und regionalen Unterschieden sind diese Angaben sogar noch höher (9), wobei genaue Angaben aufgrund uneinheitlicher Diagnosekriterien nur schwer zu bewerten sind.

Unbestritten ist, dass das Vorhandensein des Metabolischen Syndroms das kardiovaskuläre Risiko der Adipositas weiter deutlich erhöht (4, 10). So zeigte eine jüngst durchgeführte Metaanalyse, bei der über 950 000 Personen aus 87 Studien ausgewertet wurden, ein relatives Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Vorhandensein des Metabolischen Syndroms von 2,35 (95% Konfidenzintervall 2,02–2,73) (11). Dabei stieg das kardiovaskuläre Risiko mit der Anzahl der Komponenten eines Metabolischen Syndroms und schien v.a. bei Zusammentreffen von zentraler Adipositas, arterieller Hypertonie und Hyperglykämie am höchsten zu sein (12–14). Konsekutiv ist bei Vorhandensein des Metabolischen Syndroms auch das Risiko für Herzinsuffizienz erhöht (▶ Abb. 1) (15–18). Trotz der vorher genannten Zusammenhänge wurde bei adipösen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ein Überlebensvorteil gegenüber schlanken Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz dokumentiert (19–22). Dieses Paradoxon wird allerdings häufig fehlinterpretiert, in dem

Kardiovaskuläre Risikofaktoren z.B. Arterielle Hypertonie Insulinresistenz Dyslipidämie

Sinne, „Übergewicht sei besser als Normalgewicht“. Jedoch trifft das Adipositas-Paradoxon nur auf bereits erkrankte Personen zu, die aufgrund ihrer Erkrankung per se eine statistisch verkürzte Lebenserwartung besitzen (23).

Geschlechtsspezifische Unterschiede Frauen mit Herzinsuffizienz unterscheiden sich von Männern in verschiedenen Aspekten der Ätiologie, Klinik und Prognose. Am bekanntesten ist die Tatsache, dass klinische Zeichen einer nachgewiesenen diastolischen Funktionsstörung bei erhaltener linksventrikulärer systolischer Funktion bei Frauen häufiger vorkommen als bei Männern (24–26). Die Adipositas ist bei Frauen mit einem vermehrten Auftreten einer Herzinsuffizienz assoziiert. So haben übergewichtige Frauen ein 50 % höheres Risiko, an Herzinsuffizienz zu erkranken, als normalgewichtige Frauen (7). Daten aus der Framinhham Offspring Kohorte zeigten zudem, dass mit zunehmender

Adipositas / Überernährung

Metabolische / neuroendokrine Faktoren Insulinresistenz RAAS‐Aktivierung Zytokine / Inflammation Freie Fettsäuren Oxidativer Stress  mitochondriale und ER Dysfunktion, Lipotoxizität, Apoptose Vermehrtes epikardiales Fettgewebe *  Konstriktive diastolische Dysfunktion Abb. 1 Pathophysiologische Mechanismen der Herzinsuffizienzentstehung bei Adipositas. (* nur bei ausgeprägtem epikardialem Fett)

Herzinsuffizienz

Hämodynamische Adaptationen HF  Zirkulierendes Blutvolumen Sympathikotonus peripherer Widerstand LVH

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Anzahl an Komponenten des Metabolischen Syndroms das Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte, einschließlich Herzinsuffizienz, im Vergleich zur Referenzgruppe ohne Metabolisches Syndrom ansteigt. Hierbei weisen Frauen mit Metabolischem Syndrom ein deutlich höheres Risiko für kardiale Folgeerkrankungen und Typ2-Diabetes auf als Männer (14). Auch der Typ-2-Diabetes mellitus spielt insbesondere bei Frauen eine wesentliche Rolle für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. So führt ein Diabetes besonders bei jüngeren Frauen zu einer achtfachen Erhöhung des Risikos für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz (27). Obwohl der genaue Pathomechanismus ungeklärt ist, dürfte ein Diabetes auch zu einer verstärkten linksventrikulären Hypertrophie bei Frauen führen (28, 29). Geschlechtsunterschiede sind zudem beim ventrikulären „Remodeling“ auch histologisch nachweisbar und manifestieren sich durch weniger Fibrose, Apoptose und Myokardzellnekrosen bei Frauen im Vergleich zu Männern (26, 30). Hierbei scheinen Östrogene die linksventrikuläre Masse, Fibrose sowie den Reninspiegel zu reduzieren, während Androgene genau gegenteilige Effekte aufweisen (31). Sowohl in der Diagnosestellung als auch als Prognosemarker der Herzinsuffizienz kann die Bestimmung der natriuretischen Peptide (BNP, NT-proBNP) hilfreich sein. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Spiegel für Frauen typischerweise deutlich höher liegen als bei Männern (s.u.) (32–35). Die Gründe hierfür sind noch unklar. Die bei manifester Herzinsuffizienz erwarteten Symptome sind bei Frauen und Männern identisch, wobei Frauen häufiger symptomatisch sind, d.h. häufiger über Kurzatmigkeit, Knöchelödeme und eingeschränkte Belastbarkeit berichten. Passend dazu werden Frauen häufiger hospitalisiert und erfahren eine ausgeprägtere Reduktion ihrer Lebensqualität im Vergleich zu Männern (36, 37).

diärer kardiovaskulärer Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörungen sowie der koronaren Herzkrankheit eine wesentliche Rolle und ist indirekt über diese Adipositas-assoziierten kardiovaskulären Risikokonstellationen in die Pathogenese der Herzinsuffizienz eingebunden. Andererseits kann die Adipositas auch primär, also unabhängig von oben genannten Risikofaktoren zu einer Herzinsuffizienz führen.

Pathophysiologie der Herzinsuffizienz bei Adipositas

Metabolische und neurohumorale Ursachen

Die Adipositas hat vielfältige Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem. Einerseits spielt sie in der Entstehung interme-

Die Insulinresistenz gilt nicht nur als Schlüsselphänomen für die Pathogenese des Typ-2-Diabetes bei Patienten mit Adi-

Hämodynamische Adaptation bei Adipositas Bei Adipositas kommt es zu hämodynamischen Adaptationen wie Herzfrequenzanstieg, Erhöhung des zirkulierenden Blutvolumens und konsekutiv des Herzminutenvolumens. Diese Veränderungen sind zum einen bedingt durch die vermehrte perfundierte Körpermasse, zum anderen jedoch durch einen erhöhten Sympathikotonus (38, 39). Längerfristig kommt es dadurch auch zu einer Steigerung des peripheren Gefäßwiderstands (40), weshalb die Adipositas auch als eine wesentliche Ursache der arteriellen Hypertonie anzusehen ist (41). Die Zunahme des Herzminutenvolumens führt zu einer Erhöhung der Vorlast des Herzens. Die nachfolgende Volumenbelastung ist wesentlicher Faktor für die meist exzentrische Hypertrophie des Adipösen. Begleitet eine arterielle Hypertonie das klinische Gesamtbild, ist eine Nachlasterhöhung die Konsequenz. In Abhängigkeit von der Dauer einer Adipositas steigt auf dem Boden dieser hämodynamischen Veränderungen das Risiko einer Herzinsuffizienz. Dabei lassen sich sowohl systolische als auch diastolische Funktionsstörungen nachweisen, wobei die diastolische Dysfunktion als Ausgangspunkt der Herzinsuffizienz beim Adipösen betrachtet werden kann (42).

positas, sondern spielt auch in der Pathogenese der arteriellen Hypertonie, der Dyslipidämie sowie der koronaren Herzkrankheit eine entscheidende Rolle (43). Unabhängig von diesen für die Herzinsuffizienz indirekten Risikofaktoren lassen experimentelle Untersuchungen darauf schließen, dass die Insulinresistenz für die Entstehung der kontraktilen Dysfunktion auch direkt eine ursächliche Rolle spielt (44–47). Auch in mehreren klinischen Studien war das Vorliegen einer Insulinresistenz in unabhängiger Weise prädiktiv für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz (48). Interessanterweise konnte auch umgekehrt nachgewiesen werden, dass eine chronische Herzinsuffizienz prädiktiv für die Entwicklung einer Insulinresistenz ist (49–52). Eine kardiale Insulinresistenz kann sich unabhängig von einer systemischen Insulinresistenz entwickeln, jedoch trägt das Vorhandensein einer systemischen in erheblichem Maße zur Entstehung einer kardialen Insulinresistenz bei (49). Dabei führen verschiedene molekulare Mechanismen zur kardialen Insulinresistenz. Hohe Konzentrationen zirkulierender Triglyzeride und freier Fettsäuren führen zu einer erhöhten Aufnahme von Lipidmolekülen, Fettsäuren und Ceramiden ins Myokard (Lipotoxizität). Konsekutiv sowie durch überschüssige Glukose, welche oxidativen Stress hervorruft (Glukotoxizität), werden Kinasen (mTOR/S6-Kinase, JNK) aktiviert, die die Insulinsensitivität beeinflussen. Zusätzlich wird die Insulin-Signalübertragung durch eine Vielzahl anderer Mechanismen beeinflusst, wie Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems (RAAS), Zytokine bzw. inflammatorische Prozesse und oxidativer Stress (49, 53, 54). Bei Adipositas kommt es trotz vermehrtem Blut- und Herzeitvolumen zu einer gesteigerten Aktivität des RAAS. Ein Grund hierfür ist, dass das Fettgewebe selbst Komponenten des RAAS-Systems bildet. Bspw. wird Angiotensinogen im Fettgewebe produziert und wird daher auch als weiterer wichtiger Faktor für die Adipositas-assoziierte Hypertonie angesehen (55). Interessant ist zudem eine Korrelation zwischen Angiotensinogen- und anderen Adipokinen, wie z.B. Leptin, wobei es zu einer gegenseitigen Verstärkung dieser Faktoren kommen kann (56). Hämodynamisch ist

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die bedeutendste Leptinwirkung eine Steigerung der sympathikoadrenergen Aktivität, was wiederum mit einer gesteigerten Herzfrequenz, einem erhöhten Blutdruck und einer Zunahme der linksventrikulären Masse einhergeht (57, 58). Des Weiteren zeigten Zellkulturstudien, dass Leptin einen wachstumsinduzierenden Effekt haben kann und negativ inotrop auf Kardiomyozyten wirkt (59). Diese Daten implizieren, dass die hohen Leptinspiegel bei Adipositas eine Bedeutung für eine entstehende kardiale Dysfunktion haben könnten. Darüber hinaus beeinflusst das Fettgewebe über teilweise noch ungeklärte Mechanismen die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen, wie Interleukin 6 (IL-6), Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF-α) und dem C-reaktiven Protein (CRP) (60–62), welche einerseits als Prädiktoren für das Entstehen einer symptomatischen koronaren Herzerkrankung identifiziert wurden und andererseits die Freisetzung von Aldosteron aus den Nebennieren triggern und so eine Aktivierung des RAAS herbeiführen (49, 63). Sowohl Aldosteron als auch Angiotensin II können die membrangebundene NADPHOxidase in den glatten Gefäßmuskelzellen, den Herzmuskelzellen und den Skelettmuskelzellen aktivieren, was die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) anregt. Dies wiederum führt zur Aktivierung von redoxsensitiven Kinasen, wodurch die SerinPhosphorylierung von IRS-1 (Insulin Rezeptor Substrat–1) ausgelöst wird, was zu Insulinresistenz führt (64, 65). Bei exzessiver Vermehrung der Fettmasse kommt es zudem zu einer Vergrößerung des epikardialen Fettvolumens und zu einer direkten Einlagerungen von Fett im Herzen (66). Mehrere Studien weisen darauf hin, dass epikardiales und intrakardiomyozytäres Fett klinische Manifestationen einer ektopen Lipideinlagerung sein können (67–72). Dementsprechend wird das epikardiale Fett wie das intraabdominelle Fett funktionell als „viszerales“ Fett angesehen und das intrakardiomyozytäre Fett, ähnlich der hepatischen Steatosis, als intrazelluläre Lipidakkumulation (73). Die epikardiale Fettdicke bzw. das epikardiale Fettvolumen ist Ursprung verschiedener proinflammatorischer und proatherogener Zytokine, die die kardiale Funktion beeinträchtigen können (74, 75).

Darüber hinaus konnte eine Korrelation zwischen der epikardialen Fettmasse mit kardialen Komorbiditäten, wie kardiovaskulären Risikofaktoren, KHK und linksventrikulärer Dysfunktion nachgewiesen werden (76–78). Da das epikardiale Fettgewebe nicht durch eine Faszie vom Myokard getrennt ist, können Faktoren wie freie Fettsäuren oder Adipokine, die vom epikardialen Fettgewebe freigesetzt werden, das Myokard und die koronaren Gefäße direkt beeinflussen. Somit kann auch auf diese Weise die Aufnahme von freien Fettsäuren gesteigert sein und zu einer Lipotoxizität führen. Diese bedingt vermehrt oxidativen Stress und Apoptose, was wiederum zu Schäden an Mitochondrien, eingeschränkter myokardialer Energiegewinnung, einem gestörten Kalziumhaushalt und dadurch schließlich zu einer gestörten myokardialen Funktion und Kontraktilität führt (79–81). Bei Adipositas per magna werden eine massive epikardiale sowie extrakardiale Fettmasse von mehr als 800 g bzw. jeweils mehr als 1 cm dicke zirkuläre Fettschichten beobachtet, die zu einer konstriktiven linksventrikulären diastolischen Füllungsstörung führen können (82). Gewichtsreduktion kann das epikardiale Fett reduzieren, und zwar sogar überproportional im Vergleich zu anderen Adipositasparametern (68). Unsere eigenen Untersuchungen haben ergeben, dass die durch eine langandauernde Gewichtsreduktion hervorgerufene Reduktion der epikardialen Fettschicht einen wesentlichen Prädiktor für eine Besserung der diastolischen Funktion nach Gewichtsreduktion darstellt (unveröffentlichte Daten).

Natriuretische Peptide und neuere Biomarker Die deutliche Zunahme der Herzinsuffizienz und die damit verbundenen Beschwerden resultieren in einer zunehmenden Frequentierung der Notaufnahmen (83). Gerade beim stark adipösen Patienten mit Belastungsdyspnoe, bei dem die klassischen Herzinsuffizienzzeichen aufgrund der Körperkomposition teilweise schwer zu eruieren sind, wäre ein Labortest zur weiteren Differenzialdiagnose wünschenswert.

Die natriuretischen Peptide BNP und ANP sind für die Diagnostik und Verlaufsbeurteilung bei akuter und chronischer Herzinsuffizienz gut validiert. Die Hauptsekretionsstimuli für diese natriuretischen Peptide sind eine Volumenbelastung des Herzens, eine Zunahme der ventrikulären enddiastolischen Wandspannung oder eine neurohumorale Stimulation durch z.B. Angiotensin (84). BNP und insbesondere NTproBNP unterliegen einem langsamen Abbauprozess und haben daher eine längere Halbwertzeit als ANP, weshalb sich praktisch nur die BNP- bzw. NT-proBNP-Bestimmung in der klinischen Routine durchgesetzt hat. Neben Alter und Geschlecht gibt es jedoch eine ganze Reihe von Einflussfaktoren auf den Serum-BNP- und NT-proBNPSpiegel, zu denen auch Adipositas zählt. So besteht ein relativ ausgeprägter inverser Zusammenhang zwischen dem BMI bzw. Adipositasparametern und dem BNP-Spiegel (85). Zunächst wurde dieser Zusammenhang auf eine erhöhte BNP-Clearance im Fettgewebe zurückgeführt (86). Andere Theorien tendieren allerdings eher zu einem Clearance-unabhängigen Mechanismus und weisen darauf hin, dass eher Adipositas-assoziierte metabolische Faktoren wie ein gestörter Insulin-Glukosestoffwechsel, als die Fettmasse per se verantwortlich sind (87–89). Neuere Daten weisen darauf hin, dass die natriuretischen Peptide an der Regulation der metabolischen Homöostase beteiligt sind. So gibt es Hinweise, dass ansteigende Spiegel der natriuretischen Peptide die Entwicklung Adipositas-assoziierter Folgeerkankungen, wie Typ-2-Diabetes und Hypertonie, verhindern bzw. verzögern können (89). In jedem Falle sollte bei der Interpretation des BNP-Spiegels der Einfluss von Geschlecht und Adipositas mit berücksichtigt werden. Auch der Zytokin Growth Differentiation Factor (GDF)–15 kann nach Ischämie oder Druckbelastung des Herzens im Blut nachgewiesen werden. Zirkulierende Spiegel von GDF-15 bieten unabhängige prognostische Informationen bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom oder Herzinsuffizienz (90–93). Sowohl Patienten mit systolischer als auch diastolischer Dysfunktion weisen erhöhte GDF-15 Blutspiegel auf.

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GDF‐15 (AUC 0.70) NT‐proBNP (AUC 0.56) 

P30 kg/m2). The American journal of cardiology 2006; 98: 1593–1598. 109. Hinderliter A, Sherwood A, Gullette EC, et al. Reduction of left ventricular hypertrophy after exercise and weight loss in overweight patients with mild hypertension. Archives of internal medicine 2002; 162: 1333–1339. 110. Edelmann F, Pieske B. [Exercise training in heart failure]. Herz 2013; 38: 578–586. 111. Linke A, Mobius-Winkler S, Hambrecht R. [Exercise training in the treatment of coronary artery disease and obesity]. Herz 2006; 31: 224–233. 112. Bjarnason-Wehrens B, Mayer-Berger W, Meister ER, et al. Recommendations for resistance exercise in cardiac rehabilitation. Recommendations of the German Federation for Cardiovascular Prevention and Rehabilitation. European journal of cardiovascular prevention and rehabilitation : official journal of the European Society of Cardiology, Working Groups on Epidemiology & Prevention and Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology 2004; 11: 352–361.

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