Hauszeitung Alters- und Pflegeheim Clara Dietiker - Stein am Rhein

November 2016 Clara‘Zette Hauszeitung Alters- und Pflegeheim Clara Dietiker - Stein am Rhein Vorprojekt steht • Aktivierung und Alltagsgestaltung F...
Author: Andreas Brauer
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November 2016

Clara‘Zette

Hauszeitung Alters- und Pflegeheim Clara Dietiker - Stein am Rhein

Vorprojekt steht • Aktivierung und Alltagsgestaltung Freiwillige wie Personal behandeln • Interview Rosemarie Jäggi Die Alzheimer-Krankheit • Vom Altersheim zum Alterszentrum www.altersheim.sh

Inhaltsverzeichnis 3



EDITORIAL Vorwort Heimleiter Peter Keller AKTUELL

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Bauliche Vorhaben: Vorprojekt steht

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Buchtipp



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AUS DEM ALLTAG Unser Team Aktivierung und Alltagsgestaltung BEWOHNER Interview Rosa Maria Jäggi PERSONAL

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Jessica Knüsli – Zwischen zwei Welten

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Freiwillige wie Personal behandeln

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Heidi Brauchli, Frewillige Mitarbeiterin



HINTERGRUND

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Die Alzheimer-Krankheit

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Massnahmen um allen gerecht zu werden LETZTE SEITEN

30 Vom «Alters- und Pflegeheim» zum «Alterszentrum» 31

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Herbstschmaus der besonderen Klasse

EDITORIAL

vertieften Einblick in die Aktivierung und Alltagsgestaltung. Sie berichten in der Rubrik Aus unserem Alltag von ihrer Arbeitsweise und Motivation. Daraus kann unschwer abgeleitet werden, wie wichtig dieser Teil der Tagesstruktur und damit verbunden die tägliche Zuwendung ist. Aus gerontologischer Sicht darf man sogar davon ausgehen, dass dies, bei ganzheitlicher Sichtweise, von den Bewohnerinnen und Bewohnern wichtiger eingestuft wird als die eigentliche medizinische Versorgung. Was nicht heisst, diese einzuschränken. Auch hier werden die geplanten Bauvorhaben zukünftig dazu beitragen, die räumliche Situation zu verbessern und einen Mehrwert für alle zu schaffen. Mit der jetzigen Ausgabe unserer ClaraZette wollen wir Ihnen wiederum einen kleinen aber feinen Einblick in unsere Institution gewähren. Und das freut uns. Ein Schwerpunkt in dieser Ausgabe ist der Bericht über den aktuellen Stand der Erweiterung des Alters- und Pflegeheimes. Ein Thema, auf welches ich immer wieder angesprochen werde. Ein Thema auch, welches nicht nur die heutigen, sondern auch die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Angehörige interessiert. Nicht unwesentlich wird auch das Personal davon betroffen sein und bei uns den gelebten Alltag auf den Kopf stellen. Wir werden das Vorhaben gemeinsam mit allen am Prozess Beteiligten gut vorbereiten und planen und sind deshalb davon überzeugt, diese anspruchsvolle Aufgabe mit entsprechendem gesundem Augenmass bewältigen zu können. Der Übertritt ins Heim ist für viele die Ultima Ratio, der letzte Ausweg sozusagen. Wir verstehen unsere Aufgabe, diesen in eine positive Wahrnehmung zu lenken. Die heutigen und zukünftigen Herausforderungen und die damit verbundenen, aber berechtigten Ansprüche sind immens. Die bauliche Infrastruktur ist deshalb nur das eine. Diese mit Inhalten zu füllen ist das andere. Letzteres ist für uns der eigentlich anspruchsvolle und herausfordernde Teil, der immer neu erarbeitet, hinterfragt und angepasst werden muss. Ein Teil unserer Mitarbeiterinnen geben Ihnen in dieser Ausgabe einen

Daneben beschäftigen uns natürlich auch die sich ständig wandelnden Krankheitsbilder und, damit verbunden, im Besonderen bei an Demenz erkrankten Personen, die beinahe täglichen Veränderungen der Persönlichkeitsstrukturen der uns anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner. So sagte mir kürzlich etwas forsch und direkt eine Bewohnerin, die einen Platz in einer stillen Ecke gefunden hatte: «Die Alte dort im Pavillon ist reif für die Spinnwindi». Den Spagat zwischen Heim und Gerontopsychiatrie zu machen, ist unsere hohe Kunst des Alltags und kann nur mit bestens geschultem Personal bewältigt werden. Daran arbeiten wir, das ist für uns eine Daueraufgabe. Einen sachlichen Einblick zur Thematik Alzheimer haben wir unter der Rubrik Hintergrund für Sie bereitgestellt. Nicht zuletzt muss noch herausgestrichen werden, dass auch an Demenz erkrankte Personen Ansprüche auf eine für sie adäquate Infrastruktur haben. Dies wurde bei der Planung der baulichen Erweiterungen im Rahmen der Möglichkeiten berücksichtigt. Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche mir, dass Sie nach der Lektüre unserer ClaraZette merken, dass im Fokus unserer Anstrengungen immer Menschen stehen für die wir uns Zeit nehmen wollen, um auf sie und ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse eingehen zu können. Nicht mehr und nicht weniger.

Peter Keller, Heimleiter

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AKTUELL

Bauliche Vorhaben: Vorprojekt steht

Modell: Südfront

(pk) Im Herbst 2015 begann die zweite Projektierungsphase mit einem so genannten «Projektreview»unter der Leitung des vom Stadtrat eingesetzten Bauherrenvertreters Martin Wüst von WBI Wüst Ingenieure, Schaffhausen. Das Projekt überarbeitet haben die Architekturbüros Meyer Stegemann Architekten, Schaffhausen und Hunkeler Hürzeler Architekten AG, Baden. Nach einer Reihe von Sitzungen im Projektteam und dem Projektausschuss ist das nun vorliegende Vorprojekt entstanden und kann innerhalb des an der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 bewilligten Kredits in der Höhe von 6.8 Mio. Franken umgesetzt werden. Der Verständlichkeit halber sei hier noch erwähnt, dass es sich juristisch bei der Abstimmung um eine Kreditvorlage gehandelt hat und deshalb Änderungen an den damals vorliegenden Plänen noch möglich waren.

Konzeptionelle Überlegungen (hu) Das bestehende Altersheim setzt sich aus drei unterschiedlichen Häusern zusammen: Eine heterogene, aber dennoch stimmige Konstellation, komponiert aus einer klassischen Villa und zwei Gebäuden aus den achtziger Jahren. Die Bauten staffeln sich nebeneinander an attraktiver Hanglage mit Sicht nach Süden zum Rhein. Hangseitig definieren sie einen grosszügigen Aussenraum mit hoher Aufenthaltsqualität. Diese additive Konstellation erweitern wir sinngemäss mit drei neuen Gartenhäusern. Eingeschossige Pavillonbauten in Leichtbauweise verknüpfen sich räumlich mit dem Garten und erweitern das Nutzungsangebot für die Bewohner und den Betrieb. Die Wohngruppen erhalten neue Aufenthaltsbereiche mit Küche und attraktiven Bewegungs- und Begegnungszonen im Korridorbereich. Im ersten Obergeschoss wird der bestehende Essraum zurückgebaut und in angemessener Grösse

Modell: Nordfront

und Raumstimmung ersetzt. Die Cafeteria im Erdgeschoss wird als öffentlicher und multifunktional genutzter Raum belassen. Talseitig ist eine Untergeschossbaute unmittelbar an die bestehenden Gebäude angefügt. Nebst diversen Raumerweiterungen wie neue Parkplätze, angemessene Personalgarderoben und notwendige Lagerflächenerweiterungen kann dadurch auch eine dringend notwendige Verbesserung der bestehenden Anlieferungslogistik zur Küche umgesetzt werden. Darüber entsteht eine behindertengerechte Zugangs- und Aufenthaltsplattform. Mit der Aufteilung in einzelne, partielle Eingriffe lässt sich das Raumprogramm den entsprechenden Wohngruppen präzise zuordnen, störende Immissionen während der Bauphase werden minimalst gehalten und das bestehende Altersheim transferiert sich in ein zeit­gemässes Alterszentrum.

Noch etwas zum Aussenraumkonzept: Die gewachsene Umgebung mit schönem Baumbestand bedarf keiner grundsätzlichen Verbesserungsmassnahme. Mit der Hanglage stellt sich lediglich die Herausforderung der behindertengerechten Erschliessung. Von der Alten Zollstrasse im Süden wird aus diesem Grund ein Ausbau der Wegführung im Hang vorgeschlagen. Ein Serpentinenpfad, mit durchgehend behindertengerechten Steigung geplant, führt zum Haupteingang. Im Norden lässt sich die Aussen­ anlage, neben grosszügigen und zum Teil bestehenden Aufenthaltsbereichen zu einem Rundlauf für Menschen mit Schutzbedarf ausbauen. Für zusätzliche Parkplätze im Nordosten sorgt der Ausbau der einbündigen Parkierung in eine zweibündige Anordnung. Sämtliche baulichen Eingriffe in der Umgebung sind sorgfältig auf die bestehenden und neuen Anlagen abgestimmt.

Modell: Westfront

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AKTUELL

Die verschiedenen Bauvorhaben im Detail (pk) Im Folgenden werden hier die geplanten Vorhaben anhand der Grundrisse detailliert veranschaulicht und beschrieben. Unsere Leserinnen und Leser erhalten dadurch einen vertieften Einblick und eine umfassende Information. Grundriss Untergeschoss Direkt an die bestehende Bausubstanz gegen Süden, wird eine Tiefgarage angebaut. Darin untergebracht sind verschiedene Parkmöglichkeiten für Personenautos für Besucher und Spitexfahrzeuge sowie ein grosszügiger Velounterstand. Dazu kommen Werkstatt sowie Lagermöglichkeiten für den technischen Dienst und ein belüfteter Raum für die Abfallbewirtschaftung. Das nun vorliegende Konzept trägt vor allem zwei Punkten Rechnung: • Direkter und gedeckter Zugang zum Lift im Zentrum des Hauses für Bewohner, Besucher, etc. • Vereinfachung der Logistik dank ebenerdigem Zugang in die Vorrats- und Lagerräume für Lebensmittel und andere Waren, Vereinfachungen für die Auslieferungen an den Mahlzeitendienst. Dazu kommt ein Personenlift an der Westseite, Grundriss Erdgeschoss (oben) und 1. Obergeschoss welcher die Lager mit der Küche und die Küche mit dem Speisesaal verbindet, sich also über drei Stockwerke erstreckt. kommt und Platz bietet für zusätzlich notwendige Entlüftungsanlagen sowie die Möglichkeit offen lässt, Die heute vorhandenen Garagen werden zu zeitge- zukünftig die Küche bei Bedarf zu erweitern. Ebenso mässen Garderoben für das Personal ausgebaut und wird der jetzt im Parterre als Lücke wahrgenommene bieten zudem Platz für weitere Lagermöglichkeiten. Raum, durch den Anbau des Pavillons, zu einem anDie alte Garderobe wird für das männliche Personal genehmen Sitzplatz im Schatten aufgewertet. hergerichtet und im hinteren Teil entsteht ein abschliessbarer Raum für Server, Brandmeldeanlage, etc. Grundriss 1. Obergeschoss  Das 1. Obergeschoss zeichnet sich im Wesentlichen Grundriss Erdgeschoss durch drei Hauptelemente aus. Der heutige SpeiHier entsteht ein grosszügiger Platz für den Aufent- sesaal wird vollständig zurückgebaut und der Neue halt im Freien und für das Kafi 21 sowie ein ebenerdi- leicht nach Norden versetzt. Das bisherige, renovatiger und somit hindernisfreier Zugang zum Hauptein- onsbedürftige Flachdach wird durch eine Gibelkongang und der Villa Wellauer. Die bisherige Auffahrt struktion ersetzt, was mehr Luft und Raum schafft. wird in Richtung Öhningerstrasse hin versetzt. Dabei Zwischen dem neuen Speisesaal und der Villa entsteerhalten alle Zimmer im Erdgeschoss direkten Zu- hen ein Office für die Bedürfnisse der Hauswirtschaft gang auf den grosszügigen Vorplatz. und zusätzlich ein kleiner Balkon und eine GarderoAngrenzend an die Küche entsteht eine Räumlich- be. Zudem bietet die Anlage auch die Möglichkeit, keit, welche unter den neuen Speisesaal zu liegen das Essen im Freien einzunehmen. Der Speisesaal

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Ansicht des neuen Speisesaals

gang zum Heim von Norden her über das erste Obergeschoss erfolgen, mit direktem Zugang zum Parkplatz. Dank dieser Erweiterung kann der bisherige Lagerraum in ein zusätzliches Bewohnerzimmer umgebaut werden, was nicht unwesentliche Mehreinnahmen generieren wird.

Grundriss 2. und 3. Obergeschoss

soll im Innenbereich so ausgestattet werden, dass er auch zum Verweilen einlädt und zu einem zusätzlichen Aufenthaltsbereich aufgewertet wird. Denkbar wäre hier beispielsweise auch ein Cheminée mit einer gemütlichen Sitzgruppe.  Des Weiteren wird der bestehende Pavillon vergrössert und den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner angepasst. Dies vor allem im Bereich der Alltagsgestaltung und Verpflegung. Zudem wird der direkte Zugang in die Gartenanlage sichergestellt. Im Norden angrenzend wird die bestehende Bau­ substanz so erweitert, dass zusätzlicher Lagerraum entsteht. Als wichtigstes Element wird neu der Zu-

Grundriss 2. und 3. Obergeschoss Hier entsteht neu ein grosszügiger Aufenthaltsbereich und zusätzlicher Raum für die Alltagsgestaltung. Neu wird auch das Stationszimmer, von welchem aus man die bewohnten Bereiche gut überblicken kann. Vom alten Aufenthaltsbereich wird ein ursprünglich bestandenes Bewohnerzimmer wieder hergestellt. Auf dem verbleibenden Platz entsteht eine Rückzugsmöglichkeit für Personen, die etwas die Ruhe suchen. Der neue Pavillon wird schön in die Gartenlage integriert und so bietet sich die Möglichkeit zur optimale Benutzung des Aussenbereichs. Dieser wird, angelehnt an einen Demenzgarten, neu gestaltet und soll abschliessbar sein. Im 3. Obergeschoss wird sich im Wesentlichen nichts verändern. Neu wird die Möglichkeit geschaffen, sich in einem Brandfall besser in Sicherheit zu bringen. Zudem bleibt die Nutzung des 2. und 3. Obergeschosses als geschlossene Demenzabteilung als Option für die Zukunft bestehen.

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Grundriss Umschwung

Grundriss Umschwung Daraus wird ersichtlich, wie der südliche Teil der Anlage von der Öhningerstrasse her von weit vorne durch einen Fussgängerweg mit behindertengerechten Steigungen sowie eine Serpentinenweg erschlossen wird. Im Norden entsteht eine ansprechende Gartenanlage und die bestehenden Parkplätze werden erweitert.

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Ansicht der Fassaden Die Fassadenansichten erlauben visuell eine bessere Darstellung der Bauvorhaben und runden die Informationen in unserer ClaraZette ab. Wie weiter In seiner Sitzung vom 9. November hat der Stadtrat auf Antrag des Projektausschusses die Suche nach einem Generalplaner einen weiteren Schritt vorangetrieben. Es stehen nun noch vier Firmen zur Auswahl. Nach wie vor sind wir im Terminplan und der voraussichtliche Baubeginn wird Ende 2017 sein. Eine genaue Planung bei dieser Erweiterung und bei laufendem Berieb ist unerlässlich. Bevor die Bagger auffahren, muss alles bis ins letzte Detail geplant sein. Das bringt allen Beteiligten jene Sicherheit, welche es für ein solches Vorhaben braucht.

AKTUELL

Buchtipp «Kopf in den Wolken» (pk) Emilio, ehemaliger Leiter einer Bankfiliale, wird zunehmend gebrechlich und weiss nicht mehr immer, wo er sich gerade befindet. Unfähig und Unwillens sich weiter um seinen Vater zu kümmern, bringt ihn sein Sohn in ein Altersheim, in dem Emilio die Schrecken des Alters und Demenz kennenlernen muss. Doch dann beginnt erst das Schlimme: Ihm wird Alzheimer diagnostiziert. Was die Krankheit Alzheimer für die Betroffenen bedeutet, mag man sich kaum vorstellen. Wie soll man das auch nachempfinden, wenn sich die Persönlichkeit Stück für Stück auflöst, einfach weil man sich nicht mehr an sich erinnern kann und nach und nach alles verschwindet und selbst die einfachsten Dinge wie Essen zu einer enormen Herausforderung werden. Insofern ist es schon mutig und etwas Besonderes, das mit „Kopf in den Wolken“ ein Comic erscheint, deren Held an Alzheimer erkrankt ist und man ihm auf seinen Lebens- und Leidensweg folgt. Dabei erzählt Paco Roca nicht auf den Effekt gezielt. Er will den Leser nicht nur aufklären, nicht nur schockieren, sondern ein schwieriges und unangenehmes Thema unterhaltsam darbieten. Was nach einem unauflösbaren Widerspruch klingt, ist ihm aber kongenial gelungen. Mit viel Einfühlungsvermögen und Empathie schildert Paco Roca das Leben in einem Altersheim und die Demenz. Vor allem die hervorragenden graphischen Einfälle bringen einem das alles näher. Nicht nur die Stimmung zwischen Fatalismus und Aufbegehren der Bewohner ist grandios getroffen, sondern auch das Verharren in den glücklichen Momenten der

Vergangenheit, da ja nichts in der Zukunft mehr auf einen wartet, aber auch die immer noch vorhandene Sexualität, die Lebenslügen, die prägenden Charakterzüge der alten Menschen: Alles wird mit Witz und Ironie erzählt ohne das dieses jemals auf Kosten der Bewohner geht. All die Hoffnungslosigkeit wird getroffen und in nur wenigen Panels kann man die Apathie schmerzhaft nachvollziehen, aber auch die immer wieder aufkeimende Lebenslust. Der Band strotzt nachgerade vor guten Ideen, fast auf jeder Seite sind solche zu finden. So wird sichtbar gemacht, was andere glauben zu sehen oder wo sie sich meinen zu befinden. Ist das nicht manchmal angesichts der Realität viel erfreulicher? Und damit auch für den Leser tröstend. Manchmal wird auch aufgezeigt, was das Gehirn meint zu sehen. Oder eben nicht mehr. Vor allem die Sequenzen des zunehmend dementer werdenden Helden aus seiner streng subjektiven Perspektive sind erschütternd. Etwa bei einem Krankheitsschub, als ihm ein Ball in die Hand gegeben wird. Er soll ihn weitergeben, versteht aber die Aufforderung nicht und auch der Leser stutzt, weil das Objekt «Ball» hier eine andere textliche Bezeichnung erhält. Man selbst muss sich bemühen das wieder einzuordnen und so kann man den hilflosen Moment des Kranken unmittelbar nachempfinden. Und die letzte Szene dieser genialen Graphic Novel hängt einem noch lange nach. Zu Recht ein preisgekröntes Werk. Und absolute Pflichtlektüre.

Raco Roca, Kopf in den Wolken, Verlag Reprodukt, Berlin, August 2013, ISBN 978-3-943143-71-3 Autor der Besprechung: Jons Marek Schiemann

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AUS DEM ALLTAG

Unser Team Aktivierung und Alltagsgestaltung Ulrike Elsner Leitung Aktivierung und Alltagsgestaltung Leben im Alters- und Pflegeheim Stein am Rhein (ue) Neben einer guten medizinisch-pflegerischen Betreuung ist ein breit gefächertes Beschäftigungsangebot ausschlaggebend, um die Lebensqualität der Bewohner zu fördern und möglichst lange zu erhalten. Hilfs- und pflegebedürftige Menschen die, meist hochbetagt, ins Heim eintreten sind in ihren Alltagskompetenzen (Sensomotorik, Kognition, psycho-soziale Kompetenz, Orientierung) in unterschiedlichem Masse eingeschränkt. Unser gemeinsames Ziel ist es, notwendigen Unterstützungsbedarf zu bieten, verbliebene Fähigkeiten zu stützen und zu fördern, um so ein möglichst hohes Mass an Wohlbefinden zu schaffen. Grundsätzlich orientieren wir uns dabei an

den persönlichen Bedürfnissen der Bewohner, die je nach Herkunft, Lebensgeschichte, Erfahrungen und Werten sehr unterschiedlich sein können. Es gilt ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen Aktivität und Passivität, Anspannung und Entspannung, Beschäftigung und Muse, Tun und Lassen. Die Teilnahme an den Angeboten ist prinzipiell freiwillig. Tages- und Wochenstruktur Die Tagesstruktur ergibt sich aus der pflegerischen Betreuung und den täglich stattfindenden Angeboten. Besonders Bewohner mit hohem Unterstützungsbedarf brauchen die regelmässigen Kurzkontakte im Aufenthaltsraum durch die beständig anwesenden Betreuungspersonen, sei es durch persönliche Ansprache, spontane Kurzaktivierungen, liebevollen Körperkontakt, das gemeinsame DaSein. Eine tagesstrukturelle Besonderheit stellt unser «Familientisch» dar. Bewohner mit leichtem Unterstützungsbedarf nehmen gemeinsam mit selbstständigen Bewohnern im grossen Speisesaal die Mahlzeiten ein (Bestandteil unseres integrativen Konzeptes). Sie werden von einer Betreuungsperson begleitet und zur möglichst vielfältigen Selbstständigkeit (z.B. selber schöpfen) motiviert. Diese anspruchsvolle Betreuungsaufgabe teilen wir uns mit Mitarbeiterinnen aus der Hauswirtschaft, wiederum Bestandteil unseres interdisziplinären Arbeitsstils. Der Tag wird nach dem Abendessen durch eine einfühlsame Abendbetreuung, an der sowohl selbstständige, als auch Bewohner mit Unterstützungsbedarf teilnehmen können, abgeschlossen. Die Wochenstruktur ergibt sich aus dem täglich wechselnden Angebot wie Bewegungsrunde, Tanzen im Sitzen, Kochen, Malen, Singen, Vorlesen, Spielrunden, Konzerte, Ausflüge, Andachten, Gedächtnistraining. Gesundheitsclowns, Therapiehunde, etc. Die Gruppenleitungen dieser Angebote werden von der Leitung Aktivierung, den Fachangestellten Betreuung und ehrenamtlichen Helfern durchgeführt. Nachfolgend ein kleiner Ausschnitt aus unserem Alltag, lassen wir dazu einige Mitarbeiterinnen und Freiwillige zu Wort kommen!

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Cornelia Riesen Pflegehelferin SRK-Gartentherapeutin Über mein Alter möchte ich mich hier an dieser Stelle nicht öffentlich äussern und für meine Berufung spielt das auch nicht so eine grosse Rolle. Meine Haupttätigkeit hier gilt natürlich der Pflege und Betreuung. Ursprünglich war ich einmal Gärtnerin und habe in diesem Haus die Gelegenheit erhalten, meine Fähigkeiten in diesem Bereich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zu teilen. Das ganze Jahr hindurch und je nach Jahreszeit pflegen wir zusammen Blumen und Arrangements, begeben uns nach draussen und schauen nach unserem «Chrütergarte», welcher auch rege von der Küche benutzt wird. Diese beinahe alltäglichen Arbeiten, die vielen unserer Heimbewohner aus dem früheren Leben bekannt sind, können gezielt umgesetzt auch zu einem therapeutischen Nutzen umgeleitet werden. Dabei geht es nicht darum, dass alles perfekt gemacht werden muss, viel wichtiger ist der Kontakt zur Erde, zur Mutter Natur sozusagen. Gerüche, Farben, taktile Erfahrungen sind dabei wichtig und fördern die Lebensqualität. Personen die nicht mehr in der eigenen Wohnung oder dem Haus wohnen können, müssen auf vieles verzichten. Damit gewinnt die neue Umge-

bung zusätzlich an Bedeutung und ein Garten wird zum therapeutischen Raum. Auch wenn es um das aktive Gärtnern geht und dessen Zielrichtung, so ist zunächst ein Blick auf das sinnvoll, was uns allen am Gärtnern gut tut: Die Freude daran, etwas wachsen zu sehen, etwas woran wir beteiligt sind. Die Freude daran, das mit Freunden gemeinsam zu tun. Dazu kommt die Freude daran, uns als Teil eines Ganzen verstehen zu können und auch die Freude daran, etwas ganz Besonderes geniessen zu können. Was gibt es Besseres als einen frischen, selbst gepflückten heissen Pfefferminztee oder frisch gepflückte Erdbeeren aus dem eigenen Garten. Genau diese Dinge entsprechen doch unseren psychischen Grundbedürfnissen die wir alle haben.

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AUS DEM ALLTAG

Sonja Traber Fachfrau Betreuung EFZ

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Obwohl ich schon zu den älteren Semestern gehöre, habe ich vor vier Jahren die Chance bekommen, eine Ausbildung als Fachfrau Betreuung (FaBe), Fachrichtung Gerontologie, zu machen. Eine FaBe hat die Aufgabe, Menschen in der Alltagspflege zu unterstützen und den Alltag zusammen mit dem alten Menschen zu gestalten. Dabei beachtet sie vor allem die Ressourcen der Bewohner zu fördern, Selbständigkeit und Autonomie zu wahren. Auch medizinische Handlungen wie z.B. Wundversorgung, Medi richten, etc. stehen nun in meinem Pflichtenheft. Diese vielfältige und abwechslungsreiche Arbeit ermöglicht mir meine Lebenserfahrung mit einzubringen und erfüllt mich voll und ganz. Ich bin mir bewusst, wie wichtig ein sinnvoller Alltag auch einen betagten Menschen erfüllt und sehe mit Freude, wie sie aufblühen und ihr Selbstwertgefühl dadurch gestärkt wird. Durch unser vielfältiges Angebot wird ihr Leben mit Leben gefüllt. Innerhalb unseres Teams Aktivierung engagiere ich mich besonders für ein abwechslungsreiches Bewegungsangebot. So haben wir vor kurzem eine neue Gruppe eingeführt: Kraft- und Gleichgewichtstraining im Rahmen der Sturzprophylaxe. Jeden ersten Montag im Monat bieten wir «Tanzen im Sitzen» an, ein Angebot, das sehr gerne wahrgenommen wird. Dafür haben Ulrike Elsner und ich eine Tanzleiterweiterbildung absolviert, so dass wir auch in diesem Bereich auf professioneller Grundlage arbeiten.

Claudia Kleiner Fachfrau Betreuung EFZ Ich bin im besten Alter wie man so schön sagt. Mein Arbeit und Wohnort ist derselbe. Der kurze Weg mit dem Velo ist mir viel Wert. Mein erster Beruf war Drogistin. Dann befasste ich mich mit Pflegeberufen und entschied, den SRK Kurs in Weinfelden zu absolvieren. Das Praktikum dazu machte ich hier im Altersheim. Schon bald wusste ich, das ist es. Die Arbeit mit den betagten Menschen gefiel mir ausgesprochen gut. Der freundliche Umgang mit ihnen ging mir leicht von der Hand, kam einfach aus mir, nicht zuletzt musste ich in der Beratung als Drogistin auch stets einen freundlichen Umgang mit der Kundschaft pflegen. Die positive Rückmeldung der Stationsleitung ermutigte mich zu einer Bewerbung. Nach einigen Jahren Berufserfahrung in der Pflege, bekam ich dann vom Heimleiter das Angebot, eine

Ausbildung zur Fachfrau Betreuung zu absolvieren, mit dem Ziel, das Heimkonzept Aktivierung und Alltagsgestaltung mit zu tragen, zu erweitern und umzusetzen. Also entschloss ich mich diese Ausbildung im Erwachsenenalter noch anzugehen. Die Ausbildung erwies sich als umfassend, mit Fächern, die sich mit der Drogisten-Ausbildung überschnitten, wie z.B. Medikamentenlehre, Anatomie oder Gesundheitslehre. Neu waren die Fächer Psychologie und ganzheitliche aktivierende Betreuung im Alltag. Zum Beispiel, am Morgen bei der Körperpflege den Bewohner in die Pflegehandlungen mit einzubeziehen, ihn zu motivieren, es selber zu tun, mich im Hintergrund als treuer Helfer zu erweisen, mit dem Ziel, wieder mehr Lebensfreude und Lebenssinn beim Betagten zu wecken, weil er es selber tun kann so wie er es will und es sich gewohnt ist. Die Lebensgeister werden geweckt, es kommt Freude auf. Es ist unglaublich wie viel schlummernde Fähigkeiten auf einmal wieder zum Vorschein kommen. Das sind für mich Höhepunkte in meinem Beruf, die mir bestätigen, auf dem richtigen Weg zu sein. Eine wertvolle Ausbildung also, die mein Wissen vertiefte, mir mein Rückgrat stärkte und mir neue Kompetenzen ermöglichte. Besonders zu erwähnen sind für mich die Aktivierungsgruppen Kochen und Bewegung, die ich seit der Ausbildung zusammen mit Kolleginnen leite. Ich bewege mich selber sehr gerne, und weiss wie gut es den Muskeln, Knochen und Gelenken tut. Nebst weniger Schmerzen, dient Bewegung auch der Sturz- und Kontrakturprophylaxe und vielem mehr. Es tut auch der Psyche gut, baut Ängste, Stress und Aggressionen ab. Für die Zukunft wünsche ich mir und meinen Kolleginnen unermüdlichen Motivationsgeist, um möglichst viele Bewohnerinnen und Bewohner für diese abwechslungsreichen Stunden zu gewinnen.

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AUS DEM ALLTAG

Anita Berger Fachfrau Betreuung EFZ Vor rund 18 Jahren begann ich im Heim zu arbeiten. Von der Arbeit in der Cafeteria, über die Pflegehelferin in der Nacht, bis zur ausgebildeten Fachfrau Betreuung durfte ich verschiedene Tätigkeiten im Heim kennenlernen. Im jetzigen Berufsalltag arbeite ich in der Pflege und Betreuung, wie auch im Aktivierungsteam. In diesem Zusammenhang möchte ich die Kochgruppe näher vorstellen. Zurzeit findet das Kochen wöchentlich statt, daran nehmen jeweils etwa sechs Bewohnerinnen und Bewohner teil, die Lust und Freude am Kochen haben. Dabei geht es nicht nur um das Resultat, sondern den Weg dahin. So werden versteckte, fast vergessene Fähigkeiten bei den Teilnehmern «hervorgeholt» und gefördert. Kann im Alltag einiges nicht mehr umgesetzt werden, heisst das nicht, dass der Umgang mit einem Messer nicht mehr klappt. Zudem ist der soziale Kontakt untereinander, aber auch die Abwechslung zum Alltag nicht zu unterschätzen. Beim Rüsten, Schneiden und Rühren helfen und unterstützen sich die Teilnehmer gegenseitig, während über die verschiedensten Themen geplaudert wird. Der jeweilige Höhepunkt ist das gemeinsame Essen des Drei-Gang-Menüs. Trotz der nicht optimalen Bedingungen, es fehlen im Heim Räumlichkeiten, muss einiges improvisiert werden. Trotzdem ist das Kochen bei den Bewohnern beliebt. Mit dem geplanten Ausbau des Heimes wird sich dies ändern, sehr zur Freude aller Beteiligten.

Irene Klönne Freiwillige Mitarbeiterin Ich habe viele Jahre im Altersheim in der Hauswirtschaft gearbeitet. Die ganze Atmosphäre und das Miteinander haben mir immer gut gefallen. Nach meiner Pensionierung stand mein Entschluss, mich auch weiterhin für die Bewohnerinnen und Bewohner einzusetzen und ihren nicht immer einfachen Alltag mitzugestalten. Ulrike Elsner hat mich damals praktisch «nahtlos» als Freiwillige in ihr Team Aktivierung aufgenommen und mich sehr willkommen geheissen. Bald hat man

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Hülya Barutcu, Fachfrau Betreuung EFZ Im Jahr 2004 habe ich hier im Altersheim Stein am Rhein meine erste Ausbildung absolviert und habe bis 2006 meine Berufserfahrungen gesammelt. Mit meiner neuen Ausbildung als Fachfrau Betreuung bin ich im Jahr 2013 zurückgekehrt. Im Team sowie auch bei den Bewohner und Bewohnerinnen habe ich mich sofort sehr wohl gefühlt. Jeden Tag auf Neues zugehen zu können und neue Herausforderungen und Erfahrungen als Fachfrau Betreuung zu sammeln, gestaltet mir meinen Arbeitsalltag sehr spannend. Nebst meinen pflegerischen und medizinischen Aufgaben, kann ich meinen gelernten Beruf im Haus gut umsetzen. In meiner Ausbildung habe ich im Bereich Aktivierung viele Kenntnisse erworben. Regelmässig

mir die Verantwortung der Freitagsspielrunde übertragen. Im 14tägigen Rhythmus spielen einige 11er-raus und andere klopfen einen zünftigen Jass. Dabei werde ich von anderen Freiwilligen aus dem Städtli unterstützt. Des Weiteren nehme ich Aufgaben im Gedächtnistraining und bei der Begleitung der Ausflüge wahr. Ein breites Spektrum, aber solange es meine gesundheitlichen Kräfte zulassen, werde ich auch weiterhin «geschenkte Zeit» zur Verfügung stellen.

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AUS DEM ALLTAG

finden hier Aktivierungen statt, die ich mit anderen Fachfrauen durchführe. Im September 2014 habe ich mich im Bereich Bewegung gezielter weitergebildet. Jeden Montag von 15.00 Uhr–16.00 Uhr findet die Bewegungsrunde statt. Dabei geht es nicht nur darum Bälle zu werfen, sondern dahinter verbirgt sich viel mehr. Wir ermöglichen unseren Bewohnerinnen wie sie die psychische, physische und geistige «Beweglichkeit» pflegen können. Die Selbständigkeit von unseren Heimbewohnenden fördern zu können, gehört zu unserem Alltag. Gezielte Übungen erleichtern ihnen die alltäglichen Tätigkeiten, wie z.B. bei der Morgenpflege das Waschen und Ankleiden, nach vorne Rutschen im Stuhl, etwas aufheben vom Boden, Hemdknöpfe zuknöpfen, Essen zerkleinern. Mit diesem Angebot tragen wir auch dazu bei, im Alltag das Sturzrisiko zu verringern und das Bewegen mit Hilfsmittel gezielt zu verbessern. Das Gedächtnis wird währenddessen auch gefördert, wie z.B. mit Überlegungsspielen mit Bildern oder Sprüchen, alte Lieder singen, etc. Nach der Bewegungsrunde darf der Kaffee nicht fehlen. Immer bekomme ich eine positive Rückmeldung von den Heimbewohnenden, dass sie viel Spass und Freude haben sich zu bewegen. Manchmal äussern sie, dass es auch anstrengend war. Wie sagt man doch: Anstrengungen machen gesund und stark. Alle Bewohner und Bewohnerinnen sind dazu herzlich eingeladen.

Marianne Schoch Mitarbeiterin Aktivierung Ich arbeite seit dem Jahr 2002 hier in diesem Haus. Die ersten Jahre war ich als Hauptnachtwache tätig. Inzwischen habe ich ganz in den Tagdienst gewechselt. Als kreativer Mensch war ich erfreut, dass sich für mich dadurch die Gelegenheit bot, ein Teil des Aktivierungsteams zu werden. Ich habe die Verantwortung für die Veranstaltung «Stubete» (früher Werken) übernommen. Ich finde Betreuung und Aktivierung ein sehr wichtiger Bestandteil der Pflege. Dadurch ermöglichen wir den Bewohnerinnen und Bewohnern (BW) eine sinnvolle und abwechslungsreiche Alltagsgestaltung, wodurch Freude, Selbständigkeit, Gesellschaftlichkeit, kognitives Denken und

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vieles mehr erhalten und gefördert werden. Im vorhergehenden Werken entstanden kleine Kunstwerke, Arbeiten wie z.B. Vogelhäuschen, Wollschafe, Vogelscheuchen, Schnee-Eulen, usw., die als saisonale Dekorationen dann die Räume und Gänge auf den Abteilungen schmückten. Es berührt mich dann jedes Mal, wenn die BW mit stolzer Freude ihre selbstgemachten Dekorationsarbeiten wiederentdecken. Die BW dürfen selbstverständlich auch gemäss ihren Wünschen für sich selber etwas gestalten wie z.B. Spiegel und Dosen verziert mit Mosaiksteinen, bedruckte Zierkissen, Heilsalbe, Osterkränze usw. Durch das Arbeiten mit verschiedenen Materialien werden Kreativität und Feinmotorik bei den BW gefördert. Das Treffen von Entscheidungen in Bezug auf Farbe, Form, Material usw. regt das kognitive

Denken an. Wichtig ist mir auch immer wieder, dass im Rahmen des Möglichen und gemäss den individuellen Ressourcen der BW die Selbstbestimmung respektiert und gefördert wird. Dabei ist aber wichtig für mich zu erkennen, dass der BW nicht überfordert wird, was oft Feingefühl von uns Betreuungspersonen abverlangt. In letzter Zeit aber konnten immer weniger BW am Werken teilhaben, da bei vielen die Fähigkeiten für handwerkliche Tätigkeiten stark abgenommen hatten. Bei jedem möglichen Werkprojekt bräuchte es 1:1 Betreuung, was aber nicht realisiert werden kann. Aus dieser Situation heraus, wandelten wir das Werken in «Stubete» um. Dies beinhaltet einmal monatlich ein gemütliches Beisammensein, jedem BW steht das Teilnehmen offen. Das Gestalten des Nachmittags kann singen, vorlesen, Gespräche führen, backen und vieles mehr beinhalten. Nach Wunsch und Bedarf kann auch wieder mal ein Werkprojekt eingeplant werden. Derjenige vom Aktivierungsteam, der für die „Stubete“ eingeteilt ist, bestimmt individuell gemäss seinen Wünschen und Fähigkeiten, wie er den Nachmittag gestaltet. So wird das Programm abwechslungsreich und immer auch den Bedürfnissen der BW angepasst. Was natürlich bestehen bleibt und selbstverständlich nicht fehlen darf, ist das Ausklingenlassen bei Kaffee und Kuchen! Die den Zeiten und Umständen angepasste Erneuerung hat sich bewährt und ich mache die Erfahrung, dass unsere BW, diese Form von Gesellschaftlichkeit und Gemütlichkeit schätzen und geniessen und so ein fröhliches MITEINANDER erlebt werden kann. So ganz nach dem Motto: Alles im Leben ist stets im Wandel!

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BEWOHNER

Kein Heimweh, nach nichts. Rosa Maria Jäggi, Bewohnerin

(pk) Führen wir das Interview auf Deutsch oder Spanisch? (Lacht) Nehmen wir Deutsch. Sonst müssen Sie noch alles übersetzen. Frau Jäggi, Sie sind nun bald drei Jahre bei uns. Wie geht es Ihnen? Mir gefällt es immer besser. Auch gesundheitlich geht es wieder gut. Ich muss es Ihnen ganz direkt sagen, es gibt nichts was mir nicht gefällt. Ich bin hier zuhause. Kein Heimweh nach nichts. Was war der Grund für den Heimeintritt? Im Januar 2014 musste ich ins Spital wegen Rückenproblemen. Ich bin zweimal hingefallen und nichts ging mehr. Auch nicht das Aufstehen. Zufällig war bei Ihnen ein Zimmer frei und ich musste mich entscheiden. Alleine leben ging nicht mehr.

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Deutsch gelernt. Danach gingen wir nach Neuchâtel in die Ecole Bénédict um uns das Französische anzueignen und dann nach Virginia wegen dem Englisch. Mein Vater hat alles bezahlt. Ja, wir waren zwei teure Mädchen für ihn. Danach ging ich wieder zurück nach Medellín und arbeitete bei meinen Eltern. Ein gefährliches Pflaster, oder? Nein, nein, im Süden war es viel gefährlicher. Wissen Sie, gefährlich oder nicht, das ist alles relativ.

War das nicht eine Zäsur für Sie? Nein, wenn die Zeit kommt und es nicht mehr anders geht, ist man froh, einen Platz zu finden, an dem man gut aufgehoben ist. Sie lebten in Kolumbien, was haben Sie dort gemacht? Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Schauen Sie, hier ein Foto, das Mädchen rechts beim Vater, bin ich. Ich war damals fünfjährig und viel schöner als heute (lacht). Meine Eltern, beide aus der Schweiz ausgewandert, hatten dort eine Zuckerbäckerei mit 30 Angestellten. Wir fabrizierten dort Torten für Hochzeiten und Feste aller Art. 23 arbeiteten in der Backstube und 7 im Laden. Dazu kam noch ein Kafi mit zehn Tischchen. Dort gab es neben Kaffee vorwiegend Natursäfte aus Früchten und Hafer. Kein Brot? Nein, die Fladenbrote, die so genannten «Arepas»machen die Leute selber. Bei uns allerdings auf der Grundlage von Reis und nicht Mais. Wann begann Ihre Reise nach Europa? Mit 15 wurde ich zusammen mit meiner Schwester für zwei Jahre nach Menzingen in die Klosterschule geschickt. Mein Papa sagte, wir müssten nun Ordnung und Disziplin lernen (lacht). Dort habe ich auch

Wie ging es weiter? Warum sind Sie nun hier? 1975 kamen wir alle in die Schweiz nach Frauenfeld zurück, da meine Mutter sehr krank war. 1976 zogen wir nach Stein am Rhein, wo ich eine Anstellung bei der Migros erhielt und dort 21 Jahre arbeitete. Gleichzeitig pflegte ich meine Eltern bis zu ihrem Tod. Wo ist das Leben schöner, hier oder in Kolumbien? Beides ist schön. In Kolumbien ist einfach ewiger Frühling und in Milwaukee, Wisconsin bei meiner Schwester, wäre es mir viel zu kalt. Ich erlebe Sie im Alltag manchmal sehr der Religion verbunden. Stimmt das? Ja, Religion spielt für mich eine zentrale Rolle. Ich gehöre einer religiösen Frauengemeinschaft in Kolumbien an und das wird so bleiben bis zu meinem Tod. Täglich widme ich rund zwei Stunden der Religion und dem Glauben. Im Fernsehen bin ich täglich um 10.45 Uhr beim Rosenkranz und den Gebeten und am Abend wird von 19 – 20 Uhr die heilige Messe ausgestrahlt. Am Morgen kommt eine halbe Stunde beten dazu, da bin ich aber zu wenig konsequent und lasse das hin und wieder weg. Was gibt Ihnen der Glaube? Sicherheit und Freude und vor allem Zuversicht auf das Leben nach dem Tod. Zudem verschafft er mir

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BEWOHNER

auch soziale Kontakte, zum Beispiel mit den Frauen in Kolumbien oder mit meiner Schwester, wo wir uns austauschen. Mit meiner Schwester telefoniere ich jeden Tag rund eine Stunde. Ich muss doch mein Spanisch erhalten (lacht). Da steht doch noch ein Bild mit Papst Johannes Paul II. und einer Frau. Sind Sie das? Nein, das ist meine Freundin, eine Oberin aus Kolumbien. Sie hat bei mir geschlafen, bevor sie zur Audienz mit dem Papst fuhr. Sie war offiziell eingeladen worden. Haben Sie noch andere Dinge, die Sie interessieren? Wenige, vielleicht Musik und Theater. Aber die Religion füllt meinen Tag aus. Da brauche ich nicht noch mehr. Allerdings mache ich hier im Haus alles mit, was angeboten wird. Es ist fantastisch. Die Ausflüge und die Schifffahrt, das Sommerfest und all die Dinge mit Ulrike. Oder das Harfenkonzert am letzten Samstag, ich konnte nicht mehr ins Bett, so hat mich das berührt. Sie sind noch nicht so alt, fast zu jung für ein Alters- und Pflegeheim. Haben Sie noch Ziele die Sie verwirklichen möchten? Nun, ich bin schon 78. Mir genügt es, wie es ist. Für meinen Tod habe ich bereits alles vorbereitet, mein Testament geschrieben. Meine Nichte aus Amerika wird die Messe mit einem englischen und einem lateinischen Lied begleiten. Das ist gut so und freut mich. Ihr Personal hat alles aufgeschrieben. Sie bekommen häufig Besuch. Man hört Sie dann spanisch reden. Wer kommt denn da zu Ihnen? Ja, das sind Freundinnen aus meiner Zeit in Stein am Rhein. Die eine ist Kolumbianerin. Haben Sie auch schon eine Beziehung hier im Heim aufbauen können?

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Das brauche ich nicht. Und wenn, höchstens sehr lose. Mit der Tischnachbarin beispielsweise oder mit der Odette, sie spricht ein herrliches Französisch. Zum Schluss? Was gefällt Ihnen am besten bei uns im Heim? Ja, wissen Sie, den geordneten Tagesablauf und die Strukturen, das gefällt mir. Ich kenne das aus der Klosterschule Menzingen und aus anderen Instituten. Es ist einfach friedlich und angenehm. Auch die Bedienung. Tip, top. Und das Pflegepersonal? Oh, oh, das ist enorm gut. Junge und alte. Frau Jäggi, herzlichen Dank. Das Interview und die Fotos werde ich Ihnen vor dem Drucken zeigen. Nein, nein, das brauchen Sie nicht.

PERSONAL

Jessica Knüsli – Zwischen zwei Welten (pk) Der Leiter Alter & Gesundheit hat unter anderem auch die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen Heim und Spitex in allen möglichen Bereichen zu optimieren, Synergien zu erkennen und auszunutzen. Dazu gehört natürlich auch der Personaleinsatz. Ideal wäre ein eigentlicher Personalpool, aus welchem sowohl Heim als auch Spitex das Personal nach Bedarf einsetzen kann. Dieser ist nämlich in beiden Institutionen sehr veränderlich und abhängig von der Nachfrage in der Spitex einerseits und Pflegebedürftigkeit im Heim andererseits. Diese zwei Faktoren zusammenzubringen stellt uns aber in der Praxis, und somit bei deren Umsetzung, vor grosse Probleme. Die Nachfrage nach Spitexdienstleistungen ist, wenn auch stetig steigend, grossen Schwankungen unterworfen. Innerhalb von 48 Stunden muss Personal zur Verfügung gestellt werden können, um dringend notwendige Bedürfnisse abzudecken. Das führt dazu, dass ein wesentlicher Teil unserer Mitarbeiterinnen vertraglich kein fixes Pensum haben und im praktischen Alltag bereit sein müssen, innerhalb kürzester Zeit längere Arbeitseinsätze zu übernehmen. Im Heim wird andererseits der Personaleinsatz streng an der effektiven Pflegebedürftigkeit gemes-

sen und die Personalressourcen sind entsprechend angepasst. Zudem werden die Einsätze für zwei Monate im Voraus geplant. Das Personal braucht diese Planungssicherheit, um die anstrengende Arbeit bewältigen zu können und entsprechend die Work Life-Balance gestalten zu können. Das Heim als solches braucht zudem selbst gewisse Reserven, um Schwankungen im Personalbedarf auszugleichen. Ein Abzug von Personal im Heim zugunsten kurzfristig angekündigter Einsätzen in der Spitex ist deshalb realistisch gesehen nicht wirklich durchführbar und würde zu viel Unsicherheit und Unruhe führen. Trotzdem versuchen wir, diese beiden Institutionen enger zusammen zu führen. Nebst den Auszubildenden in der Pflege, welche für zwei, drei Monate in die Spitex wechseln, versuchten wir mit zwei Mitarbeiterinnen aus der Hauswirtschaft und der Pflege einen Einsatz sowohl im Heim als auch in der Spitex. Dies allerdings zu einem fixen Pensum und an im Voraus festgelegten Tagen. Jessica Knüsli hat diesen Spagat mit einem 40 Prozent Pensum zwischen den beiden Institutionen gewagt und sehr positive Erfahrungen gemacht. Sie berichtet an dieser Stelle über ihre Erfahrungen.

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PERSONAL

Das Interview Jessica Knüsli, wie fanden Sie den Spass an der Arbeit in der Spitex? Ich war während meiner Ausbildung für drei Monate im Sinne eines Jobenlargements bei der Spitex ganztags im Einsatz und war begeistert vom neuen Aufgabenfeld. Es war für mich eine echte Bereicherung. Auf der einen Seite war ich die «behütete» Auszubildende im Heim, auf der anderen Seite durfte ich bereits selbstständig im Rahmen meiner Kompetenzen bei unseren Kunden in der Spitex privat und zuhause und in grosser Eigenverantwortung pflegerische Handlungen vornehmen. Ich war ja schon im dritten Lehrjahr. Das waren für mich wirklich zwei Welten. Wie lange arbeiten Sie nun schon für die Spitex? Nach meiner erfolgreichen Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit fragte mich der Heimleiter, ob ich Lust und Freude hätte, ein Pensum in der Spitex zu übernehmen. Ich habe spontan zugesagt. Das war vor zwei Jahren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Einsatzplanung zwischen Heim und Spitex haben wir die Einsätze auf ein 40-Prozentpensum festgelegt und seither arbeite ich jeweils am Mittwoch und Donnerstag in der Spitex und den Rest im Heim. Das bringt mir grosse Abwechslung und auch viele neue Erfahrungen für meine Zukunft. So selbstständig und auf die eigenen Beine gestellt zu arbeiten, ist für mich noch heute ganz speziell und ich geniesse das jeden Tag. Ich glaube sogar, dass mich vor allem jüngere Kolleginnen fast ein bisschen darum beneiden. Wie reagieren die Kunden und Kundinnen auf Sie als junge Frau? Das war überhaupt kein Problem. Vielfach bietet das sogar Gesprächsstoff bei den Besuchen und die Leute erzählen mir von ihren Enkelinnen und Enkeln und haben Freude daran. Auch ich sehe bei ihnen manchmal meine Grosseltern, was mich zusätzlich motiviert, einen gute Job zu machen. An meiner Kompetenz hat bis jetzt niemand gezweifelt. Ich hatte ja auch eine gute Ausbildung im Heim und bin mir bei der Ausführung der mir zugeteilten Aufgaben sicher.  Wir haben gehört, Sie seien auf der Tour sehr beliebt. Worauf führen Sie das zurück?

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Schauen Sie, wenn man so jung ist wie ich und Freude an der Arbeit hat, strahlt man das auch aus und das überträgt sich automatisch auf die Leute. Wer kann einem da nur böse sein? Richtig ist aber auch, dass man von fast allen immer schon erwartet wird und ja mit Hilfestellungen daherkommt, die sehr geschätzt werden und den Alltag vieler merklich verbessern können. Allein schon das, denke ich, erzeugt eine positive Grundhaltung. Natürlich gibt’s sie auch, die «Muffel». Ich denke aber, das ist mehr Charaktersache und hat mit mir und meiner Tätigkeit nichts zu tun. Wurden Sie vom festen Spitexteam gut aufgenommen und akzeptiert? Ja, sicher. Das war ja überhaupt kein Problem. Die Zusammenarbeit zwischen Spitex und Heim ist auch im Alltag bemerkbar und deshalb habe ich fast alle bereits gekannt. Das natürlich auch noch aus meiner Ausbildungszeit. Sie haben mich alle gut aufgenommen und schätzen gelernt. Was ich allerdings glaube bemerkt zu haben ist, dass die Leute von der Spitex bewusst dort arbeiten wollen, weil sie dort einen Job haben, der eine grosse Selbständigkeit zulässt. In stationären Institutionen möchten sie lieber nicht arbeiten, sie würden sich ein bisschen eingeengt fühlen. Bei mir ist das umgekehrt. Ich komme vom Heim und fühle mich dort bei der Arbeit auch ein bisschen zuhause. Stimmt es, dass Sie auf Ende Jahr aufhören wollen? Nein, wollen stimmt nicht. Aber betriebliche Bedürfnisse bei der Spitex und vor allem der enorme Zuwachs bei der Nachfrage nach Spitexdienstleistungen hat dazu geführt, dass zusätzliches Personal eingestellt werden musste. Diese Personen wollten ein höheres Arbeitspensum, was dazu führte, dass ich sozusagen als «Überzählig», das nicht im negativen Sinn gemeint, vorübergehend ausscheide und nun wieder voll im Heim zum Einsatz komme. Hier brauchen sie mich auch, was ja an und für sich positiv ist und ich zu schätzen weiss. Zudem wurde das von Anfang an kommuniziert, dass Einsätze bei der Spitex dem Bedarf entsprechend angepasst werden. Wie dem auch sei, ich freue mich nun auf die Zeit, wieder dem Heim zur Verfügung zu stehen.

Freiwillige wie Personal behandeln (pk) Rund ein Viertel der schweizerischen Bevölkerung engagiert sich freiwillig im Rahmen von Aufgaben in nahezu allen Bereichen. Auch bei uns sind einige engagiert, viele von ihnen schon über sehr lange Zeit. Dabei setzen sie bei ihren Tätigkeiten vielfältige Fähigkeiten und Kompetenzen ein und werden von uns gezielt mit den für sie passenden Aufgaben betraut. Dabei muss man wissen, dass Freiwillige mit ihrem Engagement auch Verpflichtungen eingehen, die auch für die andern Angestellten gelten. So erklären sie sich bereit, nach Arbeitseinsatzplänen zu arbeiten und diese einzuhalten, sich bei Krankheit abzumelden, ihre Ferienabwesenheiten mit der Einsatzleiterin abzusprechen und an Teamsitzungen und Weiterbildungen teilzunehmen. Analog der andern Angestellten erhalten sie auf Wunsch nach Beendigung ihrer Tätigkeit eine Arbeitsbestätigung. Mit dem DOSSIER FREIWILLIG ENGAGIERT wird das unentgeltliche freiwillige und ehrenamtliche Engagement anerkannt und somit sichtbar gemacht. Dadurch entstehen ein nationales Qualitätslabel und ein Wiedererkennungseffekt, welche den Wert der Freiwilligenarbeit als wichtige Ressource stärken. Dabei arbeiten wir mit BENEVOL zusammen, der Fachstelle für Freiwilligenarbeit. Win-win Situation erreicht Bei uns sind zehn Personen in der Cafeteria und acht Personen in der Betreuung und Aktivierung tätig. Mit ihrem Engagement ermöglichen sie unseren Bewohnerinnen und Bewohnern einerseits ganz direkt den Kontakt mit Personen, die ausserhalb unserer Institution leben und erlauben uns andererseits Din-

ge anzubieten, die sonst nicht möglich wären. Ganz konkret erhalten dank der Freiwilligenarbeit unsere Bewohnerinnen und Bewohner während der Öffnungszeiten des Kafi 21 ein Getränk und einen Dessert ohne Entgelt. Mit ihrem Einsatz ermöglichen so die Freiwilligen auch den täglichen Aufenthalt derjenigen Personen, die sich diese Abwechslung ansonsten vielleicht nicht leisten könnten. Andererseits schaffen sich vor allem bereits Pensionierte eine für sie stimmige Tagesstruktur in ihrer Agenda und erweitern so ihre persönlichen sozialen Kontakte. Unsere Wertschätzung gegenüber diesem Engagement honorieren wir mit der Teilnahme an allen unseren Aktivitäten für das Personal, Einladungen an die Feste und zum Jahresabschluss mit der Teilnahme an unserer Kultur-Weihnachts-Tafel. Freiwillige muss man wie Personal behandeln, das allein garantiert eine fruchtbare und langjährige Zusammenarbeit. Eine klassische Win-win-Situation.

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PERSONAL

Heidi Brauchli, Freiwillige Mitarbeiterin (pk) Damit das Thema noch etwas persönlicher daherkommt, wird an dieser Stelle Heidi Brauchli, stellvertretend für alle, vorgestellt. Unser Haus kennen gelernt hat sie vor gut fünf Jahren, als ihre Mutter zu uns gekommen war und sie diese regelmässig besuchte. Dabei kam ihr die Idee, anstatt einfach nur die Mutter zu besuchen, gleich im Kafi 21 mitzuhelfen. So habe sie gleich «zwei Fliegen auf einen Schlag». Ein Wunsch, den wir ihr gerne erfüllten. Heidi Brauchli wusste dabei, auf was sie sich einliess. Denn eigentlich gehört sie zu den Profis im «Freiwilligengeschäft». Gleichzeitig war sie nämlich bereits als Einsatzleitern und Begleiterin schwerkranker und sterbender Menschen bei der VBSZO (Verein zur Betreuung Schwerkranker Zürich Oberland) im Einsatz. Zudem kann die Alzheimervereinigung TG/SH

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auch noch als Ferienbegleiterin auf sie zählen. Damit aber nicht genug. Auch im privaten Umfeld nahm sie zusätzlich noch eine Betreuung war. Mit einer Person wie Heidi Brauchli wird auch klar, welche Kompetenzen und Möglichkeiten schweizweit vielfach brach liegen und nicht oder eindeutig noch zu wenig genutzt werden. Sie verstehe ihre Arbeit wirklich in dem Sinne, als dass sie der Gesellschaft einen Teil zurückgebe, von welchem sie in jungen Jahren profitieren konnte. Ausserdem gehe es ihr gut und sie sei noch «zwäg» und es schade ihr nicht, auch das eigene Hirn noch zu gebrauchen. Das sei im Kafi besonders der Fall, wenn 3–4 Bestellungen miteinander aufgegeben werden, meint sie schmunzelnd. Unsererseits können wir dazu nur sagen: Chapeau!

HINTERGRUND

Die Alzheimer-Krankheit (pk) Die wohl bekannteste demenzielle Erkrankung ist bei uns Morbus Alzheimer und kann zusammengefasst wie folgt definiert werden: Es ist ein erworbener Zustand geistigen Versagens. Mit einem Anteil von rund 60 Prozent tritt sie auch am häufigsten auf. Laut WHO ist sie eine der grössten gesundheitlichen Bedrohungen der Menschen in den westlichen Industrienationen. Weltweit sind über 15 Mio. Menschen davon betroffen. In der Schweiz ist die Zahl auf über 70‘000 gestiegen und eine Zunahme für die nächsten Jahre wird prognostiziert. Das hängt vor allem mit dem zu erwartenden höheren Lebensalter zusammen. Die «Babyboomer» und damit eine stattliche Anzahl von Personen kommen «ins Alter» und verändern die demografische Entwicklung rasant, was möglicherweise auch einen grossen Anstieg der Krankheit auslösen wird. Neueste Erkenntnisse sprechen von einer möglichen Stabilisierung, die Gründe weshalb sind noch unklar und wenig erhärtet. Damit ist auch schon gesagt: Je älter man wird, desto eher läuft man in Gefahr, von dieser Krankheit betroffen zu sein. Die Demenzprävalenz steigt mit dem Lebensalter exponentiell. Ab 60 verdoppelt sie sich alle 5 Jahre. Die absolute Demenzhäufigkeit unterschei-

det sich nicht nach Ländern oder Kontinenten, Einfluss haben nur die dort herrschende Lebenserwartung und damit der Anteil älterer Menschen. Je nach verwendeter Definition wird aber eine unterschiedliche Häufigkeit der Demenz in der Bevölkerung angegeben. Die daraus abgeleiteten Differenzen sind dabei nicht unerheblich. In der Schweiz verdoppelt sich vermutlich die absolute Zahl in den nächsten 50 Jahren. Einen Blick auf die Entwicklung in Bezug auf das Alter und Alzheimer zeigt die Tabelle (S. 26). Daraus kann abgeleitet werden, dass bei Alzheimer der Hauptrisikofaktor das Alter ist und somit zur Bedrohung für das Altwerden schlechthin werden kann. Das Alter alleine ist aber nicht die Ursache der Krankheit. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Alzheimer nicht normales Altern ist, sondern eine Krankheit, die uns und die Umwelt und damit unser Leben stark beeinflusst. Dabei ist es nicht nur die Angst vor intellektueller Einbusse und Kontrollverlust die uns beschäftigen, häufig wird sie auch eine Bedrohung für die Angehörigen. Mit grossem Engagement wird deshalb rund um den Globus, bisher ohne relevanten Erfolg, daran geforscht.

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HINTERGRUND

Die Symptomatik der Alzheimer Krankheit Die erste Beschreibung der Krankheit erfolgte durch Alois Alzheimer im Jahr 1907. Nach heutigem Wissenstand kann man zusammenfassend die Symptome der Alzheimer-Demenz wie folgt beschreiben: «Das Gedächtnis streikt, die Übersicht geht verloren, das Zeitgefühl schwindet, die vertraute Umgebung wird fremd; diese Orientierungslosigkeit führt zu vollkommender Unselbständigkeit» (Ermini-Fünfschilling D. (1998), Habe ich Alzheimer?).

Initialsymptome Das sind Symptome, aufgrund derer Personen den Hausarzt aufsuchen und, wenn es korrekt läuft, in die Memoryklinik, Gedächtnissprechstunde oder Demenzabklärung überwiesen werden. Dazu gehören: Vergesslichkeit, generelle Abnahme der Leistungs­ fähigkeit (z.B. nicht mehr kochen), der Kreativität, der Lernfähigkeit, atypische Depression, Störungen der Konzentration, unverständliche Handlungen, Sprach- und Rechenstörungen, Desorientiertheit (v.a. nachts und an unbekannten Orten), Reizbarkeit, Apathie, Störungen der Handlungsplanung und Handlungsübersicht, Störungen des schlussfolgernden Denkens, bei frühem Beginn Berufsversagen. Dazu kommen Irritation und Ratlosigkeit. Eine Palette von Defiziten kommt da auf einen zu, die für davon Betroffene und deren Angehörige häufig schwer zu akzeptieren sind. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Krankheit wird unumgänglich. Betrachten wir die Symptome noch etwas genauer und im Einzelnen: Gedächtnisstörung (Amnesie) Gedächtnisstörungen sind meistens die ersten bemerkten Symptome der Demenz. Dabei macht in der Praxis häufig die Unterscheidung zwischen den normalen alterskorrelierenden Gedächtnisveränderungen und einer Demenz Schwierigkeiten. Zusammengefasst handelt es sich um die Unfähigkeit, Neues zu lernen, zu speichern, zu erfassen und zu bewältigen. Im Einzelnen sind das Merkfähigkeitsstörungen, Störungen des Kurzzeit- und Langzeitgedächtnisses. Dazu kommen Störungen des episodischen (Erin-

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Alter

Prozentualer Anteil

60 – 64 Jahre

0.7 %

65 – 69 Jahre

1.4 %

70 – 74 Jahre

2.8 %

75 – 79 Jahre

5.6 %

80 – 84 Jahre

10.5 %

85 – 89 Jahre

20.7 %

> 90 Jahre

38.6 %

Prävalenz der Krankheit

nern), prozeduralen (angeeignetes Können) und semantischen («alles was ich über die Welt weiss») Gedächtnisses dazu. Sprachstörung (Aphasie) Dabei handelt es sich um eine umfassende, komplexe und folgenreiche Störung. Dazu gehören Wortfindungsstörungen, Verständnis- und Konstruktionsstörungen für Sätze, Wortverbindungen und Wörter. Es kommt zu Störungen beim Schreiben und Lesen. Formal kann die Sprache noch lange erhalten bleiben, der Betroffene spricht dann oft in Floskeln, die inhaltlich wenig aussagen. Dabei geht es den Betroffenen mehr darum, eine Beziehung herzustellen oder gute Stimmung zu machen. Oft sagen sie etwas, liegen aber haarscharf daneben und man muss erschliessen, was sie sagen wollen. Er sagt beispielsweise das ist «ecklig», meint aber «schwierig». Oder anstatt, «ich fühle mich wohl und geborgen hier», sagt er, «es ist rund hier». Erkennungsstörung (Agnosie) Man kann mit gut bekannten Gegenständen nichts mehr anfangen, nicht erkennen, wozu sie dienen oder man benutzt sie falsch. Beispielsweise nimmt man den Kamm als Zahnbürste oder eine Banane als Schuhlöffel. Häufig geht das einher mit einer grundlegenden Ratlosigkeit angesichts vieler Gegenstände. Dazu kommt die taktile und akustische Agnosie.

Reise, Fest) oder andere Vorbereitungsarbeiten (Einteilung der Arbeitszeit) ausführen. Diese Störung ist häufig eines der allerfrühesten Symptome von Alzheimer, die aber oft lange kompensiert und erst im Nachhinein als erstes Anzeichen gesehen wird. Bei Betroffenen im Arbeitsprozess ist das oft der Grund, weshalb jemand aus dem Beruf und seiner gewohnten Tätigkeit ausscheiden muss. Dazu kommen Störungen beim Abwägen, Argumentieren, Entscheiden. Diskutieren geht nicht mehr. Die Fehlerkontrolle, Selbsteinschätzung und Selbstkritik werden schlecht. Der Betroffene kann nicht mehr Stellung beziehen aufgrund von rationalen Argumenten, sondern versucht das Urteil (am Anfang noch) aufgrund der Stimmung zu fällen. Fazit Die Aufzählung ist nicht abschiessend. Um Orientierungsstörung von Demenz zu sprechen, müssen neben dem Ge• Zeitlich: Datum, Wochentag, Monat, Jahr dächtnisverlust, Störungen in mindestens zwei Be nicht wissen reichen diagnostiziert werden. Man weiss auch, dass • Örtlich: Verlaufen, Weg nach Hause nicht mehr das emotionale Erleben einer Person von der Alz finden, Autofahren nur noch auf kurzen bekannten heimerkrankheit weit weniger betroffen ist, als das Strecken, auf unbekannten Wegen findet man sich intellektuelle. Die Gefühle «bauen nicht ab», aber na nicht mehr zurecht. türlich verändert sich die Gesamtpersönlichkeit und • Situativ: Man weiss nicht mehr, in welcher Identität, wenn die Gedankenprozesse und das Ge Situation man sich befindet, der Betroffene dächtnis etc. sich verändern. Es ist aber wichtig für «kommt nicht mehr draus». Er beginnt Personen zu die Angehörigen und unsere Betreuungspersonen verwechseln oder nicht mehr zu erkennen. zu wissen, dass Gefühle vorhanden und ansprechbar • Autopsychisch: Der Betroffenen weiss immer sind. Betroffene sind sehr empfänglich für Stimmun weniger über seine persönlichen Angelegengen, Atmosphäre, Musik, Tonfall, Gestik und Mimik. heiten. Vieles bleibt ein Rätsel an der Symptomatik der deDie situative und autopsychische Orientierungsstö- mentiellen Erkrankungen. rung verändern die Identität eines Betroffenen massiv, was dann häufig zu einem Heimeintritt führt. Bewegungsausführungsstörung (Apraxie) Beeinträchtigt sind das Ausführen von Hand- und Fingerbewegungen, die nichts bedeuten wie auch von solchen, die etwas bedeuten (Gesten). Störung der Exekutivfunktionen Im Unterschied zu früher können die Betroffenen nicht mehr organisieren, Koffer packen (z.B. für eine

Die einzelnen Phasen

Präklinische Phase Diese kann 20 – 30 Jahre dauern. Dabei bleibt sie bezüglich kognitiver Symptome stumm. Die pathologischen Vorgänge im Hirn sind aber bereits im Gang. Der Organismus wehrt sich mit immer geringerem Erfolg. Diese Phase ist zurzeit Thema vieler Forschungsbemühungen.

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HINTERGRUND

Anfangsstadium («bedrohtes Ich») Zunächst gibt es eine isolierte, dann eine langsame und stetige Verschlechterung der kognitiven Funk­ tionen. Der Beginn ist oft schwer zu bestimmen und gelingt häufig erst im Nachhinein. Im Zentrum stehen die Initialsymptome und eine gute Abklärung. Nur rund ein Drittel der Betroffenen hat am Anfang Einsicht in den sich verändernden Zustand. Dieser wird danach häufig begleitet von Depressions- und Suizidgefahr. Mittleres Stadium («verwirrtes Ich») Hier findet eine eher schnelle Verschlechterung der kognitiven Funktionen statt und zeigt sich häufig in eigentlichen «Schüben»: Orientierungsprobleme (zeitlich und oft auch örtlich) führen zu Angst, Unsicherheit und Spannungen. Erkennbar durch Umherirren, dauerndes Suchen und nächtliche Ausflüge. Die Tages- und Jahreszeiten werden verwechselt. Häufig geht das einher mit einer Antriebslosigkeit, das Interesse an der Umwelt geht verloren. Es wird immer schwieriger zu rechnen und somit mit Geld umzugehen, abstraktes und logisches Denken geht verloren. Die Körperpflege und die Kleidung werden vernachlässigt, die Reihenfolge beim Anziehen und das Anziehen selbst werden zum Problem. Die Sprache verlangsamt, der Wortschatz wird eingeengt. Eigene Handlungen können nicht mehr geplant und gesteuert werden. Geläufige Abläufe und Automatismen gehen noch unter Anleitung: bügeln, Gemüse rüsten, Wäsche falten, jäten im Garten, Holz spalten, abwaschen oder spazieren. Spätes Stadium («versunkenes Ich») Eine Verschlechterung findet eher nur langsam statt. Dabei ist man vollkommen abhängig und inaktiv. Damit einhergehend der Verlust der Fähigkeit zu sitzen und zu gehen. Bettlägerigkeit und Inkontinenz sind die Folgen. Für Gefühle ist man nach wie vor sehr empfänglich. In dieser Phase ist es wichtig, die Be-

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troffenen nicht zu «vergessen», sondern mit gezielten und geplanten Massnahmen ihre Emotionen anzusprechen. Musik, Instrumente, Farben, Gerüche müssen nun sozusagen ans Bett oder in den Raum gebracht werden. Der nun sehr pflegebedürftige Kranke stirbt nicht an der Alzheimerkrankheit, sondern meist an einem Virus oder einer Infektion. Beratung und Unterstützung für Angehörige Glücklicherweise gibt es zwischenzeitlich ein grosses Netzwerk für Beratung und Unterstützung. Die Belastungen für Angehörige können enorm sein, vor allem auch am Anfang, wenn es darum geht, die neue Situation zu erfassen und zu bewältigen. Auch der Schritt „Eintritt ins Pflegeheim“, ist häufig mit viel Trauer und schlechtem Gewissen besetzt. Dies umso mehr, wenn man jemanden jahrelang gepflegt und umsorgt hat. Die Heimleitung ist gerne bereit, in dieser Situation zu unterstützen und klärende Gespräche zu führen. Zusammen mit der Spitex und entlastenden Angeboten wie Ferienaufenthalte oder Tagesstrukturen können wir helfen, den Alltag besser zu bewältigen. Diese Möglichkeiten sollten unbedingt genutzt werden. Es hilft nicht nur dem von Alzheimer Betroffenen, sondern vor allem auch den Angehörigen.

(Bei dieser Publikation handelt es sich im Wesentlichen um eine kurze Zusammenfassung des Heim­leiters einer Vorlesung von Dr. phil. Barbara Schmugge, Gerontopsychologin, anlässlich eines Seminars für Studenten der Psychosozialen Gerontologie 2010/2011, ZHAW Zürich, Okt. 2010). Die Photos sind nachgestellte Hilfsmittel aus dem Leben eines 64 Jahre alten Demenzpatienten.

Massnahmen um allen gerecht zu werden (pk) Vor dem Hintergrund der Entwicklung dementieller Erkrankungen und damit einhergehend die Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner ist nicht nur das Personal im Heim gefordert, sondern auch die Institution. Wir sind gezwungen, uns Überlegungen in Bezug auf eine demenzgerechte Wohnsituation anzustellen. Die klassischen Heimstrukturen sind häufig für die Betroffenen ungünstig, weil sie überfordern (grosse, unübersichtliche Einheiten mit schwieriger Orientierung), zu Stress führen (schmale schlecht beleuchtete Flure und Sackgassen, verschlossene Schränke und Türen etc.) oder gefährden können (Sturz- und Weglaufgefahr). Der heutige Trend geht deshalb in Richtung überschaubare Wohngruppen bis hin zur «Abschottung» in geschlossenen Demenzabteilungen. Ob demenzerkrankte Menschen gemischt – zusammen mit nicht demenzkranken, pflegebedürftigen Menschen – oder spezialisiert betreut werden sollen, wird kontrovers diskutiert. Um eine Ausgrenzung der demenzkranken Menschen zu verhindern, möchten wir bei uns im Heim mit teilintegrativen Wohn- und Betreuungsformen arbeiten, in der demenzkranke Menschen grundsätzlich mit anderen pflegebedürftigen Menschen in derselben Einrichtung leben, tagsüber aber zu speziellen Zeiten in einer speziellen Gruppe betreut werden. Bereits heute versuchen wir das, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, indem wir den «gesunden» Bewohnerinnen und Bewohner ein abwechslungsreiches Betreuungs- und Aktivierungsangebot anbieten, welches es ihnen ermöglicht, sich zeitweise aus dem «normalen Alltag» zurück zu ziehen - ungestört von verhaltensauffälligen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Dank der Windler-Stiftung konnte die Verbesserung der Beleuchtung realisiert werden und entspricht nun den Bedürfnissen der Benutzer. Ebenso wurden technischen Hilfsmittel zum Schutz der Weglauf-

gefährdeten angepasst. Mit den weiter geplanten, räumlichen Verbesserungen können wir einige wichtige Anliegen umsetzten und den Bedürfnissen der an Demenz erkrankten Personen ein grosses Stück entgegen kommen. Zu erwähnen ist hier die verbesserte räumliche Orientierung, durch überschaubare und wohnlich gestaltete Lebensbereiche. Das Leben mit verminderten kognitiven Fähigkeiten wird zudem durch gestalterische Massnahmen so weit wie möglich unterstützt und erleichtert. Es gibt grosse, offene und frei zugängliche Räume, wo «etwas läuft» und es etwas zu sehen gibt, sowie verschiedene, wählbare Aufenthalts- und Sitzbereiche. Das scheint Menschen mit Demenzerkrankungen eher zu motivieren sich zu bewegen, als geschlossene Nischen und Räume. Auch ist vorgesehen, in den Wohnbereichen eigentliche Wohnküchen einzurichten, mit Gerüchen und sichtbaren Utensilien, die mithelfen sollen, der Passivität entgegen zu wirken. Einige der «Sackgassen» werden aufgehoben und die Bewegungsfreiheit wird dank durchlässiger Wegführung in einer Art Endlosschlaufe, bis hinaus ins Freie und den Garten ermöglicht. Diese Veränderungen werden nicht nur den an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner den Aufenthalt bei uns merklich und nachhaltig verbessern, sondern auch alle andern werden davon profitieren können. Um alle Wünsche und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen bedarf es jetzt einer zügigen Umsetzung der räumlichen Erweiterung des Alters- und Pflegeheims. Diesbezüglich sind wir endlich nun gut unterwegs, um unsere Vorhaben in nächster Zukunft umzusetzen. Parallel dazu werden wir unser Personal auf die neuen Gegebenheiten und Möglichkeiten vorbereiten und in Bezug auf Umgang und Kommunikation mit an Demenz erkrankten Personen im nächsten Jahr eine umfassende Weiterbildung anbieten. Das sind absolut notwendige Vorkehren, um sich am Arbeitsplatz kompetent und zufrieden zu fühlen.

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LETZTE SEITEN

Vom «Alters- und Pflegheim» zum «Alterszentrum» (pk) Der Name «Alters- und Pflegeheim» gerät im Gesamtkontext der schweizerischen Alterspolitik und gesellschaftlichen Veränderungen und Wahrnehmungen zunehmend unter Druck. Dafür sind im Wesentlichen drei Gründe auszumachen: Der Begriff «Heim» Den Begriff Heim verbindet vor allem die Kohorte der heute über 80-Jährigen mit einem sehr schlechten Image und damit, dass nur Personen in ein Heim mussten, die gesellschaftlich negativ aufgefallen waren oder Randgruppen angehörten. Da verlor man gänzlich seine Autonomie und musste sich den Regeln der Institution anpassen. Wer bitte, will unter solchen Bedingungen schon in ein Heim? Verschiedene Untersuchungen bestätigen, dass sich dieses Vorurteil hartnäckig hält, obwohl die Realität längst eine andere ist. Es ist und bleibt ein Grund, sich solange als möglich gegen einen Eintritt in ein Heim zu wehren. Der Begriff «Alters- und Pflegeheim» Die Alters- und Pflegeheime haben sich im Verlauf der letzten Jahre zu eigentlichen Pflegeheimen gewandelt, was dazu führt, dass die Bezeichnung mit der zusätzlichen Begrifflichkeit «Alter» zunehmend unpräzis wird und zudem suggeriert, es sei ein Aufenthaltsort für das Alter, was so nicht mehr stimmt. Vielmehr sind Bestrebungen im Gang, eben für diese «Alten» andere Wohnformen zu finden oder sie externen Dienstleistern zuzuweisen. Mit einer Umbenennung in «Pflegeheim» wird die Problematik rund um das Heim nicht behoben, sondern möglicherweise von Fall zu Fall noch verstärkt, indem mit dem Begriff «Pflegeheim» ganz offensichtlich die totale Abhängigkeit, aber auch der nahende Tod verbunden wird. Gegen aussen wird zudem indirekt kommuniziert, dass es einem gesundheitlich nicht mehr gut geht. Der Begriff «Heime im Wandel der Zeit» Mit den laufend zunehmenden Aufgaben im Bereich der Alterspolitik, geht man dazu über, den bisheri-

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gen Alters- und Pflegeheimen zusätzliche Aufgaben zuzuweisen oder gar dort unterzubringen. Stichworte dazu sind beispielweise «Auskunftsstellen für das Alter», «Spitexstützpunkte», «Ambulatorien», «Mahlzeitendienste», «Begegnungszentren» oder gar Spezialabteilungen wie «Demenzzentren», «Betreutes Wohnen», «Alterswohnungen», etc. Diese Entwicklung führt dazu, dass sich die Alters- und Pflegheime zu eigentlichen Kompetenzzentren für das Alter hin bewegen und deren Dienstleistungsangebote weit über den Begriff «Alters- und Pflegeheim» hinausgehen und diese sowohl im Sozialraum als auch in der Institution anbieten. Die Grafik zeigt eine möglich Palette von Dienstleistungen bis ins Jahr 2030 in Stein am Rhein auf. Vor diesem Hintergrund ist man schweizweit und schrittweise daran, die Alters- und Pflegeheime einer neuen Namensgebung zu unterziehen. Diese erfolgt momentan vorwiegend in den Städten und Agglomerationen, wo Bezeichnungen wie «Kompetenzzentrum für das Alter», «Alterszentrum», «Zentrum für Alter und Gesundheit» oder «Dienstleistungszentrum für das Alter» eingeführt werden. Grünes Licht für «Alterszentrum» Aus den erwähnten Gründen und im Sinne eines Nachvollzugs dieser Entwicklung, hat der Stadtrat anfangs November grünes Licht zur Namensänderung in «Alterszentrum» gegeben. Die Heimleitung wurde mit der Umsetzung per 1. Januar 2017 beauftragt. Die Arbeiten dazu haben bereits begonnen. Alterszentren sind zunehmend einer wachsenden

Konkurrenz ausgesetzt. Die Namensänderung bietet nun die Gelegenheit, uns neu im Markt zu positionieren und unsere Dienstleistungen besser darzustellen und vor allem aufzuzeigen, dass es uns darum geht, für die Menschen Zeit zu haben. Gleichzeitig möch-

ten wir das Angebot laufend und Schritt für Schritt ausbauen. Unter der Prämisse «Zusammenfügen, was zusammengehört werden wir in der nächsten Ausgabe unserer Hauszeitung vertieft auf diese Problematik eingehen.

Herbstschmaus der besonderen Klasse (pk) Anfangs November bewirteten wir in unserem Haus rund 50 Personen anlässlich unserer Einladung zum «Herbstschmaus». Bei diesem Anlass war die Teilnahme beschränkt und leider war er rasch ausgebucht, sodass wir doch einige Interessenten abweisen mussten. Einmal mehr zeigte sich, dass Begegnungen dieser Art sehr beliebt sind und geschätzt werden. Einen Besuch mit einem Essen verbinden zu können ist doch etwas anderes, als sich für zwei, drei Stunden in einem Zimmer oder im Kafi 21 aufzuhalten. Bei der kulinarisch spannenden Speiseabfolge konnte man dann auch entsprechend leicht verweilen. Ein Ambiente das sich zeigen konnte und von unserer Hauswirtschaft, unter der Leitung von Martina Mohr, einmal mehr professionell und liebevoll vorbereitet und präsentiert wurde. Die zum Herbst und dem Menü passenden Tischdekorationen, zusammen mit einem Serviceteam in herbstliches Orange gekleidet und eine dazu passende Gaumenfreude aus der Küche liessen einen schnell vergessen, wo der Anlass stattfand. Ebenso gut hätte man sich in

einem Lokal der gehobenen Klasse fühlen können. Damit verfolgen wir jeweils für uns zwei wichtige Aspekte. Einerseits möchten wir unsere Institution auch gegen Aussen gut präsentieren und für einmal zeigen, dass auch Altersheime heutzutage etwas zu bieten haben. Nach dem Motto: «Wer will, der kann». Andererseits soll es auch zum Erlebnis für unsere Bewohnerinnen und Bewohner werden, die in einer einfacheren Zeit aufgewachsen sind und solche Dinge vielleicht nur vom Hören sagen her kennen und jetzt hier bei uns ihre Gäste zu einem eigentlichen «Event» einladen können. Als «Tüpfelchen auf dem i» erhielten die Besucherinnen und Besucher zum Abschied aus der Küche unseres Chefkochs Robert Berger ein hausgemachtes Nuss-Mandeltörtli nach Steiner Art mit auf den Heimweg.

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Impressum Herausgeberin / Redaktion: Alters- und Pflegeheim Clara Dietiker Oehningerstrasse 21, 8260 Stein am Rhein Tel. 052 742 01 30 [email protected] www.altersheim.sh Texte: (pk) Peter Keller, Heimleiter (ue) Ulrike Elsner, Leitung Aktivierung und Alltagsgestaltung und Mitarbeiterinnen (hu) Daniel Hunkeler, Architekt Fotos: Pläne:

Alters- und Pflegeheim Clara Dietiker Hunkeler Hürzeler Architekten, Baden

Layout: Druck:

Atelier Rossi, Stein am Rhein Druckerei Steckborn, Steckborn

Erscheint unregelmässig

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